Baccara Extra Band 21 - Anne Marie Winston - E-Book

Baccara Extra Band 21 E-Book

Anne Marie Winston

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Beschreibung

ATEMLOSE LEIDENSCHAFT IN DEINEN ARMEN von DAY LECLAIRE
Ein Inferno der Lust überschwemmt Giannas, als Constantine sie küsst. Dabei wollte sie dem Millionär doch sagen, dass sie nicht mehr frei ist. Aber Gianna hat nicht mit dem feurigen Temperament des Italieners gerechnet: Er ist bereit, alles zu tun, um ihre Liebe zu retten …

VERGISS DIE SCHATTEN DER VERGANGENHEIT von Anne Marie Winston
Als Phoebe ihm auf dem Gipfel der Lust gesteht, dass sie ihn liebt, ist Wayne glücklich. In Gedanken plant er bereits die gemeinsame Zukunft. Doch Phoebe lehnt seinen Heiratsantrag ab. Glaubt sie noch immer, dass er den Tod ihrer Zwillingsschwester zu verantworten hat?

MAGIE EINER GEWITTERNACHT von BRENDA JACKSON
Eine Gewitternacht, wie sie aufregender nicht sein kann: Mit einer sexy Fremden in seinem Bett, deren Küsse so sinnlich sind … Am nächsten Morgen ist sie verschwunden. Nur ihren Spitzenslip hat sie zurückgelassen. Doch Derringer ist entschlossen, seine Traumfrau wiederzufinden!

HEISSE KÜSSE IM MONDSCHEIN von KATHERINE GARBERA
Ein Flirt im Büro? Nie wieder, denkt Astrid. Und dennoch widersteht sie nicht, als ihr neuer Boss sie eines Abends nach der Arbeit sanft berührt und im Mondschein küsst. Der Traum vom wahren Liebesglück scheint so nah - bis Henry hinter ihr wohlgehütetes Geheimnis kommt …

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Seitenzahl: 803

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Day Leclaire, Anne Marie Winston, Brenda Jackson, Katherine Garbera

BACCARA EXTRA BAND 21

IMPRESSUM

BACCARA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg, in der Reihe: BACCARA EXTRA, Band 21 – 2020

© 2011 by Day Totton Smith Originaltitel: „Dante’s Honor-Bound Husband“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Peter Müller Deutsche Erstausgabe 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1714

© 2006 by Anne Marie Rodgers Originaltitel: „The Soldier’s Seduction“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1443

© 2011 by Brenda Streater Jackson Originaltitel: „A Wife for a Westmoreland“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Heike Warth Deutsche Erstausgabe 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1705

© 2010 by Katherine Garbera Originaltitel: „Master of Fortune“ erschienen bei: Silhouette Books,Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1655

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733727017

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Atemlose Leidenschaft in deinen Armen

PROLOG

„Bitte geh nicht.“

Constantine Romano schloss die Augen und kämpfte um Beherrschung. „Ich habe keine Wahl.“ Er musste gehen. Tat er es nicht, stand alles auf dem Spiel: seine Integrität, seine Ehre als Angehöriger der Familie Romano, alles, was ihn zu einem Mann machte.

„Dann lass mich mitkommen.“ Verzweifelt sah Gianna Dante ihn an. Tränen standen ihr in den Augen. „Ich … ich kann dir helfen.“

Er fühlte sich zwischen seiner Ehre und dem Verlangen nach ihr hin- und hergerissen. Sosehr er sich auch bemühte, sich zusammenzunehmen, er konnte ihr nicht widerstehen. Jedenfalls nicht ganz. Voller Leidenschaft küsste er sie. Sie war wirklich einzigartig. Wunderschön, intelligent, atemberaubend. Noch nie hatte er sich zu einer Frau so hingezogen gefühlt.

Sie hatten sich kennengelernt, als Ariana, seine Schwester, Giannas Cousin Lazz geheiratet hatte. Als er damals ihre Hand ergriffen hatte, hatte ein ungeheures Verlangen ihn überwältigt. Nimm sie, hatte es ihm befohlen. Sie muss dein sein!

„Ich begreife das alles nicht“, gestand er ihr. Wie konnte er nur so versessen auf sie sein, nach nur einem Wochenende so überzeugt davon, dass sie die einzig Richtige für ihn war? „Wir kennen uns erst ein paar Tage, und schon weiß ich, dass ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen will. Wie kann das sein?“

Schuldbewusst sah sie ihn an. Dabei hatte sie keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Sie konnte doch nichts dafür, dass er sie so begehrte.

Sein Drang, mit ihr zu schlafen, war fast übermächtig, aber ohne dass sie es ihm gesagt hatte, wusste er, dass sie noch Jungfrau war. Mit ihr etwas anzufangen, ohne dass sie zumindest verlobt waren, würde sie entehren und Schande über seine und ihre Familie bringen. Erst musste er finanziell in der Lage sein, sie zu heiraten.

„Mich hat dieses plötzliche Begehren auch wie ein Blitz getroffen“, gestand sie ihm. Unendliche Trauer lag in ihren Augen. „Bitte, du darfst nicht gehen.“

„Ich will ja auch nicht weg, piccola. Aber ich will dir etwas bieten können, mehr als nur meinen Namen. Und deshalb muss ich zurück nach Italien.“

„Für wie lange?“

Leider hatte er darauf keine Antwort. „Bis mein Restaurierungsunternehmen richtig läuft. Bis ich genug Geld verdiene, um eine Frau ernähren zu können.“ Sie wollte widersprechen, aber er legte ihr sanft den Zeigefinger auf die Lippen. „Bitte, Gianna. Du darfst nicht von mir verlangen, dass ich gegen meine Grundsätze verstoße. Ich komme zurück, sobald es geht. Und dann bitte ich dich, meine Frau zu werden. Das schwöre ich dir beim guten Namen meiner Familie.“

„Ich werde auf dich warten“, versicherte sie ihm. „Und du weißt, dass ich warten werde. In der Zwischenzeit können wir so oft wie möglich telefonieren.“ Ihre Mundwinkel zuckten, aber sie riss sich zusammen. „Und dann gibt es ja noch E-Mails. Und ich werde so oft wie möglich nach Italien fliegen. Vielleicht kannst du ja auch mal kommen, wenn du ein paar Tage freihast.“

Ihre hoffnungsvollen Worte machten es ihm noch schwerer. Zärtlich ergriff er ihre Hand. „Gianna, wenn ich so schnell wie möglich zu dir zurückkehren will, muss ich mich voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Nur so kann es funktionieren.“

Misstrauisch runzelte sie die Stirn. „Was soll das heißen?“

„Dass du mich von meinem Ziel ablenken würdest. Wenn du mit mir kommen würdest, wenn du mich besuchen würdest oder wir ständig über Telefon und E-Mail in Kontakt wären, könnte ich mich nicht ausschließlich aufs Geschäft konzentrieren. Und gerade jetzt braucht es meine völlige Aufmerksamkeit. Ich muss alle meine Zeit meinem Unternehmen Romano Restoration widmen, nur dann ist gewährleistet, dass ich wirklich schnell – und dann endgültig – zu dir zurückkehren kann.“

Sie hielt den Atem an. „Oh nein, Constantine! Ist das wirklich dein Ernst? Wir sollen nicht telefonieren, nicht mal E-Mails schreiben?“

Ihn schmerzte es unendlich, sie so leiden zu sehen. Aber er durfte nicht nachgeben. „Bitte versteh das doch, amore. Bitte vertrau mir.“

Verstohlen wischte sie sich eine Träne weg. „Na gut, Constantine, wenn du meinst, es muss sein, dann machen wir es so.“ Sie machte eine kurze Pause. „Aber du kommst zurück – und zwar bald, ja?“

„So schnell es geht“, versprach er feierlich.

Dann erhob er sich und ging. So schwer es ihm auch fiel, er zwang sich dazu, sich nicht noch einmal umzudrehen. Bei jedem Schritt spürte er die wundersame Verbindung zwischen ihnen, die ihn zwingen wollte, Gianna in die Arme zu schließen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Oh ja, er würde zu ihr zurückkehren. Er hatte keine Wahl. Aber es würde nach seinen Regeln geschehen.

Bald. Lieber Gott, hoffentlich bald.

Gianna sah Constantine traurig nach. Hätte sie es ihm sagen müssen? War es ein Fehler gewesen, ihm nichts vom Inferno zu verraten – jenem unerklärlichen Familienvermächtnis, das für ein Kribbeln in der Handfläche sorgte, wenn ein Mitglied der Familie Dante den ihm vorherbestimmten Seelengefährten traf? Sie hatte ihre Gründe gehabt zu schweigen, und die würden ihm nicht gefallen.

Nachdenklich schloss sie die Augen. Das Inferno hatte schon fast all ihre Verwandten heimgesucht – ihre männlichen Verwandten. Weil sie das einzige weibliche Familienmitglied aus dieser Generation war, hatte niemand gewusst, ob das Inferno auch Frauen betraf. Erst seit sie und Constantine sich zum ersten Mal berührt hatten, kannte sie die Antwort. Es betraf auch Frauen!

Sie hatte sich entschlossen, Constantine das Familiengeheimnis zunächst lieber zu verschweigen. Zwar kannte sie ihn noch nicht lange, aber eins war ihr sofort klar geworden: Er war ein Mann, der das Schicksal lieber in die eigenen Hände nahm, der alles bestimmen wollte. Wenn er erfuhr, dass das Begehren und die Leidenschaft, die er verspürte, vom Inferno ausgelöst wurden – wie würde er reagieren? Würde er sich veranlasst sehen, dagegen anzukämpfen? Sie kannte ihn einfach noch zu wenig, um das mit Bestimmtheit sagen zu können. Deshalb würde sie das Geheimnis um das Inferno erst einmal für sich behalten.

Jetzt blieb ihr nichts zu tun, als auf Constantines Rückkehr zu warten. Abzuwarten und dann zu sehen, ob das Inferno real war – oder nur eine Illusion. Ob ihre Familie, die fest daran glaubte, recht hatte – oder ob die Wahrheit eine andere war. Denn vor Jahren hatte sie etwas aufgedeckt, was sie bisher sorgsam für sich behalten hatte. Die Zeit würde es zeigen.

Bald. Lieber Gott, hoffentlich bald.

1. KAPITEL

Er war zurückgekehrt.

Constantine Romano betrat den Raum mit einer Selbstsicherheit, als ob ihm hier alles gehörte. So war er eben, männlich, aristokratisch, siegesgewiss. Er trug sein Haar jetzt etwas länger, ansonsten wirkte er unverändert. Sein entschlossener Blick weckte Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, an gefährliche Piraten und Ehrenduelle. Bei aller Eleganz, die er ausstrahlte, war er im Inneren doch ein Mann der Tat. Einer, der bereit war, alles zu riskieren, alle herauszufordern, um das zu bekommen, was er wollte.

Und er wollte sie.

Ein Schauer lief Gianna Dante über den Rücken. Bald würde sie ihm gegenübertreten müssen. Ihr erstes Zusammentreffen lag über anderthalb Jahre zurück, und vieles hatte sich geändert. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob es damals wirklich das Inferno gewesen war, das Constantine getroffen hatte. So oder so. Sie tat also gut daran, auf das Treffen vorbereitet zu sein.

„Gianna? Schaust du bitte noch mal, ob dir die Vitrinen mit den Ausstellungsstücken so gefallen?“

Die Aufforderung holte sie in die Wirklichkeit zurück. Morgen sollte die traditionelle Mittsommernachtsgala der Dantes stattfinden, und es gab noch viel zu organisieren. Als Eventmanagerin musste sie sich um alles kümmern – das Catering, die Dekorationen, die Ausstellungsstücke. Zum Glück hatte sie eine hervorragende Assistentin, die ebenso gewissenhaft und detailverliebt war wie sie.

„Ja, Tara. Ich komme sofort.“

Natürlich musste Constantine genau zwischen ihr und den Vitrinen stehen. Auch egal, dachte sie, ich muss die Begegnung mit ihm hinter mich bringen. Alles halb so wild, sagte sie sich. Die intensiven Gefühle, die sie an jenem Wochenende verspürt hatte, waren nach und nach abgeebbt. Die ersten Monate hatte sie noch voller Spannung gewartet, doch allmählich hatte es nachgelassen. So intensiv sie damals das Inferno auch empfunden hatte – es schien zur Ruhe gekommen zu sein. Damit konnte sie umgehen. Sie würde Constantine einfach klarmachen, dass das Leben weitergegangen war, dass sie sich geändert hatte.

Während sie langsam den Ballsaal durchquerte und auf ihn zuging, war sie froh, dass sie sich heute so sexy angezogen hatte. Das leuchtend rote Jackett und der enge kurze Rock betonten ihre weiblichen Vorzüge.

Sollten ihm ruhig die Augen übergehen. Sollte es ihm ruhig leidtun!

Als sie auf dem Weg zu ihm war, wandte er sich plötzlich um und entdeckte sie. Sofort kam er auf sie zu, mit einer Entschlossenheit, die sie fast in die Flucht geschlagen hätte. Und kaum war er bei ihr, nahm er sie in die Arme und küsste sie, noch bevor sie protestieren konnte. Es war ein besitzergreifender Kuss, der sie derart überwältigte, dass sie nicht imstande war, sich zu widersetzen. Und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Es war so lange her, dass sie sich zum letzten Mal berührt hatten – neunzehn Monate, fünf Tage, acht Stunden und ein paar Minuten, um genau zu sein. Bei der ersten Berührung hatte das Inferno ein unbezwingliches Begehren in ihnen ausgelöst – aber nach nur einem Wochenende voller Glückseligkeit hatte er sie verlassen.

Nun fühlte sie sich hin- und hergerissen zwischen Freude und Verzweiflung. Über eineinhalb Jahre hatte er sie warten lassen. Das war zu lange gewesen. Warum kam er jetzt? Gerade jetzt, wo sie sich damit abgefunden hatte, dass sie wohl nicht so eine Inferno-Liebesgeschichte wie ihre Verwandten erleben würde?

Das war nicht fair.

„Hör auf“, bat sie schließlich. „Wir sollten das nicht tun. Es ist falsch.“

Wie sollte sie es ihm nur beibringen? Wie sollte sie ihm sagen, was ihr fast das Herz brach? Dass das Leben für sie weitergegangen war, sie jemand anderen gefunden hatte.

„Ich soll aufhören?“, fragte er und lächelte gewinnend. „Was redest du da, piccola? Nach all der langen Zeit sind wir endlich wieder zusammen. Das ist doch wunderbar. Was sollte daran falsch sein?“

Sie entwand sich seiner Umarmung und strich ihre Kleidung glatt, die unter seinem Ansturm gelitten hatte. „Schön, dich wiederzusehen“, sagte sie.

„Schön, mich wiederzusehen?“, fragte er verblüfft. „Was ist denn das für eine Begrüßung?“

Sein Tonfall klang geradezu bedrohlich. Das würde schwieriger werden als erwartet! „Bist du geschäftlich hier? Vielleicht findest du ja ein Stündchen Zeit, meine Großeltern zu besuchen, bevor du nach Italien zurückmusst.“ Sie lächelte, um ihre Nervosität zu verbergen. „Erst gestern haben sie sich nach dir erkundigt.“

„Gianna, begreift du denn nicht? Ich bin nach San Francisco umgezogen.“

Nein, nein, nein! Das war mehr als gemein! Nicht jetzt, nicht nach dieser langen Zeit. Sie setzte ein maskenhaftes Lächeln auf und bemühte sich, so unbeteiligt wie möglich zu wirken. „Ach, tatsächlich? Herzlichen Glückwunsch.“

„Ist das alles, was du mir zu sagen hast? Herzlichen Glückwunsch?“

Das Lächeln schwand aus ihrem Gesicht. Wut und Schmerz brachen sich Bahn. „Was willst du von mir, Constantine?“, fragte sie erregt. „Es ist jetzt fast zwei Jahre her. Ich habe das Ganze hinter mir gelassen. Und das solltest du auch tun.“

Erschrocken zuckte er zurück. „Hinter dir gelassen? Was soll das heißen?“

„Tu nicht so. Du hast mich sehr gut verstanden.“

„Das heißt … es gibt jemand anderen?“

„Genau. Es gibt jemand anderen.“ In diesem Moment bemerkte sie, dass alle Anwesenden sie anstarrten. Sie errötete. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich habe zu tun. Für die Gala morgen ist noch jede Menge zu erledigen.“

„Selbstverständlich“, sagte er mit kalter Stimme. „Lass dich von mir nur nicht von deinen Pflichten abhalten.“

Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und ging zur nächstbesten Vitrine. Den Inhalt nahm sie kaum wahr. Schließlich habe nicht ich unsere Beziehung beendet, dachte sie sich. Wir hatten ein paar wunderschöne Tage, und dann hat er sich einfach aus dem Staub gemacht. Dass ihm das scheinbar mühelos gelungen war, nährte ihre Zweifel am Inferno. Ihre Familie kannte nämlich nicht die ganze Wahrheit über dieses Phänomen. Sie schon. Mit dreizehn hatte sie nämlich etwas mit angehört, was ihr die Augen geöffnet hatte.

Und was Constantine anging – wenn er wirklich ebenso viel Begehren wie sie verspürt hatte, war er offenbar während der langen Zeit erstaunlich gut damit klargekommen. Hatte es einfach abgeschaltet, während er sich um Wichtigeres kümmerte, um sein Geschäft. Wie dumm ich gewesen bin, schoss es Gianna durch den Kopf. Monatelang habe ich mich nach ihm verzehrt. Hätte er nur halb so viel für mich empfunden, wäre er gar nicht erst nach Italien abgereist. Ich muss ihm ziemlich egal sein. Auf jeden Fall kann er mich nicht wirklich lieben.

Wenn sie ihm jetzt nachgab, würde er sie besitzen, mit Haut und Haaren, Körper und Geist. Aber was hätte sie? Einen Mann, der sie ganz nach Wunsch und ohne mit der Wimper zu zucken fallen lassen konnte, ohne dass es ihm sonderlich leidtat. Nein, so etwas brauchte sie nicht. Dafür war sie sich zu schade.

Das Inferno, soweit sie überhaupt daran glaubte, schien diesmal nur in einer Richtung funktioniert zu haben. Hätte es auch Einfluss auf ihn gehabt, dann hätte er nicht so lange fortbleiben können, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu melden. Na schön, dachte sie, wenn er es abschalten kann, kann ich es auch. Irgendwie wird es schon gehen. Und wenn es mich umbringt. Sie schloss die Augen, um die Tränen zu unterdrücken.

Oh Gott, wie sie ihn liebte!

Figlio di puttana! Constantine blickte Gianna wütend nach. Neunzehn Monate, fünf Tage, acht Stunden und ein paar Minuten hatte er ununterbrochen daran gearbeitet, sein Unternehmen Romano Restoration zum Erfolg zu führen. Jetzt war er endlich so weit, den Hauptsitz nach San Francisco zu verlegen. All das, um Gianna auch finanziell etwas bieten zu können, wenn er ihr einen Heiratsantrag machte. Und jetzt, wo er endlich dazu in der Lage war, zeigte ihm die einzige Frau, die er wirklich wollte, die kalte Schulter. Machte sich mit einem Hüftschwung davon, der ihn vor Begehren fast in den Wahnsinn trieb.

Ein anderer Mann! Er ballte die Hände zu Fäusten. Wie konnte sie es wagen …? Er hatte ihr doch versprochen zurückzukehren, sobald er so weit war, und sie hatte ihm versprochen zu warten. Mehr als anderthalb Jahre lang hatte er auf dieses Ziel hingearbeitet. Und jetzt wandte sie sich so einfach ab? Fühlte sie es denn nicht – die Flammen, die hell aufloderten, wenn sie sich gemeinsam in einem Raum befanden?

Er blickte auf seine geballten Fäuste und versuchte, das heftige Kribbeln in seiner rechten Hand zu ignorieren. Dieses Kribbeln, das er zum ersten Mal verspürt hatte, als Gianna ihm zur Begrüßung die Hand gegeben hatte. Und das seitdem nie verebbt war, egal wie weit sie voneinander entfernt waren.

Constantine wusste sehr wohl, was es war. Gianna hatte es ihm zwar nicht verraten. Aber seine Schwester Ariana, die Lazz Dante geheiratet hatte, hatte ihm alles über das Inferno erzählt. Diese Dantes mit ihrem verflixten Inferno! Es hatte ihnen noch nicht gereicht, seine Schwester einzufangen. Nein, aus irgendeinem Grund hatte die einzige weibliche Dante ihn ausgesucht und ihm mithilfe des Infernos die Selbstbeherrschung geraubt. Seitdem fühlte er sich hoffnungslos gefangen, und der einzige Ausweg schien zu sein, dem Begehren nachzugeben.

Und nun konnte er nicht mal das tun, weil Gianna angeblich alles „hinter sich gelassen“ hatte. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien. Aber so würde er sie nicht davonkommen lassen. Sie würde schnell erkennen müssen, dass man einen Constantine Romano nicht einfach „hinter sich ließ“. Wo immer sie auch hinging, er würde da sein. Und wenn sie zwischenzeitlich wirklich jemand anderen mit dem Inferno verhext hatte – nun, dann hatte derjenige eben Pech gehabt.

Egal welche Mühe es ihn kosten würde, egal ob sie damit einverstanden war oder nicht, er würde Gianna für sich gewinnen. Auch wenn das Inferno ihm seine Selbstbeherrschung geraubt hatte, durch die Heirat würde er sie zurückgewinnen. Wenn er erst den Ring am Finger trug und Gianna in seinem Bett hatte, würde dieses unheimliche Begehren nachlassen und er wieder die Oberhand gewinnen. Bis dahin – nun, man würde sehen. Nachdenklich betrachtete er sie aus der Ferne.

Oh Gott, wie sehr er sie begehrte!

„Hast du schon das Neueste gehört?“, fragte Elia Dante, Giannas Mutter. Sie saß auf einem Stuhl vor den Umkleidekabinen der Boutique Sinfully Delicious. „Nein, Gianna. Nicht das lachsfarbene Kleid. Nimm das bronzefarbene. Das steht dir besser.“

Gianna hielt sich nacheinander beide Kleider an und nickte dann zustimmend. Ihre Mutter hatte recht. Ihr Sinn für Mode war einfach unerreicht. „Das Neueste? Was meinst du?“

„Constantine Romano ist nach San Francisco gezogen. In den nächsten Tagen eröffnet er hier sein Unternehmen Romano Restoration. Offenbar hat er den ganzen Umzug von Italien aus organisiert.“

Gianna zuckte zusammen und war froh, dass sie Elia in diesem Moment den Rücken zuwandte. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, dass ihre Mutter davon erfuhr. „Oh, das ist eine Überraschung“, sagte sie so unbeteiligt wie möglich.

„Findest du?“, fragte Elia. „Anscheinend hat er sein Unternehmen zum Erfolg geführt, ohne dass wir etwas davon mitbekommen haben.“ Sie hob eine Augenbraue. „Vielleicht wollte er eine gewisse junge Frau damit überraschen?“

Gianna seufzte. Ihre Mutter war die einzige Person, der sie anvertraut hatte, was zwischen Constantine und ihr geschehen war. Dem Rest Familie hatte sie es verheimlicht – aus Angst, sie würden sich einmischen. „Ach, was wir zusammen hatten – oder besser: was ich dachte, was wir zusammen hätten –, ist doch schon lange vorbei.“

„Das Inferno geht nicht vorbei, chiacchierona.“

„Vielleicht ja doch.“

Gianna wandte sich um und sah ihre Mutter an. Was sie wohl sagen würde, wenn sie die ganze Wahrheit über das Inferno kannte? Gianna hatte es bisher lieber für sich behalten. Vor vielen Jahren hatte sie mit angehört, wie Onkel Dominic es Tante Laura erklärt hatte. Und sie hatte auch mitbekommen, was er getan hatte, um sie beide vom Inferno zu befreien. Aber sie hatte nie gewagt, es jemandem zu erzählen. Das Risiko erschien ihr zu groß, dass die Wahrheit zahlreiche glückliche Beziehungen zerstören würde. Wenn ihre Verwandten an das Inferno glaubten, würden sie vielleicht nie entdecken, was Giannas Onkel und Tante erlebt hatten …

Dass das Inferno nämlich durchaus nicht zwangsläufig ewig anhielt.

Gianna zögerte. Sie konnte ihrer Mutter einfach nicht die ganze Wahrheit enthüllen, deshalb wählte sie ihre Worte sorgfältig. „Vielleicht ist es bei mir anders, weil ich eine Frau bin“, begann sie vorsichtig. „Vielleicht hat es diesmal nur in eine Richtung geklappt, und er empfindet nicht, was ich empfinde.“

„Dann wäre er nicht hier.“

„Eventuell kann ich ja das Inferno rückgängig machen …?“, deutete sie an.

Elia lachte. „Ha, das geht nicht. Das Inferno ist für alle Ewigkeit.“

Ist es nicht, dachte Gianna, behielt das aber lieber für sich. „Dass Constantine jetzt hier ist, spielt keine Rolle mehr. Es ist zu spät.“

„Aus deinen Worten spricht der Stolz“, erklärte Elia weise. „Nicht dein Herz.“

„Ich habe die alte Geschichte hinter mir gelassen“, verteidigte Gianna sich. „In letzter Zeit bin ich David d’Angelo nähergekommen.“

„Immerhin ist er Italiener, wie Constantine“, lenkte ihre Mutter ein. „Und er stammt aus einer guten Familie, auch wenn sie bei Weitem nicht so nobel und angesehen ist wie die der Romanos.“

„Vielleicht nicht, aber immerhin sind sie erfolgreiche Banker.“

In ein paar Monaten sollten sie sogar irgendeinen Preis für ihre Verdienste im Bankwesen erhalten. Und David sah wirklich gut aus, sehr gut sogar. Allerdings hatte sein Aussehen nichts Aufregendes an sich, nichts, was den Puls in die Höhe trieb, sondern wirkte eher gefällig, glatt und bieder. Und nett war er auch, wirklich nett. Obendrein intelligent, höflich und auch amüsant. Ein ganz klein wenig störte sie sein Anspruchsdenken, aber wer war schon vollkommen?

Dass er in Italien geboren war, hörte man ihm nicht an, denn er hatte viele Jahre im Ausland studiert. Ihn mit Constantine zu vergleichen fiel ihr schwer. Von der Intelligenz, die sie beide besaßen, einmal abgesehen, waren sie so unterschiedlich wie ein Paradiesvogel und ein Panther.

„David ist nicht wie Constantine“, murmelte Elia. Merkwürdig, genau dasselbe hatte Gianna auch gerade gedacht.

„Hauptsache, ich mag ihn. Sogar sehr. Darauf kommt es schließlich an, oder?“

„Mögen, was für ein blutleeres Wort. Wenn du kochende Leidenschaft haben kannst, warum solltest du dich dann mit einem lauwarmen ‚Mögen‘ zufriedengeben?“

„Weil es sicherer ist“, erwiderte Gianna leise.

Ja, sicherer. Es war riskant, den Löwen der Leidenschaft zu wecken. Das konnte in tiefster Verzweiflung enden. Vor allem, wenn es Constantine Romano betraf. Wenn sie stattdessen einen netten Kerl mochte, konnte nicht viel passieren.

„Ich habe übrigens mit Ariana darüber gesprochen.“

Auch das noch! „Sind sie und Lazz immer noch in Italien?“, fragte Gianna in der Hoffnung, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. Große Chancen dafür rechnete sie sich allerdings nicht aus.

„Ja, wahrscheinlich noch zwei Monate“, antwortete ihre Mutter und kam natürlich sofort wieder auf den kritischen Punkt zu sprechen. „Sie ist der Meinung, dass Constantine nur deinetwegen wieder nach San Francisco gekommen ist.“

„Constantines Schwester ist eben unheilbar romantisch. Jetzt jedenfalls. Das löst das Inferno in einem aus. Ich wette, bevor sie Lazz kennengelernt hat, war sie mehr der vernünftige, sachliche Typ.“ Gianna verzog das Gesicht. „Ja, so ist das Inferno. Es mischt sich ein, krempelt die Leute um.“

„Mit ein bisschen Glück wirst du auch bald umgekrempelt.“

In Elias Stimme klang die Liebe zu ihrem Mann Alessandro. Meine Eltern haben ihr Glück gefunden, dachte Gianna. Sicher, manchmal gibt es auch Streit, aber sie lieben sich wirklich leidenschaftlich und können sich hundertprozentig aufeinander verlassen.

„Nein danke. Ich glaube, ich halte mich lieber an David.“

„Jede Wette, dass Constantine versuchen wird, deine Meinung zu ändern. Und ich glaube, tief in deinem Inneren wünschst du dir, dass es ihm gelingt.“

Wenn das Inferno zwischen Constantine und mir doch auch nur hundertprozentig funktioniert hätte, dachte sie wehmütig. Dann wäre ich jetzt auch so glücklich wie meine Mutter.

Ja, wenn nur.

David war pünktlich wie immer. In seinem Frack wirkte er beinahe wie ein Filmstar. Er war ein ganz anderer Typ als Constantine, und er hatte fast ein Vierteljahr um Gianna werben müssen, bis sie sich endlich bereit erklärt hatte, mit ihm auszugehen.

Zur Begrüßung gab er ihr einen Kuss, der sie aber weit weniger beeindruckte als ein Kuss von Constantine. Wenn sie ehrlich war, ließ er sie völlig kalt. Das habe ich sicher dem Inferno zu verdanken, sagte sie sich. Ich kann nur hoffen, dass das, was ich bei der ersten Berührung mit Constantine gespürt habe, ein Irrtum war und wieder verfliegt. Dass ich irgendwann wenigstens einen Bruchteil dessen, was ich bei Constantine gespürt habe, auch für David empfinde. Irgendwann wird es so sein, irgendwann muss es so sein, egal was meine Verwandten glauben.

David schien nicht zu merken, dass ihre Küsse und Umarmungen wahre Leidenschaft vermissen ließen. Vielleicht hatte er auch nicht die Vergleichsmöglichkeit, die sie wegen des Infernos besaß. Bewundernd schaute er sie an. „Du siehst einfach umwerfend aus, Gia.“

„Danke.“

Da ihr bewusst war, wie kühl ihre Antwort geklungen haben musste, schloss sie ihn zur Entschädigung in die Arme. Was stimmte nur nicht mit ihr? David war doch so ein toller Mann! Er ließ keinen Zweifel daran, wie sehr er sie begehrte und dass er es wirklich ernst mit ihr meinte – das hatte er ihr auch offen gesagt, und sie war gerührt gewesen. Trotzdem konnte sie es nicht über sich bringen, ihre Beziehung auf die nächste Stufe zu führen. Und jetzt, wo Constantine zurück war …

Schluss jetzt mit den Gedanken an Constantine! Der hatte ihr schließlich gezeigt, wie wichtig sie ihm war, als er sich vor anderthalb Jahren einfach davongemacht hatte: überhaupt nicht wichtig. Ganz offensichtlich hatte das Inferno auf ihn nicht dieselbe Wirkung gehabt wie auf sie. Sie hatte ihn hinter sich gelassen, und der Mann, den sie stattdessen erwählt hatte, stand genau vor ihr. David hatte wirklich alles, was eine Frau sich nur wünschen konnte. Eine glänzende Zukunft als international erfolgreicher Banker. Eine Statur, die Frauen zum Träumen bringen konnte. Und ein ruhiges, besonnenes Wesen, das ihre Impulsivität ausglich. Vielleicht würde das Inferno ja später zuschlagen, wenn sie sich besser kannten.

„Fertig?“, fragte David.

„Ja.“

„Kommt deine ganze Familie?“ In Davids Stimme klang eine gewisse Nervosität mit; er empfand ihre Verwandtschaft bisweilen als erdrückend. „Und lerne ich dann endlich auch Lazz und Ariana kennen, oder sind sie immer noch in Italien?“

Seine Frage nach den beiden überraschte sie. Andererseits hatte er einmal erwähnt, dass er die Familie Romano, zu der ja auch Ariana gehörte, flüchtig kannte. „Ja, sind sie, und wahrscheinlich bleiben sie auch noch eine Weile. Sie verbinden ihren Urlaub mit einigen Geschäftsterminen.“

„Ach, wie schade“, murmelte er, doch irgendwie kam es ihr vor, als ob sein Bedauern nicht ganz aufrichtig war.

Nachdem Gianna die Tür ihres Reihenhauses geschlossen hatte, gingen sie zu Davids Jaguar. Wie üblich öffnete er ihr die Autotür; er war eben ein echter Gentleman. Auf der Fahrt zum Geschäftsgebäude der Dantes plauderten sie über Belanglosigkeiten. Erst kurz vorm Ziel schnitt David ein brisantes Thema an.

„Nächste Woche muss ich zu einem Meeting nach New York fliegen“, verkündete er. „Ein sehr langweiliges Meeting.“

Er hatte den Geschäftstermin vorher schon einmal kurz erwähnt. „Na ja, was sein muss, muss sein“, meinte sie mitleidig. „Wie lange wirst du fort sein?“

„Vier Tage. Von Freitag bis Montag.“

„Das geht ja noch. Und wenigstens brauchst du die USA nicht zu verlassen.“

„Das stimmt.“ Er hielt an der roten Ampel. „Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst. Das Geschäftliche wird nicht allzu lange dauern. Ich muss da zwar erscheinen, aber es ist mehr oder weniger eine Formsache.“

„Ach, David, ich weiß nicht recht“, sagte sie zögernd.

Bei Grün fuhr er wieder an. „Hör mich erst zu Ende an.“ Er klang entschlossener als sonst. „Wir könnten uns eine Suite im Ritz nehmen.“

Der Vorschlag kam für sie völlig überraschend. „Im Ritz? Wow.“ Dann begriff sie langsam. „Moment mal. Du meinst … eine, äh, gemeinsame Suite?“

„Genau. Für ein romantisches Wochenende. Ohne dass uns deine Familie auf die Pelle rückt.“

Unruhig rutschte Gianna auf dem Autositz hin und her. „Soll das heißen, meine Familie geht dir auf die Nerven?“, fragte sie lauernd.

Offenbar bemerkte er ihre Gereiztheit nicht. „Um ehrlich zu sein, ich finde es nicht so toll, dass sie uns dauernd im Nacken sitzt“, bekannte er. „Du bist fünfundzwanzig, kein Kind mehr. Und wir kennen uns jetzt ein halbes Jahr, gehen seit einem Vierteljahr zusammen aus, und trotzdem hältst du mich immer noch auf Distanz, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Und du meinst, daran ist meine Familie schuld?“

Noch immer schien er nicht begriffen zu haben, dass er sich auf gefährlich dünnem Eis bewegte. Er hätte doch schon längst bemerken müssen, dass die Familie ihr alles bedeutete. So war es eben bei den Dantes, und sie hatte gedacht, bei den d’Angelos wäre es ebenso. La famiglia – das war Teil ihres italienischen Erbes. Und es war ja nicht so, dass Außenstehende konsequent ausgeschlossen blieben. Im Gegenteil, die Dantes nahmen gern Neuankömmlinge in ihren Reihen auf. Doch dagegen hatte David sich gesträubt, als ob er ihren Absichten misstraute. Erst vor einem Monat hatte er endlich zugestimmt, ihre Verwandtschaft kennenzulernen. Weil er sich so reserviert verhielt, bewahrte auch ihre Familie höflichen Abstand, abgesehen von ihrer Nonna, die David von Anfang an sympathisch gefunden hatte.

Das Bürogebäude der Dantes kam in Sicht. „Nein, ich gebe nicht deiner Familie die Schuld, dass du mich so auf Distanz hältst. Es liegt wohl eher daran, dass sie dich so altmodisch erzogen haben. Nach längst überkommenen Werten.“

„Ach, langsam verstehe ich“, erwiderte sie. „Du hältst mich also für altmodisch, weil ich nicht gleich mit dir ins Bett gegangen bin, wie du es vielleicht von anderen Frauen gewöhnt bist?“

„Um ehrlich zu sein – ja. Wir leben im 21. Jahrhundert, Gia. Nur die Dantes nicht, die befinden sich noch immer im Mittelalter. Mit all den verstaubten Sitten und Moralvorstellungen. Ich habe in Oxford studiert und bin modern und weltoffen. Meine Familie ist im 21. Jahrhundert angekommen.“

„Und meine nicht.“ Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Aber du glaubst, ein Wochenendtrip nach New York katapultiert mich schlagartig in die Gegenwart.“

„Das hoffe ich jedenfalls. Ich wünsche es mir. Schön, deine Familie hat ihren Beschützerinstinkt, das sehe ich ein. Aber trotzdem. Du bist eine erwachsene Frau, Gia, mit der Betonung auf Frau. Du solltest ein Leben führen, wie du es willst, und dich nicht jahrhundertealten Regeln beugen.“

„Ist dir noch nicht in den Sinn gekommen, dass ich sehr wohl weiß, dass ich eine erwachsene Frau bin? Und dass ich nicht wegen meiner Familie, sondern aus freien Stücken diesen etwas altmodischen Lebensstil pflege, den du so abwertend beurteilst?“

„Na schön, eigentlich wollte ich dich später damit überraschen, aber wenn du so widerspenstig bist, muss ich mein Geheimnis lüften.“ Schmachtend sah er sie an, ergriff ihre linke Hand, küsste sie und strich ihr über den Ringfinger. „Es handelt sich um eine Überraschung, die eine große Feier nach sich ziehen wird. Deshalb wird deine Familie wohlwollend darüber hinwegsehen, wenn wir uns vorher schon ein kleines romantisches Abenteuer gönnen. Was sagst du dazu, Liebling?“

Gianna stockte der Atem. Man musste nicht Einstein sein, um eins und eins zusammenzuzählen. Er wollte ihr einen Heiratsantrag machen. Behutsam wählte sie ihre Worte. „Was soll ich dazu sagen? Ich meine, du hast die Überraschung erst angedeutet – es ist ja noch kein Heiratsantrag.“ Sie zögerte einen Moment. „Das sehe ich doch richtig?“

„Ja. Aber ich hoffe doch sehr, dass sich schon sehr bald ein begeistertes ‚Ja, David, ich will‘ von dir höre.“

Gianna biss sich auf die Unterlippe. Um Fassung ringend, schaute sie aus dem Autofenster auf das Bürohaus der Dantes. Warum jetzt? Warum ausgerechnet heute Abend? Wahrscheinlich würde Constantine auch auf der Gala sein. Sogar mit ziemlicher Sicherheit, wenn sie ihre Familie richtig einschätzte. Wie konnte sie nur in Erwägung ziehen, eine Affäre zu beginnen, sich vielleicht sogar zu verloben, wenn es doch Constantine gab, der voller Begierde auf sie wartete?

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Wäre sie drei Monate mit Constantine zusammen gewesen, dann wäre „es“ schon längst passiert, selbst wenn sie sich geschworen hätten zu warten. Sie hätten sich einfach nicht dagegen wehren können. Ohne Zweifel hätte er sie so schnell wie möglich vor den Altar gezerrt, weil seine Familie mindestens so „altmodisch“ war wie ihre, wenn nicht noch mehr.

Skeptisch musterte sie David. Sie hatte ja gewusst, dass dieser Augenblick irgendwann kommen musste. Dass er ihr die Pistole auf die Brust setzte und sie wählen musste – sich entweder für den Zweitbesten zu entscheiden oder allein zu bleiben. Sie hatte sich so gewünscht, dass ihr für die Entscheidung noch Zeit bliebe. Dass sie noch Gefühle für David entwickeln würde. Aber da hatte sich nichts entwickelt. Und nun würde sie eine Entscheidung treffen müssen – schon sehr bald.

In der Tiefgarage fuhr er auf einen der VIP-Parkplätze. Nachdem er den Sicherheitsgurt gelöst hatte, zog er sie überraschend in die Arme. Als sie seine Lippen auf ihren spürte, sträubte sie sich nicht dagegen, sondern versuchte die Zärtlichkeit zu genießen. Sie wollte sich doch so gern in David verlieben! Wollte, dass das Inferno bei jemandem zuschlug, der sie so begehrte wie David. Jemandem, für den sie das Wichtigste im Leben wäre. Und nicht jemandem, der nur gelegentlich Zeit für sie aufbrachte und sie fallen lassen konnte, wann immer ihm danach war. Aber warum konnte sie selbst bei Davids stürmischster Umarmung nur an Constantine denken? Sie entwand sich seinem Griff und versuchte zu lächeln.

„Und …?“, fragte David drängend.

Sie wich seinem Blick aus. „Ich … ich brauche etwas Zeit.“

Er wirkte enttäuscht. „Zeit für was? Zeit, um dich für unseren Wochenendtrip nach New York zu entscheiden? Oder Zeit, um mir die Antwort auf meine Überraschung zu geben?“

„Im Moment bin ich wegen der Gala etwas abgelenkt“, wich sie aus. „Außerdem muss ich erst mal meinen Terminkalender checken.“

„Heißt das, dass du an dem romantischen Wochenende interessiert wärst? Mit allem, was das mit einschließt?“

„Das heißt, dass ich darüber nachdenke“, antwortete sie verlegen. Als sie einen Blick auf ihre Armbanduhr warf, stöhnte sie auf. „Oje, David, tut mir leid, ich muss jetzt wirklich rein. Können wir unser Gespräch auf später vertagen?“

„Vertagen“, wiederholte er säuerlich.

Gianna seufzte. „Tut mir leid, das sollte nicht so geschäftsmäßig klingen.“

„Ist in Ordnung. Ich verstehe schon.“

Schweigend gingen sie zu den Fahrstühlen hinüber. Auch während der Fahrt zu dem Stockwerk, in dem die Gala stattfand, wechselten sie kein Wort.

Schon als sie ausstiegen, spürte sie, dass Constantine in der Nähe sein musste. Am liebsten hätte sie David einfach stehen lassen und sich auf die Suche nach ihm gemacht. Es war wie ein Urinstinkt, der sie zwang, seine Nähe zu suchen.

Schließlich atmete sie ein paar Mal tief durch. Schluss damit. Nur nicht dem Verlangen nachgeben. Sie versuchte sich auf David zu konzentrieren, doch ihre Gedanken waren bei einem anderen.

Bei Constantine Romano. Dem Mann, der von ihrem Herzen und ihrer Seele Besitz ergriffen hatte.

2. KAPITEL

Als Gianna den Festsaal betrat, stellte sie fest, dass die meisten ihrer Verwandten bereits da waren. Kaum hatten sie sie entdeckt, zogen sie sie mit sich, und David folgte eher widerwillig.

Gianna verabschiedete sich kurz, um zu überprüfen, ob bei der Gala alles ihren Vorbereitungen entsprechend lief. Dann kehrte sie zu ihrer Familie zurück, während David mit einem Champagnerglas in der Hand gelangweilt zwischen den Vitrinen mit den Ausstellungsstücken hin und her ging. Sein Desinteresse war ihm deutlich anzumerken.

„Das sind so ziemlich die schönsten Schmuckstücke der Welt, und er tut so, als wären es billige Glasperlen“, flüsterte Rafe, Giannas Bruder, ihr ins Ohr. „Der vergrault uns ja die ganze Kundschaft. Tu was dagegen!“

„Und was, bitte schön?“

„Du hast ihn mitgebracht, also ist das dein Problem. Aber mach schnell, sonst gehe ich zu ihm rüber und bringe ihm ein bisschen Respekt vor höchster Juwelierskunst bei.“

„Ihr könnt ihn wirklich nicht leiden, was?“

Ihr ältester Bruder Luc gesellte sich zu ihnen, gefolgt von Draco. Ganz offensichtlich hatten alle dieselbe Meinung. „Nein, wir mögen ihn nicht“, stieß Draco hervor und verschränkte die Arme. „Und er mag uns nicht. Keinen von uns.“

„Er ist eine typische Bankerseele. Ihm geht es nur um Geld.“

„Genau. Gewinne, Profite. Was anderes interessiert ihn nicht.“

„Wo bei anderen das Herz sitzt, hat er eine Rechenmaschine. Kein Interesse für Kunst, Musik, gar nichts. Wir wollen nicht, dass unsere kleine Schwester jemanden heiratet, der keinen Funken Leidenschaft besitzt.“

Gianna hob die Hand, um den Wortschwall zu beenden. „Moment mal, ihr habt ihn doch nicht dem Große-Bruder-Test ausgesetzt, oder?“ Sie sah einen nach dem anderen prüfend an, und niemand schien auch nur das geringste Schuldbewusstsein zu verspüren. „Oje, ihr habt es getan.“

„Ja, und er hat nicht bestanden“, erklärte Rafe. „Ich habe ihn zu einem Spiel der Giants eingeladen. Tribünensitze. Und er hat abgelehnt.“

Luc nickte zustimmend. „Er ist absolut durchgefallen. Der Junge spielt nicht mal Basketball. Kommt wohl nicht gerne ins Schwitzen.“

„Bei mir ist er auch unten durch“, ergänzte Draco. „Als Primo ihm ein Fässchen von seinem selbst gebrauten Bier schenken wollte, hat er dankend abgelehnt. Bier ist wohl unter seiner Würde. Ich habe unseren Großvater noch nie so verärgert gesehen.“

„Also ich würde für ein Fass von Primos Bier sonst was tun“, erklang plötzlich von hinten eine Stimme. Eine nur zu gut bekannte Stimme, die seit neunzehn Monaten immer wieder in Giannas Träumen und Gedanken auftauchte. „Wer das ablehnt, muss ganz schön dumm sein. Über wen redet ihr denn? Hoffentlich kein Bekannter von dir, Gianna.“

Blitzschnell wandte sie sich um und sah direkt in Constantines Gesicht. In seinem Frack sah er umwerfend aus. „Was machst du denn hier?“, fragte sie.

„Was glaubst du denn?“ Er blickte sie an, als wäre sonst niemand anwesend. „Ich will mir holen, was mir gehört.“

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass David sich auf die Gruppe zubewegte. Constantine schien das nicht zu stören, falls er es überhaupt bemerkt hatte. Während alle anderen zusahen, umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen.

Und dann küsste er sie.

Gianna sträubte sich nicht. In diesem Moment war ihr sogar egal, dass ihre Verwandten gebannt auf sie starrten. Einen solch leidenschaftlichen Kuss hatte sie noch von keinem anderen Mann bekommen, von David schon mal gar nicht. Ihr Blut geriet in Wallung, und sie vergaß alles um sich herum.

Dieser Kuss sagte alles. Er drückte Hunger und Verlangen aus, verhieß ungeahnte Freuden. Vor allem aber bestätigte er, dass sie zusammengehörten. Constantine kannte sie und wusste, was sie wollte, was sie brauchte. Und er gab es ihr.

Sie wollte, nein, sie konnte sich nicht dagegen wehren. Das Inferno hatte sie voll im Griff. Selbst ihre Herzen schlugen im Gleichklang. Endlich waren sie wieder zusammen. So musste es sein! Constantine würde nicht von ihr lassen, egal wer oder was sich ihm in den Weg stellte – David eingeschlossen.

Es spielte keine Rolle, dass Constantine einer italienischen Adelsfamilie entstammte und eine vorzügliche Erziehung genossen hatte. Im tiefsten Inneren war er ein Freibeuter, bereit, sich das zu nehmen, was er als seinen Besitz betrachtete. Bereit, sich Gianna zu nehmen.

Ihre Selbstvergessenheit wurde abrupt beendet, als sie plötzlich Davids Hand auf der Schulter spürte. Er riss sie förmlich aus Constantines Umarmung.

Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, was geschehen war. Wie hatte sie nur Constantine in aller Öffentlichkeit küssen können – während ihre ganze Familie zusah, ganz zu schweigen von den wichtigen Kunden, die sie persönlich zu der Gala eingeladen hatte? Was sollten sie nur alle denken? Davids Gesicht war wutverzerrt. Was er dachte, war offensichtlich.

In ihrer Ratlosigkeit versuchte sie sich in Höflichkeit zu retten. „David, darf ich dir Constantine Romano vorstellen? Er … er gehört zu unserer Familie. Na ja, gewissermaßen wenigstens.“

Erst blickte sie David an, dann Constantine. In diesem Moment fiel ihr wieder ein, dass jemand mal erwähnt hatte, dass die beiden sich kannten. Dass sie sich jedoch nicht mochten, war offensichtlich. Eine fast mit Händen greifbare Spannung lag in der Luft. „Constantine?“, fragte sie hilflos.

„Nein, ich gehöre nicht zur Familie“, korrigierte er sie mit harter Stimme. „Noch nicht. Und David und ich kennen uns. Leider.“

David setzte ein kaltes Grinsen auf und wirkte plötzlich gar nicht mehr so sympathisch. „Romano, wie immer erscheinst du im unpassendsten Moment auf der Bildfläche.“

Constantine trat auf ihn zu. „Gerade rechtzeitig, meinst du wohl.“ Während er David mit zusammengekniffenen Augen musterte, wandte er sich an Gianna. „Ist er das?“, fragte er. „Ist d’Angelo der Mistkerl, von dem du mir erzählt hast?“

So wie er die Frage stellte – was sollte sie darauf antworten? Sie fühlte sich so unwohl wie noch nie in ihrem Leben. „Er ist der Mann, den ich erwähnt hatte, ja“, gab sie zu. „Wir sind in letzter Zeit öfter zusammen ausgegangen.“

„Du bist Romano keine Erklärungen schuldig“, warf David ein. „Er spielt in deinem Leben keine Rolle und gehört schon mal gar nicht zu deiner Familie.“

„Das könnte sich aber sehr schnell ändern. Gianna und ich arbeiten bereits daran. Schon sehr bald werde ich immer für sie da sein.“

David musterte sein Gegenüber mit funkelnden Augen. „Was zum Teufel soll das heißen?“

Constantine lächelte bedrohlich. „Das kannst du dir doch sicher denken. Ich bin nach San Francisco gezogen, um Gianna zu fragen, ob sie meine Frau werden will.“

Unter den Umstehenden brach Tuscheln aus. „Oh Gott“, murmelte Gianna. Ihr wurde ganz schwindelig.

Wie aus weiter Ferne nahm sie wahr, wie erfreut ihre Familie über diese Ankündigung war. Kein Zweifel, ihre Verwandten standen alle auf Constantines Seite. Verstohlen warf sie David einen Blick zu. Er kochte vor Wut.

Doch er riss sich zusammen und brachte sogar etwas wie ein Lächeln zustande. „Du leidest wohl unter Wahnvorstellungen, Romano. Gianna und ich haben schon eine Abmachung, die wir auf unserem bevorstehenden Trip nach New York verwirklichen werden. Eine private Suite im Ritz. Kerzenlicht und Rosen.“ Er deutete auf eine der Vitrinen. „Muss ich mich an Sev wenden, wenn ich einen Dante-Verlobungsring kaufen möchte? Einer von Tiffany’s oder Cartier wäre mir zwar lieber, aber wegen der Familie geht das wohl nicht. Schade.“

Eisiges Schweigen trat ein. Sie spürte, wie Constantine innerlich vor Wut schäumte, und nach der Bemerkung über Tiffany’s und Cartier war ihre Familie natürlich auch höchst verärgert. Wie hatte David so etwas nur sagen können? Das passte so gar nicht zu ihm. Sicher, er verstand sich nicht so gut mit ihren Brüdern, wie sie es sich gewünscht hätte, aber er war vorher noch nie ausfallend geworden. Im Gegenteil, er war immer höflich gewesen, bemüht, einen guten Eindruck zu machen, auch wenn ihm ein bisschen Warmherzigkeit fehlte.

Ich muss etwas tun, schoss es Gianna durch den Kopf, und zwar sofort. Erst mal David aus der Schusslinie bringen, bevor es noch zu einer Prügelei kommt. Und dann müssen wir reden. Sehr ausführlich. Ich muss mich ein für alle Mal entscheiden, ob ich mir eine Zukunft mit David überhaupt vorstellen kann. Wenn nicht, müssen wir die Sache beenden. Das gebietet die Fairness.

„Wenn ihr uns bitte entschuldigen würdet? Ich habe mit David einiges zu besprechen.“

Triumphierend nahm David sie in den Arm. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ihr ältester Bruder Luc Constantine zurückhielt. „Später“, raunte er ihm zu, sodass sie es noch hören konnte. „Das hier ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit.“

„Ja, immer schön bei Fuß“, höhnte David und stolzierte mit Gianna davon.

„Was ist denn bloß los?“, fragte sie ihn gereizt.

„Genau das wollte ich dich auch gerade fragen.“

„Ich habe zuerst gefragt. Was ist zwischen dir und Constantine?“

„Ach, eine alte Geschichte. Hat nichts mit uns beiden zu tun. Komm.“ Er wies auf die Terrasse, die sich an den Festsaal anschloss. „Wir setzen uns nach draußen, wo wir unsere Ruhe haben.“ Er führte sie an einen weit abgelegenen Tisch. „Setz dich schon mal. Ich hole uns etwas zu trinken.“

„Aber dann musst du mir alles erklären.“

„Natürlich. Und du mir.“

Während sie auf ihn wartete, überlegte sie, was sie ihm sagen sollte. Wie sollte sie ihm ihre Beziehung zu Constantine begreiflich machen? Und erst den Kuss? Am liebsten hätte sie ihm einfach entgegengeschleudert, dass ihn das alles nichts anging. Aber sie wusste, damit würde er sich nicht zufriedengeben.

Bevor sie einen Plan entwickeln konnte, war er bereits zurück, mit einem Glas Champagner für sie und einem Campari für sich. Er trug ein gewinnendes Lächeln zur Schau. Ihr war es ein Rätsel, wie er plötzlich wieder so gelassen sein konnte. Als sie einen Schluck von dem Champagner getrunken hatte, verzog sie das Gesicht. Komisch, wie bitter er schmeckte. Sie kannte diese Marke, aber ein solch merkwürdiger Nachgeschmack war ihr noch nie aufgefallen.

Er erhob sein Glas. „Auf uns.“

„Auf uns“, erwiderte sie, stieß mit ihm an und nahm einen großen Schluck. Ihr graute vor dem Gespräch, aber sie hatte keine Wahl. Sie konnte nur versuchen, ihn zuerst zur Rede zu stellen, damit sie etwas Zeit gewann. „Also, was ist los, David?“

„Sag du’s mir.“ So freundlich er sich auch gab, sein Zorn war ihm deutlich anzumerken. „Dieser Kuss zwischen dir und Romano – der war nicht gerade wie zwischen Brüderchen und Schwesterchen.“

„Wir sind alte Freunde.“

„So, so. Und wie … intim ist eure Freundschaft?“

Um etwas Zeit zu gewinnen, nippte sie an ihrem Champagner, der immer noch unangenehm schmeckte. Sorgfältig wählte sie ihre Worte. „Wir sind mal zusammen ausgegangen“, antwortete sie. „Aber nicht lange.“

„Du hast mit ihm geschlafen.“

Verärgert setzte sie ihr Glas ab. „Das geht dich gar nichts an.“

Zu ihrer Überraschung zuckte er nur mit den Schultern. „Du hast recht. Das geht mich nichts an.“ Wie als Friedensangebot nahm er ihr Glas vom Tisch und überreichte es ihr. „Ich war eifersüchtig. Bei diesem Kuss ist das verständlich, oder?“

„Ja, ja, ist es.“

Als sie erneut einen Schluck Champagner trank, versuchte sie herauszuschmecken, was daran nicht stimmte. Er schmeckte frisch und prickelnd, wie er es sollte, doch er besaß eine bittere Note, die einfach nicht passte. Sie würde später den Lieferanten darauf ansprechen. Doch jetzt musste sie sich erst mal auf das Gespräch mit David konzentrieren.

„Aber das zwischen dir und Romano ist doch vorbei, oder?“, hakte er nach.

„Ich bin mir nicht sicher“, gab sie offen zu.

Nach diesem leidenschaftlichen Kuss hatte sie wahrhaftig nicht das Gefühl, dass es vorbei war. Ihre Handfläche kribbelte wie verrückt. Genau das Kribbeln, das alle Dantes so plastisch beschrieben hatten. Das Inferno, das man nur bei seinem Seelengefährten spürte. Sie schloss die Augen. Seit Constantines Rückkehr war das Kribbeln wieder zusehends stärker geworden. Sicher, sie konnte versuchen, es zu ignorieren, aber das würde nichts ändern.

Nein, es gab keinen Zweifel: Zwischen Constantine und ihr gab es eine Verbindung, die sie mit David nicht hatte – und auch niemals haben würde, egal, wie sehr sie sich bemühte.

„Trink aus, Gia. Wir wollen gehen.“

„Gehen?“, fragte sie verwirrt. „Wohin?“

„Wir machen eine kleine Ausfahrt. Wir müssen reden, und das hier ist wohl kaum der geeignete Ort. Jeden Augenblick könnten Romano oder deine Verwandten dazwischenplatzen.“ Er lächelte. „Wenn wir eine Zeit lang weg sind, können sich die Gemüter besser beruhigen. Das ist doch die beste Lösung, oder?“

Gianna dachte darüber nach. Er hatte recht, hier würden sie nicht lange ungestört bleiben. Es war schon schwierig genug, sich mit David auseinanderzusetzen, da konnte sie keine Ablenkung vertragen. Sie fühlte sich plötzlich ohnehin so müde …

„Also trink deinen Champagner aus und dann los“, drängte David.

„Okay.“ Doch statt zu trinken, stellte sie ihr Glas ab. Sie bemerkte seinen missbilligenden Blick. War er verärgert, weil sie ihm nicht aufs Wort gehorchte oder weil es ihm um den teuren Champagner leidtat? Um ihn abzulenken, berührte sie seine Hand. „Aber dann erzählst du mir endlich, woher du Constantine kennst und was diese alte Geschichte zwischen euch ist, ja? Du weißt doch sicher, dass seine Schwester Ariana mit meinem Cousin Lazz verheiratet ist. Ich mag sie sehr, und ich möchte nicht, dass das angespannte Verhältnis zwischen dir und Constantine meine Freundschaft zu ihr trübt.“

„Natürlich, das kann ich verstehen.“ Er erhob sich. „Wollen wir uns hinten rausschleichen?“

„Ja, einverstanden. Auf noch mehr Streit habe ich wirklich keine Lust.“

„Warum habt ihr mir nichts davon gesagt, dass sie mit David ausgeht?“, fragte Constantine Giannas Brüder.

Luc zuckte mit den Schultern. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass dich das interessiert.“

Draco runzelte die Stirn. „Nur mal so aus Interesse: Seit wann interessiert es dich denn?“

Constantine verschränkte die Arme vor der Brust und musterte einen der Dantes nach dem anderen. „Von jetzt an interessiert mich alles, was Gianna angeht.“

„Moment, Moment“, rief Rafe und hielt beschwichtigend die Hände hoch. „Ich weiß, dass ihr beide euch auf der Hochzeit von Lazz kennengelernt habt. Aber ich dachte, das wäre alles gewesen. Und jetzt tauchst du nach wer weiß wie vielen Monaten hier auf und führst dich auf, als wärt ihr schon verheiratet. Versteh mich nicht falsch, nicht, dass ich was dagegen hätte. Ich habe nur das Gefühl, mir fehlen ein paar Informationen.“

Wie konnten die Dantes das nur fragen? Sie kannten das Inferno doch am besten. Sie mussten doch wissen, was Gianna mit ihm gemacht hatte. „Es ist ganz plötzlich geschehen. Als wir uns die Hände gegeben haben.“

Luc hob eine Augenbraue. „Das Inferno?“

„Sie hat dir das Inferno verpasst?“ Rafe lachte lauthals. „Eine Spitzenleistung von unserem Schwesterchen.“

„Das ist überhaupt nicht witzig“, schimpfte Constantine. „Sie hätte mich ja wenigstens fragen können, bevor sie mich verzaubert hat.“

Draco gab ihm einen mitfühlenden Klaps auf den Rücken. „Ja, tut mir leid. Aber ich fürchte, so funktioniert das nicht.“

„Vielleicht seid ihr so freundlich und erklärt mir, wie es funktioniert, wenn wir mal ein bisschen mehr Zeit haben.“

„Wenn wir das wüssten, wären wir vielleicht alle nicht verheiratet“, antwortete Rafe gutgelaunt. „Aber zu deiner Beruhigung – keiner von uns hat es je bereut.“

Gianna saß neben David auf dem Beifahrersitz und krampfte die Hände zusammen. Er fuhr viel zu schnell. So als müsste er sich etwas beweisen. Als wollte er zeigen, dass er der bessere Mann war – besser als Constantine. Doch mit dieser Raserei beeindruckte er sie kein bisschen. Sie fand sein Verhalten eher bemitleidenswert.

Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Gähnen, ihre Glieder fühlten sich bleischwer an. „Wo fahren wir denn hin?“

„Ach, irgendwohin. Erst mal raus aus der Stadt. Dann parken wir irgendwo und unterhalten uns.“

Die Ampel zeigte bereits gelb, als er über eine Kreuzung raste, und Gianna krallte sich an seinem Arm fest. Jede Bewegung fiel ihr schwer. Die Vorbereitungen für die Gala waren wohl doch anstrengender, als ich gedacht hatte, ging es ihr durch den Kopf. „Könntest du mal kurz rechts ranfahren?“

„Später. Wenn wir aus der Stadt sind.“

„Nein, bitte fahr rechts ran. Ich wollte dich um etwas bitten.“

Er tat, wie ihm geheißen. „So, da hast du deinen Willen. Und jetzt?“

„Würdest du … mich küssen?“

Sie wusste genau, was er jetzt dachte. Einerseits begehrte er sie. Andererseits vermutete er, sie wollte seinen Kuss mit dem von Constantine vergleichen. Und mit dieser Vermutung hatte er sogar recht.

Sie wollte ein für alle Mal die Wahrheit wissen. Entweder sie empfand etwas für David – oder nicht. Drei lange Monate hatte sie sich jetzt Mühe gegeben, hatte gehofft, sie würde Gefühle für ihn entwickeln. Aber wenn sie jetzt bei dem Kuss überhaupt nichts spürte, dann hatte es keinen Zweck mehr. Dann würde sie die Beziehung beenden müssen.

David ließ sich Zeit. So gut es vom Fahrersitz aus ging, zog er sie an sich und begann sie zu küssen, erst ganz sanft, dann immer leidenschaftlicher. Er atmete schwer.

Am liebsten hätte sie sich freigekämpft. Seine Berührung, seine Zunge – alles fühlte sich falsch an. Fast empfand sie so etwas wie Widerwillen. Nein, kein Zweifel, für sie konnte es nur einen Mann geben. Und das war nicht der, der sie gerade küsste.

Vielleicht hätte sie sogar noch mehr Widerwillen verspürt, wenn sie sich nicht so benommen gefühlt hätte. Am liebsten hätte sie sich irgendwo in eine Ecke gelegt und geschlafen. Die Ausfahrt war vielleicht doch keine so gute Idee gewesen.

Sie ließ den Kuss über sich ergehen, bis David sich plötzlich keuchend an ihrem Kleid zu schaffen machte. „Nein, David.“ Böse dreinblickend zog er sich zurück. Bevor er etwas sagen konnte, klingelte plötzlich ihr Handy. „Ich … ich muss das Gespräch annehmen.“

„Musst du nicht“, erwiderte er gereizt. „Nimm deine Familie doch nicht immer so wichtig.“

„Ich bin eine Dante, David“, erklärte sie ihm geduldig. „So ist das nun mal. Wenn ich nicht drangehe, machen sie sich Sorgen.“

Sie nahm das Gespräch an, aber anders als erwartet war nicht einer ihrer Brüder dran, sondern Constantine. „Wo steckst du, piccola?“, fragte er.

„Bei David im Auto. Wir machen eine Ausfahrt.“

Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann flüsterte er: „Sag ihm, er soll dich sofort nach Hause bringen.“

„Das klingt ja wie ein Befehl.“

„Es gibt etwas, was du über David wissen solltest, Gianna. Es ist sehr wichtig. Sonst hätte ich nicht angerufen.“

Vielleicht hätte sie mit ihm darüber eine Diskussion angefangen, aber weil David jedes ihrer Worte hören konnte, beschloss sie, lieber vorsichtig zu sein. „Momentan ist es etwas ungünstig. Ich rufe dich später zurück.“

„Momentan bin ich noch auf der Gala, aber ich fahre jetzt gleich los. Ich werde vor deinem Haus auf dich warten, bis ich von dir höre.“

Sie seufzte leise. „Das könnte aber noch eine Weile dauern. David und ich …“, aus dem Augenwinkel musterte sie David. Er wirkte sehr verärgert. Konnte er Constantines Stimme hören, hatte er bemerkt, dass der Anrufer keiner ihrer Brüder war? „… wir haben noch einiges zu besprechen.“

„Machst du Schluss mit ihm?“

„Das geht dich gar nichts an.“

„Alles, was dich betrifft, geht mich etwas an“, entgegnete er.

Sie klappte das Handy zu und ließ es in ihrer Handtasche verschwinden. „David …“

„Sag jetzt lieber nichts.“

Mit aller Kraft kämpfte sie gegen ihre bleierne Müdigkeit an und versuchte alles so nett wie möglich zu formulieren. „David, wir sollten ehrlich miteinander sein. Wir gehen jetzt schon ein Vierteljahr miteinander aus. Wenn sich zwischen uns etwas entwickelt hätte, aus dem etwas Dauerhaftes werden könnte, hätten wir es inzwischen merken müssen.“

„Das haben wir doch“, protestierte er. „Jetzt leugne bloß nicht, dass du etwas für mich empfindest. Romano hat dich nur durcheinandergebracht. Gib mir eine Chance, Gia. Gib uns beiden eine Chance.“

Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Sie wusste, für diesen Mann würde sie nie etwas empfinden. Niemals würde er ihr das geben können, was sie bei Constantine empfand. Das hieß: Es würde kein gemeinsames Wochenende in New York geben. Keine romantische Suite im Ritz, von einer Verlobung ganz zu schweigen.

Und sie würde auch nie mit David das Bett teilen.

„Ich habe uns eine Chance gegeben“, sagte sie so teilnahmsvoll wie möglich. Sie bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken. Woher kam nur diese unglaubliche Müdigkeit? „Es … es klappt einfach nicht.“

„Doch, dafür sorge ich schon.“ Er fuhr wieder auf die Straße. „Lehn dich zurück und mach die Augen zu, Gia. Bevor du es dich versiehst, sind wir da.“

Sie schüttelte den Kopf, aber die bleierne Müdigkeit ließ sich nicht vertreiben. „Irgendetwas stimmt nicht mit mir“, murmelte sie.

„Schlaf einfach ein bisschen. Wenn du wieder aufwachst, ist alles schon vorbei.“

Was meinte er damit? Was sollte vorbei sein? Aber es kostete sie zu viel Mühe, diese Frage zu stellen. Sie schlief ein.

3. KAPITEL

„Sie ist nicht zu Hause und beantwortet auch meine Anrufe nicht“, sagte Constantine in sein Handy, während er unruhig den Bürgersteig auf und ab ging. „Das kann nur eins bedeuten: Sie ist in d’Angelos Gewalt. Eine andere Erklärung gibt es nicht.“

Luc seufzte. „In seiner Gewalt? Quatsch. Sie gehen zusammen aus, das ist alles. Ich sage dir das nur ungern, aber sie verbringen schon seit Monaten Zeit miteinander. Und sie ist eine erwachsene Frau. Wenn sie nicht an ihr Handy geht, dann, weil sie im Moment nicht mit dir sprechen will. Sie meldet sich bestimmt morgen früh.“

„Nein“, rief Constantine in sein Handy. Er musste sie finden. Jetzt. „Wenn wir bis zum Morgen warten, ist es zu spät. Er weiß, dass ich ihm auf der Spur bin. Also muss er heute Nacht zuschlagen, wenn er sie von mir entfremden will.“

„Wovon zum Teufel redest du nur?“, fragte Luc verständnislos.

Constantine riss sich zusammen, um den Sachverhalt so ruhig wie möglich zu erklären. „D’Angelo hat früher schon mindestens einmal eine Frau unter Drogen gesetzt, um ihr etwas anzutun. Von dem einen Mal weiß ich ganz genau, weil ich gerade noch rechtzeitig dazugekommen bin und das Schlimmste verhindern konnte.“

„Um Himmels willen! Hat er das gemeint, als er vorhin sagte, dass du immer im unpassendsten Moment kommst?“

„Genau.“ Unruhig schaute Constantine auf die Uhr, wie schon so oft innerhalb der letzten Stunde. „Wenn er das Gleiche mit Gianna tun will – wenn er sie mit Drogen betäubt hat und ihren Zustand ausnutzen will –, wo würde er mit ihr hinfahren?“

Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille; offenbar dachte Luc angestrengt nach. „Zurzeit wohnt er in einer Suite in einem Hotel, bis die Villa, die er vor Kurzem gekauft hat, bezugsfertig ist. Leider weiß ich nicht in welchem Hotel, aber das kann ich herausfinden. Es ist garantiert eines der teureren.“

Constantine überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, er würde sie nicht mit ins Hotel nehmen. Zu viele Zeugen. Es müsste etwas Privateres sein.“

„Ich sehe zu, dass ich etwas rauskriege, und rufe dich so schnell wie möglich zurück.“

„Ja, aber beeil dich. Unter Umständen zählt jede Sekunde.“

„Dieser Mistkerl“, murmelte Luc besorgt.

„Bleib ganz ruhig, ich finde sie. Und ich finde sie rechtzeitig.“

Es musste ihm einfach gelingen!

Als Gianna erwachte, bemerkte sie, dass der Jaguar langsamer fuhr. Die Scheibenwischer bewegten sich; draußen regnete es. Waren sie bei ihr zu Hause angekommen? Ich muss während der kurzen Fahrt wohl eingeschlafen sein, dachte sie. Noch immer fühlte sie sich benommen. Sie kniff die Augen zusammen und blickte hinaus in die Dunkelheit. Nein, sie waren nicht bei ihrem Haus. Sie waren nicht einmal mehr in der Stadt.

„David?“, murmelte sie verschlafen.

„Wir sind schon fast da. Eigentlich hatte ich diese Fahrt heute Nacht nicht eingeplant, deshalb muss ich noch mal tanken. Aber dann ist es nicht mehr weit.“

„Wo … wo sind wir?“

„Etwas nördlich von Calistoga.“

Es dauerte eine Weile, bis seine Antwort zu ihrem Gehirn durchdrang. Das Denken fiel ihr unendlich schwer. Doch dann war sie alarmiert. Calistoga? Das war doch eine gute Autostunde außerhalb der Stadt am nördlichen Rand des Napa Valley. Warum um Himmels willen war er so weit gefahren? „Das verstehe ich nicht. Was wollen wir in Calistoga?“

Gereizt blickte er sie an. „Warum hast du bloß den Champagner nicht ausgetrunken? Du hättest schlafen sollen, bis wir bei der Jagdhütte ankommen.“

Noch immer fiel ihr das Denken schwer, doch der Nebel um ihr Gehirn lüftete sich allmählich. Warum hätte sie unbedingt den Champagner austrinken sollen? Und was hatte es mit der Jagdhütte auf sich? „Ich will mit dir in keine Hütte. Du sollst mich nach Hause bringen.“

„Das mache ich doch gerne.“ Er legte eine kurze Pause ein. „Morgen.“

Protestierend schüttelte sie den Kopf, aber selbst diese Bewegung fiel ihr schwer. „Irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich fühle mich so komisch.“

„Ach, du bist nur erschöpft. Schlaf ein bisschen!“

Es klang nicht wie eine Aufforderung, sondern wie ein Befehl. Nur zu gern wollte sie ihm Folge leisten, müde, wie sie war. In diesem Moment ging es ihr auf. Der Champagner, der so komisch geschmeckt hatte!

„Du … du hast mir etwas in den Champagner getan. Ein Betäubungsmittel, eine Droge.“

Statt zu widersprechen, grinste er wie ein Schuljunge, den man mit der Hand in der Keksdose erwischt hatte. „Ein bisschen vielleicht.“

So benommen sie auch war – Angst stieg in ihr auf. Um Himmels willen, er hatte sie tatsächlich unter Drogen gesetzt! Ihr Mund und ihre Kehle waren ganz trocken.

„Warum?“, brachte sie angestrengt hervor. „Warum tust du mir so etwas an?“

Sie erschauerte. Ob er etwas mit ihr getan hatte, während sie bewusstlos gewesen war?

„Weil du mir gehören sollst“, gestand er ihr, als wäre das Erklärung genug.