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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2406. In den von Menschen besiedelten Teilen der Galaxis sorgt die United Stars Organisation (USO) als übergeordnete Polizeimacht für Recht und Ordnung. Unter Führung des unsterblichen Arkoniden Atlan kämpfen die USO-Spezialisten als "galaktische Feuerwehr" gegen das interstellare Verbrechen sowie gegen die Geheimdienste fremder Sternenreiche. Der bedrohlichste Gegner der USO ist in diesen Tagen die Condos Vasac. Die Agenten dieser Terrorgruppe wollen das Solare Imperium der Menschheit zerstören. Doch Atlan schickt seine fähigsten Spezialisten in die Schlacht - und damit in Abenteuer, die sie auf einige der gefährlichsten und geheimnisvollsten Planeten der Galaxis führen ...
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Veröffentlichungsjahr: 2012
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2406. In den von Menschen besiedelten Teilen der Galaxis sorgt die United Stars Organisation (USO) als übergeordnete Polizeimacht für Recht und Ordnung. Unter Führung des unsterblichen Arkoniden Atlan kämpfen die USO-Spezialisten als »galaktische Feuerwehr« gegen das interstellare Verbrechen sowie gegen die Geheimdienste fremder Sternenreiche.
Nr. 1
Das galaktische Syndikat
Sie sind Spezialisten der United Stars Organisation – und sie handeln im Auftrag der Menschheit
von K. H. Scheer
Die United Stars Organisation, kurz USO genannt, ist zur galaktischen Feuerwehr und Eingreifreserve des Solaren Imperiums der Menschheit geworden.
Zur Zeit ihrer Gründung – es war im Jahre 2115 terranischer Zeitrechnung, als die Galaktische Allianz noch bestand – fungierte sie als überregionale Schutzmacht für alle humanoiden Völker der Galaxis.
Doch inzwischen – man schreibt das Datum Juli 2406 – hat USO-Gründer Atlan, Lordadmiral und Ex-Imperator des Arkonidenreiches, seine weitgespannten Pläne revidieren müssen. Sein Freund Perry Rhodan, der das Solare Imperium leitet, braucht dringend alle Hilfe, die die USO leisten kann.
Es gilt, die von vielen Seiten bedrohte Menschheit vor Anschlägen aus dem Kosmos zu schützen. Und so mobilisiert der unsterbliche Arkonide, der vor rund zehntausend Jahren den Untergang des alten Atlantis miterlebte und danach den Überlebenden der Weltkatastrophe zu einem neuen Aufstieg verhalf, seine mächtige interstellare Organisation.
Atlan – Lordadmiral und Chef der United Stars Organisation.
Ronald Tekener – Oberstleutnant und Spezialist der USO.
Sinclair Marout Kennon – Ein genialer Kosmokriminalist.
Irna Irsata – Ronald Tekeners angebliche Gattin.
Nurat Sasiner – Generalzahlmeister der Solaren Flotte.
Ehret Jammun – Neuer Chef des »Staatlichen Wohlfahrtsdienstes« von Lepso.
Larsat-Orn – Angehöriger des Báalol-Kultes und des galaktischen Syndikats.
Haj Resec
Auszug aus der Geschichte der USO
... wurde nach dem Zusammenbruch der Galaktischen Allianz die bislang als überparteilich geltende United Stars Organisation (USO) aus dem Verband der galaktischen Großmächte herausgelöst und für die terranischen Interessen eingesetzt.
Diese sowohl politisch als auch militärisch folgenschwere Entscheidung wird von der Geschichtsschreibung als Meisterwerk des Großadministrators Perry Rhodan (Aktivatorträger) und des ehemaligen Arkonidenimperators Atlan (Aktivatorträger) bewertet.
Die USO, am 1. Juli 2115 von Imperator Atlan gegründet, war in der glücklichen Lage, finanziell und militärisch unabhängig zu sein. Atlan, nunmehr Regierender Lordadmiral der USO, war es vor seiner Abdankung als Imperator des zerfallenden Arkonidenreiches gelungen, zahlreiche finanzstarke Planeten einbringen zu können.
Im Juli 2406, etwa dreihundert Jahre nach der Gründung der USO, war der Ruf dieser Organisation als »Galaktische Feuerwehr« stärker denn je gefestigt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die USO im Verlauf der galaktopolitischen Großraumentwicklung mehr und mehr zugunsten des Solaren Imperiums handelte.
Die ursprünglich strikt militärisch orientierte USO wurde in ihrer Tätigkeit auf die Bekämpfung jener innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten ausgerichtet, die weder zur Operationsplanung der Solaren Flotte noch zum Einsatzprogramm der Solaren Abwehr gehörten.
In den Jahren des beginnenden 25. Jahrhunderts entstand der Begriff der »Verlagerten Front«.
Großadministrator Perry Rhodan war gezwungen worden, die militärischen und wirtschaftlichen Kräfte des Imperiums voll und ganz zur Bekämpfung der Meister der Insel einzusetzen. Die Haushaltsplanung des Imperiums wies mit Datum vom 15. Januar 2405 bereits eine Verschuldung in Höhe von acht Billionen Solar auf.
Die Ereignisse im Raumgebiet des Andromedanebels hatten sich als das kostspieligste Unternehmen erwiesen, das von Menschen je durchgeführt worden war.
In jenen Tagen waren auch die geschulten Kräfte der Solaren Abwehr, darunter vordringlich die Mitglieder des Mutantenkorps, weit über das übliche Maß hinaus beansprucht. Sie standen in der Heimatgalaxis nicht zur Verfügung.
Lordadmiral Atlan erklärte sich bereit, die innerhalb des Solaren Imperiums und im Großraumgebiet der Milchstraße entstehenden anarchistischen Bewegungen mit der USO zu bekämpfen und die anfallenden Kosten zu übernehmen.
Zahlreiche galaktische Interessengruppen, darunter Großmächte wie die Akonen, Galaktischen Händler, Antis, Aras und etwa dreitausend andere Völker, die überwiegend aus dem zerfallenen Arkonidenreich hervorgegangen waren, versuchten, die Schwierigkeiten des Solaren Imperiums für ihre Zwecke nutzbar zu machen.
Zu diesen Schwierigkeiten kamen noch überraschend viele Revolten auf terranischen Entwicklungsplaneten oder auf bereits autark gewordenen Siedlungswelten hinzu.
Es wurde versucht, die vertraglich vereinbarten Rechte der Mutterwelt Terra zu schmälern, die Handelsbeziehungen zu revolutionieren, staatliche Schuldenlasten gegenüber Terra zu annullieren und diktatorische Regierungsformen mit stark gelockerten Sitten und freiheitsbeschränkenden Gesetzen einzuführen.
Es gehörte ab Januar 2405 zu den vordringlichsten Aufgaben der USO-Spezialisten, solche Bestrebungen im Keime zu ersticken und somit die »Verlagerte Front« zu stabilisieren. Die schlagkräftige Solare Flotte befand sich zu dieser Zeit im entscheidenden Abwehrkampf gegen die Meister der Insel, etwa eineinhalb Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.
Im Januar 2406 näherten sich die Ereignisse innerhalb des Andromedanebels ihrem Höhepunkt. Das Imperium stand an der Schwelle des Ruins. Den Verantwortlichen war klargeworden, dass es sich die Menschheit nicht länger erlauben konnte, einen Abwehrkrieg zu führen, der in wenigen Monaten zu einer Inflation führen musste.
Der Großadministrator schloss daher mit den nichtmenschlichen Maahks einen Bündnis- und Nichtangriffspakt, mit dem Ziel, die massierten Streitkräfte der Solaren Flotte aus dem Andromedanebel zurückziehen zu können.
Dieser Entschluss sollte sich als glückliche Lösung erweisen. Schon die Einstellung der eminent kostspieligen Nachschubbrücke zu Andromeda entlastete den Haushalt des Imperiums in solchen Maßen, dass die drohende Geldentwertung in letzter Minute abgewendet werden konnte.
Ehe die Flotten jedoch in die Galaxis zurückkehrten und die ausgebildeten Kräfte des Geheimdienstes wieder in die Politik der Galaxis eingeschaltet werden konnten, führte die USO bereits einen erbitterten Abwehrkampf weit im Rücken der kämpfenden Verbände.
Innerhalb der Milchstraße war ein neuer Faktor erkennbar geworden, den zu missachten sicherlich zur Aufsplitterung der Vereinten Menschheit geführt hätte.
Die chaotischen Zustände auf vielen Planeten des Imperiums hatten ihren Höhepunkt erreicht. Finanzstarke Interessengruppen kämpften mit unlauteren Mitteln um die Vormachtstellung in der Galaxis. Das galaktische Verbrecherunwesen, im Verlauf des vorangegangenen Jahrhunderts bereits als Anachronismus eingestuft, entstand in neuer Blüte.
Die Zug um Zug heimkehrenden Verbände der Solaren Flotte waren dagegen machtlos. Der neue Gegner bevorzugte die Anonymität.
Zu jener Zeit wurde von USO-Spezialisten ein Galaktisches Syndikat mit der bislang noch ungeklärten Bezeichnung Condos Vasac entdeckt.
Niemals zuvor war eine Organisation mit derartigen Machtmitteln aufgetaucht. Fest stand nur, dass die Condos Vasac keinesfalls mit jenen gesetzwidrigen Verbindungen zu vergleichen war, die schon zu früheren Zeiten versucht hatten, den illegalen Handel mit völliger Umgehung der Zollabkommen zu forcieren.
Die Condos Vasac entpuppte sich in kürzester Frist als galaxisumspannende Organisation, deren Zielsetzung nicht nur im mühelosen Gewinn bestand. Die unbekannten Machthaber des Galaktischen Syndikats besaßen von Anfang an die wohlwollende Unterstützung verschiedener Großmächte, denen es in offener Auseinandersetzung nicht gelungen war, das Gefüge des Solaren Imperiums zu erschüttern.
So entwickelte sich eine politisch und militärisch orientierte Bewegung, deren Bestrebungen weit über das Maß der bekannten Handelsvergehen, Gewaltverbrechen und Rauschgiftdelikte hinausgingen.
Seit Juli 2406 hatte die USO einen neuen Gegner gefunden. Er wirkte im Schatten unbekannter Machthaber, verfügte über enorme finanzielle Mittel, eigene Raumschiffverbände und über Geheimplaneten, auf denen nicht nur illegal gehandelt, sondern auch wissenschaftlich gearbeitet wurde.
Die Condos Vasac wurde zum Gegner Nummer eins innerhalb der »Verlagerten Front«. Am 21. Juli 2406 erhielt Lordadmiral Atlan die ersten Anhaltspunkte. Sie waren derart folgenschwer, dass die militärische Überlegenheit der Solaren Flotte über Nacht in Frage gestellt war.
Brennpunkt aller Geschehnisse schien der intergalaktische Freihandelsplanet Lepso zu sein, dritte Welt der Sonne Firing.
(Anm.: Sonderspeicher SolAb-LUNA-NATHAN, STRENG GEHEIM, Datenabruf nur mit Genehmigung Chef SolAb, Betr. Angriff Solare Flotte auf Lepso im März 2103.)
Lordadmiral Atlan sah sich gezwungen, die hervorragendsten Kräfte der USO gegen die Condos Vasac einzusetzen. Die ersten Männer, die jemals mit der CV in engeren Kontakt traten, waren die beiden von Geheimnissen umwitterten Spezialisten Oberstleutnant Ronald Tekener und Major Sinclair Marout Kennon.
Das Angebot der Solaren Abwehr, Mutanten des Sonderkorps einzusetzen, wurde von Atlan abgelehnt. Durch die Tätigkeit zahlreicher USO-Spezialisten auf Lepso lag der Verdacht nahe, dass die Machthaber der Freihandelswelt seit langem über jedes Mitglied des terranischen Mutantenkorps informiert waren.
Der Kampf an der »Verlagerten Front« musste ohne die bewährten Kräfte des Imperiums geführt werden. Zu jener Zeit entstand unter den Männern und Frauen der USO ein Sprichwort, das seine erschreckende Bedeutung nicht mehr verlieren sollte. Es lautete: Alle Wege führen nach Lepso ...
Persönlicher Situationsbericht Lordadmiral Atlan
Ein Bildschirm leuchtete auf. Der Oberkörper eines weißgekleideten Mannes wurde erkennbar. Es war der diensthabende Arzt der Soforthilfestation XI-B von Quinto-Center, dem Hauptquartier der USO.
»Sir, ich muss doch entschieden zu bedenken geben, dass Oberst Mobirase nur notdürftig behandelt werden konnte. Wenn Ihre Besprechung noch länger dauert, sehe ich mich gezwungen, Sie bei allem schuldigen Respekt an meine Dienstvorschriften und überdies an meine ärztlichen Pflichten zu erinnern. Ich bitte um Entschuldigung, Sir, aber ...!«
Der Diensthabende breitete bedauernd die Hände aus. Er war ein junger Mann, sogar ein sehr junger Mann. Es fiel ihm offenbar nicht leicht, den Oberbefehlshaber der USO in dieser Form zu ermahnen. Die auf seiner Stirn perlenden Schweißtropfen waren auf dem farbigen 3-D-Bild nicht zu übersehen. Wahrscheinlich hatten ihn seine Kollegen beschworen, auf keinen Fall anzurufen. Sicherlich hatte man ihn auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Unterbrechung einer wichtigen Geheimkonferenz nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet war.
Quinto-Center war das Nerven- und Befehlszentrum der USO. Für einen jungen Mitarbeiter, auch wenn er diensthabender Notarzt war, bedeutete es eine große Selbstüberwindung, die ungeschriebenen Gesetze einfach zu übergehen. Er hatte es dennoch getan. Er imponierte mir.
Ich drehte den Kopf und musterte den dunkelhäutigen Mann, der vor drei Stunden mit einem Kurierboot der Solaren Flotte angekommen war. Oberst Szonan Mobirase, ein Afroterraner, fungierte seit Jahren als vertrauenswürdiger Verbindungsoffizier zwischen der Solaren Abwehr und der USO. Ich kannte ihn als klugen, seelisch ausgeglichenen Menschen von überzeugender Argumentation. Seine weißen Haare waren verschwunden. Der Schädel wurde von einem schaumig aufgesprühten Biopolplastverband bedeckt.
Die rechte Schulter und der Oberarm waren unter der zellregenerierenden Biomed-Substanz kaum noch zu erkennen. Die Kunstfaseruniform war blasig verschmort.
Szonan Mobirase war das Opfer eines technischen Versagers geworden. Meine Arbeitsräume in der großen Zentralkugel von Quinto-Center gehörten erwiesenermaßen zu den am besten abgesicherten Hauptquartieren der Galaxis. Mobirase war beim Eintritt in den Hauptkontrollraum sehr erregt gewesen. Dies hatte eine winzige Schwankung in seinem Individualdiagramm bewirkt.
Die Robotabwehr konnte die gespeicherten Daten mit den Messergebnissen nicht vereinbaren, und so hatte sie mit einem Flammstrahler das Feuer eröffnet. Mobirase war nur durch seine Reaktionsschnelligkeit und das sofortige Eingreifen des Kontrolloffiziers vor dem Tode bewahrt worden.
»Wie fühlen Sie sich, Szonan? Sie gehören tatsächlich in ein Regenerierungsbad. Die Forderungen des Arztes sind berechtigt.«
Der hochgewachsene Mann winkte mit der Linken ab. Sein Lächeln wirkte etwas verzerrt.
»Schmerzen ...?«
»Keineswegs, Sir«, beteuerte er. »Die Injektion wirkt noch. Ich werde mich schon rechtzeitig melden. Vielen Dank, Doktor. Meine Aufgabe geht vor.«
»Aber Sir, Sie haben Verbrennungen zweiten und dritten Grades erlitten.«
»Das fühle ich, Doc«, erklärte der Terraner trocken. »Sie können mich in einer halben Stunde abholen lassen.«
Der Arzt schaltete resigniert ab. Mobirase griff nach seinem Fruchtgetränk. Ich musterte ihn prüfend. Die Zeit drängte. Nicht nur wegen seiner Verbrennungen, sondern auch wegen anderer Dinge.
»Vor einigen Jahrhunderten hätte man Sie auf der Erde ein ›leichtsinniges Huhn‹ genannt, Szonan.«
Er wiegte überlegend den Kopf.
»Hmm – sicherlich nicht, Sir. Leute aus Biafra bekamen diesen Begriff wohl niemals zu hören. Bedauerlich, denn er drückt wohltuende Besorgnis aus.«
»Und die steht jedem Menschen zu, nicht wahr? «
Er lächelte erneut.
»Was heute selbstverständlich ist, war nicht immer Gegenstand der öffentlichen Meinung, nicht einmal Gegenstand einer weltweiten Diskussion. Damit wären wir aber wieder indirekt bei unserem Thema angelangt, Sir.«
Ich drückte auf einen Schaltknopf in der Lehne meines Arbeitssessels. Die Sichtabschirmung vor der großen Panzerplastwand öffnete sich. Wir konnten nun in einen vorgelagerten Saal hineinsehen. Umgekehrt war es nicht möglich.
Etwa hundert Männer und Frauen des wissenschaftlichen Internstabes waren mit der Auswertung der letzten Nachrichten beschäftigt. Es waren zumeist Mathematiker, Mathelogiker, Galaktopsychologen und Anthropologen mit verschiedenen Fachrichtungen.
Das gedämpfte Summen der Rechengehirne, das Klicken der automatischen Auswerfer und Übermittlungsschaltungen wurde von der Kontrollaufnahme in mein Arbeitszimmer übertragen. Es war ein bedrückendes Geräusch.
Ich beobachtete die huschenden Leuchtanzeigen und Diagrammschirme. Weiter rechts befand sich die Klarschriftgalerie. Wichtige Nachrichten oder Auswertungen, die einen Wahrscheinlichkeitskoeffizienten von mehr als fünfundsiebzig Prozent besaßen, wurden direkt an mich übermittelt.
Ich dachte an einen Mann namens Kyras Tosmatil. Er war ein USO-Spezialist gewesen. Nun ruhte er auf dem Friedhof einer Pioniersiedlung, die sich auf einem Planeten im Antrus-System befand.
Antrus IV, ein hochentwickelter Planet innerhalb der Plejadengruppe, kämpfte um seine Autarkie, obwohl jedermann auf Antrus wusste, dass die gesetzlich vorgeschriebene Besiedlungsfrist von einhundert Jahren noch lange nicht abgelaufen war. Rhodans Abwesenheit und die beginnende Zerrüttung der Imperiumsfinanzen trugen bittere Früchte.
Vor drei Monaten hatten die Antruser unter Führung ihres Administrators Rayan Homend versucht, die Regierungsneuwahlen zu verhindern, von Terra abzufallen und ihre außenpolitische Autarkie zu erzwingen.
Ich hatte rechtzeitig genug von den Vorkommnissen erfahren. Mein Informant war Captain Kyras Tosmatil gewesen.
Da ich es nicht für richtig hielt, die Antruser durch das plötzliche Erscheinen einer USO-Landungsflotte über Recht oder Unrecht zu belehren, hatte ich Homer G. Adams, den Finanzminister des Solaren Imperiums, gebeten, nach Antrus IV zu fliegen und die Einheimischen an den Inhalt der Verträge zu erinnern. Homer G. Adams hatte außerdem in einer TV-Ansprache zu bedenken gegeben, in welch starkem Maße Antrus IV wirtschaftlich mit Terra verknüpft war. Der Aufbau der antrusischen Schwerindustrie hatte allein neunhundertundfünf Milliarden Solar verschlungen.
Die beginnende Revolte hatte sich von selbst erledigt; unblutig, in aller Stille.
Nur der amtierende Regierungschef hatte einen anderen Weg gewählt. Rayan Homend war heimlich mit der stattlichen Summe von acht Milliarden Solar verschwunden.
Die Nachforschungen meines Spezialistenteams wären ergebnislos verlaufen, wenn man nicht einen Hilferuf des auf Antrus II stationierten Spezialisten Kyras Tosmatil aufgefangen hätte.
Man fand ihn als Sterbenden. Tosmatil konnte keine Aussagen machen, aber es gelang ihm noch, meinem Team eine Mikrokassette auszuhändigen.
Die Auswertung der Ton- und Bildaufzeichnungen hatten den als betrügerischen Gesetzesübertreter eingestuften Administrator über Nacht zur galaktischen Schlüsselfigur erhoben.
Die Aufklärung der Tatsache, dass es Homend gelungen war, unbemerkt mit acht Milliarden Solar zu fliehen, war relativ einfach gewesen. Die Riesenunterschlagung war von langer Hand vorbereitet worden. Niemand hätte es feststellen können, wenn meine Leute nicht auf die Spur von Duplo-Banknoten gekommen wären, die sich plötzlich im Umlauf befanden.
Seit wenigen Stunden wusste ich, dass Rayan Homend das Verbrechen begangen hatte, sich achthundertfünfzig Milliarden an nachgeahmten Banknoten zu beschaffen, sie mit Hilfe der antrusischen Staatsbank in Umlauf zu bringen und bei dieser Gelegenheit acht Milliarden an echten Noten in seine Tasche zu stecken.
Mit dem Falschgeld war die antrusische Untergrundorganisation aufgebaut worden. Die noch andauernden Verhöre und Gerichtsverhandlungen bewiesen, dass Homends Mitarbeiter niemals auf die Idee gekommen waren, von ihrem Anführer betrogen zu werden.
Die Unterschlagung des echten Geldes und die Verbreitung der Duplo-Noten waren Delikte, die mich nicht sonderlich aufregen konnten. Auch Administratoren waren nur Menschen mit allen Fehlern und Schwächen.
Dann aber, nach der Auswertung des Bandes, war mir fast übel geworden. Rayan Homend war es im Verlauf seiner verantwortungsvollen Tätigkeit gelungen, das größte Geheimnis des Solaren Imperiums in seinen Besitz zu bringen. Es handelte sich um die Konstruktions- und Schaltungsunterlagen über zwei Geräte, die für die einwandfreie Funktion der terranischen Transformkanone unerlässlich waren.
Es handelte sich einmal um den Zustandswandler, der die Aufgabe hatte, innerhalb eines als Transmitter ausgebildeten Geschützverschlusses den Entmaterialisierungsvorgang einer abzustrahlenden Gigabombe auf die besonderen Gegebenheiten einer Transformwaffe auszurichten. Ohne die exakte Bildung einer hyperenergetischen Konturbildspirale war eine Wiederverstofflichung der Waffe ohne Gegenstation nicht möglich.
Um diese Wiederverstofflichung jedoch erreichen zu können, war noch ein zweites Gerät erforderlich, Zielmaterialisator genannt. Er erfüllte die Aufgabe einer Gegenstation, wie sie bei einem normalen Transmitterverkehr selbstverständlich war.
Beide Geräte waren die wichtigsten Bestandteile der terranischen Transformkanone. Sie liefen in einer hyperfrequenten Synchronschaltung, die mit der Überspielung der energetischen Konturbildspirale identisch war.
Wir wussten, dass besonders akonische Wissenschaftler seit Jahrzehnten versuchten, die wirkungsvollste Waffe der Menschheit nachzubauen. Sie waren prinzipiell am Zustandswandler und Zielmaterialisator gescheitert.
Und nun war ein antrusischer Administrator mit genau jenen Unterlagen verschwunden, die wir seit dem Friedensschluss mit den Posbis wie unseren Augapfel gehütet hatten.
Natürlich waren die auf Aprex-Band gespeicherten Daten so hochwertig verschlüsselt, wie man es von einem positronischen Gehirn überhaupt verlangen konnte. Andere Intelligenzwesen besaßen aber ebenfalls erstklassige Automaten. Es war sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis es Rayan Homends Auftraggebern gelungen war, die terranischen Unterlagen zu dechiffrieren. Von da an hatte die Menschheit ihren wichtigsten Trumpf verloren.
Ein schrilles Läuten riss mich aus meinen Gedanken. Die Schirmgalerie jenseits meines Schalt- und Arbeitstisches leuchtete im Informationssektor auf. Das breite Gesicht eines Epsalers wurde erkennbar.
»Funkbrücksendung über USO-23 und -82, Sir. Schlüsselsymbolgruppe wird nur einmalig verwendet. Wortlaut: Falschnoten stammen aus einem tefrodischen Multiduplikator des Typs CERENY. Sondermodell zur Kopierung nichtorganischer Strukturbilder. Noten dieses Musters wurden während der MDI-Invasion auf die Währung des Imperiums überwiegend auf Außenrandwelten in Umlauf gebracht. Fünf akonische Großbanken wurden mit terranischer Duplo-Währung überschwemmt. Die Institute wurden von der GCC entschädigt. Es steht fest, dass der Flüchtling die achthundertfünfzig Milliarden aus diesen Beständen bezog. Sie wurden demnach nicht restlos vernichtet. Berechnung dieser Erkenntnis wird Quinto-Center überlassen. Ende.«
Zwei Minuten später lag die Auswertung vor. Sie erschien auf meinen Klarschriftschirmen.
Die Hauptpositronik stellte fest, Duplo-Noten in dieser Höhe hätten nur vom akonischen Energiekommando beschafft werden können. Also stand Rayan Homend mit dem akonischen Geheimdienst in Verbindung.
»Wie erwartet«, meinte Mobirase. »Homend war und ist nicht sein eigener Herr. Er schleuste die Duplo-Noten über die Staatsbank seines Planeten ein und zweigte acht Milliarden in guter Währung für seinen eigenen Bedarf ab. Eine erkleckliche Summe für einen schönen Lebensabend.«
Er deutete meinen ironischen Blick richtig.
»Meinen Sie, Szonan? Rayan Homend ist auf Lepso. Daran kann es nach unseren Ermittlungen keinen Zweifel geben. Wer aber dort mit solchen Beträgen ankommt, ist so gut wie verloren. Ich habe meine beiden besten Männer auf ihn angesetzt. Wenn sie ihn nicht innerhalb von vier Wochen finden, ist er ein toter Mann.«
Mobirase atmete schwer. Es waren nicht nur seine Verletzungen, die ihn zu Boden starren ließen. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und wiederholte die Worte, die er vor drei Stunden schon einmal ausgesprochen hatte.
»Wer oder was ist die Condos Vasac? Wie kam Ihr verstorbener Spezialist zu diesem Begriff? Ich kenne alle möglichen galaktischen Untergrundbewegungen und verbrecherischen Verbindungen, aber von einer Condos Vasac habe ich nie gehört. Wer ist das?«
Ich fühlte mein Herz schneller schlagen. Die CV, wie wir bereits dazu sagten, hatte in Tosmatils Bandbericht viel Raum eingenommen. Er hatte ebenfalls keine näheren Angaben machen können, aber es stand fest, dass der entflohene Administrator von Vertretern einer Organisation unterstützt worden war, die Tosmatil Condos Vasac nannte.
»Wer steckt dahinter, Sir?«
Mobirases Stimme klang drängend. Er quälte mich. Ich kannte die Antwort auch nicht.
»Wenn Sie von einem Steinzeitmenschen einen P-Rechner programmieren lassen, erhalten Sie die gleiche Antwort, die ich Ihnen geben kann; nämlich gar keine oder eine völlig konfuse. Fragen Sie nicht, Szonan. Wir liegen vorerst auf Eis. Meine Ermittlungen laufen. Der genialste Kosmokriminalist der Jetztzeit recherchiert bereits. Er befindet sich auf Lepso.«
»Major Sinclair Marout Kennon?«
»Ja. Sein Psychopartner ist mit von der Partie. Sie kennen Oberstleutnant Spezialist Ronald Tekener?«
Er spitzte die Lippen zu einem bedeutungsvollen Pfiff.
»Dem Namen nach. Man nennt ihn ›The Smiler‹, den Lächelnden. Mir scheint, Sie haben wirklich Ihre besten Leute eingesetzt.«
»Für diesen Fall die besten! Mutanten sind auf Lepso fehl am Platze.«
»Davon bin ich nicht ganz überzeugt. Ich wiederhole unser Angebot. Sie können einen Telepathen, einen Telekineten und Marten, den Teleoptiker, haben. Die Teleporter befinden sich leider noch bei Perry Rhodan im Andromedanebel.«
Ich winkte ab.
»Zwecklos, alter Freund. Lepso wimmelt von Antis und Paraspürgeräten. Die Priester des Báalol-Kultes haben viel gelernt. Man kennt jeden terranischen Mutanten, der jemals im Einsatz war. Man schirmt sich überdies ab. Wann begreift man in der Führungsspitze der Solaren Abwehr, dass Mutanten kein Allheilmittel sind? Auf der Freihandelswelt Lepso, der Hölle unserer Galaxis, müssen normale Menschen oder zuverlässige Nichtmenschliche in den Einsatz gehen.«
Der Verbindungsoffizier überlegte. Ich bemerkte, dass er zusehends schwächer wurde. Die schmerzstillende Injektion schien überdies abzuklingen.
»Sie müssen in die Klinik, Szonan.«
Er schaute mich aus plötzlich stumpf werdenden Augen an. Seine Wangen zuckten.
»Sir, was ist die Condos Vasac?«
Ich erhob mich und schritt auf meinen Arbeitstisch zu. Schreibtisch konnte man zu dem riesigen Metallmonstrum mit seinen tausendfältigen Schaltanlagen kaum sagen.
Fünf Abrufsignale brachten keinen Erfolg. Die Symbole schalteten auf Rotwert.
»Zwecklos, keine Auswertung. Ich kann Ihnen nur bestätigen, was Sie selbst vermuten. Mit der Condos Vasac ist ein bisher unbekanntes galaktisches Syndikat mit enormen Machtmitteln aufgetaucht. Man kann seine Tätigkeit zwar gesetzwidrig nennen; aber der Kern wird damit nicht getroffen. Hier geht es nicht mehr um kleine Schwarzgeschäfte, Zolldelikte, Rauschgifthandel, Howalgoniumschiebungen, Spielhöllenbetriebe, Wirtschaftserpressungen und was der vielen Vergehen mehr sind, sondern ganz sicher um höher gesteckte Ziele. Akonen und Antis dürften ihre Hand im Spiel haben. Natürlich werden alle bekannten Verbrechen nebenbei miterledigt. Leichte Gewinne dürften auch die Machthaber der CV nicht verachten. Das wichtigste Ziel wird jedoch die Unterminierung der solaren Einheit sein. Was sollte ein kleiner Schwarzfahrer beispielsweise mit den Konstruktionsdaten über unsere Transformkanone anfangen? Um sie auszuwerten, benötigt man ein hervorragend ausgerüstetes wissenschaftliches Team erster Qualität, Industrieanlagen, Riesenlaboratorien und Zulieferungsbetriebe von erstklassiger Fertigungsqualität. Nur eine Großmacht kann die Daten verwerten.«
»Jeder könnte die Daten verkaufen.«
»Würden Sie einem verwahrlosten Paria glauben, er hätte jemals die Möglichkeit gehabt, Terras größtes Geheimnis zu stehlen? Ich nicht! Sie als Vertreter der nahezu allmächtigen Solaren Abwehr wissen bis zur Stunde nicht, wie eine Konstruktionskopie aus den Forschungslabors des Kalup-Teams entwendet werden konnte. Sie ahnen nicht einmal, ob es sich um eine Vollkopie oder um eine Ausfertigung mit wissentlich eingefügten Fehlern handelt.«
Mobirase atmete noch schwerer. Ich drückte unauffällig auf den Rufknopf. Hinter dem Terraner leuchtete ein Bildschirm auf. Das Gesicht des Wachoffiziers wurde erkennbar.
Ich deutete unauffällig auf den Oberst. Der Offizier nickte. Er hatte verstanden. Anschließend unterbrach ich die Verbindung.
»Sir, unsere besten Beamten, darunter drei Mutanten, sind im Einsatz. Der irdische Mond gleicht einem Hexenkessel. Wir werden in wenigen Stunden ermittelt haben, wie die Kopie entwendet wurde.«
Eine abstrakte Hoffnung glomm in mir auf. Mein Extrahirn meldete sich mit einem Impuls. »Frage, ob überhaupt ein Diebstahl vorliegt. Bluff ...?«
Ich wiederholte den Hinweis. Mobirase lächelte müde.
»Sir, darum haben wir uns sofort gekümmert. Von den Originalkopien fehlt nichts. Wir hätten es nie bemerkt, wenn wir nicht Ihren Hinweis erhalten hätten. Jemand war in der Lage, von den Originalen eine weitere Kopie anzufertigen. Dazu benutzte er einen vollpositronischen Abtaster. Das macht die Sache kompliziert. Wir haben das Kopiergerät gefunden und an seinen Speicherdaten festgestellt, was kopiert worden ist. Das konnte der Dieb nicht verhindern. Ohne Ihre Anfrage wäre das Gerät aber wahrscheinlich erst in Monaten exakt überprüft worden. Aprex-Kopien werden tagtäglich für alle möglichen Bedürfnisse angefertigt. Es beginnt mit einer Planzeichnung mit Toneinblendung für eine Blechformungspresse und kann, ich wiederhole – kann mit der Kopierung der Transformkanone enden. Der Gerätespeicher zeigt an, dass mit dem Zustandswandler und Zielmaterialisator gearbeitet wurde, aber es verrät nicht, ob es nun eine Vollkopie war oder eine mit so genannten Auslassern oder bewusst eingebauten Vernichtungsschaltungen. Wir haben alles auf Lager. Professor Kalup schwört, dass die Vollkopien auf keinen Fall seinen Hochenergietresor verlassen haben. Also haben wir die Chance, dass dem Dieb nur eine unvollständige Datenaufzeichnung in die Hände gefallen ist.«
»Gefährlich genug.«
»Natürlich! Wenn akonische Hyperphysiker der Spitzenklasse eingesetzt werden, finden sie die Auslasser. Vernichtungsschaltungen entdecken sie sofort.«
»Das ist meine Hoffnung!«
»Was, bitte?«
»Auslasser! Wenn Details fehlen, können meine Leute einhaken. Tekener ist genau der Mann, der dem argwöhnischen CV-Chef vorgaukeln kann, die Auslasser nachträglich beschaffen zu können. Bereiten Sie sich darauf vor, Szonan. Lassen Sie gute, jedoch falsche Zusatzdaten für jeden denkbaren Bedarf anfertigen.«
»Ein zehntausendjähriger Mann sollte seinen Optimismus längst verloren haben.«
Wir lachten uns an. Über dem inneren Panzerschott meiner Zentrale leuchtete die violette Ruflampe auf. Auf dem Anmeldungsschirm erblickte ich den Wachoffizier.
»Captain Husier mit einem Medorobot, Sir.«
Ich betätigte den handtellergroßen Knopf der Sicherheitsautomatik. Draußen, im Panzergang der äußeren Sicherheitszone, fuhr die Positronik die Mündungen verschiedenartiger Waffen ein. HÜ-Schirme fielen zusammen. Zwei menschenähnliche Spezialroboter mit lächelnden Bioplastgesichtern und gepflegten Manieren verließen ihren Einsatzbunker und schritten dem Wachoffizier entgegen. Die Szenen wurden auf den Kontrollschirmen meiner Zentrale abgespielt.
»Sehr schöne, aber auch sehr gefährliche Spielereien«, behauptete Mobirase. »In einem meiner zahlreichen Albträume sehe ich Sie gelegentlich auf den falschen Schalter drücken, so dass Quinto-Center detoniert.«
Ich lachte nur. Der Verletzte durfte nicht mehr durch Diskussionen belastet werden.
Das Innenschott öffnete sich. Die beiden Empfangsroboter traten ein. Hinter ihnen summte eine Spezialmaschine des Medocenters in den Raum. Sie lief auf einem energetischen Prallfeld, glich der verwinkelten Konstruktion eines Irren und war in der Lage, bei Unfällen aller Art bis zu fünfhundert operative und therapeutische Soforteingriffe vornehmen zu können.
Der Roboter hielt neben Mobirase an und fuhr eine seiner Tragbahren aus. Es war eine aufblasbare Schaumstofffolie mit Stabilisierungselementen.
»Bitte ruhig verhalten, Sir, bitte nicht bewegen«, bat die Maschine. Sie sprach mit einer dunklen, angenehm klingenden Frauenstimme von suggestiver Eindringlichkeit.
»Donnerwetter!«, staunte der Terraner. »Eine Neukonstruktion?«
»Auch eine Spielerei«, spöttelte ich. »Los jetzt, Szonan, es wird Zeit. Sie bekommen eine neue Haut.«
Der Medorobot umfasste ihn mit vier gepolsterten Tragarmen und legte ihn auf die Bahre.
»Schön ruhig bleiben, schön ruhig«, flüsterte die Frauenstimme. »Ihnen wird sofort geholfen. Lieben Sie Musik? Ich muss Sie im Interesse Ihrer Gesundheit augenblicklich von den verbrannten Kleidungsstücken befreien. Erlauben Sie?«
Feine Tastarme schossen aus dem Robotkörper hervor. Eine Hochdruckspritze zischte. Die Augen des Terraners verschleierten sich. Mobirase wurde entkleidet.
»Aber – aber doch nicht in aller Öffentlichkeit, Madam!«, konnte er noch lallen, dann umfing ihn die Narkose. Der Robot summte hinaus; die meterstarken Panzertore schlossen sich.
Ich war wieder allein in meiner technifizierten Höhle. Im Vergleich dazu war der Kommandostand eines Schlachtkreuzers so übersichtlich und verständlich wie der Ventiltrieb eines altertümlichen Verbrennungsmotors.
Im Saal hinter der transparenten Panzerplastwand arbeiteten die Spezialisten der USO. Wir hatten angenommen, einen alltäglichen Kriminalfall bearbeiten zu müssen. Nun war aus der Unterschlagung ein Katastrophenfall geworden. Rayan Homend musste gefunden werden! Die Solare Abwehr musste schnellstens feststellen, welche Kopiengruppe nochmals vervielfältigt worden war.
Meine Männer hatten zu ermitteln, was der Begriff Condos Vasac bedeutete, wer sich dahinter verbarg und welche Fernziele man verfolgte.
Ich schritt zur Sitzgruppe hinüber, dem einzigen gemütlichen Fleckchen in meiner Höhle. Natürlich konnte ich die Füße wieder nicht auf den Tisch legen, da die Automatik den Kontursessel sofort nach hinten schwenkte. Ich wollte aber die Füße auf den Tisch legen!
Zornentbrannt schlug ich auf den nächsten Schalter der Rufanlage und brüllte in das Mikrophon:
»Einrichtungsabteilung – wenn die verdammte Automatik des einzigen bequemen Sessels, den Sie mir gegönnt haben, nicht heute noch entfernt wird, versetze ich den ganzen Haufen von instinktlosen Innenarchitekten und sonstigen Raumgestaltern auf einen unbesiedelten Dschungelplaneten.«
Ich hörte jemand lachen. Mein Zorn legte sich augenblicklich. Er wich einer gewissen Neugierde.
»Die Schwarze Eminenz tobt«, wisperte eine Frauenstimme. »Da muss allerhand passiert sein.«
Dann klang es verständlicher aus dem Lautsprecher:
»Einrichtungsabteilung, Mirzona Erlaskin spricht. Haben Sie gerufen, Sir?«
Auf dem Bildschirm, der aus der rechten Lehne herausklappte, damit der Herr Lordadmiral um Himmels willen niemals in die Verlegenheit kam, seine Gesprächspartner nicht sehen zu können, erschien das breite Gesicht einer Ertruserin.
Für die Bewohner der überschweren Welt galt sie sicherlich als Schönheit. Ich war da anderer Meinung, aber das tat nichts zur Sache.
»Sind Sie auch eine Raumgestalterin?«
»Jawohl, Sir. Ich richte die ertrusischen Wohnbezirke ein.«
»Bitte, meine Liebste, betreten Sie nie in Erfüllung dienstlicher Aufgaben mein Arbeitszimmer. Sonst sind Sie mir natürlich herzlich willkommen. Danke sehr, Ende.«
»Aber Sie wollten doch etwas, Sir?«
»Ich? Sie träumen. Ich behalte meinen Sessel.«
Ich schaltete ab. Mit einer Ertruserin über Geschmack zu diskutieren ist noch zweckloser, als ein ähnliches Experiment mit einer Erdgeborenen durchzuführen. Damen mit einem Durchschnittsgewicht von sechzehn Zentnern haben kein Einfühlungsvermögen in die Lebensgewohnheiten eines normalgewichtigen Menschen.
*
Drei Tage später wussten wir alles, oder fast alles! Der Begriff Condos Vasac war für uns zu einem Albtraum geworden.
Keine Organisation dieser Galaxis, nicht einmal das akonische Energiekommando, wäre in der Lage gewesen, das zu erreichen, was erreicht worden war. Professor Dr. Arno Kalup, der geniale Hyperphysiker, hatte die Kopie angefertigt und sie persönlich zur Erde gebracht! Dort war Kalup mit dem antrusischen Administrator Rayan Homend anlässlich eines Staatsempfangs zusammengetroffen. Bei dieser Gelegenheit hatte er dem Administrator das Datenband überreicht.
Niemand, außer dem Chef der lunaren Forschungsabteilung, wäre die Entwendung möglich gewesen, und das hatte der Gegner klar erkannt.
Als man Kalup vorübergehend verhaftete, war für ihn eine Welt zusammengebrochen. Erst den Mutanten der Abwehr war es gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass er mehrere Wochen lang unter dem Einfluss eines parapsychischen Suggestivblocks gestanden hatte.
Es handelte sich um eine bisher unbekannte Art der Willensbeeinflussung. Sie war so unauffällig, dass die Kontrollgeräte innerhalb der Lunabasis nicht darauf angesprochen hatten.
Allein dieser Suggestivblock, dessen Natur noch zu enträtseln war, bewies mir, mit welchem Gegner wir es zu tun hatten. Es war mir rätselhaft, wie es Fremden gelungen sein konnte, einen der am schärfsten abgeschirmten Wissenschaftler des Imperiums geistig zu überwältigen.
Kalup war natürlich sofort auf freien Fuß gesetzt worden. Er war zum Verräter wider Willen geworden. Das änderte aber nichts daran, dass die Daten in den Händen der CV waren.
Die Experten der Abwehr, unser vor Wut rasender Dr. Arno Kalup an der Spitze, hatten anschließend festgestellt, welche Aufzeichnung kopiert worden war. Kalup war es glücklicherweise nicht gelungen, seinen Energietresor zu öffnen und eine so genannte Vollkopie in die Abtastmaschine zu geben. Der Block war anscheinend nicht stark genug gewesen, den Hyperphysiker zu der Handlung zu bewegen. Mir erschien es jedoch wahrscheinlicher, dass man von vornherein auf ein derart gefährliches Experiment verzichtet hatte. Der Gegner musste gewusst haben, dass sogar ein Professor Kalup nicht unbemerkt den Haupttresor der Forschungsabteilung öffnen konnte. Also schien man sich wissentlich mit einer Auslasserkopie begnügt zu haben. Das zeugte erneut von der Klugheit unserer unbekannten Gegner. Sie schienen Risiken aller Art sehr gut abwägen zu können.
Der entflohene Administrator war durch diese Ermittlungen zu einer zweitrangigen Figur geworden. Man hatte ihn lediglich als Übermittler und Kontaktmann benötigt. Dennoch war es nach wie vor wichtig zu erfahren, wo sich Rayan Homend aufhielt und mit wem er in Verbindung stand. Er konnte uns unter Umständen zu seinen Auftraggebern führen.
Quinto-Center hatte drei Tage lang einem Irrenhaus geglichen. Der zweiundsechzig Kilometer durchmessende Mond, den wir vor drei Jahrhunderten aus seiner natürlichen Umlaufbahn entfernt, durch den Raum transportiert und in einem genau errechneten Sektor stationiert hatten, war zur Einsatzzentrale Nummer eins geworden.
Vor vier Stunden war eine von mir dringend erwartete Nachricht eingetroffen. Genau betrachtet, handelte es sich um einen sorgsam ausgearbeiteten Einsatzplan, wie er nur einem Gehirn entspringen konnte, dass außer einer unüberbietbaren kriminalistischen Genialität noch über eine umfangreiche Sachkunde verfügte.
Das Gehirn gehörte Major Sinclair M. Kennon, jenem USO-Spezialisten, der bereits seit vielen Jahren auf der gesetzlosen Freihandelswelt Lepso in der Maske eines intergalaktischen Raumschiffsmaklers stationiert war.
Kennon hatte mir die letzten Feinheiten durch einen Kurier übermitteln lassen. Da Quinto-Center zu dieser Stunde in noch größerer Anonymität bleiben musste als all die Jahrhunderte zuvor, war der Funkverkehr eingestellt worden. Auch unsere Transmitterverbindungen arbeiteten nicht mehr. Die Ortungsgefahr hatte die Stufe I erreicht.
Am 25. Juli 2406, kurz nach Mitternacht Standardzeit, verließ ich die innere Hauptzentrale. Sie lag im genauen Schnittpunkt des Mondes und durchmaß in ihrer lichten Weite achthundert Meter. Hier war das Nerven- und Befehlszentrum von Quinto-Center.
Der ehemalige Mond glich äußerlich einem öden, unbewohnten und luftleeren Himmelskörper ohne jede Bedeutung. Niemand hatte bisher entdeckt, dass er bei einer verbliebenen Schalenstärke von sechs Kilometer Dicke einen Hohlraum von fünfzig Kilometer lichter Weite umschloss.
Die USO-Ingenieure hatten vor etwa dreihundert Jahren, also kurz nach der Gründung der Abwehrorganisation, ein Meisterstück vollbracht.
Bei der thermischen Aushöhlung des Mondes war es unerlässlich gewesen, die für unsere Zwecke erforderliche statische Festigkeit zu erreichen. Mit einer bruchanfälligen Felsschale wäre niemand gedient gewesen.
Es war gelungen! Etwa achtzigtausend Terkonitstahlverstrebungen, die in der Form von Schmelzeinschüssen innerhalb der natürlichen Felsschale zu einem atomar verschweißten Verbundskelett verankert worden war, garantierten die Festigkeit, die wir benötigten.
Fünfhundert Hauptdecks mit einer lichten Höhe von zirka hundert Meter, zahllose Versteifungselemente, Säulenverstrebungen, Sternabstützungen, tragende Hallenkonstruktionen und was der vielen Dinge mehr waren, hatten eine technisierte Hohlwelt einzigartiger Größenordnung entstehen lassen.
Die innere Kommandokugel wurde von zwölf Panzerschächten, die gleichzeitig als Schnellverbindungen zur Oberfläche dienten, in der Art einer Zwölfpunkt-Aufhängung abgestützt. Bisher war es noch niemals zu einer Materialermüdung, zu unerwünschten Schwingungen oder gar zu Brüchen in der Gesamtkonstruktion gekommen.
Ich benutzte Schacht elf. Er mündete tief in der erhaltenen Felsschale nahe den Hangars für Schnellverbindungsboote.
Eine Korvette stand startklar auf ihrem Antigravheber. Über ihr wölbte sich die Stahlschleuse, hinter der ein noch zwei Kilometer langer Schacht das Felsgestein durchzog.
Ein wuchtig gebauter Epsaler mit den Rangabzeichen eines USO-Admirals trat auf mich zu. Die Mannschaft der Korvette war nicht zu sehen. Sie befand sich bereits auf den Manöverstationen.
Admiral Nempf Natuul war ungewohnt ernst. Ich vermisste sein dröhnendes Lachen und die bärbeißigen Rügen, die er sonst auszuteilen pflegte. Er war der Kommandant von Quinto-Center und in meiner Abwesenheit stellvertretender Chef der USO.
Natuul salutierte. Er schritt wortlos neben mir her, bis wir das ausgefahrene Gleitband unterhalb der Mannschleuse erreicht hatten.
»Müssen Sie das unbedingt persönlich erledigen, Sir?«, begann er endlich. »Wir brauchen Sie hier dringend.«
Ich winkte ab.
»Die Verhältnisse gebieten es. Kennons überspitzte Sensibilität muss berücksichtigt werden. Achten Sie mir darauf, dass kein einziger Transmitterkontakt stattfindet. Wie sieht es draußen aus?«
»Alle Fernortungen negativ, Sir. Sie können unbeobachtet starten. Würden Sie die Anordnung der bedingten Gefechtsbereitschaft für unsinnig halten?«
Ich überlegte und dachte dabei an die dreitausendvierhundertunddreißig Panzertürme, die pro Einheit drei überschwere Transformkanonen enthielten. Quinto-Center war die stärkste Festung der bekannten Galaxis. Die Abwehrkapazität konnte von niemand ignoriert werden. Die Defensivwaffen entsprachen dem neuesten Stand der technischen Entwicklung.
»Einverstanden, aber strapazieren Sie die Männer nicht noch mehr, als es ohnehin schon der Fall ist. Ich bin in etwa drei Tagen zurück.«
Wir starteten so still und unauffällig, wie es für Quinto-Center üblich war. Ein winziger Ausschnitt der zerklüfteten Oberfläche des zweckentfremdeten Mondes öffnete sich für einen Augenblick, um die Korvette in den freien Raum zu entlassen. Hier wurden wir vom Gleißen und Funkeln all jener Milliarden Sonnen empfangen, die bereits zum äußeren Zentrum der Galaxis gehörten.
Quinto-Center befand sich achtundvierzig Lichtjahre von der Erde und etwa zwei Lichtjahre von der nächsten Sonne entfernt. Einsam und unerkannt, ohne jede eigene Leuchtkraft, Rotation und Umlaufbewegung, stand der Himmelskörper in einem Raumsektor, den wir Koordinatenspinne nannten.
Ganz in der Nähe kreuzten sich zahlreiche und oft befahrene Koordinatenlinien für die Raumschifffahrt im Grenzbereich des Zentrums. Niemals war Quinto-Center entdeckt oder auch nur angepeilt worden. Selbst in der Solaren Flotte gab es nur wenige Personen, die den Standort des USO-Hauptquartiers kannten.
Ich saß neben dem Kommandanten im zweiten Kontrollsessel. Die Korvette nahm mit eigener Kraft Fahrt auf. Schon nach wenigen Augenblicken war von Quinto-Center auf den Schirmen der Normaloptik nichts mehr zu sehen. Der Mond wurde zu einem wesenlosen Schatten, der gleich darauf von der Schwärze des Raumes endgültig aufgesogen wurde.
Ich dachte an die Forderungen, die Major Sinclair M. Kennon an einen Mann gestellt hatte, der in dieser Galaxis wohl sein einziger echter Freund und Vertrauter war. Die Einsatzplanung war vom großen hyperinpotronischen Gehirn der Zentrale durchgerechnet und mit der Note I bewertet worden. Kennon besaß einen derart einzigartigen Instinkt für Sachverhalte, dass man an eine parapsychische Begabung glauben konnte. Dies war jedoch nicht der Fall, oder Kennon wäre schon seit Jahren ein toter Mann. Auf Lepso, der Freihandelswelt im Firing-System, konnte man sich nicht den Fehler erlauben, Mutanten zum Einsatz zu bringen.
Die Korvette raste mit dröhnenden Triebwerken ihrem fernen Ziel entgegen. Es war 19.318 Lichtjahre von Quinto-Center entfernt.
Je intensiver ich an Kennons Planung dachte, um so ungemütlicher wurde mir. Die Würfel waren gefallen; die ungeheure Maschinerie der USO war angelaufen. Es durfte keinen Rückzieher mehr geben, sonst gerieten einige tausend Spezialisten und Abwehrleute der SolAb in akute Lebensgefahr.
Die Spezialisten der USO
»Sie werden sich einen Bruch heben! Vielleicht einen Leistenbruch oder einen Nabelbruch. Gewiss werden Sie sich etwas brechen, was noch brechen kann. Ich wette, Sie werden sich etwas brechen!«
»Schalte den Anrufbeantworter ab, den du Stimmbänder nennst, Junge.«
»Äh ...? Sie werden sich wirklich etwas brechen. Vielleicht erleiden Sie einen Armbruch oder einen anderen Bruch am anderen Arm oder ...«
»Ezca! Ich liebe keine ständigen Wiederholungen.«
»Aber wenn Sie sich etwas brechen, dann ...«
»Ezca ...!«
Der Mamphiner schloss den breiten Schnabel, fuhr die Stielaugen ein und sträubte den Federkranz um seinen Hals. Es war ein Zeichen seiner Empörung.
»Ich schweige.«
»Du bist ein kluger Junge. Ich – äh – ich überlege ernsthaft, weshalb noch niemand auf die Idee gekommen ist, dich in einem Anfall geistiger Verwirrung schön sauber zu rupfen und anschließend in die nächste Pfanne zu hauen. Wie gesagt, ich überlege ernsthaft!«
»Was? Rupfen? Mich?«, schrillte die Stimme des Nichtmenschlichen. Diesmal sträubte sich sein grünes Federkleid.
»Wenn man aussieht wie eine Kreuzung zwischen einer terranischen Ente und einem Truthahn mit Boxhandschuhen, sollte man im Umgang mit hungrigen Fremden vorsichtiger sein. Man sollte ihnen vor allem nicht auf die Nerven gehen.«
Der Mamphiner stieß ein Schnattern aus, das an der oberen Grenze des Hörbarkeitsbereiches lag. Seine Stielaugen quollen hervor, die breiten Füße platschten als Ausdruck seiner Verachtung den Boden.
»Achtzehntausend Hertz, vielleicht etwas mehr. Junge, du solltest einem Mann, den zu versorgen du beauftragt bist, nicht das Gehör schädigen.«
»Ich schädige niemand. Wir Mamphiner gelten als die besten Köche der Galaxis. Wirklich, in der ganzen Galaxis sind wir berühmt. Ich möchte wissen, warum ...!«
»... du hierhergeschickt wurdest, zumal dein Gast weder geröstete Plumpschnecken noch lebende Shlakasis isst? Beruhige dich, Junge. Wie wäre es mit Pfannkuchen, Sirup und einer Kanne terranischem Kaffee?«
»Gut, ich werde es zubereiten. Und der Nachtisch?«
»Ein Stück Mamphiner. Vielleicht vom Schenkel?«, schlug der hochgewachsene Mann vor, der trotz Ezcas Vorhaltungen weiterhin mit der zentnerschweren Waffe jonglierte. Es handelte sich um eine terranische Panzerbüchse völlig veralteter Konstruktion. Sie besaß ein selbstgefertigtes Griffstück mit Anschlagschaft und stammte offenbar aus einem ausrangierten Kettenfahrzeug des 20. Jahrhunderts.
Oberstleutnant Spezialist Ronald Tekener, der Mann, den man Den Lächelnden nannte, besaß mehrere merkwürdige Leidenschaften. Eine davon war seine Waffensammlung. Sie galt als eine der besten der bekannten Galaxis, wurde jedoch im Unterschied zu anderen Sammlungen dieser Art oftmals bei USO-Einsätzen aktiv benutzt.
Tekener war unter anderem der Auffassung, der individuell aufgeladene Schutzschirm eines Antis ließe sich mit einer historischen Vorderlauf-Schrotflinte terranischer Fertigung besser durchschießen als mit einem modernen Strahler. Tatsächlich hatte es dieser Spezialist mit seinen Pistolen- und Gewehrmonstren mehr als einmal geschafft, sich angesichts modernster Waffen mit Nachdruck durchzusetzen.
Solche Späße konnte sich jedoch nur ein Mann erlauben, der unter den intelligenten Völkern der Milchstraße einen Ruf genoss, der die Handhabung und den Besitz kostspieliger und ausgefallener Museumsstücke auch rechtfertigte. Andere USO-Spezialisten hätten beispielsweise niemals auf fremden Welten erscheinen können, um dort mit provozierender Lässigkeit Gegenstände auszupacken und sie auch anzuwenden, ohne sofort Argwohn erregt zu haben.
»The Smiler« konnte es. Er gehörte zu den geheimnisvollsten Männern der Galaxis; umgeben von Skandalgeschichten, die man sich flüsternd erzählte. Tekener galt als undurchsichtige Erscheinung mit ungeheuren Geldmitteln. Seine dunklen Verbindungen zu Großbanken, Finanziers, wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern und Untergrundbewegungen waren seit Jahren Gegenstand intensiver Betrachtungen verschiedenster Geheimdienste.
Nur die USO und die Solare Abwehr gehörten nicht zu den Organisationen, die Tekeners aufwändiges Leben näher beleuchteten, denn dort wusste man, wer dieser geniale Mann war.
Geheimdienstchefs wie Atlan und Allan D. Mercant hielten es für selbstverständlich, einen Tekener-Scheck in Höhe von fünf Millionen Solar einzulösen. Dies geschah über getarnte Geldinstitute, die von der USO unterhalten wurden.
Man wunderte sich auch nicht, wenn Tekener in ein undurchsichtiges Geschäft einstieg, das jeden anderen Spezialisten das Leben gekostet hätte.
Wichtigstes Erscheinungsmerkmal für Ronald Tekener war seine angebliche Spielleidenschaft. Fremde Intelligenzen, die sich mit ihm in den Kasinos der Galaxis maßen, ahnten nicht entfernt, dass dieser USO-Oberstleutnant eine zwölfjährige Spezialschulung absolviert hatte. Sie ahnten auch nicht, dass er infolge seines einzigartigen Gedächtnisses in der Lage war, bei Kartenspielen aller Art nach dem einmaligen Umlauf der Karten jedes einzelne Exemplar an winzigsten Unterscheidungsmerkmalen exakt identifizieren zu können.
Der Mamphiner hantierte in der nebenan liegenden Küche. Sie war so modern eingerichtet, wie man es auf einem Geheimstützpunkt der USO erwarten konnte.
Außer Tekener und Ezca war niemand anwesend. Der Stützpunkt, »Blase« genannt, lag auf dem Nordpol eines unbewohnten Eisplaneten. Er umlief als einziger Himmelskörper die rote Sonne NAT-III, einen unbedeutenden Stern, der lediglich die für die USO unschätzbare Eigenschaft besaß, nur zweihundertelf Lichtjahre von Lepso entfernt zu stehen.
In der »Blase« konnte man sich erholen, Ausrüstungsgüter aller Art erhalten und Datenauswertungen vornehmen. Es geschah nur selten, dass sich zwei Spezialisten gleichzeitig einfanden. Noch seltener aber war es, dass ein Vertreter der USO durch einen ominösen Geheimbefehl dorthin beordert und bei seinem Eintritt von einem Kochkünstler nichtmenschlicher Gattung erwartet wurde.
Ronald Tekener trug nicht grundlos einen Kampfanzug, obwohl die Blase einige Kilometer unter dem ewigen Eis des Planeten in dem felsigen Untergrund eingebettet lag.
Tekener hatte seine Raumjacht auch nicht in die weiter oben liegenden Hangars gesteuert, sondern sie in größerer Entfernung draußen in der Einöde versteckt. Seinem Ruf als unorthodoxem Kämpfer und Snob entsprechend, hatte er überdies auf eine als normal anzusehende Bewaffnung verzichtet und eine uralte Panzerbüchse mitgenommen, deren antimagnetische Raketengeschosse hochexplosiv waren und beachtlich dicke Stahlplatten durchschlagen konnten.
Tekener legte das Waffenmonstrum zur Seite, reckte entspannend die Arme und ging geschmeidig auf das Küchenschott zu. Ezca sah die Vollautomaten als Diskriminierung seiner Kunst an. Er kochte nach veralteten Methoden.
Seine beiden dünnen Arme, die in feingliedrigen Händen endeten, hantierten mit bewundernswerter Geschicklichkeit. Tekener erhob schnuppernd die Nase.
»Das riecht gut, Junge.«
»Natürlich!«, schrillte das vogelähnliche Wesen. »Bei mir riecht es immer gut. Haben Sie sich nun einen Bruch gehoben oder nicht?«
Tekener grinste. Sein über und über vernarbtes Gesicht entspannte sich und verlor seine Härte.
»Deine Frage erscheint mir beinahe sadistisch.«
»Ah! Und was ist das?«
»Hmm – wenn ich dich ohne Betäubung rupfen und braten würde, dann ...«
»Gut, gut, ich habe verstanden. Ihr Terraner könnt sehr grob sein, wirklich sehr grob. Ich möchte wissen, wo hier der Sirup ist. Haben Sie Sirup?«
»Erkundige dich bei der positronischen Lagerverwaltung. Vorher aber eine Frage, Junge. Wer hat dich hierhergeschickt? Und warum?«
Tekeners Gesicht spannte sich wieder. Der Mamphiner erhob klagend beide Hände.
»Bei Donczo Hazcao, dem größten Schlemmer meines Volkes, ich weiß es nicht. Ein Schiff holte mich ab. Es waren nette Leute an Bord. Sie sperrten mich hier ein, zeigten mir das Reich des Genusses und wiesen mich an, auf einen Terraner zu warten, der die berühmten Lashat-Narben im Gesicht hat. Gut, Sie hatten also die Lashat-Pocken. Warum hatten Sie die? Selbst ein Narr weiß, dass es auf Lashat fürchterliche Krankheiten gibt, die niemand heilen kann.«
»Danke.«
»Bitte. Ich verstehe nicht – äh, habe ich bitte gesagt? Sicherlich, ich bin immer höflich. Wenn es auf Lashat eine einmalige Kostbarkeit zur Bereicherung exklusiver Gerichte gäbe, würde ich auch hinfliegen. So aber gibt es dort nur Tod, Verstümmelung und bestenfalls einige Traumkäfer.«
»Eben, eben! Deshalb gehen die Leute hin. Ein Traumkäfer bringt Millionen. Er vermittelt ohne jede Suchtgefahr durch seine Körperbestrahlung ein Wohlbefinden besonderer Art. Auch Träume! Deshalb der Name.«
Ezca fuhr entsetzt die Stielaugen ein. Er schnatterte noch schriller.
»Pah, auch eine Begründung. Nur Angeber, die sich feiern lassen wollen, außerdem Verbrecher und Nichtstuer gehen nach Lashat. Sie wollen als phantastische Abenteurer und harte Männer gelten. Fast immer finden sie jedoch den Tod. Außerdem schleppen sie Krankheiten auf andere Planeten ein. Sehen Sie sich an! Ich kenne andere Terraner; schöne, runde, dicke, fette Terraner, die beim Verspeisen meiner Kunstwerke schnaufen und grunzen und mir Komplimente machen. Äh – und Sie? Wie sehen Sie aus? Lang, dünn, halb verhungert und vernarbt. Sie haben beim gestrigen Festmahl nicht einmal gerülpst! Schämen Sie sich. Pfannkuchen will er, Pfannkuchen! Vulgär, meiner Kunst unwürdig, stelle ich fest. Haben Sie endlich den Sirup? Wo ist der Sirup? Gibt es hier überhaupt Sirup? Wenn es keinen Sirup gibt, kann ich auch keinen Sirup servieren. Sirup ist überhaupt – eh, wo wollen Sie hin?«
Ezca starrte dem entfliehenden Terraner fassungslos gackernd nach. Erbittert hielt er die Hände in den Sterilisierungsstrahler, kühlte sie anschließend in einem Eisbad und drehte die Pfannkuchen mit den Fingern um. Er war der Auffassung, jede Berührung mit metallischen oder sonstigen Instrumenten beeinträchtige den Wohlgeschmack.
Tekener nahm seine Waffe auf, betrachtete das breite Magazin und schritt zur Ortungszentrale hinüber. Weit entfernt war das verhaltene Rumoren eines Reaktorumformers zu hören. Er lieferte den Arbeitsstrom.
Tekener wartete, bis ihn die Automatik identifiziert hatte. Die Schirmsperre öffnete sich.
Beim Eintritt in die Ortungsstation dachte er an den Planeten Lashat. Als er dort vor Jahren landete, hatte er die Hölle erlebt. Er hatte gewusst, dass er mit dem Tod spielte, aber die Lashat-Narben im Gesicht eines Mannes waren für die dunklen Elemente der Galaxis ein Befähigungszeugnis, das für einen USO-Spezialisten nicht nur eine halbe Lebensversicherung, sondern auch Erfolg bedeutete. Tekener hatte stets glaubwürdig behaupten können, den Grundstock seines imaginären Vermögens durch den Verkauf einiger Traumkäfer gelegt zu haben. Nur deshalb war der Einsatz wichtig gewesen. Tekener war als todkranker Mann von Lashat zurückgekehrt. Nach drei Monaten hatte er es geschafft gehabt. Er gehörte zu den wenigen Auserwählten der Galaxis, die das Symbol der Lashat-Pocken vorzeigen konnten. Seine Risikofreude und seine halsbrecherischen Geschäfte waren glaubwürdig geworden. Der Einsatz auf Leben und Tod war ein Programm der USO-Psychologen gewesen.
»Man darf eben nichts dem Zufall überlassen!«, murmelte der Spezialist vor sich hin. In einem Bildschirm sah er sein Gesicht. Tekener schnitt eine Grimasse.
Man nannte ihn den schönsten hässlichsten Mann terranischer Art. Er war zu einem Symbol geworden; allerdings zu einem, das für die Gegner der Menschheit eine tödliche Gefahr bedeutete. Wichtig war, diese Tatsache zu verschleiern.
Tekener nahm einen Klarschriftstreifen aus der Tasche. Er hatte ihn vor vier Tagen auf Lepso von einem Verbindungsmann erhalten. Der Befehl war von Lordadmiral Atlan unterzeichnet.
Tekener hatte sich vorübergehend abzusetzen, die Blase anzufliegen und dort auf weitere Informationen zu warten. Genau das war dem Spezialisten eigentümlich erschienen. Die Blase war nicht als Treffpunkt gedacht, sondern als Notmagazin und Erholungsort.
Tekener hatte die Nachricht etwa zehnmal ausgewertet und sie auf Fehlerquellen untersucht. Es gab keine! Der Kode war einwandfrei, die Schlüsselzeichen stimmten mit dem gültigen Register überein, und Atlans Unterzeichnungssymbol entsprach der derzeitigen C-Gruppe.
Tekener sah auf die Allzweckuhr. Sie zeigte den 27. Juli 2406 an. Er kontrollierte die automatischen Orter, überprüfte die Stromzuführung und sah sich dann mit Hilfe der Oberflächenaufnahme das ewige Eis des Planeten an.
Es war eine trostlose, luftleere Landschaft ohne Leben. Als er gehen wollte, um Ezcas Kochkünste zu würdigen, sprach die Positronik an. Auf dem Reliefschirm der überlichtschnellen Energieortung tauchte ein grüner Punkt auf.
Tekener brauchte nicht auf den Synchronschalter der Anflugauswertung zu drücken. Es geschah automatisch. Nach vier Sekunden lag die Auswertung vor.
Der geortete Flugkörper näherte sich mit nahezu lichtschneller Fahrt der Blase. Kurz zuvor war er aus dem Linearraum aufgetaucht.
Tekener tat das, was ihn berühmt gemacht hatte. Es war eine unterbewusste Reaktion auf Gefahren und Spannungsmomente. Er lächelte!
Für die Psychologen der USO war es vor Jahren eine Streitfrage gewesen, ob man dem Spezialisten diese Reaktion abgewöhnen sollte oder nicht. Dann aber war der Begriff »The Smiler« aufgekommen. Das Lächeln gehörte und passte zu Ronald Tekener wie die Lashat-Narben und seine versnobte Kleidung. Also hatte man ihn gewähren lassen.
Leute, die ihn genauer kannten, schätzten dieses Lächeln nicht. Es war kein Ausdruck der Freude oder des stillen Wohlbehagens, sondern eine sehr ernste Warnung. Oft bedeutete es den Tod.
Wenn sich Tekener tatsächlich amüsierte, dann grinste er in jungenhafter Manier. Das war etwas ganz anderes als dieses eigentümliche Lächeln, das sein Gesicht zur Maske machte und die blauen Augen in undefinierbarer Art kristallen wirken ließ.
Als er seine Waffe aufnahm, prüfend an die Kontrollen des Kampfanzuges griff und auf die Hermetikschleuse zuging, lächelte er immer noch. In der anderen Hand hielt er den Klarschriftstreifen mit dem ominösen Befehl.
So ging er; ein athletischer Mann von ein Meter einundneunzig, einhundertunddrei Kilogramm Gewicht, dreiunddreißig Jahre alt.
Sein Gang wirkte plötzlich katzenhaft geschmeidig. So ging er nur, wenn ihn seine ausgeprägten Instinkte zu diesem Lächeln zwangen. Er kam am Küchentrakt vorbei. Ezca schaute durch das Schott.
»He – wo wollen Sie hin? Ich habe den Sirup gefunden. He, warten Sie doch. Die Pfannkuchen sind fertig. Hallo, müssen Sie so unhöflich sein? Ich liebe keine unhöflichen Leute. Höflichkeit kostet nichts. He ...!«
Ronald Tekener blieb stehen. Der Mamphiner erschrak, als er in das vernarbte Gesicht sah.
»Sie – Sie sind plötzlich so anders. Eigentlich habe ich Sie ganz gerne, auch wenn Sie manchmal ...!«
»Ich verlasse den Stützpunkt«, unterbrach Tekener. »Bleibe hier, Junge. Alle Küchengeräte abschalten. In einer Minute fällt die Stromversorgung aus.«
»Was?«, schrillte das intelligente Vogelwesen. »Das wollen Sie mir antun? Und meine Pfannkuchen?«
»Ortungsgefahr. Ich möchte erst wissen, wer da ankommt. Also in einer Minute. Ich benutze den batteriegespeisten Notaufzug. Keine Streustrahlung erzeugen, verstehst du! Ich schalte den Reaktor von der Schleuse ab. Vielen Dank auch für die Pfannkuchen. Ich habe dich auch gern, Junge.«
Tekener strich dem nur ein Meter dreißig hohen Intelligenzwesen über den weichen Federkamm des Kopfes. Ezca stieß wimmernde Töne aus und umklammerte Tekeners Hand.
»Sie begeben sich in Gefahr, nicht wahr? Muss das sein? Warum essen Sie nicht lieber? Ich werde Sie verwöhnen. Leute meiner Art sind glücklich, wenn sie jemand verwöhnen können. «
»Jedem das Seine, Junge. Sei nun vernünftig und gehe in den Aufenthaltsraum. Es kann etwas lange dauern. Nochmals vielen Dank.«
»Ich möchte wissen, warum ich die Terraner so schätze«, klagte der Mamphiner. »Man lebt mit ihnen immer in Angst. Jetzt muss ich schon wieder Angst um einen haben. Heben Sie sich nur keinen Bruch, oder brechen Sie sich sonst nichts. Also Sie schalten wirklich ab?«
Tekener ging. Der Mamphiner sah ihm nach, bis er hinter einer Gangbiegung verschwand. Nach einer Minute verstummte das Rumoren der Umformerbank. Nur die batteriegespeiste Notbeleuchtung arbeitete noch.
Ezca vernahm das Surren des Lifts. Der stählerne Führungsschacht mündete auf der Oberfläche unter einem hervorragend getarnten Abwehrfort.
Auf einem Planeten mit einer Lufthülle wäre das schrille Pfeifen des Raketenprojektils nicht zu überhören gewesen. Hier war es lautlos.
Es peitschte in das kristallharte Eis, drang etwa einen halben Meter tief ein und explodierte. Auch das war nicht zu hören.
Die beiden Männer zuckten zusammen. Einer von ihnen griff blitzschnell zur Waffe, doch dicht über dem Griffstück schien seine Hand zu erstarren. Er schaute genau in eine unförmige Mündung. Letzte Flammen züngelten daraus hervor. Die Abgaslüftung war nicht sehr gut, vor allem nicht nach modernen Gesichtspunkten konstruiert.
Der zweite Mann starrte auf das riesige Loch, das sich im Eis gebildet hatte. Gedankenlos streifte er einige Splitter von seinem Raumanzug. Dann vernahmen beide eine tiefe, sonore Stimme. Abgesehen von einem warnenden Unterton klang sie fast einschmeichelnd.
»Eine Überraschung kommt selten allein. Bitte umdrehen und Helmarmaturenbeleuchtung einschalten. Ich finde fremde Gesichter faszinierend. Was ist ...!«
Beide Männer drehten sich um. Beide schalteten sie ihre Helmlampen ein. NAT-III war hinter dem Horizont verschwunden. Das Licht der Sterne reichte nicht aus, um die Fremden identifizieren zu können. Um so drohender wirkte der ausglühende Feuerschein in den Abgasöffnungen der Waffenmündung.
Der größere der beiden Männer erhob langsam die Hände. Seine Stimme klang ironisch, belustigt und resignierend zugleich.
»Nehmen Sie die Hände hoch, Doktor. Misstrauisch gewordene USO-Spezialisten sind gefährlicher als amoklaufende Neandertaler.«
»Er hat mich nur um Haaresbreite verfehlt!«, entgegnete der Kleinere tonlos.
»Das dürfte ein Irrtum sein. Ein erstklassiger Spezialist schießt niemals vorbei. Ich wäre Ihnen verbunden, Herr Oberstleutnant, wenn Sie endlich Ihre Deckung verließen. Kommen Sie bitte nicht auf den Gedanken, unser Landungsboot zu durchlöchern. Über dem Planeten steht eine solide USO-Korvette.«
Ein Lachen ertönte. Es brach ab. Die Szene war unwirklich, geisterhaft. Zwei menschliche Gesichter, nur schwach beleuchtet, schienen körperlos in der Finsternis zu schweben.
»Wie hieß das Flaggschiff des Arkonidenadmirals Atlan? Wie groß war es; wie lautete der Name des Kommandanten?«
»Antworten Sie lieber!«, bat der Mann, der mit »Doktor« angesprochen worden war. »Ich weiß es leider nicht. Himmel, dieser Mensch hat Nerven.«
»Das setze ich voraus. Hier die Daten, Mr. Tekener: Schlachtschiff TOSOMA, Kugelbauweise, achthundert Meter Durchmesser, Kommandant war Kapitän Tarts. Sind Sie nun davon überzeugt, es tatsächlich mit Ihrem geplagten Chef zu tun zu haben?«
Wieder ein Lachen; die drohende Waffenmündung verschwand.
»Endlich!«, seufzte der kleinere der Besucher. »Seltsame Gewohnheiten haben Sie.«
»Machen Sie es sich bequem, Doktor, und nehmen Sie den Hut ab«, erklang die sonore Stimme aus den Helmlautsprechern.
Atlan schmunzelte. Er schaltete die Innenbeleuchtung aus, kniff die Augen zusammen und sah der näher kommenden Gestalt entgegen. Sie war nur schattenhaft erkennbar.
»Provozieren Sie meine Gäste nicht zum Selbstmord, Tekener.«
»Diesmal fehlt das ›Mister‹, Sir.«
»Jemand, der zentimeterbreit an meiner Brust vorbeischießt, sollte noch ganz anders angesprochen werden. Schön, Sie haben dem Befehl also nicht getraut und kontrollieren wollen, wer eigentlich ankommt.«
»Genau, Sir.«
»Ich hätte daran denken sollen. Aber lassen wir das. Ich darf Ihnen Dr. Nayl Flachtrun vorstellen.«
»Angenehm, oder vielleicht angenehm, verzeihen Sie«, erwiderte der hochgewachsene Mann, der nun bei seinen Besuchern angelangt war.
Atlan unterdrückte ein Auflachen. Tekener hatte sich nicht verändert.
»Dr. Flachtrun ist Kybernetiker mit beratender Funktion im Bereich der Solaren Abwehr.«
»Phantastisch! Wer hat Ihnen diesen Raumanzug geliehen, Doc? Der Mann war nicht Ihr Freund.«
Der Wissenschaftler sah verwirrt an der für ihn viel zu weiten Kombination hinab. Sie schlotterte um seine dürren Glieder.
»Sie sagen den Leuten wohl immer die Wahrheit ins Gesicht, wie? Psychologisch betrachtet, halte ich das für gefährlich. Man macht sich unnötige Feinde.«
»Das gehört zu meinem Image, Doc«, entgegnete Tekener trocken.
»Darf ich nun bitten? Der Eingang zur Blase liegt weiter rechts. Nein, ich sagte nach rechts, Doktor. Dort, wo Sie hinlaufen wollen, beginnt das Ende dieser Welt. Auf Ihrem Energietornister liegt ein faustgroßer Eisbrocken. Wenn ich mir erlauben dürfte ...!«
Tekener streckte die Hand aus und entfernte das störende Objekt. Atlan beobachtete ihn so scharf, wie es in der Finsternis möglich war.
»Kaltschnäuzig, arrogant und zynisch, wie erwünscht«, stellte der Lordadmiral der USO fest. »Sehr schön, mein Bester. Sie haben Ihre Rolle als Lebenselixier übernommen. Nun aber Tempo. Meine Zeit ist begrenzt. Sind Sie von dem Mamphiner gut versorgt worden?«
Tekener runzelte die Stirn.
»Oh, er ist also direkt von Ihnen geschickt worden. Mir scheint, als hätten Sie mir keine Befehle zu erteilen, sondern eine Offenbarung zu machen. Weshalb die Umstände, Sir?«
»Wappnen Sie sich mit Geduld und Selbstvertrauen. Wo ist nun die Luftschleuse?«
*
Es geschah selten, dass ein Spezialist wie Oberstleutnant Ronald Tekener fassungslos und überdies noch verstört war. Diesmal war er es.
Ezca hantierte in der Küche. Die Schotte standen offen. Tekener, Atlan und der Kybernetiker der SolAb befanden sich im Informationszentrum der Blase.
Links der Sitzreihen summte ein Rechengehirn. Es war von Dr. Flachtrun mit neuen Daten gefüttert worden. Tekener achtete nicht darauf, er starrte zu dem großen Bildschirm hinüber, auf dem eine junge dunkelhaarige Frau von herber Schönheit zu sehen war.
»Irna Irsata, Ihre Ehefrau«, drang Atlans Stimme durch die Dämmerung. »Wie gefällt sie Ihnen?«
»Ich suche nach Worten. Sagten Sie Ehefrau?«
»Natürlich. Dr. Flachtrun wird Ihnen erstklassige Heiratsurkunden überreichen. Wenn auf Lepso Dokumente als unbedingt stichhaltig anerkannt werden, dann sind es terranische Papiere. Sie haben demnach vor zwei Jahren in aller Stille geheiratet und lieben Ihre Gattin nahezu abgöttisch. Es tut dabei nichts zur Sache, dass Sie ständig unterwegs sind und Ihre Frau vernachlässigen. Das passt zu Ihrer Rolle.«
Tekener kniff die Augen zusammen und atmete tief ein.
»Ist Ihnen jetzt besser?«, erkundigte sich Atlan.
»Nein, Sir. Haben Sie noch mehr Überraschungen?«
»O ja, deshalb bin ich gekommen. Ein Mann Ihrer Art wird natürlich niemals im gewohnten Sinne eifersüchtig sein. Die Verbindung Ihrer Gattin zu einem Generalzahlmeister des Imperiums ...«
»Bitte ...?«
»Unterbrechen Sie mich nicht ständig. Dies ist ein Befehlsempfang. Meine Erklärungen haben für Sie nur imaginäre Bedeutung. Ihre angebliche Gattin hat es also vorgezogen, Sie zu verlassen. Der Generalzahlmeister Nurat Sasiner, bislang verantwortlich für die Flottenfinanzen im Wega-System, ist im Verlauf der Rayan-Homend-Affäre festgenommen worden. Sasiner stand mit dem entflohenen Administrator in Verbindung. Er brachte etwa fünf Milliarden Duplo-Noten in Umlauf.«
»Großer Jupiter!«, seufzte Tekener. »Und ausgerechnet mit ihm hat mich meine liebe Frau betrogen. Erschreckend.«
Atlan lachte unterdrückt.
»Sie erfassen allmählich die Situation. Sie ist etwas kompliziert. Ihre Jagd nach Rayan Homend tritt damit in ein neues Stadium. Bitte umblenden, Doc.«
Ein neues Bild erschien. Es zeigte die junge Frau mit einem älteren, untersetzten Mann in der Uniform der Flotte.
»Sasiner mit Ihrer Frau. Bitte weiter, Doc.«
Der Film lief ab. Er zeigte den verhafteten Generalzahlmeister bei verschiedenen Beschäftigungen.
»Fällt Ihnen etwas auf, Mr. Tekener?«
Tekener kniff die Augen zusammen.
»Eigentlich nichts, bis auf die Tatsache, dass sich Ihr Häftling ziemlich frei bewegt.«
Atlan und der Kybernetiker tauschten einen Blick.
»Vielen Dank für das Kompliment«, erklärte Dr. Flachtrun. »Sie sehen eine Robotkopie.«
»Donnerwetter!«
»Erstklassige Arbeit«, bestätigte Atlan und lehnte sich im Sessel zurück. »Für Sie kommt es nun darauf an, diesen Roboter so blitzschnell und so exakt zu ›erschießen‹, dass er nicht mehr als Robot identifiziert werden kann. Dr. Flachtrun wird Ihnen erklären, warum von einem Mann, der einen hochenergetischen Schirmfeldprojektor in der Gürteltasche trägt, nur noch Gase übrigbleiben, wenn man ihn unglücklicherweise in Höhe besagter Schnalle trifft. Sie werden einen Thermostrahler verwenden. Der Robot muss aufgelöst werden. Ist das ganz klar?«
»Es wird vor meinem geistigen Auge immer dunkler«, beschwerte sich Tekener. »Ich glaube nun zu wissen, was die Condos Vasac ist. Mir ist auch bewusst, was der Diebstahl der Auslasserkopie bedeutet. Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir der Sache nachgehen müssen. Die Transformkanone in den Händen unbekannter Machthaber ist als Katastrophenfall Nummer eins zu bewerten. Bis dahin gibt es für mich keine Rätsel. Alle anderen Erklärungen wirken jedoch auf mein Gehirn wie eine Halbnarkose. Was ist eigentlich los, Sir? Weshalb die vorgetäuschte Heirat? Was hat die Vernichtung des Roboters zu bedeuten?«
Atlan legte die Fingerspitzen zusammen und sah ausdruckslos darauf nieder. Als er sprach, ahnte Tekener, dass einer der gefährlichsten Einsätze seines Lebens bevorstand.
»Herr Oberstleutnant, Ihr Ruf als Abenteurer, niemals zu überführender Bösewicht, Schwarzhändler in Großformat und was der unschönen Dinge mehr sind, ist etwas ins Wanken geraten. Auf Lepso gibt es einen neuen Geheimdienstchef.«
Tekener rührte sich nicht. Atlan fuhr unbewegt fort.
»Sein Name ist Ehret Jammun. Er stammt aus einer Verbindung zwischen einem akonischen Handelsattaché und der vierten Tochter des Galaktischen Springers Hossas Nouv. Jammun ist der gefährlichste Mann, der jemals der berüchtigten Geheimpolizei von Lepso, dem so genannten ›Staatlichen Wohlfahrtsdienst‹ vorgestanden hat. Gerade ihm sind Sie bei Ihren letzten Auftritten wohl etwas zu harmlos erschienen. Er vermisst bei Ihnen vor allem die gewisse Brutalität, die man Ihnen andichtet. Einem Ehret Jammun kann man nicht nur mit geschickt gesteuerten Erzählungen imponieren. Kurz: Es wird für Sie höchste Zeit, unserem gefährlichsten Gegner auf Lepso zu beweisen, dass Sie durchaus der elegante, niemals zu fassende Unhold sind, zu dem wir Sie mit beachtlichen Geldmitteln und Mühen gemacht haben.«
»Ich verstehe!«
»Das freut mich. Einen Ehret Jammun würden Sie im höchsten Grade argwöhnisch machen, wenn Sie sich von Ihrer ungetreuen Ehefrau wie ein normaler Mensch scheiden ließen. Er würde es auch nicht akzeptieren, wenn Sie dem neuen Begleiter Ihrer Gattin, also unserem ehrenwerten Freund Nurat Sasiner, lediglich einen Blick der Verachtung zuwürfen. Das entspräche nicht Ihrem Ruf. Der berühmte ›Smiler‹ muss ganz anders reagieren. Also werden Sie den Geheimdienst von Lepso bestechen, einige Zeugen kaufen, ins Kasino gehen und dort den Roboter vernichten. Jammun wird Sie anschließend für durchaus echt halten; echt im Sinne Ihrer Einsatzrolle.«
Tekener hüstelte. Er sah noch allerlei auf sich zukommen.
»Woher stammen Ihre Informationen? Ich kenne Jammun, aber ich hatte nicht den Eindruck, als würde er mich für einen anständigen Menschen halten.«