Bachelor in Blackwater Lake (12-teilige Serie) - Teresa Southwick - E-Book
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Bachelor in Blackwater Lake (12-teilige Serie) E-Book

TERESA SOUTHWICK

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Beschreibung

Noch ist die Single-Dichte im schönen Örtchen Blackwater Lake relativ hoch ... Heiße Junggesellen und hübsche junge Frauen bringt Autorin Teresa Southwick auf ihre charmante Art zusammen und sorgt dafür, dass kein Herz einsam bleibt.

Folgende Romane von Teresa Southwick sind in diesem E-Book-Paket enthalten:

  • Ein unmöglicher Liebesdeal
  • Zum Küssen, diese Nanny!
  • Was muss ich tun, damit du bleibst?
  • Eine Braut muss sich entscheiden ...
  • Ich liebe dich, süße Lügnerin
  • Mami und der Millionär
  • Nur Küsse sind süßer als Rache
  • Lass Sonne in dein Herz
  • Nur ein bisschen verheiratet?
  • Tausend gelbe Rosen
  • Darf ich dir mein Herz anvertrauen?
  • Nur eine heiße Sommerromanze?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 2169

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Teresa Southwick

Bachelor in Blackwater Lake (12-teilige Serie)

IMPRESSUM

Ein unmöglicher Liebesdeal erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Teresa Southwick Originaltitel: „Her McKnight in Shining Armor“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 58 - 2018 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Stefanie Thoma-Kellner

Umschlagsmotive: GettyImages_Halfpoint, oxinoxi

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733719531

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

Alex McKnight brauchte eine Frau.

Eigentlich brauchte er seinen Architekten, aber dabei handelte es sich zufälligerweise um eine sehr attraktive Frau. Allein die Tatsache, dass ihm das aufgefallen war, stellte jedoch schon ein Problem dar, denn mit Kolleginnen ging er grundsätzlich nicht aus. Auch nicht mit anderen Frauen aus Blackwater Lake, Montana. Schließlich musste er in dieser Stadt eine Firma führen. Er konnte es sich einfach nicht leisten, die Gerüchteküche zu schüren und potenzielle Kunden vielleicht mit seinem Privatleben vor den Kopf zu stoßen.

Ein noch größeres Problem war es jedoch, dass diese sehr attraktive Architektin sich bereits ganze zwei Stunden verspätet hatte, und das verhieß nichts Gutes, was den Erweiterungsbau für das Ärztezentrum „Mercy Medical Clinic“ und seine pünktliche Fertigstellung anging.

Alex schaute noch einmal auf seine Uhr und fluchte dann leise. Es war schon fast zwölf Uhr und er hatte immer noch nichts von Miss Suellen Hart gehört. Morgen wurde bereits das Fundament gegossen, und bei ihrem Telefonat am Freitag hatte sie versprochen, so früh von Dallas loszufliegen, dass sie am Montag mehr als rechtzeitig hier sein würde.

„So viel zum Thema Versprechungen“, murmelte er missmutig.

Vielleicht war er aber auch ein bisschen streng. Aber andererseits hatte er dafür seiner Meinung nach ja auch einen ausgezeichneten Grund. Seine Exfrau hatte ihm auch immer Versprechungen gemacht … ihn zu lieben und zu ehren und den ganzen anderen Blödsinn. Aber das hatte sie auch nicht daran gehindert, sich dem Vater ihres Babys erneut an den Hals zu werfen – und Alex bis dahin glauben zu lassen, dass es sein eigenes Kind wäre. Wenn das mal kein Grund war, verbittert zu sein, dann wusste er auch nicht.

Alex ging um die Holz-Form für das Fundament herum. Er inspizierte noch einmal alle Stützen für die tragenden Wände. Es wäre schön, wenn die Architektin ebenfalls hier wäre, um seine Beurteilung zu bestätigen, aber letzten Endes war das auch nur eine Formsache.

Genau in diesem Augenblick hörte er, wie ein Auto mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz bog. Er drehte sich um und sah, wie ein Mietauto vom Flughafen vor dem Bauwagen anhielt. Die Fahrertür ging auf und als Nächstes bekam er die schönsten Beine zu sehen, die er jemals im Leben zu Gesicht bekommen hatte. Die Frau war einfach umwerfend, und zwar von Kopf bis Fuß. Heute trug sie einen roten Rock und eine dazu passende, enge Jacke. Die farblich darauf abgestimmten Stöckelschuhe wirkten beinahe wie eine Aufforderung zum Flirten.

Langsam schlenderte er zu ihr hinüber.

Miss Suellen Hart lächelte. „Wie schön, Sie wiederzusehen, Mr. McKnight.“

Er hatte sie bereits kennengelernt, als sie für ein paar Meetings in der Stadt gewesen war.

„Ich dachte, wir hätten vereinbart, dass du Alex zu mir sagst.“

„Das habe ich ganz vergessen.“ Ihre Augen waren so blau wie Wiesenlupinen. Entschuldigend sah sie ihn an. „Keine Überraschung, nach der Verspätung. Das tut mir so leid, Alex. Normalerweise bin ich immer überpünktlich. Eigentlich wollte ich schon gestern herfliegen, aber Mutter Natur hatte offensichtlich andere Pläne. Mein Flug wurde wegen eines Gewitters abgesagt, und dann saß ich am Flughafen fest. Dort hatte ich kein Netz, also konnte ich dich nicht mal anrufen. Ich bin dann aber so schnell es ging, von diesem süßen kleinen Flughafen hergerast. Ist ja praktisch fast um die Ecke.“

Der „süße kleine Flughafen“ war fast hundert Meilen von Blackwater Lake entfernt, und die Berge sorgten dafür, dass Handyverbindungen ständig abbrachen. „So was kommt vor.“

„Du musst jetzt ja denken, dass ich total unzuverlässig bin.“

Das war eigentlich nicht sein erster Gedanke gewesen. Vor allem, wenn sie in diesem Tonfall mit ihm sprach; atemlos, mit Südstaateneinschlag und ein bisschen rau … ein bisschen süß und überaus feminin. „Das wäre doch nicht fair.“

„Ich verspreche dir auch, dass keiner so hart arbeitet wie ich. Ich werde bestimmt niemanden enttäuschen.“ Sie holte tief Luft. „Ich muss mich entschuldigen. Rede ich zu viel?“

„Nein.“ Verdammt, ihre Stimme war so berauschend wie Whiskey. Er könnte ihr den ganzen Tag lang zuhören.

„Ich habe bestimmt einen ganzen Eimer Kaffee getrunken. Keine Sorge, das legt sich bald wieder.“

Als er sie jetzt richtig musterte, konnte er sehen, dass ihr Rock so zerknittert war, als ob sie tatsächlich darin geschlafen hatte, und vor Erschöpfung hatte sie sogar dunkle Ringen unter den großen, wunderschönen Augen. Der Anblick weckte sofort Fürsorglichkeit in ihm. Dabei hatte er gedacht, dass er sich diesen Instinkt endlich abgewöhnt hatte.

„Jetzt bist du ja da.“ Beinahe hätte er „besser spät als nie“ hinzugefügt. Doch das tat er nicht, denn sie war schön genug, um ihn in Versuchung zu führen. Daher wäre „nie“ tatsächlich momentan die bessere Alternative. „Dann zeig ich dir mal das Büro.“

„Okay. Ich bin schon ganz wild darauf, endlich loszulegen.“ Sie strahlte ihn an. „Ich schwöre, Bürgermeister Goodson und der Stadtrat werden es nicht bereuen, mich für dieses Projekt ausgewählt zu haben.“

„Dein Angebot war bei Weitem das billigste“, sagte er. „Ohne dir zu nahtreten zu wollen.“

„Kein Problem. Ich habe eben Arbeit gebraucht. Aber ich muss schon sagen, ich bin überrascht, dass du keiner der Bauunternehmer bist, die glauben, dass die Arbeit eines Architekten mit der Fertigstellung der Blaupausen getan ist.“

„Womit du natürlich eigentlich sagen willst, wie sehr du dich freust, dass ich deine Anwesenheit nicht nervig oder überflüssig finde.“

„So was würde mir doch niemals über die Lippen kommen.“

Das sind wirklich wunderschöne Lippen, dachte er. Aber dann ermahnte er sich zur Konzentration auf die Arbeit. „Ich glaube, Architekten spielen beim Bau eine sehr wichtige Rolle. Außerdem ist die Erweiterung der Mercy Medical Clinic nicht nur irgendein Haus.“

Sie nickte. „Wenn es nur um einfache Untersuchungsräume ginge, dann wäre das ja auch keine Herausforderung. Aber für eine ambulante Klinik ist da natürlich wesentlich mehr gefragt im Hinblick auf Strom- und Wasserleitungen.“

„Du musst den Auftrag ja wirklich gewollt haben.“ Er bemerkte, wie ihr Lächeln kurz verblasste.

„Das ist schließlich eine Investition in die Zukunft, und jeder muss mal irgendwo anfangen.“

„Ja.“

Nur war sich Alex ziemlich sicher, dass dieses Projekt nicht der Anfang ihrer Karriere war. Er hatte nämlich ihren Lebenslauf gelesen. Zwischen ihrem Studium und ihrem Job bei Hart Industries, der Firma ihrer Familie in Dallas, klaffte eine einjährige Lücke. Er fragte sich, was wohl in diesem Jahr passiert war. Bestimmt nichts Gutes. Aber sie hätte die Daten auch manipulieren können und das hatte sie nicht getan.

Außerdem war das momentan gar nicht sein Problem. Schließlich hatte er die Entscheidung, sie zu beauftragen, gar nicht getroffen. Er musste aus dieser Entscheidung einfach nur das Beste machen. „Komm doch rein.“

„Ich muss nur schnell noch ein paar Sachen aus dem Auto holen …“

„Kann ich dir vielleicht etwas abnehmen?“

„Nein, daran bin ich schon gewöhnt.“ Sie machte den Kofferraum auf, und schnappte sich eine Aktentasche und ein paar Röhren, die wahrscheinlich Pläne enthielten.

„Ist das alles?“ Als sie nickte, machte er den Kofferraumdeckel wieder zu. „Na, dann komm.“

Normalerweise war Alex ein „Ladys first“-Typ. Aber wenn er jetzt vorging, musste er wenigstens nicht sehen, wie der enge Minirock ihren erstklassigen Po umspielte. Urplötzlich hatte er ein Bild vor seinem geistigen Auge, das aus ausgestreckten Beinen und zerwühlten Bettlaken und ihrem langen braunen Haar auf einem weißen Kopfkissen bestand.

Himmel. Alex konnte nicht glauben, dass er gerade daran gedacht hatte, mit dieser Frau Sex zu haben. Andererseits, rechtfertigte er sich, war es schon lange her für ihn. Die Reaktion hatte nichts mit ihr persönlich zu tun. Es war einfach nur die normale Reaktion eines Mannes auf eine schöne Frau.

Er öffnete die Tür des Bauwagens und ließ sie jetzt doch vorgehen. „Nach dir.“

„Wenn es dir nichts ausmacht, dann stürze ich mich sofort in die Arbeit.“ Sie sah sich um. „Ist es okay, wenn ich diesen Schreibtisch dort benutze?“

„Nur zu“, antwortete er.

Sie durchquerte den Raum und stellte ihre teure Aktentasche und ihre überdimensionale Handtasche darauf ab. Die Röhren ließ sie einfach auf den Tisch fallen. Sie nahm ihren Laptop aus der Tasche und klappte ihn auf. Nach ihrer texanischen Gesprächigkeit kam ihm die Stille nun seltsam falsch vor.

„Bist du in der Blackwater Lake Lodge untergebracht?“

„Ehrlich gesagt, nein. Für so lange Zeit hatten sie dort nichts.“

Er lehnte sich mit der Hüfte gegen den Schreibtisch, dann schenkte er ihr ein freundliches Lächeln. „Hast du denn überhaupt schon eine Unterkunft?“

„Oh, da hat mir Dr. Stone aus der Patsche geholfen.“

Anscheinend war Adam jetzt ein Verfechter von Nachbarschaftshilfe und Nächstenliebe geworden. Der Allgemeinarzt war letzten Sommer hergezogen und hatte die Wohnung über der von Jill Beck gemietet. „Wie hat Adam das denn angestellt?“

„Er hat vorgeschlagen, dass ich einfach seine alte Wohnung miete. Er und Jill sind doch jetzt verlobt und wohnen gemeinsam unten bei ihr.“

„Und?“

„Jill hat daraufhin einem befristeten Mietverhältnis zugestimmt. Normalerweise tut sie das nicht, aber ich schätze mal, für mich hat sie eine Ausnahme gemacht.“

„Dann müsst ihr zwei euch ja wirklich gut verstehen.“

„Das tun wir. Sie hat mich sogar zur Hochzeit eingeladen.“ Ein strahlendes Lächeln erhellte daraufhin Ellies Gesicht. „Jedenfalls“, fuhr sie fort, „war ich erleichtert, dass ich jetzt ein Dach über dem Kopf habe.“

„Außerdem hast du sogar eine großartige Aussicht auf den See und die Berge.“ Im Augenblick konnte Alex sich über seine Aussicht allerdings auch nicht beschweren. Der Anblick von Ellie Hart wertete den schäbigen Baucontainer unheimlich auf.

„Aber jetzt …“ Bedauern lag in ihrer Stimme. „… muss ich wirklich wiedergutmachen, dass ich an meinem ersten Tag direkt zu spät gekommen bin. So etwas macht einfach keinen guten Eindruck.“

Eindruck gemacht hatte sie auf ihn auf jeden Fall. Ob gut oder schlecht, würde die Zeit zeigen, und so sauer, wie er wegen ihrer Verspätung gewesen war, konnte er kaum glauben, dass er als Nächstes sagte: „Also, wenn du Zeit brauchst, um auszupacken, dann nimm sie dir ruhig.“

„Das ist echt süß von dir, aber …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es gibt viel zu tun und morgen wird bereits das Fundament gegossen. Deshalb muss ich jetzt erst einmal die Stützen für die tragenden Wände überprüfen und die nächste Projektphase noch einmal genau unter die Lupe nehmen.“

„Das habe ich schon gemacht. Also, wenn du keine Änderungen mehr vornehmen willst, dann sind die Pläne gut so“, sagte er. „Sehr gut sogar.“

„Danke.“ Sie gestattete sich ein leichtes Lächeln. „Aber ich will trotzdem nichts dem Zufall überlassen.“

„Dafür hast du meinen Respekt.“ Er wartete auf eine Antwort von ihr, aber sie konzentrierte sich bereits auf ihren Computer.

Schließlich schaute sie auf. „War noch etwas?“

„Nur eins noch.“ Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Jetzt ließ er sich auch noch von ihrem Charme einwickeln. „Wie wäre es, wenn wir heute Abend nach der Arbeit …“

Sie hob die Hand. „Da muss ich sofort Stopp sagen.“

„Das ist aber so Brauch bei McKnight Construction. Am ersten Tag wird der Architekt immer auf einen Drink eingeladen. Das bringt Glück. Du kannst von mir aus ruhig sagen, dass ich abergläubisch bin.“

Sie verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. Aber dieses Mal ließ das Lächeln ihre Augen nicht aufleuchten. „Ich wage es jetzt mal, mich meilenweit aus dem Fenster zu lehnen, und behaupte, dass du noch nicht oft mit Architektinnen zu tun hattest.“

„Das stimmt. Wie kommst du nur darauf?“

„Noch eine wagemutige Behauptung … aber ich wette, dass du normalerweise auch nicht mit dem Architekten flirtest.“

„Was das Flirten angeht, da irrst du dich. Ich will einfach nur nett sein.“ Hörte sich das tatsächlich so schmalzig an, wie es ihm vorkam? So hatte er das doch gar nicht gemeint. „So stellt man eben ein gutes Arbeitsklima her.“

„Ja, solange, bis es das nicht mehr ist. Ich will nicht unhöflich sein, nur ehrlich.“ Sie holte tief Luft. „Mach dir bitte nichts vor, nur weil ich einen kurzen Rock anhabe. Ich bin kein zartes Gewächs. Ich kann diese Arbeit genauso gut oder sogar noch besser als jeder Mann machen, und genau das habe ich auch vor. Eine schlechte Erfahrung kann einen Karriererückschlag bedeuten, und das wird mir bestimmt nicht passieren.“

Wieder. Wieder passieren. Sie sagte es zwar nicht, aber dieses Wort stand mitten im Raum. Wenn er raten müsste, würde er vermuten, dass ihr jemand am Arbeitsplatz mal Avancen gemacht hatte. Das war nicht gut angekommen und ihr guter Ruf hatte darunter gelitten. Danach von der Firma eine Empfehlung zu bekommen, war bestimmt unmöglich gewesen. Das würde auch die zwölfmonatige Lücke in ihrem Lebenslauf erklären.

„Alles klar.“

„Okay. Gut.“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit nun wieder dem Computer zu und ignorierte ihn danach einfach.

Es gab viele gutaussehende Junggesellen in Blackwater Lake und Alex McKnight führte diese Liste bei Weitem an. Das war jedenfalls Ellies Meinung. In den letzten zwei Wochen war ihre freundliche, aber professionelle Fassade wirklich hart auf die Probe gestellt worden. Jetzt freute sie sich darauf, zur Abwechslung mal Spaß zu haben. Die Hochzeit von ihrer Vermieterin Jill Beck und Adam Stone schien dafür wie geschaffen zu sein.

Gleich würde die Zeremonie beginnen. Die Feier fand auf dem Rasen vor dem Haus statt, gleich unterhalb von Ellies Fenstern. Sie saß neben Liz Carpenter, der Rezeptionistin der Mercy Medical Clinic. Abgesehen von Braut und Bräutigam war diese praktisch die Einzige, die Ellie hier kannte.

„Ist hier noch frei?“

Ellie musste gar nicht erst hinsehen, um zu wissen, dass die Stimme hinter ihr Alex McKnight gehörte. In den letzten zwei Wochen hatte seine Stimme sie täglich auf dumme Gedanken gebracht. Sie schaute zu ihm auf und ihr stockte der Atem.

In dem dunklen Anzug mit dem grauen Hemd und der silbern und schwarz gestreiften Krawatte konnte sein Anblick praktisch die Erde daran hindern, sich weiterzudrehen.

Sein kurzes dunkles Haar war ordentlich gekämmt, und durchdringende braune Augen mit dunklen Wimpern brachten sie dazu, an leidenschaftliche Küsse unter einem Sternenhimmel zu denken. Sie wusste auch, wie er nach einem langen Arbeitstag aussah, wenn sich sein Bartschatten längst gezeigt hatte. Doch jetzt waren seine schmalen Wangen und der kräftige Kiefer frisch rasiert. Sie verspürte das absurde Verlangen, sein Gesicht zu berühren, nur, um zu sehen, ob seine Haut wirklich so glatt war, wie sie aussah.

„Ellie?“

„Hi, Alex.“ Sie zwang sich, ihn anzulächeln. „Klar, ist der Platz noch frei.“

„Jetzt nicht mehr.“ Er setzte sich und sie rechnete jeden Augenblick damit, dass zwischen ihnen die Funken sprühen würden. Er beugte sich vor und sagte: „Weit hast du es für diese Feier ja nicht.“

„Ja, nur die Treppe hinunter.“ Sein Atem kitzelte Ellies Ohr und der würzige Duft seines Eau de Toilette ließ ihre Willenskraft rasch schwinden. Seit dem ersten Tag hatte er sie nie anders behandelt als den Rest der Crew. Außerdem gehörte zu den Tischlern auch noch eine Frau. Inzwischen kam ihr ihre anfängliche Predigt, die sie ihm gehalten hatte, mehr als albern vor. „Ich schätze mal, die haben mich nur eingeladen, damit ich mich nicht bei der Polizei beschwere, wenn die Party zu laut wird.“

Er lachte und ließ den Blick von ihrem Kopf bis zu ihren rosa lackierten Zehennägeln gleiten, die aus ihren silbernen hochhackigen Sandalen hervorlugten. „Du bist wunderschön heute Abend.“

„Danke. Du siehst auch nicht übel aus.“ Das war eine reine Untertreibung. Einerseits wollte sie ihn für sein Kompliment am liebsten kritisieren aber andererseits waren sie ja nicht auf der Arbeit. „Bist du mit der Braut oder dem Bräutigam befreundet?“

„Mit beiden. Adam und ich haben uns angefreundet, als wir beide dem Komitee für die Erweiterung des Ärztezentrums angehört haben, und Jill kenne ich, weil ich mein Boot in ihrem Hafen liegen habe.“

„Ich vermute mal, dass es kein Ruderboot ist.“

„Da hast du recht. Auf ein Autodach passt es bestimmt nicht.“ Er lächelte. „Wenn ich mal so richtig Abstand und Ruhe brauche, fahre ich am Wochenende damit ans andere Ufer des Sees.“

„Zeltest du dann dort?“, fragte sie.

„Nein. Das Boot hat eine Kabine.“

Mit einem Bett? wollte sie schon fragen. Zum Glück behielt sie diese Frage aber für sich und er konnte auch ihr heftiges Herzklopfen nach diesen anzüglichen Gedanken nicht hören.

In diesem Augenblick fingen die Musiker an, den Hochzeitsmarsch zu spielen. Alle drehten sich daraufhin zum Mittelgang um. Einen Augenblick später kamen das blonde Blumenmädchen und der dunkelhaarige Ringträger den Gang entlang, gefolgt von der Brautjungfer. Zuletzt kam Jill, in einem schulterfreien cremefarbenen Kleid aus Satin und Spitze an ihnen vorbei. Sie hielt die Hand ihres siebenjährigen Sohnes, der sie zum Altar führte. In seinem Smoking sah er unglaublich süß aus.

Ellie warf dem Bräutigam, der mit seinem Bruder und dem Pfarrer unter einer mit Rosen geschmückten Laube wartete, einen kurzen Blick zu. Adam wirkte gleichzeitig benommen und verliebt.

Die Gefühle schnürten auch Ellie schnell die Kehle zu und Tränen traten ihr in die Augen. Warum machten sie Hochzeiten bloß immer so sentimental? Sie spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief. Sie wischte sie hastig weg und hoffte, dass niemand etwas bemerkt hatte. Doch eine Sekunde später hielt Alex ihr ein Taschentuch hin. „Habe ich bei Hochzeiten immer dabei.“

Sie lächelte, als er es ihr in die Hand drückte. Nur ein paar Augenblicke später war sie froh, es zu haben, denn das romantische Eheversprechen und der spektakuläre Kuss ließen ihre Tränen nur so fließen. Nach der Zeremonie verschwand das Brautpaar sofort mit dem Fotografen. Die Gäste erhoben sich und schlenderten nun über den Rasen zum Festzelt hinüber.

„Danke. Ich gebe es dir zurück, wenn ich es gewaschen habe.“ Ellie hielt das Taschentuch in die Höhe. „Ehrlich gesagt, bin ich äußerst froh, dass du so gut ausgerüstet warst.“

„Ich weine halt immer bei Hochzeiten.“

„Klar.“ Sie lachte. „Das ist mir wirklich unendlich peinlich. Du musst ja denken, dass ich eine richtige Heulsuse bin. Aber das war nun mal so eine schöne Hochzeit.“

„Du musst dich doch nicht entschuldigen. Es war wunderschön und es tut gut, zu wissen, dass manche Menschen irgendwann auch ihr glückliches Ende bekommen.“ Sein Ton war entweder sehnsüchtig oder verbittert. Was es genau war, war schwer zu sagen.

Dieses Mal schaffte sie es nicht, sich auf die Zunge zu beißen. „Wer hat dir denn das Herz gebrochen?“

„Wie kommst du denn darauf?“

Er hatte nun eine Hand an ihren Ellbogen gelegt, um sie über den unebenen Rasen zu führen, und die Berührung seiner warmen Finger drohte bereits, ihre Denkfähigkeit zu beeinträchtigen. „Was du gerade über ihr glückliches Ende gesagt hast … als ob du keines bekommen hättest.“

„Das habe ich auch nicht. Bei mir ist das alles ziemlich spektakulär schiefgegangen.“

Sie sah ihn erwartungsvoll an, aber er erzählte nichts mehr. „Würdest du gerne darüber reden?“

„Eigentlich nicht.“ Doch ein Funkeln ließ jetzt seine rauchgrauen Augen aufleuchten. „Aber ich ließe mich vielleicht dazu überreden, wenn du mit mir etwas trinken gehst.“

Das wollte sie unglaublich gerne. Rein technisch gesehen würde sie dabei nicht mal ihre Prinzipien über den Haufen werfen, sich nie am Arbeitsplatz mit einem Mann einzulassen, denn sie waren ja gerade nicht bei der Arbeit. „Okay.“

Sie gingen jetzt ins Zelt. Direkt neben dem Eingang war eine Bar aufgebaut. Alex bestellte einen Weißwein für sie und ein Bier für sich. Dann führte er sie zu einem freien Tisch in einer abgelegenen Ecke. Kleine weiße Lichter und Blumenarrangements aus Rosen, Orchideen und Lilien schufen eine fast magische Atmosphäre.

Alex zog einen Stuhl für sie zurück und als sie sich gesetzt hatten, berührten sich ihre Knie leicht.

„Also, dann erzähl mir mal von deinem spektakulären Fehlschlag“, sagte sie.

„Ich war bereits ein Mal verheiratet.“

Sie wusste seine Offenheit durchaus zu schätzen. Denn genau das war die Art von Information, die der Fiesling bei ihrem ersten Job ihr bewusst vorenthalten hatte. Nur, um sicherzugehen, fragte sie nach: „War?“

„Ja, ich bin jetzt geschieden.“

„Wie hast du sie denn kennengelernt?“

„Bei der Arbeit.“

War das nicht irgendwie immer so? Darum war sie ja jetzt so übervorsichtig. Das einzige Problem mit dem daraus entstandenen Misstrauen war die unglaubliche Einsamkeit. Alex brachte sie irgendwie dazu, zu vermissen, von einem Mann umarmt zu werden … geküsst zu werden … geliebt zu werden.

„War das im College?“

„Nein. Ich war der Chef und brauchte eine Assistentin. Sie war qualifiziert, und schön noch dazu. Dann wurde irgendwann mehr daraus.“ Sogar die schwache Beleuchtung konnte nicht verbergen, wie er dabei die Lippen zusammenpresste. „Kurz darauf hat sie mir gesagt, dass sie schwanger ist.“

„Also hast du sie geheiratet?“

„Und sie außerdem überredet, nach Blackwater Lake zu ziehen, weil das ein großartiger Ort ist, um Kinder großzuziehen.“

„Hat es ihr hier nicht gefallen?“

„Zum Teil. Vor allem habe ich ihr nicht besonders gefallen.“

„Dann warst du also nicht derjenige, der Schluss gemacht hat?“, fragte sie.

„Nein. Denn wie sich herausgestellt hat, hätte ich sie nicht fragen sollen, ob sie mich heiratet, als sie gesagt hat, dass sie schwanger ist. Ich hätte stattdessen viel lieber fragen sollen, wer der Vater ist.“

Sie brauchte einen Augenblick, bis ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. „Oh, nein … sie hat dich glauben lassen …“

„Ja, ich habe es wirklich genossen, einen Sohn zu haben, solange ich einen hatte.“ Verbitterung lag nun in seiner Stimme.

„Das tut mir so leid, Alex …“

„Das muss es nicht.“

„Ich hätte dich nicht dazu bringen sollen, darüber zu reden. Vor allem nicht bei so einem fröhlichen Anlass.“

„Das macht mir ehrlich nichts aus.“ Er stieß mit seiner Flasche gegen ihr Glas. „So habe ich dich wenigstens dazu gebracht, etwas mit mir zu trinken.“

„Das ist wahr.“ Und sie gleichzeitig auch etwas milder ihm gegenüber gestimmt. Vielleicht sogar mehr als nur etwas, und das war wiederum nicht notwendigerweise gut. Sie trank ihren Wein aus und stand auf. Applaus brandete auf, als die Braut und der Bräutigam nun Hand in Hand hereinkamen, gefolgt von den Angehörigen und Freunden. „Ich muss mir jetzt einen Platz suchen.“

„Bleib doch hier.“ Alex streckte die Hand aus und hielt sie sanft am Handgelenk fest. „Jetzt habe ich dir doch schon mein ganzes Herz ausgeschüttet. Reicht das nicht vielleicht noch für ein gemeinsames Abendessen aus?“

Erneut fühlte sich seine Berührung so unfassbar gut an. Die Wärme drang durch mehrere ihrer Schutzschichten, unter denen sie ihre Einsamkeit vor dem Rest der Welt versteckte. Es war schon so lange her, seit ein Mann sie berührt hatte. Sie konnte sich deshalb einfach nicht überwinden, sich ihm zu entziehen.

Also setzte sie sich wieder hin und sagte: „Das wäre schön.“

Wenn sie nicht hätte bleiben wollen, wäre es ganz leicht gewesen, einfach wegzugehen. Aber sie konnte es nicht. Also hoffte sie einfach, dass alles gut gehen würde.

2. KAPITEL

Die Feier war so schön wie die Hochzeitszeremonie. Adam und Jill tanzten zum ersten Mal als Mann und Frau miteinander. Adams Bruder, der Trauzeuge, brachte einen Toast auf das glückliche Paar aus, und die Brautjungfer wünschte ihnen ein langes und glückliches Leben.

Das Essen war einfach köstlich und die Hochzeitstorte wurde von den Neuvermählten ohne Zwischenfall angeschnitten. Das war eine ausgezeichnete Gelegenheit, um sich aus dem Staub zu machen. Ellie musste nämlich gehen, weil sie so gerne bleiben wollte, und daran war nur Alex schuld.

Sie sah ihn intensiv an, während er den letzten Bissen von seinem Stück Hochzeitstorte genoss. „Das war richtig schön …“

„Sag es nicht“, warnte er sie.

„Was denn?“

„Dass du jetzt gehst.“

„Vielleicht wollte ich ja auch sagen, dass das die schönste Hochzeit war, die ich jemals erlebt habe.“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf.

„Oder ich wollte sagen, dass ich zu spät zum Jongliertraining mit Tortentellern komme.“

Er verzog die Mundwinkel zu einem umwerfenden Lächeln. „Irgendwie habe ich so das Gefühl, dass du nicht der Typ fürs Jonglieren bist. Nein, dein Tonfall war eindeutig die Andeutung eines schnellen Abgangs.“

„Ich hatte ja gar keine Ahnung, dass du so scharfsinnig bist.“

„Tja, das bin ich aber. Lektion Nummer eins: Der Schein trügt oft.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“

„Du hast doch bestimmt gedacht, dass ich nur so ein typischer Lackaffe bin.“

Das brachte sie unwillkürlich zum Lächeln. Sie konnte einfach nicht anders. „Jetzt willst du mich doch nur dazu bringen, dir alle Gründe aufzuzählen, warum ich weiß, dass du ein intelligenter Mann bist.“

Seine braunen Augen funkelten. „Dann denkst du also, dass ich klug bin?“

„Das weiß ich sogar.“ Niemand konnte ihr ein besonders gutes Urteilsvermögen zusprechen, wenn es um Männer ging, aber sie hatte lange genug mit ihm zusammengearbeitet, um zu wissen, dass er kein Dummkopf war. „Du hast die Arbeiter fest im Griff, aber du bist immer fair. Du liegst momentan fünf Prozent unter dem Kostenvoranschlag und niemand in Blackwater Lake hat bisher auch nur ein Wort über dein Privatleben verloren.“ Sie hatte nämlich ihr Bestes getan, um unauffällig Informationen aus den Arbeitern herauszukitzeln.

„Vielleicht liegt es daran, dass ich momentan gar kein Privatleben habe.“

„Jetzt unterschätzt du mich aber.“ Sie lachte. „Natürlich hat ein Mann wie du, ein Privatleben. Es findet eben nur nicht hier in der Stadt statt.“

„Jetzt bin ich aber beeindruckt.“ Diese Feststellung bestätigte nichts, verneinte aber auch nichts. „Aber was meinst du mit ein Mann wie ich?“

„Ich muss jetzt wirklich gehen.“

Genau in diesem Augenblick setzte die Musik wieder ein. Mehrere Paare schwebten auf dem Tanzboden in der Mitte des Hochzeitszelts an ihnen vorbei.

„Wie wäre es denn mit einem letzten Tanz und dann bringe ich dich nach Hause?“ Alex reichte ihr die Hand.

Ellie starrte ihn an. Cinderella war dem Märchenprinzen nach einem Tanz auf dem Ball schließlich auch entkommen.

„Na schön.“ Sie legte ihre Hand in seine und er zog sie hoch.

Alex legte seine Hand an ihr Kreuz, als er sie auf die Tanzfläche führte. Dort schlang er ihr den Arm um die Taille und zog sie locker an sich. Sie legte daraufhin eine Hand auf seine Schulter, während er die andere nahm und mit seiner verschränkte, bevor er sie eng an seinen Oberkörper drückte. Das war so eine intime Geste, dass ihre Hormone fast verrücktspielten. Sie bewegten sich so mühelos im Takt der Musik, als ob dieser Tanz nicht der erste für sie wäre.

„Du bist wirklich eine gute Tänzerin.“ Sein Atem ließ ihre Haarsträhnen, die ihr in die Stirn gefallen waren, flattern.

„Du auch.“

Außerdem bist du attraktiv, humorvoll und intelligent. Nur mühsam schaffte sie es, normal weiterzuatmen, so außer Atem fühlte sie sich. Sie würde ihre Lieblingsschuhe darauf verwetten, dass jede Frau, die mit ihm ins Bett ging, sich den Rest ihres Lebens an diese Nacht erinnern würde.

Großer Gott, wo kam denn nur dieser Gedanke plötzlich her? Aber es war schlichtweg unmöglich, von ihm in den Armen gehalten zu werden und dabei seine breiten Schultern und seinen muskulösen Oberkörper nicht zu bemerken. Er brachte sie irgendwie dazu, sich zerbrechlich und feminin zu fühlen. Wie konnte sie da nicht darüber nachdenken, wie sich seine nackte Haut an ihrer anfühlen würde?

Himmel, es war auf einmal so heiß im Zelt!

Zum Glück war der Song jetzt vorbei, bevor sie sich noch blamierte. Alex ließ sie jedoch nicht los, als das nächste Lied begann. Offensichtlich hatte er vor, nicht nur den kleinen Finger zu nehmen, sondern gleich die ganze Hand.

Ellie entschlüpfte gekonnt seinem Griff. „Ich muss jetzt los.“

„Ich kann dir das wirklich nicht ausreden?“

Das wäre sogar geradezu jämmerlich leicht, aber sie zwang sich, Nein zu sagen. „Ich fürchte nicht.“

„Okay. Aber dann begleite ich dich wenigstens.“

„Das ist nicht nötig. Ich hab’s ja nicht weit. Was könnte mir denn schon passieren?“

„In Blackwater Lake? Höchstwahrscheinlich gar nichts, aber ein McKnight lässt eine Dame auf dem Heimweg trotzdem nicht allein.“

„Wie ritterlich.“

Sie ging zum Tisch zurück, wo noch mehrere Gäste saßen, und sagte allen Gute Nacht. Da Braut und Bräutigam gerade ganz versunken auf der Tanzfläche waren, beschloss sie, die beiden nicht zu stören.

Die Juniluft war kühl und der Himmel dank des Vollmonds, der sich im See spiegelte, sehr hell. Könnte die Atmosphäre noch romantischer sein? Sie konnte sogar den Bootssteg erkennen und die Schiffe, die daran festgemacht waren.

„Welches ist denn deins?“ Die Frage rutschte ihr auf einmal einfach so heraus.

„Das ganz am Ende, wo das Wasser tiefer ist.“

Sie hatte keine Ahnung von Booten, aber sogar sie sah, dass es das größte Schiff an der ganzen Anlegestelle war.

„Sieht ja toll aus.“ Sie ging nun auf die überdachte Veranda zu, wo die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufführte.

Alex legte jetzt eine Hand auf ihren Arm. „Willst du sie dir vielleicht ansehen?“

„Das Schiff?“ Das war eine dämliche Frage und sie diente nur dazu, Zeit zu gewinnen.

„Ja.“

Nicht nur die Wärme seiner Finger führte sie in Versuchung, sie war tatsächlich auch neugierig.

„Gerne“, stimmte sie deshalb zu. „Aber nur eine kurze Führung, dann muss ich echt ins Bett.“

„Okay.“

Es gefiel ihr, wie er seine Hand an ihren Rücken legte. Die Geste wirkte irgendwie galant. Im Mondlicht und nach ein paar Gläsern Wein wurde es immer schwieriger, sich daran zu erinnern, warum er als Liebhaber für sie nicht in Frage kam.

Der Steg schwankte kaum merklich. Sie gingen an mehreren Reihen Boote vorbei, bevor er sie bis ganz ans Ende des Stegs führte.

„Das ist die Independence“, sagte er stolz.

Geschickt begab er sich an Bord. Anschließend streckte er die Arme aus, legte ihr die Hände um die Taille und hob sie mühelos auf das Boot, während sie sich an seinen Schultern festhielt.

„Danke.“ Ihre Stimme klang ein bisschen atemlos und das hatte bestimmt nichts mit ihrem Spaziergang zu tun.

Er schien es zum Glück gar nicht zu bemerken. Er nahm einfach nur ihre Hand und zeigte ihr das Schiff. Zuerst erklärte er ihr, wo der Platz des Kapitäns hinter dem Steuerrad war und dann zeigte er ihr den hinteren Teil des Schiffs, wo die Passagiere sich entspannen und Sonne tanken konnten.

„Jetzt geht’s nach unten“, sagte er. „Lass mich aber zuerst die Leiter runtersteigen.“

„Du bist der Kapitän!“

Ein paar Sekunden später schien das Schiff ihn förmlich zu verschlucken. Dann ging unten ein Licht an. „Okay.“

Sie drehte sich um, genau wie er es getan hatte und hielt sich am Geländer fest. Danach stieg sie vorsichtig mit den Spitzen ihrer hochhackigen Schuhe die Leitersprossen hinunter. Es war nur noch eine Sprosse bis zum Boden, als sich einer ihrer Absätze plötzlich im Saum ihres Chiffonkleids verfing und sie das Gleichgewicht verlor. Aber starke Arme fingen sie auf und setzten sie sanft ab. Er hielt sie an der Taille fest, während sie sich an seinem Oberkörper festklammerte. So standen sie sich ganz nah gegenüber und sie sah genau, wann der humorvolle Ausdruck in seinen Augen sich in Verlangen verwandelte.

Er zögerte nur einen Sekundenbruchteil, bevor er seine Lippen auf ihre presste. Nach einem kurzen Moment des Schocks gab sie sich den unglaublichen und erregenden Empfindungen hin, die er mit seinen verzehrenden Küssen in ihr auslöste. Sie konnte einfach nicht genug von ihm bekommen. Er reizte sie und quälte sie förmlich mit seiner Zunge und sie schmeckte dabei das Bier und die Torte.

Als er sie gegen die Wand drückte, streifte Alex sie nur kurz mit den Hüften, löste damit aber einen wahren Sturm des Verlangens in ihrem Inneren aus. Er zog jetzt sein Jackett aus, dann lockerte er seine Krawatte und zog sie sich achtlos über den Kopf, ohne sie auch nur aufzuknoten. Ellie zerrte in dieser Zeit sein Hemd aus der Hose. Aber bevor sie mehr tun konnte, drehte er sie um und öffnete den Reißverschluss ihres Kleides. Sie ließ es daraufhin langsam nach unten gleiten. Weil sie sich auf einem Boot befanden, wusste sie nicht, ob ihr von seinen berauschenden Küssen oder von dem Schaukeln des Schiffs schwindelig war.

Sie trug keinen BH und als Alex sie von hinten umarmte und die Hände um ihre nackten Brüste legte, fühlte sie sich, als ob sie genauso gut in einer Rakete zum Mond sein könnte. Wahrscheinlich erlebte sie gerade das beste Vorspiel ihres ganzen Lebens.

Ellie drehte sich jetzt um und vergrub die Finger in seinem Haar, während er an einer ihrer Brustspitzen saugte. Sie krallte sich an ihm fest, damit er weitermachte, aber plötzlich zögerte er. Sie legte die Hände auf seine Hüften und zog ihn an sich. „Alex, ich will dich …“

Sein glühender Blick traf sie. „Ich weiß genau, wie du dich gerade fühlst …“

„Jetzt sofort. Bitte.“

„Nicht hier. Das Schlafzimmer …“

„… ist viel zu weit weg.“

Er grinste. „Da täuschst du dich aber.“

Er ging einen Schritt zur Seite und in eine Kabine hinein, die wirkte, als ob sie nur aus einem Bett bestünde. Er zog die Decke zur Seite, dann nahm er Ellie in den Arm und ließ sie auf die feste Matratze gleiten. Sie streifte daraufhin hastig ihre Schuhe ab und schlüpfte aus ihrem Slip, während er sich ebenfalls ganz auszog. Bevor er sich zu ihr gesellte, nahm er eine kleine Plastikpackung aus seinem Geldbeutel.

Sie sah zu, wie er die Folie und das Kondom überstreifte, dann konnte sie kaum atmen, als er behutsam ihre Beine spreizte und sich über ihren Körper senkte. Sanft drang er in sie ein. Genau wie beim Tanzen zuvor fühlte es sich nicht wie das erste Mal mit ihm an. Sie nahm ihn leicht in sich auf und passte sich automatisch seinem Rhythmus an. Er bewegte sich in ihr und baute nach und nach eine köstliche Spannung auf, bis sie es kaum noch ertragen konnte. Als er eine Hand zwischen ihre Körper schob und die empfindsamste Stelle zwischen ihren Schenkeln liebkoste, brachte die Explosion der Empfindungen, die er damit unvermittelt in ihr auslöste, ihre Welt kurz zum Stillstand. Keuchend rang sie nach Luft.

Alex hielt sie fest und flüsterte ihr zärtliche Worte ins Ohr, die sie aber in ihrem vor Lust ganz benommenen Zustand kaum verstand. Als sie wieder einigermaßen denken konnte, schlang sie die Beine fest um seine Hüften und brachte ihn seinerseits zum Höhepunkt. Bereits Sekunden später stöhnte er auf, spannte sich an und klammerte sich fest an sie, während er ebenfalls vor Lust explodierte.

Ellie hatte keine Ahnung, wie lange sie noch so in seinen Armen lag, bevor er sich zur Seite drehte, aufstand und verschwand. Aber bereits eine Minute später kam er wieder zurück und zog sie erneut an sich.

Den Kopf an seine Schulter geschmiegt, flüsterte sie schläfrig: „Du bist ziemlich … fantastisch.“

„Du auch, El.“ Erschöpfung klang aus seinen Worten heraus, so als ob er ihr gar keinen Spitznamen hatte verpassen wollen, sondern einfach nur zu müde war, um ihren ganzen Namen zu sagen.

Sie wusste genau, wie er sich fühlte, denn sie war auch viel zu müde, um die Augen noch offen halten zu können. Bevor sie einschlief, war ihr letzter Gedanke, dass sie unbedingt aufstehen und zurück zu ihrer Wohnung fahren sollte.

Alex machte ein Auge auf, als er hörte, wie jemand neben ihm nach Luft schnappte. Er brauchte nur eine Sekunde, bis ihm klar wurde, dass Ellie gerade aufgewacht war und gemerkt hatte, wo sie war … mit wem sie zusammen war und was sie miteinander angestellt hatten. Im Morgenlicht war ihr Gesichtsausdruck nur allzu leicht zu erkennen und zu deuten.

Er stützte sich nun auf einen Ellbogen auf. „Hi.“

„Guten Morgen.“ Sie zog sich die Decke bis zum Hals hinauf.

Ihr Haar ergoss sich wie braune Seide über das Kopfkissen. Sie sah höllisch sexy aus. Wahrscheinlich war das jetzt kein guter Zeitpunkt, um ihr zu sagen, dass sie mit der Decke bis zum Kinn genauso erregend wirkte wie splitterfasernackt. Denn die Decke betonte die Konturen ihres Körpers und er konnte darunter jede Rundung ihrer schlanken Gestalt erkennen, die er in der letzten Nacht so genüsslich erforscht hatte.

„Was ist los?“ Er wusste genau, dass ihr etwas zusetzte, weil sie sich nervös auf ihre Unterlippe biss. Auch diese Lippe hatte er gründlich gekostet und er hätte nichts dagegen, das Ganze sofort zu wiederholen.

„Ich schätze mal, wir müssen darüber reden.“ Ihr Gesichtsausdruck sagte deutlich, dass sie viel lieber barfuß über glühende Kohlen gehen würde. „Das ist so ein schreckliches Klischee, aber ich hasse mich heute Morgen wirklich dafür.“

„Wir könnten ja so tun, als ob das Ganze nie passiert wäre.“

„Es war ein Fehler, Alex, und ich übernehme die volle Verantwortung dafür.“

Er hatte schließlich auch einen Fehler gemacht, deshalb sagte er: „Wie wär’s wenn wir die Schuld fünfzig-fünfzig aufteilen?“

„Das ist fair.“ Sie drehte sich um. „Die Sache ist nur …“

Das musste das mit Abstand merkwürdigste Gespräch am Morgen danach sein, das er je geführt hatte. „Ich bin ganz Ohr.“

„Wenn das doch nur wahr wäre“, murmelte sie. „Wir sind Kollegen. Ich habe es mir doch fest zur Regel gemacht, niemals mit einem Kollegen ins Bett zu gehen.“

„Ich hasse es, dir das sagen zu müssen, aber der Zug ist wohl abgefahren.“

„Danke für den Hinweis auf das Offensichtliche“, sagte sie trocken. „Ich war schließlich auch dabei. Aber das darf wirklich nicht wieder vorkommen.“

„Da scheinst du ja sehr eisern zu sein.“ Obwohl er ihr theoretisch sogar zustimmte, wollte ein Teil von ihm das Ganze trotzdem als Herausforderung auffassen.

„Aus gutem Grund.“ Sie senkte den Blick. „Im College habe ich zu den Besten meines Jahrgangs gehört. Ich habe mein Praktikum bei einem der besten Architekturbüros von Dallas gemacht. Nach meinem Abschluss bin ich sofort dort eingestellt worden und damit hatte ich es endlich geschafft. Ich wollte meinem Vater und meinen Brüdern beweisen, dass ich allein für mich sorgen kann.“

„Und was ist dann passiert?“ Irgendetwas musste schließlich passiert sein.

„Ich habe eine Beziehung mit einem der Partner angefangen, und er hat es leider versäumt, mir zu sagen, dass er verheiratet war.“

„Das hört sich an, als ob es eine große Firma war. Hat dir denn keiner die Augen geöffnet, bevor es zu spät war?“

„Bei mir hätten sofort die Alarmglocken schrillen müssen, als er unsere Beziehung geheim halten wollte. Niemand im Büro hat davon gewusst. Das war mein Fehler. Ich habe seiner Erklärung geglaubt, dass er mich nur vor neidischen Kollegen beschützen wollte, die mir meinen Erfolg nicht gönnen und alles auf unsere Beziehung schieben würden.“

„Wie hast du es denn herausgefunden?“

„Seine Frau hat ihn erwischt. Dank einer E-Mail und einer Nachricht auf dem Handy.“ Sie umklammerte immer noch das Laken, mit dem sie ihre Brüste bedeckte. „Ist ja auch egal. Sie ist auf jeden Fall ins Büro gekommen und hat mich dort mit der ganzen Sache konfrontiert.“

„Das gab bestimmt eine richtig miese Szene.“ Das war keine Frage.

Sie nickte unglücklich. „Natürlich hat niemand geglaubt, dass ich so naiv gewesen bin, nicht zu wissen, dass er verheiratet war. Die Firma ist äußerst konservativ. Man hat mir noch einen Gefallen getan und mir erlaubt selbst zu kündigen.“

Wie großzügig, dachte er wütend. Also stand zwar keine Kündigung auf ihrem Lebenslauf, aber die Arbeitserfahrung konnte sie trotzdem nirgendwo angeben. „Was hast du dann gemacht?“

„Ich habe mich still und leise aus dem Staub gemacht und mit meinem Bruder Lincoln für Hart Industries gearbeitet. Er leitet die Entwicklungsabteilung für meinen Vater.“

„Kein schlechter Deal.“

„Für mich schon.“ Sie lächelte traurig. „Denn die Harts haben ein Gedächtnis wie Elefanten. Ich will doch nur, dass sie stolz auf mich sind, aber da habe ich mir wohl selbst eine richtig tiefe Grube gegraben.“

„Das ist jetzt der Augenblick, wo ich dich auf das Offensichtliche hinweise – der Typ ist ein Mistkerl gewesen.“ In Anbetracht der Tatsache, wie wütend er gerade war, hörte sich seine Stimme erstaunlich ruhig an.

„Damit rennst du bei mir offene Türen ein, aber das ändert trotzdem nichts daran, dass ich den Rückzug antreten musste. Das Ganze ist jetzt zwei Jahre her. Die Mercy Medical Clinic hier in Blackwater Lake ist also meine zweite Chance. Die darf ich auf keinen Fall verspielen. Fehler kann ich mir einfach nicht mehr leisten.“

„Da bin ich ganz deiner Meinung.“

„Ehrlich?“ Sie hörte sich überrascht an.

„Ich bin schließlich Geschäftsmann. Das hier ist eine Kleinstadt. Wenn eine Beziehung vorbei ist, dann gibt’s vielleicht auch verletzte Gefühle. So etwas spricht sich schnell rum und die Leute ergreifen dann automatisch Partei.“ Er zuckte mit den Achseln. „Das ist niemals gut fürs Geschäft.“

Sie begegnete seinem Blick. „Dann sind wir uns also einig?“

„Das sind wir. Ich respektiere es, dass du nichts Unverbindliches willst, aber das ist momentan leider alles, was bei mir möglich ist. Mir darf bei der Arbeit ebenfalls nichts dazwischenkommen. Ich muss mich um meine Projekte und meinen guten Ruf kümmern.“ Damit wiederholte er im Wesentlichen ihre Worte.

„Ich freue mich, das zu hören.“ Sie schaute zum Fenster hinaus. „Wie stehen wohl die Chancen, dass die letzte Nacht unser Geheimnis bleibt, in Anbetracht der Tatsache, dass beinahe die ganze Stadt auf der Hochzeit war?“

„Du wohnst doch hier in der Nähe und die Leute wissen, dass ich manchmal auf meinem Boot übernachte.“ Er bemerkte ihren Blick und grinste. „Nur um zu schlafen natürlich.“

„Klar.“

Den Einwurf ignorierte er. „Was ich damit sagen will, ist, dass keiner einen Gedanken daran verschwenden wird, dass mein Auto noch hier ist.“

„Na, da bin ich aber erleichtert.“

„Du musst nur wieder in deiner Wohnung sein, bevor das frisch vermählte Paar und ihr neugieriger kleiner Junge aufgestanden sind.“

„Dann mach ich mich mal besser sofort auf den Weg.“ Sie wollte schon aufstehen, als sie ihm noch einen Blick zuwarf.

„Ich schätze mal, du hättest jetzt gerne ein bisschen Privatsphäre.“ Ein bisschen spät dafür, dachte er allerdings schmunzelnd. Denn er hatte ihre weiche Haut ausgiebig betrachtet, berührt und geküsst, und er würde die vergangene Nacht den Rest seines Lebens in Erinnerung behalten. „Dann lasse ich dich jetzt mal allein.“

Ihm war es egal, ob sie ihn nackt sah. Also schlug er die Decke zurück und ließ sich Zeit dabei, seine Sachen einzusammeln, bevor er die Kabine verließ. Vor der Tür entdeckte er ihr Kleid und hob es auf. Nachdem er die sinnliche Seide sanft gestreichelt hatte, legte er es auf das Bett. „Das wirst du brauchen.“

Sie wollte jetzt bestimmt nicht hören, dass ihm das Kleid zwar sehr gut gefiel, aber dass sie ihm nackt noch lieber war. Vielleicht sogar nur in Stöckelschuhen.

Der Gedanke brachte ihn spontan zum Lächeln, und ihm fiel etwas ein. Es gab noch etwas, worüber er unbedingt mit ihr sprechen musste.

Gerade als er sich die Hosen angezogen hatte, tauchte Ellie vollständig angekleidet wieder auf. Sie ging zur Leiter, die nach oben auf das Deck führte. „Dann sehe ich dich morgen bei der Arbeit.“

„Eine Sekunde noch.“

Mit einer Hand an der Leiter warf sie ihm einen Blick zu. „Was gibt’s denn noch?“

„Nimmst du zufällig die Pille?“

„Nein.“ Ihre Augen weiteten sich erschrocken. „Dafür gibt es momentan keinen Grund, denn ich habe ja keine Beziehung. Aber du hast doch ein Kondom benutzt.“

„Ja, das stimmt.“ Ein Kondom, dessen Haltbarkeitsdatum schon lange überschritten war.

Aber er hatte in diesem Moment ja auch mit allen möglichen Körperteilen und nicht mit seinem Kopf gedacht.

„Es ist gerissen“, sagte er nun beklommen.

„Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast.“ Sie nickte nachdenklich. „Ich bin sicher, dass es da kein Problem gibt. Mach dir keine Sorgen.“

3. KAPITEL

Es war Montag und fast Feierabendzeit und Ellie hatte sich noch niemals so sehr darüber gefreut. Sie war unglaublich erschöpft. Von der Arbeit, aber vor allem auch von der Anstrengung, sich Alex gegenüber ganz normal zu verhalten. Wie machte man Sex einfach ungeschehen? Wie hörte man auf, sich einen Kollegen nackt vorzustellen, nachdem man ihn tatsächlich nackt gesehen hatte?

Jedes Mal, wenn sie seine braunen Schlafzimmeraugen und seine breiten Schultern sah, konnte sie nur noch an Sex mit ihm denken.

„Der Klempner kommt morgen früh.“ Alex schaute hoch und ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte. Sein Blick war dunkel und durchdringend, als ob er genau wusste, was sie gerade gedacht hatte.

„Richtig.“ Das Wort hörte sich fast wie ein Krächzen an und ihr Magen verkrampfte sich. „Bist du sicher, dass die Leute gut sind?“

„Es sind die besten Handwerker hier in der Gegend.“

„Gut. Die Leitungen für den Operationssaal und die Aufwachräume machen mich nämlich ganz schön nervös.“

„Diese Leute schaffen das schon“, sagte er zuversichtlich.

Er war immer so unglaublich selbstsicher, sogar beim Sex. Verdammt. Jetzt dachte sie schon wieder daran. Höchste Zeit, zu verschwinden. „Ich sehe mir nur noch mal schnell alles an, damit wir morgen direkt loslegen können.“

„Aber du machst bald für heute Schluss, oder?“

„Ja.“ Dann fragte sie sich, ob er sie vielleicht loswerden wollte. „Warum?“

„Du siehst müde aus.“

Der Mann war einfach viel zu aufmerksam. Zu ihrer Schande fragte sie sich allerdings, ob das bedeutete, dass ihm etwas an ihr lag. Sie wollte auf keinen Fall zu den Frauen gehören, die erwarteten, dass ein Mann tiefere Gefühle für sie entwickelte, nur weil sie miteinander geschlafen hatten. Sex war ein rein körperlicher Akt zwischen einem Mann und einer Frau, weil sie sich attraktiv fanden, das war alles und damit hatte es sich auch schon.

„Ich habe heute tatsächlich viel zu viel gearbeitet.“ Sie stand auf und klappte ihren Laptop zu. „Aber wenn ich einen gemütlichen Arbeitstag gewollt hätte, dann hätte ich mir einen anderen Beruf ausgesucht.“

„Das war auch nicht als Kritik gemeint.“ Alex erhob sich ebenfalls. „Ich wollte dich nur etwas fragen, aber wenn du zu müde bist, kann das natürlich auch warten.“

„Mir geht’s prima. Was gibt’s denn?“

„Ich habe über die Verbindung von dem neuen Flügel mit dem Ärztezentrum nachgedacht, und ich denke, an der bestehenden Wand sollte noch eine Dehnungsfuge angebracht werden.“

Daran hatte sie selbst auch schon gedacht und ihr war klar, dass er die Abdeckleiste dafür benutzen wollte, um die beiden Gebäudeteile nahtlos miteinander zu verbinden. „Meinst du, das funktioniert sonst nicht?“

„Genau.“ Er kam um seinen Schreibtisch herum. „Ich zeige dir mal eben, was ich meine.“

„Okay.“

Inzwischen sehnte sich Ellie danach, die Schuhe mit den hohen Absätzen auszuziehen, aber als sie vor Alex stand, war sie ganz froh über die zusätzlichen Zentimeter. Auch, wenn sie nicht genau wusste warum, war es ihr wichtig, neben ihm so groß wie möglich auszusehen.

„Bringen wir es hinter uns, damit du schnell von hier verschwinden kannst.“ Er ging vor ihr her und hielt ihr die Tür auf, bevor er die drei Stufen der Metalltreppe hinunterging. Schon den ganzen Tag hatte seine überaus attraktive Rückansicht ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen, so auch in diesem Augenblick. Alex McKnight war ein wirklich ausgesprochen gutaussehender Mann. Mit Jeans und auch ohne Jeans.

Sie starrte gebannt seinen Po an, anstatt auf die letzte Stufe zu achten, und blieb deshalb mit dem Absatz daran hängen. Einen Augenblick stand sie noch da, im nächsten stürzte sie schon mit einem leisen Aufschrei hinunter. Ihr Körper drehte sich zur Seite, aber ihr Schuh leider nicht. Sie spürte mehr, als sie hörte, wie etwas in ihrem Knöchel knackste, dann durchfuhr plötzlich ein glühender Schmerz ihr Bein.

Alex war sofort an ihrer Seite. „Alles okay bei dir?“

„Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht. Das tut echt unglaublich weh.“

Als er ihren Absatz befreite, schrie sie schmerzerfüllt auf. „Verdammt“, murmelte er. „Tut mir leid.“

„Schon okay. Oh … Himmel, tut das weh. Kannst du mir bitte aufhelfen?“

Er presste die Lippen zusammen, als er einen Arm um ihre Taille schlang und sie stützte, damit sie aufstehen konnte. Als sie mit dem Fuß den Asphalt berührte, schrie sie erneut auf. Der Schmerz nahm ihr schier den Atem.

„Das war’s.“ Alex hob sie kurzerhand hoch. „Gut, dass der Arzt direkt nebenan ist.“

„Das ist nicht nötig. Ich bin mir sicher, der Knöchel ist nur verstaucht.“ Bitte, lieber Gott, lass ihn nur verstaucht sein.

„Auch darum kann sich mein Bruder kümmern“, sagte er grimmig.

Sie legte die Arme um seinen Hals und biss vor Schmerzen die Zähne zusammen. Irgendwo hatte sie einmal gehört, dass verletzte Sehnen und Bänder schmerzhafter waren und langsamer heilten als gebrochene Knochen. Aber das kam ihr trotzdem weniger schlimm vor als die Alternative. Denn sie durfte nicht arbeitsunfähig werden, denn das würde das Projekt mit der Mercy Medical Clinic aufhalten. Verzögerungen waren niemals gut, und sie konnte sich wirklich erst recht keine leisten. Nicht, während sie versuchte, eine Scharte auszuwetzen, was ihre berufliche Reputation betraf.

Ellie lag mit hochgelagertem Knöchel auf dem Untersuchungstisch. Sie wartete darauf, dass der Orthopäde mit seinem Urteil zurückkehrte. Dr. McKnight – der sie gebeten hatte, ihn Ben nennen – hatte ihr erklärt, dass es sich wahrscheinlich um einen Bruch handelte. Aber erst die Röntgenaufnahme würde Gewissheit bringen. Nachdem er ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben hatte, hatte er gesagt, sie solle sich solange ausruhen.

Sie war noch niemals in ihrem Leben so erschöpft gewesen. Der Druck im Job dieses Mal alles richtig zu machen, machte sich immer mehr bemerkbar, und dann war da auch noch Alex …

Als es leise an der Tür des Untersuchungszimmers klopfte, rollte sie sich vorsichtig auf die Seite.

Ginny Irwin stand in der Tür. „Wie geht’s Ihnen denn, Süße?“ Die Stimme der Krankenschwester war fest, aber nicht unfreundlich.

„Besser.“ Ellie verlagerte ihr Gewicht und zuckte erschrocken zusammen, als ein dumpfer Schmerz von ihrem Knöchel bis in den Oberschenkel strahlte. „Ich bin mir sicher, er ist nur verstaucht.“

Die ältere Frau musterte sie kritisch. „Kann ich Ihnen vielleicht etwas bringen? Einen Snack? Oder etwas zu trinken?“

„Nein, danke.“ Ihr Magen fühlte sich immer noch ganz verkrampft an, vor lauter Schreck. „Ich glaube nicht, dass ich jetzt irgendetwas runterbringen würde.“

„Doch, das können Sie. Ich weiß sogar genau das Richtige.“ Ohne auf ihren Protest zu warten, drehte Ginny sich um. „Jetzt versuchen Sie erst einmal, sich ein bisschen auszuruhen.“

Leichter gesagt, als getan, dachte Ellie. Sie fühlte sich geradezu jämmerlich verloren und allein, als es erneut an der Tür klopfte. Hoffentlich war das Ben McKnight mit guten Neuigkeiten.

„Herein.“

Einen Augenblick später stand tatsächlich ein McKnight in der Tür, aber nicht der, auf den sie gehofft hatte.

Alex kam herein und hatte eine Dose Ginger-Ale und einen Plastikbecher mit Strohhalm in der Hand. „Hi.“

Ellie ärgerte sich, weil er so verdammt gut aussah, während sie sich so mies fühlte. „Ich habe doch gesagt, du sollst nach Hause gehen.“ Jetzt hörte sie sich auch noch zickig und undankbar an. „Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen, Alex. Ich wollte nicht unhöflich zu dir sein.“

Er schenkte ihr die prickelnde Limonade ein und wartete, bis die Blasen sich gesetzt hatten, bevor er ihr den Becher überreichte. „Jetzt nimm erst einmal einen Schluck.“

„Ich habe der Krankenschwester schon gesagt, dass ich nichts will.“

Er musste ihr wohl angesehen haben, dass sie auf stur schalten wollte, denn er fügte hinzu: „Ich habe den Befehl erhalten, mich hier nützlich zu machen. Ginny Irwin jagt mir und allen anderen Patienten hier einen Mordsrespekt ein. Wenn du so schlau bist, wie ich denke, dann geht’s dir genauso und du tust lieber, was sie dir sagt.“

Ellie hätte nicht gedacht, dass sie an diesem Tag noch einmal in Versuchung kommen würde zu lächeln, aber Alex hatte ihr gerade das Gegenteil bewiesen. Sie stützte sich auf einen Ellbogen auf. „Wenn du das so formulierst …“

Er hielt den Strohhalm fest, während sie trank. „Braves Mädchen.“

Nachdem sie ungefähr die Hälfte getrunken hatte, streckte sie sich wieder aus. Merkwürdigerweise fühlte sie sich jetzt tatsächlich ein bisschen besser. „Danke.“

„Gern geschehen.“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Wie geht’s dir denn jetzt?“

„Wie sehe ich denn aus?“ Wie er die Lippen zusammenpresste bei dieser Frage, war nicht sehr beruhigend. „Sag mir die Wahrheit.“

„Du bist weiß wie eine Wand und dein Knöchel ist geschwollen und zwar heftig.“

„Deine Ehrlichkeit weiß ich sehr zu schätzen.“ Das meinte sie wirklich ernst. Denn Ehrlichkeit war ihr von jeher sehr wichtig. Aber das half ihr nicht, ihre wachsende Panik zu bekämpfen.

„Alles wird gut, Ellie.“

Wie denn? wollte sie am liebsten fragen. Ein gebrochener Knöchel würde sie beeinträchtigen, und das passte nun mal überhaupt nicht in ihren Terminkalender. Ihre Pläne, ihren guten Ruf karrieretechnisch wiederherzustellen, waren nun mal nicht flexibel.

„Daran habe ich gar keinen Zweifel.“ Sie war sich ziemlich sicher, dass sie genug Zuversicht in ihre Worte gelegt hatte, um überzeugend zu wirken.

„Verdammt richtig. Egal, was passiert. Wenn du etwas brauchst, musst du es mir nur sagen.“

Niemals, dachte sie. Sie hatte einmal einem Mann vertraut, jetzt wollte sie allein zurechtkommen.

„Ich bin mir sicher, dass ich nichts brauchen werde, aber das ist ein schrecklich nettes Angebot, Alex.“ Sie lächelte so ehrlich wie möglich. „Es ist doch jetzt schon längst Feierabend, du solltest nach Hause gehen.“

„Mir macht das nichts …“

Ein Klopfen unterbrach ihn, dann ging die Tür auf. Ben kam herein, ihre Röntgenaufnahmen in der Hand. „Hey, Alex. Ich habe gar nicht gewusst, dass du auch noch da bist.“

„Ich habe ihm gerade erklärt, dass er gehen soll“, sagte Ellie.

Der Arzt sah sie beide an. „Ich habe hier den Bericht des Radiologen.“

„Na endlich.“ Jetzt, wo die Ergebnisse vorlagen, hatte sie auf einmal Angst.

Die beiden Brüder standen genau nebeneinander. So war die Familienähnlichkeit unverkennbar. Die Gesichtsform war absolut identisch, bis hin zu dem kantigen Kinn und den markanten Wangenknochen. Farblich bestanden leichte Unterschiede, denn das Haar des Arztes war heller. Alex war hingegen ein bisschen größer und hatte breitere Schultern. Sein Haar war dunkler, seine braunen Augen durchdringender.

Als er keine Anstalten machte zu gehen, räusperte sich Ben.

„Ihr zwei seid offensichtlich befreundet, aber ich muss jetzt allein mit Ellie sprechen.“

„Oh. Richtig. Tut mir leid.“ Alex verließ den Raum sofort.

Als sich die Tür hinter ihm schloss, wusste Ellie nicht, ob sie erleichtert war oder ob sie seine Unterstützung vermissen würde.

„Okay. Also, was ist los, Doc?“

Er hängte die Röntgenbilder nun an den Leuchtkasten. Sogar für einen Laien waren die Knochen von Fuß, Knöchel und Unterschenkel zu erkennen. Mit seinem Stift wies Ben auf eine Unregelmäßigkeit.

„Es tut mir sehr leid, Ellie, aber das ist eindeutig eine Fraktur.“

„Okay.“ Sie holte tief Luft. „Also, was geschieht jetzt? Ich bekomme bestimmt einen Gips. Könntest du einen machen, mit dem ich auch laufen kann?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Damit ich weiter arbeiten kann.“

„Du bekommst zunächst einmal einen Gips, damit du die Verletzung nicht schlimmer machst, während wir darauf warten, dass die Schwellung zurückgeht.“

Das hörte sich gar nicht gut an. „Und anschließend?“

„Um das zu richten, muss ich dich leider operieren. Eine Platte muss den Knochen beim Heilen zusammenhalten. Das Problem ist …“

„Was?“ Ihr Magen verkrampfte sich immer mehr.

„Wenn die Erweiterung des Ärztezentrums erst einmal fertig ist, kann so etwas hier ambulant gemacht werden, aber so lange kannst du nicht warten. Das heißt, du musst in ein richtiges Krankenhaus und dieses ist ziemlich weit weg.“

Es befand sich in der Nähe des niedlichen kleinen Flughafens, das wusste sie. „Wie viel Arbeitszeit werde ich dadurch verlieren?“

„Den Tag der Operation und noch ein oder zwei Tage danach.“

„Kann ich in der Zwischenzeit denn weiterarbeiten?“

„Ja, mit Krücken. Du darfst das Bein aber nicht belasten, und du musst den Fuß so viel wie möglich hochlegen, damit er abschwellen kann. Je eher die Operation gemacht wird, umso eher bist du wieder auf den Beinen.“

„Okay.“

„Hast du sonst noch Fragen?“ Mitgefühl zeigte sich in den dunklen Augen des Arztes.

„Im Augenblick nicht, danke.“

Ellie vermutete, dass sie einen Schock hatte. Denn das war die einzige Erklärung dafür, warum sie so ruhig blieb, während der Gips angelegt wurde. Als dieser fertig war, gab Ginny ihr Krücken und half ihr in einen Rollstuhl hinein. Sie war gerade auf dem Weg in den Wartebereich und wollte die Krankenschwester schon um den Gefallen bitten, noch ein bisschen weiter, bis zu ihrem Auto gefahren zu werden, aber bevor sie das tun konnte, entdeckte sie auf einmal Alex.

Ginny schob sie auf ihn zu. „Hier ist sie.“

„Danke, Ginny.“

Ellie konnte einfach nicht glauben, dass er immer noch da war. Noch viel wichtiger: sie wollte sich auf keinen Fall daran gewöhnen.

4. KAPITEL

Bei Ellies Anblick fühlte Alex sich unweigerlich an einen wütenden, verängstigten Kolibri erinnert. Sie saß in einem Rollstuhl, hatte ein Paar Krücken in der Hand und einen knallrosa Gips, der ihr bis unter das linke Knie ging.

„Also, was diese ärztliche Schweigepflicht angeht …“ Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. „Würdest du mir erzählen, was mein Bruder gesagt hat?“

„Eigentlich nicht.“ Die Entschlossenheit in ihrem Blick sagte ihm, dass sie das ernst meinte. Aber es lag auch Verletzlichkeit darin. „Aber du hast natürlich ein Recht, Bescheid zu wissen. Mein Knöchel ist gebrochen.“

„Oh, Ellie, das tut mir so leid.“

Sie versuchte, das Ganze mit einem Schulterzucken abzutun, aber ihre Enttäuschung war deutlich spürbar. „Man muss die Dinge eben nehmen, wie sie sind, wie Hastings Hart sagen würde.“

Alex hatte das Gefühl, dass ihr Daddy immer äußerst hohe Ansprüche an seine Tochter stellte. „Okay. Er ist also gebrochen, aber das ist doch nicht das Ende der Welt. Jetzt hast du eben einen Gips und ich nehme an, mit Krücken wirst du in nächster Zukunft bestimmt keinen Marathon laufen. Das bremst dich halt ein bisschen aus.“

„So einfach ist das nicht.“

„Warum?“

„Ben sagt, ich muss operiert werden. Er muss die Knochen mit einer Platte fixieren, sonst werde ich nie einen Marathon laufen, oder überhaupt noch richtig laufen können. Die OP kann leider nicht warten, bis die Erweiterung fertig ist.“

„Okay.“ Alex stützte die Ellbogen auf die Knie. „Also musst du am besten so schnell wie möglich operiert werden.“

„Ich muss erst einmal warten, bis die Schwellung zurückgegangen ist, anschließend muss ich ins Krankenhaus. Aber es muss zum Glück nicht stationär sein, das kann ich auch ambulant machen lassen.“

„Also, das ist natürlich blöd“, stimmte er ihr zu, „aber wir können notfalls auf der Baustelle auf dich verzichten, wenn es sein muss. Das ist keine Katastrophe.“ Er bemerkte plötzlich, dass der Nagellack auf ihren Zehennägeln zu dem quietschrosa Gips passte. „Außer für dich, natürlich.“

„Das ist wahr.“ Sie seufzte. „Das war wirklich nicht mein Tag.“

„Hast du denn noch große Schmerzen?“

„Es tut schon noch weh, aber ich bin hart im Nehmen.“ So sah sie aber überhaupt nicht aus; eher wie ein ausgesetztes Kätzchen. „Ben hat gesagt, rezeptfreie Schmerzmittel sollten reichen.“

„Na schön, dann fahr ich dich …“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Ist doch der linke Knöchel, also kann ich noch fahren.“

„Ich bin mir sicher, dass du das kannst, Ellie, aber ich bin doch sowieso schon hier, also musst du das nicht. Ich fahre dich gerne überall hin, wo du hinwillst.“

„Ich will nach Hause, aber es ist wirklich nicht nötig, dass du so einen Umweg wegen mir machst.“

„Das ist überhaupt kein Umweg. Ich wohne nämlich in der Nähe vom See, gar nicht weit weg von deiner Wohnung.“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Wohnst du nicht in der oberen Etage?“

„Ja, das tue ich.“ Einen Augenblick lang sah sie besorgt aus, aber dann gewann ihr Dickschädel wieder die Oberhand. „Ich komme schon klar, mache dir keine Gedanken.“

„Wie?“

„Was?“

„Wie willst du denn die Treppe hinaufkommen?“