Anna, Tee & Donauwelle  Band IV - Gabriela Kaintoch - E-Book

Anna, Tee & Donauwelle Band IV E-Book

Gabriela Kaintoch

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Beschreibung

Die pfiffige Ermittlerin Anna zieht endlich in Peters Haus. Beim Leerräumen ihres Kellerverschlages rutscht ein schweres Holzschrankoberteil in den Nebenraum, eine vorstehende Mauer wird eingedrückt und eine mumifizierte Leiche entdeckt. Erinnerungen an die Wohngemeinschaft, zu der damals der Kellerverschlag vor dreißig Jahren gehörte werden wiedererweckt. Das Opfer ist der Sohn des Hausbesitzers. Verdächtig sind ein unscheinbar wirkender Mann, und der dritte Mitbewohner, der mittlerweile ein wohlhabender Richter am Landgericht ist. Schicksale und Tragödien um zwei junge Frauen, die zur Mordzeit sich auch in der Wohnung aufhielten, werden von Anna, dem Ex-Kriminalhauptkommissar Peter, und ihrem Team enthüllt.

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Seitenzahl: 254

Veröffentlichungsjahr: 2020

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"In den Abgründen des Unrechts findest du immer die größte Sorgfalt für den Schein des Rechts."

Johann Heinrich Pestalozzi

1746-1827

Die Autorin

Wie ihre zentralen Romangestalten, erkannte auch Gabriela Kaintoch für sich verschiedene Lebensstufen, die man bergreifen und begehen sollte. Von den Rechtswissenschaften, über das erfolgreich abgeschlossene Studium als Opernsängerin, das Gesangspädagogik-Staatsexamen, ihre Tätigkeit als Sängerin und langjährige Gesangspädagogin fand sie schon seit längerem zum Schreiben. In den letzten zwanzig Jahren hat sie zwei Fachbücher über die Stimme veröffentlicht, die in Fachkreisen hervorragende Resonanz fanden.

Die aktuelle schriftstellerische ‚Lebensstufe‘ hat sich in ihr, unabhängig von allem Vorherigen, schon länger entwickelt und verstärkt. Das von Gabriela Kaintoch präsentierte Genre hat im Grunde zu ihr gefunden, zumal einige derartige Krimireihen sie auch als Leserin selbst begeisterten. Sie ist verheiratet und lebt in Saulheim bei Mainz.

Die Hauptfiguren

Anna ist die „Stammesmutter“ und Titelgeberin. Sie ist seit vielen Jahren Witwe und arbeitete jahrzehntelang als Haushälterin und „Ex-Parkettkosmetikerin“, wie sie es selbst humorvoll bezeichnet. Anna ist durch ihr inneres Strahlen sehr jugendlich, zudem technikaffin, sehr belesen und begeisterte Goethekennerin. Sie liebt es, sich in Krisenzeiten zu „Tee und Donauwelle“ mit Gleichgesinnten zu beratschlagen, was quasi zum Ritual wurde.

Peter ist ebenfalls Witwer, Annas Nachbar und nun auch ihr Lebenspartner. Der Ex-Kriminalhauptkommissar rettete dereinst seinen treuen einäugigen Schäferhund namens „Columbo“, der oft wichtige Dienste leistet und unverzichtbar ist, zumal er auch als Polizei-Spürhund ausgebildet wurde.

Bei ihren Fällen können sie sich stets auf ihr Umfeld verlassen. Sie durchleben manchmal auch heikle und gefährliche Situationen, die aber mit Glück, Humor und viel Herz bewältigt werden.

Kapitel

Was lange währt

Räumung

Ein Fall für Clemens

Wer ist die Leiche?

Die Hausbesitzer

DNA und andere Fragen

Columbo auf Freiersfüßen

Impressionen

Der „Unsichtbare“

Mentor’s Ratschlag

Seine „Gnaden“

Stich ins Wespennest

Spuren

Es geht weiter

Weidens Erinnerungen

Richter ohne Rechtsempfinden

Familie

Teilergebnisse

Zeugin oder Opfer?

Der Fall Rauner

Ruhe in Frieden

Die graue Maus

Der Richter auf der anderen Seite

Claudia

Mutter und Sohn

Columbos Stammhalterin

Interpol & Richard Corrs „liefern“

Lebenszeichen

Konsequenzen

Familienbande

Lukas

„L’alba e la chiarezza“ – Morgendämmerung und Klarheit

Die „Platte“

Erweiterte Sicht der Dinge

Es ist vollbracht …

1. Was lange währt

Peter hatte wirklich gute Argumente angeführt, das musste Anna schon zugeben. Seit etlichen Monaten versuchte er, in „homöopathischer Dosierung“ Anna zu überzeugen, dass es für sie viel rentabler und komfortabler sei, wenn sie in sein Haus ziehen würde. Ihre kleine Wohnung, die sie nun fünfzig Jahre bewohnte und die sie liebevoll und stilsicher eingerichtet hatte, war immer noch verhältnismäßig günstig, wie Peter wohl zugeben musste.

Anna war eine junge Frau, als sie und ihr Mann, der vor fünfzehn Jahren verstorben war und der ebenfalls Peter hieß, dort einzogen. Hier hatten sie ihren Sohn Ralf bekommen und aufgezogen, sich sicher und behaglich gefühlt. Kurz … hier war sie einfach lange Zeit glücklich und behütet gewesen und wollte diesen Rückzugspunkt eigentlich nie mehr missen.

Anna brauchte ihre Unabhängigkeit, wie die Luft zum Atmen. Ihr, verstorbener Mann Peter hatte ihr den Freiraum stets gelassen, was sie - unter vielem anderen - so sehr an ihm liebte. Er war ein selbstbewusster und starker Mann, der gerade deswegen auch seine wundervoll zärtliche und weiche Seite zulassen konnte.

Anna und ihr Mann waren eifrige „Leseratten“ und verschlangen Krimis, Romane und vor allem viel „für den Kopf und die Seele“, wie sie es nannten. Diese Seelenkost waren Bücher über Religionen, Wissenschaften, Schicksale und Philosophie.

Seit Peters plötzlichem Herztod vor vielen Jahren, hatte sie unter anderem schmerzlich den Austausch über das Gelesene und das Gelernte mit ihm vermisst. Diese wundervollen belebenden Diskussionen. Kaum ein Bekannter wusste von beider Wissenshunger oder hätte es geahnt. Aber auch nach – oder gerade wegen - Peters Tod faszinierte sie gerade noch mehr die wissenschaftliche Literatur, Poesie und die gute alte Philosophie.

Es gab tagtäglich so vieles zu lernen und zu begreifen. Der Fortschritt machte ihr Freude. Sie wog immer sorgsam ab, und so kam es, dass ihre Bücher durch einen Reader ergänzt und teilweise ersetzt wurden; weniger Umweltbelastung, leichter und variabler als ein papierenes Buch.

Schon früh besaß sie ein Handy und war damit schnell vertraut. Daraus wurde dann ein Smartphone. Wieso kamen so viele Altersgenossen damit nicht klar? Ihr machte es Freude. Besonders Sarah, Ralfs Frau, unterstützte sie gegebenenfalls, wenn mal etwas nicht klappte und für sie neu zu lernen war. Ihr Mantra war: Das Leben geht weiter. Stagnation ist Tod … Und der sollte noch lange kein Thema für Anna sein.

Sie war ein Mädchen aus Nordfriesland, das es als Kind nach Wiesbaden verschlagen hatte. Durch die Zeit nach dem Krieg und folgende Not, durchs Putzengehenmüssen, die Tätigkeit als Haushälterin und ihre Hausfrauen-und Mutteraufgaben konnte sie in der Summe manchmal kaum mehr und war oft abgekämpft. Dennoch – oder deshalb? - spürte Anna unvermindert diese hungrige Sehnsucht nach Wissen und schönen Dingen.

Von jeher schlummerte ein enormes Talent in Anna. Sie war hochgebildet, auch ohne universitäre Zeugnisse und Examina und – vor allem - ohne es jemals vor sich selbst als etwas Besonderes empfunden zu haben. Sie erkannte, erstaunlich rasch und leicht, wichtige Zusammenhänge, die vielen anderen verborgen blieben und besaß logisches Denken und Verstand, gepaart mit viel Gefühl.

Anna wusste Goethe und andere Große zu zitieren – für Außenstehende immer wieder überraschend und kaum begreifbar – jedoch immer passend zu den gerade vorhandenen Geschehnissen und Fragestellungen.

Sie lernte, sich selbst zu genügen und trotzdem alles um sich herum wertzuschätzen. Anna hielt auf sich und genoss Bewunderung. Gerade war sie ganz und gar bei sich angekommen.

Wie in einem Theaterstück, begann ein neuer Akt damit, dass Peter in ihr Leben trat, der Nachbar von Gegenüber. Der pensionierte Kriminalhauptkommissar mit dem eigenen Haus und einem wunderbaren einäugigen Schäferhund.

Kaum zwei Jahre war es her, dass sie sich näher begegneten und eine „vom Himmel bescherte Liebe“ zueinander entdeckten, … denn genauso empfanden sie ihre Verbindung.

In Anna steckte eine „Miss Marple“, wie viele meinten, da sie fast immer in kniffligen Situationen den Durchblick hatte und zielführend hinterfragte und kombinierte.

Und es ging tatsächlich ziemlich zeitgleich mit Peters Eintritt in ihr Leben los … los mit Fällen, in denen sie ihre Begabung zeigen konnte. Mutig und würdig einer „Miss Marple“, klärte sie kriminalistische Fälle erfolgreich mit Peter und einem Team auf, das je nach Fall durch neue Helfer Ergänzung fand, die oft auch zu neuen Freunden wurden.

Sie hatten Helfer, wie Peters ehemaligen Kollegen und Frischling, Clemens Neuhäuser, seines Zeichens mittlerweile auch schon ein gestandener Kriminaloberkommissar, den Gerichtsmediziner Dr. Oliver Reinke, Annas Sohn Ralf und dessen Frau, Sarah, und – nicht zu vergessen – Columbo den wehrhaften einäugigen Schäferhund mit der feinen Spürnase. Peter hatte ihn gerettet. Er war beider großer Liebling. Ein Wesen, das von Menschen sehr lange gequält wurde und der dennoch voll von Liebe, Treue und Zärtlichkeit ist.

Gerade in diesem Moment wickelte sie ausgewählte Porzellanteile in Zeitungspapier ein und befüllte damit einen Umzugskarton. Nein, Anna hatte nie ein Problem damit, sich von Dingen lösen zu können. Und so fand sich, wie sie gerade feststellte, einiges, das sie nicht mehr brauchte oder nicht mehr schön fand. Es konnte weg und würde das „Gepäck“, welches sie in Peters Haus mitnahm, erleichtern.

Irgendwann in den letzten Monaten wurde ihr mehr und mehr bewusst, dass diese Wohnung für sie nicht mehr das beschützende Refugium war, das sie jahrelang als sicheres Nest brauchte. Peter, dieser sanfte und doch souveräne und starke Mann machte ihr eine neue Stufe der Sicherheit bewusst, die vollkommen in ihr selbst lag. Ganz unabhängig von anderen oder einem speziellen Ort.

Er war fast übermenschlich gütig, so dass er ihr auch bewusst machte, dass sie nicht einmal ihn benötigen würde, um sich wohlzufühlen und sicher und behütet sein zu können. Es war alles in ihr selbst. Diese Feststellung war deckungsgleich mit der Erfahrung aus ihrer eigenständigen Entwicklung, als sie noch alleine war.

Wenn dann auch noch die Miete und alle Folgekosten für ihre Wohnung entfallen würden … dann wäre sie doch dumm, dies nicht endlich als Vorteil zu erkennen.

Peters Haus war sehr groß, sehr schön und ihr mittlerweile auch richtig vertraut geworden. Im Grunde lebte sie schon viele Monate vorwiegend dort. Nun nahm sie eben ihre Unabhängigkeit, die ihr immer unendlich wichtig war, mit in das neue Zuhause. Und … es war, wie Anna gerade beim Einpacken merkte, für sie auch eine Chance, um Ballast abzuwerfen.

Leben heißt Veränderung, Stagnation ist Tod, das war schon immer eine Erkenntnis dieser bemerkenswerten Frau, an die sie beim Einpacken immer wieder denken musste.

So, wieder ein Karton ist voll! Anna wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Sie schaute sich um. Vieles, das Anna selbst tragen konnte, hatte schon seinen Platz in Peters Haus gefunden, das im Grunde jetzt auch ihr Haus war, denn Peter hatte sie als Mitbesitzerin eintragen lassen. Ganz still und heimlich. Als er es ihr schwarz auf weiß zeigte, da sie auch ihre Unterschrift darauf setzen musste, war sie sehr berührt und brauchte einige Zeit, um diesen Schritt ihres Partners zu erfassen.

Auch Peter war seit vielen Jahren Witwer. Kurz nachdem im Alter von 22 Jahren die gemeinsame Tochter Ingrid nach einem schweren Autounfall verstarb, erkrankte seine Frau Petra unheilbar an Krebs. Ingrid, die dem Vater nacheiferte und begeistert in der Ausbildung zur Polizistin war, bedeutete alles für ihre Eltern. Beide versanken danach für lange Zeit regelrecht in ein schwarzes Loch.

Anna und Peter hatten beide Leid erlebt und wahrscheinlich dadurch gelernt, wieder aufzustehen und weiterzuleben. Zwei gereifte Menschen, die das Glück erkennen konnten und beim Schopfe ergriffen. Es zog sie immer näher zusammen, wie Magneten. Und trotzdem verstanden sie die Kunst, zwei souveräne Persönlichkeiten zu sein, die keiner besaß, sondern die sich gegebenenfalls verschenkten.

Um diese Dinge sinnierte Anna, als sie die letzten Handgriffe des Verpackens erledigte.

Deshalb macht mir auch Bügeln so einen Spaß. Da kann der Kopf sich ausleben, während der Körper schafft, genauso ist es gerade wieder. … Mhm, … Fertig!

„Kinder, die letzten Kartons könnt ihr jetzt abholen und rüberbringen!“, tönte Anna.

„Schrei doch nicht so, Mama. Wir sind doch im Nebenzimmer und nicht über den Atlantik!“

Da stand Ralf schon grinsend neben ihr und hob einen Karton hoch. Auch Enkel Paul war hereingekommen und griff sich den zweiten Umzugskarton.

Ein letzter Blick um sich … Anna nickte. Alle verbleibenden Dinge und Möbel hatte sie schon einer sozialen Einrichtung für Bedürftige gespendet, die sie in den nächsten Tagen abholen würde. Sie ging noch ein letztes Mal alle Zimmer durch und spürte, dass alles so richtig und gut war. Die Zeit hier konnte sie als beendet erklären …

„Alles gut!“

Draußen vor der Haustür kam ihr Sohn schon wieder mit großen Schritten über die Straße.

„So, Mama, … was jetzt“, wollte er wissen.

„Wir gehen jetzt in den Keller. Da ist ja noch der alte kaputte Kleiderschrank zum Abschlagen. Das Ding ist unendlich schwer und massiv. Bring Paul und möglichst jeden muskelbepackten Helfer mit!“

Paul eilte gerade auch über die Straße und Ralf richtete seinem Sohn die Botschaft der Chefin aus. Paul nickte und ging wieder zurück, um Peter und Tim zu holen.

Tim, der so alt wie ihr Enkel war, war ein guter Freund der Familie geworden. Sie lernten ihn in ihrem ersten Ermittlungsfall kennen und schätzen. Wie in fast jedem darauf folgenden Fall, kamen neue Freunde und Seelenverwandte hinzu. Peter und Anna empfanden das als großes Geschenk. Und jetzt war Tim eben im Kreis der Familie beim Umzug dabei.

2. Räumung

Unten im Keller sah es, wie immer, sehr düster aus, und es roch unverändert muffig. Die hölzernen Kellerverschläge waren links und rechts des Kellergangs. Der von Annas Familie befand sich als vorletzter hinten rechts. Sie marschierten zu Annas Kellerverschlag, der schon geöffnet war, denn niemand schloss hier jemals ab. Es war, nach Annas Wissen, kein einziges Mal etwas fortgekommen. Auch wenn sie so gut wie nie hier herunter kam, so hätte es sich im Hause herumgesprochen.

Der alte Kleiderschrank stand bereits jahrzehntelang im Keller. Annas verstorbener Mann hatte ihn als Antiquität erworben. Das Teil war alt und sehr massiv, und man konnte es ohne weiteres ohne Nägel oder Ähnliches zusammenstecken. Nach einiger Zeit stellte damals die Familie fest, dass der Schrank modrig roch und Wasserflecken und Verformungen durch Aufquellungen aufwies. Das besiegelte sein Schicksal. Er wanderte ab in den Keller.

Anna wunderte sich damals, wie ihr Mann dieses Ungetüm mit Freunden im Keller wieder aufbauen konnte. Anscheinend wollte er darin Sachen unterbringen, wozu es aber niemals kam.

Nun also musste dieses schwere Teil zerlegt und auf den Bürgersteig verbracht werden, da der Sperrmüll es morgen von dort abholen würde. Peter und Ralf überlegten, wie sie es auseinander bekämen.

„Immer von oben abbauen, meine Herren“, rief Anna von hinten über deren Schultern hinweg, um die Diskussion abzukürzen.

„Klingt logisch, da das Oberteil am schwersten ist, aber zu dieser Erkenntnis sind wir auch schon durchgedrungen, Mama.“ Ralf schaute seine Mutter etwas genervt an.

„Also Leute, heben wir es ab!“, rief Peter zum Weitermachen auf.

Peter, Ralf und Timm nickten sich zu. Ralf stand links und Peter rechts, Tim sicherte die Mitte. Sie hoben gleichzeitig an. Das Ding wollte sich an der rechten Verankerung nicht so recht abheben lassen.

Nun musste Peter auf seiner rechten Seite eindeutig mehr Schub geben. … Wieder ein kollektives Zunicken … und los! Sie hoben mit vereinten Kräften an. Das Schrankdach ließ sich plötzlich rechts viel leichter abheben, so dass die verstärkte Hubkraft bewirkte, dass es über die instabilen Seitenteile nach links rutschte … auf Ralf zu. Der wollte ausweichen, konnte aber die Füße nicht weiter nach links bewegen, da dort die Bodenverstrebung der Trennwand des Kellerverschlags ihn behinderte.

Er verlor das Gleichgewicht und stolperte zur Seite. Die dünnen Leisten der Abtrennung des Bretterverschlages brachen hinter ihm ein, so dass er im benachbarten Kellerverschlag rücklings landete.

Anna schrie auf … vor Angst um ihren Sohn, denn das Schrankoberteil sauste in seine Richtung. Es durchschlug ebenfalls die dünnen Leisten und knallte gegen einen Überstand der gemauerten Wand im Nebenabteil.

Es rumpelte gewaltig. Staub stob auf und Ziegel fielen aus der Wand auf das schwere Holzdach des Schrankes.

Alle starrten entsetzt zu der Stelle, wo Ralf hingefallen sein musste. – Stille! Alle waren erstarrt.

Dann hörte man ein Husten aus Richtung der dichten Wolke. … gefolgt von einer ganzen Salve von Hustern und Stöhngeräuschen. Endlich bewegte sich jemand unter dem Schutt … Ralf!

„Falls jemand fragen sollte? … Ich lebe noch!“ Er klang mitleiderregend und doch noch humorvoll.

Anna eilte zur Stimme hin und sah ihren Sohn, der unter dem schrägen Schrankdach … quasi beschützt … dalag. Die abgerutschte linke Seite war durch die hintere massive Wand des letzten Kellerverschlages abgebremst worden. Ihre erhöhte rechte Seite befand sich noch in Annas Abteil und ruhte oben auf den durcheinanderliegenden Seitenteilen des Schrankes. Diese Schräge hatte ihn gerettet.

Sofort halfen alle mit, dass Ralf aus seiner Höhle befreit werden konnte.

„Junge, tut was weh? … Wie geht es dir?“ Annas Stimme war ganz zittrig.

Ralf erhob sich und wurde sofort von seiner Mutter umarmt.

„Ich glaube, dass mir nichts passiert ist. … Bin auf den Rücken geknallt … als das riesige Ding auf mich zugesaust kam, … ich dachte schon, … das war‘s.“

Er wollte ein paar Schritte gehen, merkte aber dann, dass sein Fußknöchel höllisch schmerzte.

„Autsch, … Fuß tut weh!“ Er schaute fragend auf die Helfer. „Bringt mich gleich mal jemand zum Arzt, … bitte?

Paul stützte seinen Vater. „Papa, ich fahre dich direkt in die Notaufnahme, denn der Arzt hat jetzt Mittag. Ist besser so. … Tim würdest du Papa von der anderen Seite stützen?“

Tim hatte unterdessen schon Ralfs anderen Arm um sich gelegt. Beide hievten den Verletzten die Kellertreppe herauf und fuhren dann mit ihm davon.

Anna hatte ihr Handy herausgenommen, um ihre Schwiegertochter zu informieren, erreichte sie aber nicht. Auf die Mailbox mochte sie in ihrer Aufgeregtheit nicht sprechen.

Peter stand bei ihr. „Schatz, … ist besser so, denn sie würde sich jetzt nur verrückt machen. Ralf ist in guten Händen. Alles nicht so schlimm!“

Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und spürte, dass sie zitterte und noch ziemlich neben der Spur war. Dann meldete sich der Schock über den Unfall ihres Sohnes, indem sie zu weinen begann. Gelehnt an Peters Schulter konnte sich die Anspannung etwas lösen.

„Schatz, ich habe da ‚etwas Bedenkliches‘ entdeckt und muss deshalb gleich Clemens anrufen.“

„Was … Wieso?“ Anna schaute Peter mit großen Augen fragend an.

„Sag schon, was ist?“

„Da … an der Wand“, er zeigte mit der Hand auf die Rückseite des Nebenabteils, in das Ralf gefallen war und wo das fallende Schrankdach Ziegel herausbersten ließ … „Da ist was dahinter.“

Sie wollte sich umdrehen, um dorthin zu schauen. „Besser, du lässt das bleiben. Es sieht gruselig aus, denn da … dort sehe ich einen Toten!“

Anna durchfuhr es wie ein Stromschlag. Sie trocknete sich die Tränen an Peters Hemd, fuhr herum und schaute auf das Loch in der Wand.

„Das gibt’s doch nicht! – D-du hast Recht, … da ist jemand drin!“

„Wie fühlst du dich, mein Schatz? …Lass uns erst einmal in unser Haus zurückkehren, damit du dich beruhigen kannst.“ Er fasste sie an den Oberarmen.

„Ach was, Peter, … du kennst mich doch gut genug, dass du wissen solltest, dass mich sowas nicht umhaut. … Danke für deine Fürsorge, aber mir geht’s tatsächlich wieder besser.“

Sie schaute wieder zu dem Loch in der Wand. „Wer mag das nur sein, Peter, … und wie lange ist der da wohl drin?“

„Das ist die Frage. – Erst einmal muss jetzt Clemens her. Der ist der amtierende Fachmann hierfür.“

Peter erreichte Clemens auf dessen Mobiltelefon und schilderte ihm kurz die Sachlage.

„Schön von dir zu hören, alter Meister. … Also, ihr habt schon wieder eine Leiche gefunden?“ Peter konnte nicht sehen, dass Kriminaloberkommissar Neuhäuser sein Lachen grinsend unterdrückte.

„Quatsch, Frischling, die finden immer uns. … Aber Spaß beiseite … Es sieht gruselig aus und die Tat scheint schon geraume Zeit her zu sein, denn die Leiche scheint ganz schön mumifiziert.“

„Ich komme sofort mit den Forensikern. Hast Glück, denn ich hatte gerade einige anspruchsvolle Fälle beendet, so dass es gerade passt. … Also, bis gleich.“

Anna hatte mitgehört und riet: „Mach‘ solange schon mal ein paar Fotos mit deinem Smartphone.“

Peter nickte und legte los. Während er knipste formulierte Anna in Worte, was sie während Peters Telefonat beschäftigte. … und was ihr sofort als Merkwürdigkeit ins Auge gefallen war.

„Wenn ich mir alle anderen Verschläge, auch unseren, anschaue, dann ist dieser mit der Leiche in der Wand, der einzige, wo so ein … wie soll ich es beschreiben? … so ein gemauerter Erker vorhanden ist … mit so einem Vorsprung.“

„Hast Recht, Schatz. Frage ist also, war das auch schon vor der Leiche so, wegen Rohren oder sonstigem Raumbedürfnis dahinter, oder wurde der extra für die Leiche gemauert.“

„Wenn das Letztere zutrifft, was mich irgendwie anspringt, dann muss das jemand gemauert haben, der die Leiche verbergen wollte.“

Peter nickte zustimmend. „Also … der oder die Täter.

„Und, das Zumauern spricht, nach meiner Einschätzung, für einen Mann als Täter … zumindest als Mittäter. … Leiche in den Keller runterschleppen – wenn dort nicht der Tatort war – und dann aufrecht einmauern … Ja, ich glaube, das braucht mindestens zwei Leute. Davon war mindestens einer ein Mann.“

3. Ein Fall für Clemens

„Eigentlich dachte ich, dass ich meinen alten Mentor in einigen Tagen zu eurer Hauseinweihungsparty wiedersehen würde. … Mann, ist das hier muffig!“

Clemens war mit seinem Team gerade die Kellertreppe herabgestiegen und begrüßte seinen Freund herzlich.

„Wo ist deine Anna?“

„Die ist drüben im Haus und macht sich frisch. … Du weißt doch, wie Frauen auf Staub reagieren. … Dann wollte sie auch den Angstschock wegen Ralfs Sturz etwas verwinden und erkunden, wie es dem jetzt geht. … Was die Notaufnahme sagt …“

„Okay, … hoffentlich ist nichts gebrochen oder so. Die sollen ihn mal richtig durchchecken. Manches merkt man nicht sofort.“

Peter nickte, denn er machte sich auch Sorgen, um „seinen“ Sohn.

Dann kam er wieder zum Fall zurück, … zu diesem rätselhaften Kellerfund.

„Tja, es lässt sich anscheinend nicht vermeiden, dass uns immer solche Dinge ereilen. Höchstwahrscheinlich will das Schicksal, dass wir derart mysteriösen Fälle mit aufklären helfen. … Wenn es dir Recht sein sollte?!“

„Kein Problem, ‚Sherlock‘. … Lass mal schauen, was wir da haben.“

Clemens erfasste die gegebenen Falten sehr rasch. „Aha, da ist das Holzdach gegengeknallt und hat den Mauervorsprung zerbröselt. … Wieso ist dieser Vorsprung überhaupt dort?“

„Die Frage lag Anna vorhin auch sofort auf den Lippen, da sie als erste erkannte, dass im Keller sonst nirgendwo solch ein ‚Erker‘ gemauert wurde. Wenn der nicht wegen Rohrleitungen et cetera begründet ist, was ich nicht erkennen kann, dann diente es einzig und …“

„ … und allein dem Verstecken der Leiche. So sehe ich das auch!“

Clemens‘ Team fotografierte als erstes den Fundort. Dann machten alle sich daran, das Schrankdach wieder in Annas rechten Kellerverschlag zurückzuschieben. Jetzt konnte man näher an die Fundstelle herangehen und sie besser ausleuchten. Alles und jeder Schritt wurde dokumentiert.

„Hm, … es sind tatsächlich keine Rohre erkennbar. Auch sonst kein Grund für diese vorgewölbte Mauer.“

Sie hörten Schritte auf der Kellertreppe. Anna kam mit einem Herrn herunter, der allen gut bekannt war. Dr. Oliver Reinke, der Rechtsmediziner.

„Wir sind uns vor der Tür begegnet. Habe ihn sofort an dem Leichenwagen erkannt. Der wird jetzt bestimmt ein wenig Aufsehen erregen.“ Anna ging es wieder besser und sie trat zu Peter.

„So, was haben wir denn da?“ Der Humorist Oliver stellte gerne diese überflüssige Frage. Denn, warum würde man ihn sonst wohl rufen, wenn nicht wegen einer Leiche oder Leichenteilen?!

Mit solchen Sprüchen konnte er aber auch oft die Beklommenheit der Anwesenden lösen. Er wusste, dass er mit diesen scheinbar unsinnigen Floskeln ablenkte, sei es um den Preis, dass man sich über ihn ärgerte.

Er trat an das Loch in der Backsteinmauer und hatte schnell begriffen. Man sah den Schädel bis zu den Schlüsselbeinen. Auch wenn die Skelettierung weit fortgeschritten war, würde Oliver sich hier zurechtfinden. Er war, was viele nicht ahnten, auch ein renommierter und qualifizierter forensischer Anthropologe.

„Mumifizierte Leiche … eines jungen … Mannes, der wahrscheinlich schon einige Jahrzehnte hier verbrachte. Näheres ergibt die Obduktion. Die Zähne sind alle vorhanden, so dass die forensische Odontologie uns gegebenenfalls weiterhelfen kann. … Sagt mir, wann ich ihn mitnehmen kann.“

Die mumifizierte Leiche wurde freigelegt, indem extrem vorsichtig Stück für Stück die vorderen Ziegelsteine abgetragen wurden. Mörtel und Steine waren ähnlich, aber nicht identisch mit denen dahinter und denen im übrigen Keller, wie Peter und Clemens unisono feststellten.

Behutsam hoben Oliver und seine Helfer den Körper aus seiner Umgebung und legten ihn in einen Leichensack, der dann vorsichtig aus dem Keller in Olivers Berufsfahrzeug gebracht wurde.

„Der erste Eindruck bestätigt sich. Das Becken und andere Hinweise sagen aus, dass es ein junger Mann ist. Am Schädel habe ich Impressionsfrakturen erkannt. Könnte Mord gewesen sein.

Übrigens, in den Kleidungsresten könnte sich noch ein Portemonnaie befinden. Aber damit da nichts zerbröselt, werde ich auch das auf meinem Tisch angehen. Vielleicht ist ja noch ein Ausweis zu erkennen.

Alles weitere, wenn ich ihn auf meinem Tisch untersucht habe. … Also, meine Lieben, … ich bin dann mal weg!“

Oliver winkte noch einmal grüßend über die Anwesenden und entschwand.

Clemens musste lachen. „Oliver erinnert mich gerade einmal wieder an das weiße Kaninchen aus ‚Alice im Wunderland‘, das stets in Eile ist, auf seine Uhr starrt und meint, es komme zu spät. … Aber das täuscht, der ist einfach so voller Tatendrang und Humor. Prima Kerl!“

„Stimmt. Bin mal gespannt, der Tote zu ihm spricht“, meinte Peter. „Wenn einer da etwas hören kann, dann Oliver.“

Es dauerte noch einige Zeit, in der Clemens und sein Team mit Strahlern die Ecke ausleuchteten und Proben vom Mauerwerk, Mörtel und Staub nahmen. Auch am Schrankoberteil suchten sie akribisch nach etwas Verwertbaren, wurden aber nicht fündig.

Clemens schaute Peter fragend an. „Hatte ich dich vorhin richtig verstanden, dass ihr das Teil wegen der Sperrmüllabholung nach draußen befördern wolltet?“

Peter und Anna nickten nun wie im Chor.

Clemens gab seinem Team, das gerade seine Taschen zusammenpackte ein Zeichen. „Jungs und Mädels … wenn ihr so lieb wäret … helft mir mal kurz aus und bringt mit mir die Holzteile nach oben auf das Trottoire.

Und schon wanderte als erstes das schwere Schrankdach durch den Keller nach oben, wie hernach auch der Rest des Ungetüms. Ungeahnterweise war das Bodenteil noch viel schwerer als das Dachteil. - Peter erschrak über die Erkenntnis. Da haben wir ja noch mal Glück gehabt, dass das Dach nicht genauso schwer war. Sonst … wer weiß …?

Clemens und Peter waren wieder zurück im Keller und brachten ein Absperrband um die letzten beiden Kellerverschläge an.

Anna hatte in der Zwischenzeit mit Sarah gesprochen, die schon von ihrem Mann und Sohn gehört hatte, dass Ralf nichts Schlimmes passiert war. Einige Prellungen und ein verstauchter Knöchel waren ein vergleichsweise glimpfliches Ergebnis.

Großer Gott, was alles hätte passieren können! Anna musste immer wieder daran denken. So schnell könnte man sein Kind verlieren …

4. Wer ist die Leiche?

Anna und Peter saßen am folgenden Nachmittag am Esstisch, bei Earl-Grey Tee und Donauwelle, ihrer Standard-Nervennahrung für intensive Denkprozesse. Clemens hatte sich unangemeldet dazugesellt. Ihm war klar, dass es sehr hilfreich sein könnte, von Anna, deren Wohnung sich so lange Zeit direkt über der Fundstelle der Leiche befunden hatte, Informationen zu ehemaligen Mietern und über die vergangenen Jahrzehnte zu erhalten. Die zentrale Frage war: Wer ist der Tote?

„Ich konnte letzte Nacht kaum schlafen, weil mir immer und immer wieder im Kopf rumging, dass die ganzen Jahrzehnte über, die meine Familie und ich dort wohnten, unten im Keller eine Leiche … v-verweste. – Schrecklich!“ Anna schüttelte sich.

Clemens blieb professionell sachlich, auch wenn die Gedanken Annas ihn nicht unberührt ließen. „War euer Vermieter immer derselbe?

„Soweit ich weiß, hatte sich da nie etwas geändert. Der Hausbesitzer heißt Klaus-Maria Weber. Er und seine Frau Ursula erscheinen auf den Abrechnungen immer als Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes. … Wart mal, … ich habe beim Umzug den Ordner mit den letzten Abrechnungen in den Flur gelegt, bis ich eine passende Ablage finde …“

Anna holte den Ordner und reichte ihn Clemens. Der fand auch sofort Name und Anschrift der Hausbesitzer.

„Die werde ich später anrufen, um zu erfahren, zu welcher Wohnung der Kellerverschlag zugeordnet ist.“

Peter wandte ein: „Vorher müssen wir aber Klarheit über den Todeszeitpunkt haben. Oliver kann hoffentlich das Geschehen auf einige wenige Jahre oder vielleicht sogar noch genauer festlegen.“

Anna schluckte ihren Tee herunter und nickte. „Genau, denn in einigen Wohnungen wechselten die Mieter relativ häufig. Da wäre es schon sehr hilfreich, wenn ein spezieller Zeitraum eingekreist werden könnte.“

Peter gab jedem noch ein Stück Kuchen. Clemens schien richtig ausgehungert zu sein, denn er stopfte sofort wieder einen mächtigen Bissen in den Mund.

„Gelle, das schmeckt und hilft den ‚kleinen grauen Zellen‘ zu arbeiten?“ Anna grinste ihn freudig an und schaute bestätigend zu Peter, der ebenfalls schmunzeln musste.

Clemens war es mit einigen Mühen wieder möglich verständlich zu sprechen, was nun auch erforderlich war, da sein Telefon gerade klingelte. Er erkannte auf dem Display sofort den Gerichtsmediziner als Anrufer.

„Das ist Oliver, … endlich!“, raunte er zu den beiden und nahm den Anruf an.

„Hallo, mein Guter, … sag mir was Konkretes, damit ich loslegen kann. Ich bin bei Anna und Peter und werde mal auf Freisprechfunktion umstellen.“

Oliver sprach etwas zu Clemens, der das Telefon kurz vom Ohr nahm, um die Freisprechfunktion einzuschalten.

„Und? … Können mich jetzt die beiden auch hören?“

„Ja, leg‘ los. Was weißt du bisher?“

„Also, … wie ich es schon vor Ort bewertete, so haben mein Kollege und ich es auch in der Obduktion bestätigt bekommen: Es handelt sich um einen jungen Mann, so um die zwanzig Jahre alt. Um das Geschlecht festzustellen, waren der Beckenbereich und die Knochenwülsten oberhalb der Augen aussagekräftig. Er hatte zudem sehr gepflegte Zähne.“

Oliver hielt inne, um die Spannung zu erhöhen, denn er hatte etwas ungemein Wichtiges „nicht“ gefunden.

„Jetzt zum Interessanten … In den dehydrierten Geweberesten und den Haaren wurde keinerlei Anhaltspunkt für Drogenkonsum gefunden. - Hattest du nicht gesagt, dass jemand den Jungen als drogensüchtig bezeichnete? – Derjenige hat sicher gelogen.“ Oliver machte eine kurze Denkpause, anscheinend schaute er auf seinen Merkzettel.

„Dieser junge Mann war offensichtlich sehr gesund. Die Impressionsfrakturen des Schädels legen ein Schädel-Hirntrauma als Todesursache nahe, wobei nicht hundertprozentig auszuschließen ist, ob er noch lebte oder nur ohnmächtig war, als er eingemauert wurde.“

Clemens unterbrach Oliver. „Wir brauchen aber ein Zeitfenster, Oliver!“

„Gemach, … Gemach, Kommissario. … Lass den Doc ausreden!“ Oliver kicherte hörbar über seinen eigenen Sprachgag.

„Also, gemäß den bisher vorliegenden Untersuchungen unseres Massenspektrometers, der Radiokarbonmethode und anderem können wir davon ausgehen, dass der junge Mann gegen Ende der Achtzigerjahre ‚verstorben wurde‘.“

Peter rief zum Telefon hin: „Junge, … du hast einen sehr speziellen Gerichtsmedizinerhumor.“

Und Clemens sagte zufrieden: „Okay, damit kann ich schon mal etwas anfangen. Sei bedankt, Medizinmann!“Alle verabschiedeten sich von Oliver und Clemens beendete das Gespräch.

„Hm, … Ende der Achtziger … da könnten die Webers vielleicht noch Unterlagen haben. Lasst uns die mal anrufen. … Übrigens, das Haus, in dem die Familie wohnt, ist gleich um die Ecke. Anscheinend hatten die vor etlichen Jahren hier einigen Grundbesitz erworben.“

„Okay, rufen wir an und fragen. Vielleicht können wir sie dann sogar in ihrem Haus besuchen.“ Anna war voller Tatendrang.

Sie sah, dass Clemens um sich blickte. „Suchst du Columbo? … Der ist beim Hundetrainer, quasi im Gruppentraining. … Fühlt sich an, als wäre unser Kleiner auf Klassenfahrt oder in der KiTa. Ich vermisse ihn, … aber heute Abend holen wir ihn wieder ab.“

Clemens nickte zufrieden, denn er wusste nun, wie es seinem „Lieblingshund“ ging.

„Also, ich rufe da jetzt mal an. Auf Annas Letztjahres-Nebenkostenabrechnung steht gewiss deren aktuelle Telefonnummer.

Recht bald hob beim Anschluss der Webers jemand ab. Clemens stellte sich und seinen Dienstrang vor. Herr Weber selbst war am Apparat und zuerst etwas verstört, weshalb ein Kriminalbeamter bei ihm anruft. Der Kommissar merkte, dass es sich am anderen Ende der Leitung um einen alten Mann handelte, der Zeit brauchte um Clemens Anruf zu erfassen.