Beautiful Secrets – Wenn ich dich spüre - Mia Moreno - E-Book

Beautiful Secrets – Wenn ich dich spüre E-Book

Mia Moreno

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der zweite Band der Romance-Sensation des Jahres! In der sinnlichen »Enemies to Lovers«-Romance beweist Mia Moreno, dass New Adult mit deutschem Setting nicht nur prickeln, sondern genussvoll brennen kann. Hier stimmt etwas nicht. Die freiheitsliebende Maxi heuert zähneknirschend in der noblen Berliner Privatklinik als IT-Assistentin an, um herauszufinden, was hinter dem Charity-Projekt der »Villa Berlin« steckt. Bald entdeckt die toughe Hackerin eine heiße Spur. Dumm nur, dass sie immer wieder von dem unerträglich gut aussehenden Schauspieler Nick bei ihren Nachforschungen gestört wird. Maxi will mit dem oberflächlichen Jungstar nichts zu tun haben, der sich für eine Realityshow in der Klinik behandeln lässt. Nick hingegen ist von Maxi begeistert. Schon bald fliegen zwischen den beiden die Fetzen – und die Funken. »Beautiful Secrets – Wenn ich dich spüre« ist der zweite Band der heißesten New-Adult-Trilogie des Jahres! Im Zentrum jedes Bandes steht eine von drei toughen Berliner Freundinnen, die in der Stadt der verlorenen Herzen nicht nur die große Liebe finden, sondern auch gemeinsam die kriminellen Machenschaften einer noblen Privatklinik am Spreeufer aufdecken: eine idealistische Chirurgin, die Frauen in Not hilft, eine freiheitsliebende Hackerin, die für das Gute kämpft, und eine mutige Journalistin, die auf der Suche nach der Wahrheit ist. Dramatisch, sinnlich, süchtig machend. Beautiful Secrets – Wenn du mich berührst (Beautiful Secrets 1) Beautiful Secrets – Wenn ich dich spüre (Beautiful Secrets 2) Beautiful Secrets – Wenn wir uns lieben (Beautiful Secrets 3)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Text bei Büchern ohne inhaltsrelevante Abbildungen:

Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher:

www.everlove-verlag.de

Wenn dir dieser Roman gefallen hat, schreib uns unter Nennung des Titels »Beautiful Secrets – Wenn ich dich spüre« an [email protected], und wir empfehlen dir gerne vergleichbare Bücher.

© Mia Moreno 2022

© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2023

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Kapitel 1

Ich wuchte den kleinen, schwarzen Koffer auf den Bahnsteig. Er ist deutlich schwerer, als er aussieht.

»Was hast du da drin, Amba, ein Stück Berliner Mauer?«

Ich weiß natürlich, dass der Witz komplett lahm ist, aber er hilft mir dabei, der schwierigen Situation einen lockeren Anstrich zu verpassen. Es reicht, dass meine Freundin Layla neben mir Rotz und Wasser heult. Ich bin fast ein bisschen froh, dass Charlie schon zurück nach Los Angeles geflogen ist und nicht auch noch schniefend neben mir steht. Amba Modi ist uns allen in den vergangenen Wochen ans Herz gewachsen, und wir haben die Tatsache, dass sie uns verlassen und zurück in ihr Heimatland Pakistan fliegen muss, lange verdrängt.

Amba lächelt zurückhaltend hinter ihrem Schal hervor, den sie sich wie immer halb vors Gesicht gezogen hat, vielleicht aus Gewohnheit. Bis vor Kurzem war sie entstellt. Doch ihre zweite Hauttransplantation ist schon ein paar Wochen her, die Wunden sind gut geheilt, und man erkennt die feinen Linien zwischen den alten und neuen Hautpartien nur, wenn man ganz nah vor ihr steht. Layla und ihr Freund Gabriel Goldberg, neuerdings ärztlicher Direktor, die beide hervorragende plastische Chirurgen sind, haben wirklich ein kleines Wunder vollbracht.

»Steine haben wir in Pakistan selbst genug, aber nicht diese Schokoladencreme für Frühstück«, antwortet Amba.

Ich lache auf. Etwas Deutsch sprach sie bereits, aber in den vergangenen Wochen hier in Berlin hat es sich wirklich deutlich verbessert – und sie hat offenbar einige Gewohnheiten übernommen, auch ungesunde. Die vegane Schokocreme aus dem Drogeriemarkt hat es ihr besonders angetan.

»Wenn sie aufgegessen ist, schicke ich dir ein Paket. Es wird ja hoffentlich ankommen, oder?«, mischt sich Layla in die Unterhaltung ein.

Amba wiegt unsicher den Kopf hin und her. »Kann dauern, vielleicht nimmt Zoll Schokocreme aus dem Paket. Besser, du packst eins mehr ein.«

Jetzt brechen wir alle drei in Gelächter aus. Es sieht so aus, als benötigten auch die beiden anderen Aufmunterung.

Layla schnieft. »Ach, Amba, es fühlt sich schrecklich an, dich gehen zu lassen. Deine OP ist gar nicht lange her, und dein Bein ist immer noch nicht in Ordnung.«

Amba blickt betreten zu Boden und dreht ihre Krücke unsicher auf dem Beton hin und her, als würde sie eine Zigarette damit ausdrücken wollen.

»Layla, lass es gut sein. Ihr Visum läuft ab, und wir können sie nicht illegal hierbehalten.«

»Ja, ich weiß, und Peters hat den Geldhahn zugedreht. Ich könnte ihn echt erwürgen, das ist so unsensibel von ihm.«

Layla ballt wütend die Hand zur Faust, wie so oft in letzter Zeit, wenn sie über ihren Chef, den Hauptgeschäftsführer Mirko Peters, spricht. Er hatte Amba vor einigen Monaten im Rahmen eines Charity-Programms nach Berlin geholt, damit ihre schweren Verbrennungen hier kostenlos behandelt werden konnten. Sobald die Eingriffe vorgenommen waren, veranlasste er allerdings ihren Rückflug, obwohl Amba nach wie vor nicht ohne Krücken laufen kann. Layla hätte die Bein-OP sogar aus eigener Tasche bezahlt, aber die Botschaft lehnte am Ende die Verlängerung des Visums für Amba ab.

»Es ist okay, Layla.« Amba legt ihr eine Hand auf den Arm. Layla ergreift und drückt sie. Ambas Stimme ist leise, aber bestimmt. »Ich bin gesund. Ich habe dank dir ein neues, schönes Gesicht und kann schon gut mit einer Krücke laufen. Und Koffer ziehen.«

Um ihre Worte zu unterstreichen, nimmt sie mir den Griff des Trolleys aus der Hand und humpelt ein paar Schritte über den Bahnsteig. »Seht ihr?«

Amba ist so tapfer! Sie hat offenbar das Bedürfnis, sich und uns zu beweisen, dass sie es ohne Hilfe schafft, und hat alle unsere Angebote, sie zum Flughafen nach Frankfurt zu bringen oder wenigstens zu begleiten, abgelehnt. Es würden demnächst in ihrer Heimat ganz andere Wege auf sie zukommen, meinte sie.

Layla bringt ein müdes Lächeln zustande. »Mike hat echt tolle Fortschritte mit dir gemacht, da hast du recht. Noch vor ein paar Wochen saßest du im Rollstuhl.«

»Ja, Mike ist ein Wundermann.« Amba läuft knallrot an, zumindest an den Stellen ihres Gesichts, die nicht bei dem Bombenanschlag, den sie vor ein paar Monaten in ihrer Heimat erlebt hatte, verbrannt worden waren. Die neuen Hautpartien werden erst mit der Zeit ausreichend viele Nervenbahnen entwickeln, sie wirken im Moment noch maskenhaft. Vielleicht versteckt sich Amba auch deshalb hinter ihrem bunten Schal. Oder es liegt daran, dass sie verbergen will, wie gut ihr der Physiotherapeut im »Wellhouse«, dem an die Beautyklinik angeschlossenen Wellnesshotel, gefällt.

»Vielleicht kannst du ja deine Therapie bei ihm fortsetzen, wenn du für die Bein-OP zurückkommst.« Ich hebe die Augenbrauen. Wie erhofft strahlen mich sowohl Amba als auch Layla an.

»Gabriel hat gestern Abend erst mit seinem Kollegen in Islamabad telefoniert. Er will dich untersuchen und schickt ihm die Bilder. Wir leiten das dann in die Wege.« Laylas Stimme überschlägt sich fast vor Aufregung.

Als Amba Layla daraufhin in die Arme fällt, stößt sie einen kurzen, überraschten Schrei aus. »Schon gut. Ich habe dir doch versprochen, dass ich mich kümmere.«

Amba blinzelt eine Träne weg. »Du bist wirklich gute Freundin.« Dann zieht sie mich an sich und hält mich fest. Für eine so kleine Person ist Amba erstaunlich kräftig. »Das seid ihr beide.«

Jetzt steigen auch mir Tränen in die Augen, und ich löse mich schnell aus der Umarmung. Ich will ihnen meine Gefühle nicht zeigen. Heute muss ich stark für uns alle sein.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, checke meine Nachrichten und rufe erstaunt: »Oh, Charlie hat geschrieben. Sie vermisst uns und Berlin ganz schön und wünscht dir einen guten Flug, Amba.«

Ich halte ihr mein Handy hin und lasse sie selbst lesen. Sie blinzelt wieder, dieses Mal schafft sie es aber nicht, und einige Tränen kullern ihre Wange hinunter. »Wenn ihr sprecht, sagt Charlie danke für alles, okay?«

Layla und ich nicken.

»Gleis 8, Einfahrt ICE 932 von Berlin Hauptbahnhof nach Frankfurt Flughafen. Ankunft 11:02 Uhr. Vorsicht bei der Einfahrt.«

Layla neben mir versteift sich, und auch Amba erstarrt für einen Moment. Dann lehnt sie sich noch einmal an Laylas Schulter. Die beiden reden leise miteinander, ich kann aber nichts verstehen, weil in dem Moment der ICE mit quietschenden Bremsen einfährt.

Amba löst sich von Layla, Tränen rinnen ihr über die Wangen. Ich umarme sie fest.

»Gute Reise, Amba, und lass von dir hören. Ich melde mich bei dir, sobald ich etwas herausgefunden habe, ich verspreche es.«

Ich stocke, meine Stimme ist mit einem Mal ganz belegt. So sehr hatte ich gehofft, dass ich schneller an die fehlenden Informationen aus Ambas Akte herankomme. Dann hätte ich vielleicht jetzt schon alle Antworten für sie gehabt. Stattdessen müssen wir sie in ihr Heimatland zurückschicken, ohne eine Ahnung davon zu haben, was genau in der Klinik nicht mit rechten Dingen zugeht, ob Amba vielleicht sogar noch Gefahr droht.

Amba wischt sich eine Träne von der Wange. »Ich weiß, dass du es herausbekommen wirst, Maxi. Du bist so klug und gut mit Computer. Dann werden wir Peters zur Polizei bringen.«

Den letzten Satz sagt sie so leise, dass Layla sie nicht hören kann. Für Layla ist die Situation in der Beautyklinik extrem schwierig. Einerseits ist es ihr erster richtiger Job, von dem sie sich viel versprochen hat, zudem arbeitet auch ihr Freund in der »Villa Berlin«. Andererseits will sie nichts mit den zwielichtigen Machenschaften zu tun haben, in die der Geschäftsführer verstrickt zu sein scheint. Umso wichtiger ist, dass ich herausfinde, was genau da in der Klinik schiefläuft.

Ich nicke und versuche, die traurige Stimmung aufzulockern. »Ich verspreche dir, weiterhin pünktlich jede Woche ›Celebrity Inside‹ für dich zu schauen. Wenn eine tolle Folge kommt, speichere ich sie für dich auf der Festplatte, und wir schauen sie zusammen, sobald du wiederkommst, okay?«

Jetzt sammeln sich doch die Tränen in meinen Augen, da ich nicht weiß, wann das sein wird. Ich wende mich rasch ab, um Ambas Koffer in den Zug zu bugsieren. Dann helfe ich ihr die wenigen Stufen hinauf in den Waggon. Wir konnten zum Glück einen Sitzplatz nahe an der Tür für sie reservieren, sie muss also nur wenige Schritte allein zurücklegen.

Ich umarme sie noch einmal fest. »Mach’s gut, Amba, pass auf dich auf!«

»Und du auf dich. Und vor allem auf Layla«, sagt sie.

Ich nicke, drehe um und begebe mich zurück auf den Bahnsteig, wo Layla tränenüberströmt auf mich wartet und Amba immer wieder zuwinkt.

Ein langes Pfeifen ertönt, dann schließen sich die Zugtüren zwischen uns, und der ICE setzt sich in Bewegung.

»Na, komm, Süße, ich fahr dich heim!«

Ich lege meinen Arm um Laylas noch immer bebende Schultern und führe sie aus dem Bahnhofsgebäude und einmal um den Block, wo ich meinen VW-Bus geparkt habe. Mit geübtem Griff entferne ich die Radkralle – alter Trick – und steige in den Wagen.

Wir benötigen keine zwanzig Minuten bis zu unserer Wohnung nach Kreuzberg, schweigen aber die ganze Zeit und hängen beide unseren Gedanken nach. Layla malt sich vermutlich aus, was passiert, wenn Ambas Narben sich entzünden oder, weit schlimmer, ihr Dorf erneut Ziel eines Anschlags wird.

Meine Gedanken kreisen hingegen immer wieder um das Rätsel von Ambas Akte. Durch einen Zufall hatten Layla und Gabriel vor einigen Wochen festgestellt, dass bei der Dokumentation von Ambas Behandlungen etwas nicht stimmt. Im Patientenmanagement der Klinik war Ambas Akte plötzlich leer, und das, obwohl sie bereits einmal aufwendig im Gesicht operiert worden war. Layla und Gabriel hatten daraufhin im Archiv der Klinik nachgesehen und feststellen müssen, dass die Akte geschwärzt und die digitale Dokumentation verschlüsselt wurde. Deshalb haben sie mich um Hilfe gebeten und als Trainee in die Klinik eingeschleust. Für mich als IT-Spezialistin, die sich früher das ein oder andere Mal in Systeme gehackt hat, die keineswegs für fremde Augen bestimmt waren, sollte es ein Leichtes sein, an die Informationen zu kommen. Das war zumindest der Plan. Leider gestaltet sich die Aufgabe deutlich komplizierter als erwartet.

Ich halte in zweiter Reihe. Layla sieht mich fragend an. »Kommst du denn nicht mit hoch?«

Ich schüttle den Kopf. »Nimm es mir nicht übel, Layla, ich muss ein wenig alleine sein, den Kopf freikriegen. Gabriel wartet bestimmt ohnehin auf dich.«

»Nein, nein, wir sind erst später verabredet. Aber bist du sicher, dass du nicht ein bisschen Gesellschaft brauchen kannst? Es ist für uns alle schwierig, Amba gehen zu lassen …«

»Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen, Süße, aber ich brauche jetzt wirklich ein bisschen Ruhe.«

Layla nickt und steigt aus. Sie kennt mich einfach gut und weiß, dass ich die Dinge erst mit mir selbst ausmachen muss, bevor ich mich jemandem anvertraue.

Ich lege den ersten Gang ein und starte den Motor wieder. Mit jedem Meter, den ich weiter aus der Stadt hinausgelange, wird mein Herz etwas leichter.

Ich drehe das knisternde Radio im Van aus, der Empfang hier mitten im Brandenburger Wald nordöstlich von Berlin ist grottenschlecht. Genauso wie meine Laune. Ich hatte gehofft, dass mein Ausflug in die Natur mir helfen würde, den zunehmenden Frust über meinen mangelnden Erfolg in der Klinik und die Trauer über Ambas Abreise abzuschütteln. Aber dieses schlechte Gefühl nagt einfach unablässig an mir.

Als ich in den schmalen, verwachsenen Weg in den Wald einbiege, der zum See führt, habe ich mich etwas beruhigt. Eigentlich müsste ich das Auto am Waldrand parken, aber unter der Woche ist die Chance, dass mich jemand aufhält, extrem gering und ich gehe das Risiko, Ärger zu bekommen, ein. Langsam ruckelt mein Bus über den Pfad, ich höre die Vögel durch das geöffnete Fenster meines Vans zwitschern und merke, wie ich mich endlich entspanne. Ich kann es kaum erwarten, endlich das Wasser zu sehen. Es ist viel zu lange her, dass ich Sébastien hier draußen besucht habe. Letztes Jahr bin ich regelmäßig zum Stand-up-Paddling hergekommen, und irgendwann ergab eines das andere. Sébastien – und alles, was der heiße Spanier mir zu bieten hat – wurde zu einer kleinen Flucht aus dem Alltag.

Schon glitzert mir der Bernsteinsee entgegen, erleichtert bemerke ich, dass kein anderes Auto in Sicht ist. Nur zwei Fahrräder lehnen an der dicken Fichte, die den Weg zum Ufer markiert, wo Sébastien in einem alten Bootshaus seinen SUP-Verleih betreibt. Ich parke den Van und steige aus. Von der Ladefläche schnappe ich mir mein Stand-up-Paddling-Board, das ich mir irgendwann angeschafft habe, weil ich nicht von Sébastiens unregelmäßigen Öffnungszeiten abhängig sein wollte, und pumpe es mit der Luftpumpe, die ich immer dabeihabe, auf. Dann klemme ich mir meine Shorts unter den Arm, laufe im Eilschritt die paar Hundert Meter auf dem sandigen Weg zum See hinunter und fühle mich fast so gut, als würde ich ans Meer kommen. Auch jetzt empfinde ich eine unbändige Freiheit, die die Weite des Wassers und die Kraft der Wellen immer in mir auslösen.

Ich lasse mich in den Sand fallen, ziehe meine Sneaker aus und strecke mich, spüre die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Von ferne höre ich lautes Geschnatter der Enten, sonst ist es so still, wie es nur hier sein kann, an meinem Lieblingsort mitten im Niemandsland nordöstlich von Berlin, den unter der Woche kaum jemand aufsucht.

Ich schlüpfe aus meinen Jeans und streife mir meine Bikinihose über. Mein dünnes, schwarzes Trägershirt kann ich auch als Bikinioberteil verwenden.

Am Seeufer lasse ich das SUP ins Wasser gleiten und steige auf. Wie immer dauert es, bis ich meine Balance finde.

Ich stoße das Paddel ins Wasser und steche in See. Nach einer Weile halte ich an und lasse mich auf den Rücken fallen. Eine Weile döse ich vor mich hin und genieße die Sonne auf meiner Haut und die angenehme Wärme, die durch meinen Körper strömt.

Selten liege ich einfach nur so da, weil ich dazu keine Ruhe habe, aber auf meinem SUP mitten im Bernsteinsee vergesse ich die Zeit und gerate beinahe in eine Art Trance. Ich tauche meine Hände ins Wasser und wende das SUP, um langsam zurück in Richtung Ufer zu steuern. Ohne aufzublicken, paddle ich träge weiter, die Sonne scheint mir nun nicht mehr ins Gesicht, sondern wärmt Nacken und Hinterkopf. Ein lautes Platschen schreckt mich auf. Ich hebe den Blick und schaue direkt in ein paar schwarze, melancholische Augen, die mich anblitzen. Ich unterdrücke einen Schrei; um ein Haar wäre ich ins Wasser gekippt.

»Sébastien!«, stoße ich hervor, doch schon ist er im Wasser verschwunden. Gleich darauf taucht er auf der anderen Seite meines SUPs auf und grinst mich an, seine schwarzen, nassen Locken glänzen in der Sonne.

»Du hast mich zu Tode erschreckt, bist du verrückt geworden?« Doch ich kann einfach nicht richtig wütend auf Sébastien sein, und außerdem steckt mich sein breites Grinsen an. Ich lange ins Wasser und spritze ihn mit einer Hand nass, während er kopfüber abtaucht. Nach wenigen Sekunden stößt sein drahtiger Oberkörper auf der anderen Seite des SUP aus dem Wasser. Gerade noch gelingt es mir, das Board auszubalancieren, sodass ich nicht hinterherfalle.

»Habe ich dich erschreckt, Maxi? Tut mir leid, das wollte ich nicht.« Mein Gelegenheitslover streicht sich eine Locke aus dem Gesicht. Sein freches Grinsen deutet eher auf das Gegenteil hin.

»Warum nur glaube ich dir das nicht?«

Ich setze mich auf und stütze mich herausfordernd mit beiden Händen auf das Bord. Mit meinen Blicken fixiere ich ihn. Sébastien blickt vom Wasser zu mir auf, nur wenige Armlängen trennen uns. Sekunden später verändert sich sein Gesichtsausdruck, und in seinen dunklen Augen flackert ein begehrliches Lodern auf, das sofort auf mich überspringt. So war es von Anfang an, als wir uns vor zwei Jahren an diesem See kennengelernt hatten, und seitdem hat die Anziehungskraft zwischen uns nicht nachgelassen. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir uns nur unregelmäßig begegnen, dass wir beide keine Verpflichtungen eingehen wollen und damit zufrieden sind, dass unsere Körper aufeinander reagieren. Mit einem Schwimmzug kommt er näher, sodass er zwischen meinen geöffneten Beinen landet. Vorsichtig, aber bestimmt legt er seine Hände auf das Board und zieht mich zu sich heran. Ich greife in sein nasses Haar, während er meine Hüften umfasst und mich sanft, aber nachdrücklich zu sich ins Wasser zieht.

»Ich habe lange nichts von dir gehört«, flüstert er mir ins Ohr, und ich spüre seine vom Seewasser feuchten Lippen, die ein angenehmes Kribbeln auslösen.

»Jetzt bin ich ja da«, flüstere ich zurück, unnötigerweise, da außer uns niemand in der Nähe ist, wie ich mit einem kurzen Blick aufs Ufer erkennen kann. Ich umklammere mit meinen Schenkeln Sébastiens Hüften, und während er mich an sich zieht, berühren sich unsere Lippen. Wir küssen uns, erst zärtlich, dann leidenschaftlich, während er mich in seinen Armen hält.

Seine Hände umfassen meinen Hintern, und ich frage mich kurz, wie er es schafft, uns über Wasser zu halten. Sébastien ist zäh und muskulös, aber kein Bodybuilder. Sanft zieht er mich in Richtung Ufer, bis wir Grund unter den Füßen haben. Ich beschließe, dass ich mich später um mein SUP kümmern kann. Sébastien hält meine Handgelenke auf meinem Rücken fest und küsst mich, seine Zunge dringt fordernd in meinen Mund ein. Ich spüre seinen harten Schwanz durch den dünnen Stoff meiner Bikinihose und gebe mich ganz dem Gefühl hin, das mich durchströmt. Ausgeliefert, fast ein wenig hilflos, da ich meine Hände nicht bewegen kann, genieße ich es, wie er mich an sich presst. Langsam bewegen wir uns Richtung Ufer, zumindest vermute ich, dass es die Richtung sein muss, denn meine Augen sind geschlossen und ich habe nicht vor, sie zu öffnen.

Das Wasser wird wärmer, und Sébastien hält inne, während wir uns weiter küssen, offenbar hat er jetzt Grund unter den Füßen, er steht nur noch bis zum Bauchnabel im Wasser. Vorsichtig gibt er meine Handgelenke wieder frei, um dann meinen Hintern zu umklammern.

»Ich habe dich vermisst, Maxi.« Ich öffne meine Augen halb und weiß, dass er es genauso meint, wie er sagt, doch es hat keine tiefere Bedeutung. Auch ich habe ihn vermisst, seinen Körper, seine Berührungen.

Statt einer Antwort schlinge ich meine Schenkel um seine Hüften, und er befreit mich mit einer schnellen Bewegung von meinem Bikinihöschen. Im selben Moment dringt er mit einem Finger fest von hinten in mich ein, und ich stöhne laut auf. Seine Lippen entlassen meinen Mund und wandern tiefer, den Hals hinab zu meinen Brüsten. Durch das knappe Bikini-Oberteil saugt er an meinen Nippeln, während sein Finger weiter in mich eindringt.

»O mein Gott«, entfährt es mir, und durch die halb geöffneten Augen begegne ich seinem Blick, wild und leidenschaftlich. Ich kralle mich in seinen Rücken und ziehe seine Hose hinunter. Sein steifer Schwanz springt mir entgegen, und ich wünsche mir nichts mehr, als dass er sofort in mich eindringt. Meine Pussy pulsiert vor Lust, und er scheint zu spüren, wonach ich mich sehne. Er lässt seine Finger aus mir hinausgleiten und hebt mich mit einer entschlossenen Bewegung hoch und platziert seinen Schwanz direkt vor meiner Öffnung. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht zu betteln, doch auch ohne dass ich ein Wort sage, erfüllt er mir meinen Wunsch und stößt mit einer sanften, festen Bewegung in meine glühende Mitte.

Ich schreie auf vor Lust, als er beginnt, sich in mir auf und ab zu bewegen. Durch meine halb geöffneten Augen sehe ich sein lustvoll verzerrtes Gesicht, ich streiche durch sein nasses Haar und genieße das Gefühl, ihn in mir zu spüren. Sein Schwanz trifft mich genau an der richtigen Stelle, und während seine Hände meinen Hintern umfassen, kralle ich mich in seinen Nacken und lehne mich nach hinten. Sébastien dringt immer wieder in mich ein, fester und tiefer, er beschleunigt seine Bewegungen und stöhnt immer wieder laut auf. Seine Lust entfacht meine noch zusätzlich, und ich spüre, wie mein Körper von einem intensiven Kribbeln erfasst wird, während er weiter in mich hineinstößt. Unsere Körper klatschen gegeneinander, das Wasser umspielt meine Hüften, und als seine Bewegungen schneller und schneller werden, erfasst mich eine Welle, die von meinen Schenkeln aufsteigt und mich mit einem heftigen Stoß erreicht. Ein gewaltiger Höhepunkt durchzieht meinen Körper, ich verliere die Kontrolle über meine Muskeln und lasse mich in die Arme von Sébastien fallen. Er hält mich weiter fest, doch schon wenige Sekunden später neigt er sich laut stöhnend über meine Schulter, und nach ein paar harten, kräftigen Stößen verlangsamt er seine Bewegungen.

»He, sag doch mal was.« Ich knuffe Sébastien in die Seite und drehe mich zu ihm. Er schaut mich nachdenklich aus seinen dunklen Augen an, wie immer ist sein Blick ein wenig schwermütig, was wahrscheinlich einfach an seinen etwas hängenden Oberlidern liegt. Doch auf mich wirkt er dadurch geheimnisvoll und ein wenig unnahbar, ich verliere mich gerne in Fantasien, stelle mir vor, wie er durch die Wellen von Tarifa in Südspanien surft. Dieser Mann wird mir immer ein wenig rätselhaft bleiben. Genauso, wie er vor zwei Jahren eines Tages plötzlich da war und die zerfallene Holzhütte zum SUP-Verleih umbaute, so wird er eines Tages wieder verschwunden sein, weiterziehen. Auch wenn wir darüber nicht sprechen, so wissen wir beide, dass er lediglich auf der Durchreise ist.

»Mi hermosa, woran denkst du?« Sébastien beugt sich über mich, dabei schaut er mir tief in die Augen. Bevor ich antworten kann, suchen seine Lippen meine. Ein Schauer der Erregung durchzuckt meinen Körper, als er mich küsst, erst sanft und dann immer begehrlicher. Ich spüre seine Hände an meinem Körper, seinen Atem an meinem Gesicht und lasse mich in die Woge hineinfallen und von ihr davontragen.

Kapitel 2

Erschöpft und glücklich von Sonne, Sex und Wasser lasse ich mich aufs Sofa im Wohnzimmer fallen und freue mich über den frischen Geruch des bequemen Möbelstücks. Die alte, gammelige Couch von Laylas Ex-Verlobtem Ilkay war das Erste, was ich ersetzt habe, als ich hier offiziell eingezogen bin. Den riesigen Fernseher mit Surround-System haben wir allerdings behalten. Ich schalte ihn ein und mache mich parallel daran, Sushi zu bestellen. Bestimmt legen sie wieder drei Sets Stäbchen in die Tüten, weil sie nicht davon ausgehen, dass ein einziger Mensch so viel essen kann. Ich zappe mich eine Weile entspannt durch die Kanäle und bleibe bei einem Klatschmagazin hängen. Seitdem ich mit Amba tagelang hier in der Wohnung gesessen und mit ihr Deutsch gelernt habe, entdeckte ich meine Liebe zum Trash-TV. Das tägliche Promi-Magazin »Yellow« war bei uns schon zu einer Art Ritual geworden, jeden Dienstag, gefolgt von unserer Lieblingsshow »Celebrity Inside«.

Es passt mir gut, dass sich Layla in ihrem Zimmer aufhält, wahrscheinlich um sich für ihr Date mit Gabriel fertig zu machen, denn mir ist überhaupt nicht nach einem Gespräch zumute, ich will mich nur noch oberflächlich berieseln lassen. Layla hat bestimmt bis zum Nachmittag ohne Pause durchgearbeitet und will sich jetzt von Gabriel ablenken lassen. Ich habe also den ganzen Abend meine Ruhe.

Als es an der Tür klingelt, springe ich voll Vorfreude auf mein Sushi auf. Ich muss tatsächlich eingenickt sein, obwohl der Fernseher laut dröhnt. Ich schnappe mir mein Portemonnaie, um dem Lieferboten Trinkgeld zu geben, und laufe in den Flur.

Leider kommt kein grell gekleideter Mensch mit Rückenbox die Treppe herauf, sondern ein attraktiver, dunkelblonder Mann mit funkelnden, dunkelblauen Augen.

»Oh. Hi, Maxi! Ist Layla schon fertig?«

Dr. Gabriel Goldberg grinst mich freundlich an, aber ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen und verziehe das Gesicht. Mein Magen grummelt.

»Du schaust mich an, als würde ich den Tod bringen!« Gabriel zwinkert.

Ich seufze und reibe mir den Bauch. »Du kannst nichts dafür, ich hatte einfach mit jemand anderem gerechnet.«

»Heißes Date?«

Er mustert meinen Aufzug. Ich trage ein schwarzes Oversize-Shirt zu einer schwarzen Leggings. Beide Teile sind so alt, dass sie demnächst auseinanderfallen.

»Date mit dem Fernseher. Ich warte auf mein Abendessen.« Ich sehe auf meine Uhr. »Und du hast heute früher Schluss?«

Gabriel verdreht die Augen. »Fang mir nicht damit an. Ich bereue schon fast, den Posten angenommen zu haben. Ich hatte gehofft, dass ich auf diese Weise an mehr Informationen zu Amba komme, aber ich bin dermaßen damit beschäftigt, mich einzuarbeiten, dass ich nicht weiß, wo oben und wo unten ist. Aber sobald ich etwas Luft habe, werde ich versuchen, dich zu unterstützen.«

Seitdem er den Posten als ärztlicher Direktor in der »Villa Berlin«, der Beautyklinik, in der auch Layla als Chirurgin arbeitet, angetreten hat, hat er kaum noch Zeit für etwas anderes. Er ist zudem viel in den anderen Zweigstellen der »Villa Clinics GmbH« unterwegs, um sich mit seinen Kollegen auszutauschen. Darüber hat sich Layla neulich schon beschwert.

Es klingelt wieder, und ich presse schnell den Buzzer neben der Wohnungstür. Als dieses Mal wirklich eine sportliche junge Frau in pinkfarbenem T-Shirt mit Lieferbox auf dem Rücken zur Haustür reinkommt, nickt Gabriel verständnisvoll. Ich nehme mein Essen entgegen und überreiche der Frau etwas Trinkgeld, dann mache ich es mir wieder auf der Couch vor dem Fernseher bequem.

Ambas und mein Lieblings-Promi-Klatschmagazin »Yellow« startet und zieht mich fast augenblicklich in seinen Bann. Der Hauptdarsteller der Vorabendserie »Doktor Love« hat sich angeblich das nächste deutsche Möchtegern-Supermodel geangelt, allerdings vergessen, seine letzte Eroberung davon zu unterrichten. Die ist jetzt natürlich entsprechend sauer – und freut sich über ihre fünfzehn Minuten Ruhm. Ich verdrehe die Augen über so viel Blödheit. Dieser Nick Fontane, so heißt der Schauspieler, mag gut aussehen, zugegeben, aber er wirkt nicht gerade, als hätte er viel auf dem Kasten. Zumal er von Pseudo-Models und Influencerinnen umschwärmt wird. Seinen Ruf als »Bad Boy des Trash-TV« hat er längst weg, weil er, genau wie sein Alter Ego »Doktor Love«, jeden Monat eine neue Schönheit im Arm hat. Zugleich fasziniert und angewidert folge ich dem Beitrag. Typen wie dieser Fontane ärgern mich maßlos, weil sie das Bild vermitteln, dass Frauen nichts wert sind. Dass er mit den Gefühlen der armen Girls spielt, die sich von seinem attraktiven Äußeren und dem Versprechen von Ruhm blenden lassen, ist ihm scheißegal. Ich bin erleichtert, als die Story vorbei ist.

Es folgt ein ausführlicher Bericht über Schlagerstar Antje Munkenberg, die ihren langjährigen Freund Karsten Sommerland heiraten wird. Genüsslich lehne ich mich zurück, als die Brautjungfern präsentiert werden. Amba hätte ihre helle Freude gehabt.

Doch meine Stimmung bekommt einen Dämpfer, als Gabriel mit Bierflasche in der Hand ins Wohnzimmer schlendert und sich neben mich aufs Sofa plumpsen lässt.

»Layla telefoniert noch kurz mit ihrer Mutter, und du weißt, wie lange das dauern kann. Ich habe mir ein Bier genommen, ich hoffe, das ist okay.«

Er erwartet keine Antwort, und ich gebe ihm auch keine, da ich mir gerade ein fettes Avocado-Maki in den Mund geschoben habe.

Er beugt sich interessiert zum Fernseher vor. »Was schaust du da an? Ist das diese Promishow?«

Ich nicke nur, aber Gabriel klatscht sich begeistert auf die Oberschenkel. »Das ist doch Antje Munkenberg. Die war erst vor ein paar Wochen bei uns in der Klinik.« Er nickt anerkennend. »Da hat der Kollege Timo saubere Arbeit geleistet.«

Jetzt hat er doch meine Aufmerksamkeit. »Nicht dein Ernst? Die Munkenberg? Was hat sie denn machen lassen?«

Gabriel lacht. »Das hätte ich dir eigentlich nicht verraten dürfen, aber da wir inzwischen gewissermaßen Kollegen sind …« Sein Blick wird ernst. »Apropos, bist du vorangekommen? Hast du schon was gefunden zu Amba?«

»Leider nein. Aber ganz ehrlich, Gabriel, ich würde wirklich gerne die Show sehen.«

Ich deute mit meinen Stäbchen Richtung Fernseher. Ich will jetzt nicht über die Klinik und meine Mission nachdenken. Natürlich beginnt just in diesem Moment die Werbung. Ich ächze innerlich, als Gabriel mich erwartungsvoll ansieht.

»Na schön, hier die Kurzfassung«, entgegne ich leicht genervt. »Dank deiner tollen ›Coverstory‹, ich sei die Tochter eines alten Freundes und bräuchte dringend eine Aufgabe, traut Holger mir gewissermaßen nichts zu – und Peters hält mich für ein Dummchen.« Holger Diesel ist mein Chef in der IT-Abteilung der »Villa Berlin«.

Gabriel verzieht entschuldigend das Gesicht. »Es tut mir so leid, ich musste improvisieren. Ich hoffe, du kommst trotzdem bald an Informationen …«

»Sagen wir mal so, ich hatte bisher keine Möglichkeit, mich im System umzuschauen, Holger scheint tatsächlich zu wissen, was er da tut, und ich will keine Spuren hinterlassen. Die gelöschten Informationen zu Ambas Akte habe ich jedenfalls noch nicht aufgetan.«

»Es hätte mich sehr gewundert, wenn du das nach so kurzer Zeit geschafft hättest.«

Ich nicke langsam. »Erst mal muss ich mit Holger warm werden, als Praktikantin habe ich blöderweise nur extrem eingeschränkte Zugriffsberechtigungen.«

Eines muss ich Holger lassen: Er ist ausgesprochen kompetent in dem, was er tut, und sein Sicherheitssystem für die Klinik ist echt ausgefallen. Aber auch mit seinen Social Skills erfüllt er alle Klischees eines Informatikers.

»Deshalb bin ich bisher kaum weiter gekommen als ihr. Ich habe mir Ambas Akte im Patientenmanagementprogramm angeschaut, aber genau wie bei euch war kaum was darin. Ihre zweite Haut-OP ist inzwischen eingetragen, sonst nichts.«

Frustriert balle ich eine Faust, als ich an die junge Pakistani denke, die so viel Schlimmes erlebt und überstanden hat.

Ich sehe zu Gabriel auf, der stumm neben mir sitzt und seine Bierflasche anstarrt. »Seit Tagen warte ich auf die Gelegenheit, mir das Backend des Patientensystems mal genauer anzuschauen, um zu verstehen, was in der Akte fehlt und warum Peters sie nach Pakistan zurückgeschickt hat, ohne ihr Bein zu operieren. Aber Holger beschäftigt mich mit einer dämlichen, aber umfangreichen Datenbank-Aufgabe nach der anderen. Ich komme nicht voran.«

Gabriel legt mir mitfühlend seine Hand auf den Arm. »Der Abschied von Amba war sicher nicht leicht heute. Sag Bescheid, wenn ich noch was tun kann, okay?«

»Was willst du tun, Schatz?«

Überrascht sehen wir auf. Layla ist unbemerkt in den Raum gekommen, und Gabriels Miene erhellt sich sofort, als er sie erblickt. Er springt auf und begrüßt seine Freundin mit einem so innigen Kuss, dass ich wegschauen muss. Öffentliche Zurschaustellung von Gefühlen ist nicht so mein Ding.

Gabriel lässt von Layla ab. »Maxi hat mir eben erzählt, dass sie mit Ambas Akte noch nicht weitergekommen ist.«

Sogleich verdüstert sich die Miene meiner Mitbewohnerin. »Ich hoffe wirklich, dass mit dem Flug alles ohne Komplikationen abläuft. Immerhin hat das mit dem Abholservice am Flughafen funktioniert. Sie hat mir vorhin ein Selfie von sich in einem Transportfahrzeug des Flughafens geschickt. Moment.«

Layla zückt ihr Telefon und zeigt uns das Foto einer scheu lächelnden Amba in einem dieser elektrischen Shuttles, mit dem ältere Menschen oft durch die weitläufigen Terminals gefahren werden.

Ich grinse, lasse mir vor Layla meine Erleichterung aber nicht anmerken. »Na, siehst du, Layla, ich hatte doch gesagt, dass alles klappen wird.«

»Ja, der Flieger müsste inzwischen in der Luft sein. Sie hat versprochen, sich zu melden, wenn sie in Lahore gelandet ist. Ihr Vater holt sie dort ab.«

Gabriel legt Layla tröstend den Arm um die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Schatz. Amba war aus medizinischer Sicht fit genug für den Flug. Ich habe ihr erklärt, wie sie sich vor Ort verhalten soll. Das wird schon gut gehen.«

»Und ich werde jetzt alles daransetzen herauszufinden, was mit ihrer Akte los ist«, mische ich mich ein und klinge dabei zuversichtlicher, als ich mich fühle.

»Wenn du meinst …« Laylas Unsicherheit ist nicht zu überhören. Dann lächelt sie etwas gezwungen und wendet sich an Gabriel. »So, lassen wir Maxi mal mit ihrem Date allein und gehen etwas essen!«

Ein Blick Richtung Fernseher zeigt mir, dass die Werbepause fast vorbei ist. Gerade kommt eine Vorschau für »Doktor Love«, und Nick Fontane flimmert über den Bildschirm. Ich verziehe das Gesicht, doch Layla jauchzt auf. »Oh, das ist Nick Fontane, ich habe ihn auf der Gala vor ein paar Wochen gesehen. In Wirklichkeit sieht er fast noch besser aus als im Fernsehen.«

Gabriel hebt empört eine Augenbraue. »Muss ich mir etwa Sorgen machen? Wenn ich mich recht erinnere, hattest du bei der Gala deinen eigenen Doctor-Love-Moment.« Er zwinkert, und Layla läuft knallrot an.

Ich will schon ansetzen und sie ein bisschen mit ihren Sexkapaden in der Garderobe aufziehen, als die Show weitergeht. Also schicke ich die Turteltäubchen auf ihr Date und widme mich wieder dem meinen.

Kapitel 3

Morgens um sieben mit dem Fahrrad durch die verschmutzten Straßen Berlins zu fahren und die Abgase der Autos einzuatmen ist definitiv der Teil meines neuen Jobs, auf den ich am ehesten verzichten könnte. Ich denke über weite Landschaften, Natur und Seebrisen nach, gestohlene Stunden der Zweisamkeit mit Sébastien, während ich mein Rennrad durch Häuserschluchten lenke und riesigen gelben Bussen ausweiche. Ich mag in der Stadt geboren sein, aber trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – bin ich eindeutig mehr der Naturtyp.

Entsprechend genervt passiere ich an diesem Morgen nach zwanzig Minuten Verkehrschaos das breite Tor der Klinik. Dass meine Mitarbeiterkarte wieder erst beim dritten Versuch funktioniert, bevor das breite Tor mit einem leisen Summen aufschwingt, macht es auch nicht besser. Ich habe den Verdacht, dass sie der Trainee ein altes Modell gegeben haben. Zumindest habe ich herausgefunden, dass ich mit meiner Keycard deutlich weniger Berechtigungen habe als Layla. Den OP-Bereich oder die Tür zu den Patientenzimmern könnte ich damit jedenfalls nicht öffnen, wohl aber die unauffällige weiße Stahltür zur IT-Abteilung, kurz vor dem Eingang zur »Cantina«.

Als ich die Treppe im Verwaltungstrakt der Klinik nach unten gehe und noch kein Lichtstrahl aus den Oberlichtern über den Türen der Abteilung dringt, steigt meine Laune. Das frühe Aufstehen war nicht umsonst. Ich bin tatsächlich die Erste und kann mich in aller Ruhe umsehen. Auch der Arbeitsplatz von Chris, dem Webdesigner, der sich um die neue Online-Präsenz der Klinik kümmert, sieht unberührt aus. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte mir Holger gesagt, dass er meist nicht vor 10 Uhr auftaucht. Es riecht nach Farbe und Kunststoffteppich, nicht mal Bilder hängen an den Wänden. Die Atmosphäre hier unten ist genauso trist wie in jedem anderen IT-Bereich der Unternehmen, in denen ich in den vergangenen Jahren als Freelancerin gearbeitet habe, funktional und karg eingerichtet. So sieht es auch in unserem Arbeitsraum aus – und das ist einer der Gründe, weshalb ich mich nicht fest anstellen lassen will.

An der Wand hinter Holgers Schreibtisch entdecke ich ein riesiges Vin-Diesel-Plakat, das er offenbar am Abend aufgehängt hat. Holger verehrt den Hollywood-Action-Star, der denselben Nachnamen trägt wie er, dabei könnten die beiden zumindest rein optisch kaum unterschiedlicher sein: Holger ist klein, gedrungen und hat einen lichten Haaransatz.

Der Rest des Arbeitsplatzes ist wie immer chaotisch. Hinter dem Bildschirm türmen sich leere Gummibärchentüten und unsortierte Papiere, auf dem Boden steht eine Batterie leerer Club-Mate-Flaschen.

Ich lasse mich auf den Ledersessel vor dem kleinen Schreibtisch fallen, den Holger mir zugewiesen hat, starte meinen Rechner und warte dann ungeduldig darauf, bis sich das Klinik-Programm »Medicom« öffnet, mit dem die Patienten verwaltet werden.

In der für alle »Villa«-Mitarbeiter einsehbaren Datenbank habe ich natürlich längst nach Amba gesucht, bin aber nicht weitergekommen. Ambas offizielle Patientendatei ist noch immer im System angelegt, auch der Bericht ihrer zweiten Hautoperation liegt inzwischen darin. Aber alle älteren Dokumente fehlen. Die Datei von Amba Malala Modi mit den verschlüsselten Daten, die Gabriel und Layla im Archiv entdeckt hatten, konnte ich wie erwartet nicht im System finden. Doch genau darauf will ich heute hinarbeiten. Ich will die Gelegenheit nutzen, als Einzige im Netzwerk unterwegs zu sein, um erst einmal alle Verbindungen und Zugänge zu prüfen – und danach in Ruhe meine Spuren verwischen zu können.

Ich beschließe, mich mit einem Shield, einem simplen Tarnprogramm, über Holgers Rechner »Vin Diesel« in das Backend von »Medicom« zu schleusen. Mich direkt über ihn einzuloggen dürfte schwierig werden, weil ich seine Zugangsdaten nicht kenne und er seinen Account ganz bestimmt gut gesichert hat. Allein der Versuch wäre riskant.

Vor Aufregung beginnt mein Herz zu rasen. Im Backend liegen alle Daten unsortiert in Listen herum, die über Kürzel den einzelnen Patienten zugeordnet werden können. Zumindest diese Datensammlung kann ich mit meiner Tarnung einsehen, auch wenn ich aufpassen muss, was ich anklicke. Ich öffne eine Suchmaske und gebe Ambas Namen ein. Tatsächlich stoße ich auf einen Ordner mit dem Namen »Modi«. Mit zitternden Fingern lasse ich mir den Inhalt der Datei im Vorschaumodus anzeigen – und bin froh, dass ich nicht versucht habe, sie zu öffnen. Der Zugriff ist eingeschränkt, und mein Shield hätte dafür nicht ausgereicht, vielleicht wäre sogar eine Warnung registriert worden.

Fieberhaft versuche ich zu erkennen, was sich in dieser Datei befindet. Die Metadaten deuten auf zwanzig Seiten und einen Anhang mit Fotodateien hin. Das muss Ambas Patientenakte sein. Ich klatsche triumphierend in die Hände.

Doch nur einen Moment später wird mir klar, dass ich mit meinem Fund gar nichts anfangen kann. Es wäre zu riskant, den Ordner zu öffnen, ich würde Spuren hinterlassen. Es ist gleich 8 Uhr, und Holger muss jeden Moment hier sein. Und tatsächlich höre ich auf dem Gang die schlurfenden Schritte meines Chefs.

»Hallo, Holger«, rufe ich ihm gut gelaunt entgegen.

»Moin, Maxi«, brummelt er. Sollte er sich wundern, dass ich schon da bin, so lässt er sich nichts anmerken. Ich halte mich zurück und gebe ihm Zeit, um seine schwarze Jeansjacke aufzuhängen und sich schwer in seinen Gamersessel fallen zu lassen. Während sein Rechner ratternd hochfährt, grapscht Holger in eine der Gummibärentüten und stopft sich eine Handvoll in den Mund. Ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden, greift er nach der halb vollen Flasche Club Mate auf seinem Schreibtisch. Endlich scheint der Rechner startklar.

»Hast du eine Minute?«

Er streckt den Kopf, von dem ich nur den langen, dünnen Zopf seitlich auf seiner Schulter sehen konnte, hinter dem Bildschirm hervor und nickt fast unmerklich.

»Ich wollte eben die Daten mit neuen Patientinnen einpflegen. Im Backend öffnet sich ein Fenster, ich komme nicht rein.«

Holger nimmt seine Hände von der Tastatur und greift wieder in die Gummibärentüte. »Access denied?« Ich kann sein Genuschel kaum verstehen.

»Genau. Ich soll aber die Statistik für die Anzahl der Anästhesien sämtlicher ›Villa‹-Kliniken aus dem letzten Monat fertig machen.«

Ich mache eine Pause, in der Hoffnung, er würde mir eine Zugangsberechtigung anbieten, aber er murmelt nur: »Schon klar.«

Ich hole tief Luft und versuche, so beiläufig wie möglich zu klingen. »Ich muss die Summen jetzt aber alle einzeln abfragen. Kannst du mir nicht vielleicht einen Zugang für die detaillierten Patientendaten im Backend geben? Dann würde ich sie mir dort einfach schnell herauskopieren.«

Holger schüttelt ungewohnt nachdrücklich den Kopf. Er erhebt sich schwerfällig aus seinem Sessel und schlurft zu meinem Rechner.

»Du benötigst keinen Zugang. Ich zeige dir, wie es geht.«

Verdammt. Genau das hatte ich befürchtet, denn natürlich will ich nicht wirklich die Anästhesie-Daten sämtlicher Patienten haben, sondern das Kennwort. Ich gebe mein Passwort ein und stehe auf. Holger lässt sich auf meinen Stuhl fallen. Mit seinen Wurstfingern tippt er auf die Tastatur, öffnet »Medicom« und wählt sich in den frei zugänglichen Bereich ein. Mit wenigen Befehlen gelangt er dorthin, wo die Anästhesieprotokolle abgelegt sind. Den Ort kenne ich natürlich schon, auch wenn ich damit noch nie offiziell arbeiten musste.

Ich fluche innerlich, grinse ihn aber schief an. So schnell möchte ich nicht aufgeben.

»Danke, Holger, ein super Trick. Aber hier muss ich die Daten ja trotzdem alle einzeln markieren und abtippen. Ginge das nicht schneller, wenn ich eine Adminberechtigung hätte, dann könnte ich den Ordner kopieren …«

»Da musst du wohl durch. Den Zugang kann ich nicht herausgeben. Sonst bekomme ich Ärger.«

Entschlossen erhebt er sich und schlurft zurück zu seinem Schreibtisch.

 

Eigentlich hatten Layla und ich vereinbart, uns nicht zu oft zusammen in der Klinik blicken zu lassen. Peters soll nicht wissen, dass wir eng befreundet sind, damit er keinen Verdacht schöpft. Aber am Vormittag ist er ohnehin meist bei Terminen, und wir haben uns auf einen schnellen Kaffee in der »Cantina« verabredet.

Sie lässt ihren Latte Macchiato sinken. »Zwanzig Seiten? Und du hast wirklich nicht gesehen, was da drin steht?«

»Nicht so laut. Es ist riskant genug, dass wir hier drüber reden.«

Erschrocken zuckt meine Freundin zusammen. Sofort tut es mir leid, dass ich sie so angefahren habe. Zumal die Tische um uns herum in der »Cantina« um 11 Uhr vormittags fast leer sind. Auf der anderen Seite am Fenster entdecke ich nur die Anästhesistin Evelyn Jacobi, die vertieft auf ihrem Handy herumdaddelt.

»Entschuldige, ich bin überreizt, ich bin einfach zu früh aufgestanden, das bekommt mir nicht. Aber ich wollte vor Holger im Büro sein.«

Layla kichert und nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee.

»Gut, dass du keine Ärztin geworden bist. Als ich heute um 5 Uhr das Haus verlassen habe, habe ich dein Schnarchen bis in den Flur gehört.«

In ihrem weißen Kittel, aus dessen Brusttasche ein Kugelschreiber herausragt, sieht sie ungewohnt aus. Älter und professionell, nicht so mädchenhaft wie die Layla, die ich seit vielen Jahren kenne.

»Und warum kommst du nicht an die Akte? Ich kapiere es nicht.«

»Ich hinterlasse dabei digitale Spuren, sobald ich die Dateien anfasse, für die ich keine Zugangsberechtigung habe. Genau das müsste ich aber tun, um an Ambas Akte zu kommen.«

Layla nickt. »Okay. Ich weiß nur leider überhaupt nicht, was ich tun kann, um dir zu helfen. Mein Account bringt dir auch nichts, oder?«

»Nein, ich habe die ärztlichen Zugänge schon geprüft, du hast noch weniger Befugnisse als ich. Aber ich werde das hinkriegen.«

Ich kenne meine Freundin gut genug, um zu ahnen, dass sie sich Vorwürfe machen wird, mir nicht behilflich sein zu können. Sie fühlt sich immer so schnell verantwortlich für alles. Das hängt auch damit zusammen, dass sie sich bis heute eine Mitschuld an den schrecklichen Verbrennungen gibt, die ihre Schwester Dilara bei einem Brandanschlag erlitt.

Ich schiebe meinen Stuhl zurück und rolle mit den Augen. »Ich muss zurück in den Keller, lange Pausen sind hier nicht so gern gesehen. Selbst wenn ich vermutlich vor Langeweile einschlafen werde.«

»Vielleicht kannst du Holger ja doch um den Finger wickeln, und er rückt den Zugang raus. Sehen wir uns heute Abend in der Skybar?«

Fragend sehe ich Layla an.