Anatol - Arthur Schnitzler - E-Book

Anatol E-Book

Arthur Schnitzler

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Beschreibung

Eifersucht und Liebe sind die zentralen Themen in Arthur Schnitzlers frühen Dramen. Außer den Szenen und Skizzen zu Anatol, dem »Hypochonder der Liebe«, enthält dieser Band weitere dramatische Arbeiten aus Schnitzlers Frühwerk: Alkandi's Lied, Die Blasierten, Das Märchen.

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Seitenzahl: 321

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Arthur Schnitzler

Anatol

Dramen 1889-1891

FISCHER E-Books

Inhalt

Alkandi’s LiedPersonenTextAnatolEinleitungDie Frage an das SchicksalWeihnachtseinkäufeEpisodeDenksteineAbschiedssouperAgonieAnatols HochzeitsmorgenAnatols GrößenwahnPersonenTextAnatolSkizzenSüßes MädelDie BlasiertenI. AktII. AktLetzter Akt, letzter AuftrittDas MärchenPersonenWien – GegenwartErster AufzugZweiter AufzugDritter AufzugBibliographischer Nachweis

Alkandi’s Lied

Dramatisches Gedicht in einem Aufzuge

Personen

KÖNIG ASSAD

KÖNIGIN MAJA

IRSIL, MUSIKUS

ZOË

Die Szene stellt einen Saal vor, der durch einen Vorhang abgeteilt ist; dieser ist zu Beginn des Stückes geschlossen. Links vom Zuschauerraum, gegen die Mitte der Bühne zu, ein Diwan, links und rechts je eine Tür. Links, dem Vorhange nahe, stark in die Kulisse gerückt, eine auf hohem Sockel stehende Marmorbüste. – Die Königin Maja vor der Büste, ihr zu Füßen Zoë, Blumen aus einem Korb der Königin reichend. Die Königin schmückt die Stirn der Büste mit den Blumen.

DIE KÖNIGIN

Dem großen Meister aller Melodei

Nah’ ich mich nun in Ehrfurcht und Entzücken.

Die schönsten Blumen, Mädchen, bring’ herbei,

Um diese edle Marmorstirn’ zu schmücken!

So – diese hier – und diese – jene nicht!

Ein Ruhmeskranz, den die Begeist’rung flicht,

Darf in den reinsten Farben nur erblüh’n!

Matt sind die Rosen – und sie sollten glüh’n!

Ich hätte gern den schönsten Kranz gewunden.

ZOË

Die Blumen, Königin, hab’ ich gefunden;

Sie wachsen in dem wundersamen Beet,

Das unter deinen Fenstern prangend steht!

KÖNIGIN

O, selber pflücktest du?! Mein gutes Kind!

IRSIL

am Eingange stehend, ungesehen

Wie sie entzückt, wie sie andächtig sind!

KÖNIGIN

Du liebst ihn so wie ich – und seine Sänge

Berauschen dein jungfräulich’ Herz wie meines!

IRSIL

wie oben

Für meine Melodei’n jedoch schlägt keines –

Als wenn mir nie ein schönes Lied gelänge!

KÖNIGIN

Du schweigst, mein Kind?! Und überkommt’s dich nicht

Vor diesem Bild – in seinem Angesicht –

Mit einer heiligen und süßen Scheu?

ZOË

O Königin! Auch ich verehre treu

Wie du – die großen hingeschied’nen Geister.

Gewahrt Irsil, errötend

… Doch lieber sind mir die lebend’gen Meister!

IRSIL

Da schmückt sie nun den kalten Marmelstein –!

Mit dieser Hand, so warm, so zart, so klein,

Berührt sie eine Stirn, die nichts empfindet.

Der Kranz, den sie um jene Stirne windet,

Bald welkt er auf dem kalten Marmor hin –

Dem nie bewußt, welch’ Glück ihm heut’ erschien.

KÖNIGIN

O, daß uns schon sein großer Geist entschwebte!

Wie mußte man ihn lieben, da er lebte –

Ihn, der für alles, was uns tief erregt,

Den reinsten Ton, das schönste Lied ersonnen,

So daß die Seel’, im Innersten bewegt,

Mitklingt, mitrauscht gleich jenem Märchenbronnen,

Aus dessen Tiefen Nixen Antwort singen,

Wenn fernher Sturmwind naht auf Wolkenschwingen!

IRSIL

So raubt mir jener längst verstorbene Mann,

Was mich Lebendigen nur entzücken kann!

Vergebens in die starren Augen dort

Ist meiner hehren Fürstin Blick gewendet.

Und ach, der glühenden Begeist’rung Wort –

Wie ist’s an dieses taube Ohr verschwendet!

O, könnt’ ich doch mit diesem Marmor tauschen,

Statt hier zu steh’n, ohnmächtig, und zu lauschen

Von fern, wie ein Verdammter und zu leiden!

ZOË

… Dort an der Türe, Königin, bescheiden

Lehnt unser junger Musikus allein.

MAJA

Ach, Irsil! Ruf ihn näher –!

ZOË

freudig Tretet ein!

IRSIL

tritt ein, verbeugt sich tief.

MAJA

Was bringt Ihr, junger Künstler?

IRSIL

Königin!

Ich habe dieses Notenblatt gefunden,

Das Euch zu reichen ich so glücklich bin.

MAJA

Sein letztes Lied –? Ich dacht’ es längst verschwunden.

IRSIL

Alkandi’s Lied, von seiner Hand geschrieben –!

Seit Jahren war’s in einem Pult verblieben,

Mit andern alten Schriften dort versteckt!

Durch einen Zufall hab’ ich’s heut entdeckt –

MAJA

Viel Dank dem wackeren Manne, der es fand!

Dies also ist des großen Meisters Hand?

IRSIL

… Das letzte Werk des unvergess’nen Toten!

MAJA

Vergilbt ist das Papier – verwischt die Noten –

Und doch durchströmt nun des Gemaches Luft

Ein and’rer, frischer – nicht des Moders Duft!

Der Frühling selber ist’s, der uns umschwebt!

Ein jedes dieser Zeichen klingt und lebt –

Und sagt uns, daß nichts Großes sterblich ist,

Daß nur der Arme starb – den man vergißt!

… Wie kommt das Blatt zu Euch jedoch? – Sagt an!

IRSIL

Mein Vater war ein kunstbefliss’ner Mann;

In uns’rem Hause, jedem Edlen offen,

Hat man der Künstler beste angetroffen –

Alkandi auch ging bei uns aus und ein.

MAJA

Wie mußte dieses Haus beneidet sein!

Und Ihr – Ihr sah’t ihn?

IRSIL

Ach, zu jener Zeit

… Ein Knabe war ich – und mein ganzer Sinn

Auf eitel Spiel gerichtet – Königin!

Verschlossen war mir aller Kunst Bereich,

Und Stümper oder Meister galt mir gleich!

MAJA

Doch habt Ihr im Gedächtnis noch sein Bild,

Das tiefe Aug’ – die Haare lockig wild?

IRSIL

Ja, noch gedenk’ ich seiner, doch er war

Ein Greis zu jener Zeit; das wilde Haar

Ein wenig zahm geworden; auch das Blinken

Der Augen etwas matt, so will’s mich dünken!

Doch täusch’ ich leicht mich so im Rückwärtsblicke,

Weil er ja Brillen trug sowie Perücke!

MAJA

Ich aber seh’ ihn anders – jung vor mir,

Denn ew’ge Jugend ist des Künstlers Zier.

Wenn seines Geistes Flammen nicht erkalten,

Erspäh’ ich nimmer seiner Stirne Falten;

Sein Aug’, selbst wenn es trüb, ja, wenn’s erblindet,

Des Innern Glanz geheimnisvoll verkündet! –

Und nun – laßt uns geweihten Raum betreten!

Den König auch hab’ ich zu mir gebeten,

Auf daß er nach des Tages Einerlei

Sich freuen mag an holder Melodei,

Wie sie dem Sinn des müden Denkers frommt!

Nun wollen wir, bevor mein Gatte kommt –

Zu Irsil

Und Ihr sollt auf der Harfe mich begleiten –

Zum Vortrag dieses Liedes uns bereiten.

Der König tritt ein.

ZOË

Der König naht –!

MAJA

Ich grüß’ Euch – mein Gemahl!

ASSAD

Hier bin ich, wie’s die Königin befahl!

Wer folgte nicht dem Ruf aus solchem Munde –?

… Ah, Zoë! Wahrlich schöner jede Stunde!

Und Irsil – unser lieber Musikus –

Da wartet meiner wohl ein Kunstgenuß –?

MAJA

Musik …!

ASSAD

… Musik!

MAJA

Ihr scheint nicht sehr entzückt?

ASSAD

Oh doch – nur find ich nicht das rechte Wort

Zu sagen gleich, wie sehr es mich beglückt!

Wie schön bekränzt ist doch die Büste dort –

MAJA

Alkandi’s Marmorbild –

ASSAD

… Es ist wohl heut –

Gedenktag, daß wir diesen Mann verloren,

Wie? Oder hundert Jahr’, daß er geboren –?

MAJA

Dies Bildnis schmück’ ich, wann’s mein Herz gebeut!

Doch ist’s ein Festtag wahrlich ohnegleichen,

Denn hört: zu singen ist mir heut vergönnt,

Aus einem alten Blatt, das niemand kennt –

Und dieses sind des Meisters eigne Zeichen.

Nun! Ist’s ein Festtag –?

ASSAD

Ja – nun seh’ ich’s ein.

MAJA

Ich harrte Euer – tretet mit uns ein –

ASSAD

Zu viel der Gnade gießt Ihr über mich!

Wie ich so hohes Glück nur tragen lerne –

MAJA

So kommt mit mir! Dies Glück gönn’ ich Euch gerne.

ASSAD

Ihr wißt, wie tief an süßen Liedern sich

Mein Herz erfreuen mag – zumal von ferne!

MAJA

befremdet

Ihr meint –

ASSAD

… Ich meine: daß ein Sang verhallend,

Im letzten Hinklang leise mich umwallend,

Mit tief’rer Rührung mein Gemüt umschlingt,

Als wenn er laut mir in die Seele dringt.

MAJA

… Ihr meint –

ASSAD

Ich meine: daß nur dann ein Lied

In wahrhaft reiner Schönheit uns umfängt,

Wenn es wie Geisterhauch die Luft durchzieht,

Uns nicht mit körperlicher Macht umdrängt,

Den Ton zu hören, will ich mich gewöhnen,

Das körperlose Spiel – das nicht zu fassen,

Mich durch die Spielerei nicht stören lassen.

Nicht ahnen will ich, daß die Tasten tönen,

Nicht wissen, wie’s der arme Atem macht,

Bis er mit Müh’ den Klang hervorgebracht.

Das ist’s, warum Natur so herrlich wirkt,

Weil sie uns ihre Arbeit stets verbirgt.

Wir sehen das Geschaff’ne wahr und groß,

Kunst ringt sich niemals ganz vom Künsteln los.

MAJA

Mit einem Wort – dieweil im reichen Segen

Uns eines Meisters letzter Gruß umglüht,

In ungeahnten Tönen niedersprüht,

Will König Assad hier der Ruhe pflegen.

ASSAD

O, nicht doch! Hören will ich Eure Lieder!

MAJA

Bleibt immerhin und ruht: Es wird mein Singen

spöttisch

Verhallend nur in Euren Schlummer dringen!

Kommt, Irsil! … Zoë! Laß den Vorhang nieder!

Königin, Zoë, Irsil ab. – Der Mittelvorhang rauscht nieder.

KÖNIG ASSAD allein

Ich aber trag’ mein Los! In allen Landen

Bleibt Kenner sowie Künstler unverstanden –

Zu Alkandi’s Büste gewendet

An deinem Schicksal kann ich mich erbau’n.

Wann hat man deine Größe denn erkannt?

Wie einsam irrtest du als junger Fant

In meines königlichen Vaters Gau’n!

Wie spät erfuhr man deines Genius Kraft –

Wann beugte man sich deiner Meisterschaft?

Erst als dein Haar zu bleichen dir begann –

Vom Greise sagten sie: das ist ein Mann!

Begeist’rung hub nun an in Nord und Süden,

Ist dir in deine Klause nachgeeilt.

»Ja, wißt Ihr, wer in uns’rer Mitte weilt?«

Verspätet fand der Ruhm den allzu Müden!

Der Menge Ruf, der tosend zu dir schallte,

Vor einer Krankenstube Tür verhallte,

Und wenn ein Weib zu deinen Füßen sank –

Ihr wurde nimmer deiner Liebe Dank!

Was nützt dem Sterbenden des Ruhmes Zoll …?

Nun, da du tot bist, sind sie alle toll!

Sie bau’n dir Monumente! Erz und Stein

Wetteifern, deine Größe auszuschrei’n!

Der Künstler stumm auf deinem Grabe kniet,

Wo Frauen lieben, singen sie dein Lied –

Der junge Bursche, den sein Schatz verlassen,

Poeten, Dirnen singen’s in den Gassen –

Durch’s offene Fenster klingt’s in meinen Saal

Und schließ ich’s – singt’s mein königlich Gemahl!

Er sinkt auf den Diwan nieder, hinter dem Vorhang hört man die Stimme der Königin, die ein Lied singt. Leise, süße Musik. Der König lauscht

Wie süß …

Pause. Wie wohl das aus der Ferne tut …

Er streckt sich aus; die Musik klingt weiter, der König schläft ein. Nach einiger Zeit öffnet sich der Vorhang. Zoë und Irsil bleiben hinter dem Vorhang stehen, der sich rasch wieder senkt, wie die Königin herausgetreten. Sie wendet sich der Büste Alkandi’s zu, streift im Vorbeigehen den König, der sich erhebt … Die Bühne wird ziemlich dunkel … das Lied klingt weiter.

KÖNIG ASSAD

… Was wollt Ihr …?

MAJA

mit einem hochmütigen Blick sich nach ihm umwendend

Hat der König wohl geruht –?

ASSAD

Ich ruhte nicht! Ich lag nur da und lauschte.

… Wohin – –?

MAJA

Ihm danken, der mein Herz berauschte.

Sie neigt sich.

ASSAD

Ihr wollt wohl gar vor dieser Büste knien?

MAJA

Ich darf es wohl …

ASSAD

Ihr wollt …!

MAJA

Ich liebe ihn!

ASSAD

Wie … Maja … Lieben …? Diese Büste dort?!

Entweiht Ihr also ein geheiligt Wort?

Und Euer Gatte – ich?! Habt Ihr’s bedacht –?

MAJA

Den lieb’ ich, König, der mich trunken macht!

Sie will niederknien, er läßt sie nicht nieder.

ASSAD

Steh auf! Mein Weib … mein Lieb … es kann nicht sein.

Ich liebe dich! Das hier ist kalt, ist Stein!

Besinne dich! Dein Gatte steh’ ich hier,

Ich, Maja! küßte deines Kleides Falten –

Erinnere dich, die Lippen küßt’ ich dir,

In meinen Armen hab ich dich gehalten!

Ich war es, der dein stolzes Herz begehrte,

Vor dir im Staub lag ich, erinn’re dich,

Die Meine warst du und du liebtest mich,

Ich war es, der die Trunkenheit dich lehrte.

MAJA sich nach ihm umwendend

Ja … dunkel noch besinn’ ich mich der Zeit,

Da König Assad um sein Weib gefreit.

Doch Eurer Liebe Frist war kurz gemessen,

Ein kurzer Rausch nach einem süßen Trunk,

Und heuchlerisch nennt Ihr Erinnerung,

Was nichts ist als ein langsames Vergessen.

Nun aber weile lang’ ich im Palast

Als Königin nicht mehr – nein, nur als Gast,

Und wahrlich, meine Heimat ist nicht hier!

Es ist ein Reich, wo körperlos und rein,

Die Luft erklingt von ewigen Melodei’n.

Mein Heim ist bei Alkandi!

Vor der Büste hinstürzend … Ja, bei dir!

ASSAD außer sich

Nun weiß ich’s doch, wer Eurer Küsse Glut

Seit Monden mir zu rauben sich vermessen,

Ich fühlt’ es ja, ich fühlt’ es allzugut –

In meinen Armen hast du mich vergessen!

Dieweil, von deines Atems Duft umwallt,

Ich dich umfing in seligem Vertrauen –

Sah ich dein Auge matt in’s Leere schauen.

Es blieb dein Mund an meinen Lippen kalt.

Nie ward ein Mann mit ärg’rer List betrogen!

Wärst du mit einem andern fortgezogen –

So könnt’ ich finden ihn – und eilt Euch nach –

… Hätt’ ich aus wohlverschlossenem Gemach

Dein buhlerisches Lachen tönen hören,

So dürft’ ich gen Lebendiges mich empören!

Die Türe schlüg’ ich ein mit meinem Schwert,

Zu rächen mich an dem, der mich entehrt!

Nun aber, wie zur Wahrheit ich erwache,

Grinst mich versteinert dieses Bildnis an –

Fühlloser Marmor dort – und hier ein Mann!

Betrogen bin ich so um meine Rache!

Das Leben Tausender in meinen Händen,

Und von dem starren Tod werd’ ich verlacht;

Es soll des Königs nie gekränkte Macht

Von diesem stummen Aug’ bezwungen enden.

Auf die Büste zu

Hinab mit dir! Und diese Blumen all –

Die Königin erhebt sich

… Mit denen man dein Haupt zu kränzen wagte,

Dieweil man mir die kleinste Gunst versagte,

Zerschmett’re sie in deinem letzten Fall!

Er schlägt die Büste zu Boden

… Da liegt nun dein Alkandi – Königin!

Vor die zerbroch’ne Büste wirf dich hin.

Laß’ mich den Staub, die Blumen noch zertreten!

Nun kniee nieder, um ihn anzubeten.

MAJA stolz

O König Assad! Das war fürstlich nicht!

So – hält ein zorn’ger Knabe nur Gericht.

Zersprang dies Bildnis auch von deiner Hand,

Es ragen andere noch im weiten Land –

ASSAD

Sie stehen heute! Morgen – sind sie fort!

Aus meinem Munde dringt ein einzig Wort,

Und was man allzuhoch versucht zu stellen,

Erbeben wird’s – wird sinken – wird zerschellen!

Wo immer man sein Standbild aufgerichtet –

Ein Zucken meines Aug’s – es ist vernichtet!

MAJA

Wie klein du bist! Und wenn die Bilder fallen,

Wenn du die Büsten stürzest in den Sand –

Wird dann nicht nach wie vor durch’s ganze Land,

Sein ewiger Geist in seinen Liedern schallen?

… Der Wanderer singt’s vergnügt in Feld und Wald,

Aus jeder Hütt’ im Reich der Sang erschallt,

Es hört’s von seines Liebchens süßem Munde

Der junge Träumer in beglückter Stunde!

Nimm ihnen, die begeistert sind und jung,

Nimm ihnen eines Lied’s Erinnerung.

Ohnmächtig ist hier deine Tyrannei!

Was groß und schön ist, König, das ist frei!

… Längst modert hier dein königlich Gepränge –

Vergessen Assad’s Thron und Macht und Recht –

Noch träumen von Geschlechte zu Geschlecht

Sich unvergänglich fort – der Lieder Klänge.

ASSAD

Ohnmächtig nennst du mich – und spottest mein?

So höre – um allmächtig mich zu nennen:

Wer jemals wagt, Alkandi’s Lied zu kennen,

Dem Tode lass’ ich den Verweg’nen weih’n!

Im ganzen Land lass’ ich es laut verkünden,

Bis in den letzten Winkel jeder Stadt.

Ich lasse Scheiterhaufen rings entzünden,

Verbrennen lass’ ich jedes Notenblatt.

Erklingt sein Lied aus einem Schlafgemach,

Die Späher schleichen dem Gesange nach.

Wird es im Wald, auf freiem Platz vernommen:

Vor seine Richter muß der Sänger kommen.

Und wo er immer sich mit List verbirgt –

Verfolgen lass’ ich ihn als Staatsverbrecher,

Sein Leben hat er gnadenlos verwirkt!

So werd’ ich meiner Königsehre Rächer!

Denn, wer Alkandi’s jemals noch gedenkt,

Des Königs Majestät hat er gekränkt.

Und so in seines Genius Vermächtnis,

Vertilg’ ich ihn, vertilge sein Gedächtnis!

… Und noch bevor die graue Frühe naht,

Ruf ich zusammen meiner Weisen Rat,

Wie mein Befehl am schnellsten zu besorgen,

Das ganze Land erfährt’s am nächsten Morgen!

Ich selber aber, allzu tief ergrimmt,

Um unter einem Dach mit Euch zu weilen,

Dieweil das Volk des Fürsten Schmach vernimmt,

Will meinem Groll und Eurer Schuld enteilen.

Und selber will ich, einsam – unerkannt,

Mich auf die trauervolle Wand’rung machen –

Selbst den Gehorsam prüfen rings im Land

Und über meinen heil’gen Willen wachen!

Wendet sich zum Gehen.

MAJA

Tu immerhin, was dich der Wahnsinn heißt –

Ohnmächtig bleibst du vor Alkandi’s Geist!

Und kommt dir irgendwo auf deinen Wegen,

Im Traum versunken, ein Poet entgegen:

So denk’, daß stumm durch seine Seele zieht,

Was du nicht töten kannst: Alkandi’s Lied!

Es senkt sich ein Mittelvorhang. Im Orchester ertönt dieselbe Weise, die früher zu hören war.

Die Szene stellt eine Landstraße nahe dem Walde dar; in der Ferne eine Stadt. Der Hintergrund erglüht von einem erlöschenden Feuer. Ein gestürztes Monument in der Ferne. König Assad, in einen Mantel gehüllt, tritt auf. Grauender Morgen. Während des nun folgenden Selbstgesprächs klingt im Orchester die Musik leise weiter.

KÖNIG ASSAD

Dem Ende nah’n sich meine Wanderungen.

Mein Herz ist ruhig und ich atme frei.

Der Vorsatz ist erfüllt, das Werk gelungen …

Verklungen ist Alkandi’s Melodei.

Es glüh’n die letzten Funken aus dem Scheite,

Darauf sein letztes Notenblatt verbrennt,

Noch sprüht des Marmors Staub hinaus in’s Weite,

Von dem gefall’nen letzten Monument!

Verstummt die einst so vielgesung’nen Lieder,

Vergessen meines Volkes Sangesheld!

Zu meinem Schloß kehr’ ich zufrieden wieder,

Gehöre neu dem Reich an und der Welt!

… Seit ich vor Monden meine Burg verlassen,

Erstarb in meinem Lande aller Sang.

Durch tote Städte zog ich, stumme Gassen,

Nur mir im Sinn blieb der verhaßte Klang.

Nun aber will auch dieser Gram sich neigen,

Daß mir im Herzen selbst das Lied nicht schlief.

Auch meine Seele trinkt ein ew’ges Schweigen

Und heil’ge Still’ umfängt mich süß und tief.

Der König, der diese Worte eintönig, wie traumverloren, gesprochen, geht langsam ab. Verwandlung. Es ist wieder die Szene wie im Anfang zu sehen. Anfangs bleibt die Bühne leer. König Assad tritt auf.

ASSAD

Sie schlafen alle … Durch den dunklen Gang

Hat Sehnsucht mich in dies Gemach geleitet,

Wo mir so schlimmer Abschied ward bereitet.

Nun aber, da ich meinen Feind bezwang,

Ein Sieger zur Geliebten wiederkehre,

Ist’s nur Versöhnung, die ich heiß begehre –

Die Königin Maja tritt aus ihrem Schlafgemach, erblickt den König und fährt zusammen.

MAJA

Ihr seid es – mein Gemahl …!?

ASSAD

neigt sich vor ihr Ja …! Euch zu Füßen …

MAJA

faßt die Hände des Königs, der sich vor ihr niederwerfen will

O, nicht doch. Nein! Nicht so laßt Euch begrüßen!

ASSAD

Ich hab’ Euch wohl im ersten Schlaf erweckt?

MAJA

O nein …!

ASSAD

Gewiß … Ihr scheint ja ganz erschreckt!

MAJA

… Die dumpfen Schritte zu so später Stunde …

Von Eurer Rückkehr ward mir keine Kunde!

ASSAD

Ich komme wieder, da mein Werk vollendet.

… Was ist Euch? … Findet ihr kein Willkommwort?

MAJA

Ihr bliebt so lang’ und ohne Nachricht fort …

ASSAD

… Warum habt Euren Blick Ihr fortgewendet?

… Zürnt Ihr dem Gatten? Seid Ihr noch verblendet?

… Was zittert in der meinen Eure Hand?

Zog darum einsam ich hinaus in’s Land,

Um hier denselben alten Schmerz zu finden,

Der mich aus Eurer Nähe fortgebannt?

MAJA

… O nein!

ASSAD

… Ich fühle alle Freude schwinden,

Ich fühl’ es ja! Denn wenn es anders wäre,

Ihr küßtet mich, nun, da ich wiederkehre.

So aber herrscht in dem verstockten Sinn

Noch immer jenes andern Angedenken –

Und während ich verlacht, vergessen bin,

Weiß ich Euch jenem Eure Liebe schenken!

MAJA

Nein, König Assad – nein!

ASSAD

… Warum doch nennt

Ihr König Assad mich? Weil Ihr erkennt,

Daß ich nichts anderes mehr für Euch bedeute?!

Nein, König bin ich für die anderen Leute –

Hier soll mein Weib sich mir in Liebe neigen!

Doch sie empfängt mich in bedrängtem Schweigen,

Auf ihrem Antlitz les’ ich Unmut, Angst,

Ich seh’ es klar …

Heftig Sprich’s aus, wovor du bangst –

MAJA

Ich bange nicht.

ASSAD

drängend … Du trägst an deiner Brust

Alkandi’s Konterfei an güld’ner Kette –

MAJA

Ihr rast –

ASSAD

In diesem Schloß, nur dir bewußt,

Ruht jenes Notenblatt an dunkler Stätte.

MAJA

Was fällt Euch ein?

ASSAD

wie oben In deinem Schlafgemache

Bewahrst Alkandi’s letztes Bildnis du –

MAJA

Wohin …?

ASSAD

… Du schlossest wohl die Türe zu,

Dies schirmt ihn wahrlich nicht vor meiner Rache.

MAJA vor der Tür

Ihr wollt –

ASSAD

Es offenbart sich deine Schuld –

Hinweg, zu lange säumte meine Huld.

Er schlägt die Tür mit seinem Schwerte ein, Irsil tritt ihm entgegen.

ASSAD aufschreiend

… Mich narrt wohl ein Gespenst?

MAJA

O, töt’ ihn nicht –

ASSAD

… Nein, Nein! Ich habe meiner Augen Licht –

Und dieser Mann ist Irsil – diese Dirne

Mein eigen Weib! Auf dieser blassen Stirne

Steht ihr das Zeichen ewiger Schmach geschrieben –

O, Dirne, du! … Du hast mich fortgetrieben –

MAJA

O, Gnade –

IRSIL

Meine Schuld ist es allein –

Ich schlich mich ungeseh’n zur Nachtzeit ein –

ASSAD

So bin ich einem Schatten nachgejagt,

Bin wie ein Narr im Land umhergezogen,

Den toten Meister hab’ ich angeklagt,

Lebend’ger Stümper nur hat mich betrogen.

Wahrhaftig! Lustig muß die Märe sein,

Vom König, der sein junges Weib allein

Mit ihrem Buhlen ließ im Königsschloß,

Weil ihn Alkandi’s Lied zu sehr verdroß,

Vom König, der hinauszog in das Land

Und düster dastand in des Morgens Grauen,

Zu seh’n der Scheiterhaufen stolzen Brand,

Der Monumente Stürzen anzuschauen.

Ich Narr! Ich unerhört betrog’ner Tor!

… Was hör’ ich draußen? Dringt nicht an mein Ohr

Das Höhnen meines Volkes vor den Fenstern?

… Der König Assad jagte nach Gespenstern;

Es hat die junge Königin indessen

In eines Buhlen Arm ihn gern vergessen!

… Hört Ihr, von ihres Hohngelächters Tönen

Die Fenster klirren und die Balken stöhnen?

In meines Schlosses Hof sind sie gedrungen,

Das große Tor ward ihnen aufgetan.

Nun wird gelacht, geschrie’n, gejohlt, gesungen:

Wir woll’n ihn seh’n, den tollen Ehemann!

Hört ihr’s? … Es dringt der roten Fackeln Schein

Zudringlich durch die Fenster uns herein –

Seht ihr’s? Hört ihr’s?

… Die Scheiben fliegen auf,

Man hört Lärm, sieht der Fackeln Schein

Der Lärm, das Licht, dringt grell und laut herauf,

Kommt, folgt mir hin, dem Volke euch zu zeigen,

Denn ich will Ruhe, Dunkelheit und Schweigen.

Schleppt die zwei zum Fenster, das aufgeflogen ist

Was wollt ihr? Warum schreit ihr? Und weshalb

Hebt ihr die Fackeln hoch, die rötlich falb

Den Rauch in meine Augen steigen lassen?

Was trieb zusammen euch aus allen Gassen?

Ihr wollt es seh’n, das buhlerische Paar?

Seht her! Seht den, der einst ein König war

Und den man als Betrog’nen nun verlacht.

Noch aber hab’ ich alle meine Macht!

In meinen Händen, Irsil, liegt dein Los

Und strafen will ich königlich und groß.

Hier von der Brüstung in die tolle Menge

Stürz’ ich hinunter dich! Der Fackeln Licht

Sei deines Sterbetages Festgepränge.

Hinunter … stirb! … Es hält mein Volk Gericht!

Der König stürzt den sich wehrenden Irsil nach kurzem Ringen zum Fenster hinunter; die Königin schreit auf. Plötzliche Stille, Dunkelheit. Der König stürzt nach vom, während die Königin fassungslos stehen bleibt, und sinkt auf den Diwan. Der Vorhang zum Musikgemach ist gefallen; im Orchester erklingt jene Melodie.

Der König liegt schwer atmend, unruhig schlafend, auf dem Diwan. Pause. Königin, Zoë, Irsil treten heraus.

KÖNIGIN MAJA

Ich dank’ Euch, Irsil! Mir gefiel es sehr,

Nun wollen wir des Königs Meinung wissen.

ZOË

Der König schläft … Es ist das Ruhekissen

Herabgesunken ganz …

MAJA

Er atmet schwer!

Mein König, wachet auf!

ASSAD

Was gibt’s, wer spricht?

MAJA

Ich, Eure Gattin, bin’s! Kennt Ihr mich nicht?

ASSAD

Du, Maja, du?

MAJA

So lauscht Ihr meinem Sang?

In Schlummer fielt Ihr?

ASSAD

Ja … mir träumte bang.

Wie lange, sagt mir, weilt’ ich hier allein?

MAJA

Minuten mögen’s nur gewesen sein.

ASSAD

Minuten nur? Ihr habt nicht viel gesungen.

MAJA

Nur jenes eine Lied, das Irsil fand.

ASSAD

’s ist in den Schlummer mir hereingeklungen,

Wenn ich die Worte auch nicht recht verstand.

MAJA

Nun … wenn Ihr gut gelaunt, ein andermal,

So folgt mir, wenn ich singe, in den Saal!

Ihr werdet Dank dem wackern Irsil sagen!

IRSIL

Zu viel der Gnade beut Ihr, Königin –

ASSAD

Gewiß nicht. Und Ihr sollt auch nimmer klagen,

Daß ich ein undankbarer König bin.

Belohnen will ich Euch, so gut ich kann –

IRSIL

Mein König!

ASSAD

Ja … schon lange seh’ ich’s an,

Wie Ihr begeistert Eure Jugendzeit

Dem schönsten Ziele Eurer Kunst geweiht.

Das Höchste, Jüngling, könntet Ihr erreichen.

Wenn einer – werdet Ihr Alkandi gleichen!

IRSIL

O, König Assad will mich nur beschämen.

ASSAD

Ich bitt’ Euch, eine Gnade anzunehmen,

Die ich für Euch ersann … Im Schloß das Treiben,

Schon lange merk’ ich’s, es behagt Euch nicht,

Ich sehe klar, was Eure Miene spricht:

»O, könnt’ ich fort, o müßt’ ich hier nicht bleiben!«

IRSIL

Mein König, diese Meinung …

ASSAD

O, gemach,

Ich fühl’ es Euch, dem wahren Künstler, nach,

Ich geb’ Euch Eure Freiheit d’rum vollauf.

Und wenn Ihr einen Rat mir noch gestattet:

So sucht, vom Lärm des Hofes tief ermattet,

Am Strande unsern eig’nen Landsitz auf.

Die Jahreszeit ist spät … Ihr solltet eilen,

Zumal der Weg dahin dreihundert Meilen.

IRSIL

Mein König!

ASSAD

O, erlaßt mir Euren Dank …

Der Stadtluft Dumpfheit macht den Sänger krank.

Zu lang schon trugt Ihr Euer Los geduldig,

Der König ist dem Künstler Freiheit schuldig!

… Lebt wohl! Der Abschied in der Morgenstunde

Sei Euch erlassen … Denn gewiß, Ihr wollt

Schon in der Früh davon. Ihr gebt mir Kunde,

Wenn Ihr am Ziele! Sei das Glück Euch hold!

Der König, dessen Worte immer befehlender geklungen, hat sich von Irsil abgewendet, der sich tief verbeugt und geht. Pause

MAJA

Wenn ich den Sinn der Worte recht verstand,

Habt Ihr von unserm Hofe ihn verbannt.

ZOË

sich auf die Knie niederlassend

O, König, eine Gnad’ erfleh’ ich …

ASSAD

Sprich!

ZOË

Ich bitt’ Euch … sendet an das Meer auch mich!

ASSAD

Ei seht! So hat er dieses Herz gebrochen?

ZOË

Zur Frau zu nehmen hat er mir versprochen,

Doch fürcht’ ich, daß er auf der langen Reise

Des Mädchens hier vergißt!

ASSAD

Wie bist du weise!

Doch deine Herrin ist die Königin –

ZOË

O, Königin, ich fleh’ Euch an.

MAJA

sie zu sich erhebend Zieh’ hin!

Zoë geht. Pause.

KÖNIG ASSAD

Weit schritt der Abend vor – ich lass’ Euch nun Allein.

MAJA

Gut Nacht! Ich wünsch’ Euch, wohl zu ruh’n!

ASSAD

für sich

Mich dünkt, all diese Wirrnis löst ein Wort,

Sie aber spricht’s nicht aus und läßt mich fort.

MAJA

sich bei der Tür ihres Zimmers umwendend

Ihr nahmet Abschied, doch … Ihr seid noch da?

ASSAD

Verzeiht mir – doch ich bin der Türe nah!

Für sich

Sie selber ist’s, die mich von dannen treibt.

MAJA

zögernd

Mein König!

ASSAD

Wie?

Sich ihr nähernd

Ihr rieft mir –

MAJA

Assad! … Bleibt!

Er eilt ihr entgegen.

Der Vorhangfällt.

Anatol

Einleitung. Von Loris

Die Frage an das Schicksal

Weihnachtseinkäufe

Episode

Denksteine

Abschiedssouper

Agonie

Anatols Hochzeitsmorgen

Einleitung

Hohe Gitter, Taxushecken,

Wappen, nimmermehr vergoldet,

Sphinxe, durch das Dickicht schimmernd …

… Knarrend öffnen sich die Tore. –

Mit verschlafenen Kaskaden

Und verschlafenen Tritonen,

Rokoko, verstaubt und lieblich

Seht … das Wien des Canaletto,

Wien von Siebzehnhundertsechzig …

… Grüne, braune, stille Teiche,

Glatt und marmorweiß umrandet,

In dem Spiegelbild der Nixen

Spielen Gold- und Silberfische …

Auf dem glattgeschor’nen Rasen

Liegen zierlich gleiche Schatten

Schlanker Oleanderstämme;

Zweige wölben sich zur Kuppel,

Zweige neigen sich zur Nische

Für die steifen Liebespaare

Heroinen und Heroen …

Drei Delphine gießen murmelnd

Fluten in ein Muschelbecken …

Duftige Kastanienblüten

Gleiten, schwirren leuchtend nieder

Und ertrinken in dem Becken …

… Hinter einer Taxusmauer

Tönen Geigen, Klarinetten …

Und sie scheinen den graziösen

Amoretten zu entströmen,

Die rings auf der Rampe sitzen

Fiedelnd oder Blumen windend,

Selbst von Blumen bunt umgeben,

Die aus Marmorvasen strömen:

Goldlack und Jasmin und Flieder …

… Auf der Rampe, zwischen ihnen

Sitzen auch kokette Frauen,

Violette Monsignori …

Und im Gras, zu ihren Füßen,

Und auf Polstern, auf den Stufen:

Kavaliere und Abbati …

And’re heben and’re Frauen

Aus den parfümierten Sänften …

… Durch die Zweige brechen Lichter,

Flimmernd auf den blonden Köpfchen;

Scheinen auf den bunten Polstern,

Gleiten über das Gerüste,

Gleiten über Kies und Rasen,

Das wir flüchtig aufgeschlagen.

Wein und Winde klettert aufwärts

Und umhüllt die lichten Balken.

Und dazwischen, farbenüppig

Flattert Teppich und Tapete,

Schäferszenen, keck gewoben,

Zierlich von Watteau entworfen …

Eine Laube statt der Bühne,

Sommersonne statt der Lampen,

Also spielen wir Theater,

Spielen uns’re eig’nen Stücke,

Frühgereift und zart und traurig,

Die Komödie uns’rer Seele,

Uns’res Fühlens Heut und Gestern,

Böser Dinge hübsche Formel,

Glatte Worte, bunte Bilder,

Halbes, heimliches Empfinden,

Agonien, Episoden …

Manche hören zu, nicht alle …

Manche träumen, manche lachen,

Manche essen Eis … und manche

Sprechen sehr galante Dinge …

… Nelken wiegen sich im Winde,

Hochgestielte, weiße Nelken,

Wie ein Schwarm von weißen Faltern …

Und ein Bologneserhündchen

Bellt verwundert einen Pfau an …

Herbst 1892 Loris

Die Frage an das Schicksal

ANATOL, MAX, CORA

Anatols Zimmer.

MAX

Wahrhaftig, Anatol, ich beneide dich …

ANATOL

lächelt.

MAX

Nun, ich muß dir sagen, ich war erstarrt. Ich habe ja doch bisher das Ganze für ein Märchen gehalten. Wie ich das nun aber sah … wie sie vor meinen Augen einschlief … wie sie tanzte, als du ihr sagtest, sie sei eine Ballerine, und wie sie weinte, als du ihr sagtest, ihr Geliebter sei gestorben, und wie sie einen Verbrecher begnadigte, als du sie zur Königin machtest …

ANATOL

Ja, ja.

MAX

Ich sehe, es steckt ein Zauberer in dir!

ANATOL

In uns allen!

MAX

Unheimlich!

ANATOL

Das kann ich nicht finden … Nicht unheimlicher als das Leben selbst. Nicht unheimlicher als vieles, auf das man erst im Laufe der Jahrhunderte gekommen. Wie, glaubst du wohl, war unsern Voreltern zumute, als sie plötzlich hörten, die Erde drehe sich? Sie müssen alle schwindlig geworden sein!

MAX

Ja … aber es bezog sich auf alle!

ANATOL

Und wenn man den Frühling neu entdeckte! … Man würde auch an ihn nicht glauben! Trotz der grünen Bäume, trotz der blühenden Blumen und trotz der Liebe.

MAX

Du verirrst dich; all das ist Gefasel. Mit dem Magnetismus …

ANATOL

Hypnotismus …

MAX

Nein, mit dem ist’s ein ander Ding. Nie und nimmer würde ich mich hypnotisieren lassen. –

ANATOL

Kindisch! Was ist daran, wenn ich dich einschlafen heiße, und du legst dich ruhig hin.

MAX

Ja, und dann sagst du mir: »Sie sind ein Rauchfangkehrer«, und ich steige in den Kamin und werde rußig! …

ANATOL

Nun, das sind ja Scherze … Das Große an der Sache ist die wissenschaftliche Verwertung. – Aber ach, allzuweit sind wir ja doch nicht.

MAX

Wieso …?

ANATOL

Nun, ich, der jenes Mädchen heute in hundert andere Welten versetzen konnte, wie bring’ ich mich selbst in eine andere?

MAX

Ist das nicht möglich?

ANATOL

Ich hab’ es schon versucht, um die Wahrheit zu sagen. Ich habe diesen Brillantring minutenlang angestarrt und habe mir selbst die Idee eingegeben: Anatol! Schlafe ein! Wenn du aufwachst, wird der Gedanke an jenes Weib, das dich wahnsinnig macht, aus deinem Herzen geschwunden sein.

MAX

Nun, als du aufwachtest?

ANATOL

O, ich schlief gar nicht ein.

MAX

Jenes Weib … jenes Weib? … Also noch immer!

ANATOL

Ja, mein Freund! … Noch immer! Ich bin unglücklich, bin toll.

MAX

Noch immer also … im Zweifel?

ANATOL

Nein … nicht im Zweifel. Ich weiß, daß sie mich betrügt! Während sie an meinen Lippen hängt, während sie mir die Haare streichelt … während wir selig sind … weiß ich, daß sie mich betrügt.

MAX

Wahn!

ANATOL

Nein!

MAX

Und deine Beweise?

ANATOL

Ich ahne es … ich fühle es … darum weiß ich es!

MAX

Sonderbare Logik!

ANATOL

Immer sind diese Frauenzimmer uns untreu. Es ist ihnen ganz natürlich … sie wissen es gar nicht … So wie ich zwei oder drei Bücher zugleich lesen muß, müssen diese Weiber zwei oder drei Liebschaften haben.

MAX

Sie liebt dich doch?

ANATOL

Unendlich … Aber das ist gleichgültig. Sie ist mir untreu.

MAX

Und mit wem?

ANATOL

Weiß ich’s? Vielleicht mit einem Fürsten, der ihr auf der Straße nachgegangen, vielleicht mit einem Poeten aus einem Vorstadthause, der ihr vom Fenster aus zugelächelt hat, als sie in der Früh’ vorbeiging!

MAX

Du bist ein Narr!

ANATOL

Und was für einen Grund hätte sie, mir nicht untreu zu sein? Sie ist wie jede, liebt das Leben, und denkt nicht nach. Wenn ich sie frage: Liebst du mich? – so sagt sie ja – und spricht die Wahrheit; und wenn ich sie frage, bist du mir treu? – so sagt sie wieder ja – und wieder spricht sie die Wahrheit, weil sie sich gar nicht an die andern erinnert – in dem Augenblick wenigstens. Und dann, hat dir je eine geantwortet: Mein lieber Freund, ich bin dir untreu? Woher soll man also die Gewißheit nehmen? Und wenn sie mir treu ist –

MAX

Also doch! –

ANATOL

So ist es der reine Zufall … Keineswegs denkt sie: O, ich muß ihm die Treue halten, meinem lieben Anatol … keineswegs …

MAX

Aber wenn sie dich liebt?

ANATOL

O, mein naiver Freund! Wenn das ein Grund wäre!

MAX

Nun?

ANATOL

Warum bin ich ihr nicht treu? … Ich liebe sie doch gewiß!

MAX

Nun ja! Ein Mann!

ANATOL

Die alte dumme Phrase! Immer wollen wir uns einreden, die Weiber seien darin anders als wir! Ja, manche … die, welche die Mutter einsperrt, oder die, welche kein Temperament haben … Ganz gleich sind wir. Wenn ich einer sage: Ich liebe dich, nur dich – so fühle ich nicht, daß ich sie belüge, auch wenn ich in der Nacht vorher am Busen einer andern geruht.

MAX

Ja … du!

ANATOL

Ich … ja! Und du vielleicht nicht? Und sie, meine angebetete Cora vielleicht nicht? Oh! Und es bringt mich zur Raserei. Wenn ich auf den Knien vor ihr läge und ihr sagte: Mein Schatz, mein Kind – alles ist dir im Vorhin verziehen – aber sag’ mir die Wahrheit – was hülfe es mir? Sie würde lügen wie vorher – und ich wäre soweit als vorher. Hat mich noch keine angefleht: »Um Himmels willen! Sag’ mir … bist du mir wirklich treu? Kein Wort des Vorwurfs, wenn du’s nicht bist; aber die Wahrheit! Ich muß sie wissen« … Was hab’ ich drauf getan? Gelogen … ruhig, mit einem seligen Lächeln … mit dem reinsten Gewissen. Warum soll ich dich betrüben, hab’ ich mir gedacht? Und ich sagte: Ja, mein Engel! Treu bis in den Tod. Und sie glaubte mir und war glücklich!

MAX

Nun also!

ANATOL

Aber ich glaube nicht und bin nicht glücklich! Ich wär’ es, wenn es irgendein untrügliches Mittel gäbe, diese dummen, süßen, hassenswerten Geschöpfe zum Sprechen zu bringen oder auf irgendeine andere Weise die Wahrheit zu erfahren … Aber es gibt keines außer dem Zufall.

MAX

Und die Hypnose?

ANATOL

Wie?

MAX

Nun … die Hypnose … Ich meine das so: Du schläferst sie ein und sprichst: Du mußt mir die Wahrheit sagen.

ANATOL

Hm …

MAX

Du mußt … Hörst du …

ANATOL

Sonderbar! …

MAX

Es müßte doch gehen … Und nun fragst du sie weiter … Liebst du mich? … Einen anderen? … Woher kommst du? … Wohin gehst du? … Wie heißt jener andere? … Und so weiter.

ANATOL

Max! Max!

MAX

Nun …

ANATOL

Du hast recht! … Man könnte ein Zauberer sein! Man könnte sich ein wahres Wort aus einem Weibermund hervorhexen …

MAX

Nun, also? Ich sehe dich gerettet! Cora ist ja gewiß ein geeignetes Medium … heute abend noch kannst du wissen, ob du ein Betrogener bist … oder ein …

ANATOL

Oder ein Gott! … Max! … Ich umarme dich! … Ich fühle mich wie befreit … ich bin ein ganz anderer. Ich habe sie in meiner Macht …

MAX

Ich bin wahrhaftig neugierig …

ANATOL

Wieso? Zweifelst du etwa?

MAX

Ach so, die andern dürfen nicht zweifeln, nur du …

ANATOL

Gewiß! … Wenn ein Ehemann aus dem Hause tritt, wo er eben seine Frau mit ihrem Liebhaber entdeckt hat, und ein Freund tritt ihm entgegen mit den Worten: Ich glaube, deine Gattin betrügt dich, so wird er nicht antworten: Ich habe soeben die Überzeugung gewonnen … sondern: Du bist ein Schurke …

MAX

Ja, ich hatte fast vergessen, daß es die erste Freundespflicht ist – dem Freund seine Illusionen zu lassen.

ANATOL

Still doch …

MAX

Was ist’s?

ANATOL

Hörst du sie nicht? Ich kenne die Schritte, auch wenn sie noch in der Hausflur hallen.

MAX

Ich höre nichts.

ANATOL

Wie nahe schon! … Auf dem Gange … Öffnet die Tür Cora!

CORA

draußen Guten Abend! O du bist nicht allein …

ANATOL

Freund Max!

CORA

hereintretend Guten Abend! Ei, im Dunklen? …

ANATOL

Ach, es dämmert ja noch. Du weißt, das liebe ich.

CORA

ihm die Haare streichelnd Mein kleiner Dichter!

ANATOL

Meine liebste Cora!

CORA

Aber ich werde immerhin Licht machen … Du erlaubst.

Sie zündet die Kerzen in den Leuchtern an.

ANATOL

zu Max Ist sie nicht reizend?

MAX

Oh!

CORA

Nun, wie geht’s? Dir Anatol – Ihnen, Max? – Plaudert ihr schon lange?

ANATOL

Eine halbe Stunde.

CORA

So. Sie legt Hut und Mantel ab Und worüber?

ANATOL

Über dies und jenes.

MAX

Über die Hypnose.

CORA

O schon wieder die Hypnose! Man wird ja schon ganz dumm davon.

ANATOL

Nun …

CORA

Du, Anatol, ich möchte, daß du einmal mich hypnotisierst.

ANATOL

Ich … dich …?

CORA

Ja, ich stelle mir das sehr hübsch vor. Das heißt – von dir.

ANATOL

Danke.

CORA

Von einem Fremden … nein, nein, das wollt’ ich nicht.

ANATOL

Nun, mein Schatz … wenn du willst, hypnotisiere ich dich.

CORA

Wann?

ANATOL

Jetzt! Sofort, auf der Stelle.

CORA

Ja! Gut! Was muß ich tun?

ANATOL

Nichts anderes, mein Kind, als ruhig auf dem Fauteuil sitzen zu bleiben und den guten Willen haben, einzuschlafen.

CORA

O ich habe den guten Willen!

ANATOL

Ich stelle mich vor dich hin, du siehst mich an … nun … sieh mich doch an … ich streiche dir über Stirne und Augen. So …

CORA

Nun ja, und was dann …

ANATOL

Nichts … Du mußt nur einschlafen wollen.

CORA

Du, wenn du mir so über die Augen streichst, wird mir ganz sonderbar …

ANATOL

Ruhig … nicht reden … Schlafen. Du bist schon recht müde.

CORA

Nein.

ANATOL

Ja! … Ein wenig müde.

CORA

Ein wenig, ja …

ANATOL

… Deine Augenlider werden dir schwer … sehr schwer, deine Hände kannst du kaum mehr erheben …

CORA

leise Wirklich.

ANATOL

ihr weiter über Stirne und Augen streichelnd, eintönig Müd’ … ganz müd’ bist du … nun schlafe ein, mein Kind … Schlafe. Er wendet sich zu Max, der bewundernd zusieht, macht eine siegesbewußte Miene Schlafen … Nun sind die Augen fest geschlossen … Du kannst sie nicht mehr öffnen …

CORA

will die Augen öffnen.

ANATOL

Es geht nicht … Du schläfst … Nur ruhig weiter schlafen … So …

MAX

will etwas fragen Du …

ANATOL

Ruhig. Zu Cora … Schlafen … fest, tief schlafen. Er steht eine Weile vor Cora, die ruhig atmet und schläft So … nun kannst du fragen.

MAX

Ich wollte nur fragen, ob sie wirklich schläft.

ANATOL

Das siehst du doch … Nun wollen wir ein paar Augenblicke warten. Er steht vor ihr, sieht sie ruhig an. Große Pause Cora! … Du wirst mir nun antworten … Antworten. Wie heißt du?

CORA

Cora.

ANATOL

Cora, wir sind im Wald.

CORA

O … im Wald … wie schön! Die grünen Bäume … und die Nachtigallen.

ANATOL

Cora … Du wirst mir nun in allem die Wahrheit sagen … Was wirst du tun, Cora?

CORA

Ich werde die Wahrheit sagen.

ANATOL

Du wirst mir alle Fragen wahrheitsgetreu beantworten, und wenn du aufwachst, wirst du wieder alles vergessen haben! Hast du mich verstanden?

CORA

Ja.

ANATOL

Nun schlafe … ruhig schlafen. Zu Max Jetzt also werde ich sie fragen …

MAX

Du, wie alt ist sie denn?

ANATOL

Neunzehn … Cora, wie alt bist du?

CORA

Einundzwanzig Jahre.

MAX

Haha.

ANATOL

Pst … das ist ja außerordentlich … Du siehst daraus …

MAX

O, wenn sie gewußt hätte, daß sie ein so gutes Medium ist!

ANATOL

Die Suggestion hat gewirkt. Ich werde sie weiter fragen. – Cora, liebst du mich …? Cora … liebst du mich?

CORA

Ja!

ANATOL

triumphierend Hörst du’s?

MAX

Nun also, die Hauptfrage, ob sie treu ist.

ANATOL

Cora! Sich umwendend Die Frage ist dumm.

MAX

Warum?

ANATOL

So kann man nicht fragen!

MAX

 …?

ANATOL

Ich muß die Frage anders fassen.

MAX

Ich denke doch, sie ist präzis genug.

ANATOL

Nein, das ist eben der Fehler, sie ist nicht präzis genug.

MAX

Wieso?

ANATOL

Wenn ich sie frage: Bist du treu, so meint sie dies vielleicht im allerweitesten Sinne.