Alpengold 407 - Hanni Birkmoser - E-Book

Alpengold 407 E-Book

Hanni Birkmoser

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Beschreibung

Lauris Albacher lebt mit seiner Mutter auf einem armseligen Hof in St. Johann. Licht in sein Leben bringen seine hübsche Verlobte Regine und seine Schnitzerei, die er neben der Hofarbeit mit Feuereifer betreibt. Manchmal träumt er davon, berühmt zu werden. Und diese Chance bietet sich ihm eines Tages tatsächlich. Durch Zufall verschlägt es einen Geschäftsmann, der in Innsbruck mehrere Kunstgewerbe- und Antiquitätenläden betreibt, und seine Tochter in den verschlafenen Ort. Dieser Mann bietet Lauris an, nach Innsbruck zu kommen und für seine Geschäfte Figuren zu schnitzen.
Lauris macht sich die Entscheidung nicht leicht. Doch schließlich verlässt er sein Heimatdorf und hofft, es in der Großstadt zu Ruhm und Ansehen zu bringen. Als gemachter Mann will er in sein Dorf zurückkehren und seine geliebte Regine zum Traualtar führen ...


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Inhalt

Cover

Alle Wünsche dieser Welt

Vorschau

Impressum

Alle Wünsche dieser Welt

Ihre Liebe musste viele Kämpfe überstehen

Von Hanni Birkmoser

Lauris Albacher lebt mit seiner Mutter auf einem armseligen Hof in St. Johann. Licht in sein Leben bringen seine hübsche Verlobte Regine und seine Schnitzerei, die er neben der Hofarbeit mit Feuereifer betreibt. Manchmal träumt er davon, berühmt zu werden. Und diese Chance bietet sich ihm eines Tages tatsächlich. Durch Zufall verschlägt es einen Geschäftsmann, der in Innsbruck mehrere Kunstgewerbe- und Antiquitätenläden betreibt, und seine Tochter in den verschlafenen Ort. Dieser Mann bietet Lauris an, nach Innsbruck zu kommen und für seine Geschäfte Figuren zu schnitzen.

Lauris macht sich die Entscheidung nicht leicht. Doch schließlich verlässt er sein Heimatdorf und hofft, es in der Großstadt zu Ruhm und Ansehen zu bringen. Als gemachter Mann will er in sein Dorf zurückkehren und seine geliebte Regine zum Traualtar führen ...

Lauris Albacher hatte seinen Kopf tief über die Holzfigur in seinen Händen gebeugt und war dabei, dem Gesicht der Mutter Maria einen Ausdruck zu geben. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er nicht die leisen Schritte gehört hatte, die hinter ihm erklungen waren. Rosa Albacher, seine Mutter, hatte die Werkstatt betreten und sah dem Sohn nun über die Schulter.

»Es ist schon die zweite Muttergottes in dieser Woche. Hast du die erste verkauft?«

Der Sohn legte die kleine Holzfigur aus den Händen und schüttelte den Kopf.

»Sie steht noch ausgestellt im Souvenirladen, Mutter. Um diese trübe Jahreszeit sind kaum Touristen in St. Johann. Der Sepp macht so gut wie kein Geschäft. Aber wenn erst der Winter kommt und all die vielen Skifahrer, dann finden meine Sachen bestimmt guten Absatz.« Zufrieden glitt sein Blick über die Figuren, die in allen Größen vor ihm auf dem hölzernen Regal standen. Doch der Blick der Mutter war alles andere als zufrieden.

»Ich brauche Geld, Lauris!«, erwiderte seine Mutter. »Sonst weiß ich net, was ich in den nächsten Tagen auf den Tisch bringen soll.«

Lauris stand auf. Er war sehr groß und breitschultrig und hatte die dunklen Augen der Mutter. Sie standen in einem merkwürdigen Kontrast zu den hellblonden Haaren, die ihm wirr in die Stirn fielen.

Das Gesicht der alten Frau war müde und traurig. Die Albacherbäuerin hatte den frühen Tod ihres Mannes vor drei Jahren nicht überwinden können. Es hatte immer Not geherrscht, solang sie zurückdenken konnte, aber seit der Bauer nicht mehr war, erschien ihr diese Not viel schlimmer.

Lauris ahnte die Gedanken der Mutter. Er gab sich einen Ruck und ging auf seinen Schrank zu. Dort hatte er in einer Zigarrenkiste ein paar Scheine liegen. Es war sein eisernes Sparvermögen, und er hatte es zurückgelegt, um sich Holz und Werkzeug kaufen zu können. Doch jetzt wollte er es der Mutter geben.

Die alte Frau schüttelte den Kopf.

»Dein Erspartes nehme ich net, Bub«, sagte sie leise. »Ich hab noch die Kette oben im Schlafzimmer. Dein Vater hat sie mir zur Hochzeit geschenkt. Die Krämerin will sie mir abkaufen. Von dem Geld können wir gut ein paar Wochen leben.«

Davon wollte Lauris nichts wissen. Er drückte der Mutter die Scheine in die Hand.

»Ich leg sie zurück, wenn der Sepp was für mich verkauft hat«, sagte er und nickte aufmunternd. »Nimm das Geld nur und geh einkaufen.«

Er sah der Mutter durch die trübe Fensterscheibe nach.

Seit er zurückdenken konnte, hatte sie sich plagen müssen. Einen Knecht oder eine Magd hatten sie sich nie leisten können. Die Eltern hatten jede Arbeit selber gemacht, und er war ihnen schon von klein auf zur Hand gegangen. Eine richtige Kindheit, so wie die anderen Buben in seinem Alter, hatte er nicht gehabt.

Der Albacherhof brachte nicht viel ein, es reichte nur zum notdürftigen Leben. Das meiste Vieh hatte man verkaufen müssen, und seitdem der Vater tot war, hielten sie sich nur noch ein paar Ziegen und Hühner. Der große Stall war verwaist.

Mit dem Holzschnitzen hatte Lauris angefangen, als er noch keine fünfzehn Jahre alt gewesen war. Mit geschickten Händen hatte er so manches kleine Kunstwerk angefertigt, und allmählich war man auf ihn aufmerksam geworden.

Der Rieder-Sepp, dem der Andenkenladen im Dorf gehörte, hatte ihm angeboten, seine Sachen für ihn zu verkaufen. Zu keinem hohen Preis natürlich, denn der Sepp wollte ebenfalls daran verdienen. Aber es waren doch immer ein paar Scheine, die ihm gehörten und mit denen er die Not auf dem väterlichen Hof etwas lindern konnte.

Insgeheim träumte der junge Bursch davon, einmal ein richtiger Künstler zu werden. Seinen eigenen Laden wollte er haben und einen Namen bis weit über die Grenzen von St. Johann hinaus. Wenn die Mutter einmal nicht mehr war, würde er den Hof zum Verkauf anbieten.

Er hätte es jetzt getan, aber er wusste, dass es ihr das Herz gebrochen hätte. Trotz aller Not und Sorgen hing sie an dem kleinen Besitz, über den die reichen Bauern im Dorf nur mitleidig lächelten.

Gerade als Lauris seine Arbeit wieder aufnehmen wollte, sah er über das Feld eine schlanke Gestalt kommen. Zwei blonde Zöpfe, zu einer Krone um den Kopf gesteckt, leuchteten in der Nachmittagssonne. Das Madl trug eine Reisetasche und winkte schon von Weitem.

Lauris stand auf und ging ihr entgegen. Als sie näher gekommen war, schloss er sie in seine Arme. Zwei dunkelblaue Augen in einem leicht gebräunten Gesicht strahlten den Mann an.

»Aus unserem Dorf hat mich einer im Auto mitgenommen. Deswegen bin ich heut früher dran«, sagte sie lachend, und Lauris konnte dem roten Mund nicht widerstehen.

Regine Petzer war aus Fieberbrunn gekommen. Jedes Wochenende kam sie, um die beiden freien Tage mit dem geliebten Mann und seiner Mutter auf dem alten Hof zu verbringen.

Seit einem Jahr war Regine mit Lauris Albacher verlobt, und eigentlich hätten die Hochzeitsglocken schon längst läuten sollen. Aber das Geld, das kaum für Mutter und Sohn reichte, würde eine dritte Person nicht satt machen. Und dass seine Frau nach der Hochzeit weiterhin arbeitete, das wollte Lauris auf keinen Fall.

Daher hielten sie es bisher so, dass sie sich nur am Wochenende sahen und dann Pläne für ihre Zukunft schmiedeten.

Regine hielt den Mann etwas von sich ab und betrachtete ihn forschend.

»Ich möcht wetten, du hast wieder die halbe Nacht über deiner Schnitzerei gesessen. Du siehst müde aus.«

Lauris strich zärtlich über ihre Wange.

»Der Winter ist bald da, Regine, und es ist meine einzige Chance, Käufer zu finden. In diesen Herbstmonaten habe ich kaum etwas verkauft. Ich muss vorarbeiten, und außerdem ist die Arbeit auf dem Hof auch noch da. Die Mutter arbeitet eh viel zu viel.«

Er nahm ihre Tasche, und Regine hängte sich an seinen Arm.

»Es wird Zeit, dass ich für immer hierherkomme und auf dich aufpasse«, sagte sie scherzend.

Lauris blieb stehen. Seine dunklen Augen blickten sie ernst an.

»Du weißt, dass ich mir nix sehnlicher wünsche, als dass du für immer bei mir bist. Aber es fehlt halt an allen Ecken und Enden. Einmal werde ich einen Namen haben und ein eigenes Geschäft. Es wird nicht mehr lange dauern, Regine, ich fühle es.«

Seine Augen begannen zu glänzen, und das Madl wusste, dass er wieder in seine Zukunftsträume versunken war. Träume, die doch nie in Erfüllung gehen würden. Davon war sie jedenfalls überzeugt. Wenn er auch hübsche Arbeiten machte, es war nicht leicht, berühmt zu werden.

Regine war ein Madl, das mit beiden Beinen auf der Erde stand und sich nichts vormachte. Sie liebte Lauris Albacher, seit sie ihn auf einer Hochzeitsfeier zum ersten Mal gesehen hatte. Und sein Herz gehörte seit jenem Tage ihr.

Dass er arm war, störte sie nicht. Sie kam auch aus kleinen Verhältnissen und arbeitete als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft. Gern hätte sie auch nach der Hochzeit weitergearbeitet, wäre Lauris endlich dazu bereit gewesen, sie zu heiraten. Doch er war der Ansicht, dass es Sache des Mannes sei, die Familie zu ernähren, und von diesem Standpunkt ging er nicht ab.

»Ab Dezember können wir uns jeden Tag sehen, Lauris«, sagte Regine nun. »Ich hab drüben meine Arbeit gekündigt und in St. Johann eine Stelle gefunden.«

»Hier bei uns?«, fragte Lauris erstaunt.

»Ja. Der Kofler-Hannes will mich einstellen. Er ist ein entfernter Verwandter von uns und hat seine Frau durch einen Unglücksfall verloren. Nun ist er mit seiner kleinen Tochter allein und hat sich nach einer Magd umgesehen. Eigentlich wollte er eine ältere Frau haben, aber die Mutter hat mit ihm gesprochen. Ich habe ihn noch nie gesehen.«

Lauris kannte den Koflerbauern. Er war nur einige Jahre älter als er. Ein stiller und ernster Mann, der über den Tod seiner Frau nicht hinweggekommen war.

Die Koflerbäuerin war im vergangenen Frühjahr auf der Dorfstraße von einem Pferdewagen angefahren worden und bald darauf im Krankenhaus gestorben. Seitdem sah man den Bauern kaum noch, und die kleine Kathi wuchs mutterlos auf. Er tat schon recht daran, sich eine Frau ins Haus zu nehmen, und vielleicht war es gut, dass die Regine dorthin ging. Mit ihrem Frohsinn und ihrer Lebensfreude konnte sie wieder etwas Leben auf den Hof bringen.

Lauris nahm ihre Hände in die seinen.

»Lieber wär's mir, du könntest bei uns bleiben. Aber ich freu mich sehr, dass wir uns dann jeden Abend sehen können.«

Wieder küssten sie sich und ließen erst voneinander, als sie die Bäuerin kommen sahen. Die alte Frau hatte die künftige Schwiegertochter längst in ihr Herz geschlossen, und Regine hatte jede Woche ein kleines Geschenk für sie dabei. Heute war es eine Packung mit feinen Pralinen.

»Du bist viel zu gut, Regine. Heb dein Geld doch für eure Aussteuer auf. Ihr zwei könnt es gut gebrauchen.«

Regine lachte und gab Lauris schnell einen Kuss.

»Wir zwei werden es schon schaffen, der Lauris und ich. Und ich heirate ihn auch noch, wenn ich graue Haare hab.«

»Ich hab dich lieb, auch mit grauen Haaren, Schatz. Aber bis dahin möcht ich dich schon ein paar Jahrzehnte bei mir haben.«

Wenn die alte Bäuerin so auf das Glück der beiden sah, wurde ihr das Herz leichter. Mit der jungen tüchtigen Regine als Bäuerin würden sich die Zeiten auf dem Albacherhof vielleicht zum Besseren wenden.

***

Das kleine Madl mit den semmelblonden Haaren und der sommersprossigen Stupsnase, das vor dem alten Bauernhaus auf der Wiese saß, weinte bitterlich. Ein riesiger brauner Kartoffelkäfer marschierte die nackten strammen Beinchen hinauf, und die kleinen Händchen schreckten davor zurück, ihn anzufassen.

Das Weinen drang bis zum Stall, wo ein großer dunkelhaariger Mann das eben geborene Fohlen mit Stroh abtrieb. Sofort ließ Hannes Kofler fallen, was er in der Hand hielt, und lief hinauf auf die Wiese.

»Was ist denn, Kathi, warum weinst du denn?« Erschrocken beugte er sich über das Kind, über dessen schmutzige Wangen Tränen liefen. Voller Abscheu deutete die kleine Kathi auf den Käfer, der jetzt den Saum ihres kurzen Kleidchens erreicht hatte.

»Der Käfer, ich hab solche Angst!«

Hannes schnippte den Käfer mit den Fingern weg und nahm das Kind auf die Arme. Sofort versiegten die Tränen, und ein feuchtes rundes Gesichtchen drückte sich an das seine.

»Danke, Papa«, stammelte die Kleine schniefend.

Hannes Kofler stellte seine Tochter wieder auf die Erde.

»Nun lauf und wasch dir dein Gesicht. Bald ist Zeit fürs Abendessen, und das gibt es nur, wenn ich keinen Schmutz mehr seh.«

Mit strahlendem Gesicht lief Kathi vor das Haus, wo das Wasser sprudelnd und kalt in einen großen Bottich floss. Karl, der alte Knecht, kam um die Ecke. Er hatte Durst, und bei dem warmen Wetter schmeckte ein Schluck aus der Quelle besser als eine Flasche Bier. Er fuhr dem Kind über die widerspenstigen blonden Haare.

»Ausschauen tust du wie ein Bub, Madl! Wie kann man sich nur so dreckig machen?«

Kathi deutete auf eine riesige Pfütze vor dem Haus, die die letzten Regentage hinterlassen hatten. Dort hatte sie in den letzten Stunden mit Eimer und Schaufel gespielt.

»Wird ein Glück sein, wenn du heuer in die Schule kommst«, sagte der alte Mann und schüttelte den Kopf, »je größer du wirst, umso mehr Dummheiten fallen dir ein. Bist schon eine rechte Plage für deinen Vater.«

Das redete er nur so dahin, der alte Karl, denn im Grunde war ihm das kleine mutterlose Madl ans Herz gewachsen wie seine eigene Tochter. Und während Kathi ins Haus lief, um die Vorbereitungen fürs Abendessen auf ihre Weise zu treffen, setzte sich der Alte auf den Rand des Troges und holte eine schon halb gerauchte Zigarre aus seiner Tasche.

Er war schon bei dem Vater des jungen Bauern Knecht gewesen und hatte stets Freud und Leid mit dem alten und dem jungen Bauern geteilt. Das größte Unglück in all den Jahren war es wohl gewesen, als man die junge Bäuerin vor einem knappen Jahr sterbend ins Haus gebracht hatte. Bewusstlos und mit schweren Verletzungen hatte sie auf der Dorfstraße gelegen. Ein Pferdefuhrwerk hatte sie angefahren, und obwohl sie zur Seite gesprungen war, schwer erwischt.

In derselben Nacht noch war der Kofler-Hannes Witwer und die kleine Kathi eine Halbwaise geworden. Noch war sie zu klein, um zu verstehen, dass die Mutter nie mehr zurückkommen würde. Wohl hatte ihr der Vater erzählt, die Mama wäre oben im Himmel bei den vielen Englein.

»Was macht sie so lange im Himmel? Sie muss doch einmal wieder herunterkommen«, meinte Kathi dann und wusste nicht, wie weh sie mit diesen Worten dem Vater tat. Denn der junge Bauer kam nicht über den schmerzlichen Verlust hinweg. Wäre die kleine Kathi nicht gewesen, wer weiß, ob er sich nicht etwas angetan hätte.

»Ein prächtiges Fohlen hat die Lisa bekommen, Karl«, sagte der Bauer zu dem Knecht, als er aus dem Stall kam. »Geh hin und schau es dir an.«

Da kam Leben in den alten Mann. Nur wenige Fohlen hatte er auf dem Koflerhof nicht selber ans Licht der Welt geholt. Und die Tiere waren außer der kleinen Kathi nun mal sein Ein und Alles.

Schmunzelnd schaute ihm der Bauer nach. Der alte Knecht war ihm in den letzten schweren Monaten unentbehrlich geworden. Wenn er beim Arbeiten auch langsamer geworden war, so hatte er ihm doch immer zugehört und ihn getröstet, wenn er sich seinen Kummer vom Herzen geredet hatte.

»Es wird wieder aufwärtsgehen, Hannes!«, hatte Karl oft gesagt. »Bestimmt findet sich wieder ein nettes Madl, das dem Kind eine Mutter und dir eine gute Frau sein wird.«

Das Küchenfenster öffnete sich, zwei dünne blonde Zöpfe kamen zum Vorschein, ein rundes, marmeladenverschmiertes Gesicht und zwei strahlende blaue Augen.

»Ich hab die Pfannkuchen schon gefüllt, Papa«, rief Kathi laut, und sie hätte das nicht extra betonen müssen. Wenn die Pfannkuchen ebenso viel Marmelade abbekommen hatten wie ihr Gesichtchen, dann mussten sie gut schmecken.

Einträchtig saßen sie dann beim Essen um den runden Tisch, den die Kleine nicht gerade sorgsam gedeckt hatte. Die letzten Handgriffe hatte der Bauer selbst machen müssen.

»Ich bin froh, wenn die neue Magd erst da ist«, sagte er zum Knecht, und der horchte erstaunt auf.

»Eine Magd hast du angestellt? Davon weiß ich ja gar nichts.« Er war ein bisschen beleidigt, der Alte, denn für gewöhnlich fragte der Bauer ihn vor jeder Entscheidung um Rat.

»Sie ist die Tochter einer entfernten Verwandten, Karl. Mir wär lieber eine ältere Frau gewesen, die schon Erfahrung im Haushalt hat. Aber weil mich die Thea so gebeten hat, ihre Tochter zu nehmen, hab ich Ja gesagt. Und für die Kathi ist vielleicht eine jüngere Person besser.«

Jetzt nickte der Knecht zufrieden. Eine Frauensperson fehlte wirklich an allen Ecken und Enden.

Die kleine Kathi aß erst in aller Seelenruhe ihren Pfannkuchen auf, dann schaute sie ihren Vater fragend an.

»Wir brauchen doch keine fremde Frau, wenn die Mama bald wiederkommt.«

Hannes schluckte und strich dem Kind liebevoll über die runden Bäckchen.

»Vielleicht gefällt dir diese Regine ganz gut, Kathi. Wo du jetzt zur Schule kommst, muss sich jemand um dich kümmern. Du weißt doch, wie viel ich zu tun hab.«

»Aber sie soll nur so lange bleiben, bis die Mama wiederkommt. Dann brauchen wir sie nicht mehr.«

Die beiden Männer sahen sich an, und die Augen des alten Knechts wurden feucht.

»Nein, Kathi, dann brauchen wir sie nicht mehr«, sagte er leise und strich dem Kind über die widerspenstigen Haare.

***

Wenige Tage später betrat Regine Petzer den Koflerhof zum ersten Mal. Obwohl das Haus alt war, strahlte es Wohlhabenheit aus. Man sah ihm von außen nicht an, dass eine Frauenhand fehlte. Die Blumen in den bunten Balkonkästen blühten prächtig, und die Vorhänge hinter den kleinen Fensterscheiben waren schneeweiß.

Der Albacherhof war dagegen eine Hütte, stellte das junge Madl betrübt fest. Wie gerne wäre sie auf einem so schönen Hof Bäuerin geworden, und auch Lauris hätte sich in einer solchen Umgebung viel entspannter seiner Kunst widmen können.

Regine hatte das kleine Madl nicht kommen sehen und erschrak etwas, als jemand sie am Rock zog. Als sie sich umwandte, schaute sie in ein rundes Gesicht und in zwei neugierige blaue Augen.

»Bist du die Regine?«

»Ja, die bin ich, und dich kenn ich auch. Du bist die Kathi, gell?«

Die Kleine riss die Augen vor Staunen noch weiter auf.

»Woher weißt du denn das?«

»Meine Mutter hat mir von dir erzählt, und außerdem kennt dich jeder im Dorf«, erwiderte Regine lachend. »Oder bist du etwa nicht die, die die Fensterscheibe vom Krämerladen eingeworfen hat?«

Das Kind wurde rot bis zu den kleinen Ohren.