Alpträume - Wolfgang Schreyer - E-Book

Alpträume E-Book

Wolfgang Schreyer

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Beschreibung

Ekstase sei machbar, sagt man uns: genital, klitoral, phänomenal – ganz egal; dem Autor dieser dreizehn Storys ist das schnurz. Statt Orgasmen vorzuführen, spürt er dunklen Süchten nach, der rätselhaften Chemie des Eros. Wonach dürsten seine Figuren? Ihr Intimleben enthüllt sich Zug um Zug. Erst die Schändung seiner Frau, nur in der Fantasie, macht zum Beispiel Heiner spitz. Ulrichs höchstes Glück wäre es, das blutjunge Weib seines Chefs prügeln zu dürfen, splitternackt. Magnus, der Starreporter, will ein scheues Reh, das sich ihm zwanghaft entzieht. Anja sucht die reife Freundin und findet leichtes Geld. Dem Psychiater Professor Winter geht nichts über ein Mercedes-Coupé; auch Blech kann erotisch sein. Ohne die Vorstellung, man erniedrige sie, hat Gabi keinen Höhepunkt. Wendelin will spüren, wie die Macht schmeckt, auf stinknormale Art ein Sadist auch er. Beklemmend geistert durch dreizehn bizarre Träume der Drang nach Unterwerfung, die Lust an geheimer Grausamkeit. Der Clou: All diese Triebtäter sind Menschen wie du und ich. Im Alltag sitzt ihre Maske fest, bis ihr Schöpfer – der einräumt, selbst nicht besser zu sein – daran rührt. Schreyer entblößt sie so gnadenlos, wie sein Intendant Striese den Star des Theaters, die bildhübsche Bella, auf die Bühne schickt. INHALT: Indische Karriere Yesterday Coming-out Keiner ist vollkommen Die Quittung Die Verirrung Macho, Macho Der Kunstgriff Las Cruzes Die Ersatzfrau Magie des Grauens Ausgeliefert Lügen in der Nacht Der Exhibitionist

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Impressum

Wolfgang Schreyer

Alpträume

Dreizehn erotische Geschichten mit kriminellem Hauch

ISBN 978-3-86394-816-0 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1991 beim Dr. Ziethen Verlag, Oschersleben

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

INDISCHE KARRIERE

Stets war Ulrich Gust korrekt, bescheiden und in sich gekehrt; der Typ des Klassenbesten. Sein geheimes Leben blieb lange unentdeckt. Nur einmal, im Alter von elf Jahren, hatte er sichtbar versagt. Doch es war, als habe ihn dies - das Auskosten einer Schwäche - geprägt. Der Fall war banal, im Turnsaal hatte ihn das Klettertau im Schritt gestreift, er glitt in den Rausch des ersten Orgasmus. Reine Lust, noch kein Samen, der ihn hätte beflecken und verraten können. Stumm schwebte er im pulsierenden Kitzel, dem Gespött der Klasse und dem Tadel des Lehrers ganz entrückt. Sein Ehrgeiz schien dahin, stumm hing er da und genoss die Süße des Augenblicks.

So war ein sanfter Mensch aus ihm geworden; die Frauen haben ihn immer unterschätzt. Seine Scheu witternd, nannten sie ihn Gustel - auch dann noch, als er im Verlag hübsch getönte Hemden und viel Verantwortung trug. Er aber hielt sich schadlos, indem er die Frechsten unter ihnen mitnahm ins Reich der Fantasie, um sich an ihrer Bestürzung zu weiden, wenn man sie zwang, sich zu entblättern. Durch lüsterne Tagträume trieb er sie in Nachtklubs oder Arztpraxen, ja auch auf Sklavenmärkte und in Haremsbäder, falls sie nicht lieber das Bett mit ihm teilten. Wer diese Chance ausschlug, den unterwarf er gnadenlos dem Gesetz der Pornografie.

Jetzt aber war es umgekehrt, Nina Deckstein hielt ihn im Griff, die betörende Gattin seines Chefs, des berühmten Kenners orientalischer Literatur. Kaum war er dessen Adlatus geworden, da trat sie ihm in der Schwimmhalle der Verlegervilla anmutig entgegen. Die Sphinx im Bikini, zart lächelnd über all den Kurven! Ihm entglitt der Stift, mit dem er festhält, was immer der Chef auch sagt. Auf Dr. Alfons Deckstein soll man hören, beruflich wie privat.

Während Deckstein an der Poolbar breitbeinig Drinks kippte, stand Gust sprachlos da und nippte bloß, betäubt vom Liebreiz dieser Frau. Eine biegsame Schönheit, wohl vierzig Jahre jünger als der Chef, im Frühlingshauch der Klimatisierung. "Sie sind ein Träumer", hörte er den Chef sagen. "Leben ganz den inneren Werten."

"Ich versuche ja nur, Ihr Vertrauen zu rechtfertigen."

Deckstein hob die Hand. "Das weiß und schätze ich. Aber Fleiß und Pflichttreue sind nicht alles auf der Welt."

"Auch Spaß muss sein", warf Nina katzenhaft ein. "Das erst macht uns kreativ."

"Dem stimme ich gern zu, gnädige Frau ..."

Ein Hauch stillvergnügter Belustigung überzog ihr Gesicht, während sie, für sein Gefühl aus dem Kontext rutschend, fortfuhr: "Schlagen Sie mal im Kamasutra nach! Den Indern ist Erotik nämlich religiöse Pflicht, der Zucker in der Medizin ihres Strebens nach Erlösung und Heiligkeit."

"Und bleiben Sie nicht bei der Lektüre stehen", fügte ihr Ehemann hinzu, geschäftsmäßig, für solch einen Ratschlag reichlich kalt. Alfons Deckstein zeigte dasselbe Gesicht, mit dem er sonst aus seinem Rolls-Royce auf die Straße schaute. Er hatte eng zusammenstehende Augen, getrennt durch Linien der Rastlosigkeit, die sich oft ablehnend vertieften. Mit dem schlaffen Mund unter der dünnen Nase kein sehr harmonisches Gesicht. "Erst die Tat hebt das Selbstgefühl! Gerade bei engen Mitarbeitern liegt mir daran."

Ulrich Gust war baff, er ging, als Nina ihm das erwähnte Buch auch noch lieh. Dies verwirrte ihn so, dass er sein Notizheft glatt vergaß. Im Vorraum kehrte er um, es lag noch auf der Bar, und Nina blätterte darin. "Ist er nicht rührend?", fragte sie ihren Mann, eben dass Gust es noch hörte, über dem Wasser des Pools. "Weißt du, wie er aussah hier eben, die Füße so damenhaft beieinander? Als ob er einen Knicks probieren wollte ... Du, Alfi, ich mag ihn."

"So, aha. Und was siehst du in ihm?"

"Den kompletten Kontrast zu dir."

"Brav ist er ja, ganz gescheit, aber hat er auch Mumm?"

Ohne sein Heft schlich Gust hinaus, um nicht als Lauscher dazustehen. Spottete sie über ihn? Er wurde aus ihr nicht schlau. Ich mag ihn, hatte sie immerhin gesagt. Doch für den Fall, dass dies Ironie war, entführte er sie schon unterwegs ins große Serail, wo das Auge des Sultans auf Nina fiel. So kam sie flugs in die Haremsbäder, wo man ihr die Nägel färbte und jegliches Körperhaar abschor, um sie dem Herrscher zuzuführen, gesalbt und parfümiert. Damit dessen Verlangen wuchs, musste Nina vor ihm schamlos posieren, etwa ein Bein auf den Kopf legen, was schon Artistik ist.

Mitten im Straßenverkehr, zur Stoßzeit auch noch, labte sich Gust an Ninas Reiz, zumal an ihrer Hemmung beim Auffächern der Nacktheit. Ein berückendes Schauspiel. Sie hatte ihn behext! Fast hätte er, in all den Bildern badend, sein Garagentor gerammt.

Und nun erst das Buch! Mit einem Anflug von Ungläubigkeit blätterte er darin und fand Stellen, markiert wohl von ihr? Ein Sexhandbuch, anderthalb Jahrtausende alt, trotzdem höchst zeitgemäß. Der Autor, ein Hindupriester, schien zu wissen, dass Enthaltsamkeit den frommen Eifer wenig stützt. Gewiss pries er die Liebe, um das Volk ruhigzustellen, also die Stabilität zu wahren, den Herrschern wie auch den Priestern zuliebe. Sein Werk barg die Botschaft, dass Sex weit mehr ist als Technik, als Hirt und Beischlaf - nämlich eine Art chemischer Reaktion zwischen Mann und Frau. Etwas, das wie das Facettenauge eines Insekts tausend flirrende Prismen hat: von schützender Zärtlichkeit bis zur rauschhaften Überwältigung.

Gust spürte, dies kam ihm entgegen. Lange bevor Europa das zugab, sprach man im Orient aus, wie beflügelnd es ist, ein bisschen pervers zu sein. Und er sah, Nina hatte manch Abartiges bemerkt. Jeder Strich am Rand verriet ihre Sucht, sich zu unterwerfen. Der geheime Wunsch, Gewalt zu erdulden, glitt wie der Schatten einer Wolke über den erbaulichen Text ... Oh, das putschte ihn auf, all sein Denken kreiste um diese wunderbar zugängliche Frau. Ihrer Neigung folgend, warf er sie in den Hexenturm, als Objekt roher Begierde, ließ sie im Schein der Fackeln auf die Bank spannen ... Zwar, man hatte ihn ermahnt, zu handeln, statt zu träumen. Aber wie? Gleichklang der Seelen, gut, doch ein Abgrund trennte ihn von ihr, die soziale Kluft.

Nach Mitternacht noch las er fiebrig: Das Weib eines anderen - selbst höhergestellten - zu nehmen ist dann erlaubt, wenn die Liebe dem Verführer derart zusetzt, dass sie ihm sonst den Verstand raubt. Die Krankheit begann mit "Lust am Anblick, geistiger Harmonie, quälenden Gedanken, schmerzhafter Zwangsvorstellung." Sie schritt über Schlaflosigkeit nebst Gewichtsverlust fort zum Erlöschen sonstiger Freuden, bis in Siechtum, Ruin und Tod. Gust sah den Untergang vor sich; also handelte er, wenn überhaupt, durchaus in Notwehr.

Tags darauf ließ Deckstein ihn wissen, er sei übers Wochenende im Ausland, wegen des Pokers um die Rechte an dem neuen Salman Rushdie. Und kaum hatte man den Chef zum Flugplatz chauffiert, da rief seine Frau an, um Gust zu sagen, sie erwarte ihn. Ihre Stimme klang elektrisierend - tiefer, als er sie in Erinnerung hatte. "Sie haben Ihr Notizbuch vergessen. Holen Sie's ab, sonst lese ich noch mehr darin; keine Ahnung, ob mir das bekommt."

"Können Sie's denn entziffern, gnädige Frau?"

"Ihr Steno ist kein Hindernis, Ulrich. Und die Mühe lohnt sich, besonders auf den letzten Seiten ..." Sie wurde heiser, es misslang ihr, cool zu sein. "Bringen sie ruhig Ihr Badezeug mit. Morgen sind wir ganz unter uns, das Personal hat frei." Ihre Stimme kippte weg, und schon hatte sie aufgelegt.

Gust rang nach Luft. Sein Steno kein Hindernis? Gewiss, sie war Sekretärin gewesen, ehe Deckstein sie nahm. Die letzten Seiten? Nun erst fiel ihm ein, er hatte dort, seinem Laster frönend, einen Tagtraum fixiert, um ihn später auf Hochglanz zu bringen. Das also schlug bei ihr ein!

In der folgenden Nacht verschlang er den Rest des frommen Buches. Die Leidenschaft, hieß es im Kapitel 7 des II. Teils, gleicht einem Streit. Oft sei es gut, einander beim Liebesakt zu prügeln, wobei man schreien, weinen und "die Laute der grünen Taube, des Papageis oder des Flamingos" ausstoßen dürfe, um dem Wunsch nach Befriedigung, auch durch Schmerz, Nachdruck zu verleihen. Falls für den Höhepunkt unerlässlich, sei neben Quetschen und Kratzen auch das Schlagen erlaubt ... Der Satz war unterstrichen.

Es überlief ihn heiß. Mangels eines Schlagwerkzeugs löste er mit zitternden Fingern ein Bambusrohr, das vierte Bein seiner Blumenbank. Es passte diagonal in den Aktenkoffer. Im Kamasutra, fand Gust, gibt es mehr praktische Anleitung als Poesie. Es fehlt der Schleier jener Romantik, der uns Westlern seit den Minnesängern vorgaukelt, das eigene Gelüst sei edler als die niederen Triebe der anderen. Die indische Kultur bejaht den Sex, der ist ihr erquickend und dient dem tugendhaften Ziel einer Wiedergeburt in höherer Form.

Unterwegs sprach er sich Mut zu. Sei ein Mann, genauso, wie Nina dich will! Fügsamkeit und Unterwerfung sind ihr alles ... Sie öffnete ihm, rosig wie ein Flamingo, im Bademantel, wohl um keine Zeit zu verlieren. Ihr aufstrahlendes Lächeln erwärmte ihn. Sie ließ den Sektkorken knallen, und man trank Brüderschaft am Pool, bebend von Ungeduld. Und sie verbot ihm die Badehose, indem sie ihr Oberteil wegwarf, ja sogar aus dem Tanga glitt. All seine Träume wurden wahr.

Gust trank noch Whisky pur als letzten Kick, dann stieß er Nina mit dem Bambusrohr zur Massagebank und befahl ihr, ihm das köstliche Heck darzubieten, die blanken Halbkugeln im Schimmer der Pfirsichhaut.

Doch wider Erwarten zauderte die Göttin. Er wiederholte den Satz, unfähig, ein Schwanken seiner Stimme zu vermeiden. Die klang so aufgeregt, als sei dies ein Duell. Auch Nina war nervös, über den Stock hinweg starrte sie ihn an. Sie hatte etwas Zerrendes im Blick, ihre Hand zuckte nach dem Bambusrohr, wollte sie es ihm entwinden? "Gib schon her", keuchte sie, "ich schlage hier den Takt!"

Das traf Gust ins Mark, seine Hoffnung zerstob. Rasch aber fasste er sich und nahm, auf Knie und Ellbogen kauernd, jene Stellung ein, die er eigentlich ihr zugedacht hatte. Ein Irrtum, Missverständnis unter Partnern, ihm ging auf, sie brauchte das für ihr Machtgelüst. Der erste Hieb, er knirschte mit den Zähnen - sei stark, halte aus! Und es gelang ihm dank des Trainings. Nie hatte er aufgemuckt, wurde ihm Widriges abverlangt, stets das Beste daraus gemacht. Wenn das der Preis ihrer Hingabe war, musste man ihn zahlen.

So siegte Ninas schriller Wunsch, zu herrschen und zu reiten. Doch als Gust endlich, mit brennendem Steiß, unter ihr lag, packte ihn Entsetzen. An ihrem Marzipanohr vorbei blickte er in die Linse einer elektronischen Kamera! Oben an einem der Fitnessgeräte hing sie, schwenkte mit beim Auf und b im Geschlechterkampf. Weniger schmerzhaft verdroschen, hätte er sie nie entdeckt.

"Mach dir nichts draus", bat Nina. "Schau einfach weg. Das ist der Kompromiss - Alfis Auge. Er will halt dabei sein, sonst wär's für ihn Betrug. Hab keine Angst, Liebling, er sieht sich das erst morgen Abend an."

"Dann wird er mich ja übermorgen feuern."

"Und, Uly? Ist es dir das etwa nicht wert?"

"Doch, ja. Liebste", antwortete er. Fassung bewahren, Haftung noch im Sturz! Gust hob Nina in den siebten Himmel und schied bedrückt, denn er hing an seinem Job. Keine Rose ohne Dornen; ach, man kann nicht alles haben auf der Welt.

Am Montag rief Deckstein ihn zu sich, der alte Voyeur. Brütend saß er da, musterte ihn stumm und kaute auf der Peinlichkeit dessen, was nun zur Sprache kommen musste. Eine tragische Figur? In seinem Bannkreis war Gust unfähig, ihm jede Achtung zu versagen. Unter dem trüben Blick des Chefs sträubte sich sein Nackenhaar. "Bitteres Wochenende", hörte er ihn sagen. "Der Mensch ist eine Fehlschöpfung. Am sechsten Tag war Gott wohl schon nicht mehr topfit."

Beklemmende Eröffnung. Gust fühlte sich als Monstrum betrachtet, spürte das Lauern, verbarg seine Scham und tat halb beflissen, halb keck. Diese kalten Augen! Sie schätzten ihn ab, so unpersönlich, wie Deckstein Autoren zu mustern pflegte, von denen nie ein Bestseller kam. Stumm erwartete Gust das Urteil, die Verdammung. Es konnte nur der Rausschmiss sein, fristlos, ohne Abfindung. Kein Arbeitsgericht stand ihm bei, wenn der Chef dort sein Beweismaterial unterbreitete.

Plötzlich sagte Deckstein: "Die Rechte an dem Salman Rushdie sind futsch. Auch sonst kein Zugpferd in Sicht, weit und breit. Wollen wir uns halten, muss schleunigst etwas Neues her!"

"Ein Erstlingswerk, ein Debütant?", fragte Gust. "Ganz Ihrer Meinung, es drückt das kulturelle Niveau, wenn nur noch der Markt diktiert, was Erfolg hat - welches Buch die Werbung lohnt oder wen da ein Sponsor anschiebt ..." Gestammel, dachte er. Mit wehender Flagge sinken.

"Nein", sagte der Chef. "Ich hab an Beziehungsliteratur gedacht, das Psychogeschwätz, den Partnerschaftskram, Sie wissen schon, Ulrich. Dieses Ratgeberzeug, Liebe als Sucht und so fort. Die letzte Hoffnung ist nun mal das Weib."

"Das Weib, Herr Doktor Deckstein?"

"Was gucken Sie so, was ist Ihnen denn? Jaja, die Frau - als Kundin. Der Mann hat immer den Beruf, sie aber klärt dauernd ihr Verhältnis zu ihm, zerbricht sich den Kopf, das füllt sie aus. Ihre Ängste und Profilneurosen sind das Thema, das Buchgeschäft der neunziger Jahre. Je mehr sie darüber lesen will, desto besser. Es rettet unser Haus."

"Ich gehe dem nach", versprach Gust atemlos. "Bringe es dem Lektorat nahe."

"Dem Lektorat?", fragte der Chef, als könne er sich kaum an das erinnern. "Nein, Ulrich, Sie selber starten mir dies! Sie sind genau der Mann für den Komplex."

Gust schwieg, er spürte sein Herz.

"Seit gestern weiß ich Ihr Talent zu schätzen. Es hat sich gezeigt, Sie reagieren flexibel, selbst bei abrupter Änderung der Nachfrage, und scheuen auch nicht das Licht dÖffentlichkeit. Ich meine die Kritik, mit der man rechnen muss in verlegerischem Grenzbereich."

"Ihr Vertrauen ehrt mich", würgt Gust heraus.

Deckstein winkte ab. "Instinkt und Mumm - ganz klar, was mein Haus an Ihnen hat. Wer nämlich eine Frau zu nehmen weiß, der bedient sie letztlich alle."

In Gust tobten Jubel und Furcht. Steile Karriere, durch Prügel erkauft! Wie oft noch, wie oft ...? Doch man merkte ihm nichts an. Haltung ist alles, dachte er. Chefs wünschen keine ängstlichen Helfer, nur potente Leute sind gefragt.

YESTERDAY

Alles Warten nervt mich, ob nun vor der Sparkasse, beim Frauenarzt oder hier im Arbeitsamt. Zwar ist mir dieser Korridor vertraut seit Langem. Verflogen aber scheint sein alter Hauch - der Duft nach Bohnerwachs, kopiertem Papier und frisch gebrühtem Kaffee. Seit den 70er Jahren, als es noch aufwärtsging bei uns, hab ich den in der Nase.

Jetzt quält mich der Ohrwurm aus dem Rekorder meines alten Autos, das draußen parkt: Yesterday, alt my trouble was so far away ... Schluss damit, das ist Nostalgie, hilft nicht weiter. Dieses solide Haus, einst erbaut für Hitlers Reichsarbeitsdienst, war nach dem Kriege schon mal Arbeitsamt, vor meiner Zeit. Dann, Anfang der 50er, zog die Bezirksverwaltung des MfS ein, baute es Zug um Zug aus, bis es doch zu eng wurde, tauglich nur als Kreisdienststelle, weil die Firma aus allen Nähten platzte und in den Großkomplex am Kroatenweg zog.

Endlich, ich bin dran, und wer empfängt mich? Friedhelm Gönner! Sie haben ihm das Balkonzimmer gegeben, was sein Gewicht unterstreicht. Er drückt mir die Hand und weist auf die Sitzgruppe unter dem Fleck, wo früher das offizielle Bild hing. Sein Blick streift an meinen Beinen hoch, als er mitfühlend sagt: "Die soziale Marktwirtschaft verändert unsere ganze Arbeitswelt. Sei clever, Inge, stell dich um, dabei helfe ich dir gern."

Es liegt Jahre zurück, dass wir mal intim gewesen sind; noch aber springen Funken über, knistern auf der Haut. Friedhelm hängt an mir, obwohl ich nicht mehr die Jüngste bin; Rothaarige sind halt sein Fall. Er war damals gleich scharf auf mich, als ich frisch vom Studium aus Leipzig kam und hier bei der Pressestelle anfing. In der Walter-Rathenau-Straße, wo ihm die kleine Haftanstalt unterstand, der Zellentrakt mit den 40 Verwahrräumen - das Verlies, wie er zu scherzen pflegte, seinerzeit. "Besorg mir wenigstens eine ABM-Stelle jetzt."

Friedhelm seufzt, einen Mischausdruck von Lüsternheit und Besorgnis im Gesicht. Sorge um sich selbst, um den eigenen Job, soll er für mich Ärger riskieren? "Sieh mal, du hast einfach zu früh hingeschmissen, Ingemaus, bist freischaffend geworden", sagt er. "Da steht dir keine ABM-Stelle zu, so wenig wie Arbeitslosengeld ... Ja, das ist leider Fakt."

Fakt ist auch, er schwimmt wieder oben. Wie geht das zu? Der Siegfried aus dem Nibelungenlied, dieser urdeutsche Held, hat in Drachenblut gebadet; das machte ihn unverwundbar, bis auf einen schwachen Punkt. Wo Friedhelm hineingetaucht ist, weiß ich nicht. Ihm hat wohl der Reißwolf im Kroatenweg das Bad ersetzt, im Durcheinander der Wende. Die Wirkung scheint dieselbe, und auch auf seinem Rücken klebt ein Lindenblatt.

"Wechsele das Geschäftsfeld", rät er mir. "Politik ist passé, Mädchen. Selbst mit Stasi-Enthüllungen kriegst du keinen Fuß mehr auf die Erde."

"Wer da auspackt, muss es büßen?"

"Er erntet ein Gähnen! Alles längst vorbei. Gott, wen kümmert das denn noch? Man hat andere Sorgen, es ist Platz für jeden, bloß man findet ihn nicht gleich. Ich etwa kann mir auch was Besseres denken, als Abteilungsleiter hier zu sein."

"Im Landtag säßest du allerdings noch weicher."

"Schon, aber ich bin nun mal auf diesen Platz gestellt."

"Und da füllst du ihn aus, zum Wohle der Menschen."

Er spürt den Unterton und stoppt mich mit seinem Blick. "Zurück zu dir, Inge. Pass mal auf, wir zwei lösen dein Problem. Dies ist die Stunde der leichten Unterhaltung. Wer überhaupt noch liest, der tut's zu seinem Spaß. Sei amüsant, schreib doch erotische Geschichten, mit 'ner Prise schrägem Sex ..." Er dämpft die Stimme, in seinen Augen glitzert es. "Ein bisschen was mit Linksverkehr oder Wassersport, so was liegt dir doch, Schätzchen. Genau das wär die Marktnische für dich."

Mir dämmert, was ihm jetzt vorschwebt, und dass er mit Wassersport nicht die Elbe meint. "Klingt fast so, Helmi, als wolltest du Erinnerungen auffrischen?"

"Könnte doch hilfreich für dich sein, zum guten Zweck."

Dieser Balzlaut! Er schafft es nicht, sein Gelüst aus der Stimme herauszuhalten; fast kippt die ihm weg.

"Ja", sage ich, "wenn mein Tonband dabei laufen darf, lässt sich drüber reden."

"Tonband? Herrgott, Inge, wozu das?"

"Zur korrekten Auswertung im Dienste der Kunst."

"Muss das sein? Du, da hört der Spaß bei mir auf."

"Bloß zum Broterwerb, Helmi. Für den guten Zweck."

Er fasst mich ins Auge, als argwöhne er, ich nähme ihn auf den Arm. Deutlich geht bei ihm die Jalousie herunter. "Na, dann lassen wir's lieber. Mitschnitt, weißt du, das geht zu weit. Ja, es hat mich gefreut, dich mal wieder zu sehen."

"In dem Fall", sage ich, "müssen alte Bänder her."

"Wie meinst du das? Du hast doch wohl nicht damals ..."

"Nur manchmal." Ich zücke das kleine Tonband und schiebe es ihm zu. "Hör es dir in Ruhe an, ich hab's extra für dich überspielt."

Friedhelm kreuzt die Arme vor der Brust. Über die Diskette hinweg starren wir uns an. "Was ist da drauf?", fragt er endlich. "Dein Gestöhn?"

"Nein, das Band lief immer erst danach, wenn du Dampf abgelassen hast - den letzten Ärger im Amt. Hier die Leiche im Frauentrakt und der Anschiss vom Chef. Wie er dir mit Disziplinarverfahren und Degradierung droht, weil ihm gemeldet worden ist, du hättest das Weib getriezt und wärst schuld an dem Kurzschluss."

"Was absolut nichts stimmte! Männer hatten überhaupt keinen Zutritt zum Frauentrakt, nicht mal ich als Hauptmann. Deshalb ist mir letztlich ja auch nichts passiert."

"Außer der Strafversetzung in die Kreisdienststelle Havelberg, Helmi ... Ende unserer Liebe, für dich aber ganz gut: schön weit weg vom Schuss."

Friedhelm trommelt auf dem Tisch und blickt drein, als fühle er sich erpresst. "Na ja", knurrt er, weiß wie eine gekalkte Wand, "das ist zwar alles Schnee von gestern, Mädchen - trotzdem will ich sehen, was man für dich tun kann."

Seine Hand umspannt den Aschenbecher, wie um ihn zu zerquetschen. Dann zieht er die Notbremse und gibt mir die Privatanschrift des Geschäftsführers einer Berliner GmbH. Es ist ein Verlag, von dem es heißt, die Partei habe dort vor der Währungsunion viel Geld geparkt.

Ich stecke das Band und den Zettel ein. "Danke, dass du für mich das soziale Netz ein bisschen fester knüpfst."

"Schon gut, Inge, wir helfen einander. Tja, die alten Zeiten!" Wieder wird seine Stimme rau, als drängten sich ihm obszöne Bilder auf. "Da ist noch soviel, was uns verbindet."

Im Auto schiebe ich das Tonband ein. Yesterday, säuselt es und trägt mich davon. Niemals hab ich Bettgeflüster aufgezeichnet, das hätte ja noch gefehlt. Doch pokern muss sein, ihr Jungs von der Firma. Ihr habt uns mal geschult, und gelernt ist gelernt.

COMING-OUT

„Auf nach Altburg", hatte Bösfeld zu mir gesagt, der Chefredakteur des ZEITGEIST-Magazins, mit spitzer Zunge und Ekelfalten am Mund. "Ganz hinten im Sumpf von Deutsch-Nordost, den hat unser Fernsehen nie erreicht. Kein Kino dort, nicht mal 'ne Disco, nur das Theater. Eine Art Nachtasyl. Die letzte der siebzig Bühnen dieser sterbenden Republik."

"Die soll ich unter die Lupe nehmen?"

"So ist es, Magnus - frisch ans Werk. Eure Themen sind ausgelutscht, die Kulturseite ist tot, das Publikum hat euer Lifestyle-Zeug und die Welt der schönen Bilder satt. Es fehlt der Realitätsbezug! Wem da nichts einfällt, der wird hier nicht alt."

Ein klares Wort. Die Situation war da. Und ich - Magnus Prinz, 36, der schärfste Hund von ZEITGEIST - begriff es als Herausforderung. Die Chance im Osten: Da liegt Gold. Der Dreiteiler über das Provinznest und sein Theater, dies folgte mir bis in den Schlaf. Helle und dunkle Bilder zwischen anything goes und rien ne va plus überschwemmten mich.

Der Lockruf des Abenteuers. Einst hatte ich mal ein Szenarium verfasst, unter dem Titel Green Horns Karriere, ich liebte den Film, doch der liebte nicht zurück, kein Mensch wollte das inszenieren. Nun aber entstand auf dem Personalcomputer über Nacht daraus ein Bühnentext.

Statt mich dem Altburger Theater als Journalist zu nähern, wollte ich dort in der Maske des Regisseurs auftreten, ins Ensemble eindringen und verdeckt ermitteln. Undercover agent, das war die Idee. Besser als zehn schlappe Interviews: die Inside-Story eines Theatermannes, hinter dem auch noch Geldgeber sind! Das lähmt drüben die Kritik, hier wischt es das Lifestyle-Zeug vom Tisch, den Mix aus Hollywood, Dior und Dioxyn ... Bösfelds Nörgeln ist passe. Unter ihm geht alles, wenn es nur schnell und anders als gehabt und nicht total in die Hose geht.

Jenseits des alten Grenzzauns las ich die Annonce: "Modell aus Schwerin, 21, langbeinig, 178 qm, 91-58-87, steht Profi o. Amateur für freizüg. Foto/Videoaufn. u. als Hostess zur Verfügung." Das stärkte mich. Trotz des kleinen Druckfehlers (es konnten kaum 178 Quadratmeter gemeint sein, selbst für Breitwandfilme zu viel) wurde mir warm. Ich hatte den Eindruck, das ganze Land mit all den Frauen liege mir zu Füßen.

Der letzte Rastplatz vor Altburg sah mich schon am Ball, ich sprach drei Sätze auf Band: Abends, wenn die Rapsfelder ihr Giftgelb in den verblassenden Himmel feuern und vom Moor weiße Nebelfäden herüberziehen, wird Altburg zur Geisterstadt. Dann liegt das morsche Gemäuer der alten Hansestadt verlassen da, abgebrannt in Pommerland. Alles scheint vorbei, nichts mehr zu hoffen, unsägliche Tristesse breitet sich aus. Ein lyrischer Auftakt. Ja, wir von ZEITGEIST haben den Dichtern über die Schulter geschaut.

Anderntags landete ich den Coup. Der Intendant empfing mich sofort, ein fülliger Kultursheriff der verblichenen Staatspartei namens Hannes Striese. Arglos überflog er meine Papiere, darunter der Brief des New Yorker Elysium Theatre, einer winzigen Off-Broadway-Bühne. Und das Skript Green Horns Karriere zog ihn regelrecht in Bann. Er feuchtete den Zeigefinger an und las sich fest, neben Green Horns Zukunft auch die eigene im Blick. Zu Szene zwei, wo der Bildreporter Green Horn die Filmdiva im gestrandeten Hubschrauber trifft, merkte Striese zögernd an: "Der Dialog klingt recht hart, Herr Prinz, für die Ohren unseres doch sehr kleinstädtischen Publikums."

"Den Text kann man dämpfen", sagte ich. "Aber nackt muss die Dame sein."

Das gefiel ihm, er beleckte seine Lippen und gab mir ein paar Fotos von der Darstellerin, die er in dieser Rolle sah. Eine schmale, rehäugige Schönheit. "Das ist Annabel", murmelte Striese. "Unser Schmuckstück. Kommt aus dem Laienspiel - Abitur, Schauspielschule, hoch ambitioniert und sehr sensibel. Nicht leicht, ihr nahezubringen, dass sie hüllenlos auftreten soll."

"Das ist Ihr Bier", sagte ich. "Macher Sie jedem nur klar, wer nicht sein Letztes gibt, der wird hier nicht alt."

"Sie bringen es auf den Punkt", stimmte er mir bei. "Das Land ist am Arsch, dieses Theater sowieso. Altburg, Herr Prinz, war die Strafkolonie der Republik, bühnenmäßig. Aufmüpfige wurden hergeschickt, ins vorpommersche Sibirien, wo sie keinem schaden konnten, staatspolitisch. Wir sind das Abstellgleis gewesen. Wer sonst noch bei uns gelandet ist, der hatte entweder Probleme mit dem Alkohol oder mit dem Leben."

"Wo ist der Unterschied?", fragte ich zerstreut, denn beim Betrachten der Bilder dämmerte mir, diese Annabel war wunderbar, ein Traum aus jungfräulichem Charme und zigeunerhaftem Feuer. Eines der Mädchen, die brunftartige Urlaute ausstoßen, wenn es soweit ist. Ich erkenne sie und hoffe immer, nicht zufällig ein Nebenzimmer in dem Hotel zu buchen, das sie für eine Liebesnacht wählen.

Der Regietext ging: "Gloria Heaven sitzt nackt vor einem Spiegel an der Kabinenwand des defekten Hubschraubers. Unter ihren schwellenden Kurven ist ein weißer Bademantel über den Sitz drapiert. Bei Green Horns Eintritt steht sie auf, perplex, die Augen geweitet. Darüber türmt sich ihr üppig-helles Haar, und das schrille Blond setzt sich unten in winzig-betörenden Löckchen fort. Auch Green Horn ist baff: die weißeste Frau, die er je sah ..." Ich machte Gloria brünett, schrieb also die Rolle Annabel auf den Leib. Auch ein Provinzstar hat Anspruch auf solche Kosmetik im Text.

Und schon bei der ersten Probe sah ich, die Korrektur hatte sich gelohnt. Bella, so hieß sie im Ensemble, war Zucker, wahnsinnig süß. Ihr fragiler Körper hielt, was das Gesicht versprach. "Fantastische Titten", raunte mir Striese zu, nachdem der sie bekniet hatte, alles abzulegen, im Dienste der Kunst und zur Rettung dieser Bühne. "Hab ich zu viel gesagt? Das sind Paradiesäpfel, Magnus, Signale weiblicher Vollkommenheit. Ein Kassenmagnet! Das steilste Objekt der Begierde." Sein Blick strich an ihr abwärts, und ohne dass es ihm bewusst zu sein schien, summte er: "Die Prinzessin von Kastilien, die hat Schenkel weiß wie Lilien ..."

"Halten Sie sich zurück", mahnte ich.

"Jeder verzehrt sich nach ihr", seufzte er, "und keiner ist ihr gut genug. Selbst durch mich sieht sie hindurch, so als ob ..." Auf der Suche nach einem Vergleich schlug er sich an die Stirn. "Als wäre da gar nichts."

"Vielleicht ist da auch wirklich nichts", sagte ich in dem Gefühl, dass wir anfingen, zu streiten. Striese war nicht nur Intendant - trat manchmal sogar auf, wegen des Kleidergeldes als Zubrot -, sondern auch Oberspielleiter des Hauses mit der Neigung, anderen in die Regie dreinzureden.

Sehr lästig. Seine Triebhaftigkeit hätte mir fast die Szene zerstört. Er wollte nämlich, dass Bella vorn an der Rampe ihre Zigaretten verlor und sich danach bückte, den Rücken zum Parkett - einzig um ihr Heck zu begaffen, in dessen prallster Form. Ich aber befahl dem Green Horn, ihr die Schachtel Peter Stuyvesant aufzuheben, um die es ging.

"Wozu dann überhaupt?", giftete Striese. "Streichen wir den Zigaretten-Gag!"

"Dies verprellt uns den Sponsor und schmeißt das ganze Stück", sagte ich. "Das Rauchen gehört zu Glorias Image. Sie hat einen Vertrag mit der Firma, der es ihr verbietet, jemals ohne Zigarette im Bild zu sein. Deshalb ist die ihr wichtiger als der Bademantel."

Mehr als solch Bruch der Dramaturgie schreckte ihn der Verlust eines Geldgebers. Bisher hatte das Kulturministerium sein Haus jährlich mit anderthalb Millionen gestützt, jetzt kam kein Geld mehr aus Berlin. Bedenken gegen den Tabak-Slogan Come together and learn to live as friends hegte Striese nicht. Er hätte das nur gern verdeutscht gesehen, damit sein Publikum es als Zünder der großen Verbrüderung begriff: Kommt zusammen? Freunde immerdar? Deutsche an einen Tisch? Wir sind ein Volk? Schwestern teilen alles? Deutschland einig Vaterland? Die Vielfalt des Angebots brachte ihn aus dem Tritt.

Ernst war sein Ringen um den Markt, nur die Lüsternheit stand ihm im Weg. Er schlug vor, der Green-Horn-Darsteller solle - um zu sehen, ob er nicht träume - Bella derb an die Brust greifen. Und als der junge Mann zögerte, aus Respekt vor seiner Kollegin, sprang Striese auf die Bretter, in der Absicht, es ihm selber vorzuführen.