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Maria Fernthaler

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Beschreibung

Zwischen Pflicht und Liebe - Warum Nedda Nacht für Nacht bittere Tränen weint

Als Andreas Buchner, der neue Jäger von Ehrwald, und Nedda sich zum ersten Mal begegnen, trifft die beiden die Liebe wie ein Blitz. Doch gerade ihn darf das hübsche Madl nicht lieben! Denn kein anderer als ihr Vater Martl Baumfelder ist der Wilderer, den Andreas von nun an erbarmungslos jagen wird.
Und eines frühen Morgens, nachdem der Jäger nächtelang auf der Lauer gelegen hat, peitscht ganz in seiner Nähe ein Schuss durch die Stille. Nach einer wilden Verfolgungsjagd steht er schließlich keine zwanzig Meter von dem Wilderer entfernt am Rande des Abgrunds.
Andreas zögert, das Gewehr auf den Vater des Mädchens zu richten, das er über alles liebt. "Gib auf!", fordert er den Wilderer auf.
"Niemals!", schreit Martl. "Eher geh ich in den Tod."
Und im nächsten Moment macht der alte Mann einen Schritt auf den Abgrund zu und springt in die tiefe Klamm ...

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Zwischen Pflicht und Liebe

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7495-7

www.bastei-entertainment.de

Zwischen Pflicht und Liebe

Warum Nedda Nacht für Nacht bittere Tränen weint

Von Maria Fernthaler

Als Andreas Buchner, der neue Jäger von Ehrwald, und Nedda sich zum ersten Mal begegnen, trifft die beiden die Liebe wie ein Blitz. Doch gerade ihn darf das hübsche Madl nicht lieben! Denn kein anderer als ihr Vater Martl Baumfelder ist der Wilderer, den Andreas von nun an erbarmungslos jagen wird.

Und eines frühen Morgens, nachdem der Jäger nächtelang auf der Lauer gelegen hat, peitscht ganz in seiner Nähe ein Schuss durch die Stille. Nach einer wilden Verfolgungsjagd steht er schließlich, keine zwanzig Meter von dem Wilderer entfernt, am Rande des Abgrunds.

Andreas zögert, das Gewehr auf den Vater des Mädchens zu richten, das er über alles liebt. »Gib auf!«, fordert er den Wilderer auf.

»Niemals!«, schreit Martl. »Eher geh ich in den Tod.«

Und im nächsten Moment macht der alte Mann einen Schritt auf den Abgrund zu und springt in die tiefe Klamm …

Auf dem Bahnsteig, auf dem in Kürze der Zug aus München eintreffen sollte, wimmelte es von bunt gekleideten Menschen.

»Das ist typisch bayerisch«, schimpfte der Schröderbauer. »Die in München droben können keinen Zug pünktlich abfahren lassen. Und ausgerechnet, wenn ich einmal im Jahr einen Zug brauch, dann hat er Verspätung.«

Die mollige Bäuerin gab ihrem aufgebrachten Mann keine Antwort. Wenn der Jakob nicht immer etwas zu granteln hatte, war ihm einfach net wohl. Dabei war es unwichtig, ob sie eine halbe Stunde früher oder später in Landeck bei der Schwester ihren Besuch antreten würden.

Sie wandte sich von ihrem Mann ab und ging auf das blonde, schlanke Mädchen zu, das eben mit geröteten Wangen aus dem Bahnhofsgebäude gelaufen kam. Karin war es, die Tochter des Oberförsters Schutter. Und blitzsauber hatte sie sich herausgemacht. Der Vater hatte sie für drei Jahre in die Schule nach Garmisch geschickt.

»Es freut mich, dass du wieder da bist, Karin«, sagte die Schröderin und reichte dem Mädchen die Hand.

Zwei blaue Augen blitzten sie strahlend an.

»Und ich erst, Schröderbäuerin! Vor Heimweh hab ich es oft net ausgehalten. Garmisch ist halt doch eine Stadt voller Trubel und Leben. Für immer könnte ich dort net leben. Jetzt bin ich aber gelaufen, dass ich kaum mehr schnaufen kann.«

»Warum hast du es denn so eilig? Hast du etwa einen Schatz gefunden, der dich besuchen kommt?« Die Schröderin war neugierig. Lachend schüttelte das Mädchen den Kopf.

»Aber nein, damit hat es noch Zeit. Aus München soll der neue Jäger kommen, und der Vater ist noch immer oben in den Bergen auf der Suche nach dem Wilderer.«

Davon wussten alle im Dorf. Immer öfter war in den ersten Sommermonaten Wild erlegt worden, ohne dass man dem Täter auf die Spur gekommen war.

»Ein Kreuz ist es, dass man den Kerl net erwischt bei seinen Schandtaten«, jammerte die Bäuerin. »Dein Vater soll halt dem Baumfelder-Martl besser auf die Finger schauen. Könnte doch leicht sein, dass der sein Unwesen wieder treibt. Jetzt, nachdem die Bäuerin gestorben ist.«

Die Försterstochter war ernst geworden.

»Der Tod seiner Frau hat den Martl bestimmt aus der Bahn geworfen. Aber dass er wieder wildern geht, hat ihm noch keiner nachsagen können. Ich bin froh, wenn der Vater erst einen Jäger zur Seite hat. Dann ist es net so gefährlich für ihn oben in den Bergen. Seit ihn damals ein Schuss getroffen hat, habe ich immer Angst um ihn.«

Kurz darauf näherte sich der Zug, und die beiden Frauen verabschiedeten sich voneinander.

Karin Schutter blieb abwartend stehen, als sich die Türen geöffnet hatten und die Fahrgäste ausstiegen. Sie wusste nicht, wie er aussah, dieser Andreas Buchner, der ihrem Vater einen sehr netten Brief geschrieben hatte, nachdem man ihn von vielen ausgesucht hatte, der Jäger von Ehrwald zu werden.

Es war nicht schwer, ihn zu erkennen. Ein großer, breitschultriger Mann war ausgestiegen, und aus seinem Rucksack ragte ein Gewehr. Er musste es sein, denn auch er sah sich suchend um und erwartete sicher ihren Vater.

Langsam ging sie auf ihn zu.

»Sie sind Andreas Buchner?«

Erstaunt sah er sie an, und sein Blick ließ ihr Herz schneller schlagen. Er zeigte unverhohlenes Interesse.

»Ja, der bin ich. Aber woher kennen Sie mich? Ich war noch nie hier in Ehrwald.«

Karin lachte und streckte ihm ihre Hand hin.

»Ich bin die Tochter von Förster Schutter. Leider war es meinem Vater nicht möglich, selber zum Bahnhof zu kommen. Er ist seit Tagen oben in den Bergen.«

Andreas hatte seinen Rucksack von der Schulter genommen und auf den Boden gestellt. Sein Händedruck war fest, die Augen blitzten.

»Da müsste ich ja fast dankbar dafür sein. Einen solchen Empfang hätte ich mir net träumen lassen.«

Sie lachten beide, und er freute sich, dass eine zarte Röte ihr gebräuntes Gesicht überzogen hatte.

»Kommen Sie, ich habe meinen Wagen vor dem Bahnhof stehen. Erst bringe ich Sie zu dem Bauern, bei dem Sie wohnen werden, bis Sie etwas gefunden haben. Und wenn es recht ist, fahren wir dann zum Forsthaus. Die Mutter hat extra Ihnen zu Ehren einen Pflaumenkuchen gebacken.«

»Eine Überraschung nach der anderen«, sagte der junge Jäger lachend. Mit der einen Hand hob er seinen Rucksack wieder auf die Schultern, mit der anderen nahm er ihren Arm.

»Sie können über mich verfügen. Aber Ihren Namen möchte ich schon gern wissen. Wie heißt das schönste Mädchen von Ehrwald?«

»Ich bin die Karin, und schöne Mädchen gibt es hier eine Menge. Besonders während der Urlaubszeit.« Sie ging auf einen uralten bunt bemalten Wagen zu. »Er ist nicht mehr der Jüngste, aber er fährt wie der Teufel«, meinte sie, als sie seinen skeptischen Blick sah.

Andreas warf seinen Rucksack auf den Rücksitz und stieg ein.

»Mit Ihnen würde ich bis ans Ende der Welt fahren«, versicherte er ihr.

Karin ließ den Motor an.

»So weit ist es nicht. Der Reiterhof ist einer der ersten im Dorf. Und zum Forsthaus sind es dann noch zehn Minuten zu fahren.«

Das Zimmer, das der neue Jäger für die erste Zeit bewohnen sollte, war klein, aber sauber und ordentlich eingerichtet. Andreas fühlte sich auf den ersten Blick wohl. Er machte sich etwas frisch, während Karin unten in der Küche auf ihn wartete.

Als Andreas fertig war, holte der Reiterbauer seine Schnapsflasche aus dem bemalten Schrank und füllte die Gläser.

»Auf guten Einstand, Herr Jäger.«

»Lassen wir das Herr Jäger weg. Für Sie bin ich der Andreas«, sagte er herzlich und prostete allen zu.

***

»Ich glaube, ich bin ein Glückskind«, verkündete er, als er wieder neben dem Mädchen im Wagen saß. »Erst Sie am Bahnhof und jetzt das Zimmer auf dem schönen Hof. Ich bin gespannt, was noch alles kommt.«

Das Forsthaus lag versteckt zwischen den Dörfern Ehrwald und Lermoos mitten im Tannenwald. Besser gesagt auf einer Lichtung, auf die jetzt die Nachmittagssonne schien. Ein mittelgroßes Holzhaus war es, umgeben von einem herrlichen Garten. Auf der Terrasse war der Kaffeetisch gedeckt, und der junge Jäger blieb aufatmend stehen.

»So habe ich mir als Bub immer ein Forsthaus vorgestellt. Aber in der Großstadt tut man sich schwer, eines zu finden.«

»Sie wollten immer schon Jäger werden? Obwohl Sie in München gelebt haben?«

Andreas nickte mit leuchtenden Augen.

»Ja, Karin, das hat für mich seit frühester Kindheit festgestanden. Wenn andere Buben im heranwachsenden Alter ins Kino gegangen sind, war ich im Wald anzutreffen.«

Karins Mutter, die Försterin, trat aus dem Haus. Mit ausgestreckten Armen kam sie auf ihn zu.

»Willkommen in Ehrwald, Herr Buchner! Es tut mir leid, dass mein Mann nicht zur Begrüßung da sein konnte. Aber ich erwarte ihn bestimmt heute Abend zurück.«

»Karin hat ihren Vater bestens vertreten«, sagte er lachend, und mit diesem jungenhaften Lachen hatte er das Herz der Försterin sofort gewonnen.

»Kommt herein, der Pflaumenkuchen schmeckt warm am besten. Und der Kaffee ist auch schon fertig.«

Sie hatten sich kaum hingesetzt, als Hundegebell durch den Wald zu ihnen drang und Karin aufsprang.

»Das muss der Vater sein! Ich höre den Rolli bellen.«

»Rolli ist eigentlich Karins Hund«, erklärte die Försterin, während Karin dem Vater entgegenlief. »Sie hat ihn mit zwei Monaten geschenkt bekommen. Und weil er damals mehr gerollt als gelaufen ist, haben wir ihn Rolli getauft.«

Andreas sah einen kleinen Langhaardackel mit angelegten Ohren aus dem Wald geflitzt kommen und mit einem Satz in Karins Arme springen. Sie drückte das strubbelige Etwas fest an sich. Und gleich darauf erschien auf der Lichtung ein großer, fast hagerer Mann im grünen Trachtenanzug. Ein grauer Bart umrahmte ein schmales Gesicht.

Karin fiel dem Vater um den Hals, und er schaute über ihre Schulter hinweg auf die Terrasse.

»Beinahe hätte ich es geschafft, zum Bahnhof zu kommen. Der Bock, der abgeschossen worden ist, war unauffindbar. Der Wilderer muss ihn gleich mitgenommen haben, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit.«

»Dir ist nix geschehen?« Ihre blauen Augen schauten ihn angstvoll an.

»Nein, Karin, ich war zu weit weg, als der Schuss gefallen ist. Aber wie mir zumute ist, wirst du dir denken können. Komm, wir wollen den Besuch nicht so lange warten lassen.«

Andreas Buchner hatte sich erhoben und war seinem Dienstvorgesetzten entgegengegangen. Die Begrüßung des Älteren war sehr herzlich.

»Ich freue mich, dass die Wahl auf Sie gefallen ist, Herr Buchner«, sagte der Förster, »und ich hoffe, Karin hat Sie freundlich begrüßt.«

Er sah den Blick, den die beiden jungen Leute miteinander wechselten, und ahnte sofort, dass die beiden sich gefielen. Dieser neue Jäger war aber auch ein Mannsbild wie aus dem Bilderbuch. Da würde er auf sein Mädel aufpassen müssen. Denn bestimmt hatte dieser Bursche längst ein Mädchen in der Stadt und würde es nachkommen lassen.

Die Försterin brachte frischen Kaffee und wollte wissen, was in den Bergen oben geschehen war. Doch ihr Mann gab sich zurückhaltend und sprach nur wenig von den vergangenen Tagen. Dafür bat er dann den Jäger zu einem Gespräch unter vier Augen in sein Arbeitszimmer.

»Hier in Ehrwald treibt ein Wilderer sein Unwesen, Andreas. Jahrelang hatten wir Ruhe, höchstens einmal einen Schmuggler hatten wir zu stellen. Aber jetzt werden mir die besten Böcke abgeschossen, ohne dass ich dem Kerl auf die Spur komme. Natürlich hab ich einen bestimmten Verdacht. Aber was nützt ein Verdacht, wenn die Beweise fehlen.«

»Und wer ist der Mann?«, wollte der Jäger wissen. »Einer aus dem Dorf?«

Der Förster nickte und bot ihm eine Zigarre an.

»Ja, ich vermute es. Der Martl vom Baumfelderhof. Er hat als junger Bursch gewildert wie der Teufel. Eines Tages habe ich ihn erwischt und durch einen Schuss verletzt und so am Entkommen gehindert. Er ist Jahre dafür im Gefängnis gewesen. Dann hat er geheiratet, und die Frau hat ihn davon abgehalten, wieder zu wildern. Er hat sie sehr geliebt.«

Andreas hörte dem Förster interessiert zu.

»Jetzt ist sie tot seit dem Frühjahr, und im Mai hat man den ersten erlegten Bock gefunden«, fuhr dieser fort. »Möglich wäre es, dass er aus Verzweiflung wieder hinaufgeht mit seinem Gewehr. Ich habe seinen Hof durchsuchen lassen, aber man hat nichts gefunden, was auf dieses unsaubere Geschäft deuten könnte.«

»Ab morgen stehe ich Ihnen zur Seite, Förster. Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, den Kerl zu erwischen«, sagte Andreas.

»Ich hätte Ihnen einen schöneren Arbeitsbeginn gewünscht, als ausgerechnet nach einem Wilderer zu fahnden. Aber ich bin froh, dass Sie mir Ihre Hilfe angeboten haben. Wenn es Ihnen recht ist, mache ich Sie morgen mit Ihrem Revier bekannt und zeige Ihnen die Stellen, an denen man erschossenes Wild gefunden hat.«

Der Jäger versprach, früh am nächsten Morgen am Forsthaus zu sein.

Karin erwartete ihn vor dem Haus. Sie bot ihm an, ihn mit dem Wagen zurück ins Dorf zu bringen. Doch Andreas Buchner schüttelte den Kopf.

»Das wär direkt eine Sünd, bei dem herrlichen Wetter net zu Fuß zu gehen. Aber wenn Sie mich ein Stück Weg begleiten wollen, nehme ich das gerne an.«

Das Mädchen sagte der Mutter Bescheid, und sie schaute den beiden recht zufrieden nach. Der Förster, der zu ihr getreten war, erriet ihre Gedanken.

»Du siehst in dem neuen Jäger wohl wieder einen Ehemann für unser Mädel. Aber das schlag dir aus dem Kopf. So wie der ausschaut, gibt es da längst eine andere.«

Die Försterin lachte und küsste ihn auf die Wange.

»Bei dir hat es auch eine andere gegeben, als wir uns kennengelernt haben, Albert. Oder hast du etwa vergessen, wie anhänglich die blonde Leni damals gewesen ist? Ich hab all meine Verführungskünste aufwenden müssen, um dich zu erobern.«

»Was dir aber schnell gelungen ist«, sagte er schmunzelnd und nahm sie in die Arme. »Trotzdem möchte ich unserer Karin Liebeskummer ersparen. Es gibt genügend Burschen im Dorf, die mir als Schwiegersohn recht wären.«

Karin begleitete den jungen Jäger durch den Wald hinunter bis zur Straße und zeigte ihm den Wiesenweg, der eine Abkürzung ins Dorf war. Zum Abschied hielt er ihre Hände fest.

»Sie haben mir den ersten Tag in der Fremde leicht gemacht, Karin! Dafür danke ich Ihnen recht herzlich.«

Sie errötete bis unter die blonden Haarwurzeln und zog ihre Hände schnell aus den seinen.

»Ich muss zurück, bis bald«, sagte sie hastig und wandte sich von ihm ab.

Andreas blieb noch stehen und sah ihr nach. In der späten Nachmittagssonne glänzten die hellen Haare wie Gold. Der weite, geblümte Rock gab lange gebräunte Beine frei. Sie gefiel ihm mehr als gut, die kleine Försterstochter. Und auf ein Wiedersehen brauchte er ja nicht allzu lange zu warten.

***

»Wo kommst du her, Vater?«

Martl, der Bauer vom Baumfelderhof, fuhr herum. Seine hellen Augen sahen bestürzt auf die Gestalt im Halbdunkel des kalten Hausflurs. Mitternacht war längst vorbei, und er hatte die Tochter schlafend gewähnt. Aber da stand sie vor ihm mit bleichem Gesicht, in dem die dunklen Augen wie Feuer glühten. Der rote Mund zitterte.

»Warst du wieder oben im Wald? Hast du es wieder getan?«

»Nedda!« Er wollte sie an sich ziehen, doch sie wich zurück und streckte die Arme abwehrend aus.

»Rühr mich net an, oder ich schreie alle Nachbarn zusammen. Du kommst net aus dem Wirtshaus, du hast net getrunken. Du warst wieder oben am Berg. Wo hast du denn dein Gewehr versteckt?« In ihrer Stimme schwangen Zorn und Enttäuschung mit.

Die untersetzte Gestalt des Vaters sackte in sich zusammen. Er suchte Halt am Treppengeländer und setzte sich auf die unterste Stufe. Alt und verfallen sah sein Gesicht aus, dem Mädchen fremd. Dunkle Bartstoppeln bedeckten das schmale Gesicht, das er jetzt mit beiden Händen bedeckte.

»Sei net so hart und grausam zu mir, Madl! Ja, es hat mich wieder gepackt, ich leugne es net. Seit dem Tod der Mutter treibt es mich wieder hinauf zu den Felsen. Etwas in mir ist stärker als ich, verstehst du das net? Warum hat sie mich alleingelassen, all die Jahre habe ich kein Gewehr angerührt.« Er brach in Schluchzen aus.

Mitleid stieg in dem jungen Mädchen hoch. Es setzte sich neben ihn und strich über das ergraute Haar.

»Auch mich hat die Mutter allein gelassen, hast du das vergessen? Und darum brauche ich dich mehr denn je. Was soll aus mir werden, wenn sie dich erwischen und ins Gefängnis bringen? Allein kann ich den Hof net halten, das weißt du genau. Du musst davon loskommen, Vater, schon mir zuliebe. Du hast es einmal sein lassen können, weil dich die Mutter darum gebeten hat. Tu es jetzt mir zuliebe und hör auf, bevor es zu spät ist.«

Er schaute sie aus rot umränderten Augen an. So hatte damals die Agnes ausgesehen. Jung, rassig und voller Leben. Nedda war ihr Ebenbild, ihre Schönheit noch wilder, noch ungezügelter.

Ja, er liebte sie, denn sie war die letzte Erinnerung an die geliebte Frau. Und er wollte auch aufhören mit dem Wildern, jedes Mal schwor er es beim Gedanken an die Tote.

»Ich tue es nimmer, bestimmt, ich höre auf«, sagte er mit rauer Stimme, »schon sind sie mir auf der Spur. Der Förster und der Gendarm. Aber ich bin immer noch schneller und kenne jeden Stein.«

»Eines Tages wird es zu spät sein«, prophezeite Nedda, »dann werden sie dich finden mit einer Kugel in der Brust. Der Förster ist nicht mehr der Jüngste, aber schießen kann er wie kein anderer. Oder hast du das vergessen?«

»Ich hab ihm damals eine Kugel geschenkt«, sagte Martl, und seine hellen Augen glitzerten, »so schnell hat er nimmer ausweichen können.«

»Diese Kugel hätte fast dein Leben zerstört«, sagte das Mädchen, »und wenn die Mutter net gewesen wäre, wärst du nimmer auf die rechte Bahn gekommen. Drum sei gescheit jetzt und halt ihren Namen in Ehren. Sie hat immer gefürchtet, dass du wieder rückfällig werden könntest.«

Während noch die Tränen über seine Wangen liefen, schüttelte Martl den Kopf.

»Das ist net wahr, Nedda! Sie hat gewusst, dass ich nix mehr schieß, wenn sie bei mir ist. Aber jetzt ist sie fort, für immer fort. Warum hat der Herrgott sie mir genommen?«