Auf dem Parkett - Enrico Brissa - E-Book
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Auf dem Parkett E-Book

Enrico Brissa

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Beschreibung

Ein Plädoyer für die schönen Künste der Höflichkeit

Wie bringt man einen Toast aus? Wie entschuldigt man sich stilvoll? Wie lernt man, mit Komplimenten umzugehen? Viele von uns spüren eine Verunsicherung, was die Formen des Umgangs mit unseren Mitmenschen angeht. Enrico Brissa, langjähriger Protokollchef, will mit seinem „Kleinen Handbuch des weltläufigen Benehmens“ Abhilfe schaffen.

In Stichworten von „Pünktlichkeit“ bis „Protokoll“, von „Absage“ bis „Zeremoniell“, von „Knicks“ bis „Rücksicht“ legt er ein unterhaltsames wie lehrreiches Kompendium des sozialen Miteinanders vor – dabei geht es weniger um die korrekte Ausübung äußerlicher Verhaltensweisen, sondern vielmehr um eine Art innere Kultiviertheit, eine Haltung und einen Stil im zwischenmenschlichen Umgang. Denn nur wer die Regeln kennt, kann mit ihnen souverän umgehen.

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Zum Buch

Wie bringt man einen Toast aus? Wie bittet man stilvoll um Entschuldigung? Wann ist ein Kompliment angemessen? Viele von uns spüren eine Verunsicherung, was die Formen des Umgangs mit unseren Mitmenschen angeht. Enrico Brissa, langjähriger Protokollchef, will mit seinem »Kleinen Handbuch des weltläufigen Benehmens« Abhilfe schaffen.

In Stichworten von »Protokoll« bis »Pünktlichkeit«, von »Absage« bis »Zeremoniell«, von »Knicks« bis »Rücksicht« legt er ein unterhaltsames wie lehrreiches Kompendium des sozialen Miteinanders vor – dabei geht es weniger um die korrekte Ausübung äußerlicher Verhaltensweisen, sondern vielmehr um eine Art innere Kultiviertheit, eine Haltung und einen Stil im zwischenmenschlichen Umgang. Denn nur wer die Regeln kennt, kann mit ihnen souverän umgehen.

Zum Autor

Enrico Brissa, Sohn eines Italieners und einer Deutschen, wurde 1971 in Heidelberg geboren. Der promovierte Jurist arbeitete u. a. in der Verwaltung des Deutschen Bundestages, bevor er 2011 ins Bundespräsidialamt wechselte, wo er als Protokollchef der Bundespräsidenten Wulff und Gauck tätig war. Seit 2016 leitet er das Protokoll beim Deutschen Bundestag. Daneben unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der Juristischen Fakultät der Universität Jena.

Enrico Brissa

AUF DEM PARKETT

Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens

Mit Illustrationen von Birgit Schössow

Siedler

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.Zitate auf den Seiten 34 und 208 aus:

Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.

Gesammelte Werke in dreizehn Bänden. Band VII.

© S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1960, 1974.

Copyright © 2017 Siedler Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Birgit Schössow

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN 978-3-641-22184-3V002www.siedler-verlag.de

Das Leben ist kurz, aber manhat immer Zeit für Höflichkeit.Ralph Waldo EmersonManieren sind ja auch Lüge, aber angenehmer als »Hoppla«.Fritz J. Raddatz

INHALT

VORWORT

LITERATURVERZEICHNIS

DANKSAGUNG

REGISTER

INHALT DES HANDBUCHS

A

Abendland

Ablauf

Absage

Adel

Agrément

Aide-de-camp

Akkolade

Akkreditierung

Anciennität

Ankündigung

Anrede

Antrittsbesuch

Antwort

Anzug

Aperitif

Arm anbieten

Audienz

Aufmerksamkeit

Aufstehen

B

Ball

Bankett

Begrüßung

Bekanntmachung

Besteck

Besuch

Bezahlen

Billet

Blumen

Bunte Reihe

C

Chef des Protokolls

Cocktailparty

Cutaway coat (Cut)

D

Dame

Dank

Defilee

Delegation

Distinktion

Drucksachen

Du

E

Ehrenplatz

Einladung

Einzug

E-Mail

Eminenz

Entschuldigung

Ereignis

Eskorte

Essen

Etikette

Exzellenz

F

Fauxpas

First Lady

Flagge

Frack

Friedrich der Große

G

Gast und Gastgeber

Geschenke

Geschmack

Geste

Großzügigkeit

H

Haltung

Hand

Handschuhe

Handy

Herr

Hof

Höflichkeit

Hofnarr

Hosenanzug

Hut

Hymne

K

Kaugummi

Kirchen

Kleid

Kleidung

Kleidungsempfehlungen

Knicks

Kniefall

Kompliment

Komplimentkarte

Konversation

Korrespondenz

Kostüm

Krawatte

Kuss

M

Majestät

Majordomus

Manieren

Matinee

Mottoparty

N

Nähkästchen

Nase

Nebenessen

Neujahrsempfang

Neureich

O

Oper

Orden

P

Parkett

Partner

Personal

Placement

Protokoll

Pünktlichkeit

R

Rang

Raus-wie-rein-Grundsatz

Receiving line

Respekt

Restaurant

Ritual

Roter Teppich

Rücksicht

S

Schleier

Schloss Bellevue

Schuhe

Sekt

Selbsteinladung

Serviette

Smoking

Soiree

Soziale Netzwerke

Spalier

Staatsbesuch

Staatsgeschirr

Standarte

Straßenverkehr

Strümpfe

Symbol

T

Tafel

Tafelmusik

Tanz

Taschentuch

Tête-à-Tête

Tischführkarte

Tischsitten

Toast

Türe

Turning the table

U

Übergangsriten

V

Verabschiedung

Verbeugung

Villa Hammerschmidt

Visitenkarte

Vorausreise

Vorfahrt

Vorstellung

Vortritt

W

Wagen

Wein

Z

Zeremoniell

Zurückhaltung

VORWORT

Wenn es um Manieren geht, hat wohl jeder von uns unvergessliche Erfahrungen gesammelt. Ich erinnere mich gut an die harte Schule meiner italienischen Familie, besonders an meine Großtanten. Aus der Normalität meiner süddeutschen Kindheit kommend, tauchte ich in unserem alten Familienhaus im Piemont regelmäßig in eine Welt von Gestern ein. Das lag nicht nur an all den alten Bildern, Büchern und anderen Zeugnissen der Vergangenheit, die das Haus beherbergte. Hier herrschte auch ein strenges Regiment.

Es war jedenfalls ratsam, sich schon auf der Autofahrt die Namen und korrekten Begrüßungsformeln für die Mitglieder meiner nicht gerade kleinen Familie einzuprägen. Außerdem die wichtigsten Regeln, also diejenigen, deren Nichtbefolgung geahndet wurde. Meine Großtanten legten etwa Wert darauf, dass ich sie mit »Zia« (Tante) plus der Koseform des Vornamens anredete und anschließend küsste. Gerne wurde ich hierbei in die Wange gekniffen. Meinen Großonkel Dino durfte ich schon als Junge nicht mehr küssen. Er verkündete, ich sei nun groß genug, um ihn – sozusagen von Mann zu Mann – mit einem Handschlag zu begrüßen.

Die gemeinsamen Essen fanden oft in einem festlichen Rahmen statt. Ich kann mich nicht daran erinnern, ob sie mir als kleiner Junge Spaß gemacht haben. Wahrscheinlich nicht, weil meist nur die Erwachsenen sprachen. Wir Kinder ersehnten deshalb die Erlaubnis, aufstehen zu dürfen. Dafür habe ich dort Tischsitten gelernt. Der Ton meiner Großtanten war hierbei nicht so verständnisvoll und freundlich wie in einer Berliner Kita. Den Käse habe ich deshalb nur einmal falsch abgeschnitten. Und nur einmal habe ich die Flasche beim Nachschenken falsch gehalten.

Als Kind war mir nicht bewusst, dass bei all dieser Strenge das Einhalten der Regeln kein Selbstzweck war. Sondern auch ein Zeichen von Achtsamkeit und Respekt. Die Regeln, so harsch ich sie auch empfunden habe, gaben mir Halt. Und sie halfen mir auch, eine bestimmte Haltung zu entwickeln, die von Höflichkeit und Rücksicht geprägt ist.

Die Großtanten-Zeiten von Sitte und Anstand sind vorbei (auch in meiner Familie herrschen zeitgemäßere Umgangsformen). Und doch haben mich diese Erfahrungen geprägt. Seit ich im Protokoll arbeite, fällt mir auf, dass viele Menschen, was Umgangsformen und gutes Benehmen angeht, eine große Verunsicherung spüren. Oft werde ich um Rat gefragt, etwa wie man sich an einer großen Tafel verhält oder jemanden korrekt begrüßt. Ich konnte Damen und Herren beobachten, die schon mit einem etwas förmlichen Abendessen derart überfordert waren, dass sie den Abend gar nicht mehr genießen konnten. Oder sie waren so verunsichert, wie sie hochgestellten Persönlichkeiten begegnen sollten, dass der Zweck der Begegnung – ein möglichst barrierefreier Austausch – ein Stück weit gefährdet war.

Im Privaten sieht es nicht anders aus. Dabei scheint es mir, dass die Formen und Regeln des Umgangs, die Gebräuche, Rituale und Symbole menschlichen Benehmens oft nicht mehr präsent sind. Die Unsicherheit ist entsprechend groß. Hat es damit zu tun, dass wir uns in den letzten Jahrzehnten angewöhnt haben, Regeln generell misstrauisch zu begegnen? Man kann ja Regeln in Frage stellen, manchmal zu Recht. Was aber, wenn sie schon gar nicht mehr bekannt sind?

Ich muss dabei an den Jurastudenten denken, der sich mit einer blitzschnellen Bewegung den Knödel, der auf dem Teller seines neben ihm sitzenden Professors verblieben war, wortlos aufspießte und verschlang. Kein Witz, sondern die Realität an einer altehrwürdigen deutschen Fakultät. Oder an die junge Amerikanerin, die den Frühstücksraum eines Hotels in einem – freilich eleganten – Pyjama betrat. Nebst Kopfhörern und Smartphone, dauerhaft telefonierend. Oder an den verspäteten Gast, der sich nicht an die Kleidungsempfehlungen hält, das Geschenk vergessen hat, bei Tisch raucht, in eine kostbare Silberschale ascht, sich mit dem Fischmesser eine Butterstulle schmiert, reinbeißt, den Rest auf den Brotteller des Tischnachbarn legt, die Gabel in der rechten Hand hält, mit dem Besteck rumfuchtelt, um seinen Worten größeren Nachdruck zu verleihen, das Messer ableckt, ohne Punkt und Komma spricht und am Ende als Letzter geht.

Dies mögen Extremfälle sein, und die meisten von uns würden sich niemals so rücksichtslos verhalten. Und dennoch ist unser Alltag voller Egos und Rempler. Ob in der Bahn, beim Einkauf oder im Sportstudio. Dies sind auch Zeichen dafür, dass wir uns immer weniger auf die Geltung eines Kodex von Umgangsformen verlassen können. Warum spüren viele von uns diese Unsicherheit, warum sind die Selbstverständlichkeiten im Umgang miteinander verloren gegangen?

Mir scheint, dies hat auch mit den Folgen zu tun, die eine globalisierte Welt und besonders die digitale Revolution für unsere Umgangsformen hat. Mit der Globalisierung geht ein beträchtlicher Konformitäts- und Anpassungsdruck einher, manche kulturellen Eigenheiten und Sicherheiten gehen verloren. Vieles in unserem Leben ist weniger berechenbar als noch vor einigen Jahren. In dem Maße, wie sich unsere Arbeitswelt immer schneller wandelt, sind wir zudem gezwungen, ständig neuen beruflichen Anforderungen zu genügen. Und uns auf neue Menschen einzustellen. Andernorts mag ein anderer Ton herrschen und es mögen andere Regeln des Miteinanders gelten. Zugleich scheint unser Leben deutlich weniger in soziale Strukturen eingebunden zu sein, ob Familie, Kirchen, Vereine oder Parteien. Wir bekommen immer weniger soziales Feedback und sind zunehmend auf uns selbst bezogen (»Mein Handy und ich«). Wie aber sollen wir ein Gespür für den Umgang mit anderen Menschen entwickeln, wenn es – außerhalb des Berufes – immer weniger Erfahrungen in einer Gruppe gibt?

Dazu ist es die Digitalisierung, die uns und unser Verhalten grundlegend ändert. Und die zu ebenjener Verunsicherung beiträgt. Die Rationalisierung der Kommunikation führt zu einer Datenflut, die uns analoge Nutzer überfordert. Wir wissen oftmals nicht mehr, wie wir die Masse an Informationen und Nachrichten bewältigen sollen. Die wachsenden Speicher der Smartphones sind immer rascher gefüllt, der Alltag ist geprägt von ungezählten E-Mails, SMSen, WhatsApp-Nachrichten, Tweets, Eilmeldungen, Posts und vielem mehr. Oft können wir uns nicht mehr genau erinnern, wem wir wann etwas geschrieben, oder wann wir von wem etwas erhalten haben. Viele Menschen lesen eingehende Nachrichten schon gar nicht mehr, ganz davon zu schweigen, dass sie darauf antworten. Ohne Suchfunktionen wären wir aufgeschmissen. Vielen von uns fehlt die Zeit, die Ruhe und der Überblick, um unsere Art des Umgangs mit anderen souverän und angemessen zu gestalten. Die Welt wird immer kleiner, aber auch immer komplizierter. Wenn sich Menschen aber zunehmend als Objekte der Tools und Apps empfinden, ist ein würdiger Umgang miteinander fast unmöglich. Zudem kommt die digitale Kommunikation weniger persönlich und verbindlich daher. Statt anzurufen, sagt man lieber schnell per WhatsApp ab.

Nach meinem Eindruck ist die Verunsicherung in Deutschland besonders ausgeprägt. Wirken hier die vielen historischen Zäsuren und gesellschaftlichen Umbrüche der jüngeren Geschichte, die so manche vermeintliche Gewissheit hinweggespült haben, in unserem Alltag nach?

Umgangsformen dienen bestimmten gesellschaftlichen Gruppen und sozialen Schichten immer auch zur Abgrenzung. In Deutschland ist dieses Phänomen allerdings weniger ausgeprägt als anderswo. Rigide Verhaltensnormen gehörten nicht gerade zum Selbstverständnis unserer Nachkriegsgesellschaft. Aufstieg durch Leistung – daswar das Gründungsversprechen der jungen Bundesrepublik, wobei, zumindest dem Anspruch nach, die Herkunft eine untergeordnete Rolle spielen sollte. Manieren als Teil von Klassenidentitäten waren mit diesem Anspruch jedenfalls nicht vereinbar.

Oder kann man gar noch einen weiteren Schritt zurückgehen, zur deutschen Romantik, die mit ihrer Gesellschaftskritik und Weltflucht zu einer Relativierung sozialer Normen geführt hatte? Das berauschte »Genie« entzog sich schließlich den Regeln der Gesellschaft.

»Auf dem Parkett« möchte ein Plädoyer für die schönen Künste der Höflichkeit sein. Es möchte dazu beitragen, das Bewusstsein für die Umgangsformen – und damit für einen zentralen Aspekt der Lebenskunst – zu stärken. Dabei ist die Form kein Selbstzweck, es geht also nicht per se um ein formvollendetes Auftreten und Handeln. Sondern vor allem um eine Haltung, die auf Rücksicht, Respekt und Aufmerksamkeit gründet. Ich möchte keine antiquierten Vorstellungen von Benimm wiederbeleben und die Höflichkeit um ihrer selbst willen retten. Umgangsformen sind einem kontinuierlichen Wandel unterworfen, nicht zuletzt im Verhältnis zwischen Dame und Herr. Jede Zeit hat ihre eigenen Umgangsformen. Das Buch soll in diesem Sinne dabei helfen, dass wir wieder mehr Wert auf ein achtsames Miteinander legen.

»Auf dem Parkett« fasst einige für den Umgang nützliche Regeln zusammen. Im Übrigen verzichte ich darauf, die Leserinnen und Leser mit einer Sammlung von »Mikro«-Etikette-Vorschriften zu langweilen. Der Mensch ist kein Computer. Es ergibt keinen Sinn, sich alle Aspekte korrekten Benehmens zu merken, um dann – sozusagen algorithmisch – entsprechend zu handeln. Kleinteilige Verhaltensregeln, die mit einer Pseudo-Autorität fixieren, dass »man« so und nicht anders isst oder dieses oder jenes trinkt oder nur auf eine bestimmte Weise hustet oder niest, enden in einem Normendschungel. Einem Netz, in dem man sich unweigerlich verheddert.

Sinnvoller scheint mir, sich mit den Grundlagen menschlichen Verhaltens und Miteinanders vertraut zu machen. Werden diese dann noch durch eine aufmerksame Beobachtung des Alltags und eine rücksichtsvolle Haltung ergänzt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Wenn wir uns dabei mit unserer eigenen Kultur vertraut machen und über ein Verständnis für die eigenen sozialen Normen verfügen, werden wir es im täglichen Umgang mit anderen Verhaltenskodizes sicher leichter haben. Nicht, weil wir die anderen Regeln kennen, sondern weil wir ein Gespür für den Wert dieser Normierungen entwickelt haben.

Von jeher ist das menschliche Verhalten Gegenstand intensiver Betrachtung. Es gibt einen breiten Fundus historischer Quellen und Darstellungen der Beschreibung und Regelung von Umgangsformen. Das reicht von den altägyptischen Schriften und konfuzianischen Riten über das »Zeremonienbuch« des byzantinischen Kaisers Konstantin VII. Porphyrogennetos (die wohl älteste systematische Abhandlung protokollarischer Fragen) bis hin zur höfischen Kultur Japans oder Europas oder den vielen Benimmbüchern der letzten 200 Jahre.

Viele der neueren Werke sind ausdrücklich und ausschließlich den Umgangsformen gewidmet. Manche Autoren haben es sogar zu einiger Berühmtheit gebracht, man denke an Adolph Freiherr Knigge, Erica Pappritz, Emily Post, Amy Vanderbilt, Letitia Baldrige und zuletzt Asfa-Wossen Asserate. Die Namen Knigge, Pappritz und Post sind gar zu einem Synonym für gute Manieren geworden. Im Falle von Knigge völlig zu Unrecht, da sich dieser Aufklärer höchstens am Rande mit Fragen des Benehmens beschäftigt. Dabei hat Gegenwartsliteratur zur Höflichkeit, Etikette und Manieren in Deutschland einen eher schlechten Ruf. »Benimmbüchern« und »Anstandsliteratur« scheint etwas Antiquiertes anzuhaften: überflüssig, banal, ein alter Zopf.

Das vorliegende Buch verfolgt einen anderen Ansatz. Mir geht es im Gegensatz zu den meisten der genannten Autoren nicht um die strenge Befolgung von Regeln, es kommt mir viel eher darauf an, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie wir mit den Regeln souverän umgehen können.

Weil die Umgangsformen und das Protokoll untrennbar miteinander verwoben sind, beziehe ich zudem die Welt des Protokolls und Zeremoniells in meine Betrachtungen ein. Diese Verbindung ist nicht nur historischer Natur, sie wirkt bis heute fort. Gerade bei protokollarischen Ereignissen kommt es in besonderer Weise auf ein weltläufiges Benehmen an. Andererseits sind auch im Privaten viele Vorstellungen eines angenehmen Miteinanders von Normierungen im öffentlichen Raum geprägt. In abgewandelter Form leben zahlreiche vormals höfische Usancen in unserem egalitären, modernen Privatleben fort. Es genügt ein Blick auf die Ursprünge zahlreicher Riten und Symbole, etwa bei Tischsitten und Besuchen.

Aus dieser Nähe zur Welt des Protokolls und der Diplomatie ergibt sich auch, dass sich die begrifflichen Erläuterungen dessen, was im Privaten comme il faut ist, oftmals eher an traditionellen Vorstellungen orientieren und nicht an anderen Soziotopen, etwa der Lebenswelt von Berlin-Mitte-Hipstern oder der Freiburger alternativen Szene, um nur zwei markante Milieus herauszugreifen. Allen Hipstern sei im Übrigen der kurz nach dem Ersten Weltkrieg verfasste Rat des Dadaisten Walter Serner ans Herz gelegt, der erstaunlich aktuell wirkt: »Die Mode der schwarzen Hornbrillen, welche der Funktion obliegen, Geist anzuschminken, steht durchaus neben jenen Vollbärten, die aus dreißigjährigen Halunken fünfzigjährige Respektspersonen machen. Verzichte auf solche Kindereien, welche dir weniger Vertrauen eintragen als eine gut gewählte und raffinierte Krawatte.«

Oldschool wird in diesem Kontext also positiv verstanden. Als gute Grundlage für eine individuelle Adaption, die der Haltung des Einzelnen gerecht wird. Denn es steht natürlich jedem frei, sich nach den Vorstellungen eines gesellschaftlichen Comments zu richten, oder aber nicht.

Wir alle müssen täglich unzählige Male entscheiden, wie wir uns in welcher Rolle und Funktion verhalten. Wir sind eben vieles in einem. Ein schönes Beispiel ist der Twitter-Account »@POTUS44 (President of the United States): Barack Obama, Dad, husband, President, citizen«.

Obwohl unsere plurale und tolerante Gesellschaft mit Sanktionen zurückhaltend geworden ist, sollte man nicht dem Trugschluss erliegen, dass Normverletzungen nicht mehr geahndet würden. Die Wahrnehmung, Kommentierung und Sanktionierung des Verhaltens anderer gehört nach wie vor zum Kernbereich sozialer Kommunikation. Auch die kleinste gestische Reaktion, etwa die sprichwörtlich hochgezogene Augenbraue, hat im Einzelfall eine beträchtliche diskreditierende Kraft. Der Ruf eines jeden gesellschaftlichen Akteurs ist bekanntermaßen sein soziales Kapital, das es gegen eine stückweise Aufzehrung zu bewahren gilt.

Gute Umgangsformen sind also essentiell. Sie sind ein hartes Auswahlkriterium. Im Job, aber auch im Privaten. Das Besondere bei dieser Auswahl ist, dass sie meist im Verborgenen geschieht. Anders als vor einem Berliner Club bekommt der Abgewiesene hier oftmals gar nicht mit, welche Tür ihm verschlossen bleibt. Sich mit zwischenmenschlichem Verhalten zu beschäftigen und sein eigenes Benehmen zu reflektieren, lohnt sich also immer. Ich möchte mit diesem Buch dazu beitragen, dass es in unserem Leben möglichst wenige geschlossene Türen gibt.

»Auf dem Parkett« beschränkt sich darauf, einige für das weltläufige Benehmen maßgebliche Grundlagen und Zusammenhänge in Form eines alphabetischen Nachschlagewerkes aufzuzeigen. Für die vielfältigen Lebensbereiche steht ergänzend ein großes Repertoire an spezieller Literatur zur Verfügung. Diesem Gedanken folgend, bleibt etwa der gesamte Komplex »Tod und Trauer« ausgespart.

Es werden 150 Begriffe erläutert, von Abendland bis Zurückhaltung. Diese lassen sich grob in vier Gruppen einteilen. Die erste besteht aus grundlegenden Begriffen (etwa Dame, Etikette, Protokoll, Ritual, Rücksicht, Symbol oder Zurückhaltung). In der zweiten und größten Gruppe sind die Stichworte zusammengefasst, die die vielfältigen Formen von Kommunikation im gesellschaftlichen Leben umschreiben (hierzu zählen u. a. Absage, Anrede, Antwort, Begrüßung, Bekanntmachung, Tanz, Verabschiedung oder Vorstellung). Die dritte Gruppe bilden die Begriffe aus der Welt des Protokolls und des Zeremoniells (etwa Ablauf, Audienz, Bankett, Defilee, First Lady, Flagge, Hymne, Orden, Placement, Rang, Roter Teppich, Schloss Bellevue und Staatsbesuch). Essen und Trinken nehmen einen wichtigen Platz auf dem Parkett ein. Ihnen ist mit Aperitif, Essen, Serviette, Tafel, Tafelmusik, Tischsitten, Toast, Turning the table, Wein und weiteren Stichworten die vierte Gruppe gewidmet.

Zum besseren Verständnis sind Verweise auf andere Begriffe farblich kenntlich gemacht. Im Übrigen wird auf das Register verwiesen. Zu Gunsten der Lesbarkeit habe ich darauf verzichtet, Angaben zur Literatur in den Text aufzunehmen. Diese sind im Literaturverzeichnis zusammengefasst.

Ich hoffe, die Leserinnen und Leser auf diese Weise für die schönen Künste der Höflichkeit zu begeistern und freue mich über Anmerkungen, Hinweise und Korrekturen.

Enrico Brissa, im März 2018

A

ABENDLAND

Dass mit der Sonne und dem beklagten Sittenverfall im Schutze der Dunkelheit gleich das ganze A. untergeht, ist genauso zweifelhaft wie das Lamento, die Unterschiede zum islamisch und griechisch-orthodoxen Morgenland würden sich allmählich auflösen. In jüngerer Zeit ist von einer angeblichen »Islamisierung« des A. die Rede – ein fataler Missbrauch des Begriffs.

Jedenfalls ist das A. ein – zumeist mit dem Adjektiv christlich versehener – Teil Westeuropas, der als Herkunftsort der Beobachtungen und Empfehlungen gelten mag, die in diesem Handbuch versammelt sind. Das A. ist unser gemeinsames, sich aber auch stetig wandelndes kulturelles Fundament. Das Motto der Europäischen Union »In varietate concordia« fasst dies prägnant zusammen (→ Symbol). Die Vielfalt der »westlichen Welt« bringt dabei ebenso vielfältige Verhaltensnormen mit sich (→ Manieren; Protokoll).

ABLAUF

Eine Art Regieanweisung des Protokolls, damit die Ausgestaltung von Ereignissen einer strengen Ordnung folgt (→ Zeremoniell). Dass es nicht »Ablaufplan« heißt, weist auf den protokollarischen Imperativ hin. Früher sprach man von »Hof-Ansage«, »Reglement« oder »Ceremonial«.

Doch widersetzt sich die Realität regelmäßig diesem Befehl. Durch das Verhalten der Beteiligten, durch technisches Versagen – etwa steckenbleibende Aufzüge – und andere Überraschungen. So gesellen sich immer wieder Unbekannte zu den für ein sog. Familienfoto aufgereihten Regierungschefs, wo sie erstmal gar nicht auffallen. Unvergessen – aber nicht für alle damals im Schloss Bellevue Beteiligten komisch – ist auch der Auftritt des als Königin Beatrix verkleideten Hape Kerkeling 1991 (»Ich will lecker essen mit dem Präsidenten«).

Ausgewachsene Exemplare des A. bringen es auf ein Taschenbuchformat. Die Adressaten haben bisweilen ein gespaltenes Verhältnis zu diesen Leitfäden. Einerseits wissen sie die Perfektion der Ablaufgestaltung zu schätzen. Andererseits stöhnen sie über die Fülle der zu beachtenden Details. Protokoll liebt Details. Nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sich die erforderliche »Ablaufsicherheit« nur erreichen lässt, wenn die mit der Vorbereitung Betrauten an jede Einzelheit gedacht, alles abgesprochen und in einem A. festgelegt haben. Eine kurze Begrüßungsszene könnte in einem A. so formuliert werden:

»Eintreffen I. M. Königin Soundso und S. K. H. Prinz XY an der …

(Das Fahrzeug hält vor dem roten Teppich, I. M. Königin Soundso sitzt im Fond rechts.)

Hinweis:

(Blickrichtung zum Gebäude) links: Medienvertreter, rechts: Zuschauer.

Der Bundespräsident und Frau N. N. begrüßen I. M. Königin Soundso und S. K. H. Prinz XY.

Gang I. M. Königin Soundso, des Bundespräsidenten, S. K. H. Prinz XY und Frau N. N. über den roten Teppich zum Haupteingang des …-Gebäudes.«

Die Klagen über diese Detailversessenheit sind jedoch nicht ganz neu. So schrieb der Journalist und Schriftsteller Fedor von Zobeltitz im Jahre 1904: »Die Hofansagen sind in letzter Zeit eindringlicher geworden; sie sind zuweilen mit Erläuterungen versehen, zuweilen muten sie wie freundliche Warnungstafeln an!«

ABSAGE

Wenn Rücksicht und Verbindlichkeit Voraussetzung für souveräne Umgangsformen und gute Manieren sind (→ Höflichkeit), sollte es für uns alle selbstverständlich sein, dass wir getroffene Verabredungen im Verhinderungsfalle absagen. Ein schwerer Fauxpas ist es, durch ein bloßes Fernbleiben abzusagen.

Man könnte annehmen, bei der A. einer Verabredung gehe es nur um das Wie, also den Zeitpunkt und die äußere Form, nicht um das Ob. Die Realität sieht aber anders aus. Häufig bekommt man weder eine Antwort noch eine A. Die no-show desjenigen, der zugesagt hat, dem Ereignis aber fernbleibt, scheint heute in Deutschland ebenso beliebt zu sein wie die spontane Anwesenheit des Gastes, der nie zugesagt hat.

No-shows in Berlin sind ein Thema für sich. In der unverbindlichen Berliner Republik scheint das Gebot der Stunde zu sein, sich bloß niemals festzulegen. Alles soll immer möglich sein, Pläne dürfen ruhig Pläne bleiben. Wer umsetzt, legt sich fest, schränkt seine Optionen ein. Je mehr Möglichkeiten der A. dem Eingeladenen zur Verfügung stehen (Brief, Fax, Telefon, E-Mail, SMS, Kalendereinladungsfunktion, Doodle und zahlreiche Apps), desto weniger erfährt der Gastgeber von dem nicht ganz unerheblichen Umstand, dass er einen Gast weniger zu bewirten hat (→ Einladung; Gast und Gastgeber).

Ein Beispiel für diese Kommunikation à la Boheme: Vor wenigen Jahren lud in Berlin eine jüngere Dame aus Anlass ihres 40. Geburtstages einen größeren Kreis von Freunden und Bekannten in ein italienisches Restaurant ein. Geantwortet hatten nur wenige. Von diesen hatten zwölf zugesagt. Als gute Gastgeberin erschien sie kurz vor 20 Uhr – der verabredeten Zeit –, um ihre Gäste zu begrüßen. Zunächst kam jedoch niemand. Daran änderte sich auch lange nichts. Kurz vor halb zehn Uhr waren fünf gut gelaunte Gäste im Lokal erschienen. Sie fanden ihre Gastgeberin betrunken am Tresen vor.

In der digitalen Welt bleibt offenbar alles im Fluss, verbindliche Verabredungen, Zusagen oder A. gelten womöglich deshalb als spießig und altbacken, weil soziale Netzwerke die Raum-Zeit-Koordination in Echtzeit zu übernehmen scheinen. Solange Apps jedoch nicht in der Lage sind, die logistischen Voraussetzungen eines Ereignisses zu schaffen und zu bezahlen, ist eine solche digitale Laissez-faire-Haltung grob unhöflich. Jeder, der selbst schon einmal der schwindenden Gruppe der Gastgeber angehört hat, wird dies verstehen. Die eigene Zeit und die eigenen Ressourcen können demnach nie kostbarer sein als die Zeit und Ressourcen der Mitmenschen.

Bevor man sich Gedanken zu den angemessenen Modalitäten der A. macht, sollte man sich vor Augen führen, dass nicht jeder Grund zur A. berechtigt. Notlügen taugen nicht, auch sie haben kurze Beine. Abgesehen davon kann es ratsam sein, die A. mit einer Geste der Entschuldigung zu verbinden (→ Blumen).

ADEL

Für Etikette, Manieren und Protokoll ist der A. – oder das, was von ihm übrig blieb – noch immer von Bedeutung. Und zwar in mehrfacher Hinsicht: Als herrschende Klasse prägte er wie keine andere diese Disziplinen, die sich allesamt auf die höfischen Kulturen zurückführen lassen.

Und oft ist der A. auch heute noch ein Reservat, in dem die vom Aussterben bedrohten Verhaltensweisen der Höflichkeit, vor allem im Verhältnis des Herrn zur Dame, geübt werden. Bälle, Hochzeiten und Familientage in Adelskreisen legen hiervon Zeugnis ab. Gute Umgangsformen sind im A. Teil des Selbstverständnisses. Was nicht ausschließt, dass in dieser Gruppe schwarze Schafe grasen. Im Gegenteil: Es scheint, als dominierten sie die Berichterstattung der Klatschpresse.

Ob man »von Familie« ist, zeigt sich zuerst durch das Verhalten, nicht durch eingetragene Namensbestandteile.

Die korrekte Anrede von Mitbürgern adeliger Herkunft ist im Einzelfall schwierig. Im Gegensatz hierzu pflegt man in bestimmten Kreisen des deutschsprachigen A. gerne das Du. »Bürgerliche« werden jedenfalls eher gesiezt. Dieses Duzen hat seine Wurzeln wohl im Sprachgebrauch der k. und k. »Gemeinsamen Armee«, in der sich die Offiziere als ihresgleichen duzten, allerdings unter Verwendung der Titel.

Gleiches galt für das Wiener »Ministerium des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern«, in dem die wenigen Diplomaten ohnehin fast alle miteinander verwandt waren. Diese Duztradition wurde dann in die Republik übernommen. Nachdem sich der (österreichische) auswärtige Dienst für Frauen geöffnet hatte, wurden die neuen Kolleginnen zunächst konsequent gesiezt, während sich die Ehefrauen der Diplomaten untereinander duzten. Eine diskriminierende Praxis, die tatsächlich erst in den 1980er Jahren abgeschafft wurde.

In Österreich kann man auch heute noch die Anreden »Du Herr General« und »Du Herr Botschafter« hören. Allerdings nur »nach oben«; »nach unten« genügt das des Titels entledigte Du. Den spanischen Habsburgern (Casa de Austria) sei es gedankt, dass diese besondere Form des Du noch heute in Spanien verwendet wird.

Was die Anrede in Kreisen des A. angeht, ist schließlich noch eine nahezu epidemische Verwendung von Spitznamen zu beobachten. Zahlreiche edle Vornamen mit Ahnenbezug werden zu einer Verniedlichung destilliert, die oftmals an ein Plüschtier erinnern, z. B. »Gaudi«, »Jojo«, »Hubsi« und »Ferdi«. Wer diesen Code nicht kennt, gehört nicht dazu.

Unsere dem Gleichheitssatz verpflichtete offene Gesellschaft lebt mit einem Adels-Paradoxon: Der A. ist tot. Es lebe der A.! Gemäß Artikel 123 des Grundgesetzes gilt Artikel 109 Absatz 3 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung als Bundesrecht fort: »Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.« Aus dem Adelsprädikat, das in Deutschland als Präposition daherkam, wurde ein bloßer Namensbestandteil. Als Stand bleibt der A. damit abgeschafft. Dennoch lebt er in der gesellschaftlichen Realität fort. In gewisser Weise sogar mehr als früher, weil sich viele zum A. zugehörig fühlen, die nach den adelsrechtlichen Bestimmungen von 1918 sicher nicht dazugehörten.

Die etwas künstliche Figur der Namensbestandteile führt bisweilen zu sprachlichen Kuriosa, z. B. zu der tautologischen Anschrift an den »Herrn Freiherr« (nicht: Herrn Freiherrn, da Namensbestandteile nicht deklinierbar sind!). Wer die Integration der vormaligen Adelsbezeichnungen in den Familiennamen ernst nimmt, möge der Tochter des Grafen den um »Graf« – nicht etwa Gräfin – ergänzten Familiennamen zubilligen. In Deutschland gibt es nämlich keine nach Geschlecht differenzierten Familiennamen.

Außer den Prädikaten wurden auch die für Angelegenheiten des A. – insbesondere Titel, Wappen und Rangfragen – zuständigen staatlichen Heroldsämter abgeschafft. Die öffentliche Verwaltung wacht demnach nicht mehr über die »Reinheit« des A.

AGRÉMENT

Wer Gegenstand eines A. wird, kann sich freuen: Er bekommt einen ausländischen Orden oder er wird Botschafter. Ein A. ist also eine Annahme- oder Tragegenehmigung für eine ausländische Auszeichnung oder die völkerrechtliche Zustimmung des Empfangsstaates, einen Vertreter des Entsendestaates für eine diplomatische oder sonstige Mission zu empfangen (→ Akkreditierung).

AIDE-DE-CAMP

War der ADC abgekürzte A. in früherer Zeit als Flügeladjutant eines Befehlshabers oder des Königs vorwiegend mit militärischen Aufgaben betraut (man denke an Joachim Murat als A. Napoleons im Italienfeldzug – und zugeich dessen Schwager), so übernimmt er heute vor allem protokollarische und gesellschaftliche Aufgaben oder solche der privaten Assistenz. Zu Letzteren gehört die Begleitung und Vorstellung von Gästen oder die Zubereitung des Aperitifs auf Reisen. Welche Aufgaben dies im Einzelnen sind, hängt von nationalen Gepflogenheiten ab. In jedem Falle gilt: Bei der Begegnung mit einem Staatsoberhaupt hat man es zumeist mit dem Protokoll und einem A. zu tun.

Die Dienstbezeichnungen von A. variieren. In manchen Ländern des Commonwealth wird der A. irreführend »Stallmeister« (Equerry) genannt. Vor allem königliche Staatsoberhäupter und Mitglieder der Königshäuser haben einen oder mehrere A. der Truppengattungen Heer, Marine und Luftwaffe. Sie begleiten nahezu alle Termine, zuweilen nehmen sie sogar an Essen im privaten Kreis teil. Manche Regenten Europas kennen also kein »privates« Mittag- oder Abendessen. Der A. gehört stets zur Tischgemeinschaft. Mit dieser alten Tradition wird einerseits manifestiert, dass ein königliches Staatsoberhaupt immer im Amt ist. (Könige hatten früher schließlich kein Privatleben. Sogar die Geburt – ein wichtiges dynastisches Ereignis – fand vor den Augen des Hofstaates statt.) Andererseits dürfte damit eine allseitige Verhaltensnormierung verbunden sein. Und letztlich kann die Anwesenheit des A. auch eine wichtige Brücke zur »Außenwelt« bedeuten.

Auch bei A. gibt es eine diffizile Hierarchie: Zum »Personal aide-de-camp« I. M. der Königin wird in Großbritannien meist ein Mitglied der königlichen Familie berufen. Zurzeit hat der Herzog von Cambridge dieses Amt inne. Seinem Namen und den weiteren Titeln darf er ein nachgestelltes ADC(P) hinzufügen, demgemäß er sich nun wie folgt nennt: HRH Prince William Arthur Philip Louis, Duke of Cambridge, Earl of Strathearn and Baron Carrickfergus, KG, KT, PC, ADC(P).

Die Uniform eines A. ziert eine besondere Achselschnur (vornehm: Aiguillette, vulgo: Affenschaukel).

AKKOLADE

Eine feierliche Umarmung, z. B. während einer Nobilitierungs- oder Ordenszeremonie. Auch kann sie eine starke Geste der Versöhnung sein. Je nach Einzelfall wird sie durch einen Kuss ergänzt. Die A. unterscheidet sich grundlegend von der grassierenden Umarmungskultur der Gegenwart, bei der sich zwei Menschen wechselseitig umarmen, drücken und auf die Schulter klopfen. Es sei an den spanischen Politiker Javier Solanaerinnert, den der damalige luxemburgische Premierminister Juncker 2007 folgendermaßen charakterisierte: »Er ist jemand, der die Menschen mag, der sie auch umarmt, der küsst. Er wird in Brüssel der große Umarmer genannt. Wer die Welt […] verbessern möchte, muss sie umarmen, herzen und drücken können. Er kann das, er muss das, und wir brauchen das.«

Eine A. ist demgegenüber nicht immer beidseitig. Korrekterweise gewährt der Höherrangige dem Niederrangigen die Ehre einer A., früher etwa bei der Aufnahmezeremonie in den Orden vom Goldenen Vlies der Kaiser von Österreich den Rittern (→ Rang).

Die A. gehört damit zu den körperlichen Gesten, die für das Zeremoniell wichtig sind. Für den an der Cour (→ Neujahrsempfang) Teilnehmenden und für alle Beobachter des Zeremoniells war es z. B. entscheidend, ob der Kaiser beim Defilee nach vorne trat, ob er auch die Hand gab, wie lange er dies tat und ob die Kaiserin einen Handkuss zuließ. Eine A. war stets Ausdruck maximaler Gunst. All dies sind Zeichen der Auf- und Abwertung, die noch heute ihre Gültigkeit beanspruchen. Man denke an den Einsatz körperlicher Gesten in Politik und Diplomatie, insbesondere an verweigerte oder aber gewährte handshakes (→ Hand).

AKKREDITIERUNG

In der Diplomatie die Zulassung eines Mitglieds einer diplomatischen Vertretung durch ein anderes Völkerrechtssubjekt. Die A. ist ein mehrstufiges, nicht-öffentliches Verfahren, von dem hier nur der zeremonielle Teil interessiert. Nach erteiltem Agrément erfolgt die Ernennung des Botschafters durch den Entsendestaat. Hierfür erhält der designierte Botschafter ein Beglaubigungsschreiben seines Staatsoberhauptes (frz. lettre de créance, engl. letterof credence), welches er dem Staatsoberhaupt des Empfangsstaates oder dem entsprechenden Repräsentanten der internationalen Organisation im Rahmen der Akkreditierungszeremonie überreicht. Diese zeremoniell ausgestaltete Urkundenübergabe ist Höhepunkt der A. Wie diese Zeremonie im Einzelnen ausgestaltet ist, hängt von den Traditionen des Empfangsstaates ab.

Als Kleiderordnung ist in Deutschland bei A. der Cut vorgesehen (→ Kleidungsempfehlungen). Hierdurch wird die Exklusivität, Dignität und Singularität des Ereignisses unterstrichen. Der designierte Botschafter wird mit einem kleinen militärischen Zeremoniell im Ehrenhof von Schloss Bellevue empfangen. Danach trägt er sich in das Gästebuch ein. Anschließend begibt er sich mit einigen hochrangigen Botschaftsmitarbeitern in den Langhanssaal, wo er dem Bundespräsidenten das Beglaubigungsschreiben und das seinen Vorgänger betreffende Abberufungsschreiben überreicht.

Danach ziehen sich der Bundespräsident und der Botschafter zu einem ersten Gespräch zurück. Dem protokollarischen »Raus-wie-rein-Grundsatz« entsprechend, wird der Botschafter schließlich mit einem kleinen militärischen Zeremoniell verabschiedet (→ Verabschiedung). Als Zeichen des rechtswirksam vollendeten Amtsantritts wird die Flagge des Entsendestaates vor Schloss Bellevue gehisst.

Dem designierten und dann akkreditierten Botschafter wird für die Hin- und Rückfahrt der Wagen des Bundespräsidenten oder zumindest ein Wagen aus seinem Fuhrpark zur Verfügung gestellt. Ferner erhält er eine Ehreneskorte von fünf Motorradfahrern.

ANCIENNITÄT

Für viele von uns scheint das Altern ein biologischer Irrtum zu sein, dessen Folgen wir durch allerlei Bemühungen und Tricks revidieren wollen. Trotz dieser Fehlentwicklung, die ein Altern in Würde verhindert, hat das Alter in einigen Bereichen handfeste Vorzüge: Für Diplomatie und Protokoll, aber auch für den weltläufigen Umgang miteinander, ist die A. ein wesentliches, u. a. dem Recht entstammendes Ordnungsprinzip (→ Rang). Der elder statesmen ist überall Ausweis von Erfahrung und Seriosität.

Die Rangfolge der Staaten und Souveräne – und ihrer Repräsentanten – folgte zunächst dem Alter der jeweiligen Dynastie und Krone und wurde in komplizierten Hofordnungen und Rangtabellen niedergelegt. Allein der sechsunddreißig Zeilen umfassende Titel des 1705 von Zacharias Zwanzig verfassten Buches »Theatrum Praecedentiae, Oder Eines Theils Illustrer Rang-Streit / Andern Theils Illustre Rang-Ordnung …« gibt einen guten Eindruck von der Komplexität der Materie. Da diese Altersfeststellung meistens Gegenstand erbitterter Streitigkeiten war und Fragen des Vortritts auch zu tödlichem Streit führten – oder man von Begegnungen allein deshalb absah, weil sich keine Einigung über die Préséance erzielen ließ –, entwickelte sich mit der A. zunehmend ein weniger streitbefangenes Kriterium. Überdies entstanden ausgehend von Venedig überall Republiken, deren Rang ja ebenso wenig nach dem Alter einer Krone bemessen werden konnte wie der Rang ihrer Repräsentanten.

Auf dem Wiener Kongress 1814/15 konnte immerhin eine Einigung über die Rangfolge der diplomatischen Vertreter erzielt werden. Mit dem bis heute gültigen »Dreiermodell«, nach dem es drei Rangklassen (1. Botschafter, Legaten und Nuntien, 2. Gesandte und Minister, 3. Geschäftsträger) gibt und sich die hierarchische Einordnung des Amtsträgers innerhalb seiner Klasse nach dem Datum der Überreichung des Beglaubigungsschreibens richtet, verständigte man sich auf ein rationales, der Gleichberechtigung der Staaten verpflichtetes Ordnungskriterium (→ Akkreditierung).

Nicht einigen konnten sich die Signatarstaaten jedoch auf eine konkrete Rangfolge der Staaten. Deshalb sollte bei multilateralen Verträgen das Los über die Reihenfolge der Unterschriften entscheiden. Die Kongressakte selbst wurde allerdings in alphabetischer Ordnung unterzeichnet. Sehr zur Freude des Gastgebers, weil Autriche im französischen Alphabet den ersten Rangplatz einnahm.

Der A. begegnet man auch heute noch in vielen Bereichen. Zum Beispiel als Alterspräsident des Deutschen Bundestages, dem die Aufgabe zukommt, in der konstituierenden Sitzung der neuen Wahlperiode den Vorsitz zu führen, bis der neu gewählte Präsident oder einer seiner Stellvertreter das Amt übernimmt. Seit 2017 sieht die Geschäftsordnung vor, dass nicht mehr das lebensälteste Mitglied des Bundestages als Alterspräsident fungiert, sondern das am längsten dem Bundestag angehörende Mitglied, das hierzu bereit ist. Bei gleicher Dauer der Zugehörigkeit zum Bundestag entscheidet das höhere Lebensalter. Im staatlichen und zwischenstaatlichen Bereich ist die A. schließlich ein entscheidendes Kriterium für Sitzordnungen, Rednerreihenfolgen oder Vertretungsregelungen.

Und auch in der privaten Sphäre: Man bedenke, wie gut und fürsorglich die betagtere Verwandtschaft bei familiären Zusammenkünften platziert wird.

Die A. ist damit als Rangordnungskriterium für zahlreiche Aspekte des Parketts relevant (→ u. a. Anrede, Ehrenplatz; Vorstellung). Dies berechtigt freilich nicht dazu, seinen Gesprächspartner ohne weiteres nach dem Alter zu fragen (→ Fauxpas).

ANKÜNDIGUNG

Sie dient neben der Vorstellung, der Bekanntmachung und dem Defilee dazu, die Identität einer hochgestellten Person festzustellen und öffentlich kundzutun. Alle Anwesenden erfahren z. B. wer den Saal betritt, wenn der Hausintendant die Person mit den Worten angekündigt: »Meine Damen und Herren! Der Bundespräsident!« Darüber hinaus dient die A. dazu, die Aufmerksamkeit auf die eintretende Person – etwa den Gastgeber oder den Ehrengast – zu lenken und Ruhe einkehren zu lassen. Je nach Kontext werden die Gäste aufstehen oder applaudieren.

Die A. kann auch durch ein kurzes Musikstück (»Intrada«) oder ein akustisches Signal ersetzt werden. In Großbritannien durch die »Royal Entrance Fanfare«, in der Wiener Hofburg durch ein dreifaches Trompetensignal, wenn der Staatsgast die Hofburg betritt. Beim Auszug gibt es keine A. Allerdings wird das akustische Äquivalent meist so gestaltet wie der Einzug, also entweder durch ein Musikstück (»Retirada«), oder durch das akustische Signal (Raus-wie-rein-Grundsatz).

ANREDE

Sie mögen es kindlich finden, aber es entspricht meinen Bedürfnissen und wird mir Freude machen, mich zu verneigen, wie man sich nur vor einem König verneigt, und im Gespräch recht oft die Anrede »Euer Majestät« zu gebrauchen. »Sire, ich bitte Euer Majestät, den untertänigsten Dank entgegenzunehmen für die Gnade, daß Euer Majestät« – und so immerfort. Noch lieber würde ich mir eine Audienz beim Papst erbitten und werde es bestimmt einmal tun. Dort beugt man sogar das Knie, was mir großen Genuß bereiten würde, und sagt »Votre Sainteté«.

[Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull]