April der Rache - Samantha Daut - E-Book

April der Rache E-Book

Samantha Daut

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Beschreibung

EIN EX-KOMMISSAR AUF RACHEFELDZUG… APRIL 2013: Roland Saalberger hat seinen Dienst bei der Kriminalpolizei niedergelegt und hat sich nun als Privatermittler selbstständig gemacht. In seinem Leben ging es in den letzten Monaten ziemlich turbulent zu. Aber mit dem neuen Job hat auch er wieder Halt gefunden. Zugleich sinnt Roland auf Rache an allen, die mitschuldig sind, dass seine Tochter Caroline starb. Was er nie erfahren wird: Um seinen Rachefeldzug zu vollziehen lässt er sich auf ein unmoralisches Angebot ein. Plötzlich erhält er unerwarteten Besuch, der alles noch einmal auf Anfang spult. Die Kommissare im Mosbacher K11 haben unterdessen alle Hände voll zu tun: Denn ein 11- jähriges Mädchen wurde entführt. Bei ihren Ermittlungen machen Natalie und Mark eine grausame Entdeckung und kommen einer familiären Tragödie auf die Spur.

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Dieses Buch ist ein Roman. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht von mir beabsichtigt. Alle Personen und die Handlung des Romans sind

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Kriminalroman

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© 2014 Samantha Daut

Umschlaggestaltung, Illustration: Berthold Sachsenmaier

Lektorat, Korrektorat: Susanne Junge

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Paperback: 978-3-7323-0818-7 ISBN Hardcover: 978-3-7323-0819-4 ISBN e-Book: 978-3-7323-0820-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de

Inhaltsverzeichnis

Montag, 1. April 2013

Dienstag, 2. April 2013

Mittwoch, 3. April 2013

Donnerstag, 4. April 2013

Montag, 8. April 2013

Dienstag, 9. April 2013

Donnerstag, 18. April 2013

Sonntag, 28. April 2013

Dienstag, 30. April 2013

Danksagung

Über die Autorin

Buchtipp von Samantha Daut

Montag, 1. April 2013

Roland Saalberger lag in seinem Bett und wälzte sich von einer Seite auf die andere.

Der Schuss, der sich gelöst hatte, traf ihn mit solch gewaltiger Wucht, dass er vom Felsen stürzte und wie ein Brett ins Wasser fiel. Er sank nach unten auf den Grund.

Roland genoss das Gefühl zu sehen, dass der Mörder seiner Tochter wie ein Sack Zement ins Wasser gefallen war und nun leblos auf dem Grund lag. So wie seine kleine Tochter. Das war das einzige, das er noch für seine Familie hatte tun können; für sich, für seine Ex-Verlobte, aber vor allem für seine tote Tochter. Irmgard stand auf der Klippe hinter Roland; als der Kommissar sich umwandte, blickte er in ihre vor Schreck geweiteten Augen; die Mutter seiner Ex-Verlobten stand definitiv unter Schock. Dass Ralf sie entführt und als Geisel genommen hatte, war zu viel für sie gewesen.

Ein kehliger Laut ertönte. Roland Saalberger schreckte schweißgebadet aus dem Tiefschlaf hoch, sprang aus dem Bett und rannte barfuß über die kalten, grauen Fließen, den dunkelbraunen Parkettboden im Wohnzimmer und den weißen Fellteppich im Kinderzimmer, zum Bettchen seines Sohnes Manuel. Roland erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem Manuel und Sophia geboren wurden:

Es war der 1. Januar 2013 gewesen. Kaum war er auf dem Felsen, mussten bei seiner Ehefrau Nina die Wehen eingesetzt haben und die Fruchtblase geplatzt sein, denn sie hatte mehrfach versucht, ihn zu erreichen; das hatte er jedoch erst später auf dem Display seines Mobiltelefons gesehen. Er war sofort ins Krankenhaus gefahren. Dort befand sich nicht nur Nina, sondern auch Isabelle, die nach einem Autounfall im Koma lag. Roland und sie hatten zusammen im Wagen gesessen, aber ihm war wie durch ein Wunder nichts passiert.

Auch Irmgard Engel, die Mutter von Rolands Ex-Verlobter Isabelle, war angerufen worden, weil ein Unbekannter bei Isabelle den Beatmungsschlauch gezogen hatte. Dadurch hatte sich Isabelles Zustand dramatisch verschlechtert.

Irmgard und er hatten sich aufgeteilt: Irmgard hatte nach Isabelle gesehen und Roland nach Nina. Die war heilfroh gewesen, als Roland endlich aufgetaucht war und ihr bei der Geburt der Zwillinge, so gut er es eben konnte, beigestanden hatte. Sophia Saalberger, die drei Minuten älter war als ihr Bruder Manuel, hatte Probleme mit der Atmung und schrie nicht. Die Ärzte kümmerten sich um sie, während Nina die nächsten Presswehen spürte; drei Minuten später hatte auchManuel das Licht der Welt erblickt. Der Kleine wurde untersucht und die Ärzte stellten fest, dass er kerngesund war. Währenddessen war Sophia in einen Inkubator gelegt und auf der Frühgeborenen-Intensivstation an eine Beatmungsmaschine angeschlossen worden. Nina war entsetzt gewesen und hatte die Ärzte über Sophias Gesundheit gelöchert, bis sie selbst heiser geworden war. Man sagte ihr, dass Sophia vermutlich eine Infektion habe, dass man jedoch weder Quelle noch Art der Infektion zum jetzigen Zeitpunkt genau lokalisieren konnte und somit nicht wisse, ob es sich um eine lebensgefährliche Infektion handele. Es sei für Sophia besser, sie bleibe auf der Intensivstation, da man sie dort engmaschiger überwachen könne. Die kleine Sophia könne jedoch jederzeit von ihren Eltern besucht werden.

Für Nina war das ein Schlag ins Gesicht gewesen; hatte ihr Kind eine Infektion, weil die Ärzte nicht steril gearbeitet hatten? Sie war mit den Nerven total am Ende! Sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und begonnen, hemmungslos zu weinen. Dr. Dam-Bovi hatte versichert, alles Menschenmögliche für Sophia zu tun. Danach hatte er ihnen alles Gute gewünscht und war gegangen. Kurze Zeit später war Nina mit Söhnchen Manuel in ein Krankenzimmer verlegt worden. Dort hatten Nina und Roland beschossen, sich aufzuteilen. Nina war bei Manuel geblieben, und Roland war zu Sophia gegangen, die auf derIntensivstation um ihr Leben kämpfte. Während Roland den Flur entlang geschritten war, war er in Gedanken versunken. Durch die Glasscheibe konnte man die winzigen Kinder - manche von ihnen waren sicherlich auch zu früh geboren, vermutete Roland - in ihren Inkubatoren, an den Schläuchen hängend, liegen sehen. Roland glaubte zu wissen, warum Nina diesen Gang gemieden hatte und bei Manuel geblieben war. Diesen Anblick musste man aushalten können!

Nachdem Roland gesagt hatte, das er Sophias Vater war, hatte man ihm geholfen, einen blauen Kittel Handschuhe sowie einen Mundschutz anzuziehen und ihn, nachdem er seine Hände desinfiziert hatte, auf die Station zu Sophia gelassen. Er hatte sich an Sophias Brutkasten gesetzt; jetzt hatte ihn der Anblick dieser vielen Elektronen, Kabel und Schläuche auf der Haut seiner Tochter doch ein wenig erschreckt. Er hatte seine Hand durch die Öffnung im Brutkasten gesteckt und mit Tränen in den Augen geflüstert: „Du musst das schaffen, meine Kleine. Du bist eine Saalberger, und eine Saalberger gibt nicht auf.“

Plötzlich hatte Roland eine Hand auf seiner Schulter gespürt. Er war erschrocken herumgefahren und hatte in die rotgeweinten Augen seiner Ehefrau Nina, die ebenfalls sterile Kleidung getragen hatte, geblickt. Sie wollte ebenfalls bei der kleinen Sophia sein. Sie saßen eine Weile da und betrachteten das Baby.

Auf einmal wurde es Nina schwindelig. Roland sah sie besorgt an und rief eine Hebamme zu Hilfe, die gerade am Nachbar-Inkubator beschäftigt war.

„Ich hole Ihnen ein Glas Wasser“, hatte die Hebamme gesagt und das Zimmer verlassen. Kurz darauf war sie wieder gekommen und hatte Nina das Glas gereicht.

„Ich messe Ihnen jetzt gleich noch den Blutdruck“, hatte sie angekündigt und Nina die Manschette um den Arm gelegt und die Pumpe betätigt.

„Etwas zu hoch“, war ihr sachlicher Kommentar gewesen, weshalb sie ihr auch gleich ein Medikament besorgt hatte. Widerwillig hatte Nina die Kreislauftropfen eingenommen und mit Wasser nachgespült.

„Sie müssen sich dringend ausruhen, Frau Saalberger!“

„Ausruhen? Ich soll mich ausruhen? Mein Baby liegt hier, und Sie verlangen von mir, dass ich mich ausruhe?! Dass ist doch nicht Ihr Ernst“, hatte Nina hysterisch gebrüllt und zu schluchzen begonnen; sie hatte fast keine Luft mehr bekommen. Roland hatte sie in den Arm genommen.

„Schschsch, beruhige dich, alles wird gut“, Roland hatte ihr beruhigend mit seiner Hand über den Rücken gestrichen.

„Ich hoffe, du behältst Recht, Roland“, wurde Nina von Schluchzern geschüttelt.

„Ich schaue später noch einmal nach Ihnen. Denken Sie noch einmal über meine Worte nach; Sie können Ihrer Tochter nicht helfen, wenn Sie selbst völlig entkräftet sind“, die Hebamme wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, als plötzlich ihr Dienst-Telefon klingelte. Sie hatte zugehört, was der Anrufer zu sagen hatte, und dann erwidert, „Okay, ich gebe ihm sofort Bescheid“, anschließend legte sie auf.

„Herr Saalberger?“, wandte sie sich an Roland.

„Ja?“, antwortete Roland.

„Ein Kollege von der Intensivstation hat hier angerufen, eine Frau Engel braucht Sie dringend“, hatte sie erklärt.

Nach kurzer Absprache mit Nina, die noch bei Sophia bleiben wollte, war Roland zu Irmgard und Isabelle gegangen.

Schon von weitem hatte er das Geräusch des Defibrillators gehört. Plötzlich war alles still geworden, kurz darauf hatte ein langgezogener Piepton den Raum erfüllt, danach war schlagartig alles wieder totenstill geworden. Roland hatte neben Irmgard vor der Glasscheibe zur Intensivstation gestanden. Gemeinsam hatten sie zugesehen, wie sich IsabellesKörper durch die Stromwellen gehoben und wieder gesenkt hatte. Isabelle hatte ausgesehen wie ein Geist, in ihrem weißen Flügelhemd, und dazu noch die blasse Haut auf dem blauen Tuch.

Roland hatte Irmgard seine Hand auf die Schulter gelegt, um sie zu beruhigen. „Ich bin auch jetzt, noch immer, nach wie vor für dich da, Irmgard“, hatte er versprochen.

„Danke“, hatte Irmgard gemurmelt. Plötzlich hatte sie begonnen zu weinen. Roland hatte sie einfach in den Arm genommen und festgehalten.

„Soll ich dich nach Hause fahren? Möchtest du dich etwas hinlegen?“, Roland war äußerst besorgt gewesen.

„Nein, nein, das ist nicht nötig, es geht schon“, hatte Irmgard entschieden abgewehrt, „wie war die Geburt deiner Kinder? Ist alles in Ordnung?“

„Es sind Zwillinge, ein Mädchen und ein Junge. Manuel geht es ausgezeichnet, aber Sophia hat Atemprobleme“, hatte Roland gesagt und sich seufzend mit dem Daumen die Nasenwurzel gerieben. „Es geht ihr immer noch unverändert schlecht, aber unsere Kleine schafft das, sie ist eine Saalberger und eine Saalberger gibt nicht auf, eine Saalberger kämpft“, hatte Roland Irmgard entschieden mitgeteilt.

„Ich wünsche eurer Kleinen auf alle Fälle alles erdenklich Gute und ich hoffe, dass sie das schafft“, hatte sie gemeint.

„Danke, Irmgard“, hatte Roland matt gemurmelt, „auch Nina geht es nicht so gut, sie ist ziemlich fertig.“

Irmgard hatte verständnisvoll genickt.

4. Januar 2013:

Drei Tage später hatte Roland nach Feierabend seine Noch-Ehefrau und Manuel auf dem Zimmer besucht, als plötzlich eine Krankenschwester von der Frühgeborenen-Intensivstation zu Nina ins Zimmer getreten war und gerufen hatte: „Familie Saalberger, bitte sofort auf die Frühgeborenen-Intensivstation.“

„Sophia!“, hatte Roland keuchend gerufen und war schneller durch die Klinikflure gerast, als seine Füße ihn hatten tragen können. Nina war hinter ihm her gehetzt.

Als die beiden auf der Frühgeborenen-Intensivstation angekommen waren, sahen sie die Ärzte, Schwestern und Hebammen geschäftig durcheinander laufen. Roland und Nina beobachteten hilflos das geschäftigeTreiben. Dr. Dam-Bovi hatte Sophia den Beatmungsbeutel auf ihr kleines Gesicht gedrückt. Die Zeit war so schnell vergangen, dass Roland gar nicht bemerkt hatte, dass es mittlerweile schon kurz vor Mitternacht war.

Dr. Dam-Bovi hatte den Beatmungsbeutel nun schon zum zweiten Mal betätigt. Als er zum dritten Mal gepumpt hatte, hatte die Uhr zwölf geschlagen. Doch Sophias Atmung war nicht zurückgekehrt. Der Blick von Dr. Dam-Bovi war kurz zur Decke gegangen, dann hatte er bedauernd den Kopf geschüttelt.

„Zeitpunkt des Todes Freitag, den 4. Januar um 00:00 Uhr“, hatte er zu Protokoll gegeben und anschließend den Beatmungsbeutel wieder in die Vorrichtung gehängt.

Dann war er war zu Sophias Eltern getreten.

„Es tut sehr leid, Ihre Tochter ist zu den Sternen gereist, also gestorben“, hatte ihnen der Arzt erklärt.

Nina war von einem heftigen Schluchzer geschüttelt worden und auch Roland war die Tränen über die Wangen gelaufen.

„Können wir zu ihr?“, hatte Nina gefragt.

„Selbstverständlich.“

Nina und Roland waren zu ihrer Tochter gegangen. Sie hatte so friedlich ausgesehen, wie sie in ihrem Inkubator, mit Schläuchen übersät und durch den Sauerstoffmangel leicht blau im Gesicht, gelegen hatte. Nina hatte ihrem toten Kind über die Wange gestrichen und gemurmelt „Schlaf gut, mein Schätzchen, ich hab dich lieb.“

„Schlaf gut, meine Kleine, Papa hat dich lieb“, hatte auch Roland gemurmelt und seiner toten Tochter ebenfalls über die Wange gestrichen.

Der nächste Morgen:

Roland war über Nacht bei Nina im Krankenhaus geblieben und Dr. Dam-Bovi betrat das Zimmer zur morgendlichen Visite. Da mit Manuel alles in bester Ordnung war, brachte Nina vor, dass sie gerne nach Hause gehen würde.

„Dem steht nichts im Wege, wenn Sie die U2 noch durch unseren Kinderarzt machen lassen. Es tut mir aufrichtig leid mit Ihrer Tochter. Alles Gute“, der Arzt hatte den Eltern die Hände geschüttelt.

„Ja, natürlich lassen wir Manuel untersuchen. Aber dann möchte ich wirklich hier raus!“, brach es aus Nina heraus.

„Vielen Dank für alles, Dr. Dam-Bovi“, hatte sich Roland von dem Arzt verabschiedet.

Nachdem der Kinderarzt nach der Untersuchung mit Manuel sehr zufrieden war und keine Bedenken wegen einer Entlassung hatte, machten sie sich auf den Nach-Hause-Weg.

Bei Nina zu Hause angekommen, hatten sich Roland und Nina auf die Eckbank in der Küche gesetzt. Die Tragetasche mit dem Baby hatten sie auf dem Küchentisch abgestellt. Nina war etwas näher zu ihrem Noch-Ehemann gerückt und hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt.

„Es tut so gut, dass du da bist, Roland.“

„Das ist doch selbstverständlich, Nina, wenn du möchtest, kann ich diese Nacht bei euch schlafen“, hatte Roland angeboten und ihr über den Oberarm gestrichen, „…auf dem Sofa“, hatte er wenige Sekunden später hinzugefügt.

Roland und Nina hatten sich bereits vor einigen Monaten getrennt und obwohl er die Scheidung einreichen wollte, hatte er ihr seine Unterstützung bei der Geburt und der Kinderbetreuung zugesichert. Seine Kinder waren ihm wichtiger als alles auf der Welt!

„Warum nicht“, hatte sie nach kurzem Zögern eingewilligt.

Plötzlich hatte Manuel angefangen zu quengeln.

„Oh, da ist wohl jemand müde“, Roland war mit Manuel ins Kinderzimmer gegangen, hatte ihm einen Strampelanzug angezogen und ihn anschließend in sein Bettchen gelegt. Sorgfältig hatte er ihn zugedeckt, seine Spieluhr aufgezogen, ihm seinen blauen Teddy in sein Bettchen gelegt und schließlich das Mobile an der Decke angestoßen, von dem blaue Holzteddybären herabhingen und schwankten. Anschließend hatte er das Licht gelöscht und die Tür des Kinderzimmers so hinter sich zugezogen, dass noch ein kleiner Spalt offen geblieben war. Dann war er zurück zu Nina gegangen.

„Wir sollten eine Kerze für Sophia anzünden“, hatte Roland gemeint und ihre Hand genommen.

„Das klingt schön“, hatte Nina erwidert und eine rote Kerze, die in einem Messingständer stand, aus dem Schrank geholt. „Hast du Feuer?“

Roland hatte genickt und ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche geholt, womit er die Kerze angezündet hatte.

„Kennst du einen Bestatter… für… Kinderbestattungen?“, hatte Nina stockend gefragt.

„Ja, Bernhard Gross macht Kinderbestattungen sehr ‚schön‘ und für die Eltern sehr erträglich“, hatte Roland geantwortet, „er hat auch meine ermordete Tochter Caroline beerdigt“, hatte er hinzugefügt.

„Und was ich dir noch nicht gesagt habe, war folgendes: Ich habe Ralf, Carolines Mörder auf der Klippe in Notwehr erschossen, als du mit Wehen ins Krankenhaus gekommen bist. Vermutlich war er es auch, der bei Isabelle, als diese im Koma gelegen hatte, den Beatmungsschlauch gezogen hatte. Wie du weißt, ist Isabelle dadurch gestorben.“

„Oh, Roland, das tut mir so leid, dass Isabelle gestorben ist. Hat sie noch erfahren, dass du den Mörder eurer Tochter erledigt hast?“, fragte Nina.

„Nein, davon hat sie nichts mehr mitbekommen, aber Carolines Oma - Isabelles Mutter war dabei, als ich Ralf auf der Klippe in Notwehr erschossen habe.“

„Es tut mir leid, aber ich habe auch noch ein unangenehmes Thema mit dir zu besprechen: Wegen der Scheidung, Roland, ich fände es doch besser, wenn wir uns keinen gemeinsamen Anwalt nehmen. Ach, und wegen des Sorgerechts für Manuel, ich fühle mich im Moment nicht in der Lage, mich um ein Kind zu kümmern…“, hatte sie begonnen.

„Nina, das braucht Zeit, du wirst eine wundervolle Mutter. Wir schaffen das, da bin ich ganz sicher.“

Manuel hatte nun angefangen, lauthals zu weinen. Nina war sitzen geblieben, wie eine Statue. Da sie offensichtlich nicht vorgehabt hatte, nach ihrem Sohn zu schauen, war Roland ins Kinderzimmer gegangen. Er hatte Manuel gewickelt, danach hatte sich der kleine Mann gleich besser gefühlt. Nachdem Roland für Manuel ein Fläschchen gemacht hatte, lag der Säugling schließlich satt und friedlich schlafend in seinem Bettchen.

Während Roland sich um den gemeinsamen Sohn gekümmert hatte, hatte Nina ihren Laptop aufgeklappt und begonnen, im Internet zu surfen. Roland war hinter sie getreten und hatte ihr über die Schulter geschaut. Sie hatte folgende Seite aufgerufen: www.weisserhimmel.de; und offensichtlich chattete sie mit einem Kerl, der sich TonyL7 nannte.

In dieser Nacht hatte Roland ziemlich schlecht auf Ninas Sofa geschlafen.

Die Tage vergingen.

Die Beerdigungen von Sophia und Isabelle liefen an Roland vorbei wie ein schlechter Film. Er entsorgte Sophias Möbel aus dem Kinderzimmer und den rosafarbenen Maxi-Cosi, er brachte alles zur „Kinderstube“, einer gemeinnützigen Organisation. Es brach ihm fast das Herz, die Sachen wegzugeben, aber Nina schien er damit nicht belasten zu können. Er versuchte, alle Angelegenheiten, die mit Sophias Tod zusammenhingen, zu regeln, und wollte Manuel gleichzeitig alles geben, was dieser brauchte, um eine schöne Kindheit haben zu können. Nina fühlte sich in ihrem Schmerz offenbar unfähig, Manuel eine Mutter zu sein; sie konnte ihren Sohn nicht einmal ansehen, weil sein Anblick sie an die tote Zwillingsschwester erinnerte. Nina kochte nicht mehr, sie putzte nicht mehr und ließ sich vollkommen hängen. Roland kam überhaupt nicht mehr an sie heran.

Irgendwann hatte Roland trotz allem seinen Dienst wieder aufnehmen müssen. So kam es, dass, dass er sich die Nächte um die Ohren schlug, weil er sich um Manuel kümmern musste; die Nächte auf dem Sofa waren kaum als erholsam zu bezeichnen – und gleich nach der Arbeit hastete er sofort wieder zu Nina, um sich um Manuel zu kümmern.

Er hatte das Gefühl, dass Nina Tag für Tag immer mehr in ihre Traumwelt des Chatforums abglitt. Er hätte gerne mehr über TonyL7 erfahren, aber Nina machte ein großes Geheimnis, sowohl um den Chat, als auch um diesen Kerl - und außerdem ging es ihn ohnehin nichts mehr an.

11. Februar 2013:

Es war ein kalter Wintertag. Ein wenig von dem Schnee, den der Himmel gestern Nacht freigegeben hatte, war sogar liegengeblieben. Roland war gerade dabei, den elenden Schreibkram zu erledigen - unter anderem hatte er gerade den Bericht vom Fall Caroline E. abgetippt und diesen Kriminalrätin Dr. Natalie Coenen gemailt - als das Telefon klingelte.

„K11 Mosbach, Saalberger“, meldete er sich.

„Hallo hier ist Frau Schönhuber, bin ich richtig bei dem Mann von Nina Saalberger?“, die Frau klang aufgeregt. Roland bejahte. Ihm fiel ein, dass dies die Nachbarin war, und wollte wissen, was er für sie tun könne. Frau Schönhuber erklärte ihm, dass der kleine Manuel seit über dreißig Minuten schrie und Nina die Tür nicht öffnete. Roland versprach ihr, sofort zu kommen, und bedankte sich für ihren Anruf. Er ließ auf dem Schreibtisch alles stehen und liegen und stürzte ins Nebenzimmer. Nach kurzer Absprache mit Dr. Natalie Coenen setzte er sich in sein Auto und raste zu Ninas Wohnung. Er klingelte Sturm, doch tatsächlich öffnete niemand. Kurzerhand beschloss er, bei Frau Schönhuber zu klingeln. Mithilfe ihrer ec-Karte öffnete er die Tür; seinen Elektropick hatte er in der Eile und Sorge im K11 vergessen.