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Der dritte und persönlichste Fall! Nach der leidenschaftlichen letzten Liebesnacht mit seiner Ex-Verlobten, fühlt sich Kommissar Saalberger einmal mehr in seinem Entschluss bestärkt, Nina zu heiraten. Am nächsten Morgen tritt Roland entschlossen, aber doch mit ein klein bisschen Wehmut vor den Traualtar. Kriminalrätin Dr. Isabelle Engel hat sich für den Tag der Hochzeitsfeierlichkeiten von Roland und Nina, mit Kollege Kommissar Frank Barke in die Nachtschicht einteilen lassen, um Roland nicht auch noch bei seinem Glück mit Nina zusehen zu müssen. Während Nina und Roland ihr Glück genießen, werden Frank und Isabelle zu einem heiklen Mordfall gerufen. Ein zweijähriges Kind, auf das mehrfach brutal eingestochen wurde. Ein Fall der Roland und Isabelle nicht nur beruflich, sondern auch menschlich an ihre Grenzen treibt.
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Seitenzahl: 225
Veröffentlichungsjahr: 2024
www.tredition.de
Für Janett.
Danke für alles.
Samantha Daut
www.tredition.de
© 2012 Samantha Daut
Umschlaggestaltung, Illustration:
Berthold, Sachsenmaier
Lektorat, Korrektorat: Jörg, Querner
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN: 978-3-8495-0303-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzu-oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, lässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Dieses Buch ist ein Roman, Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und von mir nicht beabsichtigt.
Nie hätte er gedacht, dass er zu so etwas Entsetzlichem jemals fähig sein würde. Die Jahre der Einsamkeit hatten ihn jedoch verändert. Denn als die Wochen, Monate und Jahre sich hingezogen hatten und Nichts zu einem noch größeren Nichts wurde, hatte er realisiert, was er alles verloren hatte … Für ihn waren zwei Personen daran schuld …. .Er hatte sie zwar auseinandergebracht, … aber seiner Meinung nach war das nicht genug, sie sollten leiden, so wie er damals gelitten hatte …. Deshalb nahm er ihnen das Liebste auf der Welt. .… Das Liebste, das sie hatten … .
„Denn wenn ein Mensch das, was er am meisten liebt, verliert, dann wird er zum Monster“.
Er wusste genau, was er tat. Noch eine Nacht, dann würde er zur Tat schreiten und alles zerstören. Er war auf alles vorbereitet. Sein Plan war perfekt …
Inzwischen war es Morgen. Roland war früher aufgestanden, um das Frühstück vorzubereiten. Er hatte Kaffee gekocht, Rühreier gemacht und die Brötchen geholt.
„Guten Morgen, meine beiden Schätze“, sagte er zu Nina und dem ungeborenen Baby, als sie aufstand.
„Guten Morgen, mein Schatz“, entgegnete Nina und küsste ihn. Roland und sie waren mitten in den Hochzeitsvorbereitungen, noch zwei Tage, dann waren sie Mann und Frau. Sie hatten schon die Kleidungsstücke gekauft, die Torte bestellt, dann konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Roland ging gemeinsam mit Nina die Liste der zu erledigenden Sachen noch einmal durch.
„Ach du Schreck“, entfuhr es Nina.
„Wir haben ja ganz vergessen die Einladungen zu verschicken.“
Sie fing an zu lachen und auch Roland musste lachen. Die beiden schrieben auf, wen sie zu ihrer Hochzeit einladen wollten.
„Björn Jäger, Günter, Sigrid und Sandra Fery, Frank Barke, und wie wäre es mit Frau Dr. Engel und vielleicht noch diese Irmgard“, überlegte Nina laut. Roland verschluckte sich am seinem Kaffee.
„Alles in Ordnung, Schatz?“ fragte Nina.
„Ja, der Kaffee ist noch zu heiß. Nina, Schätzchen, ich halte es für keine so gute Idee, wenn wir Irmgard und Frau Dr. Engel einladen. Sieh mal, ich meine, du kennst Irmgard doch gar nicht“, entgegnete Roland.
„Na gut, aber dann laden wir wenigstens Frau Dr. Engel ein.“
Roland wollte gerade etwas erwidern, doch Nina legte ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen.
„Keine Widerrede, Frau Dr. Engel bekommt eine Einladung.“
Roland fluchte innerlich.
Die Kommissare Sigrid, Frank und Frau Dr. Engel verrichteten Büroarbeiten, da zurzeit so gut wie nichts los war. Deshalb fand Sigrid es auch in Ordnung, dass Nina und Roland sich wegen ihrer bevorstehenden Hochzeit drei Tage frei genommen hatten.
Nachdem Nina und Roland die Einladungen fertig geschrieben und ausgedruckt hatten, beschlossen die beiden, sie auch gleich zu verteilen.
Es klopfte an der Bürotür und Günter trat ein. Er lud Sigrid ein, um eine kurze Kaffeepause einzulegen. Isabelle und Frank blieben im Büro zurück.
„Und, hat man schon etwas wegen der Fahndung nach Ralf gehört?“, fragte Frank.
Ralf Maier wurde der Kindesentführung bezichtigt.
„Nein, nichts.“ Isabelle seufzte. Sie wirkte müde und niedergeschlagen, fiel Frank auf.
Es klopfte an der Bürotür, Nina und Roland traten ein.
„Hallo, wir wollten euch die Hochzeitseinladungen vorbeibringen“, meinte Nina.
„Dürfen wir uns kurz setzen? “, bat Roland.
Isabelle wusste nicht, was ihr Ex-Verlobter damit bezweckte.
„Bitte“, entgegnete sie dennoch höflich und wies auf die beiden freien Plätze vor dem Schreibtisch.
„Ich weiß, die Einladungen kommen reichlich spät, aber wir hoffen, ihr feiert trotzdem mit uns“, erklärte Nina, während Roland Saalberger versuchte, sich möglichst unauffällig einen gelben Klebezettel zu angeln. Er beschriftete den Zettel hastig.
„Schatz, können wir gehen?“, wollte Nina wissen.
„Einen Moment noch“, erwiderte ihr Verlobter, und war gerade damit beschäftigt, den gelben Zettel an der Unterseite von Isabelles Schreibtisch zu befestigen. Er zwinkerte Frau Dr. Engel kurz zu, ehe sie sich zum Gehen wandten. Und schon waren die beiden wieder verschwunden.
Isabelle las Rolands Zettel.
Hey, ich nehme mal an, du wirst nicht zur Hochzeit kommen, ich würde dich aber trotzdem gerne noch einmal sehen, vor der Trauung. Dann können wir noch einmal über alles reden. Treffpunkt: heute Abend in meiner alten Wohnung. Vergiss nicht, Isabelle, wir haben etwas, das uns für immer verbinden wird …
In Liebe Roland
Ich freue mich schon auf heute, dachte sich Isabelle.
Sigrid und Günter verbrachten den Abend zu Hause. Die beiden waren fest entschlossen, ihre Ehe zu retten und Günter gab sich wirklich Mühe. Sie hatten es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht, als plötzlich das Telefon klingelte.
Sigrid wollte sich gerade erheben, als Günter aufstand.
„Hallo Sandra, Liebes“, säuselte er ins Telefon. Tochter Sandra studierte in Gütersloh.
„Du hast also auch eine Einladung zur Hochzeit bekommen, ja, kein Problem Mama und ich holen dich vom Bahnhof ab, bis dann“, sagte Günter in den Hörer.
„Sie hat auch eine Einladung bekommen, sag mal, woher kennt Sandra deinen Vorgesetzten eigentlich? “
„Ich weiß nicht, ich habe ihr gegenüber bestimmt mal das eine oder andere über ihn erwähnt.“
„Was hältst du von einem Glas Chardonnay?“, fragte er sie.
„Nein, danke, lieber nicht, ich bin hundemüde und habe tierische Kopfschmerzen.“
„Okay, dann leg dich hin und ruh dich aus“, meinte Günter.
„Gute Nacht“, entgegnete Sigrid.
Isabelle hatte Tagdienst. Übermorgen würden Nina und Roland heiraten, an diesem Tag hatte sie sich für den Nachtdienst eingetragen. Isabelle machte für heute Feierabend und fuhr nach Hause. Sie legte sich in ihr Bett und schlief tief und fest ein.
Plötzlich hatte sie einen merkwürdigen Traum …
Caro befand sich auf einem Spielplatz mit ihrem Kindermädchen. Sie schaukelte. Das Kindermädchen drehte sich kurz um. Als sie wieder hinsah, war die Schaukel leer. Wenig später verschwand auch das Kindermädchen. Alles, was auf dem sandigen Boden zurück blieb, war ein blutverschmierter Teddybär. Danach sah Isabelle nichts als Wasser …
Sie erwachte mit einem Schrei. Sie schaltete das Licht an. Es dauerte eine Weile bis Isabelle sich zurecht fand, bis sie begriff, dass sie nur geträumt hatte. Sie war schweißgebadet. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war 20:03 Uhr, aber dennoch überlegte sie, ob sie Roland anrufen sollte, was sie dann auch tat, auf dem Handy natürlich.
Roland und Nina sahen fern, als plötzlich Rolands Handy vibrierte. Er sah kurz auf das Display seines Handys. Als er den Namen des Anrufers sah, war ihm klar, dass er dieses Gespräch wohl besser in der Küche führte. Er stand auf und ging hinaus. Dann nahm er ab.
„Isabelle, was ist los?“ Obwohl er im Flüsterton sprach, klang er äußerst besorgt.
„Ich hatte mich etwas hingelegt und einen Alptraum“, jammerte Isabelle.
Roland konnte hören, dass ihre Stimme zitterte.
„Was hast du geträumt?“
„Es war der gleiche Alptraum den ich schon einmal hatte, nur diesmal wurde er mir schon deutlicher vor Augen geführt.“
Sie berichtete Roland schockiert von ihrem Traum. Ihre Stimme war tränenerstickt.
Roland überlegte.
„Vielleicht hat dir dein Unterbewusstsein einen Streich gespielt, ich meine, das mit dem blutverschmiertem Teddy und dem Kindermädchen, das könnte ich mir ja noch erklären, aber das mit dem Wasser ...“
„Warte, Ralf hat doch zu mir gesagt: „gib dir keine Mühe, sie ist im Fluss und schwimmt“, erklärte Isabelle mit zitternder Stimme, sie war hörbar aufgewühlt und verzweifelt.
„Ja und jetzt, was willst du tun, alle Flüsse absuchen? Isabelle, ich meine, wir beide wissen doch, dass Caro noch lebt, das wissen wir doch, oder? Du glaubst doch noch daran, dass unsere Kleine lebt, oder etwa nicht?“, beschwor Roland seine Ex-Verlobte.
„Ja, natürlich glaube ich daran, dass sie noch lebt, Roland“, schluchzte Isabelle.
„Alles wird wieder gut! Wir treffen uns später in meiner alten Wohnung.“
Danach legte er auf, damit Nina nicht noch Verdacht schöpfte.
Isabelle fand nach dem Alptraum keine Ruhe mehr. Sie beschloss an den Computer zu gehen und eine Rundmail wegen der Dienstplanbesprechung an alle Kollegen zu schicken.
Roland verbrachte seine letzte Nacht in Freiheit mit seiner Ex-Verlobten, sie war im zweiten Monat schwanger von Ralf, den sie zutiefst hasste. Nach der Trennung von Roland hatten die beiden eine kurze Affäre gehabt. Doch Roland machte ihr wegen der Schwangerschaft keinen Vorwurf. Wäre ihre „Kleine“ damals nicht verschwunden, wäre es überhaupt nie soweit gekommen, davon waren beide überzeugt. Isabelle sah Roland in die Augen.
„Wie geht es dir und dem Baby?“, fragte er.
„Ganz gut, ich weiß nur noch nicht so ganz genau, ob ich dieses Baby von Ralf überhaupt will, immerhin hat er …,“
„Ich weiß, Isabelle, ich weiß. Egal, welche Entscheidung du auch triffst, ich bin immer für dich da.“ Roland küsste sie leidenschaftlich.
„Wenn es anders gekommen wäre und nicht so verdammt viel passiert wäre, dann würden wir beide morgen heiraten“, stellte Isabelle fest.
„Ich weiß, dennoch hoffe ich, dass du meinen Entschluss verstehen kannst, wenigstens ein kleines bisschen, irgendwann?“
Isabelle nickte und küsste ihn.
„Und du weißt ja, wir haben etwas, das uns für immer verbindet, egal, wie es ausgeht.“
„Ich weiß.“ Sie küsste ihn.
Die beiden fielen aufs Sofa und genossen ihr letztes Mal.
Offenbar hatten alle Kollegen die E-Mail gelesen. Denn am nächsten Morgen um halb neun versammelten sich alle im Besprechungsraum. Frau Dr. Engel verkündete die Änderungen am Dienstplan.
„Barke, Sie haben den heutigen Nachtdienst mit Frau Fery zusammen. Morgen werde ich zusammen mit Herrn Barke den Nachtdienst machen. Ja, das waren soweit die Änderungen am Dienstplan“, erklärte Frau Dr. Engel.
„Ich wünsche Ihnen allen gutes Gelingen“, fügte sie noch hinzu.
Die Runde löste sich auf. Nachdem alle gegangen waren, blieben nur noch Frau Dr. Engel und Frank Barke im Besprechungsraum zurück.
„Gibt es noch etwas?“ fragte sie ihn.
„Isabelle, hör zu, ich weiß, dass die Sache mit der Hochzeit schwer für dich ist, aber ich finde, wir sollten den beiden einen kleinen Präsentkorb vom ganzen Polizeirevier schenken“, sagte Barke.
„Klar, gute Idee, Frank, ich würde sagen, du besorgst etwas, ich lasse dir da ganz freie Hand. Am besten, du sammelst zehn Euro von jedem ein, hier sind meine“, sagte Isabelle schnippisch und drückte ihm das Geld in die Hand.
Frank wusste, warum sie so reagierte, die Hochzeit von Roland und Nina war offenbar immer noch ein heikles Thema für sie.
Nina beschloss ihre letzte Nacht in Freiheit mit ihren Freundinnen zu verbringen. Sigrid, Katrin und weitere Kommissarinnen, die ebenfalls Nachtdienst hatten, bestellten sich eine Pizza und mutmaßten sowohl über Ninas Kleid, diese hatte nämlich noch nichts verraten, als auch über Saalbergers Anzug. Sie machten sich einen schönen Abend auf der Wache.
Roland nutzte die Gelegenheit, dass Nina beim Junggesellenabschied war, um sich ein weiteres Mal mit Isabelle zu treffen.
Und während ihre Eltern ein allerletztes Mal miteinander schliefen, nahm er die Kleine, die schon halb verhungert war, in seinen Arm, legte sie auf den Esszimmertisch und stach dreimal mit dem Messer auf sie ein. Wenige Monate zuvor hatte er einmal auf sie eingestochen, dieses Blut hatte er für das Stoffding verwendet …
Nachdem der Köper der Kleinen nur noch leblos dalag, er keine Atmung mehr hören konnte und kein Puls mehr zu fühlen war, steckte er sie in einen Müllsack und warf sie in den Fluss. Sie hatte noch das Gleiche an wie am Tag ihres Verschwindens, er hatte nichts an ihr verändert.
Er schrieb mit ihrem Blut, auf einen Zettel:
MOMMY, PAPY, HILFE, ICH BIN IM FLUSS, HELFT MIR!
Er wusste genau, dass sich die beiden, sobald sie diese Nachricht erhalten hätten, sofort auf die Suche machen würden. Doch er wusste auch, dass es dann zu spät sein würde …
Und ihn würden sie bis dahin erst recht nicht gefunden haben …
Er war glücklich, denn er hatte endlich seine wohlverdiente Rache bekommen.
Roland und Isabelle genossen immer noch ihre Zweisamkeit.
„Es war schön“, sagte Isabelle.
„Fand ich auch“, entgegnete Roland und küsste sie zärtlich.
„Vergiss nicht, Isabelle, ich bin immer für euch beide da, auch wenn ich verheiratet bin, und wir können das hier jederzeit gerne wiederholen. Ach, und egal, ob ich verheiratet bin oder nicht, es gibt da etwas, das uns für immer verbinden wird und es wird stärker sein als meine Liebe zu Nina es je war und auch in Zukunft je sein wird,“ sagte Roland und küsste sie.
„Ich weiß Roland, ich weiß“, sagte sie und erwiderte den Kuss.
Am Morgen wachte Nina schon sehr früh auf und konnte nicht mehr einschlafen. Also beschloss sie, das Kleid schon mal aus dem Schrank zu holen, ihre Schminksachen und ihren Haarschmuck herzurichten.
Roland hingegen verschlief beinahe seine eigene Trauung. Isabelle polterte laut mit dem Frühstücksgeschirr, was ihn schließlich zum erwachen brachte.
Er rieb sich verschlafen die Augen.
„Wie spät ist es? “
„Gleich halb neun.“
„Was? Oh, verdammter Mist!“, entfuhr es Roland. „Ich muss los, sonst komme ich noch zu spät zu meiner eigenen Hochzeit!“
„Ich weiß, du Bräutigam, na geh schon, bevor sie wirklich noch ohne dich anfangen“, witzelte sie.
Er küsste sie noch ein letztes Mal und dann verschwand er.
Sigrid war zu Nina nach Hause gekommen. Sie half Nina dabei, ihr Brautkleid anzuziehen, ihre Haare hochzustecken und sie zu schminken. Nina hatte etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues, damit war dieser Hochzeitsbrauch auch erfüllt. Und einen Brautstrauß hatte Nina ebenfalls. Nina, Sigrid und Sandra, die sie unterwegs abgeholt hatten, machten sich zusammen auf den Weg ins Standesamt.
Roland war nach Hause gerast, wo Frank und Günter bereits auf ihn warteten.
„Guten Morgen, entschuldigt bitte, ich war bei einem Freund“, log Roland.
„Kein Problem, ich dachte schon du hättest deine eigene Hochzeit vergessen“, witzelte Günter.
„Nein, niemals“, beteuerte Saalberger.
„Ich gehe schon mal deinen Anzug holen “, rief Günter und verschwand.
„Ich kann mir denken, wo du gestern Nacht warst, Roland, und ich weiß, dass du nicht bei einem Freund warst“, stichelte Frank.
„Ja, du hast recht, ich war bei Isabelle, das war sozusagen ein letztes Mal wir beide, nur sie und ich, verstehst du? Natürlich werde ich auch in Zukunft mit ihr viel Zeit verbringen, denn vergiss nicht, Frank, es gibt da etwas, das uns verbunden hat und uns immer verbinden wird.“
„Ich weiß, und ich bin eigentlich auch ein kleines bisschen mitschuldig daran, dass du heute Nina heiratest. Diesen Fehler, den ich gemacht habe, werde ich wirklich nicht wieder gut machen können und ich weiß, dass Isabelle mich deswegen ein kleines bisschen hasst“, sagte Barke traurig.
„Tja, wer weiß, was aus mir und Isabelle geworden wäre, wenn nicht so viel passiert wäre“, murmelte Roland.
Frank klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Wird schon. Ich kann nicht bei der Trauung dabei sein, ich habe ja mit Isabelle zusammen Dienst. Aber sag Nina ganz liebe Grüße von mir, ich wünsche euch alles erdenklich Gute, du wirst schon die richtige Entscheidung getroffen haben.“
„Ja, mache ich, danke, du hast recht“, entgegnete Roland. Nicht nur das Gespräch mit Frank hatte leise Zweifel in ihm geweckt. „Ist die Hochzeit mit Nina wirklich das Richtige?“, fragte er sich. „So ein Unsinn, natürlich ist sie das!“, machte er sich Mut. Vermutlich hatte er nur die Torschlusspanik.
Günter half Roland beim Anziehen seines Smokings. Heute würde Saalberger zur Abwechslung mal kein Gel in den Haaren tragen. Nun fuhren die beiden los zum Standesamt, nicht dass die Braut noch vor dem Bräutigam dort ankam.
Roland traf noch vor Nina im Standesamt ein. So ziemlich alle geladenen Gäste, darunter auch sein Chef Freier, außer Isabelle, Björn Jäger, Sandras Freund Ralf und Frank waren alle gekommen. Das war eine Tatsache, die Roland erstaunte. Er wartete auf seine Braut und war selbst überrascht, dass er so nervös war.
Isabelle hatte noch ein bisschen Zeit, ehe ihr Dienst anfing. Dennoch konnte es ja nicht schaden, mit der Arbeit anzufangen, und außerdem lenkte es ab. Wenig später traf auch Frank Barke pünktlich zu Dienstbeginn ein.
„Heute ist der große Tag, Nina und Roland heiraten“, meinte Isabelle und es lag fast kein Funken Sarkasmus in ihren Worten.
„Tut weh, was?“, fragte Frank und trat an ihren Schreibtisch.
Sie nickte. Es schienen Tränen in ihren Augen zu glitzern, sie hatte sich jedoch sofort wieder im Griff.
„Du siehst wundervoll aus“, sagte Roland zu Nina.
„Danke, du auch“, entgegnete sie.
„Wir haben uns heute hier versammelt, um Frau Nina Schubbert und Herrn Roland Saalberger in die Ehe zu begleiten“, sagte der Standesbeamte.
„Und so frage ich Sie, Herr Roland Saalberger, wollen Sie die hier anwesende Nina Schubbert zu Ihrer Ehefrau nehmen, so antworten Sie mit ja“, erklärte er.
Rolands Mund war trocken wie Papier. Er legte eine kurze Pause ein, um die Sache spannender zu machen und noch ein allerletztes Mal dachte er an Isabelle und Caroline.
„Ja ich will“, sagte er mit fester Stimme und sah seiner Braut in die Augen.
„Und nun frage ich Sie, Frau Nina Schubbert, möchten Sie den hier anwesenden Roland Saalberger zu ihrem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, so antworten auch Sie bitte mit ja.“
Auch Nina sah Roland in die Augen.
„Ja, ich will.“
„Dann erkläre ich Sie Kraft meines Amtes zu Mann und Frau“, entgegnete der Standesbeamte. „Sie dürfen die Braut ruhig küssen.“
Nina und Roland verschmolzen in einem leidenschaftlichen innigen Kuss.
Während der Hochzeitsfeierlichkeiten hatten Frau Dr. Engel und Herr Barke Dienst.
Isabelle war traurig, sie weinte, und obwohl Roland ihr versprochen hatte, immer für sie da zu sein, hatte sie doch irgendwie das Gefühl, ihn für immer an Nina verloren zu haben. Frank nahm sie in den Arm.
Plötzlich klingelte das Telefon.
„Kripo Mosbach, Engel am Apparat“, meldete sich Isabelle.
„Ich habe eine Kinderleiche im Fluss gefunden, unten bei der alten Gießerei“, sagte der Anrufer und legte dann wieder auf. Isabelle wurde blass um die Nase und sie zitterte stark.
„Es wurde eine Kinderleiche am Fluss gefunden, komm, wir fahren hin“, sagte sie zu Frank.
Dieser wollte gerade etwas erwidern, doch sie war bereits auf dem Weg zum Wagen.
Frank fuhr den Wagen und es war still, totenstill. Weder Isabelle noch Frank wagten auszusprechen, woran sie beide gerade dachten …
Nina und Roland waren inzwischen im „Don Roman“ angekommen, dort hatten sie einen Tisch reserviert. Zunächst gab es die dreistöckige Hochzeitstorte, die Nina gemeinsam mit Roland anschnitt.
Frank und Isabelle befanden sich bereits am Fundort der Leiche, der nach ersten Erkenntnissen der Spurensicherung, die Isabelle während der Fahrt alarmiert hatte, offenbar nicht gleichzeitig der Tatort war. Jordan von der Spurensicherung führte sie an die Stelle, an der die Kollegen die Leiche aus dem Fluss gezogen hatten. Jordan öffnete den Müllsack in den man die Kinderleiche gesteckt hatte.
Und Isabelle erstarrte, als sie das sah, als sie sah, um wessen Leiche es sich handelte. Sie wurde kalkweiß, sie zitterte am ganzen Körper, eine Träne lief ihr die Wange hinab. Plötzlich gaben ihre Knie unter ihr nach und alles um sie herum wurde schwarz. Sie bekam nicht mehr mit, dass ihr Kollege Frank sie gerade noch rechtzeitig auffing.
Nachdem die Hochzeitstorte verspeist war spürte Roland ein Ziehen in der Magengegend.
„Schatz, alles in Ordnung?“, wollte Nina wissen.
„Ich weiß es nicht.“
Nina sah ihren Ehemann besorgt an. Er zog Nina hinter sich her, auf die Terrasse.
„Nina, Schatz, ich habe irgendwie ein total ungutes Gefühl. Ich weiß nicht, was los ist, aber hier stimmt etwas nicht, das spüre ich. Schatz, bitte tu mir einen Gefallen und schicke die Gäste nach Hause, ich möchte den heutigen Abend viel lieber alleine mit dir auf unserem Hotelzimmer verbringen“, gab Roland seiner Ehefrau zu verstehen.
„Isabelle, hey, kannst du mich hören? Isabelle, jetzt sag doch was! “, rief Frank aufgeregt.
Er klopfte ihr dreimal auf die Wange. Sie schlug die Augen auf und blinzelte benommen.
„Weißt du noch was passiert ist? “, fragte Frank.
„Ja, ich weiß es noch … aber ich wünschte, ich wüsste es nicht mehr …“
Sie wollte noch solange bleiben, bis die Leiche in die Rechtsmedizin gebracht wurde. Doch dies hielt Frank für keine so gute Idee.
„Isabelle, ich glaube, es wäre besser, wenn wir erst mal dem Vater Bescheid geben, was meinst du? “, fragte Frank.
„Nein, auf keinen Fall! Er heiratet heute und Nina weiß überhaupt nichts von mir und ihm und auch nichts von ihr …“, gestand Isabelle.
„Ich dachte, sie weiß, dass ihr zusammen wart?“, fragte Frank.
„Nein, es weiß niemand etwas von unserer Beziehung, außer meiner Mutter, seiner Mutter, du und Ralf.“
„Verstehe.“ Frank nickte. Dennoch hatte er kein gutes Gefühl dabei, wenn Isabelle mit der schrecklichen Nachricht für Roland noch wartete. Er versuchte es noch einmal.
„Isabelle, du musst es Roland sagen, heute, jetzt sofort! Er hat ein Recht, es zu erfahren“, rief Frank.
„Vielleicht hast du recht“, murmelte Isabelle. Sie ließ es sich jedoch nicht nehmen, zu warten, bis die Leiche in die Rechtsmedizin verbracht wurde. Anschließend fuhr sie gemeinsam mit Frank, der das Steuer übernommen hatte, zu dem Hotel, in dem Nina und Roland ihre Flitterwochen verbrachten.
Nina hatte Rolands Vorschlag schließlich zugestimmt. Die beiden verbrachten einen romantischen Abend in ihrem Hotelzimmer. Der Zimmerservice hatte das Bett mit Rosenblättern geschmückt. Einen Gutschein für einen Wellness Tag, Häppchen und Champagner gab es auch.
Nina kuschelte sich eng an Roland und küsste ihn zärtlich. Die beiden genossen einfach nur ihr Glück, sie wussten ja schließlich noch nicht, dass es nicht solange anhalten würde …
Plötzlich klopfte es an der Tür.
„Herein“, antworteten Nina und ihr Gatte gleichzeitig.
Eine Dame von der Rezeption trat ein.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung, Frau Dr. Engel und Herr Barke von der Kriminalpolizei Mosbach für Sie“, erklärte die Dame.
Roland und Nina sahen sich erstaunt an.
„Ja, danke, bitten Sie sie doch herein“, entgegnete Roland.
„Bitte, treten Sie ein“, forderte die Dame auf.
Roland beschlich ein ganz, ganz ungutes Gefühl. Er ergriff Ninas Hand und sie spürte, dass ihr Gatte zitterte.
Frank Barke trat gefolgt von Frau Dr. Engel ein. Nina blickte entsetzt von Frau Dr. Engel, zu Barke und schließlich zu Roland. Denn Frau Dr. Isabelle Engel hatte rot geweinte Augen.
„Was um Himmels Willen ist denn geschehen?“, meinte Nina erstaunt und zugleich besorgt. Nina schaute kurz zu Roland, dessen Blick sich an Isabelle festgesaugt hatte. Roland sah ihr fest in die Augen.
„Wir haben eine Kinderleiche gefunden“, brachte Isabelle unter Tränen hervor.
„Da ich selbst gerade Mutter werde, kann ich mir vorstellen, dass das schlimm für Sie ist. Sie sind ja ebenfalls gerade schwanger“, meinte Nina.
In diesem Moment brachen alle Dämme über Isabelle zusammen und sie weinte und weinte und weinte.
Roland rannte zu ihr hinüber und nahm ihre Hand, Nina verstand gar nichts mehr.
„Nina, es tut mir leid, ich habe dir nicht ganz die Wahrheit gesagt, fürchte ich“, gestand Roland seiner Ehefrau. Er sah Isabelle fest in die Augen.
Nina hatte sich neben Frank Barke gestellt, der ebenfalls zu wissen schien, was hier ablief, und beobachtete das Szenario.
„Isabelle, was ist das für eine Kinderleiche, die ihr da gefunden habt?“, fragte Roland, obwohl er die Antwort auf seine Frage bereits zu wissen glaubte.
Die Antwort von Isabelle kam ganz leise, aber sie änderte alles.
„Caro, es ist Carolines Leiche“, schluchzte Isabelle unter Tränen.
Roland weigerte sich zu glauben, was Isabelle ihm gerade erzählt hatte, er sah Frank an.
„Es stimmt, Roland, es ist Carolines Leiche, eindeutig. Es tut mir so leid“, versicherte Frank.
„Ich will sie sehen. Jetzt. Sofort!“, schrie Roland.
„Ich komme mit“, beharrte Isabelle.
Frank wollte protestieren, doch er sah ein, dass es keinen Sinn hatte.
Die beiden fuhren in die Rechtsmedizin und Frank Barke blieb mit einer völlig ratlosen Nina Saalberger, die ihn fragend ansah, zurück.
Rechtsmediziner Günter Fery hatte von Frank Barke den Anruf bekommen, was geschehen war und dass die Eltern der Kleinen gleich kommen würden, da sie sich von ihrem Kind verabschieden wollten. Günter ahnte, wer die Eltern des Kindes waren … Er bereitete alles vor.
„Roland, ich habe Angst“, gestand Isabelle ihrem Ex-Verlobten, als die beiden vor dem Rechtsmedizinischen Institut angekommen waren.
„Ich weiß, ich auch, aber zusammen schaffen wir das, Isabelle“, versicherte er ihr und drückte ihre Hand.
Günter hatte bereits alles für den Abschied der Eltern vorbereitet. Es tat Günter besonders weh, wenn er Kinderleichen auf dem Tisch hatte, da er selbst Vater war, aber das gehörte nun mal zu seinem Beruf.
Mit wackligen Knien und gestützt von Roland ging Isabelle in die Rechtsmedizin, wo sie bereits von Günter erwartet wurden.
„Ich frage besser nicht, wie es euch geht, aber ich möchte euch mein tiefstes Beileid aussprechen“, begrüßte Günter die beiden.
„Danke“, erwiderten sie gleichzeitig.
Da lag sie, Rolands und Isabelles Tochter Caroline. Sie hatte noch das Gleiche an, das Isabelle ihr am Tag ihres Verschwindens angezogen hatte. Caroline hatte insgesamt vier Einstichwunden am Bauch.
Günter brauchte gar nichts mehr zu der Leiche zu sagen, denn erstens waren Roland und Isabelle jetzt nicht aufnahmefähig und zweitens würden sich sowieso andere Beamte der Kripo Mosbach um „Carolines Fall“ kümmern. Günter sagte nichts, er ließ die beiden einfach nur um ihr Kind trauern.
Isabelle weinte bitterlich, auch Roland, der die ganze Zeit versucht hatte, seine Tränen so gut es ging zurück zu halten, weinte jetzt.
„Schlaf schön, meine Kleine“, sagte Isabelle und küsste die Stirn ihres toten Kindes.
„Mama und Papa werden dich nie vergessen“, flüsterte Roland und küsste seine tote Tochter ebenfalls.
„Wir werden dich immer lieben“, fügte Isabelle hinzu.
„Möchtest du gehen?“, fragte Roland liebevoll.
Isabelle nickte und schluchzte. Roland musste sie festhalten, ansonsten wäre sie auf der Stelle umgekippt.
Frank Barke hatte inzwischen eigenmächtig und ohne das Wissen von Isabelle oder Roland, Irmgard Engel angerufen. Er wusste, dass das Ärger geben würde, aber sie hatte auch ein Recht, es zu erfahren, fand er jedenfalls.
Nina hatte diese elende Warterei auf Roland in ihrem Hotelzimmer nicht mehr ausgehalten und war mit Frank Barke ins Mosbacher Präsidium gefahren.
Plötzlich klingelte Franks Handy. Es war Roland.
„Hallo, was gibt’s? “, erkundigte sich Frank.
„Wir haben uns von ihr verabschiedet und jetzt…, “ Roland verstummte.
„Und jetzt wäre es eigentlich gut, wenn ihr zum Präsidium kommt und dort eure Aussagen macht. Nina ist übrigens auch hier. Glaubst du, Isabelle hält die Befragung durch?“, fragte Frank leise, er war extra zum Telefonieren in ein anderes Zimmer gegangen, damit Nina ihn nicht hören konnte.
„Ich hoffe es, sie ist sehr labil.“
„Da wäre noch etwas, wenn ihr jetzt aufs Polizeipräsidium kommt. Also es gibt da ein kleines Problem, Irmgard, naja, also als Großmutter der Kleinen musste ich natürlich …“, Frank stockte und atmete tief durch.
„Also ich habe Irmgard Engel auch hierher bestellt“, sagte er schließlich. Endlich war es raus.
Isabelle war dazu gekommen, um zu hören, mit wem Roland telefonierte.
„Du hast was? Also wenn Isabelle und ich eines jetzt nicht gebrauchen können, dann ist es ganz sicher Irmgard!“
Roland war außer sich.
Isabelle stützte den Kopf in die Hände und seufzte tief, wenn ihr eines jetzt noch gefehlt hatte, dann war es ganz sicher ihre Mutter!