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Der achtjährige Ferry kickt in jeder Schulpause gegen die Großen aus der vierten Klasse. Und er hat einen großen Traum: endlich auch im Verein Fußball zu spielen und irgendwann Profi zu werden. Doch dem stehen viele Hindernisse im Weg. Mit seiner neuen Nachbarin Lilah, die sich als wahre Ballkünstlerin herausstellt, schmiedet er schließlich einen gewagten Plan - und beide schlittern in ein spannendes Abenteuer... Eine Geschichte über Mut, sich den eigenen Selbstzweifeln zu stellen, und den Wert, einen Menschen kennenzulernen, ohne ihn vorzuverurteilen. Diesen Sommer ist es endlich soweit: Der Ball rollt wieder. Pünktlich zur Frauen-WM erscheint das neue Fußballbuch für die Weltmeister:innen von morgen. Alles Fußball - Ferry und Lilah machen ihr Spiel ist für alle, die von ihrem Lieblingssport nie genug bekommen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob man schüchtern oder taff ist. Junge oder Mädchen. Alle Kinder können kicken und glaubt man an den eigenen Traum, kann man alles zusammen schaffen. Vor der Deutschen Meisterin Linda Dallmann gibt es Techniktutorials zum selber ausprobieren. Kindgerechte Illustrationen fördern den Ehrgeiz und helfen die eigene Technik zu verbessern. Dabei können die erlernten Fähigkeiten selbst ausprobiert werden. So kommt der Spaß nicht zu kurz und Erfolge stellen sich wie von selbst ein. In dieser realitätsnahen Geschichte von Ferry und Lilah geht es um Selbstvertrauen, Mut, Offenheit und das beharrliche Verfolgen des eigenen Traums. Dabei spielt die Freundschaft eine tragende Rolle und Teamgeist bringt die beiden ein Stück näher an ihr Ziel.
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Seitenzahl: 175
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Ich, Ferry, der Superheld
Die Geschichte mit dem roten Messer
Zerplatzter Traum mit gebrochener Nase
Ich, Ferry das Franzbrötchen?!
Zuckerfreier Bananenkuchen – und eine große Entdeckung
Warten lohnt sich
Gleich zwei knallharte Überraschungen
Brillantes Fußballspiel
Kann man sich mit Mädchen doch über Fußball unterhalten?
Linsensuppe und eine geniale Idee
Doppelt hält besser
Wir ziehen das jetzt durch! Auf zum FC!
Die unangenehme Entdeckung und ein heikler Verdacht
Der Narbenmann und Ende gut, alles gut?
Ich bin einfach super. Und ein Held. Zusammengesetzt bin ich ein Superheld! Woher ich das weiß? Na ja, ich weiß es eben. Und außerdem ist da diese Stimme, die ich ab und zu höre. Jetzt denkst du bestimmt, ja, der Ferry, der ist ein bisschen verrückt. Aber ehrlich, ich höre diese Stimme in meinem Kopf.
Das ist überhaupt nicht verrückt und auch kein bisschen gruselig oder so, denn ich sage dir: Es ist wirklich genial, der Stimme zuzuhören, denn sie weiß alles über mich. Und nicht nur das. Sie glaubt auch an mich und ruft mir in der Schulpause zu: „Los, Ferry, du machst das Tor!“
Ein Tor in der Pause zu schießen, ist gar nicht so einfach, musst du wissen. Denn da ist der Willi aus der vierten Klasse. Das ist der, der auf dem Bolzer neben dem Pausenhof den Ton angibt. Was hat ein Drittklässler wie ich da schon zu melden? Und deshalb, ganz ehrlich, brauch ich diese Stimme, von der ich dir erzählt habe, auch so richtig. Sonst würde ich mich niemals trauen, mitzuspielen.
Kennst du das, wenn man vor etwas echt Angst hat? So geht mir das mit ganz schön vielen Sachen, und eben auch mit dem Fußballspielen.
Aber hey, ich bin ein Superheld. Und mein allergrößter Traum ist es, einmal Fußballprofi zu werden. Ich würde wirklich alles dafür tun, das kannst du mir glauben. Und dafür ist diese Stimme eben saugut. Es ist so, als ob da jemand in meinem Kopf sitzt. Diesen Jemand habe ich den Glauber genannt, eben weil er immer an mich glaubt. Ist doch logisch! Ein absolut geniales Gefühl, wenn der Glauber beim Klingeln zur großen Pause zu mir sagt: „Ferry, du schaffst das. Los, geh aufs Feld und hau sie alle weg!“ Dann ruft er noch hinterher: „Ich glaub an dich.“
Wow, das fühlt sich mal so richtig gut an, und dann weiß ich eben, ich bin ein Superheld!
Hier in meinem Kiez, da höre ich den Glauber oft laut und deutlich, zumindest an den guten Tagen. Denn hier kenn ich mich aus wie in meiner Westentasche. Zumindest würde meine Oma das so sagen. Ziemlich altmodisch, denn wer trägt heutzutage noch Westen mit Taschen? Aber egal. Nur weiter draußen, das weiß ich, da lauern sehr viele Gefahren. Du musst wissen, ich wohne in Hamburg.
Einer echt großen Stadt. Aber ich weiß, wenn ich ein Superheld sein und Fußballprofi werden will, dann darf mir das nichts ausmachen.
Die sind ja auch ständig auf Achse, fahren zu Auswärts- und Länderspielen und so. Aber das würde ich mich nicht trauen. Auf Klassenfahrt, ins Trainingslager oder zu Auswärtsspielen reisen? Nicht mit mir! Das wäre mir viel zu weit weg von zu Hause. Das jedenfalls sagt mir auch immer diese andere Stimme.
Denn du musst wissen, mit mir spricht nicht nur der Glauber. Da ist auch noch eine zweite Stimme, die ich Quasselstrippe oder auch kurz Quassel nenne. Und der Quassel, der kennt mich leider auch so richtig gut. Zum Beispiel immer, wenn ich daran denke, dass ich vor der Schule auf dem Bolzplatz stehe und mich beweisen kann, dann höre ich ganz oft den Quassel, und zwar besonders laut. Ja, er brüllt fast in mein Ohr, sodass ich überhaupt gar nichts anderes mehr hören kann. „Ferry, das kannst du vergessen“, schreit er. „Du bist nicht gut genug. Von wegen Superheld. Da hat dir ja jemand eine tolle Geschichte erzählt. Dass ich nicht lache. Ferry, du weißt genauso gut wie ich, dass du nichts auf dem Kasten hast!“
Ich sage dir, das ist ein richtiger Fiesling, dieser Quassel. Und weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ich höre den Quassel ganz schön oft und ganz schön laut. Es ist so, als ob der Quassel wirklich oft gewinnt. Das ist ein bisschen so wie in der Bundesliga. Da gewinnen ja auch immer die Bayern, und kein Mensch weiß wieso. Ist halt einfach eine Art Naturgesetz. Ganz schön blöd, sag ich dir. Also nicht für die Bayern, versteht sich, aber eben für alle anderen.
Wenn ich einen schlechten Tag erwischt habe, dann höre ich den Quassel, wie er sagt, dass ich einfach nicht gut genug bin. Und dann steht für mich fest, dass er verdammt noch mal recht hat und dass ich es auch niemals in die Bundesliga schaffen werde. Und schon gar nicht in die Nationalelf! So jemand wie der Willi aus der Vierten, der auf dem Bolzplatz das Sagen hat und astreine Tore am laufenden Fließband schießen kann, ja, der wird es schaffen. Aber ich? Niemals.
Deshalb bleibe ich auch immer hier in meinem sicheren Kiez, den ich in- und auswendig kenne. Da ist es dann auch echt egal, ob ich in der großen Pause das entscheidende Siegtor gegen die Viertklässler und die Willi-Gang geschossen habe. Echt, völlig egal. Denn schließlich ist das auch nicht dasselbe. Hier spiele ich ja vielleicht noch gut genug. Aber da draußen? Nein, auf gar keinen Fall.
Das findet der Quassel auch. „Bilde dir bloß nichts darauf ein, Ferry!“ keift er. „Ein Tor. Auf dem Schulbolzer! Was sagt das schon aus? Du hast nichts auf dem Kasten und das eine Tor war eben ein Glückstreffer. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn!“
Im Übrigen könnte der Spruch mit dem Huhn und dem Korn von meiner Mutter sein. Eigentlich ist sie ganz okay, aber das größte Vertrauen in mich als Superhelden hat sie ehrlich gesagt nicht.
Dafür kann sie aber eigentlich nichts. Vielleicht ist ja ihr Problem, dass sie halt einfach an jeden Spruch aus dem Kalender zum Abreißen glaubt. Der hängt an unserer Wand in der Küche. Jeden Tag reißt sie da ein Blatt ab mit einem Spruch drauf. Und was der Spruch sagt, das stimmt auch. Das glaubt zumindest meine Mutter. So war es auch am 25. Mai, meinem Geburtstag. Da stand auf dem Kalenderblatt: „Sport ist Mord“.
Wirklich! Und weil es mein Geburtstag war, hat sie es mal echt zu ernst genommen. „Ferry“, hat sie gesagt, „Ferry, da steht es schwarz auf weiß!“
Dann hat sie wild mit dem Kalenderblatt vor meiner Nase rumgewedelt.
„Mit dem Sport, das lassen wir lieber erst mal“, meinte sie, noch bevor ich überhaupt ein Geschenk ausgepackt hatte. „Ach ja, und natürlich alles Gute zum Geburtstag, mein Ferrychen!“
Aber da war der Geburtstag für mich irgendwie schon gelaufen.
Kannst du dir ja sicher vorstellen. Keinen Sport mehr, echt jetzt?
Nur weil das auf diesem Kalenderblatt stand und es zufällig mein Geburtstag war? Aber seitdem darf ich überhaupt nichts mehr.
Mann oh Mann. Sie meint es ja eigentlich nur gut, glaub ich, aber das nützt mir ja auch mal so gar nichts.
Wenn du dich jetzt immer noch fragst, wer hier schreibt, dann noch mal Klartext: Also, ich bin Ferry, acht Jahre alt und ich lebe in Hamburg in der Schuhbertstraße 18. Ich habe einen kleinen Bruder, den Hannes, der kann eine richtige Nervensäge sein. Aber wenn es darauf ankommt, dann halten wir zusammen. Das ist echt wichtig, vor allem wenn man eine Mutter hat, die ein echter Angsthase ist und an Kalendersprüche glaubt.
Wie du vielleicht schon mitgekriegt hast, Hamburg ist eine ziemlich große Stadt. Mit ziemlich groß meine ich auch ziemlich groß.
Aber ich lebe in einem Stadtteil, der eigentlich eher ein kleines Dorf ist. Zumindest sagen das alle so: „Ich gehe schnell in den Hofladen im Dorf!“
Das Dorf ist wie ein Heimspiel für mich, denn hier kenne ich mich aus wie kein Zweiter. Das gibt mir ein echt gutes Gefühl. Ich wohne in dem gelben Haus direkt in der Straße, wo es alles gibt, wenn ich nur fünf Minuten zu Fuß laufe: den Hofladen, die Post, die Sparkasse, den Bäcker, den Bücherladen und natürlich die Eisdiele und den Kiosk.
Richtig praktisch ist auch, dass ich von meinem Fenster aus direkt die S-Bahnstation sehen kann. So hab ich echt einen perfekten Überblick, was gerade los ist. Außerdem muss ich bis zu meiner Schule nur ganze 150 Meter weit laufen.
Richtig cool ist, dass es auf dem Schulgelände auch einen Fußballplatz gibt. Das ist mal nice, denn du weißt ja schon, dass es mein allergrößter Traum ist, einmal Fußballprofi zu werden. Und dafür braucht es eben auch einen Bolzer, auf dem man trainieren kann. Ist doch klar.
Auf den Beginn meiner Karriere muss ich gar nicht mehr lange warten, denn ich gehe ja schon in die dritte Klasse. Genauer in die 3c.
Das c steht für cool, versteht sich. Na ja, mit der dritten Klasse, das stimmt noch nicht ganz, in die komme ich nämlich erst nach den Sommerferien. Aber die sind schon in genau zwei Tagen rum! Endlich! Denn ich freue mich schon mächtig, meinen besten Freund Ali wiederzusehen. Der war nämlich die ganzen sechs Wochen auf einem Campingplatz an der Ostsee, während ich hier allein rumhocken musste.
Eigentlich gefällt es mir total, ein echter Hamburger Jung zu sein, wie meine Oma immer zu mir sagt. Nur habe ich zwei Probleme, die du jetzt auch beide schon kennst. Na, kommst du drauf? Genau. Das eine ist dieser laute Quassel, der in meinem Gehirn sitzt, mir immer echt fiese Sachen sagt und den ich viel zu oft höre. Und neben dem Quassel habe ich noch ein weiteres Problem! Und dieses Problem hast du quasi auch schon getroffen. Das ist meine Mutter.
Kennst du das, dass Eltern manchmal richtig nerven können? Jetzt fragst du dich vielleicht, was mit meinem Vater so ist. Tja, der ist da echt gar keine Hilfe, denn er ist fast nie da. Und wer fast nie da ist, der kann einem eben auch nicht helfen. Wenn er dann mal zu Hause ist, dann verbündet er sich mit meiner Mutter und ist somit raus aus der ganzen Sache. Ich hab dann nie eine Chance! So ungerecht. Immerhin hat er mir zum Geburtstag eine echt schicke Uhr geschenkt.
Ich sage dir, meine Mutter traut mir gar nichts zu. Dazu musst du wissen, dass ich vor einem knappen Jahr einen echt doofen Unfall hatte.
Wenn ich zum Beispiel mein eigenes Brötchen schmieren möchte, dann sagt sie: „Oh nein, mein Ferrychen, nimm nicht das scharfe rote Messer zum Aufschneiden. Weißt du noch, als du dir in den Daumen geschnitten und total geblutet hast und wir ins Krankenhaus gefahren sind und die RIESIGE Wunde genäht werden musste und du dann diesen Verband hattest, der nicht nass werden durfte?“
Oh Mann, dass sie mich immer Ferrychen nennen muss, das ist so peinlich. In solchen Situationen gerät meine Mutter schnell in Redefluss. Ich sage dir, sie redet dann ohne Punkt und Komma, und sie erzählt diese Story jedes Mal, wenn ich mir ein Brötchen aufschneiden will. Echt. Jedes Mal. Und dabei übertreibt sie auch gerne mal, so wie mit dem RIESIG. Dabei war die Wunde gar nicht so groß. Na ja.
Als die Geschichte mit dem roten Messer passiert ist, war ich gerade mal vier. Das ist so richtig dumm gelaufen damals. Eigentlich wollte ich nur mal ausprobieren, wie das so ist, mit einem echten Erwachsenenmesser zu schneiden. Nicht mit so einem blöden stumpfen Babymesser, wo am Griff ein kleiner Elefant eingeritzt ist, damit es niedlich aussieht. Wahrscheinlich hätte ich es auch niemals wirklich gemacht.
Aber ich hatte schon dreimal gefragt, ob ich ein Brötchen mit Butter bekomme, und es einfach nicht gekriegt. Immer war irgendwas mit meinem kleinen, nervigen Bruder. Erst hat er seine Nuckelflasche auf den Boden fallengelassen. Und sofort ging es los: Wöhwöh. Was für ein Geheule. Dabei ist das ganze Wasser auf den Teppich gespritzt.
„Ach Hanneslein“, hat meine Mutter geflötet. Aber eigentlich wollte sie selbst losheulen, denn das mit der Flasche hatte Hannes schon viermal vorher gemacht, und irgendwann war das echt nicht mehr lustig.
Auf dem Teppich war schon eine ganz große, dunkle, nasse Pfütze.
Echt mal, wäre mir das passiert, wäre ich bestimmt kein Ferrychen mehr gewesen.
Dann hat Hannes seinen Teller mit den ganzen Marmeladenbrötchenfiederlen einfach umgedreht. Fiederlen, so nennt meine Mutter klein geschnittene Brötchenteile, die mundgerecht in jede Babyhand passen. Der Hannes fand seine Idee mit dem Teller umdrehen so witzig, dass er halb von seinem Kinderhochstuhl gekippt ist vor lauter Kichern. Dann hat er mit der Hand über den Tisch gewischt und alle Fiederlen sind auf dem Boden gelandet. Die meisten sogar in der dunklen, nassen Teppichpfütze. Echt eklig. Und so schnell. Echt mal, wie fix der Hannes das kann. Und dann hat er noch mehr gelacht.
„Ach Hanneslein“, hat meine Mutter wieder geflötet und ihm neue Fiederlen geschmiert.
Dabei war doch ICH dran. Ich wollte JETZT mein Brötchen. So ungerecht, sag ich dir. Und dann hat Hannes irgendwie die Butter in die Finger bekommen. Die ganze Butter. Eigentlich passt meine Mutter immer ganz genau auf, dass das nicht passiert. Aber sie war ja gerade damit beschäftigt, die Fiederlen für den Hannes zu schmieren und zu schneiden. Der Hannes hat genau den Moment, als meine Mutter nicht hingeschaut hat, abgepasst. Ganz schön gerissen, mein Brüderchen.
Er hat also die Butter genommen und sie überall hingeschmiert. Erst auf den Tisch, dann auf seinen Babystuhl und dann auf seinen Babybody und dann in sein süßes Babygesicht und von dort in die Haare.
Wirklich, überall.
Meine Mutter hat das erst gar nicht gemerkt. Erst als sie endlich mein Butterbrötchen machen und zur Butter greifen wollte, hat sie aufgeschaut und jetzt gar nicht mehr geflötet. Denn die Butter war ja nicht mehr da, weil der Hannes sie sich geschnappt hatte.
„Hannes!“, hat sie gesagt und dem Hannes die Butter weggenommen.
Wöhwöhwöh, plärrte der natürlich gleich los. So ein Geheule, sag ich dir. Und weil meine Mutter dann das ganze Buttergeschmiere erst mal wegwischen musste, dachte ich mir, dass ich mir jetzt eben selbst mein Butterbrötchen schmiere. Ich bin ja auch ein Superheld und kann das schon mit dem Messer und so!
Außerdem wollen Superhelden nicht diese ewigen Fiederlen. Die sind doch sowieso nur Babykram. Ich wollte ganze Superhelden-Brötchenhälften. Der Quassel sagte dann prompt: „Ferry, das kannst du nicht!
Das Messer ist viel zu scharf!“, aber im gleichen Augenblick meldete sich der Glauber und meinte: „Doch, Ferry, du bist schon vier Jahre alt! Probier es aus, du wirst es schaffen, dir ein Butterbrötchen zu schmieren. Und zwar eine ganze Hälfte!“ Und weißt du was, ich habe dem Glauber vertraut. Doch blöderweise ist dann das mit dem roten Messer passiert. Aber eigentlich auch nur, weil sich der Hannes in diesem Moment das offene Glas mit der Marmelade, hundert Prozent Frucht und zuckerfrei, versteht sich, umgedreht auf den Kopf setzen wollte. Als ich das gesehen habe und meine Mutter rufen wollte, die immer noch das Buttergeschmiere beseitigt hat (jetzt mit einem Schwamm, weil der Küchenlappen für diese Sauerei einfach nicht ausgereicht hat), da bin ich für einen kleinen Moment wohl nicht ganz aufmerksam gewesen. Es war echt nur ein einziger kleiner Moment.
Und dann bin ich abgerutscht. Ich hab mir volle Lotte mit dem Messer in den Daumen geschnitten. Mann oh Mann. Das Messer war echt scharf. Überall war auf einmal Blut, das nur so getropft ist. Sogar auf die dunkle, nasse Wasserpfütze im Teppich.
Bah, war das eine Sauerei, das mit dem Blut. „Ferry“, rief meine Mutter erschrocken, und vor lauter Aufregung hat sie das -chen vergessen. „Ferry, was machst du denn da?“
Panik, sag ich euch. Denn meine Mutter kann absolut kein Blut sehen.
Sie hat mir dann den Küchenlappen, der von Butter nur so triefte, um den Daumen gewickelt. Dann hat sie meinen plärrenden kleinen Bruder gepackt und mich an der Hand genommen. An der mit dem heilen Daumen, versteht sich. Zusammen hat sie uns dann zum Auto geschleift. Ruckzuck waren wir im Krankenhaus, und der Daumen wurde genäht. Nicht schön, sag ich euch. Aber ich hab’s ausgehalten.
Mein Bruder hat die ganze Zeit weiter geheult.
Aber hey, ich hab ja noch gelebt, und der Daumen war zum Glück auch noch dran. Superheldendaumen fallen nicht einfach so ab. Ich hab die ganze Zeit an das letzte Spiel der Nationalelf gedacht. Mann.
War das spannend. Denn Fußball, dafür schlägt echt mein Herz.
Wirklich, so richtig. Ich hab mir einfach vorgestellt, dass ich der Superscorer des Matches bin, der das absolute Traumtor in derVerlängerung schießt. Einfach abgezogen im Sechzehner. Mit einem richtigen Wumms. Ich hab’s richtig im Bein gespürt, wie ich so feste in meiner Vorstellung gegen den Ball getreten habe. Eben wie der Superscorer. Der Ball fliegt und fliegt und fliegt. Bekommt so richtig Dreh und senkt sich dann direkt ab ins Tor. Mann oh Mann. Was für eine Flugbahn. Was für ein Traumtor. Was für ein Gefühl. Was für ein Jubel. Die ganzen Fans. Unglaublich. Und da hab ich ehrlich gesagt gar nicht gespürt, dass der in Weiß gekleidete Doktor mit einem ganz konzentrierten Blick und gerunzelter Stirn auf meinen Daumen starrt und mit einer echt fiesen, spitzen Nadel meinen Daumen wieder zusammenflickt. Ganz ehrlich, ich habe nur den Hammerschuss in meinem Bein gespürt und nicht die Nadel in meinem Daumen.
Ich hatte dann einen Verband, der beim Baden nicht nass werden durfte. Das war eigentlich das Schlimmste an der ganzen Sache. Aber der Quassel schmierte mir das Ganze immer wieder wie Butter unter die Nase und sagte: „Hab ich es dir doch gesagt. Das kannst du nicht.
Lass lieber die Finger von Messern!“
Oh Mann, dass das auch schiefgehen musste. Na ja. Das Ganze ist ja jetzt schon vier Jahre her. Aber meine Mutter tut so, als sei es gestern gewesen, und betont immer wieder, dass an dem Tag auf dem Zettel des Abreißkalenders gestanden hat: „Vorsicht ist die Mutter der Weisheit“. So ganz hab ich den Spruch ehrlich gesagt nicht verstanden, aber seitdem ist sie echt so ein richtiger Angsthase und übervorsichtig. Alle Messer und spitzen Gegenstände liegen jetzt in einer Schublade, die man abschließen kann. Die Nadel aus dem Krankenhaus wäre bei uns zu Hause auch in dieser Schublade gelandet, da bin ich mir ziemlich sicher. Die Schublade schließt meine Mutter immer ab und dann legt den Schlüssel irgendwohin. Du kannst dir vorstellen, wie oft wir den schon suchen mussten. Einmal haben wir ihn sogar in meinem linken Handschuh gefunden. Absolut keine Ahnung, wie der da hingekommen ist. Wahrscheinlich ist das der Hannes gewesen.
Manchmal ist der Schlüssel tagelang verschwunden, was echt nicht so lustig ist, weil wir dann auch nichts schneiden können. Dann gibts keine Fiederlen, sondern schleimigen Haferbrei. Zuckerfrei versteht sich. Mit ‘nem Babylöffel, der eine Giraffe auf dem Stiel hat. Echt mal, das darf ich keinem erzählen. Das ist so peinlich.
Jetzt weißt du, warum meine Mutter immer so vorsichtig ist. Deshalb war es auch ziemlich schwer, sie zu überreden, dass ich mal zum Fußballprobetraining darf. Sie ist fest davon überzeugt, dass man mit Fußballspielen nichts werden kann und ich meine Karriere somit an den Nagel hängen soll, bevor sie überhaupt begonnen hat. Sie sagt, die Schule ist das A und O, und dass ich mir die Flausen mit der Profi karriere gleich mal aus dem Kopf streichen soll.
„Und außerdem: Sport ist Mord, Ferrychen!“, sagt sie immer. Du weißt schon, der Spruch, der zufällig am 25. Mai, also genau an meinem Geburtstag, auf dem Blatt vom Abreißkalender stand. Aber der Glauber hat mir immer wieder im Ohr gelegen: „Ferry, du hast fußballtechnisch echt einiges drauf. Du hast ein Superhelden-Talent in deinem linken Fuß! Komm schon, deine Mutter zu überreden ist doch eine Kleinigkeit. Du musst es nur wirklich wollen! Dran bleiben lohnt sich!“
Ich sag doch, gar nicht so schlecht, eine Stimme im Kopf zu haben, die man hört und die einem Mut macht. Und der Quassel ist in diesem Moment ausnahmsweise mal still gewesen.
Deshalb hab ich meine Mutter immer und immer wieder gefragt. Ich habe einfach nicht aufgegeben. Wirklich, ich habe so lange gebettelt und gequengelt, bis sie endlich zum Probetraining eingewilligt hat. Es war gar nicht so einfach, einen Platz zu bekommen. Hier in Hamburg gibt es zwar eine Menge Vereine, aber auch eine Menge Kids, die Fußball spielen wollen. Ich war umso begeisterter, als dann wirklich der Tag gekommen war und wir zum FC Wirbelsturm zum Probetraining konnten.
Das ist hier in Hamburg DER angesagte Verein. Noch dazu haben sie meine Lieblingsfarben in ihrem Vereinswappen! Grüner Hintergrund, auf dem eine weiße Windhose abgebildet ist. Grün-weiß, ein absoluter Hingucker eben!