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Hanni Birkmoser

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Beschreibung

Seine Liebe kam zu spät - Heimatroman um eine zerstörte Hoffnung


Zu Weihnachten besucht der Medizinstudent Christian Brendel seinen Vater auf dem Feitingerhof in Stensdorf, wo dieser als Knecht arbeitet. Und dort verliebt er sich Hals über Kopf in die Hoftochter, die hübsche Marisa.

Der Feitingerbauer ist darüber nicht erfreut. Er hat sich seinen Schwiegersohn schon ausgesucht. Heinz Rauscher, der Sohn des Bürgermeisters, ist in seinen Augen die beste Partie für sein Madl. Bisher hat Marisa Heinz allerdings immer abgewiesen. Eifersüchtig beobachtet dieser nun die verliebten Blicke zwischen Marisa und Christian. Er hat nicht vor, sich von diesem Studenten die Suppe versalzen zu lassen. Und tatsächlich bietet sich Heinz bald die Gelegenheit, einen Keil zwischen die Liebenden zu treiben ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Seine Liebe kam zu spät

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7401-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Seine Liebe kam zu spät

Heimatroman um eine zerstörte Hoffnung

Von Hanni Birkmoser

Zu Weihnachten besucht der Medizinstudent Christian Brendel seinen Vater auf dem Feitingerhof in Stensdorf, wo dieser als Knecht arbeitet. Und dort verliebt er sich Hals über Kopf in die Hoftochter, die hübsche Marisa.

Der Feitingerbauer ist darüber nicht erfreut. Er hat sich seinen Schwiegersohn schon ausgesucht. Heinz Rauscher, der Sohn des Bürgermeisters, ist in seinen Augen die beste Partie für sein Madl. Bisher hat Marisa Heinz allerdings immer abgewiesen. Eifersüchtig beobachtet dieser nun die verliebten Blicke zwischen Marisa und Christian. Er hat nicht vor, sich von diesem Studenten die Suppe versalzen zu lassen. Und tatsächlich bietet sich Heinz bald die Gelegenheit, einen Keil zwischen die Liebenden zu treiben …

In der Küche des am Waxenstein gelegenen Berghofs brannte in dieser Herbstnacht noch spät das Licht. Am Tisch saßen sich Matthias Brendel, der Berghofbauer, und sein Sohn Christian gegenüber.

Für sie war die Stunde des Abschieds gekommen.

In den letzten Jahren hatten sie oft Abschied nehmen müssen, zuerst immer dann, wenn Christian nach den Sommerferien in die Stadt gefahren war, um sein Medizinstudium wieder aufzunehmen.

Vor einem halben Jahr hatten sie dann am Grab der Mutter gestanden, ein Abschied, der beiden die Tränen in die Augen getrieben hatte. Ganz unerwartet war die Berghofbäuerin nach einem Herzanfall von ihnen gegangen.

Und heute nun hieß es dem Berghof Lebwohl zu sagen. Dem alten Hof, der seit über zwei Jahrhunderten in der Familie des Brendelbauern gewesen war. Am Vormittag hatte der Vater seine Unterschrift auf die Verkaufsurkunde gesetzt, Christian hatte ihn dabei stützen müssen.

Am Nachmittag hatten sie ihre persönlichen Sachen zusammengepackt.

»Nur gut, dass die Mutter das nimmer hat erleben müssen«, sagte Matthias Brendel, und seine Augen schimmerten feucht.

»Du hast es meinetwegen getan, Vater, und das lastet schwer auf mir.«

»Solchen Unsinn will ich nimmer hören, Chris! Seit Jahren stand es schon schlecht um unseren Hof, ohne dass einen von uns die Schuld traf. Reich waren die Brendelbauern nie, aber zum Leben hat es alleweil gereicht. Aber selbst das wär uns nimmer vergönnt gewesen. Die harten Winter und schlechten Ernten in den vergangenen Jahren haben uns den Rest gegeben.«

»Die Mutter und du, ihr habt euch mein Studium vom Mund abgespart«, entgegnete Christian bitter.

Matthias Brendel schüttelte den Kopf mit dem noch kaum ergrauten vollen Haar.

»Ich bin stolz auf meinen Einzigen, der net das armselige Leben eines Berghofbauern führen muss, sondern in irgendeinem schönen Dorf eine Praxis als Landarzt haben wird. Wenn du erst einmal dein Examen in der Tasche hast, wird uns keiner mehr belächeln.«

»Es wird noch eine Weile dauern, Vater, und das mit der eigenen Praxis ist eine andere Sache. Die kostet mehr Geld, als du dir vorstellen kannst. Ich bin schon froh, wenn ich eine Anstellung an einem Krankenhaus bekommen kann. Nur in den Bergen müsst es halt sein, überall anders halt ich es net lange aus.«

»Ein bisserl Geld hab ich für den Besitz ja noch bekommen«, sagte der Vater, »und davon rühr ich keinen Cent an. Und zum alten Eisen lasse ich mich noch net legen. Hat lang gedauert, bis ich eine Arbeit gefunden hab wegen meines Alters. Aber die werden schauen drüben in Stensdorf, wie ich noch anpacken kann.«

Jetzt war es Christian, der den Kopf schüttelte.

»Dass du in deinem Alter noch als Knecht arbeiten willst, das will mir net in den Kopf. Das Geld für mein Studium verdien ich mir doch mit Aushilfsarbeiten zwischen den Vorlesungen. Du hast jetzt Ruhe verdient.«

Davon wollte Matthias Brendel nichts wissen.

»Aufs Altenteil will ich noch net. Da würd ich kein Jahr mehr leben. Ich arbeite, solange es meine Gesundheit zulässt und es mir Freude macht. Und das Geld werd ich dir schicken so wie bisher. Wenn du es net brauchst, dann leg es zurück für deine Praxis. Aber jetzt ist es gleich Mitternacht, und ein bisserl sollten wir beide noch schlafen.«

»Bis Weihnachten werden wir uns nimmer sehen, Vater«, sagte der junge Mann, »dann werde ich dich auf dem Feitingerhof in Stensdorf besuchen.«

Nachdem der Vater mit schweren Schritten die Küche verlassen hatte, ging Christian über den Flur zur Haustür und trat hinaus in die Nacht. Er sah hinauf zum Sternenhimmel über den dunklen Tannen, deren Wipfel sich leicht im Nachtwind bogen. Unter ihm das Dorf im Mondlicht, sein Heimatdorf, das er wohl lange nicht mehr sehen würde.

Tränen brannten ihm in der Kehle. Wenn er sonst von hier fortgefahren war, in die Stadt zurück zum Studium, dann hatte er immer gewusst, dass er wiederkommen würde. Aber jetzt war es endgültig, ein Abschied für immer.

An den Leuten, die unten in diesem Dorf lebten, lag ihm nichts. Verwandte und auch Freunde hatten sie nie gehabt.

Man hatte sich sonntags in der Messe gesehen, der Brendelbauer hatte mit seiner Familie seinen Platz ganz hinten im Kirchenschiff gehabt. Er war nicht wie die anderen Bauern dann zum Wirt zum Kartenspielen gegangen, sondern mit seiner Frau und dem Buben gleich wieder hinauf zu seinem Hof gestiegen. Nicht, dass er menschenscheu gewesen wäre, der Matthias, aber eingeladen mitzukommen, hatte ihn nie jemand.

War der junge Christian dann als Bursch auf einer Tanzveranstaltung erschienen, hatten die Dorfmädchen ihm zwar lange Blicke, aber keinen Tanz geschenkt.

»Nimm net den Brendel-Christian!«, hatte er die Bauern förmlich sagen hören. Und ihm, in seinem viel zu engen geflickten Anzug, war das Blut in das Gesicht gestiegen, und er war diesen Festen ganz ferngeblieben.

Nur in der Schule, da war er überall der Beste gewesen, da waren die Lehrer in Begeisterung über seine Intelligenz ausgebrochen. Mühelos hatte er in der nahen Kreisstadt sein Abitur bestanden, und der Vater hatte ihm erlaubt, Medizin zu studieren.

»Mit dem Berghof geht’s nimmer lang, Bub, lern was Gescheites, damit du net als Knecht leben musst«, hatte er gesagt, und er hatte diesen Rat beherzigt. Nun war er sechsundzwanzig Jahre alt und hatte noch vier Semester bis zum Examen.

Christian dachte an Susanne Hansen, die schöne blonde Studienkollegin, in die er sich gleich zu Anfang verliebt hatte. Und sie erwiderte seine Liebe, obwohl sie wussten, dass sie aussichtslos war. Susanne würde die Praxis ihres Vaters in der Innenstadt übernehmen, während er davon träumte, als Landarzt in einem kleinen Gebirgsdorf zu arbeiten. Sie hatte ihm vorgeschlagen, zu zweit in der Praxis ihres Vaters zu arbeiten, aber er hatte den Kopf geschüttelt.

»Wenn du bei mir bleiben willst, Susi, dann als die Frau eines Landarztes. Eine andere Möglichkeit gibt es net.«

Er verstand ihr Nein, denn er wusste, dass sie im Gebirge unglücklich werden würde. An einem Wochenende hatte er sie einmal mit auf den Berghof genommen, weil er geglaubt hatte, sie müsste auch lieben, was seine Welt bedeutete. Doch die Einsamkeit und Primitivität des alten Hofs hatten sie erschreckt. Susanne Hansen war durch und durch ein Stadtkind.

Morgen würde er sie wiedersehen, ihre weichen Lippen auf seinen spüren, ihre zärtlichen Worte hören. Die Sehnsucht nach ihr und die Trauer um die verlorene Heimat wechselten sich in seinem Innern ab. Als er gegen ein Uhr wieder das Haus betrat, wusste er, dass an Schlaf nicht zu denken war.

Gegen halb fünf Uhr war es immer noch dunkel, der beginnende Tag zeichnete sich hell hinter den Berggipfeln ab. Matthias Brendel versperrte die Haustür.

»So, Bub, das wird unser letzter Abstieg werden.«

Schweigend gingen sie hintereinander den schmalen steinigen Pfad hinunter ins Dorf. Hier war Christian als Bub herumgesprungen, dort oben in der höchsten Tanne hatte er sich sein Baumhaus gebaut.

Schließlich wurde der Weg breiter und führte dann über ein Stück Wiese bis zur Landstraße. Zum Bahnhof war es jetzt nicht mehr weit. Der Zug des Vaters fuhr zuerst ab. Schwer legte sich seine Hand auf Christians Schultern.

»Man darf im Leben net zurückschauen, Christian, nur vorwärts. Daran hab ich mich sechzig Jahr lang gehalten. Mach du es wie ich.«

»Du wirst mir immer ein Vorbild sein, Vater«, sagte der Sohn und blieb allein auf dem Bahnsteig zurück. Eine Heimat hatte Christian Brendel nun nicht mehr.

***

Stolz und majestätisch stand der Feitingerhof auf seiner Anhöhe etwas außerhalb des Dorfs. Obwohl es bereits Ende September war, leuchteten die Geranien in den Holzkästen in allen Farben. Und die Augen des jungen Mädchens, das vor dem Haus Wäsche aufhängte, strahlten mit der milden Herbstsonne um die Wette.

»Donnerwetter, das nenn ich einen schönen Empfang«, sagte der Mann mit dem Lodenjanker und dem alten Filzhut in den Händen. Er stellte seinen kleinen Koffer auf die Erde und lächelte das Mädchen freundlich an.

Marisa Feitinger schaute ein wenig ratlos drein.

»Matthias Brendel«, stellte sich der Fremde vor, »du bist sicher die Magd vom Feitingerbauern.«

Das Mädchen lachte silberhell und schüttelte den Kopf.

»Aber geh, ich bin die Tochter vom Bauern, die Marisa. Unsere Magd, die Erna, ist schon an die sechzig.«

Jetzt lachte der Fremde aus vollem Hals.

»Und ich bin bei deinem Vater ab Oktober als Knecht angestellt. Aber weil sich meine Angelegenheiten drüben in meinem Dorf schneller haben erledigen lassen, bin ich schon ein bisserl eher dran. Es wird ihm doch recht sein?«

»Aber freilich, ich führ dich gleich ins Haus. Dass du der neue Knecht bist, hab ich mir net denken können, weil du …« Sie verstummte und errötete.

»Hast einen Jüngeren erwartet, gell?«, sagte Matthias Brendel schmunzelnd. »Aber hab keine Angst, dein Vater tut keinen schlechten Griff mit mir. Ich werd’s euch schon zeigen.«

Die Küche vom Freitingerhof war dreimal so groß wie seine auf dem Berghof, und Matthias staunte nicht schlecht über die modernen Geräte, die dort standen. Eine rundliche Frau stand mit hochrotem Gesicht am Herd und knetete einen Semmelteig. Sie hatte ein gutmütiges Gesicht mit braunen Augen, die den Fremden jetzt allerdings etwas misstrauisch ansahen.

»Wirst uns doch keinen Übernachtungsgast bringen, Marisa? Die Mutter hat’s doch net so gern.«

»Das ist unser neuer Knecht, Matthias Brendel«, sagte das Mädchen mit einem spitzbübischen Lächeln, »ihr zwei werdet euch hoffentlich gut vertragen. Matthias, das ist unsere Erna.«

Sogleich wurde das Lachen der Magd wieder herzlich, sie rieb sich die Hände trocken und schüttelte die vom Matthias, dass er leise aufschrie.

»Dass du so früh kommst, hat keiner gedacht. Dem Bauern wird es nur recht sein, es gibt noch allerhand zu tun draußen vor dem Winter.«

Sie hatte seinen Blick in ihre Schüssel gesehen und lachte.

»Wenn einer einen Bärenhunger hat, das gefällt mir. In einer halben Stunde wird aufgetragen. Zeig dem Matthias seine Kammer, Marisa, und führ ihn ein wenig herum.«

Marisa nickte. Die Eltern waren zu einem Krankenbesuch zur älteren Schwester des Vaters gefahren. Sie führte Matthias durch den hellen weiträumigen Flur mit alten Bauernschränken die Stiege hinauf in den ersten Stock. Die Ehekammer daheim auf dem Berghof war nicht halb so groß gewesen wie das Zimmer, in das Marisa ihn führte. Möbel aus hellem Kiefernholz und vorne ein kleiner Holzbalkon ließen den alten Mann staunen.

»Das ist doch viel zu schad für einen Knecht, das könntet ihr doch gut vermieten«, meinte er kopfschüttelnd.

»Davon will der Vater nix wissen, Matthias. Er mag keine fremden Leut in seinem Haus haben. Mach dich ein wenig frisch und pack deine Sachen aus. Dann wird die Erna ihr Essen fertig haben.«

Matthias Brendel trat hinaus auf den Holzbalkon und sah vor sich das kleine Dorf mit der Zwiebelturmkirche liegen. Die Schindeln der Hausdächer glänzten im Sonnenlicht; es war ein kleines Dorf, eingebettet in Wiesen und Hügel. Hinter den Hügeln erhoben sich die hohen Berge.

Es gefiel ihm hier, vielleicht würde dieses kleine Dorf zu seiner zweiten Heimat werden. Weh tat es schon noch tief drinnen im Herzen, kein Bauer mehr zu sein auf eigenem Grund. Und sei er auch noch so klein.

»Matthias«, hörte er die resolute Stimme der Magd rufen, und ein Schmunzeln ging über sein Gesicht. Mit der Erna würde er sich gut verstehen. Sie war aus demselben Holz geschnitzt wie er.

Die Bauersleute waren inzwischen zurückgekehrt. Lenz Feitinger war ein großer stattlicher Mann Anfang fünfzig. Neben ihm wirkte die auch nicht gerade kleine Bäuerin zierlich und schmal. Auf den ersten Blick erkannte Matthias in ihr Marisas Mutter. Dieselbe auffallende Farbe der Augen, dasselbe Haar. Der Bauer schaute ihm fest ins Gesicht, dann nickte er.

»Ich seh dir an, dass ich einen guten Griff getan hab. Dein Vorgänger war zwar gut zwanzig Jahre jünger, aber mit der Arbeit hat er es net gehabt. Der hat den Feierabend weit mehr geschätzt.«

»Ich bin froh, dass du mich angestellt hast«, bekannte Matthias offen, »grad wegen meines Alters ist es net einfach gewesen, etwas zu finden.«

»Wenn du selber einmal Bauer warst, weißt du, wo du zulangen musst. Heut schau dich noch ein bisserl um, bist ja ganz fremd in der Gegend.«

Rosa Feitinger schenkte ihm ein herzliches Lächeln, und so kam es, dass Matthias am Abend recht zufrieden in seinem Bett lag. Dass er so viel Glück mit seinem Arbeitsplatz haben würde, hätte er nicht gedacht.

Gleich morgen Abend, wenn die Arbeit getan war, würde er Christian einen langen Brief schreiben. Der Sohn sollte sich nicht sorgen und wissen, dass er es gut getroffen hatte.

***

Der junge Bursch mit den dunklen Haaren, der schon eine ganze Weile am Scheunentor lehnte, schaute ungeduldig auf seine Uhr. Heute dauerte es besonders lange, bis auf dem Feitingerhof die Lichter ausgingen. Elf Uhr war es schon vorbei, und die Herbstnacht war empfindlich kühl.

Als der große Hof endlich im Dunkeln lag, ging er über das feuchte Gras auf das Haus zu. Marisas Kammer lag nach vorne hinaus, zum Glück weit weg von der Kammer ihrer Eltern. Neben ihr schlief die alte Erna, aber die wachte so schnell net auf.

Heinz Rauscher legte zwei Finger an die Lippen und pfiff leise. Sofort ging in der bewussten Kammer das Licht an. Das Fenster wurde geöffnet, und ein Mädchenkopf tauchte auf.

»Ich bin es, der Heinz«, rief er mit verhaltener Stimme hinauf.

»Dann verschwind nur gleich wieder!« Marisas Stimme klang zornig. »Ich hab dir gesagt, dass du umsonst kommst.«

»Wenn du net in drei Minuten herunten bist, werde ich lauthals zu singen anfangen, und ich weiß net, ob dein Vater einen so festen Schlaf hat«, sagte er.

Sie hörte sein unterdrücktes Lachen. Wütend schlug sie das Fenster zu und zog sich rasch einen dicken Wollpullover und eine Latzhose über. Im Spiegel schaute ihr ein verschlafenes Gesicht entgegen. Dem würde sie da unten die Meinung sagen. Nur weil ihrer beider Väter glaubten, sie müssten heiraten, hatte er noch lange nicht das Recht, an ihr Fenster zu kommen.

Heinz Rauscher wartete an der Haustür auf sie. Wunderschön sah sie aus mit dem wirren Haar.

»Sei net bös, Marisa, aber ich hab in meiner Kammer immer an dich denken müssen. Und weil die Sehnsucht gar so groß geworden ist, bin ich halt gekommen.«

»Ich hab dir schon ein paarmal gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst, Heinz. Es gibt andere Madln genug, die dich gernhaben können. Ich kann es net, und deshalb werd ich auch niemals deine Frau werden.«

»Wenn ein Madl Widerstand leistet, hab ich das gern. Aber allzu lang darf es net sein.« Heinz kam nahe auf sie zu, und Marisa wich einen Schritt zurück.

»Rühr mich net an, sag ich dir. Mag sein, dass mein Vater unsere Verbindung gern hätt, aber dass man mich im Haus überfällt, das würd er net dulden.«

»Aber Madl, hab dich doch net so! Ein einziges Busserl nur, und ich bin schon zufrieden.« Seine Arme griffen nach ihr. Doch ehe er sich versah, hatte sie ihm mit aller Kraft ins Gesicht geschlagen. Und noch bevor er sich von seinem Schreck erholen konnte, war die Haustür vor seiner Nase zugefallen.

»Sakra, sakra!« Er rieb sich die schmerzende Wange. »Eine Handschrift hat das Madl, die hat es in sich. Aber trotzdem will ich sie haben, jetzt erst recht. Und ein Heinz Rauscher hat noch immer alles bekommen, was er sich in den Kopf gesetzt hat.«

Während er über die Wiesen davonging, lag Marisa längst wieder in ihrem Bett. Die Wut und Aufregung ließen sie nicht einschlafen.

Heinz Rauscher war der Sohn des Bürgermeisters, vier Jahre älter als sie und ein rechter Aufschneider. Als einziger Sohn wurde er von seinem Vater verwöhnt und verzogen, und jetzt bildete er sich ein, sie zu lieben.

Seit dem Frühjahr stellte er ihr nach, wo er nur konnte. Die beiden Väter sahen das mit Zufriedenheit.

»Er kommt zwar net von einem Bauernhof, aber sein Vater ist der Bürgermeister, und ihm gehört das Sägewerk«, hatte ihr Vater einmal gesagt. »Finanziell kann es kein Bauer in unserem Dorf mit ihm aufnehmen. Du würdest eine gute Partie machen, Marisa.«