Animox 1. Das Heulen der Wölfe - Aimée Carter - E-Book
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Animox 1. Das Heulen der Wölfe E-Book

Aimée Carter

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Beschreibung

Krieg der Tierwandler: Als Ratten seine Mutter entführen und sein Onkel sich in einen Wolf verwandelt, wird dem 12-jährigen Simon in Aimée Carters "Animox" klar: Seine Familie zählt zu den sogenannten Animox – Menschen, die sich in mächtige Tiere verwandeln können. Und schon steckt er mitten im erbitterten Krieg der fünf Königreiche der Animox. Ob Simon ein Nachfahre des "Beast King" ist, der sich in alle fünf Tierarten verwandeln kann?

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Inhaltsverzeichnis

TitelseiteHinweis zur LeseprobeErstes Kapitel TaubenpfannkuchenZweites Kapitel Tierische InstinkteDrittes Kapitel Mann gegen MausViertes Kapitel RattenfalleFünftes Kapitel Der Herr der VögelSechstes Kapitel RaubvögelSiebtes Kapitel Der RattenkönigAchtes Kapitel Das L.A.G.E.R.Neuntes Kapitel Der AlphaprinzZehntes Kapitel HackordnungElftes Kapitel Einer frisst den anderenZwölftes Kapitel Der BestienkönigDreizehntes Kapitel Die Macht des GreifstabsVierzehntes Kapitel HundekampfFünfzehntes Kapitel NachteulenSechzehntes Kapitel EisbärenclubSiebzehntes Kapitel Die AlphaAchzehntes Kapitel SpinnenspieleNeunzehntes Kapitel Zwei Vögel auf einen StreichZwanzigstes Kapitel Vor die HundeEinundzwanzigstes Kapitel Hai-AlarmZweiundzwanzigstes Kapitel Wild gewordenDreiundzwanzigstes Kapitel Feindliches GebietVierundzwanzigstes Kapitel TodesvögelFünfundzwanzigstes Kapitel TaubenkackeSechsundzwanzigstes Kapitel WolfsgeheulLeseprobe: Animox. Das Auge der SchlangeStumm wie ein FischMehr entdeckenDie fünf Reiche der Animox – Wie alles beginnt …Tierisch spannend! Fun-Facts aus dem TierreichWelches Tier steckt in dir?Gewinnspiel

 

 

 

Schon jetzt die ersten Seiten vorab lesen!

Am 22. August 2016 ist es endlich soweit: dann erscheint »Animox. Das Heulen der Wölfe« in voller Länger!

Erstes KapitelTaubenpfannkuchen

Pock, pock. Pock, pock, pock.

Simon Thorn schlug die Augen auf. Er lag in seinem Bett, atmete schwer und blinzelte ins erste Morgenlicht. Gerade noch war er mitten im Traum gewesen, und je mehr er sich bemühte, ihn zurückzuholen, desto schneller entglitt er ihm. Dabei schien der Traum wichtig gewesen zu sein. Obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, ihr Gesicht gesehen zu haben, wusste er, dass seine Mutter darin vorgekommen war.

Pock. Pock, pock, pock.

Er rollte sich auf die andere Seite, noch ganz benommen, weil er so wenig geschlafen hatte. Durch die kleine New Yorker Wohnung, in der er mit seinem Onkel wohnte, zog Pfannkuchenduft, und Simon wurde schlecht. Nicht einmal Pfannkuchen mit Schokostückchen machten es erträglich, dass heute sein erster Tag in der siebten Klasse war.

Pock. Pock, pock. Pock, pock, pock.

Auf dem Fensterbrett saß eine Taube und klopfte mit dem Schnabel gegen die Scheibe. Simon stöhnte. »Du bist zu früh. Komm später wieder.«

Die Taube klopfte unbeirrt weiter. Typisch. Simon hatte festgestellt, dass Tauben im Allgemeinen ziemlich unhöfliche und eingebildete Geschöpfe waren. Was kümmerte es die Taube, dass Simon erst kurz vor Mitternacht eingeschlafen war, weil seine Gedanken nicht zur Ruhe gekommen waren und ihm flau im Magen gewesen war? Für sie zählte nur eins, und das war …

»Futter!«, gurrte sie, als Simon das Fenster öffnete. Ein Dutzend weitere Tauben landete auf der Feuertreppe. »Futter! Futter! Futter!«

»Ich habe noch nichts«, sagte Simon.

»Hast du wohl. Riech ich«, sagte die erste Taube. Sie flatterte ins Zimmer und landete auf dem Nachttisch. Die anderen drängten sich zusammen und stritten um den frei gewordenen Platz auf der Fensterbank. »Futter! Futter!«

»Lasst mich in Ruhe.«

Simon versuchte, sie zu verscheuchen, aber es wurden immer mehr. An einem anderen Tag hätte ihn das nicht gestört. Simon mochte Tiere. Ihnen war es egal, dass er kleiner und schmächtiger war als die anderen Zwölfjährigen in seiner Schule, und sie waren immer da, wenn er jemanden zum Reden brauchte. Aber an diesem Morgen wurde es ihm zu viel. Er hatte schon genug Sorgen, auch ohne hungrige Tauben.

»Wenn ihr nicht sofort verschwindet, kommt mein Onkel, und ihr wisst ja, was er mit Tauben macht«, drohte er.

Das verschlug ihnen die Sprache, und sie wechselten ängstliche Blicke. »Wir … Futter?«, fragte die erste.

»Genau. Mein Onkel liebt Taubenpfannkuchen«, sagte Simon. »Könnt ihr den Teig riechen?«

Die erste Taube plusterte sich auf und spähte Richtung Fenster. Soweit Simon wusste, hatte Darryl es noch nie gewagt, einem Lebewesen etwas zuleide zu tun (abgesehen von den Spinnen im Treppenhaus, die Simon gewarnt hatte, bevor Darryl sie überhaupt entdeckt hatte). Aber was Simon betraf, hatte sein Onkel nur einen Grundsatz, und der lautete:

Halte dich von Tieren fern.

Jahrelang war Simon das nicht schwergefallen. Er mochte Tiere, aber er hatte sich nie ein Haustier gewünscht, und sein Onkel achtete genau darauf, dass sich keine Wanzen oder Ratten bei ihnen einnisteten.

Doch vor einem Jahr hatte sich alles geändert. Simon war von einer lautstarken Unterhaltung geweckt worden. Er hatte geglaubt, sein Nachbar habe den Fernseher auf volle Lautstärkte gedreht. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass es nicht der Fernseher war – es waren die Tauben auf der Feuertreppe vor seinem Fenster. Er konnte nicht nur alles verstehen, was sie sagten, sie verstanden auch alles, was er sagte.

Und nicht nur die Tauben. Simon konnte mit den Katern reden, die durch die engen Seitenstraßen strolchten, mit den Ratten, die in den Mülltonnen nach Futter suchten, und sogar mit den Mücken, die er im Sommer wegwedelte. Er hatte geglaubt, er sei verrückt geworden – er war immer noch nicht ganz sicher, ob das nicht der Fall war –, jedenfalls wurde Simon seitdem von Tieren umschwärmt, und es wurde immer schwieriger, sein Geheimnis vor Onkel Darryl geheim zu halten.

Glücklicherweise war sein großer, breitschultriger Onkel sehr viel stärker und imposanter, als er selbst wohl je sein würde, und die meisten Tiere fürchteten sich vor ihm, ohne dass Simon leere Drohungen aussprechen musste. Er verstand nicht ganz, warum Darryl Tiere so sehr hasste, aber er war ziemlich sicher, dass es etwas mit den Narben zu tun haben musste, die sein Onkel am ganzen Körper hatte, darunter auch eine zornige rote Narbe auf der linken Wange. Simon hatte seinen Onkel schon unzählige Male gefragt, was passiert war, doch er hatte nie eine Antwort bekommen.

»Ihr kriegt euer Futter später«, sagte Simon zu den Tauben. »Aber nur …«

Plötzlich drang ein starker Windstoß durchs Fenster, und einige der Tauben flatterten erschrocken auf. Bevor Simon sich darüber freuen konnte, landete ein großer Adler genau dort, wo gerade noch die Tauben gesessen hatten.

Simon erstarrte. Er hatte noch nie einen Adler getroffen. Einige der Federn standen seltsam ab, als hätte er gerade einen Kampf hinter sich, und Simon sah, dass er nur ein Auge hatte.

Die übrigen Tauben rutschten nervös hin und her, und Simon runzelte die Stirn. »Hör mal, ich habe noch kein Futter. Wenn du in einer halben Stunde wiederkommst …«

»Futter interessiert mich nicht«, erklärte der Adler hochnäsig.

»Was willst du dann?«

Der Adler drehte den Kopf, um Simon mit seinem gesunden Auge anzusehen. »Du schwebst in großer Gefahr, Simon Thorn. Wenn du nicht sofort mit mir kommst …«

»Simon?«, ertönte eine raue Stimme vor der Tür. »Mit wem sprichst du?«

Darryl.

Simon schlug hastig das Fenster zu, ohne den Adler ausreden zu lassen. Unglücklicherweise sperrte er so die erste Taube im Zimmer ein. Simon schoss zur Tür und stemmte einen Fuß davor, damit Darryl sie nicht ganz öffnen konnte. Für eine Taube in seinem Zimmer konnte er sich eine Ausrede einfallen lassen, bei einem Adler auf seiner Feuertreppe sah es schon anders aus.

»Was ist hier los?«, fragte sein Onkel, strich sich die langen dunklen Haare aus den Augen und versuchte, ins Zimmer zu spähen. Die Taube trippelte eilig Richtung Fenster.

»Nichts«, sagte Simon mit klopfendem Herzen. »Ich mach mich nur für die Schule fertig.«

Vor seinem Fenster begannen gleich mehrere Tauben zu gurren, und Simon zuckte zusammen. Darryl schob den Unterkiefer vor und ließ die Muskeln seiner gewaltigen Arme spielen. »Hast du sie wieder gefüttert?«

»Ich habe am Samstag aus Versehen das Fenster offen gelassen«, flunkerte Simon. »Sie haben mir mein halbes Käsebrot geklaut.« Er konnte Darryl nicht die Wahrheit sagen – dass er sein Käsebrot einer kranken Taube geschenkt hatte, die selbst nicht die Kraft gehabt hatte, nach Futter zu suchen.

Sein Onkel grummelte. »Wie oft muss ich es dir noch sagen? Wenn du sie einmal fütterst …«

»Kommen sie immer wieder, bis ihre dummen Taubenhirne verrotten«, leierte Simon herunter. »Ich weiß. Es tut mir leid.«

Darryl warf einen weiteren Blick auf den Teil des Zimmers, den er von der Tür aus sehen konnte, und Simon hätte schwören können, dass er knurrte. »Lass das Fenster zu. In zehn Minuten gibt es Frühstück. Heute wirst du eine anständige Portion Proteine gebrauchen können.«

Simon würde mehr als Proteine brauchen, um den Tag zu überstehen. Eher ein mittleres Wunder. »Ich komme gleich.«

Sobald die Schritte seines Onkels leiser wurden, lief Simon wieder zum Fenster, doch der Adler war verschwunden. Er biss sich auf die Lippe. Warum hatte der Adler gesagt, Simon sei in großer Gefahr? Und woher kannte er seinen Namen?

Er öffnete das Fenster weit genug, um die Taube hinauszulassen. »An deiner Stelle würde ich zusehen, dass ich wegkomme, bevor mein Onkel dich wirklich zum Frühstück verspeist.«

»Schon unterwegs«, gurrte die Taube, breitete die Flügel aus und flog los. Trotz des Ärgers, für den sie gesorgt hatte, ließ Simon sie beinahe ungern ziehen. Tauben waren vielleicht unhöflich, aber es war fast immer eine zur Stelle, wenn er Gesellschaft brauchte.

»Du solltest Darryl von dem Adler erzählen«, fiepte ein Stimmchen unter ihm.

Simon stöhnte. »Der Tag wird auch so schon schlimm genug. Wenn Darryl herausfindet, dass ich ihn angelogen habe, bekomme ich noch dazu einen Monat Hausarrest.«

Eine kleine braune Maus kletterte an Simons Schlafanzughose hoch. »Immer noch besser, als in großer Gefahr zu schweben – was auch immer das heißen mag.«

»Und wie soll ich das meinem Onkel erklären? Soll ich vielleicht sagen, dass ein Vogel mich gewarnt hat?« Simon nahm die Maus auf die flache Hand. »Ich pass schon auf, Felix. Mach dir keine Sorgen.«

Felix stellte sich auf die Hinterbeinchen und rieb die Pfoten aneinander. »Ich sollte dich heute begleiten. Irgendwer muss auf dich aufpassen.«

»Ich bin tausendmal größer als du. Wenn überhaupt, dann passe ich auf, dass der Adler dich nicht zum Mittagessen verputzt.«

»Aber …«

»Kein Aber. Wenn etwas passiert, komme ich sofort nach Hause.« Simon setzte Felix auf sein Kissen. »Und versuch nicht wieder, fernzusehen, während ich weg bin. Irgendwann kommt Darryl früher nach Hause als sonst und erwischt dich, und du weißt genau, was dich dann erwartet.«

Felix verzog sich beleidigt, und Simon ging ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Er hatte Felix vor einigen Monaten halb verhungert in seinem Schrank gefunden, und nachdem Simon ihn wieder aufgepäppelt hatte, war Felix dauerhaft bei ihm eingezogen. Sie hatten eine Abmachung: Simon fütterte ihn, vorausgesetzt, dass Felix sich nicht von Darryl erwischen ließ. Bislang hatte es funktioniert, obwohl Simon sich die ganze Zeit Sorgen machte, dass sein Onkel die Maus entdecken könnte.

Als Simon mit seinen Zähnen fertig war, versuchte er, seine struppigen braunen Haare zu bändigen. Es war bald wieder Zeit für einen Haarschnitt, worauf Simon sich ungefähr so freute wie auf seine Mathehausaufgaben. Sein Onkel gab sich wirklich Mühe, aber seine Hände waren einfach zu groß für eine Schere, und das Ergebnis war immer krumm und schief. Simon war es ziemlich egal, wie seine Haare aussahen, nur seinen Mitschülern leider nicht, und es wurde ihnen nicht langweilig, sich über ihn lustig zu machen.

Abgesehen von seiner seltsamen Frisur, fand Simon sich eigentlich ziemlich normal, mit seinen blauen Augen und den Sommersprossen. Er war ein bisschen zu dünn, und sein Kopf war ein bisschen zu groß für seinen Körper, aber er war kein Freak. Er wusste nicht, warum seine Klassenkameraden so gerne auf ihm herumhackten. Letztes Jahr hatte ihm sein bester und einziger Freund, Colin Hartwood, erklärt, es liege daran, dass Simon manchmal mit Tieren redete, als könnten sie ihn verstehen. Daraufhin hatte er damit aufgehört, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Doch egal, was er tat, die Hänseleien wurden immer schlimmer. Selbst Colin war ihm in letzter Zeit aus dem Weg gegangen – deshalb war der heutige Tag umso wichtiger.

»Bitte sehr«, sagte Darryl, als Simon in die Küche kam. Er reichte ihm einen Teller mit einem riesigen Stapel Schokopfannkuchen und gebratenem Speck. »Ich habe dir auch ein Schulbrot gemacht. Erdnussbutter mit Gelee ist doch hoffentlich nicht plötzlich uncool geworden, oder?«

»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Simon und setzte sich an den Holztisch, der den Großteil der Küche einnahm. Sein Magen protestierte beim ersten Bissen, und er musste sich zusammenreißen, um ihn nicht gleich wieder auszuspucken.

»Nervös?«, fragte Darryl. Simon zuckte mit den Schultern.

»Musst du nicht sein. Wird schon alles gut gehen.«

»Nicht, wenn es auch nur annähernd so wird wie letztes Jahr.«

Der Stuhl ächzte, als sein Onkel sich setzte. »Wir können uns nicht aussuchen, was andere Menschen von uns halten, aber wir entscheiden darüber, wer wir wirklich sind. Solange du dir selbst treu bleibst …«

»Habe ich nichts zu verlieren. Ich weiß«, murmelte Simon und spießte mit der Gabel ein Stück Pfannkuchen auf. »Colin will dieses Jahr der Ringkampfmannschaft beitreten, weil er glaubt, dass die beliebten Jungs ihn dann mögen.«

»Nah dran zu bleiben an seinen Feinden ist eine ziemlich gute Idee.«

»Nicht, wenn sie dann einen Grund haben, uns jeden Tag zu vermöbeln.« Simon hatte den ganzen Sommer über gehofft, er könnte die siebte Klasse unbemerkt und in Frieden überstehen. Aber da Colin sich jetzt auch von ihm abgewandt hatte, war seine einzige Chance, seinen Freund zu behalten, ebenfalls der Ringkampfmannschaft beizutreten. »Nächste Woche ist das Auswahltraining. Du kaufst am besten schon mal ein paar Tüten Tiefkühlerbsen.«

»Wenn ich dir einige meiner Tricks zeige, werden die anderen was zum Kühlen brauchen.« Darryl runzelte die Stirn. »Dieses Jahr wird es besser, Simon. Vertrau mir. Ich weiß, es war in letzter Zeit nicht ganz einfach, vor allem mit deiner Mom, aber …«

Simon sprang auf. Ihm war schon übel genug, ohne dass sie über seine Mutter redeten. »Ich muss mich fertig machen. Danke für die Pfannkuchen. Ich esse den Rest in meinem Zimmer.«

»Simon …«

»Alles in Ordnung. Wirklich.«

Ohne Darryls Protest zu beachten, trug Simon den Teller in sein Zimmer. Er machte die Tür zu, stellte den Teller auf seinen Schreibtisch und ließ sich auf den Stuhl plumpsen. An die Wand dahinter hatte er sorgfältig jede einzelne der einhundertvierundzwanzig Postkarten gehängt, die seine Mutter ihm geschickt hatte, seit sie ihn bei Darryl gelassen hatte. Sie kamen einmal im Monat aus Städten im ganzen Land, leuchtend bunte Bilder von allen möglichen Tieren – Wölfe, Adler, Klapperschlangen, Honigbienen, Bären, Delfine, alles, was er sich denken konnte, und mehr. Er kannte die Worte auf den Rückseiten der Karten auswendig, und die geschwungene Schrift seiner Mutter war ihm vertrauter als ihr Gesicht. Sie war Zoologin und schrieb meistens etwas über das jeweilige Tier, das auf der Postkarte abgebildet war. Aber ab und zu schrieb sie auch, wie sehr sie Simon vermisste. Das waren seine Lieblingskarten.

Simon und Darryl redeten nie über seine Mutter. Sie war für ihre Arbeit die ganze Zeit auf Reisen und hatte Simon bei seinem Onkel in der Stadt abgeladen. Darryl war für Simon das geworden, was einem Elternteil am nächsten kam. Manchmal schaffte seine Mutter es, an Weihnachten oder an Simons Geburtstag nach Hause zu kommen, doch sie blieb meist nur für ein paar Stunden und wirkte immer abwesend. In letzter Zeit waren ihre Besuche seltener geworden. Das letzte Mal, dass Simon sie gesehen hatte, war ein Jahr her. Es war in der Woche gewesen, nachdem er festgestellt hatte, dass er mit Tieren reden konnte.

Mehr als alles auf der Welt wünschte er sich, dass sie nach Hause kam. Wenn sie da wäre, würden ihm der Spott seiner Mitschüler und der Ärger in der Schule nichts ausmachen. Er würde bereitwillig für den Rest seines Lebens jeden Mittag allein essen, wenn er dafür jeden Abend mit ihr essen könnte. Sie würde seine sonderbare Fähigkeit, mit Tieren zu reden, verstehen. Sie würde ihn nicht für verrückt halten.

Simon legte etwas Speck und ein Stückchen Pfannkuchen für Felix unter den Tisch und stellte den Rest des Frühstücks auf die Feuertreppe, wo die wartenden Tauben gierig darüber herfielen, während er sich für die Schule fertig machte. Der Adler war nicht wiedergekommen.

Sein Onkel wartete schon auf ihn, als Simon aus seinem Zimmer kam. Darryl überreichte ihm sein Pausenbrot in einer braunen Papiertüte. »Ich habe vor der Arbeit noch Zeit, dich zu begleiten, wenn du möchtest.«

Simon konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als an seinem ersten Tag in der siebten Klasse mit seinem Onkel aufzukreuzen.

»Ich bin mit Colin verabredet«, sagte er. Zumindest hoffte er das. Letztes Jahr waren sie immer zusammen zur Schule und nach der Schule nach Hause gelaufen.

Zu Simons Erleichterung diskutierte Darryl nicht weiter. Stattdessen kniete er sich vor Simon auf den Boden. Die Narbe auf seiner Wange kräuselte sich, als er ihn anlächelte. Sein Onkel war so groß, dass sie fast auf Augenhöhe waren. »Nichts währt ewig, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Denk daran: Irgendwann wirst du so groß sein wie ich. Dann legt sich niemand mehr mit dir an.«

»Heute ist nur leider nicht irgendwann«, murmelte Simon.

»Nein, das stimmt. Aber in der Zwischenzeit tu dein Bestes und sei du selbst. Das ist alles, was man tun kann.« Darryl stand wieder auf und drückte einen stoppeligen Kuss auf Simons Stirn. »Streng dich an, Kleiner. Mach mich stolz.«

Simon stopfte das Pausenbrot in seinen Rucksack und verließ die Wohnung. Stumm trottete er die Treppe hinunter. Die Wohnung lag gegenüber vom Central Park, und Simon betrachtete die Bäume am Straßenrand, während er an der Ecke wartete, an der Colin und er sich im letzten Schuljahr immer getroffen hatten. Aber Colin war nicht da, was Simon noch nervöser machte. Sonst war er immer derjenige, der spät dran war.

Simon sah auf die Uhr. Zehn Minuten. Wenn Colin in zehn Minuten nicht hier war, würde er gar nicht mehr kommen.

Er versuchte, lässig zu wirken. Er lehnte sich gegen den Pfosten eines Verkehrsschilds und bemühte sich, nicht auf seine verschwitzten Handflächen zu achten. Er sah noch einmal auf die Uhr. Neun Minuten und dreißig Sekunden. Colin wohnte am Ende des Blocks – auf dem Weg zur Schule musste er hier vorbei.

Ein schriller Schrei ließ Simons Nackenhaare zu Berge stehen, und einen Augenblick lang war er sicher, dass der Adler zurückgekommen war. Eine Bewegung am Straßenrand erregte seine Aufmerksamkeit. Mehrere Ratten zogen an etwas, was Simon erst für eine zusammengeknüllte Zeitung hielt, die sie aus dem Müll geholt hatten. Doch als das Knäuel einen zweiten Schrei ausstieß, schrak er zurück. Die Ratten griffen eine Taube an.

»He! Hört sofort auf!«, schrie er und sprang auf die Straße. »Lasst sie in Ruhe!«

Die Ratten erstarrten. Sie warfen einen Blick auf Simon, schossen in den Kanal und ließen die verletzte Taube auf dem Bürgersteig zurück. Simon kniete sich neben sie. Ihm war bewusst, dass mehrere Leute ihn anstarrten, aber er konnte die Taube nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.

»Alles in Ordnung?«, fragte er.

Die Taube gurrte schwach. »Fliegen«, murmelte sie, breitete die Flügel aus und hob sich in den Himmel. Simon stand wieder auf und versuchte, der Taube mit dem Blick zu folgen, doch als sie um die Ecke flog, verlor er sie aus den Augen.

In den nächsten acht Minuten wurde Simon Zeuge von weiteren Kämpfen zwischen Tauben und Ratten: Einmal griffen mehrere Tauben eine einzelne Ratte an, dann hatten die Ratten wieder die Oberhand, und schließlich lieferte sich ein ganzer Taubenschwarm ein Gefecht mit einem Rudel Ratten und blockierte dabei den halben Bürgersteig, sodass alle Fußgänger ausweichen mussten. Simon tat sein Bestes, um die Kämpfe zu beenden, aber allein konnte er nicht viel ausrichten. Niemandem schien aufzufallen, dass die Tiere sich seltsam verhielten, und Simon musste an die Warnung des Adlers denken. Vielleicht hätte er doch zu Hause bleiben sollen.

Schließlich waren die zehn Minuten um, und Colin war immer noch nicht aufgetaucht. Simons Hoffnung schwand. Vielleicht war Colin heute besonders früh zur Schule gegangen, überlegte Simon, während er die Straße überquerte. Oder vielleicht wartete er im Central Park.

Darryl hasste den Park fast ebenso sehr, wie er Tiere hasste, und er hatte Simon ausdrücklich verboten, allein dorthin zu gehen – was natürlich hieß, dass Simon sich in den Park schlich, wenn sein Onkel bei der Arbeit war. So oft er konnte, besonders im Sommer. Ein Schauer überlief ihn, als er in den Pfad einbog, der seinen Schulweg um gut zehn Minuten abkürzte. Die raschelnden Bäume, das grüne Gras und der Geruch nach feuchter Erde hoben seine Stimmung, und da der Pfad nahezu menschenleer war, wagte er es sogar, einige Enten zu grüßen, die durch den Park watschelten.

»Wie ich sehe, hast du meine Warnung nicht beherzigt, Simon Thorn.«

Simon wirbelte herum. Auf einem Ast über seinem Kopf hockte der Adler von der Feuertreppe. »Was soll ich denn machen? Heute ist der erste Schultag.«

»Manche Dinge sind wichtiger als der erste Schultag.« Der Adler breitete die Flügel aus und landete auf einer Bank mit einer goldenen Plakette. »Du musst sofort mit mir kommen, Simon – zu deiner eigenen Sicherheit.«

»Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, ich habe keine Flügel«, sagte Simon. »Warum kennst du überhaupt meinen Namen?«

»Weil«, sagte der Adler mit einem lang gezogenen Seufzer, »deine Mutter ihn mir gesagt hat.«

Von allen möglichen Antworten war dies die letzte, die Simon erwartet hatte. »Du … kennst meine Mutter?«

»So ist es«, sagte der Adler. »Wenn du jetzt bitte mit mir kommen würdest …«

Ein Fauchen drang durch die frische Morgenluft. Erschrocken flatterte der Adler auf, und Simon fluchte. »Warte! Komm zurück!«

Doch der Adler war bereits fort. Vor sich hin murmelnd spähte Simon ins Gebüsch, um herauszufinden, woher das Geräusch gekommen war. Bevor er etwas entdecken konnte, ertönte hinter ihm Gelächter.

»Unterhältst du dich wieder mit Tieren, Spinner?«

Simon gefror das Blut in den Adern. Bryan Barker und seine Freunde aus der Achten. Sie waren die größten, fiesesten Jungs der Schule. Bryan, mit seinen breiten Schultern und der stattlichen Statur, die im Sommer vor zwei Jahren aus dem Nichts gekommen war, war der größte und fieseste von allen. Es stand so gut wie fest, dass er Kapitän der Ringkampfmannschaft werden würde, und deshalb wollte Colin ebenfalls mitmachen.

Ohne sich umzuschauen, lief Simon weiter den Pfad entlang, in der Hoffnung, sie würden ihn in Ruhe lassen. Doch ihre Schritte wurden lauter, und er merkte, dass sie ihn umzingelten. Egal, wie schnell er rannte, sie würden schneller sein, und wenn er versuchte zu fliehen, würde er ihnen nur einen guten Grund geben, ihn in Hundefutter zu verwandeln.

»Antworte mir, Spinner.« Simon fühlte etwas gegen seinen Rucksack prallen – einen Stein oder einen Stock. »Oder weißt du nicht mehr, wie man mit Menschen redet?«

Zwei der Jungen stellten sich ihm in den Weg. Simon drehte sich um sich selbst. »Wenn ihr mich nicht durchlasst, kommen wir alle zu spät …«

Ein blasser, mondgesichtiger Junge tauchte hinter Bryan auf, und Simon zuckte zusammen. »Colin?«

Colin war der einzige Siebtklässler, der kleiner war als Simon. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern, und seine Augenbrauen saßen hoch auf der Stirn. Er wirkte genauso überrascht, Simon zu sehen, wie Simon es war, ihn zu sehen. Doch Colin sagte nichts und starrte zu Boden.

Simon war es egal, dass er von den vier brutalsten Jungs der Schule umzingelt war. Für ihn zählte nur, dass sein Freund ihm nicht in die Augen sehen konnte. »Ich dachte, du wartest an der Ecke auf mich.«

»Stimmt das, Colin? Ist Simon etwa dein Lover?«, fragte Bryan, und die anderen Jungs lachten. Colin wurde tiefrot im Gesicht.

»Er … er ist nicht mal mein Freund«, stammelte er. »Er ist verrückt.«

Colin hätte Simon ebenso gut in den Magen boxen können. Auch wenn er es bereits befürchtet hatte – es nun aus Colins Mund zu hören, brachte seine Welt in Schieflage. Er schluckte gegen den Kloß in seinem Hals an.

»Musst nicht flennen, Spinner. Ich bin sicher, die Ratten mögen dich noch«, sagte Bryan. Das Lachen der anderen Jungs ging ihm durch und durch, während sie ihn nacheinander im Vorbeigehen anrempelten. Simon wehrte sich nicht. Er sah Colin an, der hinter ihnen hertrottete, gebückt unter der Last von fünf Schultaschen.

»Colin …«, setzte er an, doch Bryan Barker machte schmatzende Kussgeräusche, und Colins Gesicht wurde noch röter.

»’tschuldigung«, murmelte Colin und trabte weiter.

Simon blieb wie angewurzelt stehen, bis ihr Gelächter nicht mehr zu hören war. Mittlerweile war es ihm egal, ob er zu spät kam. Er hätte gerne geglaubt, dass Colin seine Meinung ändern würde, wenn er sah, wie schrecklich Bryan in Wirklichkeit war, aber er wusste es ja längst. Sie beide wussten es. Und jetzt war Simon allein.

Schließlich trottete er weiter durch den Park. In seinem Kopf schallte noch immer ihr Gelächter. Wieder und wieder versuchte er sich einzureden, dass sie keine Rolle spielten. Bryan spielte keine Rolle. Colin spielte keine Rolle.

Aber sie spielten eben doch eine Rolle. Simon zog den Kopf ein, als er den jetzt leeren Schulhof betrat. Mittlerweile wusste wahrscheinlich die halbe Schule, was im Park passiert war, und er überlegte, ob er gar nicht erst reingehen sollte. Doch der Gedanke daran, wie aufgebracht und enttäuscht Darryl sein würde, ließ ihn die letzten Stufen nehmen. Das konnte er seinem Onkel nicht antun. Irgendwann würde Bryan Barker ihn schon vergessen, und selbst wenn nicht – viel schlimmer konnte es nicht werden.

»Simon!«

Ein durchdringender Schrei erhob sich über den Straßenlärm, und Simon fuhr herum. Der Adler saß auf einem Verkehrsschild und starrte ihn an.

Simon kniff die Augen zusammen. An allem, was im Park passiert war, war der Adler schuld. Wenn er Simon in Ruhe gelassen hätte, hätte Bryan Barker ihr Gespräch nicht gehört, und vielleicht hätte Simon sogar die Chance auf ein gutes Schuljahr gehabt.

Er kehrte dem Adler den Rücken und verschwand in der Schule. Wenn der Adler etwas von ihm wollte, würde er schon zurückkommen. Im Augenblick interessierte Simon nur, wie schlimm genau dieser Tag noch werden und wie er ihn überleben würde.

Zweites KapitelTierische Instinkte

Als Simon nach der ersten Stunde den Klassenraum verließ, schien so ziemlich jeder Siebtklässler der Kennedy-Mittelschule von den Ereignissen im Park gehört zu haben. Sogar ein paar Sechstklässler machten sich über ihn lustig, als er an ihnen vorbeiging, und einer von ihnen stellte ihm ein Bein. Simon stolperte und konnte sich gerade noch abfangen.

»Pass auf, wo du hintrittst«, sagte der Junge. »Die Schuhe sind neu.«

»Dann solltest du sie lieber nicht anderen Leuten in den Weg stellen«, sagte Simon. Bevor der Junge etwas erwidern konnte, war Simon schon den Gang hinuntergeflitzt.

Je länger der Schultag andauerte, desto kleiner fühlte er sich – bis er den Eindruck hatte, überhaupt nicht mehr zu existieren. Als es zur Mittagspause läutete, konnte Simon nicht den Gang entlanggehen, ohne dass ihm schmatzende Kussgeräusche folgten. In der Cafeteria setzte er sich an den einzigen freien Tisch – den neben den Mülltonnen. Er holte ein Buch aus der Tasche und packte das Brot aus, das sein Onkel ihm geschmiert hatte. Gelächter ertönte an Bryan Barkers Tisch. Simon schaute lange genug hinüber, um zu sehen, dass Colin dort saß und andächtig Bryans Worten lauschte. Simon biss sich auf die Lippe, blickte wieder auf sein Buch und versuchte, sich nicht um sie zu kümmern.

Ohne ein Wort des Grußes setzte sich ein Mädchen mit langen dunklen Haaren auf den Stuhl neben ihm. Simon zuckte zusammen. Es gab jede Menge freie Plätze an anderen Tischen – und auch an seinem –, aber sie hatte sich so dicht neben ihn gesetzt, dass er durch den Geruch von Erdnussbutter und Gelee ihr Shampoo riechen konnte.

Vorsichtig rutschte er ein Stück seitwärts. Doch bevor er sich weiter entfernen konnte, nahm das Mädchen ein Buch aus dem Rucksack. Es war das gleiche, das Simon las. Sie schlug es beim Lesezeichen auf und begann zu lesen.

Simon zögerte. War sie neu? Er war sicher, dass er sie noch nie gesehen hatte. Außerdem würde niemand, der bei Sinnen war, sich heute neben ihn setzen – das war sozialer Selbstmord. Wahrscheinlich wäre es nett von ihm gewesen, sich umzusetzen, damit Bryan sie nicht zusammen sah. Aber nach diesem entsetzlichen Vormittag war die Möglichkeit, mit jemandem zu sprechen, der ihn nicht für verrückt hielt, einfach zu verlockend. Bevor er sich zurückhalten konnte, hatte er sich zu ihr gedreht.

»Hallo«, sagte er. »Ich bin Simon.«

»Und ich lese«, sagte das Mädchen, ohne auch nur aufzublicken.

Seine Wangen wurden heiß. »Entschuldigung.«

Sie schien also doch Bescheid zu wissen. Während er die Rinde von seinem Sandwich abzog, ergriff sie wieder das Wort.

»Ich heiße Winter«, sagte sie. »Trotzdem, ich lese.«

Sie blickte kurz auf, und Simon stellte fest, dass ihre Augen von dem hellsten Grün waren, das er je gesehen hatte. Er wollte etwas sagen, sie darauf hinweisen, dass er das gleiche Buch las wie sie, aber er wollte sie nicht abschrecken. Jetzt sagte sie nichts mehr.

Er öffnete sein Buch und entdeckte ein Stück Papier, das zwischen den Seiten steckte. Eine Nachricht von Darryl. Sein Onkel schrieb ihm nie Zettel, und doch war hier einer, in seiner wohlbekannten krakeligen Handschrift.

VIEL GLÜCK. BIN STOLZ AUF DICH. ZEIG IHNEN DIE ZÄHNE.

Simon las ihn noch zweimal. Es war nicht viel, aber genug, um ihn zum Lächeln zu bringen. Er schob den Zettel zurück zwischen die Buchseiten.

»Was hast du da, Spinner? Einen Liebesbrief von deinem Schatz?«

Bryan Barker riss ihm das Buch aus den Händen. Simon protestierte und griff danach, doch Bryan hielt es außer Reichweite. Er blätterte durch die Seiten, fand den Zettel und zog ihn heraus.

»Lieber Spinner«, las er so laut, dass die ganze Cafeteria ihn hören konnte. »Ich liebe dich mehr als den Mond und die Sterne. Denke an dich. Viele Küsse, dein Bussibär.«

Bryans Bande johlte. Colin, der hinter Bryan stand, wurde knallrot, doch über ihn lachte niemand. Nur über Simon.

In seiner Brust bildete sich ein Knoten. Er wurde heißer und heißer, bis Simon es kaum noch aushielt, aber er rührte sich nicht. Alles, was er sagen konnte, würde es nur noch schlimmer machen.

»Oh, seht mal, er hat sogar Herzchen und Blümchen gemalt. Wie süß.« Bryan grinste auf ihn herab, und Simon ballte die Fäuste.

»Bist du sauer, Spinner? Zeigst du uns deine Zähne?«

»Könntet ihr Idioten mal die Schnauze halten und in die Löcher zurückkriechen, aus denen ihr gekommen seid?«, fauchte eine genervte Stimme. Winter knallte ihr Buch auf den Tisch und funkelte Bryan an.

Er stopfte den Zettel zurück in Simons Buch und warf es Colin zu. »Wen haben wir denn da? Betrügst du deinen Schatz mit einer Irren, Spinner?«

»Lass sie in Ruhe«, sagte Simon.

Bryan stieß ihm den Zeigefinger fest in die Rippen. »Sonst was? Sonst läufst du heulend nach Hause zu deiner Mami? Ach nee. Du hast ja gar keine!«

Da war sie: Bryans liebste Stichelei. Simon weigerte sich, darauf zu reagieren. Er konzentrierte sich lieber auf seine Atmung – ein und aus, ein und aus, bis der brennende Knoten in seiner Brust abkühlte. »Colin, kann ich mein Buch wiederhaben?«, fragte er.

Colin schaute zwischen ihm und Bryan hin und her. »Tut mir leid, Simon«, murmelte er.

Bryan schnaubte höhnisch, und Simons Blickfeld verengte sich. Colin war nicht wichtig. Bryan war nicht wichtig. Nichts davon war wichtig. Eines Tages würde er so groß sein wie Darryl, und niemand würde ihn mehr belästigen. Eines Tages würde er weit weg von hier sein und …

»Gibst du es nun zurück oder nicht?«, fragte Winter. Als Colin sich nicht rührte, stand sie auf und nahm ihm das Buch aus der Hand. »Blödmann. Und du«, fuhr sie Bryan an, »ist das alles, was du draufhast? Feigling.«

Bryans Gesicht färbte sich dunkelrosa. »Du willst sehen, was ich draufhab?«

Winter machte einen Schritt auf ihn zu. »Na los, zeig’s mir, Affengesicht. Ich bin gespannt.«

Bryans Mund verzog sich vor Zorn, und zu Simons Entsetzen schubste er sie. Winter prallte hart gegen ihren Stuhl.

Simon dachte nicht nach. Als er merkte, was er tat, hatte er Bryan bereits zu Boden geworfen und ihn in die weiche Stelle unterhalb der Rippen geboxt. Bryan schrie auf, und Simon wich verblüfft zurück. Was war bloß in ihn gefahren?

In der Cafeteria wurde es still. Simon rappelte sich auf. Die anderen Jungs schlossen einen Kreis um sie und grölten: »Kämpfen! Kämpfen! Kämpfen!« Aber Simon wollte nicht kämpfen. Das war ein Versehen gewesen.

»Du … bist geliefert«, keuchte Bryan.

Simons Herz raste, ihm fiel keine Antwort ein. Stattdessen hielt er Bryan belämmert die Hand hin. »Es tut mir leid.«

Bryan packte sein Handgelenk und brachte ihn zu Fall. Mit den Knien hielt er Simons Arme am Boden, immer noch keuchend. »Du glaubst … du kannst mich schlagen … vor allen Leuten … und kommst damit davon?«

Der brennende Knoten in Simons Brust war wieder da und versuchte, aus ihm hinauszudrängen, aber er konnte nirgendwohin. »Vielleicht solltest du dich nicht an Mädchen vergreifen, Affengesicht«, entfuhr es ihm.

»Keine Sorge. Du bist der bessere Boxsack, Spinner.«

Bryan legte den Arm über Simons Hals. Seine Faust grub sich in Simons Magen, und Simon krümmte sich.

Bryan lachte und holte erneut zum Schlag aus. Auf der anderen Seite des Raums brüllte der Direktor, sie sollten aufhören, doch Bryan konnte noch ein paar gute Treffer landen, bevor er bei ihnen war. Schlimmer noch, Simon wusste, dass er ihn nach dieser Sache nie wieder in Frieden lassen würde, und zweifellos würde er auch Winter im Visier haben, deren einziges Verbrechen es war, dass sie Simon verteidigt hatte.

Zeig ihnen deine Zähne.

Der brennende Knoten in seiner Brust explodierte, und Simon stieß ein Brüllen aus. Seine Hand schoss vor, seine Finger krümmten sich zu Klauen, und er riss die Nägel über Bryans Gesicht. Leuchtend rote Linien erschienen auf Bryans Wange, und er wankte, den Mund vor Schreck aufgerissen.

Simon gab ihm keine Gelegenheit, sich zu wehren. Er biss fest in Bryans Handgelenk und ließ wieder los, bevor er das Blut schmeckte.

Bryan jaulte vor Schmerz auf und ließ von Simon ab. »Er hat mich gebissen!«, brüllte er und hielt seinen Arm. »Der Spinner hat mich gebissen!«

Simon setzte sich auf und wischte sich den Mund ab. Angst sammelte sich in seiner schmerzenden Magengrube, und er kam zittrig auf die Beine. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er Winter. Sie starrte ihn an. »Was sollte das denn?«

»Ich …« Simon hielt inne. »Was?«

»Warum hast du mich behandelt wie ein hilfloses kleines Mädchen? Ich brauche keine Hilfe.«

Bevor Simon antworten konnte, polterte der Direktor in den Kreis. Sein dicker Bauch wackelte, während er keuchte: »In mein Büro – alle beide – jetzt!«

Er packte Simon und Bryan bei den Ellbogen und schob sie durch die sich teilende Menge. Während Bryan kreischte, dass er nichts getan habe, dass er verletzt sei und ins Krankenzimmer müsse, blieb Simon stumm. Darryl würde außer sich sein, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was Bryan ihm von jetzt an antun würde. Wenn er Glück hatte, würde es schnell und schmerzlos sein. Aber wenn es eins gab, was Simon heute gelernt hatte, dann, dass das Glück eindeutig nicht auf seiner Seite war.

 

Das Spektakel in der Cafeteria brachte Simon eine Woche Nachsitzen ein. Mit Bryan. Was bedeutete, dass er seine dummen Sprüche noch eine Stunde extra würde ertragen müssen, fünf Tage hintereinander. Simon wollte erklären, dass er nur versucht hatte, sich und Winter zu schützen, doch der Direktor schien keinen blassen Schimmer zu haben, wer Winter war.

Als er endlich das Büro verlassen durfte, hatte schon die letzte Stunde angefangen. Er blieb mitten auf dem Gang stehen. Bryan war bei der Schulkrankenschwester, und sonst war niemand in der Nähe, der darauf achtete, ob er den richtigen Weg einschlug. Wenn er nicht zum Unterricht ging, bestand die Möglichkeit, dass sein Onkel es mitbekam – aber Darryl würde ohnehin noch vor Ende des Tages von der Prügelei hören. Größer konnte der Ärger eigentlich nicht mehr werden, und sich den neugierigen Blicken seiner Mitschüler auszusetzen war schlimmer als jede Strafe, die sein Onkel sich ausdenken konnte.

Simon machte kehrt und flitzte durch die Eingangstür. Unten auf dem Bürgersteig waren einige Fußgänger, aber die Treppe war leer, bis auf ein paar Tauben, die auf dem Geländer hockten.

»Futter?«, gurrte die erste. Simon zuckte zusammen.

»Ich habe kein Futter, klar? Lasst mich in Ruhe.«

»Du sprichst mit Tauben?«

Er fuhr herum. Winter stand auf dem oberen Treppenabsatz vor der Schultür.

»Natürlich nicht. Ich hab mit mir selbst geredet«, sagte er. Zu ihren Füßen lag sein Rucksack. »Woher hast du den?«

»Cafeteria. Ich dachte, du könntest ihn brauchen«, sagte sie. »Behandeln sie dich immer so furchtbar?«

Simon stieg die Treppe wieder hoch. »Ich hab mich dran gewöhnt.«

»Niemand sollte sich an so was gewöhnen.«

»Es spielt keine Rolle.« Simon kramte in seinem Rucksack. Seine Habseligkeiten waren alle darin – sogar das Buch mit dem Zettel zwischen den Seiten. »Außerdem würde es, egal was ich tue, alles nur noch schlimmer machen.«

»Du warst gar nicht so schlecht, weißt du. Wenn du wolltest, könntest du diese Würmer plattmachen.«

Simon starrte auf das getrocknete Blut unter seinen Fingernägeln. Er konnte noch immer den brennenden Knoten in seiner Brust fühlen und die Welle dunkler Befriedigung, als er explodiert war. Egal, wie zornig er war, früher war es ihm immer gelungen, die Wut zu unterdrücken. Warum hatte er dieses Mal nicht auf seinen Bauch gehört?

Aber das hatte er doch. Das war ja das Problem.

»Warum nennen sie dich überhaupt Spinner?«, fügte sie hinzu. »Du wirkst gar nicht wie einer. Ein bisschen seltsam vielleicht, aber …«

»Ich muss nach Hause«, unterbrach er sie. Winter stellte sich vor ihn und versperrte ihm den Weg.

»Erst sagst du mir, warum sie dich so nennen.«

Simon versuchte, sich an ihr vorbeizudrängeln, doch sie folgte seinen Bewegungen, bis er fauchte: »Ich weiß es nicht, okay? Weil sie mich hassen. Weil sie mir das Leben zur Hölle machen wollen. Weil sie glauben, dass ich mit Tieren reden kann. Ich weiß es nicht.«

»Also hast du mit der Taube geredet.«

»Natürlich nicht«, sagte er. »Das wäre ja verrückt.«

Er versuchte wieder, an ihr vorbeizukommen, und diesmal ließ sie ihn durch. Simon stürmte die Treppe hinunter, innerlich kochend. Winters Spott war das Letzte, was er jetzt brauchte.

»He, Simon«, rief sie ihm nach, als er sich bereits unter die Menschen auf dem Bürgersteig gemischt hatte. »Du bist nicht der Einzige.«

Er blieb stehen. »Nicht der einzige was?«, rief er, doch seine Sicht auf die Treppe wurde von einer Touristengruppe verdeckt.

Als die Gruppe sich endlich in Bewegung setzte, war Winter verschwunden. Er schob sich im Zickzack durch die Menschen, ging zurück zum Fuß der Treppe und blickte sich um. Sie war nicht zu sehen.

Simon dachte über ihre Worte nach, während er auf dem Heimweg den Central Park durchquerte. Hatte sie gemeint, dass er nicht der Einzige war, der gehänselt wurde? Ein kleiner Teil von ihm hoffte, sie habe gemeint, dass er nicht der Einzige sei, der mit Tieren reden konnte, aber das konnte natürlich nicht sein. Das war verrückt. Er war verrückt.

Als er die Bank mit der Plakette sah – die Bank, bei der er an diesem Morgen den Adler getroffen hatte –, blieb er stehen und setzte sich. Vielleicht würde der Adler zurückkommen und erklären, woher er seine Mutter kannte. Es war reine Spekulation, aber er konnte ohnehin noch nicht nach Hause gehen, wo ihn ein Nachbar sehen und bei seinem Onkel anschwärzen könnte, also holte er sein Buch aus dem Rucksack und wartete. Es war friedlich im Park, und abgesehen von ein paar schwatzhaften Eichhörnchen, die ihn nach Eicheln fragten, ließen ihn die meisten Tiere in Ruhe.

Simon wollte eigentlich die Uhr im Auge behalten, doch die Geschichte fesselte ihn, und es verging über eine Stunde, ohne dass der Adler sich blicken ließ. Gelächter drang durch die Bäume. In der Ferne entdeckte er einige Mitschüler. Er sammelte schnell seine Sachen zusammen und sprang auf. Wenn er sich beeilte, würde er es nach Hause schaffen, bevor sie ihn einholten.

Als er den halben Weg zurückgelegt hatte, schien sich die Luft zu verändern. Simon blickte nach oben. Auf einem Ast über ihm saß der Adler. »Hallo, Simon Thorn.«

»Ich habe es ziemlich eilig«, sagte er, beschleunigte seinen Schritt und warf einen Blick über die Schulter. Er konnte Bryans Kopf über den Köpfen der anderen auf und ab wippen sehen.

Der Adler plusterte sein Gefieder auf. »Ich dachte, du würdest gerne mehr über deine Mutter erfahren.«

Simon blieb stehen. Die Achtklässler kamen näher. »Geht es ihr gut?«

»Im Augenblick schon«, sagte der Adler. »Je länger du hierbleibst, in desto größere Gefahr begibst du dich, Simon. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Säuger dich finden, und wenn es so weit ist, werden wir dich nicht mehr beschützen können.«

»Beschützen wovor? Vor Eichhörnchen?«, fragte Simon. Einer der Jungen rief seinen Namen und bog in den Pfad ein.

»Vor den blutrünstigsten Bestien des Tierreichs«, sagte der Adler. »Sie sind hinter dir her, Simon Thorn, und wenn sie dich finden, werden sie dich töten.«

»Mich töten?«, platzte er heraus. »Warum?«

»Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen. Sie kommen näher, während wir sprechen. Wenn du mit mir kommen würdest …«

Wieder durchdrang ein Fauchen die Luft, genau wie am Morgen. Erschrocken flatterte der Adler auf. »Lauf, Simon, bevor es zu spät ist!«

Simon fluchte. »Warte! Bleib hier!«

Doch der Adler flog davon und ließ ihn allein auf dem Pfad zurück. Mit seiner Warnung im Ohr eilte Simon weg von dem Gebüsch, aus dem das Fauchen gekommen war. So klang jedenfalls kein Eichhörnchen.

Nach wenigen Metern tauchte Bryan Barker hinter einem Busch am anderen Ende des Pfades auf, neben sich drei Achtklässler. »Du bist wirklich verrückt, stimmt’s, Spinner?«

»Lass mich in Ruhe«, sagte Simon und machte einen Bogen um sie. Vier Paar Füße folgten ihm.

»Antworten dir die Tiere auch? Sagen sie dir, wie wertlos du bist, oder sind sie zu blöd, um das zu merken?«, fragte Bryan, und Simon ging noch schneller. Klein, wie er war, fiel es den Jungen nicht schwer, ihn einzuholen und zu umzingeln. Bryan schubste Simon nach hinten, und ein anderer riss ihm den Rucksack vom Rücken. »Antworte mir, Spinner.«

Simon hielt den Mund. Die Genugtuung würde er ihm nicht verschaffen. Er schaute sich um auf der Suche nach etwas, womit er sich wehren könnte. Stöcke, Steine …

»Diesmal ist kein Mädchen in der Nähe, um dich zu retten, was?«, sagte Bryan und schubste ihn wieder. Einer der Achtklässler fing ihn auf und schubste ihn zurück. Vor und zurück ging es, bis ihm so schwindlig war, dass er kaum noch gerade stehen konnte.

Schubsen. Das konnte er aushalten. Solange es nicht schlimmer wurde. Doch Sekunden später ballte Bryan die Faust.

»Es ist mir egal, wie verrückt du bist, Spinner«, sagte er. »Wenn du meinst, du kannst mich vor allen bloßstellen und kommst damit davon …«

Ein weiteres Fauchen ertönte, lauter und bösartiger als das erste. Es klang anders als alles, was Simon in seinem Leben gehört hatte. Alle vier Jungen zuckten zusammen, und Bryan verstummte verblüfft.

Ein riesiger Hund kam hinter einem Baum hervor und fletschte die Zähne. Er hatte keine Ähnlichkeit mit irgendeinem Haustier, das Simon je gesehen hatte. Mit seinem grauen Fell und den scharfen Krallen sah er beinahe aus wie ein Wolf.

Nein, stellte Simon fest. Er sah nicht aus wie ein Wolf. Er war ein Wolf.

Ohne sich zu besinnen, beging Simon eine unglaubliche Dummheit: Er rammte Bryan das Knie in den Magen. Fest. Und als Bryan sich krümmte, schubste er ihn zu Boden, schnappte sich seinen Rucksack und lief um sein Leben.

Die Achtklässler brüllten, doch ein lautes Heulen ließ sie verstummen. Simon stürmte den Pfad entlang. Seine Haare wehten um sein Gesicht, und sein Rucksack hing an seinem Ellbogen und schlug gegen sein Knie, aber er blieb nicht stehen, nicht einmal als er den Central Park hinter sich gelassen hatte. Seine Lungen brannten, als er sich zwischen einigen schimpfenden Fußgängern hindurchdrängelte, aber er erreichte sein Haus in Rekordgeschwindigkeit.

Er rannte die Treppe hinauf und blieb erst vor der Wohnungstür stehen. Während er nach Luft schnappte, lauschte er, ob irgendjemand ihm gefolgt war. Doch im Gebäude war es still. Erschöpft ließ er den Rucksack fallen und kramte nach seinem Schlüssel. Was sollte er Darryl sagen? Nichts über den Adler oder den Wolf, so viel stand fest. Ob der Direktor schon angerufen hatte und …

»Simon?«

Plötzlich ging die Tür auf. Doch nicht sein Onkel stand da, sondern eine Frau in Jeans und schweren Stiefeln. Sie schwang Darryls Baseballschläger. Simon war wie vom Donner gerührt.

»Mom?«

Drittes KapitelMann gegen Maus

Simons Mutter ließ den Baseballschläger sinken und nahm Simon in die Arme. Sie war warm und roch nach Laub, und ihr blonder Zopf drückte sich gegen seine Wange. Simon war zu benommen, um mehr als das wahrzunehmen. Nach allem, was heute passiert war, fragte er sich, ob Bryan Barker ihn bewusstlos geschlagen hatte und das alles nur ein Traum war.

Doch es war kein Traum. Sie war wirklich da, sie war endlich zu Hause. Er drückte sie ganz fest. »Ich hab dich vermisst.«

Sie fuhr ihm durch die strubbeligen Haare. »Ich dich auch. Lass dich mal ansehen. Wie groß du bist.«

»Ich bin nicht groß. Du bist nur klein.« Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte er ihr nicht mal bis zur Schulter gereicht. Jetzt waren sie beinahe auf Augenhöhe. Sein Magen zog sich zusammen beim Gedanken daran, wie viel Zeit sie verloren hatten. »Warum bist du hier?«

»Wäre es dir lieber, ich wäre nicht hier?«, fragte sie und trat beiseite, um ihn reinzulassen.

»Nein, es ist nur …« Er verstummte. Seine Mutter spähte den Gang auf und ab, beinahe so, als ob sie jemanden erwartete.

»Du kommst doch sonst nur an Feiertagen oder zu meinem Geburtstag.«

»Ich brauche keinen besonderen Anlass, um dich zu besuchen, Simon«, sagte sie, aber ihr Lächeln wirkte eher wie eine Grimasse. Irgendetwas stimmte nicht. Simon zog seine Jacke aus, und seine Mutter hängte sie für ihn auf, bevor er es selbst tun konnte.

»Was ist los?«, fragte er. Sie zögerte.

»Dein Schuldirektor hat angerufen. Er sagte, du hättest dich geprügelt.«

Simon rutschte das Herz in die Hose. Das Einzige, was schlimmer war als Darryls Enttäuschung, war die Enttäuschung seiner Mutter. »Du bist nach Hause gekommen, weil ich mich geprügelt habe? Wie hat er dich überhaupt erreicht?« Nicht mal Simon konnte sie erreichen, wenn er sie brauchte.

»Ich war schon hier, als er anrief«, sagte sie.

»Aber … du bist den ganzen Tag hier gewesen und hast mir nicht Bescheid gesagt?«

Sie blieb immer nur für wenige Stunden.

»Wo bist du gewesen, Mom?«

Sie runzelte die Stirn. »Es tut mir leid, mein Schatz. Ich hatte wahnsinnig viel zu tun …«

»Ein ganzes Jahr lang? Du konntest nicht mal einen Tag freinehmen?«

»Ich …«, setzte seine Mutter an, doch bevor sie weitersprechen konnte, flog die Tür auf.

Darryl, zerzaust und mit rotem Gesicht, stürmte in die Wohnung und schlug die Tür zu. »Was hattest du im Park zu suchen?«, fuhr er Simon an. »Ich wollte dich von der Schule abholen, stattdessen habe ich dich im Park gesehen. Du weißt, dass du da nichts verloren hast …«

»Darryl, er weiß es«, sagte seine Mutter und legte Simon den Arm um die Schulter. »Reg dich ab.«

Sein Onkel wirkte nicht im Geringsten überrascht, sie zu sehen. »Warum hast du den Unterricht geschwänzt, Simon?«

Simon stammelte: »Ich … ich wurde zum Direktor geschickt.«

»Warum? Was ist passiert?«

»Er hat sich geprügelt«, sagte seine Mutter. »Mit einem anderen Schüler«, fügte sie schnell hinzu, als sie Darryls Gesicht sah.

»Ich will es von Simon hören«, sagte Darryl, doch als Simon zu einer Erklärung ansetzen wollte, schnitt ihm seine Mutter das Wort ab.

»In die Küche, Darryl. Jetzt.«

Darryl sah sie finster an, aber dann bewegte er sich doch in die winzige Küche. Simon schüttelte den Arm seiner Mutter ab. Sie zog die Augenbrauen zusammen, und eine Sekunde lang zwickten ihn Schuldgefühle. Er hätte froh sein sollen, sie zu sehen, und ein Teil von ihm war ja auch froh – aber ein anderer Teil, der Teil, der ein ganzes Jahr lang auf sie gewartet hatte, schäumte vor Wut. Sie hatte ihn im Stich gelassen, nicht andersherum.

»Ich muss mit deinem Onkel reden«, sagte sie sanft. »Allein.«

Der brennende Knoten in Simons Brust kam wieder und verschluckte seine Antwort. Er trottete in sein Zimmer und schleifte den Rucksack hinter sich her. Es war nicht fair. Sie ließ sich ein ganzes Jahr lang nicht blicken, und spätestens morgen früh würde sie wieder weg sein, wie immer. Auf seinem Gang durch den Flur wurden seine Füße mit jedem Schritt schwerer. Wann würde sie sich das nächste Mal dazu herablassen, ihn zu besuchen?

Simon schloss seine Zimmertür und ließ den Rucksack fallen. Er setzte sich auf die Bettkante, starrte die Postkartenwand an und versuchte sich vorzustellen, wie sein Leben wäre, wenn seine Mutter ihn bei Darryl gelassen hätte und nie mehr zurückgekommen wäre. Einfacher vielleicht. Er hätte nicht die ganze Zeit das Gefühl, auf etwas zu warten, was beinahe nie vorkam. Er liebte seine Mutter, aber es gab Zeiten, da fühlte er sich ihretwegen einsamer, als er sich wegen Bryan Barker je fühlen würde.

»Wie ich sehe, hast du überlebt.« Felix kam unter seinem Schreibtisch hervorgehuscht.

»Knapp«, sagte Simon. »Dafür wird Bryan Barker mich morgen umbringen, glaube ich.«

Felix kletterte an Simons Jeans und Sweatshirt hoch und setzte sich auf seine Schulter. »Dann bekommt er es mit mir zu tun. Ich begleite dich.«

Er wollte es der Maus gerade ausreden – in erster Linie, weil er sich bereits ein Dutzend Gründe zurechtgelegt hatte, warum er morgen nicht in die Schule konnte –, als es klopfte. Felix flitzte hinter den Vorhang.

»Simon?«, sagte seine Mutter und öffnete die Tür. »Mit wem sprichst du?«

»Mit niemandem. Ich habe nur … laut gelesen.« Er schnappte sich ein Buch von seinem Nachttisch und hielt es hoch. »Ist Darryl sehr sauer auf mich?«

»Nein, nein. Ich hab ihn beruhigt.« Sie setzte sich neben ihn aufs Bett. »Wie geht es dir?«

Simon zuckte mit den Schultern. »Gut.«

»So hörst du dich aber nicht an. Es war in letzter Zeit nicht so leicht, hm?«

Er schüttelte zögernd den Kopf. Es fühlte sich an, als würde er einen schrecklichen Fehler eingestehen, und er starrte die Wand mit den Postkarten an.

»Willst du darüber reden?«

Wieder schüttelte er den Kopf. Früher hatte er wenigstens Colin an seiner Seite gehabt, aber die Zeiten waren vorbei. Er würde sich daran gewöhnen müssen, allein klarzukommen.

Seine Mutter zögerte, dann fischte sie ein kleines Päckchen aus der Tasche und reichte es ihm. »Das ist für dich.«

»Was ist das?«, fragte er.

»Mach es auf und sieh nach.«

Simon riss das Papier auf. Eine schlichte schwarze Schachtel kam zum Vorschein. Als er den Deckel abnahm, fand er darin eine silberne Taschenuhr. Sie hing an einer langen, dünnen Kette, und auf der Rückseite war ein Wappen eingraviert. Simon betrachtete es mit gerunzelter Stirn. In der Mitte befand sich ein seltsam geformter Stern, um den fünf Tiere angeordnet waren: ein Wolf, ein Adler, eine Spinne, ein Delfin und eine Schlange.

»Sie hat deinem Vater gehört«, sagte seine Mutter. »Er hätte gewollt, dass du sie bekommst.«

»Wirklich?« Simons Vater, Darryls jüngerer Bruder, war gestorben, bevor Simon auf die Welt gekommen war. Darryl sprach nie von ihm, und bei den wenigen Malen, die Simon nach ihm gefragt hatte, hatte er spüren können, wie sehr Darryl der Gedanke an ihn schmerzte. Irgendwann hatte Simon aufgehört zu fragen.

»Wirklich«, sagte seine Mutter. »Eigentlich wollte ich deinen sechzehnten Geburtstag abwarten, aber da du gerade so viel durchmachst, dachte ich, dass jetzt der bessere Zeitpunkt ist.«

Simon öffnete die Taschenuhr. Sie war bei 8 Uhr 25 und 14 Sekunden stehen geblieben.

»Sie ist sehr alt«, räumte seine Mutter ein. »Vielleicht funktioniert sie nie wieder. Aber du musst mir versprechen, dass du gut auf sie aufpasst, in Ordnung? Behalt sie immer bei dir, vor allem wenn ich nicht bei dir sein kann. Und vergiss nie, wie sehr ich dich liebe.«

Simon schloss die Uhr und ließ sie in seine Tasche gleiten. Ihr Gewicht fühlte sich dort irgendwie richtig an, und er hakte die Kette an einer Gürtelschlaufe ein. »Mach ich, wenn du mich mitnimmst.«

Seine Mutter ließ die Schultern hängen. »Oh, mein Schatz. Du weißt, das würde ich, wenn ich könnte.«

»Aber du kannst«, sagte er, und seine Stimme brach. »Ich werde dich nicht stören. Du kannst deine Arbeit machen, und ich bleibe im Hotel und lerne …«

»Schatz …« Sie versuchte, ihn zu umarmen, doch Simon wand sich aus ihrem Griff. »Simon. Bitte. Mach es nicht noch schwerer für mich, als es schon ist.«

»Schwerer für dich?« Die Worte blieben ihm im Hals stecken, und er musste sie herauspressen. »Ich bin es doch, der im Stich gelassen wird. Du schickst mir bloß Postkarten und kommst vorbei, wenn du gerade Lust hast, also so gut wie nie. Ich weiß ja, dass du deinen Job lieber hast als mich, aber …«

»Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, dass ich hierbleiben und jeden einzelnen Tag mit dir verbringen könnte, würde ich es tun. Das weißt du, mein Liebling.«

Simon zögerte. Er wusste es, aber manchmal fühlte es sich wie eine Lüge an, die seine Mutter ihm erzählte, damit er nicht wütend wurde. »Wenn du mich so liebst, dann nimm mich mit.«

»Ehrlich gesagt«, bemerkte Darryl, der Simons Zimmertür aufgeschoben hatte und den gesamten Türrahmen einnahm, »finde ich die Idee gar nicht so schlecht.«

Simon sah ihn verblüfft an. »Meinst du das ernst?«, fragte er.

Darryl nickte. »Es könnte dir guttun, mal ein Weilchen hier rauszukommen. Euch beiden.« Darryl warf Simons Mutter einen Blick zu, den Simon nicht deuten konnte.

»Meinst du wirklich …?«, fragte sie.

»Du etwa nicht?«

Sie erhob sich und gab Simon einen schnellen Kuss auf die Stirn. »Ich muss noch mal kurz mit deinem verrückten Onkel reden.« Als Simon widersprechen wollte, unterbrach sie ihn. »Bitte.«

Sein Onkel nickte ihm kaum merklich zu, und Simon ließ sich aufs Bett sinken und tat so, als würde er weiterlesen. Doch sobald sie sein Zimmer verlassen hatten, zählte er bis zehn, dann öffnete er vorsichtig die Tür. Darryl und seine Mutter stritten mit gedämpften Stimmen, die von der Küche herüberdrangen, und Simon schlich den Flur entlang, sorgsam darauf achtend, nicht auf die knarzende Diele zu treten.

»… kann nicht hierbleiben«, sagte Darryl. »Orion hat ihn gefunden …«

»Da kannst du nicht sicher sein«, sagte seine Mutter. »Es ist Jahre her.«

»Ich hätte dich nicht gerufen, wenn ich mir nicht sicher wäre.«

Simon drückte sich flach an die Wand. Wer war Orion?

»Wir können ihn nicht einfach so entwurzeln«, sagte seine Mutter. »Es ist gefährlich da draußen.«

»Nicht so gefährlich wie hier. Wir haben keine Wahl mehr, Isabel. Du wolltest warten, also haben wir gewartet. Jetzt haben wir zu lange gewartet. Wenn Orion uns gefunden hat, heißt das, dass sie beide uns gefunden haben.«

»Bist du ganz sicher?«

Sein Onkel fluchte. »Ich habe es doch schon gesagt …«

»Simon?«

Das Quieken neben seinem Ohr ließ ihn zusammenzucken. Er wich zur Seite und stieß dabei gegen einen Bilderrahmen im Bücherregal. Felix saß auf dem obersten Brett und rieb nervös die Pfoten aneinander. Entsetzt gab Simon ihm ein Zeichen, zu verschwinden, bevor jemand sie hörte, doch es war schon zu spät.

Darryl kam aus der Küche. »Simon, was machst du …« Er entdeckte Felix, und Simon hielt vor Schreck die Luft an. Die Maus huschte hinter eine Reihe Bücher, aber von dort aus hatte sie keinen Fluchtweg.

»Worüber redet ihr?«, fragte Simon schnell und stellte sich zwischen seinen Onkel und das Bücherregal. Darryl kam trotzdem näher und schwang einen Kochlöffel wie ein Schwert.

»Wer ist Orion?«

»Aus dem Weg, Simon«, knurrte Darryl. Ein kräftiger Hieb, und er würde das Regal in Stücke schlagen. Felix quiekte wieder, und Simons Mutter erschien im Türrahmen.

»Darryl, was … oh, um Himmels willen.« Sie ging an ihnen vorbei, langte hinter die Bücher und fing Felix mit einem geübten Griff am Schwanz.

»Mom, nicht!« Simon versuchte, ihr Felix abzunehmen, doch sie hielt ihn außerhalb seiner Reichweite.

»Wer hat dich geschickt?«, fragte sie, und zuerst dachte Simon, sie spräche mit ihm. Einen Herzschlag später begriff er, dass sie Felix meinte.

Er fühlte sich, als hätte Bryan Barker ihm ein weiteres Mal in den Magen geboxt. »Du … kannst mit Mäusen reden?«

Sie beachtete ihn nicht. »Sag mir, wer dich geschickt hat, oder du kannst dich von deinem Schwanz verabschieden. Dann von deinen Schnurrhaaren. Dann von deinen Ohren. Dann von deinen Pfoten und dann …«

»Hör auf!«, rief Simon. »Er ist mein Freund. Lass ihn los.«

»Dein Freund?«, echoten seine Mutter und Darryl gleichzeitig, aber wenigstens ließ sie Felix in seine ausgestreckten Hände fallen.

»Du weißt doch, dass du in meinem Zimmer bleiben sollst«, zischte er und spürte förmlich die bohrenden Blicke von seiner Mutter und Darryl.

»Aber da draußen sind Ratten!«, sagte Felix zitternd.

Darryl fluchte wieder. »Simon, pack deine Sachen. Es sieht so aus, als würden wir jetzt doch mit deiner Mutter gehen.«

Viertes KapitelRattenfalle

Simon stand im Wohnzimmer und blickte zwischen Darryl und seiner Mutter hin und her. Von seinem Onkel hatte er diese Reaktion erwartet, doch der panische Blick seiner Mutter sagte ihm, dass Darryl zumindest diesmal nicht paranoid war.

»Ich gehe nirgendwohin«, sagte er. »Nicht, bevor mir jemand erklärt, was los ist. Wer ist Orion? Warum müssen wir abhauen, weil draußen eine Menge Ratten sind? Und warum hast du mir nie gesagt, dass du auch mit Tieren reden kannst?«

Die letzte Frage richtete sich an seine Mutter. Weder sie noch Darryl wirkten überrascht. »Es tut mir leid, mein Schatz«, sagte sie. »Ich wollte dich nicht anlügen. Aber jetzt haben wir keine Zeit. Du musst packen.«

»Packen wofür? Wohin gehen wir?«

»So weit weg wie möglich.«

»Aber warum …«

»Bitte, Simon«, sagte sie. »Tu es für mich.«

Sie hielt seinem Blick stand, die blauen Augen flehentlich auf ihn gerichtet, und schließlich gab Simon nach. »Na schön. Aber du musst mir alles erklären.«

»Versprochen.«

Er machte seine Zimmertür hinter sich zu, kletterte auf seinen Schreibtisch und nahm die Postkarten von der Wand. Erst als er sie in einem Seitenfach seines Rucksacks verstaut hatte, kümmerte er sich um Kleidung. Sie gingen wirklich fort. Sie alle, zusammen, weit weg von der Stadt und von Bryan Barker. Simon überlegte kurz, ob er sich kneifen sollte, aber falls er wirklich träumte, wollte er gar nicht aufwachen.

Zwei Minuten später, als Simon gerade mit dem Reißverschluss kämpfte, öffnete Darryl die Tür. Sein Onkel packte den Rucksack und zerrte an dem Verschluss, sodass fast die Naht gerissen wäre. »Auf geht’s«, sagte er.

»Warte.« Simon nahm Felix mit beiden Händen von seinem Kopfkissen. Die Maus quiekte und verschwand in der Tasche von Simons Sweatshirt, wo sie sich zu einem zitternden Ball zusammenrollte.

Zwischen Darryls Augenbrauen zeigte sich eine steile Falte. »Die Ratte kommt nicht mit.«

»Es ist eine Maus, keine Ratte«, sagte Simon. »Entweder kommt Felix mit, oder ich bleibe.«

Sie starrten einander an. Simon würde nicht den einzigen Freund im Stich lassen, den er noch hatte.

Sekunden vergingen, bis Simons Mutter aus dem Wohnzimmer rief. »Gehen wir oder nicht?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Simon und starrte seinen Onkel an. »Gehen wir?«

Darryl grunzte und stapfte missmutig durch den Flur. Erleichtert setzte Simon seinen Rucksack auf und folgte ihm.

»Wann kommen wir zurück?«, fragte Simon.

»Ich weiß es nicht«, sagte seine Mutter. »Vielleicht gar nicht.«

Nie wieder im Leben Bryan Barker. Trotz der Sorge seiner Mutter und seines Onkels konnte Simon sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Gut.«

Sie lächelte zurück. »Ich hab mir gedacht, dass du das sagen würdest.«

»Isabel«, sagte Darryl scharf. Er stand neben der Tür. Ein leises, metallisches Klirren war zu hören, und das Schloss begann, sich von allein zu drehen.

Simon runzelte die Stirn. »Wer außer uns hat einen …«

Die Tür flog auf. Erst meinte Simon, es wäre niemand da, doch dann hörte er Darryl schnauben, und ein starker Geruch nach verrottendem Müll drang in seine Nase. Als er durch den Mund Luft holte, sah er sie.

Ratten – Hunderte und Hunderte – liefen durch das Treppenhaus, strömten in die Wohnung und drängten sich um sie. Ihr schrilles Quieken pfiff in Simons Ohren, und er konnte ihre scharfen Schneidezähne sehen. Darryl versuchte, sie wegzutreten, doch die Ratten waren überall und kletterten übereinander, um näher zu kommen. Ein besonders eifriges Exemplar kletterte an Simons Bein hoch, es bohrte ihm die winzigen Krallen in die Haut, und er warf ruckartig das Bein vor. Die Ratte flog gegen die Wand, doch bevor Simon sich in Sicherheit bringen konnte, begannen zwei weitere, an seinem Bein hochzuklettern.