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Seltsame Kurzgeschichten, geheimnisvoll, phantastisch
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Seitenzahl: 52
Veröffentlichungsjahr: 2015
Ingrid J. Poljak
Alles Theater
Ingrid J. Poljak lebt und schreibt in Wien.
Im Alter von 13 Jahren entdeckte sie auf einem Dachboden das Buch „Der Geisterseher“ von Friedrich Schiller/Hanns Heinz Ewers, es wurde zu ihrem langjährigen Kultbuch. Gleichzeitig begann sie in Ermanglung von anderen Büchern, die ihr gefallen hätten, selbst Romane zu schreiben.
Nach dem Studium an der TU Wien war sie viele Jahre als Architektin und nebenberuflich als Grafikerin tätig. Während dieser Zeit kam sie nur sporadisch zum Schreiben, einige Romane und Romanfragmente blieben liegen. Seit sie vor einigen Jahren den Beruf aufgegeben hat, widmet sie sich ganz dem Schreiben. Sie verfasst hauptsächlich Krimis, Thriller und mysteriöse Kurzgeschichten.
Veröffentlichungen:
„Bildermord“, ein Salzburger Festspiel-Krimi (Künstlerkrimi), Berenkamp-Verlag, 2012
„Auch Mord ist (k)eine Kunst“, ein eBook mit Kurzkrimis, Verlag Stories & Friends, 2014
„Die Hände des Doktor Kinich“, sechs unheimliche Geschichten, tredition, 2014
Homepage der Autorin: www.ingrid-j-poljak.com
Ingrid J. Poljak
ALLES THEATER
Sieben seltsame Geschichten
© 2015 Ingrid J. Poljak
Umschlaggestaltung, Illustration: © Ingrid J. Poljak
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
Paperback
ISBN
978-3-7323-5754-3
eBook
ISBN
978-3-7323-5755-0
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhalt
Wo ist Rambert?
Das Geheimnis
Die Reise zum Gipfel des Berges Azalom
Lara
Game over
Die Tänzer
Old Nick im Stress
Wo ist Rambert?
Eine alte Dame, die ich von Theaterbesuchen her kannte, vermittelte mir zwei Karten für die letzte Vorstellung des Stückes in dieser Saison, Plätze in der Proszeniumsloge. Da ich - wie ich damals dachte - Monsieur Rambert ganz gut kannte und ihn seines offenes Blickes und seiner aufrechten Haltung wegen schätzte, lud ich ihn ein.
Wir gingen also ins Theater, Rambert und ich.
Er trug eine schwarze Samtjacke ohne Kragen, ohne Revers, und darunter ein rotes seidenes Hemd mit lässig offenem Stehbündchen. Keine Krawatte. An ihm blieben weit mehr Augenpaare hängen als an meiner eher bescheidenen Erscheinung. Aber ich glaube nicht, dass ihn tatsächlich jemand erkannte, den großen Regisseur und Theoretiker, manchmal auch Schauspieler. Denn er verfügt über die Gabe, zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort anders auszusehen.
Noch weniger ahnten die Leute natürlich, dass ich der Autor dieses Stückes war. Ich hatte es unter einem Pseudonym geschrieben, davon abgesehen kannte mich sowieso niemand.
Monsieur Rambert. Ich träumte davon, ihn von dem Stück beeindruckt zu sehen. Der Strom der Besucher schob uns der Stiege zu den Logen näher. Ich schwankte, blickte zu Boden, aber ich ertastete die erste Stufe eher mit den Füßen, als dass ich sie mit den Augen erkannte. Rambert ging neben mir. Ich nahm das leise Knistern seines Anzugs wahr und den nicht unangenehmen Geruch nach Minze, der an ihm haftete.
Aber als ich endlich auf sicheren Beinen die Treppe höher stieg und Rambert zulächeln wollte, da war er – verschwunden.
Die Leute hinter mir drängten nach. Ich rettete mich zur Seite hin an den Rand der Stiege, griff nach dem Geländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Suchend blickte ich mich um, doch Rambert konnte ich in der Menge nicht finden.
Rambert war bestimmt keiner, der heimlich davonschlich, der Ausflüchte suchte, wenn er eine Sache überdacht hatte. Er war einer, der ja oder nein sagte. Und er stand im Ruf, konsequent den eingeschlagenen Weg zu gehen …
Der Gong rief die Besucher in den Saal. Während ich weiterging, hielt ich immer noch nach Rambert Ausschau. Die Loge war leicht zu finden, und es gab im ganzen Theater wohl keine besseren Plätze für meinen Zweck als diese. Auch wenn wir nicht gemeinsam hineingingen, würde Rambert kommen. Die Logentür würde sich öffnen und er würde lautlos neben mir Platz nehmen. Vielleicht kam er mit zwei Gläsern Sekt.
Der Gong ertönte ein zweites Mal. Das Gemurmel im Saal verstummte und das Kratzen und Knarren der Stühle in den Logen verebbte. Rambert kam nicht. Er kam auch nicht, als das Licht langsam erlosch und der Vorhang sich hob und den Blick auf eine dunkle Bühne freigab. Er war damit einverstanden gewesen, sich mit mir das Stück anzuschauen. Er hatte mir gegenüber beteuert, er wollte die Inszenierung kennenlernen, den Ablauf, die Wirkung aufs Publikum, er wolle mehr darüber erfahren als nur den Text, den er längst kannte.
Die Scheinwerfer leuchteten langsam auf und ließen vor einem schwarzen, unbestimmten Hintergrund die Dinge auf der Bühne sichtbar werden. Ein stählernes Gerüst ragte hoch auf, ein Baugerüst, mit Rohrschellen zusammengehalten, quer gelegte Bretter dienten als Podien. Über eiserne Sprossen konnte man von einem Podium zu anderen klettern, bis ganz hinauf auf eine oberste Plattform. Und überall - fürs Publikum vorerst nur schemenhaft sichtbar - hockten schlanke, schwarze Gestalten auf den Streben, den Sprossen, den Podien. Eine Bühne auf der Bühne, und darunter und davor - noch in Dunkelheit gehüllt - stand und saß das Volk, das Publikum, in mausgrauen Anzügen. Theater im Theater: ein alter Hut. Der Regisseur brachte im Großen und Ganzen meine Ideen auf die Bühne, wie wir sie in den Vorgesprächen diskutiert hatten, aber auch Rambert sollte sie kennenlernen.
Vielleicht war Rambert übel geworden … Aber ich verwarf diesen Gedanken gleich wieder: Rambert war als zäher Bursche bekannt, als echter Profi, den nichts vom Besuch eines Theaterstücks abhalten konnte.
Auf die erste Szene hätte Rambert verzichten können, da kam Fuerzli noch nicht vor, aber in der zweiten Szene, da löst sich dieser Rattenfänger das erste Mal aus der Menge, tritt ans Licht, hockt sich auf den Souffleurkasten