AUFTRITT EINER DAME - Sara Woods - E-Book

AUFTRITT EINER DAME E-Book

Sara Woods

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Beschreibung

Elizabeth Coke will sich scheiden lassen. Sie behauptet, ihr Mann habe sie zum Verkehr mit einem anderen Mann gezwungen, um dabei zusehen zu können. Ihr Mann erhebt Unterlassungsklage gegen diese Behauptung. Staranwalt Antony Maitland vertritt ihn vor Gericht.

Und dann wird Elizabeth erstochen - am gleichen Abend wie der »Liebhaber«...

 

Der Roman Auftritt einer Dame der britischen Schriftstellerin Sara Woods (eigtl. Lana Hutton Bowen-Judd - * 07. März 1922; † 05. November 1985) erschien erstmals im Jahr 1982; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im Jahr 1983.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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SARA WOODS

 

 

Auftritt einer Dame

 

Roman

 

 

Apex-Crime, Band 283

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

AUFTRITT EINER DAME 

Erster Teil: Sitzungsperiode Frühjahr 1973 

Zweiter Teil: Coke gegen Coke 

Dritter Teil: Sitzungsperiode Sommer 1973 

Epilog 

 

 

Das Buch

 

Elizabeth Coke will sich scheiden lassen. Sie behauptet, ihr Mann habe sie zum Verkehr mit einem anderen Mann gezwungen, um dabei zusehen zu können. Ihr Mann erhebt Unterlassungsklage gegen diese Behauptung. Staranwalt Antony Maitland vertritt ihn vor Gericht.

Und das wird Elizabeth erstochen - am gleichen Abend wie der »Liebhaber«... 

 

Der Roman Auftritt einer Dame der britischen Schriftstellerin Sara Woods (eigtl. Lana Hutton Bowen-Judd - * 07. März 1922; † 05. November 1985) erschien erstmals im Jahr 1982; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im Jahr 1983.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  AUFTRITT EINER DAME

 

 

 

 

 

 

 

  Erster Teil: Sitzungsperiode Frühjahr 1973

 

 

 

Prolog

 

 

»Das glaube ich einfach nicht«, protestierte Antony Maitland entschieden. Er stand in seiner Lieblingshaltung mit dem Rücken zum Kamin in dem großen, behaglich mit alten Möbeln eingerichteten Wohnzimmer. Die Wohnung, die er mit seiner Frau bewohnte, lag im obersten Stockwerk des Hauses am Kempenfeldt Square, das Antonys Onkel gehörte. Er wirkte fassungslos. Sir Nicholas Harding erklärte mit ebensolcher Heftigkeit, das sei bei einem Mann seiner Profession unsinnig; nach so vielen Jahren juristischer Tätigkeit müsse er eigentlich auf alles gefasst sein, was menschliche Torheit zustande bringe.

»Aber... Scheidung«, sagte Antony dumpf. »Du hast in deinem ganzen Leben keine Scheidungssache angerührt und immer erklärt...«

»Die Umstände«, meinte sein Onkel, lehnte sich im Sessel zurück und war mit der Wirkung seiner Neuigkeit offenbar sehr zufrieden. »Sie setzen selbst die strengsten Regeln außer Kraft.«

»Aber das ist doch einfach nicht dein Gebiet«, protestierte Antony erneut. »Was verstehst du überhaupt von Scheidung?«

»Genug, um sie zu missbilligen«, stellte Sir Nicholas in aller Ruhe fest und warf einen Blick auf seine Frau, mit der er inzwischen fast zwei Jahre verheiratet war; bei einem Mann von geringerer Würde hätte er beinahe als schwärmerisch-verliebt gelten können. Lady Harding, die bis zu ihrer Heirat Miss Vera Langhorne gewesen war, Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, quittierte den Blick mit ihrem fast grimmigen Lächeln und wandte sich dann ihrem Neffen zu, um die Worte ihres Mannes zu bekräftigen.

»Lass dir das von mir sagen, Antony - kein gewöhnlicher Fall.«

»Nein, natürlich nicht«, pflichtete Antony ungeduldig bei. »Aber das ist keiner.« In diesem Augenblick unterbrach ihn zur Verwunderung aller seine Frau.

Jenny Maitland hatte es sich ebenfalls an ihrem Lieblingsplatz, zusammengerollt in einer Sofaecke, bequem gemacht. Das Abendessen war vorüber, Kaffee und Cognac serviert - ein Dienstagabend, an dem die Maitlands wie gewöhnlich die Hardings zu Gast hatten - und seit mindestens sechs Wochen war das Leben glatt verlaufen. Sie war schon immer eine bessere Zuhörerin als Rednerin gewesen und hatte sich vor dem Kaminfeuer behaglich gefühlt wie eine Katze, aber nun richtete sie sich auf, um ihre Einwände vorzubringen.

»Das ist nicht vernünftig, Onkel Nick«, warf sie ein, »und außerdem auch nicht fair. Jahrelang hast du uns Vorträge über eheliche Treue und häusliche Harmonie gehalten, obwohl dafür von uns aus nicht der geringste Anlass bestand. Und jetzt lässt du dich auf anderer Leute Probleme ein.«

»Es gibt Dinge«, erklärte Sir Nicholas bestimmt, »die kein Mensch zu ertragen gezwungen ist. Die Dame, meine Mandantin...«

»Ah, eine Frau, wie?« Antony und Jenny tauschten einen verständnisvollen Blick. Sie wussten, dass es, auch als er noch überzeugter Junggeselle war, keine Frau auf der Welt gab, die Sir Nicholas nicht um ihren kleinen Finger wickeln konnte, wenn ihr der Sinn danach stand. Jedenfalls so lange, bis er vor Gericht auf sie traf; dann sah die Sache schon wieder anders aus.

In das Schweigen hinein sagte Vera barsch: »Solltet Nicholas Gelegenheit geben, das zu erklären.« Sie hatte die Angewohnheit, stark verkürzt zu sprechen, was sich noch steigerte, wenn sie emotional betroffen war; obwohl sie seit zwei Jahren in demselben Haushalt lebte und vorher während vieler Jahre beruflicher Zusammenarbeit an die häufigen, heftigen Diskussionen zwischen Onkel und Neffe gewöhnt war, betätigte sie sich doch manchmal als Vermittlerin.

»Natürlich will ich es wissen«, verlangte Antony. »Und zwar alles«, fügte er hinzu, um alle Missverständnisse auszuschließen. »Zunächst noch einmal die Frage, die ich vorhin schon gestellt habe, Onkel Nick. Was verstehst du von Scheidung?«

»Wenn du die Theorie meinst, sehr wenig«, gab Sir Nicholas zurück. »Mein beauftragender Solicitor jedoch...«

»Ja, wer hat dir denn das eingebrockt?«

»Unser Freund Mr. Bellerby.«

»Aber du weißt doch, was der einem alles einredet«, rief Maitland erschrocken. »Wenn er dir vorgemacht hat...«

»Ich kenne Bellerby so gut wie du«, erwiderte sein Onkel. »Eher noch besser und auf jeden Fall länger. Meine berufliche Neugier ist immerhin stark genug, um mich veranlasst zu haben, mit meiner Mandantin selbst zu sprechen. Und das, was sie mir erzählt hat, machte mir klar, dass dies ein Fall ist, wo eine Trennung herbeigeführt werden muss. Ich habe sogar versucht, sie davon zu überzeugen, dass es ausreicht, wenn es rechtlich abgesichert werde, aber sie befürchtete, sie werde sich nie mehr sicher fühlen, wenn kein endgültiger Bruch stattfinde.«

»Ich sehe immer noch nicht ein, wozu sie dich brauchen«, murrte Antony. »Heutzutage lässt sich so etwas doch in ein paar Minuten erledigen, oder?«

»Ein Antrag auf Scheidung wird erst nach dreijähriger Ehe behandelt«, betonte sein Onkel. »Das ist hier nicht der Fall. Außerdem wird der Klage heftigst widersprochen.«

»Augenblick!« Maitland wurde argwöhnisch. »Wie heißt denn das arme geknechtete Wesen?«

»Diese Bezeichnung finde ich wenig angebracht«, missbilligte Sir Nicholas streng. »Sie ist eine junge Frau. Ende Zwanzig, würde ich sagen.«

»Schön und gut, aber wie heißt sie?«

»Elizabeth Coke.«

»Ach du lieber Himmel!« Antony verließ seinen Platz vor dem Kamin und sank in den Lehnstuhl auf der anderen Seite. »Das hat gerade noch gefehlt.«

»Mein lieber Junge, wenn du glaubst, dich so ausdrücken zu müssen...«

»Lass das jetzt mal beiseite. Mallory hat mir heute mitgeteilt, dass er ein Mandat für mich angenommen hat, das eine Verleumdungsklage betrifft.«

»Und?«

Diesmal waren es Jenny und Vera, die sich ansahen, Jenny leicht verwirrt, Vera dagegen entschieden belustigt.

»Verrätst du uns den Namen deiner Mandantin?«, fragte sie. Sie war eine hochgewachsene Frau mit einer Vorliebe für Sackkleider, in denen sie noch größer wirkte; seit ihrer Verheiratung hatte sie jedoch ein gutes Gefühl für Farben entwickelt, von dem früher nichts zu bemerken gewesen war. Neben ihr wirkte Jenny geradezu zierlich; man hätte meinen mögen, dass nichts sie miteinander verband, aber sie hatten sich eng verbündet.

»Natürlich«, sagte Maitland. »Ein Solicitor namens Edward Coke. Er verklagt seine Frau Elizabeth.«

»Man möchte fast meinen, Mallory entwickele Sinn für Humor«, sagte Sir Nicholas nachdenklich. »Worin besteht die behauptete Verleumdung?«

»Die Einzelheiten kenne ich noch nicht, aber nach meinem ersten Eindruck ergibt sie sich aus dem, was sie angibt, um vom Gericht eine Entscheidung zu erhalten, bevor die drei Jahre um sind. Sie muss - wie heißt das? - ungewöhnliche Verderbtheit nachweisen. Da er, soviel ich weiß, Familienanwalt ist, würde ihm das nicht zum Guten gereichen.«

»Von wem hast du den Auftrag?«, fragte Sir Nicholas.

»Von einem Desmond Barleycorn. Er ist Cokes Sozius und vertritt ihn.«

»Ich nehme an, euch beiden ist klar, dass alle Mitteilungen, die Mrs. Coke ihren Anwälten oder dem Gericht macht, vertraulich sind«, stellte Sir Nicholas fest.

»Freilich weiß ich das«, gab Antony zurück, wieder voller Ungeduld. »Du hast mich oft genug dafür gerügt, dass ich zu voreilig sei, und jetzt machst du es genauso.«

»Was soll das heißen?«

»Nur, dass die Klage auf einem Brief beruht, den Elizabeth an eine Freundin geschrieben hat. Aber, wie gesagt, Einzelheiten sind mir noch nicht bekannt.«

»Aber was die Scheidung anbetrifft, werden wir uns vor Gericht doch wohl kaum begegnen.«

»Das nicht, aber...«

»Von Verleumdung hat zu mir kein Mensch etwas gesagt«, erklärte Sir Nicholas. Er war groß und breiter gebaut als sein Neffe und hatte so hellblonde Haare, dass man kaum zu erkennen vermochte, wie weiß sie schon wurden. Er strahlte eine Autorität aus, die ihm selbst nicht bewusst zu sein schien.

»Das kommt aber noch«, sagte Antony. »Muss ganz neu sein, die Sache.«

»Amüsante Situation«, meinte Vera. »Werde mir das bei Gericht wohl anhören.«

»Sollte mir leid tun, wenn ich dich enttäuschen muss, meine Liebe«, bemerkte Sir Nicholas, »aber ich bin ganz und gar nicht sicher, ob Antony das Mandat annehmen soll.« Er blickte seinen Neffen an. »Da es sich um einen Zivilprozess handelt, kannst du jederzeit ablehnen.«

»Und warum sollte ich das tun?«

»Weil ich, offen gesagt, glaube, dass dein künftiger Mandant all das, was er wird einstecken müssen, auch verdient, und es mir lieber wäre, wenn du dich mit einem Mann seines Schlages nicht einlassen würdest.«

»Ich werde bestimmt keinen Schaden davontragen«, sagte Maitland, nun ebenfalls belustigt. »Im Übrigen möchte ich mir die letzte Entscheidung schon selbst Vorbehalten.«

»Du hast ihn also noch nicht gesprochen?«

»Nein, er kommt morgen mit Barleycorn in die Kanzlei. Gegen elf Uhr, wenn ich mich recht erinnere.«

»Tja, ich hoffe, du berücksichtigst das, was ich gesagt habe. Wenn man Mrs. Coke glauben kann - und ich glaube ihr voll und ganz -, ist er durch und durch schlecht.«

»Mag sein, Onkel Nick, aber sie sagt vielleicht nicht die volle Wahrheit.«

»Das war keine Sache, die sie gern erzählt hat, keine erbauliche Geschichte«, betonte sein Onkel. »Die Tatsache, dass sie sich dazu überwunden hat, sie mitzuteilen, zuerst Bellerby und dann mir, beweist hinreichend, dass sie völlig verzweifelt war.«

»Dafür kann es auch andere Gründe geben.«

»Und wer urteilt jetzt vorschnell?«, fragte Vera plötzlich. »Ich finde, du solltest auf deinen Onkel hören, Antony.«

»Natürlich mache ich das, wie immer«, fügte er mit dem ungezwungenen Lächeln hinzu, das den für ihn typischen belustigten Ausdruck noch verstärkte, »weil ich gar keine andere Wahl habe, aber am Ende muss ich doch selbst entscheiden.«

»Halsstarriger Narr«, meinte sie.

»Ja, vielleicht. Willst du mir verraten, was sie gesagt hat, um dich davon zu überzeugen, dass sie deine Hilfe verdient, Onkel Nick? Oder hältst du es unter den gegebenen Umständen für unzulässig, dass wir darüber reden?«

»Es gibt keinen Grund, den ich sehen kann, warum ich dir nicht in Umrissen mitteilen könnte, worum es geht«, erklärte Sir Nicholas. »Sollten wir uns allerdings vor Gericht begegnen, werden wir es wohl beide vorziehen, die Einzelheiten unserer Prozessführung für uns zu behalten.«

»Ja, gewiss. Wie Vera schon sagte, es müsste amüsant werden.« Antony verspürte leichtes Unbehagen und gab sich große Mühe, es nicht zu zeigen. »Was ist das für eine ungewöhnliche Verdorbenheit, die den unwiderruflichen Bruch ihrer Ehe bedeutet?«

Zum ersten Mal zögerte Sir Nicholas.

»Das ist keine hübsche Geschichte«, sagte er.

»Wie wir schon gehört haben«, gab Antony ungerührt zurück.

»Hm...« Er blickte zweifelnd auf Jenny. »Ich glaube, es wäre vielleicht angebrachter, wenn wir die Angelegenheit in der Kanzlei besprechen würden, Antony.«

»Also wirklich, Onkel Nick«, protestierte Jenny aufgebracht. »Ich bin schließlich kein Kind mehr.«

»Nein, meine Liebe, aber mit den Vorgängen auf der Welt vielleicht doch nicht so vertraut wie wir anderen, Vera eingeschlossen, wenn man an ihren Beruf denkt.«

»Ich habe nicht die ganzen Jahre hier im Haus verbracht und bin ein Unschuldslamm geblieben«, erklärte Jenny. Dann lächelte sie ihn an. »Man könnte das vielleicht auch anders ausdrücken, aber du weißt schon, was ich meine.«

»Ich denke schon«, meinte Sir Nicholas und erwiderte ihr Lächeln. Jenny gehörte zu den Menschen, bei denen es schwerfällt, sie nicht anzulächeln. »Hast du schon einmal etwas von Adelaide Bartlett gehört?«

»Natürlich, Onkel Nick. Ich habe alles über sie gelesen.«

»Dann wird dich die Geschichte vielleicht nicht so entsetzen.«

»Aber wir reden doch nicht von einem Mord, oder«, wandte Jenny ein.

»Nein, meine Liebe, ich spreche vom Leben der Bartletts, bevor der Ehemann umgebracht wurde. Du erinnerst dich vielleicht, dass ein junger Geistlicher Beziehungen zu Adelaide aufgenommen hatte. Aus der Lektüre ist mir nie ganz klar geworden, wie weit das Verhältnis ging, aber fest steht auf jeden Fall, dass Bartlett die Sache ganz und gar billigte, von dem jungen Mann als dem künftigen Ehegatten seiner Frau sprach und ihn in jeder Beziehung ermutigte.«

»Ja, das weiß ich alles«, erwiderte Jenny. »Machst du deshalb ein solches Aufhebens davon? Dieser Mr. Coke soll seine Frau ermutigt haben, sich mit einem anderen Mann einzulassen?«

»Nicht direkt«, sagte Sir Nicholas. Trotz ihres heftigen Widerspruchs war Jenny beinahe kindlich unschuldig geblieben. »Wenn ich mich eines Ausdrucks der modernen Umgangssprache bediene, musst du mir verzeihen, weil ich wirklich nicht weiß, wie ich es anders formulieren soll. Es gibt einen jungen Mann, einen Freund der Familie, der Mrs. Coke liebt, obschon sie seine Gefühle nicht erwidert. Dem Ehemann hat es gefallen, seine Frau gegen ihren Willen zu einer Beziehung mit diesem Mann zu zwingen.«

»Schön und gut, aber wo bleibt der Ausdruck aus der modernen Umgangssprache?«, fragte Antony.

»Wenn es denn sein muss: Coke geilt sich daran auf - heißt das so? - wenn er zusieht, wie das Paar in seiner Gegenwart - äh - miteinander bumst, wiewohl er selbst es nie für angebracht gehalten hat, seine Ehe zu vollziehen. Was sagst du dazu?«

»Dazu sage ich, dass der junge Mann, von dem du gesprochen hast, also der Dritte im Bunde, ein ganz merkwürdiger Kerl sein muss«, erklärte Antony unverblümt.

»Sehr wahrscheinlich, aber darauf kommt es nicht an. Mein verbaler Ausrutscher rechtfertigt auch nicht, dass du dich ständig eines Slangs bedienst. Aber lassen wir das einmal beiseite«, fügte er großzügig hinzu. »Die Sache ist die: Meine Mandantin fand dies perverse Verhältnis auf die Dauer unerträglich und will das einzige Mittel nutzen, welches ihr zur Verfügung steht. Ich darf betonen, dass sie mir als eine wahrheitsliebende und offene Frau erschien, die ganz verzweifelt war.«

»Ja, das kann ich mir vorstellen.«

»Wenn du sarkastisch werden willst...«

»Das war kein Sarkasmus, Onkel Nick, sondern die pure Wahrheit. Trotzdem...«

»Kannst ihm die Gelegenheit nicht verweigern, mit dem Mann zu reden«, warf Vera ein, als ihr Mann unterbrechen wollte. »Einzige Möglichkeit, seine Meinung zu hören.«

»Mag wohl sein«, gab Sir Nicholas widerstrebend zu, lächelte diesmal aber. »Ist dir an dem Namen deines Mandanten nichts aufgefallen, Antony?«

»Durchaus nichts Negatives«, erwiderte Antony. »Er hat ja einen berühmten Vorgänger, aber das wird ihn jetzt kaum trösten.«

»Das nehme ich auch nicht an«, meinte Sir Nicholas und ergriff sein Cognacglas. »Tja, du wirst ja morgen mit ihm reden, Antony. Ich wünsche dir viel Vergnügen. Ich muss allerdings auch ein gewisses Bedauern eingestehen.«

»Warum, wenn die Dame so hübsch ist?«

»Das hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun«, erwiderte sein Onkel mit Würde. »Die Anwaltspraxis ist eine sehr alte - Coke, Coke & Barleycorn.«

»Nie gehört.«

»Das liegt nahe, es ist eine reine Familienpraxis. Dieser Coke ist der zweite, glaube ich. Ich kannte seinen Vater recht gut, aber er ist vor einigen Jahren verstorben. Jetzt tut es mir leid, dass ich nie auf den Gedanken gekommen bin, ihn zu fragen, warum er seinem Sohn -, ob er seinem Sohn den Vornamen bewusst gegeben hat.«

»Ist Edward wie Adelaide Bartletts Ehegatte ein älterer Mann?«

»Ich glaube, sie sagte, er sei zehn Jahre älter. Demnach müsste er Ende Dreißig sein. Kein allzu großer Unterschied.«

»Verstehe.« Er erhob sich, wieder ruhelos geworden, und ging zum Tisch, wo die Karaffen standen. »Man lernt, solange man lebt«, meinte er beiläufig. »Morgen Abend um diese Zeit sind wir beide vielleicht schon klüger.«

 

 

 

 

Mittwoch, 9. Mai

 

 

 

1

 

 

Desmond Barleycorn und Edward Coke trafen etwa zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit in Sir Nicholas Hardings Kanzlei im Inner Temple ein. Antony, der mit Akten über die Erschleichung von Vermögensvorteilen durch betrügerische Machenschaften rang und der allgemeinen Ansicht, hier handele es sich um einen juristischen Alptraum, ohne Vorbehalt zustimmte, war froh, die Unterlagen beiseiteschieben und Willett bitten zu können, die Besucher sofort hereinzuführen. Sein Zimmer war lang und schmal und selbst an sonnigen Tagen ziemlich dunkel. An diesem Vormittag hatte die Sonne sich überhaupt nicht hervorgewagt, und er ging zur Tür, um das Licht seiner Schreibtischlampe durch das der Deckenbeleuchtung zu verstärken, bevor seine Besucher eintrafen.

Trotz der Mitteilung seines Onkels hatte er einen älteren Mann erwartet. Edward Coke, der vor seinem Sozius und anwaltschaftlichen Vertreter den Raum betrat, war ein hochgewachsener Mann, der höchstens Mitte Dreißig zu sein schien. Dunkelhaarig und mit regelmäßig geschnittenen Zügen, beinahe gutaussehend. Ein äußerlich konservativer Mann, auch und vor allem in der Kleidung. Man konnte leicht begreifen, dass die Unterstellung perverser Neigungen ihn beruflich wie persönlich schwer schädigen würde. Seine Erscheinung war, wie Maitland fand, ein Punkt zu seinen Gunsten; was er sonst noch vorzubringen hatte, würde man sehen müssen.

Desmond Barleycorn war unverkennbar mehrere Jahre jünger und ahmte seinen Partner offenkundig nach, wenn auch ohne allzu großen Erfolg. Er hatte eine nervös eifrige Art an sich, seine Haare waren rötlichblond und verrieten eine deutliche Neigung, sich in natürliche Wellen zu legen. Im Großen und Ganzen machte er den Eindruck, als hätte er sich in rustikaler Kleidung wohler gefühlt als in dem konventionellen Anzug, den seine Stadtpraxis von ihm verlangte. Er ging mit ausgestreckter Hand an Coke vorbei.

»Mr. Maitland«, begann er. »Ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen. Das ist mein Partner Edward Coke.«

Antony ergriff notgedrungen die Hand - Coke bot ihm die seine nicht an - und deutete auf zwei Stühle. Durch die Deckenbeleuchtung konnte er die beiden Männer genau in Augenschein nehmen, ohne den Eindruck zu erwecken, er gedenke sie einem Verhör zu unterziehen.

»Sie haben das Wort, Mr. Barleycorn«, sagte er und reichte damit die Verantwortung für das Gespräch dorthin zurück, wo sie nach seiner Meinung hingehörte.

Der Solicitor, der ihn nur allzu offensichtlich einer genauen Prüfung unterzogen hatte - ein breitschultriger Mann von lässiger Art, mit dunklen Haaren, grauen Augen und schmalem, intelligentem Gesicht - sah seinen Partner an.

»Ja, ja, natürlich«, sagte Barleycorn. »Könnten Sie nicht Desmond zu mir sagen? Der Name ist ja wirklich albern, ich nehme mir manchmal vor, ihn zu ändern, aber das ist so kompliziert und keiner weiß mehr, wer du bist.«

»Ja, die Schwierigkeiten kann ich mir vorstellen. Ich hatte leider noch keine Gelegenheit, mir die Unterlagen anzusehen« - tatsächlich hatte er sie noch gar nicht in die Hand genommen - »aber ich habe außerdem eine Schwäche dafür, alles aus erster Hand zu erfahren. Soviel ich weiß, können wir uns mit der Sache aber nicht befassen, ohne auch die Scheidungsklage zu berücksichtigen, die Ihre Frau gegen Sie erhebt.«

»Das ist richtig.« Edward Coke ergriff zum ersten Mal das Wort, wenn man von der gemurmelten Begrüßung absah. Seine Stimme klang unerwartet tief und angenehm. Mit etwas mehr Lebendigkeit hätte man ihn für einen Schauspieler statt für einen Juristen halten können.

»Mein Bürovorstand sagt mir aber, dass Sie meine Dienste nur im Zusammenhang mit der Verleumdungsklage in Anspruch nehmen wollen.«

»Es hat sich einiges getan«, erklärte Desmond.

»Dinge, die ich auch erfahren sollte?«

»An den Fakten ändert das nichts, aber wir hatten gedacht, die Scheidungsklage würde zuerst verhandelt werden. Da es sich um eine strittige Sache handelt, scheint sich das aber hinzuziehen. Die Verleumdungsklage dürfte vorher zur Verhandlung anstehen. Mit dem Urteil dürfte praktisch auch über die Scheidungsklage entschieden werden.«

»Verstehe. Ich glaube, ich sollte Ihnen mitteilen, dass mein Onkel, Sir Nicholas Harding, von Mrs. Cokes Solicitor beauftragt worden ist. Das galt lediglich für die Scheidung, aber man dürfte seine Hilfe wohl auch in der anderen Sache in Anspruch nehmen.«

»Das mag für Sie ein wenig peinlich werden«, erklärte Barleycorn, »auch wenn ich nicht erkennen kann, welchen Unterschied das für uns macht. Es gibt keine Einwände dagegen, dass Angehörige derselben Kanzlei oder sogar derselben Familie vor Gericht auf verschiedenen Seiten auftreten.«

»Nein, das ist wahr, aber ich hatte das Gefühl, das erwähnen zu müssen. Das bringt uns aber zu einer anderen Frage, die, wie ich meine, unser Mandant nur sich selbst beantworten kann. Wenn die Scheidung nicht strittig wäre, Mr. Coke, gäbe es keinen Anlass dafür, diese Behauptungen, die Sie so tief treffen, publik zu machen. Mrs. Coke könnte warten, bis die drei Jahre um sind, und dann auf die übliche Weise die Auflösung der Ehe beantragen.«

»Ich halte nichts von Scheidung«, sagte Edward Coke nur.

»Hat das religiöse Gründe?«

»Ich bin Katholik. Elizabeth trat in die Kirche ein, bevor wir heirateten, so dass vom religiösen, nicht vom weltlichen Standpunkt her, die Gültigkeit unserer Ehe nicht im Zweifel sein kann, und darum geht es mir.«

»Haben Sie sich überlegt - wenn meine Bemerkung fehl am Platz ist, müssen Sie verzeihen, Mr. Coke - aber es ist meine Pflicht, Sie auf etwas hinzuweisen. Sie könnten einen Dispens erwirken, um Ihrer Frau die Scheidung zu ermöglichen. Die Konsequenzen Ihres Widerspruchs können für Sie ja sehr schwerwiegend sein.«

»Damit habe ich mich nicht befasst.«

»Ich kann durchaus verstehen, dass Sie für sich die Möglichkeit einer Wiederverheiratung nicht ins Auge fassen würden, aber...«

»Das verstieße gegen alles, woran ich glaube. Ich werde nie kampflos zustimmen, Elizabeth hier ihren Willen zu lassen.«

»Und Sie glauben, wenn Sie nachweisen können, dass Sie verleumdet worden sind...«

»Würde dem Scheidungsbegehren der Boden entzogen werden.

Das kann nicht im Zweifel sein.«

»Das bringt uns zu der Frage: Sind Sie davon überzeugt, sich durchsetzen zu können?« Er blickte dabei Desmond Barleycorn an, und dieser gab ihm auch die Antwort.

»Was diese Frage nach konkreten Schäden angeht, ist die Sache ganz klar. Ebenso der Beweis, dass die nachteiligen Behauptungen schriftlich niedergelegt und im juristischen Sinn der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Dagegen...« Er zögerte.

»Mrs. Coke könnte sich durch Berufung auf die Wahrheit verteidigen«, sagte Maitland. »Meinen Sie das?«

»Genau das meine ich.« Barleycorn wirkte erleichtert. »Das ist der Grund...« Er zögerte wieder. Sein Eifer schien ein wenig nachgelassen zu haben. »Deshalb habe ich Edward erklärt, dass wir Sie brauchen«, fuhr er dann fort, wobei er offenbar seinen ganzen Mut zusammennahm.

»Warum?«, fragte Maitland ohne Bereitschaft zu einem Kompromiss.

»Weil ich Ihrem Ruf vertraue, versteht sich.«

Das war eine Feststellung, die Maitland schon oft gehört hatte, und über die er sich immer wieder ärgerte. Neben einer berufsbedingten Abneigung gegen Aufsehen in der Öffentlichkeit hasste er das auch aus persönlichen Gründen in höchstem Maß, und es missfiel ihm besonders, an die Aufmerksamkeit erinnert zu werden, die ihm in der Presse manchmal zuteil geworden war.

»Im Zusammenhang mit Strafsachen«, erwiderte er scharf. »Sie können keinesfalls davon gehört haben, dass ich mich jemals mit Dingen wie diesen abgegeben hätte.«

»Dann vergessen wir diese Seite, wenn Ihnen das lieber ist«, meinte Desmond entgegenkommend. »Sie waren schon früher an Verleumdungsprozessen beteiligt, erzählen Sie mir nichts. Die Sache hier ist wie jede andere, wenn Sie außer Acht lassen, dass die Gegner Mann und Frau sind.«

»Leider scheint aber genau das der Kern der Sache zu sein«, sagte Maitland düster. »Soll ich aber Ihren Worten entnehmen, dass, wenn Mrs. Coke ihre Behauptung als Wahrheit unterstellt, wir nichts Gegenteiliges beweisen können?«

»So, wie die Dinge zur Zeit stehen«, gab Desmond zurück.

»Aber sehen Sie, Mr. Maitland, die Leute sagen, dass Sie tiefer hinter die Dinge sehen als die meisten von uns, und da hoffte ich...«

»Dass ich mich dazu in der Lage sehen würde, in meinem Einsatz etwas weiter zu gehen, als die Annahme des Mandats mich verpflichtet«, ergänzte Maitland. Er schwieg eine Zeitlang und dachte nach. »Hm... von Ihrem Standpunkt aus ja wohl zu verstehen, aber den meinen wird man wohl auch berücksichtigen müssen.«

»Sie denken an die Zeit, die das kosten wird.«

»Nicht unbedingt.«

»Er meint«, warf Edward mit seiner tiefen Stimme ein, »dass er mir meine Geschichte vielleicht nicht abnimmt, wenn er sie gehört hat.«

»Na, ich muss schon sagen!« Desmond schien durch diese offene Redeweise ein wenig aus dem Konzept zu geraten, bemerkte dann aber, dass Maitlands Miene sich aufgehellt hatte.

»Genau daran habe ich gedacht, Mr. Coke«, erklärte Antony verbindlich. »Sie sollten also lieber zum Anlass Ihres Besuches kommen. Wollen Sie mir sagen... oder möchten Sie lieber, dass Mr. Barleycorn für Sie spricht?«

»Desmond weiß von der Sache natürlich ebenso viel wie ich«, sagte Edward Coke, »aber ich kenne die juristische Seite auch so gut wie er, kann es also ruhig selbst sagen. Haben Sie aus den Unterlagen, die Desmond zur Verfügung stellte, die Art der Beschuldigung ersehen, die Elizabeth vorbringt?«

»Ich weiß in Umrissen davon, ja«, gab Antony zurück und blieb damit bei der Wahrheit, so gut er konnte, ohne das Gespräch mit seinem Onkel zu erwähnen.

»Dann brauchen wir im Augenblick vielleicht nicht näher darauf einzugehen.«

»Nein, aber es geht um die Frage, ob die Verleumdung öffentlich gemacht wurde.«

»Das müssen Sie sich freilich fragen. Elizabeth ging zu ihrem Solicitor, der Ihnen vielleicht bekannt ist...«

»Mr. Bellerby? Ja, sogar sehr gut bekannt.«

»Tja, über den Verlauf dieses ersten Gesprächs kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich nehme an, er wies sie auf die Schwierigkeiten hin, eine Scheidung durchzusetzen, da wir erst zweieinhalb Jahre verheiratet sind. Ich weiß natürlich nicht, wie sie es ausgedrückt hat, aber sie erklärte ihm, sie könne gute Gründe dafür anführen, das Begehren schon jetzt einzureichen. Sie ging ein zweites Mal zu ihm und nahm David Barrie mit. Das ist der Mann, den ich angeblich... mit dem sie angeblich... nun, auf jeden Fall bestätigte er alles, was sie behauptete. Und sie muss diesen Mr. Bellerby völlig eingewickelt haben, weil er ihr offenbar erklärte, der Fall sei ganz eindeutig. Ich gebe zu: Wenn das zuträfe, wäre er auch unangreifbar. Elizabeth war töricht genug, einer Busenfreundin von ihr zu schreiben, Primrose Ross, die selbst eine sehr törichte Frau ist, wenn auch im Übrigen gar keine schlechte Person, und sich händereibend über die ganze Geschichte auszulassen. Wir haben ihn, wo wir ihn brauchen - in dieser Art, und prompt alles ausgebreitet.«

»Und diese Mrs. - Miss? - Ross kam mit dem Brief zu Ihnen?«

»Miss Ross. Nein, so war es nicht. Sie sprach vielmehr mit mindestens zwei Ehepaaren darüber, die wir kennen, Roland und Frances Walpole und Terence und Joanna Stowe. Wer mir davon erzählte, war Roland. Er und Fran glaubten kein Wort davon. Jedenfalls behauptete er das, und ich denke, dass er die Wahrheit gesagt hat. Terence und Joanna dagegen gingen mir offenkundig aus dem Weg, so dass ich ihn zur Rede stellte. Nach einiger Zeit gab er zu, dass Primrose mit ihnen gesprochen hätte. Sie hatten ihrerseits bei anderen Leuten von der Sache etwas erwähnt. Ich weiß nicht, wie viele das waren, aber vielleicht erfahren Sie es, wenn Sie mit ihnen reden. Beide Ehepaare könnten vor Gericht aussagen, obwohl ich das Gefühl habe, dass Terence und Joanna es nur widerstrebend tun würden. Die Fabel würde mich beruflich ganz gewiss schädigen, ganz abgesehen von meinen persönlichen Empfindungen. Auf mein Gespräch mit Terence folgte ein knapp gehaltener Brief, der bei unserem Gespräch schon unterwegs gewesen sein muss. Er enthielt die Bitte, seine Rechtsangelegenheiten einer anderen Kanzlei zu übertragen. Aber wie ich schon sagte, habe ich auch mit Primrose gesprochen.«

»Und sie gab zu, den Brief erhalten zu haben?«

»Mehr noch, sie gab ihn mir sogar. Ich sprach schon davon, dass sie eine sehr törichte Frau ist. Ich glaube nicht, dass sie auch nur von fern die Absicht hatte, Elizabeth damit zu schaden.« Er verstummte kurz und lächelte. »Ich fange an, Ihnen zu glauben, wenn Sie sagen, Sie hätten die Unterlagen noch nicht studiert, Mr. Maitland. Sie enthalten eine Abschrift des Briefes.«

»Gut, aber Sie sehen...«

»Sie sind sich noch nicht einmal jetzt sicher, ob Sie den Fall übernehmen. Das verstehe ich vollkommen. Und Sie werden mich noch auf etwas anderes hinweisen: Wenn wir nicht beweisen können, dass Elizabeth lügt, wird ihr das, was Primrose getan hat, in keiner Weise schaden, außer, dass sie vor Gericht erscheinen muss, was wohl niemand sonderlich schätzt. Aber wenn sie im Verleumdungsprozess positiv abschneidet, hat sie die Scheidung so gut wie in der Tasche.«

»Ja, und das ist der nächste Punkt, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Warum will sie die Scheidung, wenn ihre Behauptung gar nicht der Wahrheit entspricht, Mr. Coke? Sie sagten, Sie wären erst, wieviel? - zweieinhalb Jahre verheiratet?«

»So ungefähr. Dezember 1970, um genau zu sein. Und warum sie die Scheidung will... Ich glaube, die Ehe ist ihr zuwider, wir haben seit der Anfangszeit nicht mehr miteinander geschlafen. Ich sehe aber keinen Grund dafür, dass sie so weit geht.«

»Hat Sie die Sache mit Ihnen besprochen, bevor sie zu Mr. Bellerby ging?«

»Ja, sie verlangte direkt die Scheidung von mir. Ich erklärte ihr natürlich, was sie schon ganz genau wusste, dass uns als Katholiken dieser Weg nicht freisteht. Sie erwiderte darauf nur, ich solle nicht so spießig sein. Ich bot ihr die Trennung an und wollte weiterhin für ihren Unterhalt aufkommen, so, als lebten wir noch zusammen, aber damit war sie ganz und gar nicht einverstanden. Wir stritten eine ganze Weile darüber, vor allem sie, dann ging sie und stieß Drohungen aus, packte ihren Koffer und zog in ein Hotel. Bevor ich mich versah, wurde mir die Scheidungsklage zugestellt. Angesichts der kurzen Zeit, die wir verheiratet sind, wusste ich natürlich, dass sie irgendwelche extremen Dinge angeben musste, aber ich hatte keine Ahnung, worum es eigentlich ging, bis mich Roland besuchte. Ich räume ein, dass mich das alles tief erschüttert hat.«

»Und an ihren Behauptungen ist kein Wort wahr?«

»Nicht die Spur. Überlegen Sie doch, Mr. Maitland...«

»Das tue ich«, sagte Antony reumütig.

»...wenn ich so ein Mensch wäre, ein so perverser Lüstling, wie sie behauptet, glauben Sie dann, ich würde trotz meiner religiösen Einstellung nicht einer Scheidung ohne Skandal zustimmen?«

»Ein Punkt, der etwas für sich hat.«

»Er überzeugt aber nicht ganz«, fuhr Edward Coke fort. »Wenn die Menschen immer logisch wären... wir sind es nicht, und ich weiß das so gut wie Sie. Ich kann Ihnen nur versichern...«

»Er sagt die Wahrheit, wissen Sie«, erklärte Desmond Barleycorn, unerwartet wieder ins Gespräch eingreifend.

»Erzählen Sie mir von David Barrie«, sagte Maitland unvermittelt.

»David?« Cokes Stimme klang erstaunt.

»Ich denke, es ist doch naheliegend, dass ich über ihn etwas wissen muss. Sie sagen, Sie können mir keine Erklärung dafür geben, weshalb Mrs. Coke so entschieden auf einer Scheidung besteht. Vielleicht können Sie mir aber erklären, warum dieser junge Mann ihr bei einer Lügengeschichte Deckung gibt?«

»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen«, gab Edward Coke eher verzweifelt zurück.

»Kommen Sie, Sie können es wenigstens versuchen«, ermunterte Maitland. »Ist er ein Freund der Familie? Hat er Sie öfter besucht?«

»Man kann wohl behaupten, dass er und sein Vater Freunde von uns sind, obwohl er im Verhältnis zu mir ein noch jüngerer Mann ist, so wie Owen, sein Vater, älter ist als ich. Mrs. Barrie ist vor einigen Jahren gestorben.«

»Freunde von Ihnen, oder Freunde von Mrs. Coke?«

»Von uns beiden wohl. Früher luden wir sie öfter zum Abendessen ein und wurden ebenso regelmäßig von ihnen eingeladen, aber in den letzten sechs Monaten oder vielleicht ein bisschen länger, gewöhnte David sich an, unangemeldet bei uns zu erscheinen und mitzuessen, was es gerade gab. Mir machte das nichts aus, Elizabeth schien ihn gerne um sich zu haben, und um die Wahrheit zu sagen, unser Verhältnis war so getrübt, dass die Anwesenheit eines Dritten gewissermaßen als Erleichterung empfunden wurde.«

»Das erste Mal kam er...?«

»Auf Elizabeths Einladung. Ich glaube jedenfalls, dass sie zu ihm sagte, er sei jederzeit willkommen. Sie erklärte, Owen mache sich wegen seines - Owens - Lebensstils Sorgen, und sie meinte, die Besuche bei uns könnten ihn in eine andere Richtung lenken. Wenn sie es so ausdrückte, konnte ich mich natürlich nicht weigern, ihn dabeizuhaben, und wenn ich das noch so gerne getan hätte.«

»Sie können aber nicht bestreiten, dass Sie zu dritt allein waren.«

»Nein, und wir haben auch kein Personal, das im Haus wohnt, so dass in dieser Beziehung keine Aussagen einzuholen sind.«

»Wie alt ist David Barrie? Was für einen Beruf übt er aus?«

»Ich würde sagen, um die Dreißig, nicht viel älter als Elizabeth. Und Owen ist ein sehr wohlhabender Mann. Ich glaube nicht, dass David in seinem Leben schon einmal etwas gearbeitet hat. Ein Kunstliebhaber. Ist bei allen Premieren dabei, besucht sämtliche Kunstausstellungen...«

»Und soll diesen sonderbaren Vorgängen zugestimmt haben, weil er in Ihre Frau verliebt ist.«

»Ich nehme an, dass er das ist. Ich wäre ja offenkundig der letzte, der das erfahren würde.«

»Eine seltsame Leidenschaft. Und Mrs. Cokes Gefühle in diesem Zusammenhang?«

»Sie sagt, sie hätte Angst vor mir gehabt«, stellte Edward bitter fest, »und deshalb hätte sie mitgemacht.«

»Haben Sie sie jemals geschlagen, nur als Beispiel?«

»Nein.«

»Das habe ich eigentlich auch nicht gemeint, sondern: Was können Sie mir über ihre Empfindungen David Barrie gegenüber sagen?«

»Auch das hätte ich wohl als letzter erfahren. Wenn sie in ihn verliebt ist, meine ich. Aber ganz ehrlich, Mr. Maitland: Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. An der Oberfläche scheint sie eine gefühlvolle, liebesfähige Frau zu sein, aber in Wirklichkeit halte ich sie für frigide.«

»Verstehe. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, Mr. Coke, dass sie, wenn Sie mir die Wahrheit sagen, nicht nur Mr. Bellerby angeführt hat, der ganz und gar kein Dummkopf ist, sondern auch meinen Onkel, der einer der scharfsinnigsten Menschen ist, die ich kenne.«

»Dann glauben Sie mir also nicht?« Edward Coke wollte aufstehen, aber Maitland winkte ungeduldig ab.