Als Timo und seine Freunde die Welt retteten Band 3 - Hans-Jürgen Mock - E-Book

Als Timo und seine Freunde die Welt retteten Band 3 E-Book

Hans-Jürgen Mock

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Beschreibung

Der dreizehnjährige Timo Kegelmann reist mit dem Physiker Albert Einstein durch Raum und Zeit, um die Flügel der schwarzen Mühle zu finden, die gestohlen wurden. Denn ohne die Flügel wird in Kürze die Erde stehen bleiben. In Frankreich stößt im Jahr 1839 der elfjährige Jules Verne zu ihnen. Und sie bekommen einen Hinweis, der sie in das Jahr 1307 und zum Matterhorn in die Schweiz führt. Dort entdecken sie eine schwarze Burg, ein Wikingerschiff im Burggraben und eine Eiswolke, auf der eine gruselige Armee von Eis-Riesen ihnen nach dem Leben trachtet. Und sie entdecken den ersten Flügel, den Luftflügel. Nach einer wilden Jagd landen sie in England im Jahr 1903. Und dort treffen sie ein weiteres Mitglied ihrer kleinen Reisegruppe. Ein zehnjähriges Mädchen namens Agatha Christie. Sie werden auf das Schloss Neuschwanstein entführt, entdecken das Wikingerschiff aus dem Burggraben in einem norwegischen Museum und ein versunkenes Schiff im Nordmeer. In Steinau treffen sie in der Teufelshöhle auf die Brüder Grimm und nehmen ein letztes Mitglied ihrer Reisegruppe an Bord. Einen kleinen, deutschen Jungen, der von Abenteuern im Wilden Westen träumt.

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Seitenzahl: 252

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Für Bernhard

Inhaltsverzeichnis

Prolog – oder: Was bisher geschah

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel – Das Tagebuch von Oma Ellie

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Epilog

Nachwort

Zugabe

Prolog –oder: Was bisher geschah.

Ich heiße Timo Kegelmann und bin zu der Zeit, in der die Geschichte spielt, dreizehn Jahre alt. Noch immer, muss ich sagen, denn ich habe bald Geburtstag. Aber ich fürchte, ich werde ihn nicht zu Hause feiern können. Nach allem, was bis jetzt passiert ist, bin ich schon froh, wenn ich ihn überhaupt werde feiern können. Ich befinde mich nämlich auf einer Mission. Mit Albert Einstein und einer Windmühle. Einer Windmühle ohne Flügel. Ich soll ihm helfen, die Welt zu retten. Klingt verrückt, ich weiß, aber ich habe mich inzwischen daran gewöhnt.

Albert Einstein ist ein berühmter Physiker, der sogar den Nobelpreis gewonnen hat und der aus dem Jahr 1948 zu mir in das Jahr 1985 gereist ist. Fragt mich nicht, wie. Aber er hat es gemacht. Die Mühle, mit der er reist, kann durch Zeit und Raum springen und ist für die meisten Menschen unsichtbar. Eigentlich können nur Kinder sie sehen. Bis auf wenige Ausnahmen. Aber sie hat auch eine Besonderheit. Jedes Mal, wenn sie durch die Zeit springt, ändert sich das Alter ihres Besitzers, in diesem Fall also das von Einstein. Deshalb ist er als alter Mann losgereist und als junger Mann bei mir angekommen.

Die Flügel der Mühle wurden von einem gewissen Roald Amundsen gestohlen. Das ist ein berühmter Polarforscher, der 1911 als erster Mensch den Südpol bereist und später, 1925, auch den Nordpol als Erster mit einem Luftschiff überquert hat. Deshalb ist er ziemlich sauer, dass er für seine Entdeckungen nicht auch einen Nobelpreis bekommen hat. Und das will er Einstein jetzt heimzahlen. Obwohl der ja nun wirklich nichts dafür kann, dass es für Polarforscher keine Nobelpreise gibt.

Dort, an den Polen, hat Amundsen auch die Windmühlen entdeckt. Am Südpol eine weiße, am Nordpol eine schwarze. Mit Flügeln, die sich rasend schnell drehten.

Aber er war der Einzige seiner Expedition, der die Mühlen sehen konnte. Diese sich drehenden Flügel sind, wie wir später erfahren haben, der Motor dafür, dass die Erde sich dreht und dass durch die Erdrotation alles, was sich auf ihr befindet, auch an Ort und Stelle bleibt oder auf den Boden fällt, wenn man es hochhebt und loslässt. Mit anderen Worten, sie bewirken die Erdanziehung. Es handelt sich dabei um einen Luftflügel, einen Wasserflügel, einen Feuerflügel und einen Erdflügel. Nun sind die Flügel der schwarzen Mühle verschwunden, und die weiße Mühle allein kann diese Erdanziehung nicht mehr lange gewährleisten. Dumme Sache.

Also sind wir losgezogen, um Amundsen die Flügel wieder abzunehmen, und haben zum Glück Helfer gefunden. Als Erster stieß der französische Schriftsteller Jules Verne im Jahr 1839 zu uns. Allerdings war er da erst elf Jahre alt. Aber er konnte die Mühle sehen. Als wir ihn im Hafen von Nantes, wo er sich auf ein Schiff schmuggeln wollte, entdeckten, war er sofort mit von der Partie. Leider verlor ich auf diesem Schiff, dessen Name übrigens «Nautilus» war, meinen Hund Bo. Doch dazu kommen wir später noch mal.

Kurz darauf trafen wir am Hafen den Komponisten Frédéric Chopin. Der gab uns einen Hinweis, mit dessen Hilfe wir als nächsten Punkt unserer Reise einen berühmten Berg, das Matterhorn in der Schweiz, identifizieren konnten. Dazu mussten wir allerdings in das Jahr 1309 zurückreisen.

Wenn du den ersten Band unserer Geschichte gelesen hast, weißt du das alles natürlich schon und kannst direkt zum ersten Kapitel weiterspringen. Falls du den ersten Band nicht gelesen hast, solltest du jetzt mit Lesen aufhören und dir den ersten Band kaufen oder schenken lassen oder – nein, war nur Spaß. Ich erzähle weiter:

Im Jahr 1309 entdeckten wir direkt am Matterhorn eine schwarze Ritterburg. Und über der Burg am Gipfel des Matterhorns klebte eine Wolke ganz aus Eis, auf der wir den ersten Flügel, den Luftflügel, vermuteten. Praktischerweise gibt es am Matterhorn einen starken Luftwirbel, der alles, was er erfasst, nach oben trägt. Unpraktischerweise war die Burg aber komplett verrammelt, von Hunderten von Rittern bewacht und von einem tiefen Burggraben umgeben, der von einem Wasserfall gespeist wurde.

Hier lernten wir Walther kennen, einen sechsjährigen Jungen, dessen Vater in der Burg gefangen gehalten wurde und der, wie sich später herausstellte, auf den Namen Wilhelm Tell hörte. Der Vater, nicht der Sohn. Ja, genau, der Wilhelm Tell mit dem Apfel. Walther, sein Sohn (der mit dem Apfel auf dem Kopf), konnte nicht nur die Mühle sehen, sondern hatte auch einen geheimen Eingang in die Burg entdeckt. Damit war unsere Reisegruppe auf vier Personen angewachsen. Außerdem entdeckten wir tief unten im Burggraben ein Wikingerschiff, das dort eigentlich nicht hingehörte.

Der Plan, den wir dann in die Tat umsetzten, war so abenteuerlich, dass es mir heute noch schwerfällt zu glauben, dass wir ihn wirklich durchgezogen haben. Walther kroch durch die Öffnung, die für uns andere leider zu eng war, in den Geheimgang und in die Burg, kletterte auf die Burgmauer und schoss mit einem Katapult auf einen Felsen, der ziemlich wacklig am Rand des Burggrabens stand. Er war nämlich wie sein Vater ein guter Schütze. Der Felsen stürzte wie erwartet ins Wasser und verstopfte den Abfluss des Wasserfalls. Dadurch stieg das Wasser rapide an und hob dabei das Wikingerschiff nach oben. Die Ritter sahen das, und weil ihnen ein Wikingerschiff in ihrem Burggraben ebenso merkwürdig vorkam wie uns, öffneten sie das Tor und Jules und ich schlüpften mit dem Segel, das wir auf dem Schiff gefunden hatten, in die Burg. «Ein Segel kann man immer gebrauchen», hatte Jules gemeint. Na ja.

Albert, der durch den Zeitsprung ins Jahr 1309 wieder ein alter Mann geworden war, war in der Mühle zurückgeblieben. Er hätte uns nur behindert. Entschuldige, Albert, aber das stimmt.

Zusammen mit Walther kletterten wir auf den höchsten Turm und gelangten mithilfe des Segels und des Aufwinds auf die Eiswolke. Das klingt jetzt alles ziemlich easy, aber in Wirklichkeit gab es erhebliche Komplikationen und Widerstände, die wir zu überwinden hatten. Vier Elefanten und ein Meerschweinchen spielten dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Aber das genauer zu schildern, würde hier zu weit führen, dafür gibt es ja den ersten Band.

Auf der Eiswolke entdeckten wir zu unserer großen Überraschung eine exakte Kopie der schwarzen Burg, aber ganz aus schwarzem Eis. Im Hof dieser Burg, deren Tor weit offen stand, befand sich eine ganze Armee von Eisriesen. Unbewegliche Ritter von fast drei Metern Größe. Sie waren gerade nicht aktiv, weil ihr Gebieter, der Polarforscher Amundsen, nicht zu Hause war. Der lieferte sich momentan in einer anderen Zeit ein Rededuell mit Einstein. Deshalb war es für uns auch kein Problem, in den höchsten Turm dieser Burg zu gelangen und dort den Luftflügel der Mühle zu entdecken und mitzunehmen.

Dann wurde es allerdings wirklich brenzlig, denn die Herren der Burg kamen zurück und die Eisriesen-Armee erwachte. Es gelang uns, die Ritter auszutricksen und über einen hölzernen Aufzug, den wir am Wasserfall entdeckten, mit dem Flügel zurück auf den Boden und zurück zu Einstein und der Mühle zu kommen.

Dass dabei die gesamte Eiswolke samt Burg einstürzte und die andere schwarze Burg am Fuß des Matterhorns unter sich begrub, war nicht geplant, aber kam auch nicht ungelegen.

Die Bösewichte waren allerdings in einem Luftschiff entkommen und hatten zu meiner Freude (und meinem Entsetzen!) auch meinen tot geglaubten Hund Bo an Bord, den sie angeblich in Frankreich aus dem Wasser gefischt hatten.

Wir setzten Walther Tell bei seinem Vater Wilhelm, der aus der Burg flüchten konnte, ab. Durch eine besondere Klappe in der Mühle, die Pforte des Vergessens, hatte der Junge alle Erinnerungen an das Abenteuer verloren. Dann verstauten wir den Luftflügel in der Mühle und fuhren weiteren Abenteuern und dem zweiten Flügel entgegen. Amundsen und seine Kumpane, die ihr Hauptquartier in der Eis-Burg verloren hatten, suchten in einer neuen Zuflucht im Jahr 1886 Unterschlupf. In den Gewölben unter dem Schloss Neuschwanstein, wie ich später erfuhr. Wir dagegen fuhren nach England, ins Jahr 1903.

Dort stieß die 13-jährige Agatha Christie, die berühmte Kriminal-Schriftstellerin, zu unserer Truppe, die damals allerdings noch Miller hieß, weil sie den Oberst Archibald Christie noch nicht geheiratet hatte. Da sie ihren zweiten Vornamen, Mary, viel lieber mochte, nannten wir sie auch so. Wir hatten auf dem Wikingerschiff in der Schweiz eine Plakette mit der Bezeichnung «Eisbärenclub Hammerfest 1952» gefunden, also war dies das nächste Ziel unserer Reise.

Amundsen hatte derweil auf Neuschwanstein Streit mit seinen Kumpanen, weil er den jungen Leonardo da Vinci aus Florenz entführt und weil er den König Ludwig II. hatte umbringen lassen. So was macht man auch nicht. Außerdem war ihm ein Ohr abgefallen.

Wir programmierten das neue Ziel, fuhren los und kamen auch, wie geplant, in Norwegen an. Sehr zu unserem Kummer hatte der Sprung durch die Zeit allerdings aus dem Physiker Albert Einstein ein Baby gemacht. Als wir den ersten Schrecken überwunden hatten, waren Jules und ich, unter uns gesagt, doch recht froh, jetzt ein Mädchen in der Gruppe zu haben. Auch wenn es etwas hinderlich war, dass wir beide sie ins Herz geschlossen hatten. Immerhin konnte sie besser mit dem Kind umgehen als wir grüne Jungs.

Wir packten Kind und Kegel zusammen und machten uns auf den Weg in das Museum, den Eisbärenclub. Dort entdeckten wir nicht nur das Wikingerschiff, sondern auch ein Foto der Nautilus, das Schiff aus dem Hafen von Nantes, auf dem Bo verloren gegangen war und auf dem sich, wie wir uns inzwischen sicher waren, der zweite, der Wasserflügel der Windmühle befinden musste. Der war jetzt allerdings in weite Ferne gerückt, denn das Schiff war vor vielen Jahren gesunken. Das Foto zeigte ein zerborstenes Wrack am Meeresgrund. Außerdem waren einige rätselhafte Sätze dort zu lesen. Dann hörten wir einen Knall.

Amundsen hatte sich von Leonardo eine Bombe bauen lassen und das Museum in die Luft gejagt. Vorher hatte einer seiner Komplizen aber das Wikingerschiff in die Vergangenheit und in die Schweiz geschickt, wo wir es ja gefunden hatten.

Dank Marys Kombinationsgabe lösten wir das Rätsel der Sätze auf dem Foto und montierten den Luftflügel an der Mühle. Dann ging es hinaus aufs Meer, zu der Stelle, an der die Nautilus gesunken war.

Dummerweise folgte uns Amundsen mit seinem Luftschiff, entführte Mary und Baby Albert und stahl uns den Luftflügel wieder. Gleichzeitig konnten Bo, mein Hund, und der achtjährige Leonardo da Vinci vom Luftschiff zu uns in die Mühle fliehen. Leonardo war von Amundsen geraubt worden, um verrückte Erfindungen für ihn zu erfinden. Jetzt saß er mit uns in einer Mühle, die langsam unterging.

Amundsen brachte Mary und Einstein zum Schloss Neuschwanstein, aber weil er dabei wieder durch die Zeit reiste, wurde Einstein zum Teenager.

Leonardo half uns, aus der sinkenden Mühle ein U-Boot zu machen, das man einigermaßen steuern konnte. Wir entdeckten tatsächlich das Wrack der Nautilus und es gelang Leonardo, den Wasserflügel vom Meeresgrund zu bergen und an unserer Mühle zu befestigen. Durch eine gruselige Begegnung mit dem Skelett eines toten Seemannes gelangte ich zu einem Hinweis auf den nächsten Flügel.

Während Jules, Leonardo und ich dieses Unterwasserabenteuer erlebten, erlebten Albert und Mary ihr eigenes Abenteuer im Schloss Neuschwanstein. Amundsen hatte Albert im Keller und Mary in einem Turmzimmer eingeschlossen, aber Albert konnte entkommen und entdeckte in den Höhlen und Katakomben unter dem Schloss eine fantastische Märchenwelt, die der bayrische König Ludwig dort hatte errichten lassen. Außerdem entdeckte er glücklicherweise auch den Luftflügel wieder, den die Gauner dort unten versteckt hatten. Mit dem Flügel konnte er Mary aus dem Turmzimmer befreien und sie flüchteten mit dem Luftschiff.

Ich und meine beiden Freunde tauchten mithilfe des Wasserflügels aus dem Meer wieder auf, aber ein Traum von mir schleuderte uns erneut in eine andere Zeit und an einen anderen Ort. Nach Steinau in Deutschland, wo gerade die Gebrüder Grimm ihre Kindheit verbrachten. Die trafen wir dort auch, aber sie waren alles andere als nett und lockten uns in eine Höhle, die Teufelshöhle, die damals noch weitestgehend unentdeckt war. Natürlich schlossen sie uns dort ein, und wir wären wohl verschimmelt, wenn Mary und Albert uns nicht durch einen Zufall und sehr viel Kombinationsgabe aufgespürt hätten.

Nun hatten wir die Mühle und das Luftschiff, aber wir beschlossen, das Luftschiff zu den Gaunern zurückzubringen und allein mit unserer Mühle dem neuen Hinweis nach dem dritten, dem Feuerflügel zu folgen. Feuerland, eine Inselgruppe in Südamerika. Vorher setzten wir allerdings den kleinen Leonardo in seiner richtigen Zeit und in seinem richtigen Heimatort Florenz ab.

Bevor wir uns nun in ein neues Abenteuer stürzen konnten, landeten wir erst mal wieder ganz woanders. Und genau hier geht unsere Geschichte weiter.

Erstes Kapitel

Deutschland, Hohenstein, 1854 – Ein heftiger Ruck mit anschließendem Klappern riss uns aus dem Schlaf, als die Mühle plötzlich stoppte und ein Stuhl dabei umfiel. Wir krochen aus unseren Betten und trafen uns an der Steuerkonsole. Ein Blick aus dem Fenster zeigte uns einen Marktplatz, der von Fachwerkhäusern umgeben war. Es war noch früh am Tag und dementsprechend nicht so viel los. Ein Gemüsehändler hatte seine Waren auf breiten Markttischen ausgebreitet, ein Bäcker kam mit einem Handkarren die Straße herunter und bimmelte mit einer schrillen Glocke. Ein Fischhändler bot große und kleine Fische an, die auf Eisbrocken lagen, und zwei Zecher kamen aus einer Schankwirtschaft und sahen aus, als wären sie dort gerade unter einem Tisch wach geworden.

«1854!», rief Albert erstaunt. «Wie kommen wir denn hierhin? Nach – Moment – Hohenstein-Ernstthal in Sachsen.» Ich schaute ihn unschuldig an.

«Timo, du hast wieder geträumt, gib es zu.»

Ich zuckte mit den Schultern und grinste verlegen. Natürlich hatte ich wieder geträumt. Mir waren die letzten Worte von Albert durch den Kopf gegangen, als ich mich in meine Decke gekuschelt hatte. Feuerland. Südamerika. Wir werden Indianer und Piraten sehen.

«Sag nichts», sagte Albert und lachte verschmitzt. Er nahm ein Kärtchen aus seiner Jackentasche, schrieb etwas darauf und legte es verdeckt auf das Pult. Dann schauten wir wieder aus dem Fenster.

«Ich kenne das Städtchen. Wir sind übrigens noch immer in Deutschland. Und in einer Stadt, die es durch Gold- und Silberminen zu einigem Wohlstand gebracht hat.»

Ein Junge, etwas jünger als ich, mit einer grünen Schiebermütze und kurzen Hosen, schlenderte über den Markt. Er schaute sich die Äpfel und Birnen an, die der Gemüse- und Obsthändler anbot, schnupperte an den frischen Brezeln des Bäckers und ging an dem Fischhändler vorbei. Jetzt kamen auch andere Anwohner aus den Häusern und fingen an ihre Einkäufe zu tätigen. Mehrere Männer, die offensichtlich Grubenarbeiter waren, marschierten mit Eimern und Schaufeln bewaffnet eine Gasse hoch, die in die Hügel führte. Eine gut gekleidete korpulente Frau kam mit zwei Dienstmädchen im Schlepptau anmarschiert und betrachtete die Auslagen des Fischhändlers. Sie wechselten ein paar Worte, dann bückte sich der Händler und wühlte in einer Kiste, die unter dem Tisch stand.

Das war für den Jungen mit der Schiebermütze das Signal. Er drehte sich blitzschnell zu dem Fischstand hin, packte den größten Fisch, der in seiner Reichweite war, stopfte ihn unter seine Jacke und rannte wie der Teufel in einen engen Durchgang zwischen zwei Häusern. Der Fischhändler, der immer noch in seinen Kisten wühlte, hatte es gar nicht bemerkt. Die gut gekleidete Frau, die in ihrer Handtasche wohl nach Geld suchte, auch nicht. Nur die beiden Dienstmädchen hatten es beobachtet. Sie hielten sich kichernd die Hände vor den Mund und wurden sofort wieder ernst, als ihre Herrin sie böse anschaute. Aber sie sagten nichts.

«Das dachte ich mir», lachte Albert und schlug sich dabei auf sein rechtes Knie. «Das ist unser Mann! Na ja, unser Junge.»

«Ein Herumtreiber, der auf dem Markt Fische klaut?», rief Mary entsetzt. Albert lachte wieder. «Aber ja!» Dann zeigte er auf das Kärtchen, das immer noch auf dem Pult lag. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt lesen würde, aber der Namen, der auf der Karte stand, war der letzte, den ich erwartet hatte. Auf der Karte stand: KARL MAY.

«Karl May wurde im Jahr 1842, also vor zwölf Jahren, von dieser Zeitachse aus gesehen, hier in Ernstthal geboren», sagte Albert, als wir die Mühle in einem kleinen Park etwas außerhalb der Stadt abgestellt hatten und uns ein gemütliches Frühstück schmecken ließen. Dann sah er mich an und hob mal wieder fragend die Augenbrauen.

«Ja, ich bin wieder daran schuld», sagte ich sofort, weil ich seine Frage schon ahnte. «Wir haben gestern von Feuerland gesprochen, von Südamerika, Piraten, Indianern, Abenteuern. Da musste ich unweigerlich von Karl May träumen.»

«Aber sieh es doch bitte nicht als Vorwurf an», erwiderte Albert schnell. «Deine Träume sind nichts Schlechtes, Negatives. Nein, im Gegenteil, sie führen uns immer zu den Personen, die wir brauchen. Sie gelangen von irgendwoher in dein Unterbewusstsein, und dadurch in deine Träume. Und das muss der Grund sein, warum du auf dieser Reise bist. Weil deine Träume uns den Weg weisen.»

«Und wer ist dieser Karl May?», fragte Jules vorsichtig. Er hatte wieder Angst, dass wir ihm nichts sagten.

«Kennst du Karl May, Mary?», fragte Albert die zukünftige Mrs Christie.

«Ja, ich habe von seinen Büchern gehört», sagte Mary. «Winnetou, Old Shatterhand, Der Schatz im Silbersee und so weiter. Sie scheinen in Deutschland sehr beliebt zu sein. Aber mich interessieren solche Abenteuerromane nicht sehr.»

Ich erinnerte mich, dass wir Mary ja aus dem Jahr 1903 geholt hatten. Und die meisten seiner, wie man heute sagen würde, Bestseller hatte Karl May vorher, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts geschrieben. «Seine bekanntesten Romane sind Abenteuergeschichten von Cowboys und Indianern, Trappern und Fährtenlesern in Amerika, manche spielen im fernen Orient», sagte ich. «Das Bemerkenswerte daran ist, dass Karl May all diese Orte nie bereist hat.»

«Na ja», meinte Mary ein bisschen herablassend, «man muss auch niemanden umbringen, um einen Kriminalroman zu schreiben.»

«Oder zum Mond fliegen, um eine Reise dorthin zu beschreiben», fügte Jules hinzu. Albert und ich grinsten uns an. Wenn die beiden wüssten.

«Aber wie soll uns Karl May auf unserer Suche helfen?», sprach ich die Frage aus, die sich mir stellte. «Was hat er, was wir anderen nicht haben?» Ich glaubte, ehrlich gesagt, dass alle brauchbaren Fähigkeiten von unserer kleinen Reisegruppe abgedeckt wurden.

«Was weißt du denn über den jungen Karl May?», fragte Albert zurück. «Über den Jungen, der er war, bevor er Schriftsteller wurde?»

Ich musste zugeben, dass ich nichts über ihn wusste. Albert klärte uns auf.

«Er entstammt einer armen Weberfamilie. Er wird mit neunzehn Jahren bereits vorbestraft sein und bessert sich sein dürftiges Einkommen mit Diebstahl, Betrug und Hochstapelei auf. Er wird wegen Landstreicherei festgenommen werden und vier Jahre im Zuchthaus sitzen. Erst danach wird er sich wandeln und anfangen zu schreiben. Es sieht so aus, als ob wir einen professionellen Dieb und Einbrecher in unseren Reihen benötigen.»

Diese Aussage war zugegebenermaßen erst mal ein Schock für uns. Wir vertrödelten den restlichen Tag und überlegten, wie und wo wir Karl finden konnten und wie wir ihn zum Mitkommen bewegen würden. Wir wussten da noch nicht, dass das völlig unnötig war. Denn in der Nacht, als wir alle friedlich in unseren Betten lagen und schliefen, fand Karl May uns.

Es musste so gegen zwei Uhr nachts gewesen sein, als ich von einem Geräusch geweckt wurde. Was es war, kann ich nicht sagen, aber es gehörte um diese Uhrzeit wohl nicht in unsere Mühle, sonst hätte es mich nicht geweckt. Ich dachte erst, Mary und Jules würden vielleicht wieder im Wohnraum sitzen und sich unterhalten, und ich wäre beinahe unbedarft hinuntergelaufen, aber in diesem Moment öffnete sich meine Zimmertür und Jules’ bleiches Gesicht erschien im Türrahmen.

«Da unten ist jemand», flüsterte er und schlüpfte schnell zu mir herein. «Wir haben einen Einbrecher in der Mühle.»

«Können es nicht Mary oder Albert sein?», fragte ich genauso leise zurück.

«Die würden aber doch nicht im Dunkeln herumschleichen», antwortete Jules. «Es ist stockfinster.»

Ich schaute mich in meinem Zimmer um. Was könnte ich als Waffe benutzen? Die Harpunen von unserem Tauchabenteuer lagen dummerweise unten im Flur. Da fiel mir Bo ein. Er lag tatsächlich am Fußende meines Bettes und schlief fest. Was war das denn für ein Wachhund? Ich schüttelte ihn sanft, und er schlug müde ein Auge auf.

«Bo», flüsterte ich. «Wach auf. Einbrecher. Du musst uns beschützen.»

Von jetzt auf gleich war mein Hund hellwach. Er sprang vom Bett, lief zur Tür und schnupperte. Dann knurrte er leise.

«Okay», sagte ich. «Dann schauen wir mal.» Ich dachte in diesem Moment gar nicht daran, dass der Einbrecher bewaffnet sein könnte.

Von unten kam ein Rumpeln, als wäre ein Stuhl umgefallen. Da schien sich ein ziemlicher Tollpatsch herumzutreiben. Ich öffnete beherzt die Tür und wir liefen mit Bo auf die Galerie hinaus. Im gleichen Augenblick ging das Licht an und ich sah Albert am Lichtschalter stehen. Auch Mary hatte ihre Zimmertür geöffnet und schaute vorsichtig durch den Spalt.

Unter uns, mitten im Wohnraum, stand der Junge, den wir morgens auf dem Markt beim Stehlen eines Fisches beobachtet hatten, und stopfte sich Brot, Wurst und Käse in den Mund. Er riss erschrocken die Augen auf und kaute schneller, bewegte sich aber keinen Millimeter von der Stelle. Wir starrten ihn an, er starrte uns an und kaute.

«Karl, setz dich doch», sagte Albert gutmütig und ging die Treppe hinunter und zum Tisch. Karl bewegte sich noch immer nicht, spannte aber die Muskeln an. Jetzt bemerkte ich auch, dass die «PORTA OBLIVIONIS», die Pforte des Vergessens, im Boden offen stand. Jeder, der durch diese Bodenklappe die Mühle verließ, vergaß alles, was er mit und in ihr erlebt hatte. Wäre Karl May durch die Eingangstür, die «PORTA PRUDENTIA» (Pforte des Wissens), gekommen, dann hätte er alles über uns und die Mühle erfahren. Aber die Eingangstür war natürlich gut verschlossen. Die Bodenklappe dagegen befand sich genau neben Karls linkem Fuß. Er wusste also, dass er mit einem Sprung von hier verschwinden konnte.

«Mach die Bodenklappe zu», flüsterte ich Bo ins Ohr. Obwohl er diesen Befehl nie gelernt hatte. Ich probierte es einfach. Hatte mit den Seehunden ja auch geklappt. Dann stieß ich einen hellen Pfiff aus.

Aus einem Käfig an der gegenüberliegenden Wand ertönte mir ein lautes Fiepen entgegen. Rübchen, mein Meerschweinchen, war aus seiner Hütte geschossen und streckte sich am Käfiggitter in die Höhe. Die Ablenkung reichte. Während Karl noch interessiert zu dem kleinen Nagetier schaute, war Bo mit leisen Schritten die Treppe hinuntergelaufen. Es gab einen lauten Rumms, dann stand mein Hund auf der geschlossenen Bodenklappe und schaute den erschrockenen Karl freundlich hechelnd an.

Albert ging ruhig zum Tisch und streichelte Bo über den Kopf. Dann nahm er ein Messer, schnitt von der Wurst und dem Käse sowie von dem Brot große Stücke ab, legte sie auf einen Teller und stellte sie vor Karl.

«Du musst keine Angst haben, wir beißen nicht», sagte er. «Und so dünn, wie du bist, brauchst du die Wurst viel dringender als wir. Das ist übrigens Bo, der intelligenteste Hund der Welt. Und die drei da oben, die jetzt gerne auch mal herunterkommen können, sind meine Freude und Begleiter Timo, Jules und Mary. Und wir alle sind auf einer geheimen Mission.»

Der kleine Karl war sehr ruhig und schüchtern, als wir ihm von unseren bisherigen Abenteuern berichteten. Albert erzählte ihm auch alles über die Mühle und wie sie funktionierte. Und er zeigte ihm die beiden Flügel, die wir bis jetzt gefunden hatten. Dabei ging er mit ihm nach draußen und kam dann natürlich mit ihm durch die Eingangstür, die Pforte des Wissens, zurück. Und in diesem Augenblick konnten wir ein Funkeln in Karls Augen sehen. Als sie gerade draußen waren, stieß Mary mich und Jules mit dem Ellenbogen an und zeigte auf die Schlafzimmertüren, die hinter dem Steuerpult auf der Galerie waren. ALBERT stand da, TIMO, JULES, MARY und jetzt neu KARL. Alle Türen waren nun vergeben. Unsere Gruppe war scheinbar komplett.

Zweites Kapitel

Deutschland, Hohenstein, 1854 – Karl reiste mit uns, ohne irgendeine Art von Widerstand zu leisten. Aber das wunderte Albert nicht. Der Junge war das fünfte von vierzehn Kindern der Familie May, von denen neun bereits in ihren ersten Lebensmonaten starben. Wahrscheinlich fiel es zu Hause gar nicht auf, dass ein Esser weniger am Tisch saß. Vielleicht war man sogar froh darüber. Natürlich wusste Karl auch noch nichts von seiner zukünftigen kriminellen Laufbahn, er war einfach ein kleiner, magerer, aber zäher Bursche, der überleben wollte.

Während wir so zusammensaßen und planten, wohin unsere Reise jetzt gehen sollte, wurden Karls Augen immer größer. Südamerika. Das war für ein Kind zu dieser Zeit ein unerreichbarer Ort. Er würde Indios sehen, Eingeborene. Piraten vielleicht und Siedler, die in der Neuen Welt ihr Glück suchten.

Wir fuhren, bevor wir die Reise antraten, erst noch in die nächstgrößere Stadt, nach Chemnitz, suchten uns ein Pfandhaus und tauschten ein paar Gegenstände aus der Mühle, die wir für entbehrlich hielten, gegen Bargeld ein. Davon kauften wir auf einem Markt so viele Lebensmittel wie möglich. Nebenbei erstand Albert noch ein sehr großes Messer, eine Machete, wie er sagte, ein paar Feldflaschen und andere Dinge, die man im Dschungel vielleicht brauchen würde. Dann war es so weit.

Wir tippten in der Steuerkonsole der Mühle die neuen Koordinaten ein:

FEUERLAND - 1549.

Albert drehte an dem A-Knopf, bis dieser rot wurde, dann drückte er darauf. Unser Propeller rutschte in seine Flugposition, der Rotor begann sich zu drehen und wir flogen in Richtung Westen aus Deutschland und aus dem Jahr 1854 in ein neues Abenteuer.

Feuerland, Isla Grande, 1549 – Ein rauer Wind wehte uns vom Meer entgegen, als wir in Feuerland ankamen. Wir sahen karge Wälder und Steppen, vereinzelte Moore und in der Ferne die Berge der Anden, die sich von Argentinien bis nach Peru hinziehen. Zwergsträucher und Flechten bedeckten den Boden, richtige Bäume gab es hier nicht. Wir schwebten, wie erwartet, über der Isla Grande, der großen Feuerlandinsel, in der Luft. Und wir bemerkten, dass Albert Einstein jetzt ein Junge in unserem Alter geworden war. Aber inzwischen hatten wir uns an seine Metamorphosen gewöhnt. Nur Karl schaute etwas überrascht. Na ja, solange Albert nicht wieder zum Baby wurde, war alles gut. Unser Ziel lag aber noch weiter südlich. Die kleine Isla de los Estados. Wir blieben in der Luft, sahen in der Ferne Kap Hoorn und dann tauchte auch schon der Leuchtturm vor uns auf. Der Leuchtturm am Ende der Welt. Albert runzelte die Stirn.

«Das ist seltsam», sagte er zu mir. «Soviel ich weiß, wurde der Leuchtturm erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts gebaut. Achtzehnhundertsoundsoviel. Du weißt, was es mit dem Leuchtturm auf sich hat, Timo?»

Ich nickte nur stumm. Natürlich wusste ich das. Es war der berühmte Leuchtturm aus Jules Vernes Roman «Der Leuchtturm am Ende der Welt». Oder «Das Licht am Ende der Welt», wie er in manchen Ausgaben heißt. Ich hatte den Film mit Kirk Douglas und Yul Brynner mehrmals gesehen.

«Das dort muss ein weitaus älterer Leuchtturm sein», meinte Albert weiter. «Aber der ist mir völlig unbekannt.»

«Vielleicht sollten wir die da draußen fragen», sagte Jules und deutete auf eines unserer Fenster. In einigen Metern Entfernung war ein kleines Fischerboot zu sehen, das am Ufer lag. Zwei Frauen und ein älterer Mann standen mit langen Spießen in den Wellen und versuchten Fische zu fangen. Ein Kind, vielleicht drei oder vier Jahre alt, drehte Steine im flachen Wasser um und suchte offensichtlich nach kleinen Krebsen und Seeigeln. Da die Eingeborenen uns völlig ignorierten, waren wir sicher, dass sie die Mühle nicht sehen konnten.

«Okay», sagte Mary und setzte sich demonstrativ an den Esstisch. Das bedeutete bei ihr: Besprechung. «Mit Spekulationen und Mutmaßungen kommen wir nicht weiter. Wir suchen, wie ihr sagt, einen Feuerflügel.»

«Ganz genau», pflichtete Albert ihr bei und kurz darauf saßen wir alle um den Tisch. «Der Luftflügel war in den Wolken versteckt, der Wasserflügel am Meeresgrund. Es ist also anzunehmen, dass der Feuerflügel an einem Platz versteckt wurde, der etwas mit Feuer zu tun hat.»

«Ein Vulkan vielleicht?», sagte Jules.

«Es gibt einen Vulkan», erwiderte Albert. «Der südlichste Vulkan von Südamerika. Aber der liegt auf einer Insel weiter westlich. Die Mühle hat uns aber hierher, zu dem Leuchtturm gebracht. Der ja auch auf dem Hinweis abgebildet war. Das kann kein Zufall sein.»

«Wir sollten in den Leuchtturm gehen», sagte Karl, und wir schauten ihn alle erschrocken an. Es waren die ersten Worte, die er zu uns gesagt hatte. «Vielleicht ist dort ein weiterer Hinweis versteckt.»

«Vielleicht brennt dort auch eine Flamme und erzeugt das gesuchte Feuer», sagte ich.

Wir kamen überein, dass das im Moment die vernünftigste Idee war. Da es draußen ziemlich kalt zu sein schien, wir befanden uns schließlich fast auf dem 55. Breitengrad, näher der Antarktis als dem Äquator, schauten wir in unseren Schränken nach wärmerer Kleidung. Und natürlich stellte die Mühle für uns eine passende Kollektion zur Auswahl bereit. Als wir uns im Wohnraum wieder trafen, mussten wir trotz unseres nicht ganz ungefährlichen Vorhabens herzhaft lachen. Wir sahen aus wie Trapper, Fallensteller und Goldgräber. Wir hätten mühelos als Statisten in jedem Winnetou-Film mitspielen können. Und einer strahlte ob dieser Verkleidung über das ganze Gesicht: Karl. Mit lederner Hose, lederner Jacke, schweren Stiefeln und einer Bärenfellmütze sah er wahrhaftig wie eine Miniaturausgabe von Old Shatterhand aus.

Ein Blick nach draußen zeigte uns, dass die Eingeborenen weitergezogen waren. Wir konnten sie nicht mehr sehen und sie uns damit hoffentlich auch nicht, wenn wir die Mühle verließen. Aber der Blick zeigte mir noch etwas. Hinter der Mühle, in einer Mulde aus Moosen und Farnen, tummelte sich eine Gruppe Meerschweinchen. Alle Farbschattierungen und Größen wuselten um zahlreiche Löcher im Boden herum, knabberten an den Pflanzen, neckten und scheuchten sich durch das Gelände. Und als könnte es meine Gedanken lesen, begann Rübchen, mein Meerschweinchen, das uns nun schon so lange auf dieser Reise begleitete, in seinem Käfig zu piepsen. Lang und anhaltend klangen seine Ruftöne durch die Mühle, und die Tiere außerhalb unseres Gefährts hoben jetzt ihre Köpfe und spitzten die Ohren. Ich hatte einen Kloß im Hals. Natürlich. Wir waren ja hier in der Heimat der possierlichen Nagetiere. Meerschweinchen waren von Seefahrern aus Südamerika nach Europa eingeschleppt worden.