Balthasar, Haudiblau und Sausewind - Günther Juris - E-Book

Balthasar, Haudiblau und Sausewind E-Book

Günther Juris

0,0

Beschreibung

Auf einem einsamen, verlassenen Bauernhof am Rande der Berge fanden sich nacheinander drei Pferde verschiedenen Alters ein. Alle waren sie auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Der alte Haflinger Balthasar, der liebenswürdige Rabauke Haudiblau und das Fohlen Sausewind. Ein jeder von ihnen hat bei seiner Geburt vom lieben Gott ein besonderes Talent mitbekommen. Nicht zuletzt deshalb wurden sie die besten Freunde, die man sich vorstellen kann, und täglich genossen sie das Leben in vollen Zügen. Als aber das Futter in der Scheune immer weniger wurde und der Winter vor der Tür stand, begannen die Probleme. Niemand war da, der das Gras mähen und einlagern konnte. Mussten sie gar wieder weiterziehen in eine ungewisse Zukunft? Oder gab es doch noch eine Rettung für die drei Kameraden, für die die Aussichten immer düsterer wurden? Jetzt waren die verschiedenen Begabungen gefragt, und siehe da, in einem fulminanten Finale wurde es wieder hell am Horizont. Diese spannende Erzählung besticht auch durch ihren hohen pädagogischen Wert, der den Kinder schon früh einen Leitfaden durchs Leben präsentiert und ihrer positiven Entwicklung und Persönlichkeitsbildung förderlich ist. Dieses Buch ist für Kinder ab dem fünften Lebensjahr geeignet.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 79

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für meinen Enkel Leonard, und für alle Enkel dieser Welt.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1

Am Rande der Berge im Süden unseres Landes gibt es ein kleines Tal, in dem sich, ein wenig abseits von vielbefahrenen Straßen, ein einsamer alter Bauernhof befindet. Dieser Bauernhof wurde vor einiger Zeit von seinen Bewohnern verlassen, denn der Bauer, dem der Hof gehört, hatte keine Tiere mehr und ist deshalb mit seiner Frau und seinem Sohn Max in die nächste Stadt gezogen. Er hoffte dort Arbeit zu finden, um genug Geld für Essen und Kleidung zu verdienen, damit seine Familie nicht mehr hungern und frieren musste. Darum war niemand mehr da, der sich um den Hof kümmern konnte.

Das Haus und der Stall waren noch ganz gut in Schuss. An manchen Stellen blätterte zwar ein bisschen Farbe von den Wänden, aber sonst sah alles ganz stabil aus. Es war sehr schön und ruhig hier. Hauptsache aber war, dass das Dach keine undichten Stellen hatte und einem kein Wasser auf den Kopf tropfte, wenn man im Bett lag und draußen ein Regenschauer niederprasselte. Das gibt nämlich keinen ruhigen Schlaf, wie sich jeder denken kann.

Um das Haus herum standen viele Apfelbäume.

Es waren alle möglichen Apfelsorten darunter. Da gab es rote, grüne und gelbe Äpfel. Manche waren weder grün noch gelb, irgendwie so dazwischen. Die waren die süßesten von allen.

An einem sonnigen Tag, als der Sommer langsam zu Ende ging, stolzierte ein ziemlich altes Pferd auf den Hof. Es hatte sehr lange weiße Haare, wie es manchmal auch bei alten Männern der Fall ist. Oft sind solche Weißhaarige sehr klug und weise. So war es auch bei diesem Vagabunden. Aber das erfahren wir im Laufe der Geschichte, die ich nun erzählen will.

Dieses alte Pferd war auf der Suche nach einem neuen Zuhause, weil es dort, wo es zuletzt gelebt hatte, nicht mehr bleiben durfte. Es war einfach ausgebüxt. Der dortige Bauer wollte es doch tatsächlich an den Metzger verkaufen, der dann Salami aus ihm gemacht hätte.

Als nun dieses Pferd die vielen reifen Äpfel sah, freute es sich so sehr, dass es sich bei dem ersten Baum, den es erreichte, sofort zu einem heruntergefallenen Apfel beugte. Es hob ihn mit den Zähnen auf und verputzte ihn mit allergrößtem Genuss. Das Aufheben war gar nicht so einfach, weil bei dem Pferd der Kopf so hoch oben ist und der Apfel so weit unten zwischen den Grashalmen lag. Aber Balthasar, so hieß das Pferd, schaffte es dann doch irgendwie. Die alten Glieder wollten nicht mehr so richtig mitmachen. Bücken und Strecken tat seinen Gelenken weh. Dennoch holte er sich gleich darauf einen zweiten und, weil's so gut war, auch noch einen dritten Apfel. Mmhm, war das fein. Dann hörte er aber damit auf, denn er wusste, wenn man zuviel von den Äpfeln aß, war einem hinterher nicht gut.

Plötzlich erschrak er fürchterlich, denn ihm kam in den Sinn, dass er die Äpfel in dem Garten nicht einfach essen durfte! Die gehörten ihm doch gar nicht! Und weil ihn sein schlechtes Gewissen so plagte ging er zum Haus hinüber, um nach dem Besitzer des Hofes zu suchen und ihn um Erlaubnis zu bitten. Er wusste ja noch nicht, dass hier kein Mensch mehr wohnte.

Balthasar hatte vom Lieben Gott die einmalige Gabe geschenkt bekommen, sich mit den Zweibeinern – so nannte Balthasar die Menschen – unterhalten zu können. Er war das einzige Pferd auf der Welt, von dem bekannt war, dass es die Sprache der Menschen beherrscht.

Auf seiner Suche nach dem Besitzer sah sich Balthasar eine Weile um. Weil aber weit und breit niemand zu finden war, ging er zurück zu den Bäumen, um sich in deren Schatten ein wenig auszuruhen. Später, wenn bis dahin noch immer niemand aufgetaucht war, würde er mit dem Sonntagsessen fortfahren. Sonntagsessen sagte er zu allem, was ihm besonders gut schmeckte.

Es war wunderschön hier. Hier würde er gerne bleiben. Wenigstens für die nächsten Tage. Und wenn dann noch immer kein Bauer aufgetaucht war, vielleicht sogar für länger.

Nachdem er sich ausgeruht hatte, setzte er seinen Rundgang fort. In der Scheune entdeckte er eine große Menge Heu für den Winter, und sogar prall gefüllte Säcke mit Hafer waren da. Das ist ja ein Schlaraffenland, dachte er sich. Und dann hoffte er, dass es tatsächlich keinen Besitzer gab, der ihn von hier wieder vertreiben würde.

Bei der weiteren Erkundung sah er saftig grüne Wiesen, die allesamt eingezäunt waren. Gott sei Dank waren alle Zugänge offen, denn Balthasar war zu alt, um über hohe Zäune zu springen. So hatte er ungehinderten Zugang zu frischem Futter. In der Mitte einer Weide gab es sogar ein kleines Birkenwäldchen. Dort wollte er sich ein ein wenig in den Schatten legen, denn er fühlte doch inzwischen eine gewisse Müdigkeit nach dem langen Weg und den vielen schönen neuen Eindrücken. Dazu musste er durch einen kleinen Bach waten, der quer durch das Grundstück plätscherte. Mitten drin blieb er kurz stehen, um von dem klaren Wasser zu trinken.

„Mmhm" machte er wieder. Dieses Wasser war herrlich frisch und sauber. Es schmeckte vorzüglich.

Als sein Durst gestillt war, legte er sich hin und machte ein Mittagsschläfchen. Dabei träumte er davon, die paar Jahre, die er vielleicht noch lebte, hier bleiben zu dürfen und nie wieder weg zu müssen. Ein junger Mann erschien ihm in diesem Traum, der ihm die Erlaubnis gab, zu bleiben.

Als Balthasar aus seinem Schlaf erwachte, stand vor ihm aber kein junger Mann, sondern da lag ganz in seiner Nähe ein anderes Pferd, das er vorhin gar nicht gesehen hatte. Es war anscheinend ein Neuankömmling wie er selbst.

„Wer bist denn du?" fragte Balthasar und schaute es neugierig an.

„Ich bin Haudiblau" wieherte das wesentlich jüngere Pferd. Eigentlich war es noch ein junger Hupfer mit seinen zwei Jahren, die es bisher auf dem Buckel hatte.

„Das ist aber ein komischer Name", meinte der alte Balthasar und musste ein wenig lachen. „Woher hast du den denn?"

Haudiblau schien ein wenig traurig zu sein, weil Balthasar seinen Namen lächerlich fand, und so erzählte er ihm, wie er dazu gekommen war.

„Meine Lieblingsbeschäftigung ist, auf der Weide herumzutollen. Und dann mache ich ab und zu Sprünge, bei denen ich mit den Hufen nach hinten ausschlage. Da kann es schon einmal vorkommen, dass jemand hinter mir steht und etwas abbekommt. Meistens sind das dann blaue Flecken, die zurückbleiben."

„Ach so", sagte Balthasar, und weil ihm das einleuchtete, gab er sich mit der Erklärung auch zufrieden.

„Willst du bei mir bleiben?" fragte er dann und hoffte, dass das junge Pferd zustimmen würde. Alleine auf so einem großen Hof wollte er nicht gerne sein. Und einen jungen Freund in seiner Nähe zu haben, konnte bestimmt nicht schaden.

„Sehr gerne, denn ich habe kein Zuhause mehr, seitdem man mich vor einer Woche hinausgeworfen hat. Die anderen wollten mit mir nichts mehr zu tun haben."

„Das kann ich gut verstehen", sagte Balthasar.

„Wer will schon dauernd blaue Flecken haben. Das tut ja auch noch weh!"

So freundeten sich die beiden Hengste miteinander an und genossen das Leben in vollen Zügen. Das saftige Gras war hoch genug, dass leicht mehrere Pferde davon satt werden konnten – und das jeden Tag. Zum Nachtisch gab es dann Äpfel. Die mussten aufgegessen werden, denn sonst würden sie am Boden verfaulen.

Außerdem war noch immer niemand aufgetaucht, der etwas dagegen haben konnte.

An den nun folgenden Tagen ruhte sich Balthasar die meiste Zeit aus und Haudiblau konnte sich auf den Weiden nach Lust und Laune austoben. Immer wieder sprang er voller Lebensfreude hoch und schlug mit den Hinterhufen aus. Balthasar achtete stets darauf, dass immer ein gewisser Abstand zwischen ihm und Haudiblau war. So blieb er selbst von blauen Flecken verschont.

Das ging einen ganzen Monat so. Kein Zweibeiner ließ sich auf dem Hof sehen, so dass die beiden überlegten, länger zu bleiben. Vielleicht sogar den ganzen Winter über. Futter war genug da, daran mangelte es nicht.

Als sie das am nächsten Tag, gleich nach dem Aufstehen, endgültig beschlossen, waren sie sehr glücklich über ihre Entscheidung. Beide wieherten wie verrückt und Haudiblau rannte gleich wieder auf die Weide mit dem kleinen Birkenwäldchen. Dort machte er sich über sein Frühstück her, das hier überall wuchs. Saftiges Gras, und dazwischen würzige Kräuter, soweit das Auge reichte. Doch dann stutzte er plötzlich. Da lag doch jemand bei den Bäumen.

Er ging so leise er konnte hin, damit der andere nicht auf ihn aufmerksam wurde. Und tatsächlich, da lag ein Fohlen im Gras und schlief. Und es war ganz allein. Von einer Mutter oder einem Vater war weit und breit nichts zu sehen. Haudiblau schlich sich zu dem Kleinen und stubste ein wenig mit seiner Nase gegen dessen Kopf. Aber der kleine schwarze Hengst mit vier weißen Beinen, von den Knien abwärts, bewegte sich kein bisschen. Er schien vollkommen erschöpft zu sein. Also ging Haudiblau zurück in den Stall und erzählte Balthasar von seiner Entdeckung. Der schaute ihn ganz erstaunt an und stand so schnell auf, wie es in seinem Alter noch möglich war. Zusammen besuchten sie den kleinen Schläfer.

Doch der war inzwischen aufgewacht und sah die beiden auf sich zukommen. Er hatte fürchterliche Angst, weil er keine Ahnung hatte, was nun passieren würde. Ob die beiden friedliche Absichten hatten oder ihn womöglich vertreiben würden. Er wünschte sich in diesem Moment, seine Mutter wäre hier, um ihn zu beschützen.