Als April verschwand … - Patricia Vandenberg - E-Book

Als April verschwand … E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Sag mal, hättest du was dagegen, mit mir eine heiße Szene aus ›Fifty Shades of Grey‹ nachzuspielen?« Tatjana Bohde lag im Bett und sah ihrem Freund Danny dabei zu, wie er in die Hose schlüpfte. Um ein Haar hätte er das Gleichgewicht verloren. Er kannte Tatjana gut genug, um zu wissen, dass sie immer für eine Überraschung gut war. Aber damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. »Alles in Ordnung mit dir?« Er schickte ihr einen zweifelnden Blick. »Natürlich.« Sie lachte. »Also: Ja oder nein?« Danny hatte weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen. Alles, was er wusste war, dass es um eine pikante Bettgeschichte ging. Er schloss den Gürtel und ging hinüber, um sich über sie zu beugen. »Mit dir tu ich alles, das weißt du doch«, versicherte er mit rauer Stimme und küsste sie leidenschaftlich. »Also ja!« »Sehr gut.« Mit einer ­ent­schiedenen Handbewegung drüc­k­te Tatjana ihn weg und schwang die Beine aus dem Bett. »Wir nehmen die Szene, in der du mir 24. 000 Dollar auf mein Konto überweist.

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Dr. Norden – 16 –

Als April verschwand …

Sie wollte Felix nicht noch einmal gehen lassen

Patricia Vandenberg

»Sag mal, hättest du was dagegen, mit mir eine heiße Szene aus ›Fifty Shades of Grey‹ nachzuspielen?« Tatjana Bohde lag im Bett und sah ihrem Freund Danny dabei zu, wie er in die Hose schlüpfte.

Um ein Haar hätte er das Gleichgewicht verloren. Er kannte Tatjana gut genug, um zu wissen, dass sie immer für eine Überraschung gut war. Aber damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.

»Alles in Ordnung mit dir?« Er schickte ihr einen zweifelnden Blick.

»Natürlich.« Sie lachte. »Also: Ja oder nein?«

Danny hatte weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen. Alles, was er wusste war, dass es um eine pikante Bettgeschichte ging. Er schloss den Gürtel und ging hinüber, um sich über sie zu beugen.

»Mit dir tu ich alles, das weißt du doch«, versicherte er mit rauer Stimme und küsste sie leidenschaftlich. »Also ja!«

»Sehr gut.« Mit einer ­ent­schiedenen Handbewegung drüc­k­te Tatjana ihn weg und schwang die Beine aus dem Bett. »Wir nehmen die Szene, in der du mir 24.000 Dollar auf mein Konto überweist. Dann muss ich nämlich nicht mehr so früh aufstehen, sondern kann meine Geschäfte vom Bett aus leiten.« Nur bekleidet mit einem Hemdchen und einem knappen Slip stand sie vor Danny und streckte sich wie eine Katze. Völlig perplex sah er ihr nach, wie sie ins Bad ging. Die Enttäuschung war ihm ins Gesicht geschrieben.

»Du Sadist!«, rief er ihr nach.

An der Tür drehte sie sich noch einmal um.

»Wenn schon: Sadistin«, korrigierte sie ihn engelsgleich lächelnd. »Zur Strafe darfst du mir heute Abend den Hintern versohlen.« Sie schickte ihm eine Kusshand und verschwand kichernd im Bad.

Höchste Zeit, sich für die Arbeit fertig zu machen. An diesem Tag hatte sie einen Termin mit einem neuen Lieferanten, bevor sie zuerst im Klinikkiosk ›Allerlei‹ und danach in der Bäckerei ›Schöne Aussichten‹ nach dem Rechten sehen würde.

»Satansweib!«, murrte Danny, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. Er wusste, dass das ihre Art war, ihn von den drängenden Sorgen abzulenken, die er sich um seinen jüngeren Bruder machte.

Er gönnte sich einen kleinen schwarzen Kaffee mit viel Zucker, ehe er in die Praxis aufbrach.

»Nanu, du bist ja schon da!«, begrüßte die langjährige Assistentin Wendy den Juniorchef überrascht.

Für gewöhnlich hatte sie die Praxis am frühen Morgen für sich. Umso erstaunter war sie, ihn hinterm Tresen sitzen zu sehen.

»Dad hat heute auf jeden Fall bis Mittag in der Klinik zu tun, und ich hab versprochen, seinen Papierkram zu übernehmen.« Danny stand auf und kam um die Anmeldung herum.

»Das ist aber nicht die ganze Wahrheit, oder?« Wendy kannte ihn von Kindesbeinen an. Sinnlos, ihr was vorzumachen.

»Felix’ Zustand macht allen in der Familie zu schaffen«, gestand er. »Wir brauchen dringend wieder Normalität, sonst gehen wir alle drauf.«

Was hätte Wendy dazu sagen sollen? Sie hatte keine Ahnung und konzentrierte sich daher auf das, weswegen sie tagein, tagaus hierher kam: ihre Arbeit.

»Geh schon mal rüber ins Sprechzimmer. Ich bring dir Frühstück, bevor du anfängst.« Die resolute Art, mit der sie ihn umsorgte, war genau das Richtige.

Er nickte dankbar und nippte wenig später am heißen Kaffee.

Dannys erste Patientin war eigentlich Stammgast bei seinem Vater.

»Ist Dr. Norden nicht da? Ich meine, der Senior.« Über diesen Ausdruck musste die rüstige Mitt­achtzigerin selbst lachen.

»Mein Vater lässt sich entschuldigen. Er hat in der Klinik zu tun«, erklärte Danny und bot ihr einen Platz vor dem Schreibtisch an.

»Auch gut. Ich hab nichts gegen knackige junge Männer.« Else Lorentz zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Auch wenn Sie ein bisschen müde aussehen.«

Danny Norden mochte es nicht, durchschaut zu werden. Aus Erfahrung wusste er aber, dass Leugnen zwecklos war. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters war Else eine hervorragende Beobachterin.

»Sie haben recht«, seufzte er. »Ich habe schlecht geschlafen. Aber was kann ich für Sie tun?«, versuchte er, das Gespräch auf ein vernünftiges Arzt-Patient-Verhältnis zurückzuführen.

»Zu wenig Schlaf ist ungesund.« Else Lorentz ließ nicht locker. Ihre Augen waren schmal geworden. »Hat Ihre Freundin Sie so auf Trab gehalten?«

Danny fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.

»Mein Bruder hat ein gesundheitliches Problem, über das ich nachdenken musste«, entfuhr es ihm.

Auf keinen Fall wollte er die Fantasie der alten Dame anheizen.

»Oh, hoffentlich ist es nicht so schlimm.« Elses Mitgefühl war echt.

Danny rang sich ein Lächeln ab.

»Es wird schon wieder. Aber was kann ich Ihnen Gutes tun?«, wiederholte er seine Frage.

Endlich ging Else darauf ein. Sie bückte sich und schlüpfte umständlich aus dem linken Schuh. Der Fuß, der zum Vorschein kam, war mit einem dicken Verband umwickelt.

»Haben Sie sich verletzt?« Danny kam um den Schreibtisch herum und ging vor ihr in die Knie.

»Was für ein erhebender Anblick!« Statt seine Frage zu beantworten, kicherte Else wie ein junges Mädchen.

Allmählich wurde Danny ungeduldig.

Er wickelte den Verband ab, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Beule, die auf dem Fußrücken zum Vorschein kam, ließ keinen Zweifel zu.

»Das ist Ganglion«, teilte er ihr seine Diagnose mit.

Else Lorentz sah ihn verwundert an.

»Was erzählen Sie mir da? Ich weiß genau, dass das ein Überbein ist. Immerhin hab ich ge­googelt.«

Dr. Norden junior schnappte nach Luft.

»Sie haben was?«

Else legte den Kopf schief. Sie war sichtlich überrascht.

»Haben Sie etwa kein Internet?«

»Doch, schon … aber …«

»Na bitte. Dann sollten Sie doch wissen, dass das ein Überbein ist. Und weil ich solche Schmerzen habe, will ich es loswerden.« Sie sah ihn herausfordernd an. »Ich bin hier, weil ich eine Überweisung für die Klinik brauche.«

»Aha.« Völlig perplex erneuerte Danny den Verband. Dann kehrte er an den Schreibtisch zurück. »Soll ich einen Termin beim Kollegen Bernhard Kohler ausmachen?«

Else Lorentz schlüpfte wieder in den Schuh.

»Wenn er gut aussieht, warum nicht?«, erwiderte sie belustigt und sah ihm dabei zu, wie er mit hochgezogenen Augenbrauen telefonierte. »Sie werden morgen früh um acht Uhr in er Klinik erwartet.

»Perfekt!« Sie erhob sich, um sich von Danny zur Tür begleiten zu lassen. »Wenn Sie mich mal in der Klinik besuchen, würd ich mich sehr freuen.«

»Versprochen!« Diese Zusage konnte Danny Norden guten Gewissens machen.

Seit Felix nach München verlegt worden war, stattete auch er – genau wie die übrigen Familienmitglieder – der Behnisch-Klinik täglich einen Besuch ab.

*

»Felix geht es gar nicht gut.« Gemeinsam mit Manuel Tinschert saß das Ehepaar Norden an einem Tisch vor dem Klinikkiosk ›Allerlei‹. Mit Palmen und anderen subtropischen Pflanzen in großen Töpfen hatte Tatjana grüne Oasen geschaffen. Hier konnte man sich ungestört unterhalten oder einfach nur dem Urlaubsgefühl frönen. Doch von dieser Sorglosigkeit war das Ehepaar weit entfernt. »Zuerst dachten wir, das läge an der schweren Beckenverletzung. Anfangs war es nicht sicher, ob er je wieder laufen können wird.« Daniel griff nach dem Glas mit frisch gepresstem Orangensaft, der perfekt zum sommerlichen Ambiente passte.

Manuel musterte die beiden erschrocken. Sein Vater hatte alles getan, um jede Einzelheit des Absturzes von ihm fernzuhalten. Umso größer war der Schock, als er endlich die ganze Wahrheit erfuhr.

»Und wie sieht es jetzt aus?«

»Keine Angst, das wird schon wieder«, beschwichtigte Daniel ihn und stellte das Glas zurück auf den Tisch. »Es braucht halt Zeit, Geduld und viel Übung. Trotzdem wollte sich sein seelischer Zustand nicht bessern.«

»Als nächstes machten wir die retrograde Amnesie dafür verantwortlich. Wir dachten, wenn Felix sich erst an den Absturz und die Umstände erinnern kann, fasst er neuen Lebensmut. Aber auch darin haben wir uns getäuscht«, seufzte Felicitas aus tiefstem Herzen. Die Sorgen um ihren zweitältesten Sohn hatten dunkle Schatten um ihre Augen gemalt, und sie wirkte älter, als sie war.

Manuel stöhnte auf. Das wurde ja immer schlimmer!

»Ich hatte ja keine Ahnung«, erwiderte er bestürzt. Wie durch ein Wunder war er selbst mit ein paar Prellungen und einem Bruch davon gekommen. »Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich am Tag nach dem Absturz Kontakt mit Felix aufgenommen. Aber das hat mein Vater ja erfolgreich verhindert.«

Die Verzweiflung des jungen Mannes rührte an Fees weiches Herz.

»Mach dir keine Vorwürfe. Wir wissen ja inzwischen, was du selbst durchmachen musstest. Unter diesen Umständen konntest du dich ja gar nicht melden.«

Unwillig schüttelte Manuel den Kopf. Im Gegensatz zu den Eltern seines Freundes hatte er sein Glas nicht angerührt. Auch die schöne Atmosphäre bemerkte er nicht. Gefangen in der Erinnerung an die furchtbaren Wochen starrte er das Ehepaar an.

»Ich hätte es wenigstens versuchen können.«

Entschieden schüttelte Dr. Norden den Kopf.

»Dein Vater ist ein Mann mit erheblicher krimineller Energie. Er schreckt auch nicht davor zurück, Konkurrenten aus dem Weg räumen zu lassen. Mit Sicherheit hätte er die Drohungen gegen dich auch wahr gemacht.«

Das hatten die Ermittlungen der Polizei inzwischen ergeben. Roland Tinschert hatte seine vielfältigen Verbindungen nicht nur dazu genutzt, Flugschreiber und Sprachbox der abgestürzten Cessna verschwinden zu lassen. Um den Unternehmer rankte sich ein dichtes Netz aus zwielichtigen Gestalten, darunter auch ranghohe Politiker, die ihm bei seinem Aufstieg behilflich gewesen waren.

»Das einzig Gute ist, dass er die nächsten paar Jahre hinter Gittern verbringt.« Manuel nickte erleichtert. »Bis er wieder rauskommt, bin ich längst über alle Berge.«

»Ich hab gehört, dass du zu deiner Mutter nach Amerika gehst, um dort zu studieren«, erkundigte sich Felicitas.

»Wenn das alles hier über die Bühne ist«, bestätigte der junge Mann. »Aber erst einmal werd ich meine Sozialstunden abbrummen. Und mich um Felix kümmern. Ich weiche erst wieder von seiner Seite, wenn er gesund ist. Lange genug hab ich mich ja gedrückt.« In Manuels Stimme schwang eine Entschlossenheit mit, die dem Ehepaar Norden trotz aller Nöte ein Lächeln abrang.

»Das ist sehr nett von dir.« Nach einem kurzen Blick auf die Uhr hob Daniel den Arm zum Zeichen, dass er bezahlen wollte.

Wieder einmal nahm es nicht wunder, dass Tatjana Bohde sofort zur Stelle war.

»Wie machst du das nur?«, erkundigte er sich bei seiner sehbehinderten Schwiegertochter in spe und suchte im Geldbeutel nach einem Schein.

»Warum hebst du überhaupt die Hand, wenn du nicht dran glaubst, dass ich sie sehen könnte?«, stellte sie eine gewitzte Gegenfrage.

Fee lachte. Manuel dagegen nutzte die Gelegenheit, um die aparte Frau mit den streichholzkurzen Blondhaaren ausführlich zu bewundern.

»Eins zu null für dich.« Daniel Norden grinste. »Damit ist meine Frage aber noch nicht beantwortet.«

»Ganz einfach: Eine Studie besagt, dass die durchschnittliche Verweildauer in einem Café zwanzig Minuten beträgt. Entweder, ihr bestellt also noch was, oder ihr seid fällig«, erklärte Tatjana ihre Strategie.

»Du hast mal wieder gewonnen«, gab sich Daniel auch deshalb geschlagen, weil es Zeit wurde, in die Praxis zurückzukehren. Die Mittagspause war vorbei. »Was schulde ich dir?«

»Geht auf’s Haus. Ich hab heute meine Spendierhosen an.« Sie zwinkerte ihm zu, ehe sie sich den Gästen am Nebentisch zuwandte, die ebenfalls bezahlen wollten.

»Dann wollen wir mal wieder.«

Fee sammelte ihre Siebensachen zusammen und stand auf.

Manuel und Daniel taten es ihr gleich.

»Auf welcher Station liegt Felix?« Es war das erste Mal, dass er seinen Freund nach dem Absturz besuchen kam. Dementsprechend nervös sah er sich um.

»Auf der Neurologie. Komm, ich zeig’s dir!«, erbot sich Fee. Mit einem Kuss verabschiedete sie sich von ihrem Mann und setzte ihr Angebot direkt in die Tat um.

*

»Abiturnote 1,4! Gib’s zu! Das hättest du nicht gedacht!« April saß am Bett ihres Freundes und hielt stolz das Abizeugnis hoch.

Wie immer in den letzten Tagen lag Felix matt in den Kissen. Es kostete ihn sogar Mühe, sich ein Lächeln abzuringen.

»Dir trau ich alles zu.«

April lachte, obwohl ihr nicht danach zumute war. Felix’ Zustand machte ihr Sorgen.

»Ist das ein Kompliment?«

»Das kannst du dir aussuchen«, wich er aus und streckte die Hand nach dem Teebecher aus.

April war schneller und gab ihn ihm. Er nickte zum Dank. »Was hast du jetzt vor? Studium? Ausbildung?«