Aufstiegslieder - Beate Schütz - E-Book

Aufstiegslieder E-Book

Beate Schütz

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Beschreibung

Gott hat Gutes für uns im Sinn. Und doch erleben wir, dass Unglück und Leid uns in schmerzhafte Tiefen verschlagen. Die sogenannten Wallfahrtspsalmen besingen die Mühen und Freuden, die Rückschläge und Erfolge auf dem Weg zurück ins Leben. Dabei bezeugen sie: Gott begleitet jeden einzelnen Schritt und sorgt selbst dafür, wss wir sicher ans Ziel kommen.

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Seitenzahl: 93

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Aufstiegslieder
Der Weg des Friedens
Psalm 120 Aufbruch aus dem Land der Lügen
Psalm 121 Auf dem Weg
Psalm 123 Sieh mich gnädig an!
Psalm 124 Entkommen!
Psalm 125 Gesichert!
Psalm 126 Aus Traum wird Wirklichkeit
Psalm 127 Schlafen und Ernten
Psalm 128 Was glücklich macht
Psalm 129 Befreiung und Abgrenzung
Psalm 130 Im Abgrund der Schuld
Psalm 131 Zur Ruhe gekommen
Psalm 132 Herr, bleibe bei uns!
Psalm 133 Gemeinschaft im Segen
Psalm 134 Gesegnet!
The road goes ever on and on

Aufstiegslieder

Von Beate Schütz

Buchbeschreibung:

Auch Gottesleute bleiben von schlimmem Leid und Unglück nicht verschont, doch es gibt einen Weg aus den Schrecken überstandener Todesgefahr zurück ins Leben. Die 15 sog. Wallfahrtspsalmen der Bibel gehen ihn nach.

Die 15 hier gebotenen meditativen Auslegungen wollen hoffnungsvolle Begleiter für jeden sein, der den Weg zurück ins Leben wagt.

Über die Autorin:

Die Theologin und Literaturwissenschaftlerin Beate Schütz lebt als freiberufliche Autorin, Lektorin und Übersetzerin in Nordhessen.

Aufstiegslieder

15 Mut machende Impulse für den Weg zurück ins Leben

Von Beate Schütz

Neopubli GmbH

Köpenicker Straße 154a

10997 Berlin

[email protected]

theografica.com

2. Auflage,

© 20201 Beate Schütz – alle Rechte vorbehalten.

Neopubli GmbH

Köpenicker Straße 154a

10997 Berlin

[email protected]

theografica.com

Aufstiegslieder 10

Der Weg des Friedens 10

Psalm 120 Aufbruch aus dem Land der Lügen 13

Psalm 121 Auf dem Weg 17

Psalm 123 Sieh mich gnädig an! 25

Psalm 124 Entkommen! 28

Psalm 125 Gesichert! 32

Psalm 126 Aus Traum wird Wirklichkeit 35

Psalm 127 Schlafen und Ernten 38

Psalm 128 Was glücklich macht 42

Psalm 129 Befreiung und Abgrenzung 45

Psalm 130 Im Abgrund der Schuld 48

Psalm 131 Zur Ruhe gekommen 52

Psalm 132 Herr, bleibe bei uns! 55

Psalm 133 Gemeinschaft im Segen 60

Psalm 134 Gesegnet! 62

The road goes ever on and on 64

Aufstiegslieder

Der Weg des Friedens

Zur Einführung

„… auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“[Fußnote 1] Mit dieser Bitte endet das Benedictus, der Lobgesang, den Zacharias auf die Geburt seines Sohnes Johannes anstimmt. Begeistert feiert er Gott dafür, dass der Erlöser endlich auf dem Weg ist. Der Retter aus der Höhe lässt sein Licht in die tiefsten Verliese des Todes strahlen und zeigt den Geretteten den Weg hinaus ins Leben; er weist sie auf den ‚Weg des Friedens‘. Ich stelle mir vor, wie die Befreiten blinzelnd im hellen Tageslicht stehen und sich nach ihrer langen Kerkerhaft erst einmal fremd vorkommen in dieser bunten, lebendigen Welt. Wie funktioniert das Leben hier in der Freiheit noch mal?

Solche ‚Todeskerker‘ gibt es überall. Da ist der Geflüchtete, der miterleben musste, wie seine Kameraden im Meer ertranken; da ist die Nachbarin, die den Unfall als Einzige knapp überlebte; da ist die junge Frau, die nach jahrelangem Missbrauch ihren Peinigern entkommt. Für sie alle ist nach Ereignis nichts mehr wie vorher. Die selbstverständlichen Sicherheiten sind zerbrochen. Das Vertrauen, dass das Leben und meine Mitmenschen es gut mit mir meinen, ist zutiefst erschüttert. Das Schlimmste ist geschehen und es kann jederzeit wieder geschehen. Wie kann einer, der den Todeskerker überlebte, wieder Fuß fassen im Land des Lebens?

Schon im Alten Testament finden sich Texte und Lieder, die um Sinn im Leiden ringen und den Weg aus der Dunkelheit zurück ans Licht suchen. Die kleine Gruppe der „Wallfahrtspsalmen“ beschreibt diesen Weg von der Todeserfahrung zu einem neuen, erfüllten Leben mit vielfältigen Bildern und Zusagen. Wörtlich übersetzt lautet die Überschrift: ‚Lied des Aufstiegs‘. Diese Aufwärtsbewegung kann man auf unterschiedliche Weise verstehen. Manche Ausleger deuten die Psalmen als Pilgerlieder für den Weg zur Bergstadt Jerusalem oder als Gesänge auf den Stufen des Tempels. Man kann sie aber auch als allgemeine Beschreibung einer Flucht aus Todesgefahr lesen und in ihnen Stationen eines Weges zurück ins Land des Friedens und des gesegneten Lebens entdecken.

Dabei treffen manchmal ganz unterschiedliche, teilweise widersprüchliche Aspekte geradezu verstörend aufeinander. Die Lieder schreien die erinnerte Angst und den Schmerz heraus, mit dem die Gewalttat ihre Dichter zurückgelassen hat. Sie beklagen die Zerbrechlichkeit des Friedens und singen von der Sehnsucht nach einem Leben in Sicherheit und in heilsamen Beziehungen. Tastend suchen sie, das zerschlagene Vertrauen wiederzugewinnen; jubelnd feiern sie die noch immer unfassbare Rettung, als längst alles verloren schien. Dabei ist der mühsame und schmerzhafte Weg in jedem Moment umfangen von der Zuversicht, dass Gott über jeden Schritt wacht. Am Ende mündet der Psalm ins Gotteslob, in die Feier seines Friedensreichs und seiner Gemeinschaft und in die Verkündigung seines Segens, der von der Gottesstadt ausgeht und die gesamte Schöpfung durchzieht.

Schritt für Schritt findet der Geflüchtete seinen Weg in die Gemeinschaft der Menschen, die Gott und seinen Frieden suchen. In der Sicherheit dieser Gemeinschaft kann er sich seinen verstörenden Erinnerungen stellen. Die Erzählgemeinschaft der Gottesleute bietet ihm Bilder und Worte, sein Erleben auszudrücken und gleichzeitig Gottes rettendes Eingreifen darin zu erkennen. So kann sein Vertrauen auf Gottes verlässliche Zuwendung wachsen. Die zunehmende Gewissheit, dass Gott für ihn ist, eröffnet neue Perspektiven und setzt Kräfte frei, auch zukünftige Schicksalsschläge zu überstehen. Er kann sich wieder als von Gott Gesegneter erleben und reiht sich ein in Gottes Segensstrom, der beständig in diese Welt der Zerstörung und des Todes fließt, um Leben zu schaffen, zu retten, zu erhalten und zu segnen.

Auch wenn es zunächst so scheinen mag: Die Lieder besingen keinen Highway zum Schalom, keinen glatten Durchmarsch zum befriedeten Leben. Die Reise dorthin ist komplexer, als jedes noch so durchdachtes Heilungsprogramm planen kann. Kaum hat sich die Gerettet eine gewisse Sicherheit erkämpft, brechen schon überwunden geglaubte Erinnerungen erneut auf und sie muss erneut um das Vertrauen in Gott, ihre Mitmenschen und in die Zukunft ringen. Der Frieden, den sie sucht, scheint flüchtig, und doch führt jeder Schritt sie tiefer in das Friedensland hinein. Manche der Bilder, mit denen die Sänger sein Erleben beschreiben, sind uns heute fremd, ja verstörend, und wir müssen sie uns erst mühsam erschließen. Nicht alles lässt sich bis ins Letzte erklären, aber hinter allen Berichten, Schreien und Gebeten finden wir dieselben Fragen, Gefühle, Sehnsüchte und Hoffnungen, die uns auch heute noch umtreiben.

Das Zeugnis der Beter und Beterinnen beginnt mit dem dankbaren Ausruf: „Ich rief zu Jahwe in meiner Not und er antwortete mir!“ Diese Antwort Jahwes leitet fünf Zyklen von je drei Psalmen ein. Jede dieser Runden baut auf das auf, was der Wanderer in der vorigen Runde erkannte und verinnerlichte. So gleicht der Weg aus dem Kriegs- ins Friedensland einer Spirale, die mehrfach dieselben Themen abschreitet, so dass die im Kriegsland geschlagenen Wunden auf immer tieferen Ebenen Heilung finden. Schritt für Schritt findet der Wanderer in die Gemeinschaft der Friedensmenschen hinein, immer wieder gehen das Ich und das Wir ineinander über. Der einsame Pilger findet seinen Platz in der Solidargemeinschaft seines Volkes Israel. In dessen Geschichte findet er den eigenen Weg vorgezeichnet, sie wird ihm zur Quelle der Zuversicht. Israel kennt die Bedrohung des Lebens im Alltag wie in der großen Geschichte. Zugleich lebt es aus der Erfahrung, dass Gott seine Leute wundersam vor ihren Feinden rettet. So versichern sich der einzelne Wanderer und die gesamte Pilgergruppe immer wieder gegenseitig der rettenden, bewahrenden und segnenden Gegenwart des treuen Gottes auf ihrem langen Weg bis zum Ziel – Leben in Ewigkeit.

Psalm 120 Aufbruch aus dem Land der Lügen

1 Zu Jahwe rief ich in meiner Not

und er antwortete mir!

2 Jahwe, rette doch meine Seele

von der Lügenlippe, der Trugzunge

3 Was wird er dir geben

und was noch hinzufügen, Trugzunge?

4 Spitze Kriegerpfeile

samt glühenden Ginsterkohlen!

5 Weh mir! Ich lebte in Meschech,

wohnte bei Kedars Zelten.

6 Lange wohnte sie, meine Seele,

beim Friedenshasser

7 Ich bin ein Friedensmensch, doch wenn ich rede,

sind sie für Krieg.

„Ich rief zu Jahwe in meiner Not und er antwortete mir!“

Da berichtet jemand von einem Schrei um Hilfe und von Erhörung. Begeistert. Dankbar. Fast ein wenig erstaunt: „Ich rief zu Jahwe, dem Schöpfer von Himmel und Erde, und wahrhaftig - er antwortete mir!“ Nach dieser leidenschaftlichen Ankündigung erwarte ich eine dramatische Erzählung von Lebensgefahr und Rettung in letzter Sekunde, vom spektakulären Eingreifen Gottes oder von wunderbarer Heilung. Stattdessen höre ich von Lug und Trug, sehe spitze Pfeile fliegen und Ginsterkohlen glühen. Dramatisch, ja, aber wo bleibt Gott und sein rettendes Eingreifen?

In seiner Erinnerung scheint der Sänger zurückzustürzen in eine schreckliche Vergangenheit, in ein Leben unter feindseligen Menschen. Die Sätze sind kurz, atemlos, ein Aufschrei. Weh mir! Kennen wir seine konkrete Not? Er spricht von Lügenlippen und Trugzungen. Er sieht sich von Menschen umgeben, die schlecht von ihm reden und seinen Ruf ruinieren. Wir denken an Mobbing, am Arbeitsplatz, in der Schule; an Hatespeech, Shitstorms und Fake News in den sozialen Medien. Auch im eigenen Herzen melden sich solche Stimmen: „Du bist nichts wert!“, „Du machst alles falsch!“, „Du bist zu dumm, zu ungebildet, zu dick, zu dünn, zu laut, zu leise!“ Stimmen, die mich erniedrigen, die mir Lebensraum und Lebensrecht absprechen. Wörtlich schreit der Psalmist zu Gott: „Rette meine Seele!“ Die Nefesch, der Begriff, den wir traditionell mit ‚Seele‘ bezeichnen, meint ursprünglich die Kehle, durch die lebensnotwendige Luft und Nahrung fließen. Wer atmet, ist ein lebendiges Wesen. Wer mir die Kehle abschnürt, nimmt mir das Leben. Als der Dichter begreift, dass die Lügenlippen und Trugzungen ihm den Atem zum Leben nehmen, erkennt er, dass er in dieser feindlichen Lebenswelt keine Chance hat. Es ist, als wache er auf und sähe zum ersten Mal mit klarem Blick, wo er hier gelandet ist: In Meschech und Kedar!

Die beiden Namen bezeichnen zwei Völker aus der Umgebung des Psalmdichters. Meschech siedelte am nördlichen, Kedar am südlichen Rand des bekannten Kulturraums. Beide waren für ihre kriegerischen Feindseligkeiten bekannt. Sie werden dem Dichter zum Bild für seine Lage: Er ist gestrandet in einer Gesellschaft wilder, gewalttätiger Menschen, unendlich fern von dem Ort in der Mitte der zivilisierten Welt, an dem Gott selbst wohnt und wo sein Friede, sein Schalom, das Leben prägt. Hier aber, nahe am lebensfeindlichen Chaos der Gottesferne, herrschen Lüge statt Wahrheit, Betrug und Gewalt statt Solidarität und barmherziges Miteinander. Selbst wenn nicht jeder in seiner Umgebung ihm wirklich Übles will – in der Angst tiefer Not scheint es uns oft, als hätte sich alles gegen uns verschworen. Da können selbst wohlmeinende Ratschläge zu spitzen Pfeilen werden, wenn sie die Not mit vorschnellen Rezepten beseitigen wollen.

So stehen Meschech und Kedar für sämtliche Feinde des Lebens: den Terror des Stärkeren, in der Familie, in der Schule, im Job; die Angst vor den Bomben der Feinde oder dem Verrat der Spitzel in den eigenen Reihen. Auch Krankheiten, Unfälle oder Naturkatastrophen kommen als Feinde des Lebens daher. Wie die Feinde in diesem Psalm verdrehen sie die Wahrheit und schlagen schmerzende Wunden. Allein der unaussprechlichen Bedrohung in Bildern Ausdruck zu geben, kann die lähmende Angst aufbrechen, die uns in solchen Zeiten befällt. „Not“ heißt hier ursprünglich „Enge“, „Bedrängnis“: Es geht weder vor noch zurück, man ist den feindlichen Mächten hilflos ausgeliefert.