ADELE - Pia Hepke - E-Book

ADELE E-Book

Pia Hepke

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Beschreibung

ADELE liebt den Strand und das Kitesurfen, aber noch mehr liebt sie das Meer. Doch als ihre Klassenkameradin Conny eine grüne Perle geschenkt bekommt, spürt sie eine Anziehung, die alles bisherige in den Schatten stellt. Geheimnisvolle Stimmen fordern von ihr, die Perle in ihren Besitz zu bringen. Als dann auch noch weitere Perlen auftauchen, gerät Adeles Leben und das ihrer Freundinnen aus den Fugen. 5 Perlen – 5 Mädchen – 1 großes Geheimnis

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 

VOM WIND GETRAGEN 

Kapitel 2

LUNA-PERLEN 

Kapitel 3 

OMA SANNA 

Kapitel 4 

PARTY TIME 

Kapitel 5 

VOLLMOND 

Kapitel 6 

ZAUBER DES MONDES 

Kapitel 7 

SELTSAMES ERWACHEN 

Kapitel 8 

SCHATZSUCHE 

Kapitel 9 

EINS MIT DEM MEER 

Kapitel 10

MEERJUNGFRAUEN 

Kapitel 11 

FRAGEN ÜBER FRAGEN 

Kapitel 12 

GEMEINSAME GEHEIMNISSE 

Kapitel 13 

KRISENSITZUNG 

Kapitel 14 

PROBIEREN GEHT ÜBER STUDIEREN 

Kapitel 15 

EIN TAG AM/IM MEER 

Kapitel 16 

EIN GANZ NORMALER TAG 

Kapitel 17 

UNLIEBSAMES WIEDERSEHEN 

Kapitel 18 

MIT DELFINEN SCHWIMMEN 

Kapitel 19 

STRANDSPAZIERGANG 

Kapitel 20 

IN GEHEIMER MISSION 

Kapitel 21 

AUFGEFLOGEN 

Kapitel 22 

UNERWARTETE HILFE 

Kapitel 23 

REGEN 

Kapitel 24 

VERLUST 

Kapitel 25 

BÖSES ERWACHEN 

Kapitel 26 

FALSCHER ALARM 

Kapitel 27 

NEUMOND 

Kapitel 28 

DER ÜBERFALL 

Kapitel 29 

MIT HAIEN SCHWIMMEN 

Kapitel 30 

EIN GESPRÄCH UNTER FRAUEN 

Kapitel 31 

DER GEHEIMNISVOLLE BRIEF 

Kapitel 32 

GREGS ZWEITER VERSUCH 

Kapitel 33 

BEN 

Kapitel 34 

SURFERBOY BEN 

Kapitel 35 

ALLES UMSONST? 

Kapitel 36 

ÜBERREDET! 

Kapitel 37 

DER HEIMLICHE VEREHRER 

Kapitel 38 

UNTER BEOBACHTUNG 

Kapitel 39 

SALTIE 

Kapitel 40 

DIE TRÄNE EINER MEERJUNGFRAU 

Kapitel 41 

VORBEREITUNGEN AUF DEN VOLLMOND 

Kapitel 42 

HIER IST DER BEWEIS! 

DANKSAGUNG 

 

 

 

 

Vollständige e-Book Ausgabe 2021 

 

»ADELE über Nacht zur Meerjungfrau«

© 2021 ISEGRIM VERLAG 

ein Imprint der Spielberg Verlag GmbH, Neumarkt 

Covergestaltung: © Ria Raven, www.riaraven.de 

Coverillustration: © shutterstock.com

 

Alle Rechte vorbehalten. 

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. 

 

(e-Book) ISBN: 978-3-95452-840-0 

 

www.spielberg-verlag.de 

 

 

 

 

Pia Hepke wurde 1992 in Oldenburg i. O. geboren. Sie besitzt übersprudelnde Fantasie und baut nicht selten eigene Erlebnisse und Besonderheiten in ihre Bücher ein, wandelt sie in etwas anderes um. Es gibt so viele Möglichkeiten und sie entwickelt immer neue Ideen. Weil ihr neben dem Schreiben nur noch wenig Zeit zum Malen bleibt, zeichnet sie immer öfter für ihre Bücher. Jede Widmung ziert eine Zeichnung und einige Bücher sind bereits mit Illustrationen geschmückt worden. In ihrer restlichen Freizeit beschäftigt sie sich mit ihrem Hund und ihren Pferden.

 

Kapitel 1 

VOM WIND GETRAGEN 

- Adele - 

 

Adele holte tief Luft. Der Wind peitschte ihre Haare nach hinten und trieb eine frische Meeresbrise vor sich her. Die Sonne schien warm herab, die Luft besaß allerdings noch eine angenehme Frische, sodass sich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete. So hatte sie es gern. Das war das perfekte Wetter!

»Hah … wunderbar!« Sie atmete zweimal durch. Mit beiden Händen griff sie nach hinten und fasste ihre fröhlich im Wind tanzenden Locken mit einem Zopfgummi zusammen. Sie kniete sich auf den harten Sandboden und überprüfte ein letztes Mal, ob alles fertig war. Zufrieden nickte sie.

»Hast du deine Kamera, Kathi?«, fragte sie über die Schulter.

Seit sie denken konnte, hatte Adele ihre beste Freundin immer mit einem Fotoapparat herumlaufen sehen. Auf der Suche nach den schönsten Motiven waren die besten Kindheitserinnerungen entstanden.

Wie zum Beweis hielt Kathi stolz ihre Kamera in den böigen Wind. »Als ob ich jemals wieder ohne die aus dem Haus gehen werde.« Mit einem breiten Grinsen trat sie neben Adele. Ihre dunkelbraunen Augen leuchteten voller Vorfreude und der Wind brachte ihre kurzen, schwarzen Haare in eine wilde Unordnung.

»Sehr schön, dann kann‘s ja eigentlich losgehen, oder? Und denk dran, ich erwarte groooßartige Fotos von dir.« Adele zwinkerte ihr verschmitzt zu.

Kathi hatte sich von ihrem Ersparten ihren großen Traum erfüllt und eine echte Spiegelreflexkamera gekauft, ihre erste überhaupt. Selbstverständlich waren sie sich einig gewesen, dass diese sogleich einem Praxistest unterzogen werden musste.

»Wenn du für die richtigen Motive sorgst, dürfte das kein Problem sein.« Kathi nahm die Schutzkappe vom Teleobjektiv der Kamera, checkte noch hastig die Verschlusszeit, stellte die Blendenzahl ein wenig kleiner und überprüfte die restlichen Einstellungen. »Fertig?«

Gespannt blickte Adele auf das Wasser. Am weit entfernten Horizont schien sich alles für ihren Auftritt bereit zu machen. Die Sonne erhob sich langsam über das Meer und schickte ihr orangerotes Licht über die Wellen, dem ein wunderschön goldener Schimmer beigemischt war. »Es kann losgehen.«

Kathi verstand und machte sich auf den Weg, um die beste Position zu finden.

Adele hatte sich in der Zwischenzeit in ihren Schirm eingehängt und spannte die Leinen. Sie war ins Wasser gewatet und hatte ihren gleitschirmartigen Kite dort abgelegt. Ein Kiteboard war kürzer und leichter als ein Surfbrett, weswegen der Auftrieb sehr gering war. Aus diesem Grund lag Adele momentan auf dem Rücken, die Füße in den dafür vorgesehenen Schlaufen ihres Boards untergebracht. Sie wartete auf den richtigen Moment, um sich in die Höhe ziehen zu lassen. Nachdem die Leinen endlich genug Zug hatten, brachte sie ihn geschickt in die Lüfte.

Schon seit frühester Kindheit ging Adele morgens regelmäßig Kitesurfen, wenn die Strände noch frei von großen Menschenansammlungen waren. Kathi und sie hatten vor fast zehn Jahren mit diesem Hobby begonnen. Irgendwann hatte ihre beste Freundin jedoch festgestellt, dass es ihr mehr Freude machte, Adele bei ihren Sprüngen zu fotografieren, als selbst auf dem Brett zu stehen. Nur noch ab und zu gelang es Adele, Kathi zu einem gemeinsamen Ausflug auf dem Wasser zu überreden.

Als sie jetzt einen raschen Blick zurück zum Strand warf, konnte sie sehen, wie ihre Freundin mal wieder völlig in ihrem Hobby aufging. Die Kamera vor dem Auge, war sie bereits fleißig dabei, Fotos zu schießen.

Adele wusste noch nicht, ob sie es hinbekommen würde, aber das heutige Ziel war es, einen Sprung vor der aufgehenden Sonne zu machen. Es war schwierig für sie, den richtigen Winkel abzupassen, damit Kathi sie entsprechend vor die Linse bekam.

Doch zuerst wärmte Adele sich mit kleineren Übungen ein bisschen auf. Glückshormone schossen durch ihren Körper, als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht in die nächste Kurve legte. Sie spürte den Wind und das hochspritzende Wasser wie kühle Finger auf ihren Beinen. Mit voller Geschwindigkeit pflügte sie durch die goldenen Wellen, wirbelte Gischt auf und lachte vor lauter Lebensfreude.

Um ihrer Freundin etwas zu bieten, ließ sie sich in der nächsten Kurve nochmals tiefer sinken, sodass sie mit ihrem Po die Wellen streifte. Weil sie sich dazu noch weiter zurücklehnte, konnte sie fühlen, wie ihre Haare das Wasser berührten. Auch wenn es bestimmt atemberaubend aussah, auf Dauer war ihr die Oberfläche zu hart und so erhob sie sich wieder, vollführte einen flotten Richtungswechsel und begann, die ersten Wellen anzuvisieren.

Während sie sich in die Lüfte erhob, begann sie wie von allein I believe I can fly zu singen, denn genau so fühlte sie sich gerade. Wie jemand, der einfach abheben und in die Weiten des Himmels entfliehen konnte. Die Töne schwirrten um sie herum, während sie sich drehte, wieder landete und über das Meer flog.

Bei stärkerem Seegang waren schon wirklich spektakuläre Bilder entstanden, aber leider fehlte an solchen Tagen meist die Sonne. Der Wind trieb die Wolken dann so rasch über das Firmament, dass es schwierig war, den richtigen Moment zu erwischen. Doch Adele erinnerte sich an eine Aufnahme, auf der ihre Haare im Abendlicht in einem atemberaubenden Feuerrot leuchteten.

Immer mal wieder löste sie eine Hand von der Lenkstange und winkte zum Strand hinüber. Sie war neugierig, wie sehr sich die Fotos heute von den bisherigen, die mit einer einfachen Digitalkamera geschossen worden waren, unterscheiden würden.

Adele fuhr in eine der Wellen hinein und erzeugte ordentlich Gischt, sodass sie in einen feinen Wassernebel getaucht wurde. Hoffentlich sieht es genauso gut aus, wie es sich anfühlt.

Kurz vorm Strand, wo die Wellen sie hintrugen, es aber fürs Kiten zu flach wurde, bremste sie ab. Als Kathi ihr ein Zeichen gab, lenkte sie in eine andere Richtung und nahm erneut Fahrt auf. Das hieß, dass die Sonne inzwischen hoch genug stand. Auf dem Hinweg hatten die beiden besprochen, dass sie gut zwei Drittel aus dem Wasser ragen sollte, damit sie genügend Fläche bot.

Adele führte ein paar Probesprünge durch, ließ sich von ihrem Kite und dem Wind in die Lüfte tragen und landete mal sanft, mal weniger sanft wieder auf dem Wasser. Sie musste sich vergegenwärtigen, das Board so unter ihren Körper zu ziehen, dass es mit der Unterseite zum Strand zeigte. Nach einigen Jahren Fotomodellerfahrung hatten die beiden sich, zumindest in der Theorie, die optimale Haltung für den perfekten Sprung zurechtgelegt. Nur leider klappte es nicht immer so, wie sie es gern gehabt hätten.

Adele reduzierte die Geschwindigkeit, indem sie den Schirm fast senkrecht über sich lenkte, gab ihrer Freundin mit hochgestrecktem Arm ein Zeichen und nahm dann wieder Fahrt auf. Geschickt manövrierte sie sich über die Wellen. Sie brachte sich in Position, suchte eine besonders Hübsche aus und machte sich bereit, abzuheben.

Plötzlich drehte der Wind.

Als Adele die Welle hinaufschoss und sich gerade in die Lüfte erheben wollte, zog ihr Kite in die andere Richtung, sodass sie eine kunstvolle Drehung vollführte.

Schwer atmend und mit rasendem Herzen kam Adele auf dem Wasser auf.

»Wow!« So hoch und so elegant war sie noch nie gesprungen.

»Wehe Kathi hat davon kein gutes Foto gemacht«, murmelte sie, während sie sich von ihrem klopfenden Herzen zurück an Land begleiten ließ. Sie spürte immer noch das Adrenalin, das durch ihre Adern geschossen war. Ihre Hände zitterten, aber sie grinste über das ganze Gesicht. Eilig landete sie ihren Kite am Strand und watete aus dem Wasser.

»Hast du’s drauf? Hast du das gesehen?«

»Ja, hab‘ ich. Zumindest durch meine Linse.« Kathi stand da und sichtete bereits die Fotos.

»Und?«

Sie zwinkerte. »Das war nicht die abgesprochene Pose.«

Adele verdrehte die Augen. »Ich weiß, es war frei reagiert. Und? Wie sieht‘s nun aus?« Ungeduldig schob sie sich neben ihre Freundin, um sich das Foto anzusehen.

»Es ist einfach phänomenal!« Kathi hielt ihr die Kamera hin.

»Das Foto ist sogar noch besser! Guck, es sieht jetzt nämlich so aus, als würdest du über die Sonne springen. Und die Wasserspur in der Luft, einfach der Oberhammer!«

Adele pfiff durch die Zähne. Das Foto war wirklich genial! Die Sonne im Hintergrund leuchtete in einem kräftigen Gelborange und tauchte das Meer in dieselbe Farbe. Die Leinen ihres Kites waren nur zu erahnen und sie selbst ein schwarzer Schatten, der mit einem eleganten Sprung, das Board dicht an den Körper gezogen, einen gewaltigen Satz über die aufgehende Sonne machte. Über das Wasser zog sich eine Gischtspur, die in silbergoldenem Licht funkelte.

»Damit gewinnst du jeden Fotowettbewerb!«, lobte Adele und klopfte ihr gleichzeitig anerkennend auf die Schulter.

Kathi quietschte vor Vergnügen und drehte sich im Kreis. »Ich weiß!«

Sie strahlten um die Wette, dann wandte Adele ihren Blick wieder zum Meer. »Ich glaube, wir können’s für heute gut sein lassen, oder? Ein noch besseres Foto schaffen wir sowieso nicht«, meinte sie nachdenklich.

»Ich denke auch. Lass uns deine Sachen einpacken und gehen.« Kathi warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr. »Dann müssen wir uns nicht so abhetzen wie beim letzten Mal, um noch pünktlich zur Schule zu kommen.«

»Hey, ist doch egal. Du verpennst sowieso immer die Hälfte des Unterrichts.« Adele zwinkerte ihrer Freundin mit einem breiten Grinsen zu.

»Als ob du besser wärst«, konterte die. »Das ist eben der Preis, den man zahlen muss, um gute Fotos zu bekommen.«

»Na klar.« Adele lachte. »Komm jetzt und hilf mir.«

 

Kapitel 2 

LUNA-PERLEN 

- Chloe - 

 

»Happy birthday to you, happy birthday to you! Happy birthday, liebe Conny. Happy birthday to you!«, stimmten Zoe und Chloe im Chor an. »Herzlichen Glückwunsch, Conny!«

»Oh, danke euch beiden. Und? Fällt euch etwas auf?« Conny warf demonstrativ ihre blonden Haare nach hinten und streckte die Brust ein wenig vor. Chloe erkannte sofort, auf was ihre Freundin damit aufmerksam machen wollte. Eine Perle, so groß wie eine Murmel, filigran in silberfarbenes Metall eingefasst, zierte ihren Hals.

»Wow!« Zoe beugte sich mit ehrfürchtigem Gesichtsausdruck vor, um das Schmuckstück zu begutachten.

»Ist die echt?« Auch Chloes Blick hing wie gebannt an Connys Dekolleté. Sie wollte auch so etwas Atemberaubendes zum Geburtstag bekommen!

»Ja und nein. Natürlich ist sie nicht künstlich, wenn du das meinst. Sie gehört zu einer neuen Züchtung, die mein Vater finanziert. Sie nennen sie Luna-Perlen. Auf meiner Party heute Abend kann ich euch auch zeigen, wieso.« Conny zwinkerte geheimnisvoll und strahlte übers ganze Gesicht.

»Ich glaube, ich kann es mir jetzt schon denken.« Chloe streckte die Hand nach der grün schimmernden Perle aus. Bei jeder noch so kleinen Bewegung zeigten sich winzige, silbrig glitzernde Reflexionen. In ihrer Gesamtheit erschienen sie wie eine Lackierung, waren aber Bestandteil der Perle und erinnerten an eingefangenes Mondlicht.

»Faszinierend, diese Oberfläche«, fasste Chloe ihre Beobachtungen zusammen. Sogar mehr als das!

»Ich hab‘ auch noch nie von einer grünen Perle gehört.« Zoe beugte sich ebenfalls über den Anhänger.

»Nein, ich auch nicht. Mit dieser neuen Zuchtmethode scheint man verschiedene Farben bekommen zu können. Allerdings haben sie bisher noch nicht herausgefunden, was die Farbgebung beeinflusst.« Conny legte nachdenklich den Kopf zur Seite. »So genau habe ich den Ausführungen dann doch nicht zugehört, egal. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was heute Nacht damit passiert. Mein Vater hat bloß Andeutungen gemacht …«

»Es hat also mit dem Mondlicht zu tun?«

»Blitzmerker, Zoe. Das hab‘ ich vorhin doch schon gesagt.« Conny verdrehte die Augen.

»Ach, und deswegen die Party?« Zoe schaute sie erwartungsvoll an.

»Genau.« Conny nickte mit einem breiten Grinsen.

»Wen hast du denn alles eingeladen für heute Abend?«, fragte Chloe neugierig.

»Mhm, lass mich kurz überlegen. Ich glaube, so ziemlich jeden. Mein Dad hat gesagt, ich kann einladen, wen ich will.« Sie zuckte lässig mit den Schultern, danach warf sie elegant den Kopf nach hinten.

»Tja, war ja klar, dass du das ausnutzt.« Zoe zwinkerte ihrer Freundin schelmisch zu. Die lächelte zurück.

»Kommen die beiden auch?« Chloe deutete mit dem Kopf in Richtung Adele und Katharina.

Adeles meergrüne Augen starrten schon eine ganze Weile wie gebannt zu Conny hinüber. Chloe fand das ziemlich unhöflich. Generell fand sie die beiden oft merkwürdig. Sie hingen ständig aneinander und machten immer alles zu zweit, es schien nie Platz für noch jemanden zu sein.

»Ja«, antwortete Conny gedehnt. Als sie einen Blick hinüberwarf, sah Adele schnell in eine andere Richtung. Conny legte nachdenklich den Kopf schief.

»Sag mal, gibt es eine Möglichkeit, auch so eine Perle zu bekommen?« Zoe hatte die Hand nach Connys Geburtstagsgeschenk ausgestreckt. Doch bevor sie sie zu fassen bekam, trat Conny einen Schritt zurück und brachte so das Schmuckstück außer Reichweite.

»Nein, nicht wirklich. Die Perlen gibt es offiziell nicht zu kaufen, noch nicht. Aber wir haben mehr davon. Ich könnte sie euch vielleicht heute Abend zeigen.« Ihr Vorschlag wurde sofort mit glänzenden Augen angenommen. Vorfreude machte sich in Chloe breit.

»Du hast so ein Glück mit deinem Vater!« Sie warf noch einen neidischen Blick auf die große Perle. Ihre Freundin bekam immer das Neuste vom Neuesten. Sie wünschte, ihr Vater würde auch in der Forschung arbeiten und so viel Geld verdienen. Es war oftmals gar nicht so leicht, nicht neidisch zu werden. Doch Conny war stets bemüht, mit ihren Freundinnen zu teilen. Deswegen richtete Chloe ihre Augen von Connys Dekolleté wieder auf ihr Gesicht, auf dem sich offene Verwirrung abzeichnete.

Für einen Moment fragte Chloe sich, ob ihre Blicke und die damit verbundene Eifersucht zu offensichtlich gewesen waren. Doch dann stellte sich heraus, dass nicht sie für die Irritation ihrer Freundin verantwortlich war.

Adele und ihre Busenfreundin Katharina waren mit einem Mal auf der Bildfläche erschienen. Breit lächelnd, gratulierte Katharina Conny zum Geburtstag. Die sah weiterhin ein wenig verwundert aus. Als sie dann auch noch nach dem Beginn ihrer Party gefragt wurde, warf sie Adele einen misstrauischen Blick zu. Es entging Chloe nicht, dass sie sich die ganze Zeit bemühte in eine andere Richtung zu schauen.

»Was war denn mit denen los?«, fragte sie leise, nachdem die beiden wieder verschwunden waren.

»Keine Ahnung.« Conny griff beinahe Halt suchend nach ihrem Anhänger und warf einen Blick über die Schulter.

»Also ich hab‘ ja nichts gegen die beiden, aber das war total merkwürdig. Katharina war extrem aufdringlich und Adele hat kaum einen Ton rausgebracht«, meldete sich auch Zoe zu Wort. »Bin ja mal gespannt, ob die wirklich kommen.«

»Die kommen.« In Connys Stimme schwang eine untrügliche Gewissheit mit. Dann schüttelte sie den Kopf und lächelte strahlend. »Wäre ja auch dumm, wenn nicht. Niemand würde freiwillig meine Poolparty verpassen wollen. Vor allem, da heute Nacht Vollmond ist.«

 

- Katharina - 

 

»Was schaust du denn die ganze Zeit?« Katharina musterte ihre Freundin amüsiert. Adele verrenkte sich schon eine ganze Weile den Hals. Ihre Aufmerksamkeit lag definitiv nicht bei ihr oder dem, was sie gerade erzählt hatte. Dabei hätte Katharina so gern noch ein bisschen über den Sprung am Morgen gesprochen. Es war ungewöhnlich, dass ihre Freundin bei diesem Thema so vollkommen abwesend war.

»Ach, nichts«, wimmelte Adele sie mit einem Kopfschütteln ab.

»Tatsächlich?« Katharina verschränkte die Arme und hob fragend eine Augenbraue, als Adele verlegen in eine andere Richtung schaute. Das sollte nichts sein?

»Na ja, es ist schwierig zu erklären«, meinte sie ausweichend, doch Katharina machte ihr mit einem Blick klar, dass sie sich auch damit nicht zufriedengeben würde.

Adele seufzte ergeben. »Hast du Conny gesehen?«

»Klar, als ob man die übersehen könnte.« Katharina machte eine abschätzige Geste mit der rechten Hand, als würde sie eine Fliege vertreiben wollen. Conny war nicht der Typ, den man so einfach übersah. Wenn sie nicht mit ihrer extravaganten Kleidung auffiel, dann sorgte sie mit etwas anderem dafür, dass sich alle Augen auf sie richteten. Sie konnte dieses Gehabe nicht leiden.

»Und hast du auch gesehen, was sie um den Hals trägt?«

Katharina wandte den Kopf und spähte zu den drei Mädchen hinüber. Conny warf in eben diesem Moment ihre blonden Haare nach hinten und etwas blitzte im Sonnenlicht auf.

»Mhm, ich würde mal tippen, dass es irgendein kostbares Geschenk ihres Vaters ist, aber was genau, kann ich dir aus dieser Entfernung nicht sagen.« Katharina kniff die Augen zusammen. Schließlich sah sie wieder zu ihrer Freundin hinüber, die irgendwie zerknirscht wirkte. »Wieso willst du das wissen?«

»Tja, so genau kann ich dir das auch nicht sagen.«

Daraufhin legte sie den Kopf schief und verschränkte demonstrativ die Arme. »Das ergibt keinen Sinn, das weißt du schon, oder? Drück dich mal klarer aus!«

Adele lachte nervös auf. »Ich will es wissen, weil ich den Drang verspüre, hinzulaufen und ihr das Was-auch-immer vom Hals zu reißen. Keine Ahnung wieso, aber ich habe das Gefühl, als hätte sie mir irgendetwas sehr Wertvolles gestohlen. Und jetzt tut sie so, als wäre es ihrs. Ich bin unfassbar wütend!« Adeles Stimme zitterte und in ihren grünen Augen blitzte für einen kleinen Moment etwas auf, das Katharina die Arme senken und sie fassungslos anstarren ließ. War das Wut? Oder mehr? Etwas wirklich Böses? Nein, das konnte nicht sein.

»Aha …« Katharina war verunsichert, so hatte sie ihre Freundin noch nie erlebt.

»Ich sag ja, es ist kompliziert.« Adele zuckte hilflos mit den Schultern. »Vergiss es einfach und lass uns schon mal zum Klassenzimmer gehen.«

Sie hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, da hielt Katharina sie am Arm zurück und zog sie in die entgegengesetzte Richtung. So einfach würde sie nicht davonkommen. Anstatt wegzulaufen galt es der Sache auf den Grund zu gehen. »Wir schauen uns jetzt aus der Nähe an, was sie da um den Hals hat und wenn das Ding tatsächlich dir gehört, dann Gnade ihr Gott«, murmelte sie.

»Hey, Kathi. Warte! Nicht!«, zischte Adele, doch Katharina dachte gar nicht daran, ihr zuzuhören, und blieb kurz darauf mit einem fröhlichen Lächeln vor Conny stehen.

»Morgen, Conny. Alles Gute zum Geburtstag.« Sie umarmte sie überschwänglich und tat so, als ob sie die besten und engsten Freundinnen wären. Dabei konnte sie einen genauen Blick auf das Schmuckstück um Connys Hals werfen.

Es war eine in Silber eingefasste Perle, wie sie überrascht feststellte. Allerdings war diese dunkelgrün. Konnte die wirklich echt sein?

»Wann fängt deine Geburtstagsfeier noch mal an?«, fragte sie beiläufig, um ein bisschen Zeit zu schinden. Conny schaute sie daraufhin irritiert an.

»Um acht. Es soll ja schließlich eine Poolparty bei Nacht werden«, antwortete sie nach kurzem Zögern.

»Ja, genau. Wunderbar, dann sehen wir uns heute Abend.« Katharina lächelte, obwohl sie inzwischen von allen angestarrt wurde, doch das interessierte sie nicht. Sie durften sie ruhig für übergeschnappt halten. Das war ihr egal.

Adele konnte gerade noch »herzlichen Glückwunsch« murmeln, bevor Katharina sie weiterzog. Hinter der nächsten Ecke des Schulgebäudes hielt sie an.

Adele stand da und sah vollkommen abwesend aus. »Heute Nacht ist Vollmond«, murmelte sie vollkommen zusammenhangslos.

»Ja, ich weiß.« Katharina warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Was hatte der Vollmond jetzt damit zu tun? Langsam begann sie, sich ernsthaft Sorgen um Adele zu machen. Hatte die Aktion es womöglich noch schlimmer gemacht? »Das stand ja auch groß auf Connys Einladung. Irgendwie spannend. Ich finde ihre Idee, ehrlich gesagt, richtig genial. Ich freue mich schon darauf, bei Mondenschein im Wasser zu treiben.«

»Mhm, mhm.« Das Ablenkungsmanöver hatte nicht wirklich funktioniert. Adele schien mit ihren Gedanken weiterhin ganz woanders zu sein.

»Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?« Katharina stieß gegen ihre Schulter. Sie musste ihre Freundin dringend wieder auf die Erde zurückholen. Dieses Treiben in einer anderen Sphäre war unheimlich.

»Au! Ja, doch. Aber du wirst wohl kaum deine Ruhe haben bei den vielen Leuten, die sie eingeladen hat.« Adele blickte missmutig drein.

»Stimmt. Das könnte ein Problem werden. Obwohl Connys Eltern einen wirklich großen Pool haben sollen. Mit echten Delphinen im Becken«, fügte sie noch spaßeshalber hinzu. Doch von Adele kam keine Reaktion. Genervt rammte Katharina ihr den Ellenbogen in die Seite.

»Hey, ist ja schon gut. Warte kurz. Jetzt müssten sie weg sein.« Adele ging nicht auf ihre Worte ein, sondern spähte um die Ecke.

»Puh, sie sind weg. So, jetzt kann ich mich wieder vernünftig mit dir unterhalten.«

»Was sollte das denn jetzt?« Katharina musterte ihre Freundin mit ernstem Blick. Dieses Verhalten war doch nicht mehr normal. Nicht mal für Adele.

»Das könnte ich dich genauso gut fragen. Das da vorhin«, Adele deutete über ihre Schulter, »war ja wohl absolut unnötig!«

Doch Katharina zuckte bloß mit den Schultern. »Ich wollte einfach nur, dass du dir diese Kette einmal genauer ansehen kannst. Es ist eine Perle, oder? Eine dunkelgrünschimmernde, ziemlich große Perle. Meinst du, die war echt?« Katharina sah sie mit großen Augen an. Sie hatte noch nie eine so riesige Perle und erst recht nicht in der Farbe gesehen.

Adele schnaubte abschätzig. »Denkst du wirklich, sie würde sich Modeschmuck umhängen? Nein, die war definitiv echt. So eine riesige Perle hab‘ ich noch nie gesehen. Aber die Nähe hat es auch nicht besser gemacht.« Adele seufzte. Sie wirkte erschöpft.

»Soll heißen?« Katharina zog eine Augenbraue hoch.

»Dass ich mich echt zusammenreißen musste, um nicht nach der Kette zu greifen. Und nachdem wir da wieder weg sind, konnte ich es noch intensiver spüren«, antwortete sie sichtlich beunruhigt.

»Da war irgendwie eine Verbindung.« Ein irrer Glanz stand in Adeles Augen. Als wäre sie im Fieberwahn, funkelte ihre Iris mit einem Mal glasklar und sehr intensiv.

Katharina schnippte mit den Fingern vor dem Gesicht ihrer Freundin. Was ist nur los mit ihr? So langsam macht mir dieses Verhalten Angst.

»Hey, Erde an Adele. Du weißt, dass du ihr das Teil unmöglich einfach wegnehmen kannst, oder? Wer weiß, wie teuer das war.«

»Ja, doch! Aber es fühlt sich an … als würde sie mir gehören.«

»Sie hat dir die Perle nicht gestohlen«, stellte Katharina klar. »Ich hab‘ so eine jedenfalls noch nie bei dir gesehen.«

»Ich weiß«, murmelte Adele, doch es klang nicht überzeugt. Dafür kannte Katharina sie einfach zu gut, sie hatten ja quasi ihr ganzes Leben zusammen verbracht.

Es läutete und die Pause war vorbei. Doch Katharina begann sich Sorgen um ihre Freundin zu machen.

»Das ist seltsam. Woher solltest du eine Verbindung zu der Perle haben? Das ist doch … also echt! Das klingt doch irre, oder?« Katharina warf ihrer Freundin einen nervösen Blick zu.

»Ich denke nicht. Woher denn? Es könnte ja auch alles nur Zufall gewesen sein.« Doch ihre Freundin konnte Katharina mit diesen Floskeln nicht besänftigen. Sie durchschaute sie mühelos.

»Du hast tatsächlich so eine Art Verbindung!«, rief Katharina aus. Die anderen in ihrer Nähe warfen ihr bereits Blicke zu. Doch das störte sie nicht.

»Könntest du aufhören, hier so herumzuschreien?«, zischte Adele gereizt. »Es stimmt, ich habe tatsächlich das Gefühl, eine Verbindung zu diesem Schmuckstück zu besitzen. Genauso, wie ich gerade unglaublich wütend auf Conny bin. Aber ohne richtigen Grund. Ich weiß ja schließlich, dass sie mir die Perle nicht gestohlen hat, obwohl es sich genauso anfühlt. Irgendetwas in mir beginnt zu vibrieren, sobald die Perle in meine Nähe kommt. Es ist wie ein Band, das mich in eine bestimmte Richtung zieht. Gleichzeitig mit diesem Sog vernehme ich eine Stimme in meinem Kopf, die lautstark fordert, dass ich sie mir zurückholen soll. Ich verstehe es ja selber nicht.« Adele schüttelte verzweifelt den Kopf.

»Vielleicht werde ich verrückt?«

Katharina bemühte sich, ihren Schock hinter einer fröhlichen Fassade zu verbergen. Es wäre nicht gut, ihre Freundin vor den Kopf zu stoßen, wo sie gerade so ehrlich zu ihr gewesen war. Sie durfte nicht riskieren, dass Adele sich vor ihr zurückzog, denn irgendwie hatte Katharina das Gefühl, dass sie ein Auge auf sie haben sollte.

»Na, dann weiß ich ja, was ich heute Abend machen werde«, sagte Katharina begeistert, obwohl sie immer noch ein mulmiges Gefühl verspürte.

»Und das wäre?« Adele musterte sie mit einem skeptischen Blick.

»Ich werde dich davon abhalten, Conny an die Gurgel zu gehen und dich somit vor einem Knastaufenthalt bewahren.« Katharina schnappte sich Adele und nahm sie freundschaftlich in den Schwitzkasten.

»Hey, ich bekomme keine Luft«, beschwerte die sich, was aber wohl vielmehr daran lag, dass sie sich vor Lachen nicht mehr einkriegte.

»Umso besser. Dann übe ich schon mal, wie ich dich am schnellsten außer Gefecht setzen kann.« Das meinte Katharina allerdings durchaus ernst. Wenn ihre Freundin sich am Abend auch so seltsam benahm, dann würde sie sie augenblicklich von der Party schleifen.

»Nicht!«, jammerte Adele, aber Katharina ließ nicht los. Inzwischen hatten sie die Aufmerksamkeit der gesamten Schülerschaft und auch die einiger Lehrer. Das scherte Katharina jedoch nicht, trotzdem entließ sie ihre Freundin langsam aus der Umklammerung.

»Ich meine das ernst, ich weiche nicht von deiner Seite. Mach dich darauf gefasst!«

Adele lachte bei ihrer »Drohung« bloß.

 

Kapitel 3 

OMA SANNA 

- Adele - 

 

»Oma? Oma! Wir sind wieder daha!«, rief Adele vergnügt durch das kleine Häuschen, das sie und ihre Großmutter in Strandnähe bewohnten. Sie hängte den Haustürschlüssel ans Schlüsselbrett und streifte sich die Schuhe ab. Ihre Oma musste hier irgendwo sein. Heute Morgen hatte sie noch gesagt, sie hätte den Nachmittag frei.

»Oma Sanna? Du musst dir unbedingt anschauen, was für ein Meisterwerk wir heute Morgen geschaffen haben!«, rief Kathi. Die beiden hatten auf dem Rückweg von der Schule einen kurzen Zwischenstopp im Fotoshop eingelegt und das gelungene Bild vom Morgen ausdrucken lassen. Auch wenn Kathi sich darüber beschwert hatte, dass auch bei der Spiegelreflexkamera die Bilder mittlerweile digital waren – sie hätte gern richtige Filmrollen zum Entwickeln hingebracht. Doch dank des Fotos war sie rasch davon abgekommen, sich darüber zu beschweren.

»Kinder, Kinder. Wenn ich draußen im Garten bin, dann kann ich nicht so schnell antworten.« Oma Sanna kam freudestrahlend durch die offenstehende Terrassentür geschlendert und klopfte sich schwarze Krümel von der Kleidung.

»Du hast noch Erde im Haar«, kommentierte Adele den Auftritt ihrer Großmutter.

Die strich sich lediglich eine schneeweiße Strähne aus dem Gesicht. Aus dem unordentlich geknoteten Dutt hatten sich etliche von ihnen befreit. »Das gehört so.« Sie zwinkerte Adele mit funkelnden Saphiraugen zu.

»Oma Sanna, das musst du dir ansehen. Adele war heute Morgen einfach fantastisch. Atemberaubend. Der Wahnsinn! Das Foto ist …«

»Eine Meisterleistung!«, unterbrach Oma Sanna, die sich soeben neben sie gestellt hatte. »Unglaublich!«

Kathi strahlte, während sie das Bild vor sich hochhielt.

»Das habt ihr beide wirklich großartig gemacht.« Sie klatschte anerkennend in die Hände. »Das Foto müssen wir irgendwie publik machen. Ganz toll!«

»Das sieht beinahe so aus, als könnte Adele fliegen.«

»Ja, finde ich auch. Das ist mein bisher größtes Meisterwerk!«

»Gibt es das auch noch größer? Das würde sich wunderbar in unserem Wohnzimmer machen.« Sie nickte und gab das Foto an Kathi zurück.

»Ja, die Auflösung dürfte für größere Formate reichen. Eventuell könnte man es auf eine Leinwand drucken. Das wäre doch was!« Kathi ließ sich sofort von der Begeisterung anstecken und drehte sich im Kreis, um nach einem geeigneten Platz an der Wand Ausschau zu halten.

Adele stand daneben und lachte. »Jetzt wartet doch mal. Solche Leinwände können echt teuer werden. Ein ganz normaler Druck in einem Bilderrahmen reicht doch vollkommen aus.«

Die beiden sahen sie daraufhin an, als ob sie den Verstand verloren hätte.

Abwehrend hob Adele die Hände. »Schon gut. War nur ein Vorschlag. Aber darüber können wir später ja immer noch reden. Jetzt komm. Wenn wir noch mal runter zum Strand wollen, bevor wir uns für Connys Party fertig machen müssen, ist Eile angesagt!«

»Schon gut, dann lass uns nach oben gehen. Oma Sanna? Du kannst dir ja in der Zwischenzeit überlegen, wie wir weiter verfahren wollen.« Kathi zwinkerte der alten Dame verschwörerisch zu.

»Selbstverständlich. Ich werde alles Weitere in die Wege leiten.« Oma Sanna lachte herzlich. Es war ein ansteckendes Lachen, genauso wie Adele es von ihr kannte.

Adele machte sich schon mal auf den Weg die Treppe hinauf. Die Zeit drängte. Als sie einen Blick nach unten warf, stellte sie fest, dass die beiden Quasselstrippen immer noch nicht fertig waren.

»Aber eine Frage hätte ich noch«, fügte Kathi hinzu.

»Und die wäre?«

»Ist es nicht irgendwie frustrierend, von allen Oma genannt zu werden?«

Adele wusste, dass Kathi das nur fragte, weil für sie Großmütter eigentlich immer alte Frauen waren, die mit einer Gehhilfe unterwegs waren oder in Ohrensesseln hockten. Doch Oma Sanna war anders. Sie hatte Adele aufgezogen und war trotz ihrer weiß gewordenen Haare im Grunde die ganze Zeit mehr Mutter als Oma gewesen.

»Aber nein, keineswegs. Es ist die richtige Bezeichnung für eine Dame in meinem Alter«, kam es lachend zurück.

»Kommst du jetzt endlich?« Adele stand am oberen Treppenabsatz und blickte mit finsterem Blick zu den beiden Tratschtanten hinab. Es war mal wieder typisch, dass sie sich verquatschten. So wurde das nichts mit dem Strandausflug. Genervt blies sie die Wangen auf. »Ich dachte, wir wollten uns beeilen?«

»Ich bin ja schon unterwegs.« Kathi hastete augenblicklich die Stufen hinauf.

Die obere Etage des kleinen Häuschens war Adeles Reich. Ihre Oma hatte damals entschieden, dass sie irgendwann sowieso keine Lust mehr hätte, die vielen Treppenstufen jeden Tag mehrmals hinauf und wieder hinunter zu steigen und deshalb das Zimmer neben der Küche als ihr Schlafzimmer auserkoren. Adele bezweifelte jedoch, dass ihrer Oma die paar Stufen etwas ausmachen würden, so fit wie sie war. Vermutlich hatte sie ihr einfach mehr Freiraum geben wollen und dafür war Adele ihr dankbar. Sie liebte ihr kleines Reich hier oben.

»Hast du neue Fische?« Jedes Mal, wenn ihre Freundin sie besuchte und sie oben in ihrem Zimmer war, ging ihr erster Blick zu dem großen Aquarium. Es war Adeles ganzer Stolz und stand in der Nähe des Fensters, das nach hinten in den bunten Garten zeigte. Sie investierte viel Zeit in ihre einzigen Haustiere. Regelmäßig gestaltete sie die Unterwasserlandschaft neu, damit ihr und den Fischen nicht langweilig wurde.

»Nein, oder?«

Adele schüttelte den Kopf und schmunzelte. »Du warst doch gestern erst da, wann sollte das passiert sein?«

»Ich bin immer noch der Meinung, dass du dir ein Salzwasseraquarium zulegen solltest«, sagte Kathi, ohne auf sie einzugehen.

»Schon, aber meine Oma ist strikt dagegen. Es ist schließlich auch ein klein wenig arbeitsintensiver und vor allem kostspieliger. Ich bin mit meinem zufrieden, das ist schon teuer genug.« Adele grinste ihre Freundin an. »Ein Glück, dass meine Fische so lange leben.«

»Stimmt auch wieder. Aber ich fände es einfach großartig, wenn wir noch ein paar Korallen mit einbauen könnten. Davon gibt‘s so viele schöne Exemplare«, schwärmte Kathi.

Adele ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Die Sonne stand gerade günstig, sodass ihr Licht geradewegs durchs Fenster fiel. Den cremefarbenen Wänden kam das zugute, ebenso wie dem honigfarbenen Holz von Bett, Nachttisch und den Regalen. Adele konnte sich noch gut daran erinnern, als an den Wänden Kindertapete geklebt hatte und sie beide auf dem Boden mit Barbiepuppen gespielt hatten. Es hatte sich vieles verändert seitdem, aber einiges war immer noch beim Alten. Zum Beispiel der Ausblick, ihre Freundschaft und die Zeit zu zweit, die sie hier gemeinsam verbrachten.

»Aber du kannst dir doch eins zulegen.« Den Vorschlag unterbreitete Adele ihrer besten Freundin schon seit Jahren. Sie war sich sicher, dass Kathis Eltern nichts dagegen haben würden, aber sie wollte einfach nicht.

»Könnte. Aber ich bezweifle, dass ich das durchhalten würde. So ist es viel interessanter und du hast die Arbeit damit.« Kathi zwinkerte ihr zu.

»Ach, darum geht es dir.« Adele streckte ihr die Zunge heraus.

»Hast du dich nun lange genug davon überzeugt, dass kein neuer Fisch dazu- und auch keiner weggekommen ist, ohne dass ich dir Bescheid gegeben hätte?«

»Ich denke schon.« Kathi schob sich die Brille zurecht.

»Fein, dann können wir ja endlich gehen. Und du willst wirklich nur schwimmen?« Adele schaute ihre Freundin fragend an.

»Jep«, bestätigte diese. »Mir ist heute nicht nach Kiten. Wenn wir abends noch weggehen, schlafe ich nachher nur ein. Ein andermal.«

»Meinetwegen. Dann komm.«

Die beiden hatten zuvor bei Kathi zu Hause vorbeigeschaut, damit sie sich umziehen und ihre Schulsachen wegbringen konnte. Adele trug bereits ihre Badesachen unter dem luftigen Sommerkleid und schmiss ihre Tasche achtlos aufs Bett. Sie holten gemeinsam ihre Kiteausrüstung aus dem Geräteschuppen. Der Rucksack und das Board standen ordentlich auf der linken Seite. Oma Sannas Harken, Forken, Schaufeln und Eimer auf der anderen.

Fröhlich schnatternd gingen sie den kurzen Weg die Dünen entlang zum Strand. Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt bereits überschritten, sodass die Temperaturen erträglich waren.

Zwischen den Dünen, ohne die Meeresbrise, war es um einiges wärmer und Adele kam bereits ins Schwitzen, als sie sich den losen Sand emporkämpfte. Sie hätten es auch bequemer haben und den Umweg über die besser befestigte Strecke nehmen können. Aber wer mochte es schon gern einfach? Außerdem dauerte das viel länger.

Oben angekommen, wurde zunächst die Lage sondiert. Es waren zwar einige Menschen am Strand unterwegs, aber ein Stückchen weiter war ein langer Abschnitt leer.

»Dort rüber?« Adele zeigte in die Richtung rechts von ihnen.

»Sieht gut aus«, stimmte Kathi zu.

Der Weg die Düne hinab war nur halb so anstrengend und unten angelangt gingen sie noch ein gutes Stück in Richtung Meer, dessen dunkles Blau von weißen Schaumkronen durchzogen war. Schließlich erreichten sie einen festeren Teil des Sandstrandes, auf dem es sich besser laufen ließ. Wenig später waren die beiden Freundinnen bereits im Wasser und Adele hatte sich ihr Board unter die Füße geschnallt.

»Sieh dir bitte immer mal wieder an, was ich mache. Vielleicht fällt dir ja ein Fehler auf oder du hast eine Idee, wie ich es besser machen könnte«, bat Adele mit einem kurzen Blick zu ihrer Freundin.

»Klar doch.« Kathi lag auf dem Rücken und blickte in die Weiten des klaren Himmels, während die Wellen sie sanft hin und her schaukelten.

»Hörst du mir überhaupt zu?«, wollte Adele wissen, die bis eben noch die Schnüre ihrer Ausrüstung kontrolliert hatte. Jetzt blinzelte sie gegen die Sonne an, die ihre Schultern und Arme wärmte.

»Mhm, mhm.« Kathi schloss die Augen und sah vollkommen entspannt aus.

Adele watete durchs Wasser und versuchte, sich leise an ihre Freundin heranzuschleichen. Na, warte. Gerade, als sie sie erreicht hatte und unter Wasser drücken wollte, hob Kathi blitzschnell die Hand. »Nur, weil ich die Augen zuhabe, bedeutet das nicht, dass ich nichts sehe. Jetzt mach schon und fang endlich an. So viel Zeit haben wir nun auch wieder nicht.«

Adele wandte sich kommentarlos ab, streckte ihr aber vorher noch die Zunge raus. Ob ihre Freundin das auch gesehen hatte? Ein bisschen Spaß durfte ja wohl sein. Dann eben nicht.

Wenige Minuten später sauste sie über das kühle Nass. Dabei behielt sie Kathi die ganze Zeit im Blick, um sie nicht versehentlich mit ihrem Board zu erwischen. Ihren Frust über den missglückten Streich verarbeitete sie mit hohen Sprüngen und scharfen Wendungen. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihre Freundin ihr in allem überlegen war. Obwohl sie beim Kitesurfen endlich die Nase vorn hatte, konnte sie sich nicht wirklich mit ihr messen, um sich davon zu überzeugen.

Frustriert stieß Adele einen Seufzer aus. Ihre Freundin war in fast allen Sachen so unglaublich talentiert. Was eventuell auch daran lag, dass sie stets nur das tat, was ihr Freude bereitete. Adele hingegen hatte die meiste Zeit über das Gefühl, einer unsichtbaren Sache hinterherzujagen. Sie war auf der Suche nach etwas, das sie nicht fand.

Kathi hatte diese Dinge längst gefunden. Das Fotografieren war ihre Passion.

Missmutig richtete sie ihre Gedanken wieder auf ihr heutiges Ziel. Mittlerweile schaffte sie eine oder mehrere Drehungen während eines Sprungs, mit der Hand am Brett. Jetzt war der nächste Schritt an der Reihe. Adele übte sich zurzeit daran, das Board von ihren Füßen zu lösen, es ähnlich wie beim Skateboarden kurz in die Hand zu nehmen, um es dann vor der Landung wieder zurück an ihre Sohlen zu bekommen. Doch leider schafften sie den Weg zurück in die Schlaufen nie rechtzeitig. Zu ihrem Ärger gingen bei dem missglückten Manöver nicht nur sie, sondern auch ihr Schirm regelmäßig baden. Zum Glück war es keine große Sache den Kite, der dank der Luftpolster sicher auf dem Wasser schwamm, wieder in die Lüfte zu bekommen. Frustrierend war es dennoch. Wieso bekam sie es nicht hin? Es musste doch irgendeinen Trick geben!

»Schlimmer wäre es, wenn der Wind dich noch mehrere Meter durchs Meer ziehen würde, denn dann könnte es passieren, dass du Schwierigkeiten bekommst, dein Board wiederzufinden«, murmelte sie sich tröstende Worte zu. Über ihre schlechte Laune half ihr das allerdings auch nicht hinweg. Nach einer weiteren Bauchlandung klatschte sie deshalb frustriert mit der Hand aufs Wasser. Ich bin einfach in der falschen Stimmung. So wird das nie was!

Einsicht war zwar der erste Schritt zur Besserung, aber weiter half ihr das in der Situation auch nicht. Sie würde einfach an einem anderen Tag an diesem Trick weiterüben müssen.

»Hey, Adele!« Kathi winkte ihr zu. »Sollten wir nicht langsam gehen? Guck mal, es wird bald dunkel.«

Adele drehte sich zur Landzunge in Richtung Sonne um. Tatsächlich war diese ein gutes Stück über den Himmel gewandert. Kathi hatte recht. Es war wirklich Zeit zu gehen.

Heute erreiche ich ohnehin nichts mehr, stellte sie missgelaunt fest.

»Gib‘s doch zu, dir ist bloß kalt!«, rief sie gespielt gut gelaunt zurück. Ihre Freundin ignorierte sie und machte sich auf den Weg zum Strand.

Sie seufzte und fuhr sich dann über die Arme. Jetzt, wo sie nicht mehr in Bewegung war, wurde es tatsächlich etwas frisch. Eine Dusche dürfte sie wieder aufwärmen.

»Und? Wie spät?«, fragte Adele, sobald sie am Strand ankam und sich zu Kathi gesellte.

Die hatte sich schon abgetrocknet und packte bereits ihre Sachen zusammen.

Eine Wolke schob sich vor die Sonne und der Wind brachte Adele zum Frösteln. Hastig griff sie nach ihrem Handtuch und rieb sich damit über den Körper, das vertrieb ein bisschen die Kälte. Als Nächstes rubbelte sie ihre Haare, die im nassen Zustand immer gute zwanzig Zentimeter länger waren. Sobald sie wieder trockneten, zogen sie sich in lockigen Wellen nach oben und hingen ihr nicht mehr ganz so weit den Rücken hinab.

»So spät, dass wir uns beeilen sollten, wenn wir noch duschen und uns umziehen wollen.« Kathi drehte sich von ihr weg und blickte ihr nicht einmal in die Augen. Ihre kurzen, schwarzen Haare klebten an ihrem Kopf und gaben ihm eine neue Form. So konnten sie den festen Zug um ihre Lippen nicht verbergen. Sie waren angespannt und wirkten dadurch viel dünner.

Adele blickte sie fragend an. Konnte es sein, dass ihre Freundin schlecht auf sie zu sprechen war? Dabei war sie es doch gewesen, die bis eben miese Laune gehabt hatte.

»Katharina, alles klar?« Adele nannte sie nur sehr selten bei ihrem vollen Namen. Eigentlich sagte sie immer Kathi. Aber das hier war ihr ernst. Irgendetwas stimmte nicht und sie würde sich nicht mit Ausflüchten zufriedengeben.

»Du solltest an einem Tag mit höheren Wellen üben. Wenn du höher springen kannst, hast du mehr Zeit. Verstehst du?«, sagte sie.

»Wie? Ach so. J-ja. Aber das –«, setzte Adele an.

»Beeil dich. Sonst wird’s wirklich knapp«, ermahnte Kathi und machte sich bereits auf den Weg, obwohl Adele nicht einmal ansatzweise aufbruchbereit war. Sie musste schließlich noch ihre gesamte Ausrüstung zusammenpacken.

»Warte!« Hastig griff sie nach dem Arm ihrer Freundin und hielt sie zurück. »Bist du wegen irgendetwas sauer auf mich?« Wenn dem so war, dann musste sie es wissen! Nur selten stellte sich etwas zwischen die beiden. Sie kannten sich schon so lange, dass sie beinahe wie Zwillinge waren.

Kathi seufzte vernehmlich, wuschelte sich durchs Haar und drehte sich um. Es war ihr offensichtlich unangenehm, darüber zu reden. Sie ließ ihre Augen über den Strand wandern. Ein Mann ging mit seinem Hund vorbei, der einem Stock hinterher ins Wasser sprang. Lautes Bellen und das freudige Rufen des Herrchens ertönten.

»Ich bin nicht sauer. Ich hatte nur einfach viel Zeit, um nachzudenken. Nimm es mir nicht übel, aber das heute Vormittag mit der Perle war irgendwie unheimlich. So richtig gruselig. Total abgedreht!« Kathi wiegte den Kopf von der einen auf die andere Seite, als ob sie nicht die richtigen Worte fände. »Ach, ich weiß auch nicht. Du hattest so einen seltsamen Ausdruck in den Augen und es war irgendwie furchteinflößend. Es war das erste Mal, dass du mir in all den Jahren fremd vorkamst. Ich hatte ganz plötzlich den Eindruck, nicht mehr zu wissen, wer du bist. Was du denkst oder was du tun wirst. Vorher konnte ich immer genau sagen, was in deinem Kopf vorgeht. Aber in dem Augenblick …«

Adele sah ihre Freundin mit offenem Mund an. »Du hast also Angst, dass sich das heute Abend wiederholen könnte und ich irgendwie durchdrehe oder so?«

Kathi hob die Schultern. »Das hast du ziemlich gut zusammengefasst. Ja.«

»Aber wie kommst du plötzlich darauf?« Adele war verwirrt. In der Schule hatte sie noch den Eindruck gehabt, dass ihre Freundin ihr seltsames Verhalten ganz locker nahm. Sie hatten sogar herumgealbert. Wieso plötzlich diese Angst?

»Keine Ahnung.« Kathi zuckte mit den Schultern. »Ich mache mir einfach Gedanken. In dem Moment hat es sich irgendwie so angefühlt, als würde etwas zwischen uns stehen … verstehst du?«

Sie schwiegen eine Zeit lang. Irgendwann durchbrach Adele die Stille: »Ich kann dir nicht versprechen, dass so etwas nicht noch einmal passieren wird.« Das konnte sie tatsächlich nicht. Dieses Gefühl am Morgen war auch für sie eine ganze neue Erfahrung gewesen. Eines hatte sie jedoch sofort gewusst: sie hatte keinen Einfluss darauf. Diese Perle machte irgendetwas mit ihr, mit ihrem Geist. Auch wenn das vollkommen irre klang. Da war etwas, das sich nicht erklären ließ, dem sie aber unbedingt auf den Grund gehen musste. »Aber ich kann dir versprechen, dass nichts zwischen uns steht. Wir sind Freundinnen seit, seit … schon immer. So etwas entzweit uns nicht von heute auf morgen.« Aus einem Impuls heraus ergriff sie Kathis Hand und sah ihr tief in die dunkelbraunen Augen. »Du wirst mich so schnell nicht los. Okay?«

Kathi gelang ein schiefes Lächeln. »Okay. Aber du willst jetzt nicht auf die Knie fallen und mir einen Antrag machen, oder?« Sie hob bedeutungsvoll ihre Hand, die Adele umklammert hielt.

»Wenn du mir nur dann glaubst …«, antwortete Adele mit tiefer Stimme und ging in die Knie. Sie stand kurz davor, sich tatsächlich in den Sand sinken zu lassen.

»Nein, schon gut. Tu das bloß nicht!«, rief Kathi lachend und zog sie wieder hoch. »Ich glaub dir auch so!«

 

Kapitel 4 

PARTY TIME 

- Adele - 

 

»Wow. Der helle Wahnsinn!« Kathi konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Ihr Kopf bewegte sich so schnell von rechts nach links, dass es beinahe den Eindruck machte, er würde auf ihrem Hals rotieren. Ihre Augen waren rund wie Murmeln. Und Adele war sich sicher, dass sie sich gerade innerlich dafür verfluchte, ihre Kamera ausnahmsweise zu Hause gelassen zu haben.

Der Weg war mit brennenden Fackeln gesäumt, die ein weißbläuliches Licht verströmten. Allein dieser Anblick hatte sie schon vom ersten Moment an in den Bann gezogen.

»Tja, das ist doch mal ‘ne Party«, meinte Adele trocken. Für ihren Geschmack hatte Conny ein bisschen zu dick aufgetragen. Neben den außergewöhnlichen Fackeln waren die beiden Bäume an der Straße mit mehreren Lichterketten behangen worden. Als wäre das noch nicht genug, stand ein Schild mit »Happy Birthday, Conny« neben dem Eingang und versprühte Funken.

»Wohl eher eine Gala. Steht irgendeine Preisverleihung an?« Suchend sah Kathi sich um.

»Das hab‘ ich mich auch schon gefragt.« Kichernd schob sich Svenja an ihnen vorbei. Sie war bei Timon untergehakt, der sich ebenfalls staunend umsah. Sie gingen in Adeles Klasse und hatten, wie die übrigen Mitschüler auch, von Conny eine Einladung erhalten.

»Die hat doch tatsächlich die gesamte Schule eingeladen«, stellte Adele fassungslos fest. Als sie um die Hausecke bogen und freien Blick in den Garten hatten – der sehr viel Ähnlichkeit mit einer Parkanlage aufwies –, war klar, dass Conny an die hundert Gäste haben musste.

»Das wird dann wohl die Party des Jahres. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sich hier einige eingeschlichen haben, die gar nicht eingeladen sind. Da kann ja keiner mehr den Überblick behalten.« Kathi schüttelte den Kopf und lief dann weiter.

Auch hinter dem Haus brannten die Fackeln mit den seltsamen Flammen. Die gepflasterte Terrasse und der Bereich um den Pool erstrahlten im selben Farbton. Im Wasser spritzten sich bereits die ersten Gäste gegenseitig nass. Das Becken hatte ein unglaubliches Fassungsvermögen und bildete den Mittelpunkt der Anlage, sodass es ein absoluter Blickfang war. Passend zur Dekoration wurde das Wasser von unten beleuchtet und schimmerte in geisterhaftem Blau. Alles wirkte, als ob der Vollmond sein Licht zur Erde geschickt und es dort verteilt hätte.

Im Garten waren hier und da kleine Tische mit Snacks und Getränken aufgestellt worden. Weißblaue Lichterketten spannten sich vom Haus über die mächtigen Bäume kreuz und quer in der Luft. Lediglich der hintere Bereich, der zu einem Bootssteg führte, war nicht erleuchtet, sondern lag im Dunkeln.

Der Mond zeigte sich bislang nicht. Grauschwarze Wolken verdeckten seine silbrige Erscheinung, weshalb Adele äußerst dankbar für das irdische Licht war, das ihnen den Weg zu Connys riesigem Geschenketisch wies. Das Geburtstagskind selbst war jedoch nirgends zu entdecken.

»Ich würde sagen, wir lassen unsere Päckchen hier und mischen uns unters Volk, oder? Irgendwann wird man schon auf sie treffen. Wahrscheinlich hat sie einen extra großen Auftritt geplant oder so.«

»Sie wird wohl kaum ihre eigene Geburtstagsfeier verpassen, also denke ich, geht das in Ordnung.« Adele verspürte auch keine sonderlich große Lust, nach Conny zu suchen. Mit Sicherheit würde sie wieder die Perle tragen und Adele würde Gefahr laufen, dass erneut diese verrückten Gefühle in ihr erwachten. Und darauf konnte sie verzichten.

Also stellten sie ihre Geschenke zu den anderen und schnappten sich anschließen beide etwas zu trinken. Adele liebte es, Menschen zu beobachten und am besten noch, wenn Kathi neben ihr stand und sie sich über das, was sie sahen, austauschen konnten. Der Spruch: ‚Wir lästern nicht, wir stellen nur fest‘, war dabei die feste Devise.

»Schau, da sind auch schon Zoe und Chloe. Dann dürfte Conny ja nicht mehr weit sein.« Kathi deutete auf die beiden Mädchen und nahm einen Schluck von ihrer Cola.

Zoes kurze, blonde Haare waren in der Dunkelheit gut zu erkennen, ganz im Gegensatz zu Chloes mittellangen, braunen Haaren. Sie hatten ernste Miene aufgesetzt und hielten sich scheinbar bewusst von den restlichen Partygästen fern. Die Köpfe eng zusammengesteckt, flüsterte sie sich irgendetwas zu. Die argwöhnischen Blicke über die Schulter und zu den restlichen Leuten erregten Adeles Aufmerksamkeit dabei mehr, als hätten sie eine Leuchtreklametafel aufgestellt.

»Sie kommen einem beinahe so vor, als ob sie ein Geheimnis hätten, oder?«

Adele nickte. Irgendetwas war da im Busch. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf die beiden, aber dann lenkten sie Kathis Worte von den Mädchen ab. »Conny kommt raus.«

Adele wandte sich dem Haus zu und starrte auf die riesige Terrassentür. Das seltsame Gefühl von heute Morgen erfüllte sie erneut und zog sie in diese Richtung. Wie ein Anker, der sich in ihrem Bauch verhakt hatte und nun eingeholt wurde. Es war wie ein Ziehen. Der Sog wurde stärker und tatsächlich öffnete sich nur wenige Sekunden später die Glasfront und drinnen gingen die Lampen an, sodass Conny in strahlendes Licht gehüllt nach draußen trat. Sie trug ein hautenges Kleid, das über und über mit silberblauen Pailletten bestickt war, die nun allesamt funkelten und glitzerten.

Das Geburtstagskind hob auffordernd die Hände und Applaus brandete auf. Kathi hatte recht gehabt, sie hatte einzig und allein einen großartigen Auftritt geplant. Mit ihren hohen Sandaletten stolzierte sie bis an den Rand des Pools. Dort wurde sie von ihren Gästen bereits eifrig in Empfang genommen und herzlich beglückwünscht.

»Hast du gesehen, ob sie die Perle trägt? Ich war so geblendet von all dem Glitzer …«, murmelte Kathi so leise, dass nur Adele sie verstehen konnte. Währenddessen bewegten sie sich langsam Richtung Gastgeberin.

»Sie trägt sie.« Adele nickte bestimmt, obwohl auch sie nicht genau hatte erkennen können, ob an der Kette um Connys Hals die außergewöhnlich große Perle baumelte. Doch im Gegensatz zu Kathi konnte sie sie spüren, was jeden Zweifel fortfegte.

Das Verlangen war unbändig. Sie bohrte ihre Fingernägel in die Hand, um sich davon abzuhalten, mit ausgestreckten Armen vorzustürzen. Sobald sie nah genug waren, hingen Adeles Augen wie gebannt an der silbernen Kette, während sie sich den anderen Gratulanten anschlossen.

Es wurde gedrängelt und der ein oder andere stieß einem den Ellenbogen in die Seite oder trat einem auf die Füße, nichts davon konnte sie jedoch von ihrem Kurs abbringen. Sie fühlte sich wie eine Schlafwandlerin oder in Trance versetzt. Es war, als wäre ihr Körper ferngesteuert.

»Alles Gute noch mal«, trällerte Kathi neben ihr und auch Adele bekundete ihre Geburtstagswünsche. Dabei musste sie sich zwingen, Conny in das von ihren blonden Haaren umrahmte Gesicht zu schauen und nicht auf die Kette.

Das Mädchen musterte sie mit einem leicht misstrauischen Blick, sodass Adele froh darüber war, dass sie ihr nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken konnte, weil die nächsten Gäste sie bereits in Anspruch nahmen.

»Denk daran, dass ich fleißig geübt habe, wie ich dich schnell außer Gefecht setzen kann«, murmelte Kathi ihr ins Ohr.

Adele konnte nur müde darüber schmunzeln. Sollte sie tatsächlich die Kontrolle über diesen Drang verlieren, bezweifelte sie, dass ihre Freundin in der Lage sein würde, sie aufzuhalten.

»Ich weiß. Ich bin mir über die Folgen im Klaren. Ich würde mir diese Perle nur so gerne einmal richtig anschauen.« Adele warf einen sehnsüchtigen Blick zurück. Jeder Schritt, der sie von Conny wegführte, bereitete ihr Schmerzen. Ihre Beine zitterten, wie bei jemandem, der gerade einen schlimmen Entzug durchmachte. Das alles machte ihr einen Verlust klar, von dem sie bis dahin nicht das Geringste gewusst hatte. Was hatte das nur zu bedeuten?

»Vergiss es«, zischte Kathi. »Wehe, du machst Schwierigkeiten. Ich lass dich nicht aus den Augen.« Drohend hob sie den Zeigefinger.

Adele winkte ab. »Keine Sorge, ich werde mich schon nicht davonschleichen und Conny in eine dunkle Ecke locken, um sie zu überfallen. Ich glaube, deine Fantasie geht mit dir durch«, sagte sie, obwohl der Gedanke durchaus verlockend war.

Tu es!

Adele bemühte sich jedoch, dieses Verlangen mit aller Gewalt zu unterdrücken, ebenso wie die Stimme, die ihr böse Dinge ins Ohr flüsterte.

Greif zu, es gehört dir. Sie hat es gestohlen, es ist ihre Schuld. Du musst dich rächen, bekämpf sie. Töt- 

»Ich denke, dass sich das eher andersherum verhält, aber gut. Cola?«

Adele starrte für einen Moment desorientiert auf das Glas, das ihre Freundin ihr hinhielt. Sie stand vollkommen neben sich und musste ihre Gedanken erst wieder sortieren, die fremde Stimme hatte für einen Moment alles andere in den Hintergrund gedrängt.

»Ja, danke.« Adele nahm das Glas entgegen, lehnte sich gegen den Tisch und ließ den Blick schweifen. Nachdenklich nippte sie an dem Getränk, die Kohlensäure prickelte auf ihrer Zunge. Doch so sehr sie sich auch bemühte, ihre Augen huschten immer wieder zu Conny und der Perle hinüber. Es ließ sich nicht verhindern.

Irgendwann setzte die Musik ein und zusätzliche Lichter erstrahlten über der großen Grünfläche. Viele nahmen das als Aufforderung wahr und stürmten auf die improvisierte Tanzfläche. Adele verspürte allerdings keine große Lust, sich dazuzugesellen.

»Wollen wir auch? Das würde dich vielleicht ein wenig ablenken.« Kathi musterte sie besorgt aus dunkelbraunen Augen.

»Keine Lust. Das ist auch keine richtige Ablenkung«, war Adeles kühle Antwort. »Oder siehst du vielleicht irgendeinen Kerl hier, der dafür sorgen könnte, dass ich alles vergesse?« Um ihre Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren, müsste es schon eine beeindruckende Ablenkung sein. Alles andere hätte keinen Erfolg.

»Meinst du das ernst?« Ihre Freundin starrte sie mit großen Augen an.

Adele seufzte. »Nein.«

Sie tastete fahrig ihren Zopf ab, den sie aus ihren roten Locken geflochten hatte und der ihr ein gutes Stück über die Schulter reichte. Je mehr Zeit sie in der Nähe der Perle verbrachte, desto unruhiger wurde sie. Es würde nicht mehr lange dauern und dieser innere Zwiespalt zerriss sie.

»Schade«, setzte Kathi das angefangene Gespräch fort. »Denn ich denke, dass du bei Gregory keine schlechten Karten hättest.«

»Greg.«

»Was?«

»Keiner nennt ihn Gregory«, meinte Adele abwesend.

»Ach, ja? Na, wenn du das sagst. Also interessierst du dich doch für ihn.« Kathi grinste frech. Normalerweise hätte sie ihre Freundin mit diesen Sticheleien zu einem munteren Wortgefecht angestachelt – doch nicht heute Abend. Es verlangte Adele schon einiges an Konzentration ab, den Faden des Gesprächs nicht zu verlieren. Aber dieser Name hatte es geschafft, sie ein bisschen aus ihrem tranceartigen Zustand zu reißen.

»Nicht wirklich. Ich finde, dass er gut aussieht. Wer steht nicht auf lange, braune Haare und stahlblaue Augen? Außerdem ist er wirklich nett, aber …«

»Lass mich raten? Er trägt nicht die Perle um den Hals«, vollendete Kathi ihren Satz und musterte sie stirnrunzelnd.

»Hm …« Adele warf einen Blick zu Conny hinüber, was sie sich bis dahin strikt verboten hatte. Das Geburtstagskind war die ganze Zeit von Leuten umgeben. Selbst wenn sie tanzte, kam sie nicht drumherum, sich mit anderen zu unterhalten. Es war nicht zu übersehen, wie auffällig die anderen die Perle musterten. Sie konnte die bewundernden und geflüsterten Worte beinahe hören. Es war unerträglich und sie fragte sich bereits, wie lange sie bleiben musste, ehe es nicht mehr unhöflich war, nach Hause zu gehen.

Nimm sie dir.

»Hey! Wirklich schade, dass sich der angekündigte Vollmond bisher nicht gezeigt hat, oder? Dabei hat Conny die Party doch nur für ihn geschmissen.« Ein sanftes Lachen, das ansteckend war, schlich sich in die dichten Töne der Musik.

»Greg! Wir haben gerade über dich gesprochen«, meinte Kathi begeistert und stieß Adele dabei auffordernd in die Seite. Ihr Blick sagte: Da hast du deine Ablenkung. Greif zu.

Am liebsten hätte sie die Augen verdreht, konnte das jedoch schlecht tun, ohne dass Greg es mitbekam. Also begnügte sie sich mit einem intensiven Blick.

»Tatsächlich? Ich hoffe nur Gutes?« Er zwinkerte Adele spitzbübisch zu und sie spürte, wie sie seinem Zauber zu erliegen begann. Die Präsenz der Perle rückte wirklich für einen Augenblick in den Hintergrund. Es war gar nicht so schwer, wie es zuvor den Anschein gehabt hatte. Der Junge strahlte irgendetwas aus, das es nicht zuließ, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Die Frage war nur, wollte sie das? Wollte sie sich überhaupt ablenken lassen? Selbst wenn es Greg war, sollte es ihr nicht eigentlich viel wichtiger sein, dem merkwürdigen Gefühl auf den Grund zu gehen?

»Selbstbewusstsein ist ja bekanntlich das Wichtigste«, murmelte Adele, immer noch unentschlossen, in Kathis Richtung.

»Wie war das?« Greg beugte sich nach vorn und stieß ihr mit dem Finger gegen die Stirn. »Wenn du andere beleidigen möchtest, dann sag das gefälligst laut. Sonst kann man sich ja gar nicht gekränkt fühlen.«

»Aber das war doch gar keine Beleidigung. Es ist ja nicht schlecht, von sich selbst überzeugt zu sein«, erwiderte Adele ausweichend. Das Ziehen in ihrer Brust wurde schwächer und ihr Herzschlag beschleunigte sich, andere Gefühle drängten sich in den Vordergrund, überlagerten das Verlangen und die Stimme.

»Das nicht. Und es ist eine Kunst diesen Eindruck bei anderen zu hinterlassen, obwohl es in Wahrheit ganz anders aussieht.« Verwirrt starrte Adele in Gregs graublaue Augen, die ihr zuzwinkerten. Wenn Greg in der Nähe war, musste sie sich in Acht nehmen, seit er ein Auge auf sie geworfen hatte. Er umgarnte sie schon eine ganze Weile. Eigentlich hatten sie gar nicht viel miteinander zu tun, da er einen Jahrgang über ihr war. Aber als vor einem knappen halben Jahr die Fotostrecke ihrer besten Freundin im Rahmen eines Schulprojekts im Eingangsbereich ausgehangen worden war, hatte er sie sozusagen »entdeckt«. Die Bilder zeigten Adele beim Kiten und hatten Gregs Interesse an ihr geweckt. Seitdem nahm er jede Gelegenheit wahr, um ihr näherzukommen. Mittlerweile war es beinahe ein Spiel, wie ein Tanz.

Doch man konnte nie so genau sagen, was er vorhatte. Er war beliebt, konnte jede haben und hatte eine durchaus ansehnliche Sammlung an Exfreundinnen. Sein Lächeln und sein charmantes Verhalten machten es einem eben nicht leicht, zu widerstehen. Aber genauso schwer war es, seine wahren Absichten dahinter zu erkennen. Adele war dadurch immer wieder verunsichert.

»Aber es ist definitiv keine Kunst, hier mit offenem Mund herumzustehen«, sagte Kathi mit einem Lachen in der Stimme.

»Mein Mund ist nicht offen«, widersprach Adele und drehte sich zu ihrer Freundin um. Auf wessen Seite steht Kathi eigentlich?

»Dich hab‘ ich ja auch nicht gemeint. Ich rede von den ganzen Jungs. Aber interessant, dass du dich angesprochen fühlst.« Kathi musterte sie belustigt.

Adele verzichtete auf eine Antwort, denn ihre Freundin hatte recht. Beinahe alle Partygäste standen plötzlich still und starrten in dieselbe Richtung. Die drei folgten den Blicken der anderen und entdeckten schnell die Ursache für das allgemeine Erstaunen.

Der Vollmond war hinter den dichten Wolkenbergen erschienen und tauchte die Feier in einen geheimnisvollen Schimmer, unterstützt durch die weißblauen Fackeln und Lichter. Allerdings war das nicht der eigentliche Grund. In der Mitte der Tanzfläche befand sich Conny; nun ganz allein. Alle waren zwei, drei Schritte zurückgetreten und starrten wie gebannt auf das Geburtstagskind.

Sie stand mit geschlossenen Augen da und badete regelrecht in dem Glanz. Die Perle um ihren Hals funkelte. Es schien beinahe so, als ob sie ihr eigenes Licht erzeugte und dieses dann von Connys Paillettenkleid widergespiegelt wurde.

Das ganze Mädchen glitzerte wie eine Discokugel, allerdings viel edler und erhabener. Es hätte Adele nicht überrascht, wenn sie sich als Nächstes schwebend in die Lüfte erhoben hätte, denn allein dieser Anblick schien bereits so viel Magie in sich zu tragen.

 

Kapitel 5 

VOLLMOND 

- Adele - 

 

Der Bann löste sich erst, als sich der Mond abermals hinter die Wolken verzog, als ob er sich dort verstecken wolle.

Adele hatte einen prüfenden Blick zum Himmel geworfen, bevor sie wieder Conny ins Auge fasste. Das überirdische Funkeln schien sich in die Perle zurückzuziehen und die Umstehenden damit freizugeben. Ganz langsam kam wieder Bewegung in die Menge und erste Stimmen wurden laut.

»Wahnsinn. Ihr Vater muss noch um ein Vielfaches reicher sein, als ich bisher angenommen hatte. Wo hat er denn das Wunderding her?« Gregory schüttelte staunend den Kopf und ein paar der Umstehenden rieben sich verblüfft die Augen.

»Keine Ahnung, aber ich denke, es gibt einige, die alles dafür geben würden, um so eine Perle zu bekommen, meint ihr nicht?« Kathi stieß Adele den Ellenbogen in die Seite – das schien ihre neue Lieblingsbeschäftigung zu sein –, doch die reagierte nicht. Denn sie war damit beschäftigt, dem unbändigen Drang, der sich soeben mit voller Wucht zurückgemeldet hatte und nun nicht wieder vertreiben ließ, nicht die Kontrolle zu überlassen.

Das Monster streckte Beine und Arme aus, grub seine Zähne und die Klauen in ihr Fleisch, doch sie widerstand. Sie hatte stets über sich selbst bestimmt, deswegen würde sie sich jetzt nicht von so einem merkwürdigen Gefühl kontrollieren lassen.

Ich kann das!