The Secrets We Keep - Mia Moreno - E-Book
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The Secrets We Keep E-Book

Mia Moreno

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Beschreibung

Vertrauen, Verlangen, Verrat ... »The Secrets We Keep« von Mia Moreno ist eine explosive Mischung aus nervenaufreibendem Suspense, rasendem Herzklopfen und ungezügelter Leidenschaft. Denn: Why choose, wenn du alles haben kannst? In den Schatten Berlins lauert eine neue Gefahr: Die Partydroge »Pink Panther« zieht immer mehr Menschen in ihren tödlichen Bann. Im Zentrum dieses Sturms steht die junge Kommissarin Juli. Sie ist entschlossen, den geheimnisvollen Drahtzieher hinter der verhängnisvollen Droge zu fassen. Doch während die Ermittlungen an Fahrt gewinnen, entfacht die Nähe zu ihren drei attraktiven Kollegen in Juli ein verbotenes Verlangen: Der smarte Fahnder Mitch, der charismatische BKA-Ermittler Viktor und der unnahbare Profiler Leander werden zu Verbündeten in einem gefährlichen Spiel aus Verantwortung und Begehren. Jeder Hinweis bringt sie näher an die Wahrheit, doch mit jeder Berührung verschwimmt die Grenze zwischen Vertrauen und Verrat, denn ihr unsichtbarer Gegner ist ihnen immer einen Schritt voraus. Kann Juli den Männern an ihrer Seite wirklich trauen? Oder ist ihr Feind bereits näher, als sie ahnt … Der erste Band der »Dangerous Desires«-Reihe entführt dich in die dunklen Abgründe Berlins, wo Leidenschaft und Gefahr dicht beieinander liegen. Romantic Suspense pur!

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Mia Moreno 2025

© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2025

Redaktion: Antje Steinhäuser

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Zero Werbeagentur, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Content Note

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Contentwarnung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Content Note

Liebe LeserInnen, dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Um euch das bestmögliche Leseerlebnis zu ermöglichen, findet ihr deshalb am Ende des Buchs eine Contentwarnung.

Euer everlove-Team

Kapitel 1

Ich streiche mir zum x-ten Mal eine dunkelblonde Strähne aus dem Gesicht, um sicherzugehen, dass auch wirklich nichts den Knopf in meinem Ohr stört. Das Signal müsste jeden Moment kommen. Ich hole tief Luft, aber die enge Einsatzweste lässt nicht zu, dass meine Lunge sich komplett ausdehnt. Ich bin wirklich froh, dass ich als Fahnderin meist in Zivilkleidung arbeiten kann. Es sei denn, ich bin wie jetzt in einem Einsatz.

Nervös sehe ich mich um, auch wenn ich im Dämmerlicht des Morgengrauens nicht viele Details ausmachen kann. Die Kollegen vom mobilen Einsatzkommando warten still um mich herum in der engen Gasse neben der historischen Markthalle in Kreuzberg auf mein Kommando. Unter den dunklen Visieren kann ich keine Individuen ausmachen, aber das spielt bei einem solchen Einsatz keine Rolle. Sie alle sind top ausgebildet und geben in ihren dunkelblauen Cargohosen, den schweren Jacken und schusssicheren Westen sowie ihren ballistischen Helmen und Sturmhauben ein beeindruckendes Bild ab. Das wird wirkungsvoll untermalt von den Maschinenpistolen in ihren Händen, die aktuell allerdings alle auf den Boden gerichtet sind.

»Sie sind da«, flüstert die Stimme in meinem Ohr.

Das ist das Zeichen. Endlich. Ich hole noch einmal Luft und sehe auf.

»Fertig machen für Zugriff.«

Meine Stimme klingt entschlossener als ich mich fühle. Ich habe jetzt keine Zeit für die geringste Unsicherheit, auch wenn das hier meine erste offizielle Einsatzleitung seit dem verhängnisvollen Einsatz im vergangenen Jahr ist.

Für einen kurzen Moment werde ich von Zweifeln überwältigt. Was, wenn etwas schiefgeht? Werde ich es dann schaffen, einen kühlen Kopf zu bewahren und die richtige Entscheidung zu treffen? Ich denke an meine Chefin, Elisabeth Steinhauer, und ihr tiefes Vertrauen in mich. Ich habe ihr versichert, dass ich so weit bin. Und dass dieser Einsatz uns auf der Suche nach der Herkunft einer potenziell gefährlichen neuen Partydroge deutlich weiterbringen wird. Daran muss ich nun auch glauben.

Außerdem bin ich nicht alleine. Hier sind allesamt Profis, so wie ich. Ich lasse meinen Blick über die entschlossenen Gesichter der Kollegen schweifen, ziehe Stärke aus ihren konzentrierten Bewegungen und trainierten Körpern. Die Razzia wird ein Kinderspiel. Ich schaffe das.

Die Kollegen vom MEK setzen sich in Bewegung, einer nach dem anderen eilt mit leisen Schritten aus der Gasse auf den Eingang des Backsteingebäudes zu, ich folge mit etwas Abstand. Als Einsatzleiterin soll ich nicht mitten ins Geschehen, ich will es mir aber auch nicht nehmen lassen, nach wochenlanger Vorbereitung dabei zu sein. Also halte ich mich aus der Schusslinie und fungiere als Schnittstelle zwischen den Einsatzkräften und dem Observationsteam im Einsatzwagen um die Ecke.

Es knackt in meinem Ohr. Die Einsatzgruppenführer der beiden Gruppen, die von rechts und links des Gebäudes kommen, erstatten nacheinander Bericht.

»Team 2 in Position.«

»Team 3 in Position.«

Das Team, mit dem ich unterwegs bin, hält vor einem hohen, runden Torbogen, dem Haupteingang. »Team 1 in Position.«

Gut. Alle Ausgänge sind somit gesichert. Ich hebe die Hand und gebe das Zeichen, die Halle zu stürmen.

»Zugriff.«

Die Kollegen geben sich nun keine Mühe mehr, leise zu sein. Die Türen zur Markthalle werden aufgestoßen, in Zweier-Teams schwärmen die Polizisten in die Gänge zwischen den Marktständen.

Ich sehe mich um. Die riesige, hohe Halle mit den grünen Stützbalken ist zu dieser frühen Stunde wie leer gefegt. Das Licht ist gedimmt, nur eine Notbeleuchtung verhindert, dass wir gegen Stände, Tische und Mülltonnen laufen.

Ich folge dem Team eiligen Schrittes durch die engen Marktgänge in die hintere rechte Ecke der Markthalle zum Stand von »Harem Falafel«. Wütende Schreie dringen von dort zu uns, begleitet von harschen Befehlen und Rufen der Polizisten. Eine der anderen beiden Gruppen war wohl schneller. Ich beschleunige meine Schritte. Wenige Sekunden später knackt es in meinem Ohr, und ich vernehme die Stimme von Gruppenführer Liebig, mit dem ich den Einsatzplan in den letzten Tagen ausgearbeitet habe.

»Zugriff erfolgt, Verdachtspersonen festgesetzt. Lage gesichert.«

Erleichtert lasse ich meinen Atem ausströmen, von dem ich nicht mal bemerkt hatte, dass ich ihn angehalten hatte. Dann gönne ich mir ein zufriedenes Lächeln. Wir haben es geschafft, ich habe es geschafft. Die wichtigste Hürde haben wir genommen, die Männer konnten wie geplant festgesetzt werden. Jetzt beginnt der bedeutend schwerere Teil: Wir müssen sie zum Reden bringen. Aber ich bin zuversichtlich, dass uns auch das gelingen wird.

»Gut gemacht, Liebig. Ich bin gleich da.«

Kurz darauf biege ich in den Gang ein, an dessen Ende der kleine Stand mit dem grellen, orangefarbenen Schild »Harem Falafel« liegt.

Das Bild, das sich mir bietet, ist pures Chaos. Einsatzkräfte stehen mit gezückten Waffen um den Stand herum, davor parkt ein weißer, verbeulter Lieferwagen, auf dessen Seite ein Obstkorb aufgedruckt ist, darunter prangt der Schriftzug »Voće i Povrće«, was ich als »Obst und Gemüse« in irgendeiner südosteuropäischen Sprache interpretiere. Die Lichter sind an und leuchten auf das verriegelte Tor, durch das der Wagen vor wenigen Minuten gekommen ist. Auf dem Boden neben dem Lieferwagen liegt stöhnend ein junger Mann mit abgewetzten Jeans, einer Adidas-Jacke und schwarzen Haaren, ein Polizist kniet über ihm und fixiert seine Arme mit einem Schmerzgriff, ein anderer ist gerade dabei, ihm Handschellen anzulegen. Ein zweiter Mann, der bereits gefesselt ist, wird gerade unsanft von zwei Polizistinnen auf die Füße gehoben.

Ich blicke mich suchend um und entdecke neben der Tür zum Falafel-Stand einen dritten Mann, die Hände weit über dem Kopf an die Wand gestützt, die Beine gespreizt. Ein Polizist tastet ihn unsanft ab, ein zweiter steht daneben, die MP7 im Anschlag. Der festgenommene Mann hat kurzes, blondes Haar und trägt ein orangefarbenes T-Shirt mit dem Logo von »Harem Falafel«, seine breiten Schultern zeichnen sich deutlich unter dem engen Shirt ab. Er verzieht das Gesicht, als der Uniformierte seinem Schritt zu nahe kommt.

Ein Einsatzpolizist tritt auf mich zu. Er klappt das Visier seines Helmes hoch, und ich erkenne den Einsatzleiter, Liebig.

Ich nicke ihm zu. »Gute Arbeit, Liebig. Waren es nur diese Männer?«

Liebig nickt. »Die zwei Fahrer wollten fliehen, als sie uns bemerkt haben, aber wir konnten sie festsetzen, bevor sie den Wagen erreicht haben.«

»Und die Ware?«

Liebig grinst. »Sie waren wohl gerade dabei, die Päckchen zu verladen. Im Frachtraum konnten wir bislang sechsundzwanzig Zehn-Kilo-Pakete eines rosafarbenen Pulvers feststellen, etwa noch mal so viele im Lager unter dem Falafel-Stand.«

Ich bemühe mich um einen neutralen Gesichtsausdruck, auch wenn ich innerlich juble. Es sieht ganz so aus, als wäre dieser Einsatz ein Riesenerfolg! Ich hatte im Vorfeld kaum zu hoffen gewagt, auf so große Mengen der Droge zu stoßen. Nun bin ich erst recht stolz, dass ich meinem Riecher vertraut und um diese Razzia gekämpft habe.

Ich nicke Liebig zu. »Zeigen Sie es mir.«

Er geht voran und betritt durch eine schmale Tür die Verkaufsbude, in welcher der blonde Mann gerade seine Handfesseln angelegt bekommt.

Ich folge Liebig. Links und rechts sind Arbeitsflächen aus Chrom entlang der Wände des Verkaufsstands angebracht, darauf befinden sich Edelstahlbehälter mit geschnittenem Gemüse. Gegenüber gibt es ein Waschbecken und die Fritteuse, durch ein Fenster in der Mitte werden normalerweise Falafel, Hummus und Co. verkauft. Und, wie wir jetzt sicher wissen, auch etwas anderes.

Die Unterschränke stehen offen, Gerätschaften und Vorräte wurden achtlos zur Seite geschoben. Für eine Razzia sieht es aber erstaunlich ordentlich aus – was vermutlich am begrenzten Raum liegt.

Mein Blick fällt auf eine Falltür im hinteren Bereich des winzigen Raums. Aus der offenen Luke steckt gerade ein Polizist den Kopf heraus und wuchtet drei schwere, in Plastik gehüllte Pakete aus den Tiefen des Vorratskellers nach oben. Als ich das pinkfarbene Schimmern der Pakete sehe, fängt mein Herz an zu klopfen.

Volltreffer.

Ein Forensiker betritt hinter uns den engen Stand und drängt sich an uns vorbei.

»Wie viele Pakete siehst du da unten?«, fragt er den Kollegen im Lager.

Dieser leuchtet mit seiner Taschenlampe in die Ecken des Lochs, und mir wird bewusst, dass der komplette Stand unterkellert sein muss. Platz für tonnenweise Drogen.

»Schwer einzuschätzen, aber sicherlich ein paar Dutzend.« Er bückt sich und hebt weitere drei Pakete aus dem Keller.

Der Kollege von der Forensik zieht eine Kamera hervor und beginnt mit der Dokumentation. Dann wendet er sich an die Einsatzkräfte. »Schafft die Päckchen raus, in der Halle steht ein Wagen. Wir untersuchen sie dann im Labor.«

Wir beobachten einige Momente schweigend, wie der Polizist aus dem Loch klettert, mehrere Pakete aufeinanderstapelt und sie nach draußen trägt, wo sie – streng bewacht – gesammelt werden. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Päckchen auf der Seite mit einer Art Stempel versehen sind. Ich trete näher heran, um mir das Symbol genauer anzusehen, und erkenne eine pinkfarbene Tatze. Von einem Panther?

Liebig und ich sehen uns an.

»›Pink Panther‹?«, frage ich hoffnungsvoll.

Er nickt. »Es sieht ganz danach aus. Herzlichen Glückwunsch, Frau Schröder. Sie hatten den richtigen Riecher.«

Ein zufriedenes Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, und dieses Mal verberge ich meinen Triumph nicht. Ich habe mich nach dem herben Dämpfer, den mir der letzte verpatzte Einsatz eingebracht hatte, zurückgekämpft, habe eine Ermittlung begonnen, die nahezu aussichtslos schien, und habe bewiesen, dass ich recht hatte. Ich bin zurück im Spiel! Zwar habe ich noch ein gutes Stück Ermittlungsarbeit auf der Suche nach den Hintermännern vor mir, aber ich bin zuversichtlich, dass ich auch das hinbekomme. Immerhin habe ich es geschafft, zu beweisen, dass »Pink Panther« nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, sondern offenbar im großen Stil vertrieben wird.

Vor gut einem halben Jahr ist die neue Droge »Pink Panther« erstmals in Berlin aufgetaucht – und seither versuche ich, das System dahinter zu durchdringen und die rasante Ausbreitung aufzuhalten. Es handelt sich dabei wohl um eine neue Moleküldroge, ein Amphetamin, in dem in geringen Dosen Kokain und MDMA beigesetzt ist. Durch ein spezielles Molekül wirkt die Droge schneller, länger und intensiver als reines Koks, ist dabei aber viel günstiger und gilt deshalb als perfekte neue Partydroge. Das Pulver ist rosafarben, daher der Name. »Pink Panther« hat sich schnell zur neuen Partydroge der Hauptstadt entwickelt, in den vergangenen Monaten trat sie immer häufiger auf. Jetzt scheinen wir endlich einige Handlanger geschnappt zu haben – und ich hoffe, dass wir wertvolle Erkenntnisse aus dem Fund gewinnen können. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir uns die Leute schnappen, die das Zeug in Berlin verbreiten.

Als wir aus dem engen Stand zurück in die Markthalle treten, sehe ich, wie die beiden Fahrer des Lieferwagens – die mutmaßlichen Drogenlieferanten – von zwei uniformierten Polizisten abgeführt werden. Ich warte einen Moment, bis sie verschwunden sind, dann drehe ich mich zu dem großen, blonden Mann im »Harem Falafel«-T-Shirt um, der mit hinter dem Rücken gefesselten Händen und dem Gesicht zur Wand noch immer von dem Kollegen bewacht wird. Aus den Ärmeln seines Shirts ragen zahlreiche Tattoos hervor, die seine muskulösen Arme bis zu den Handgelenken umranken.

Er hat den Kopf gesenkt, strafft aber die breiten Schultern, als er bemerkt, dass ich näher komme.

Ich nicke dem Kollegen mit der MP7 zu. »Danke, Sie können jetzt gehen.« Er entfernt sich sofort.

Nachdem ich näher an den Mann herangetreten bin, lasse ich meinen Schlüssel ins Schloss seiner Handfesseln gleiten.

Er dreht sich in einer blitzschnellen Bewegung zu mir um, zieht mich in seine starken Arme und drängt mich gegen die Wand. Ich keuche überrascht auf, aber im nächsten Moment verschließen seine weichen Lippen meinen Mund, der gerade protestieren wollte. Ich schmelze unter seinem fordernden Kuss dahin, erlaube mir diesen Moment der Erleichterung, dass ihm nichts passiert ist. Ich kann das Adrenalin förmlich riechen, das seinen Poren entweicht, jetzt, wo der Einsatz abgeschlossen ist. Es mischt sich mit seinem herben und frischen Duft, der mir in den vergangenen Wochen so vertraut geworden ist. Sofort macht sich ein Ziehen in meinem Unterleib bemerkbar, und ich seufze leise auf. Dann nimmt mein Gehirn seine Arbeit wieder auf, und ich schiebe Mitch unsanft zurück.

Ich kann mir ein Grinsen trotzdem nicht verkneifen. »Das war unpassend, Berninger.«

»Ich finde, das habe ich mir verdient, Frau Schröder.«

In seiner tiefen, rauen Stimme schwingt Belustigung mit – und Begehren.

Ich bringe noch etwas mehr Distanz zwischen uns und sehe mich verstohlen um. Die Kollegen sind alle mit ihrer Arbeit beschäftigt, unseren Kuss scheint niemand mitbekommen zu haben. Gut.

Der Ausdruck in Mitchs Augen ändert sich, wird wachsam, fast besorgt. »Bist du okay, Juli? Geht es dir gut?«

Auch wenn ich weiß, dass er es nur gut meint, irritiert mich seine Sorge, und ein leichter Ärger steigt in mir auf.

»Warum sollte es mir nicht gut gehen? Kümmere dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten, Mitch.«

Ich bemühe mich gar nicht erst um einen versöhnlichen Tonfall. Nur weil Mitch Berninger und ich ab und zu Sex haben, heißt das nicht, dass er hier den großen Kümmerer raushängen lassen muss. Vielleicht sollte ich unser Verhältnis noch einmal klarstellen. Aber jetzt habe ich wirklich Besseres zu tun, als mich mit Beziehungskram herumzuschlagen.

Ich räuspere mich und bemühe mich um einen neutralen Tonfall, als ich mich wieder an den Mann wende, der mich mit seinen leuchtend blauen Augen fixiert.

»Gute Arbeit, Berninger. Ich erwarte Ihren Einsatzbericht Montag um 8 Uhr auf meinem Schreibtisch. Die Verdächtigen werden in Kürze dem Haftrichter vorgeführt, bevor wir sie vernehmen können. Es sieht ganz danach aus, als hätten wir eine massive ›Pink Panther‹-Lieferung verhindert.«

Ein irritierter Ausdruck huscht über Mitchs Gesicht, bevor seine Miene sich verhärtet.

»Du musst vor mir nicht auf harte Polizistin machen, Juli. Ich habe dich nur gefragt, ob es dir gut geht, nichts weiter.«

Mir reicht es, und ich zische ihm zu, sodass uns hoffentlich niemand hört: »Und ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass es mir gut geht, Mitch. Hör auf, dir Sorgen um mich zu machen.« Lauter füge ich hinzu: »Wir haben hier einen echten Erfolg erzielt, Berninger. Gute Teamarbeit.«

Mitch scheint zu kapieren und nickt langsam. »Danke, Frau Schröder.« Er zwinkert mir kurz zu – so schnell lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen –, dann gähnt er lautstark und fährt sich durch das kurze, blonde Haar. »Wenn wir sonst hier fertig sind, mache ich mich vom Acker. Die Nacht war verdammt lang.«

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Er hat recht. Es ist schon 6:30 Uhr. Wir waren wirklich die ganze Nacht im Einsatz, und eigentlich muss ich jetzt noch meiner Chefin Bericht erstatten. Ich unterdrücke ebenfalls ein Gähnen.

»Schlaf dich aus, Mitch. Und danke noch mal.«

Er hebt zum Abschied die Hand, und ich befürchte schon, dass er mich vor allen Leuten umarmen will, aber er winkt nur und macht sich auf Richtung Ausgang. Ich beobachte noch kurz, wie er mit vorbeikommenden Kollegen scherzt und sie sich gegenseitig zum erfolgreichen Einsatz gratulieren. Dann drehe ich mich um und steuere eine der Sitzgruppen an, die unweit von »Harem Falafel« in der Halle aufgebaut sind. Dort lasse ich mich auf eine Bank fallen. Meine Beine schmerzen von der langen Wartezeit. Jetzt, wo das Adrenalin langsam nachlässt, macht sich eine bleierne Müdigkeit in mir breit. Aber mein Arbeitstag ist noch lange nicht vorbei.

Seufzend ziehe ich mein Handy aus der Tasche und wähle die Nummer meiner Chefin. Elisabeth Steinhauer geht trotz der frühen Stunde nach nur einem Klingeln ans Telefon.

»Was gibt’s?«

Ihre Stimme klingt wach und bestimmt, und ich frage mich zum x-ten Mal, wie sie das macht, immer derart präsent und aufmerksam zu wirken. Elisabeth Steinhauer kennt nur einen Modus: Vollgas.

»Guten Morgen, Elisabeth, Juli Schröder hier. Ich wollte kurz erzählen, wie der Einsatz gelaufen ist.« Ich warte einen Moment ab, und als sie nicht antwortet, fahre ich fort: »Der Zugriff war ein voller Erfolg, es konnten zwei Verdächtige festgenommen werden, die mehrere Tonnen der vermuteten Substanz transportiert und an die Zielperson geliefert haben. Sie werden gerade aufs Revier gebracht, die Forensik stellt die Drogen sicher. Bis Montag sollten wir ein gesichertes Ergebnis dazu vorliegen haben. Polizeihauptmeister Berninger hat gute Arbeit geleistet, ich habe ihn nach dem Einsatz eben nach Hause geschickt. Der Bericht …«

»Gut, gut, Juli«, unterbricht sie mich, und ich kann im Hintergrund Blätter rascheln hören. Sitzt sie etwa schon am Schreibtisch? »Der Bericht kann bis Montag warten. Du solltest jetzt auch nach Hause, das war sicher eine aufregende Nacht.«

Irritiert halte ich inne. Jetzt fängt sogar Elisabeth damit an, dass ich mich schonen soll. Als ob ich keine Nacht durcharbeiten kann, ohne sofort zusammenzubrechen. Ich brauche ihre Fürsorge nicht.

»Ich würde den Bericht lieber direkt schreiben, solange die Erinnerungen frisch sind. Ich wollte gerade zurück ins LKA kommen und …«

Doch Elisabeth unterbricht mich erneut. »Keine Widerrede, Juli. Du hast ausgezeichnete Arbeit geleistet, der Bericht kann ein paar Tage warten. Du arbeitest seit Wochen durch, wann hast du das letzte Mal länger als ein paar Stunden geschlafen?«

Ich kann mir den strengen Blick, den sie mir über den Rand ihrer kleinen, roten Brille hinweg jetzt zuwerfen würde, wenn wir von Angesicht zu Angesicht voreinander stünden, sehr gut vorstellen. Also verkneife ich mir eine Antwort, was Elisabeth als Bestätigung deutet.

»Das habe ich mir gedacht. Fahr nach Hause, Juli, ich will dich vor Montag hier nicht sehen. Der Richter wird ohnehin seine Zeit brauchen, und diese Männer können uns nicht mehr davonlaufen.«

Beim Gedanken an mein weiches Bett, in dem ich tatsächlich in den vergangenen Wochen zu wenig Zeit verbracht habe, will sich ein herzhaftes Gähnen einen Weg bahnen. Ich unterdrücke es mit aller Kraft. Wenn ich jetzt Schwäche zeige, würde ich ihr in die Karten spielen. Dabei will ich einfach nur, dass alle aufhören, mich wie ein rohes Ei zu behandeln. Ich hoffe, dass der Erfolg dieses Einsatzes dazu beitragen wird.

»Ich kann ohnehin nicht schlafen. Die Zeit nutze ich dann lieber, um den Bericht direkt fertig zu machen.«

Elisabeth seufzt. »Tu, was du nicht lassen kannst, und schick deinen Bericht rüber, wenn du fertig bist. Aber im LKA will ich dich nicht antreffen! Wir sehen uns Montag.«

Ein Tuten erklingt, noch bevor ich das Handy vom Ohr nehme. Sieht so aus, als würde ich nach Hause fahren und dort weiterarbeiten.

Einige Sekunden starre ich auf das schwarze Display, als eine Nachricht eingeht. Von Konstantin. Sogleich schlägt mein Herz ein paar Takte schneller. Denn heute Abend sind wir verabredet – zum ersten Mal alleine. Ich habe den charmanten, aber in manchen Situationen auch unnahbar wirkenden Start-up-Berater vor Kurzem im Tierheim meiner besten Freundin und Nachbarin Betty kennengelernt, weil er meine Lieblingshündin Cora adoptiert hat. Vor ein paar Tagen hat er mich nach einem Date gefragt, und ich habe mich selbst überrascht, indem ich sofort zusagte. Eigentlich meide ich Verabredungen, die mehr als Sex bedeuten könnten. Das ist einfach unkomplizierter; ich habe mit meinem Job genug zu tun.

Als ich seine Nachricht nun lese, bekommt meine Vorfreude allerdings einen Dämpfer.

»Hey, Juli, es tut mir sehr leid, aber ich muss unser Date verschieben. Mir ist was Dringendes bei der Arbeit dazwischengekommen, das muss ich erst klären. Hast du morgen Nachmittag Zeit? – Konstantin«

Enttäuscht überlege ich kurz, ihn hängen zu lassen, aber das finde ich kindisch. Ich mag keine Spielchen, sondern bin davon überzeugt, dass allen am besten gedient ist, wenn sie wissen, was Sache ist. Also antworte ich ihm schnell, dass mir morgen eigentlich sogar besser passt. Immerhin bedeutet das, dass ich heute tatsächlich den versäumten Schlaf nachholen kann.

Kapitel 2

»Papa, wo ist mein Roller?«

»Der steht draußen, Theo. Warte bitte hier, ich muss für Mia noch den Puppenwagen aus dem Keller holen.«

»Wo denn draußen, Papa?«

Ich will gerade meine Wohnungstür öffnen, da ertönt ein Scheppern und ein ohrenbetäubender Schrei. Schnell lasse ich meine Einkaufstasche fallen und laufe die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Mein Neffe Theo schaut mir entgegen, das Gesicht verzerrt, auf dem Steinboden liegen Scherben. Rasch eile ich zu ihm hin.

»Was ist denn los, was ist passiert?«

»Meine Tasse«, heult er, und ich sehe, dass die Scherben ausgerechnet aus den Einzelteilen der blauen Polizeitasse mit dem Schäferhund bestehen, die ich ihm zum fünften Geburtstag geschenkt habe. Tröstend lege ich die Arme um ihn und setze mich auf die Stufen.

»O weh, Süßer! Aber mach dir keine Sorgen. Ich besorge dir eine neue. Die sieht ganz genauso aus.«

Theo beruhigt sich nach ein paar Schluchzern und schmiegt sich an mich.

»Auch mit dem Hund?«

»Klar. Genau so eine. Versprochen. Am Montag bringe ich sie mit. Das ist übermorgen.«

Ich wuschele ihm über sein blondes Haar und bete, dass ich recht habe. Noch bevor ich Elisabeth aufsuche, werde ich am Montag in die Pressestelle gehen. Hoffentlich sind die Tassen noch im Sortiment.

Aus der Ferne höre ich die Stimme meines Bruders. »Wir kommen gleich, Theo.«

Wenige Sekunden später öffnet sich die Kellertür, und Daniel erscheint, auf dem Arm seine Tochter Mia, in der anderen Hand einen roten Puppenwagen, gefolgt von meiner Nachbarin und inzwischen besten Freundin Betty, die hinter einem Berg von Stofftieren und Puppen kaum zu erkennen ist.

»Hier ist er, dachte ich mir doch, dass er noch im Keller ist. O nein, was ist denn da passiert? Hast du etwa deine Tasse mit in den Flur genommen?«

»Hallo, Daniel, hallo, Betty, was wird das denn hier?«

»Oh, Juli, entschuldige. Hallo. Mia wollte unbedingt ›Familie im Zoo‹ spielen, und die Stofftiere waren noch in Bettys Keller, da haben wir …«

»… gleich mal alles rausgeholt, was zu finden war«, kichert Betty.

Zerstreut setzt mein Bruder Mia ab, um die Kellertür abzuschließen, und Betty stopft die Tiere in den Puppenwagen. Mia strahlt über das ganze Gesicht und kommt auf mich zugestolpert. Ich umarme meine dreijährige Nichte und danach Betty, in deren rötlichen Locken sich Spinnweben verfangen haben.

Obwohl mein Bruder und ich im selben Haus wohnen, haben wir uns seit mindestens einer Woche nicht gesehen. Mir fallen die dunklen Ringe unter seinen Augen auf sowie undefinierbare Flecken auf seinem T-Shirt, und ich mustere ihn kritisch. Seit meine Schwägerin Tessi für ihre neue Kanzlei ständig zwischen Berlin und Paris hin- und herpendelt, kümmert er sich um die Kinder. Sofort überkommt mich ein schlechtes Gewissen, weil ich in den vergangenen Wochen so wenig Zeit hatte, ihn zu unterstützen. Es fällt mir einfach schwer, die Rolle als Älteste von fünf Geschwistern und Unterstützerin einer chronisch kranken Mutter abzuschütteln.

»Ist Tessi dieses Wochenende wieder unterwegs? Lass mich doch heute die Kids nehmen, Daniel. Dann kannst du mal ein bisschen die Füße hochlegen.«

Daniel winkt sofort ab. »Ach was. Du musst nicht das bisschen Freizeit, das du hast, direkt wieder vollplanen. Ich komme klar, Juli. Du bist nicht für mich verantwortlich, schon vergessen?«

Er lächelt mir schnell zu, als wolle er mich damit beruhigen, dann tritt ein besorgter Ausdruck in sein Gesicht.

»Wie war denn dein Einsatz? Alles gut gegangen?«

Ich weiß, dass er es freundlich meint, aber ich fühle mich dennoch angegriffen. »Ein voller Erfolg. Warum fragst du das?«

Daniel fährt sich verlegen mit der Hand über den Kopf. »Na ja, du warst ganz schön unter Strom die letzten Wochen, und es war der erste große Einsatz seit …«

Ich unterbreche ihn: »Ich war unter Strom, weil ich den Einsatz vorbereitet habe. Und es lief alles nach Plan. Jetzt fang du nicht noch an mit deiner Sorge. Ich bin kein Pflegefall.«

Daniel hebt abwehrend die Hände. »Ich wollte einfach wissen, ob alles okay ist, Juli. Nur weil du meine große Schwester bist, heißt das nicht, dass ich nicht auch mal für dich da sein kann, wenn es nötig wäre.«

Sofort fühle ich mich schlecht, weil ich ihn so angefahren habe. Ich will ihm keinen zusätzlichen Stress machen. Er hat mit seinen Kindern genug zu tun. Versöhnlich lege ich ihm eine Hand auf die Schulter.

»Es geht mir gut, wirklich. Aber wenn du Hilfe beim Wäschewaschen brauchst, bring einfach eine Ladung zu mir rauf.«

Ich tippe grinsend auf den rotbraunen Fleck an seiner Schulter, der vermutlich von Mias oder Theos Mund dorthin gekommen ist. Ich ersticke Daniels Protest im Keim. »Nur ausnahmsweise.«

Als Daniel, Tessi und ich zusammen die beiden Altbauwohnungen in dem Mehrfamilienhaus in Kreuzberg kauften, haben wir vereinbart: Bedingung für das Leben unter einem Dach auf zwei verschiedenen Etagen ist, dass es bei getrennten Leben bleibt.

Normalerweise klappt das gut. Seit mein zwei Jahre jüngerer Bruder allerdings Haushalt und Job parallel stemmt, gerate ich immer öfter in Versuchung, mit meinem Zweitschlüssel vorbeizuschauen und ein paar Mahlzeiten zu kochen oder einige Maschinen Wäsche zu waschen. Ich versuche, meine Ersatzmutter-Rolle aus der Jugend abzulegen, was mir naturgemäß schwerfällt. Vielleicht lebe ich damit etwas aus, was so für mich nicht infrage kommt. So sehr ich Theo und Mia liebe, könnte ich niemals in einer klassischen Paar-Konstellation zusammenleben und womöglich eine Familie versorgen. Dem Mann, der meine Werte teilt und ähnliche Vorstellungen von Freiheit und Selbstbestimmtheit hat wie ich, bin ich bislang noch nicht begegnet. Über kurz oder lang hat jeder Kerl, der in mein Leben trat, Besitzansprüche angemeldet und versucht, mich in ein monogames Beziehungskorsett zu drängen.

Was nicht heißt, dass ich diese vermiedene Mutterrolle gegenüber meinem Neffen nicht als Tante auslebe. Ich sammle die Porzellanscherben auf, ziehe ein Taschentuch hervor und wische die Kakaoreste auf dem Steinboden weg, dann stopfe ich das verklebte Ding samt den Bruchstücken kurzerhand in meine Handtasche. Betty beobachtet mich grinsend.

»Tante Juli, hast du wieder einen Verbrecher gejagt bei deinem Einsatz?«

Ich drehe mich zu Theo um.

Ich beuge mich zu ihm hinunter und raune verschwörerisch: »Ich habe sogar einen geschnappt letzte Nacht.«

Theos Augen werden groß. »Aber du hast dir nicht wehgetan, oder?«

Sofort beruhige ich ihn. »Nein, mein Spatz. Das habe ich nicht. Guck, alles noch dran.« Ich zeige ihm meine unversehrten Arme.

Er kneift die Augen zusammen und inspiziert mein Gesicht, vor allem meine Schläfe. Und ich ahne, was kommt, bevor er es ausspricht.

»Nicht wie letztes Mal?«

Einen kurzen Moment zuckt ein Bild durch meinen Kopf: ein Arm, der sich hebt und ausholt, dann ein dumpfer Schlag gegen mein Gesicht, ein stechender Schmerz in meinem Kopf, danach ist alles dunkel, dunkel, dunkel, nur der Geruch nach vergorenen Äpfeln umgibt mich.

Ich schließe meine Augen und zähle bis drei. Ich bin nicht in diesem Kofferraum. Ich stehe mit meinem Neffen im Treppenhaus. Mein Neffe. Theo. Ich muss mich zusammenreißen.

Ich öffne die Augen.

»Nein, Theo. Nicht wie letztes Mal. Der Einsatz war ganz harmlos. Siehst du?«

Ich schiebe mein braunes Haar an der Stelle zurück, wo ich vor Monaten eine Platzwunde hatte, was Theo natürlich mitbekommen hat. Jetzt ist davon nichts mehr zu sehen.

Ich knie mich auf den Steinboden, um auf Augenhöhe mit Theo zu sein, und fasse ihn an den Schultern.

»Manchmal verletzen sich Polizisten. Aber das kommt nicht oft vor, und es ist trotzdem wichtig, dass jemand diesen Job macht und die Verbrecher schnappt. So wie ich gestern. Keine Angst, mir passiert nichts, okay?«

Ich weiß nicht, ob ich diese Worte zu dem Kind vor mir sage oder zu mir selbst. Theo sieht mich an, grinst. »Du bist eine Super-Polizistin, oder?«

Dann macht er sich von mir los und rennt in den Hof, wobei er das Plärren eines Martinshorn nachahmt. Ich sehe ihm nach und seufze. Wenn es doch immer so einfach wäre, seine Sorgen zu vergessen.

Daniel wirft mir einen kurzen, besorgten Blick zu, dann folgt er seinem Sohn in den Hof.

Betty bleibt zurück und grinst mich an.

»Wie ich höre, hast du heute noch was vor?«

Sie hebt eine Augenbraue. Als ich nicht gleich reagiere, fügt sie hinzu: »Dein Date mit Konstantin? Ihr trefft euch doch heute Nachmittag, oder?«

Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen und bemerke, wie beim Gedanken an Konstantin die merkwürdige Stimmung von mir abfällt. Gut. »Wir treffen uns in zwei Stunden zum Spazierengehen. Er bringt Cora mit.«

Ich erröte unnötigerweise. Betty fixiert mich aus ihren graugrünen, fast kreisrunden Augen, dabei grinst sie breit.

»Sehr schön, dann macht ihr einen romantischen Spaziergang mit Cora. Kannst du einen kurzen Film machen von ihr? Ich möchte noch einen Reel posten, ich will sie als ›Hündin des Jahres‹ nominieren.«

»Mit Konstantin?«

»Natürlich nicht. Schau nicht so entsetzt. Einfach nur ein paar kurze Clips. Okay?«

Ich gebe mich geschlagen. Wenn Betty in ihrer Mission als Dogfluencerin unterwegs ist und dieses spezielle Glühen im Blick hat, bringt es nichts, zu widersprechen.

»Na schön. Ich schick dir alles – aber keine Garantie, dass die Videos so toll werden wie deine.«

Betty lacht leise und folgt Daniel in den Hof.

Warum bin ich plötzlich so aufgeregt?

Ich fingere in meiner Tasche herum, greife dabei in den Scherben-Taschentuch-Kakao-Mix und fluche laut. Vorsichtig befördere ich den Klumpen in den Mülleimer neben einer Bank. Zum Glück hat mein Handy nichts von der klebrigen Masse abbekommen. Mit schnellen Schritten gehe ich die Katzbachstraße zurück. Vielleicht hätte ich ein Kleid anziehen sollen? Doch dann verwerfe ich den Gedanken. Für einen Hundespaziergang müssen Jeans, T-Shirt und Messy Dutt reichen – Date hin oder her. Außerdem bin ich jetzt schon viel zu spät dran, stelle ich mit einem Blick auf mein Handy fest. Ich hätte nicht so lange unter der Dusche bleiben sollen.

Ungeduldig warte ich darauf, dass die Fußgängerampel auf Grün springt. Als Polizistin will ich mir keine Regelverstöße erlauben. Als ich gerade auf der anderen Seite ankomme, steht er plötzlich vor mir: groß, muskulös, unglaublich charismatisch und ganz in Schwarz gekleidet.

Ich zucke vor Schreck zusammen. »Konstantin! Wo kommst du denn her?«

Ich beiße mir auf die Zunge. Ganz offenkundig muss er gerade um die Ecke gebogen sein. Doch sollte mein Kommentar seltsam oder unpassend klingen, so lässt sich Konstantin nichts anmerken. Wir stehen voreinander, mein Herz klopft so laut, dass er es bestimmt hören kann. Ich schaue zu ihm auf und kann meinen Blick nicht mehr abwenden. Seine graublauen Augen nehmen mich gefangen, sie erscheinen im hellen Sonnenlicht bläulicher, nicht so dunkel, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ein irisierendes Funkeln in seinen Pupillen durchdringt mich förmlich. Obwohl wir uns noch nicht berührt haben, reagiert mein Körper, als hätte dieser Mann mich an meiner intimsten Stelle angefasst. Bei unseren vorherigen Treffen war immer Betty dabei. Ihn jetzt alleine zu treffen, kommt mir komisch vor – und das macht mich nervös.

Unauffällig mustere ich ihn. Die narbigen Wangen und die tiefen Kerben um sein markantes Kinn geben ihm ein verwegenes Aussehen, sein schmaler, doch sinnlich geschwungener Mund lässt ihn entschlossen und weich zugleich wirken. In den Augen der meisten Menschen sieht Konstantin vermutlich nicht klassisch gut aus, er hat jedoch eine ausgesprochen charismatische Ausstrahlung, die ihn auf spezielle Art wahnsinnig attraktiv macht. Sein Mund verzieht sich zu einem schiefen Grinsen. Die beiden Grübchen rechts und links in seinen Wangen vertiefen sich. Seine Augen bleiben indessen ernst, sein Blick durchdringend.

»Hi, Juli.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, umarmt er mich. Der Duft seiner Lederjacke, die er über einem schwarzen T-Shirt trägt, mischt sich mit einem herben Aftershave, und es fühlt sich an, als würde er mich mit dieser Umarmung in einen sanften Strudel hineinziehen. Ich schmelze dahin und lasse mich mitreißen, schmiege meine Wange an seine warme, feste Brust. Ich koste den Moment aus und will mich gar nicht von ihm lösen. Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, Konstantin wiederzusehen. Das Pochen wandert aus meinem Brustkorb zielstrebig in meinen Unterleib. Konstantin löst die Umarmung zu meinem Bedauern jedoch nach einigen Sekunden und fasst mich an den Schultern, erneut schaut er mich mit diesem intensiven Blick an.

»Du siehst toll aus.«

Das Pochen wird wieder stärker, und ich erröte wie ein Teenager, dann schlucke ich. Es ist an der Zeit, die Kontrolle über mich selbst zurückzugewinnen.

»Danke. Du auch.« Ich setze ein lässiges Grinsen auf.

»Es tut mir leid, dass ich dich gestern versetzt habe. Mein Meeting zog sich hin, und ich wollte dich nicht warten lassen. Ich kam erst um Mitternacht raus.«

»Was war denn so Wichtiges?« Ich lache unsicher, als mir etwas auffällt. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, was du so genau machst.«

Er grinst geheimnisvoll, seine Augen funkeln belustigt. »Überleg dir gut, ob du das wirklich wissen willst. Wenn ich einmal loslege, höre ich nämlich nicht mehr auf, über meinen Job zu reden. Dabei ist er gar nicht so spannend. Ich investiere in Start-ups, und das bedeutet viel Finanzkram, Investitionspläne und Ähnliches. Wie war denn deine Woche?«

Ich überlege kurz. Hm, tatsächlich kann ich nicht viel erzählen.

»Ich bin gerade an einem komplexen Fall. Aber ich darf nicht darüber sprechen.«

Er nickt verständnisvoll. Er kennt meine Verschwiegenheitspflicht als Polizistin.

Wir machen uns auf den Weg in den Park, und ich hake mich bei ihm unter. Trotz der 26 Grad scheint er in der Lederjacke und seinen schwarzen Jeans nicht zu schwitzen. Konstantin legt wie selbstverständlich den Arm um mich und zieht mich in Richtung Viktoriapark. Es fühlt sich an, als wären wir immer schon Arm in Arm gelaufen. Vertraut.

»Lass uns ein Stück gehen. Cora ist schon irgendwo da vorn.«

Als wir den breiten Weg in den Park betreten, kommt mir Cora entgegengerannt und springt freudig bellend an mir hoch. Meine Aufmerksamkeit ist sofort bei dem Hund. Was für ein entzückendes Tier! Der flauschige Mischling hüpft wie ein Flummi auf und ab und schaut mich aus dunkelbraunen, erwartungsvollen Augen an. Ich knie mich auf den Boden, was Cora zum Anlass nimmt, sich auf den Rücken fallen zu lassen und alle Beine von sich zu strecken. Ich kraule ihr das helle, flauschige Fell am Bauch, und sie jault auf vor Freude und verharrt in der Pose. Eine Weile lang streichle und kraule ich den Hund, der sich das gern gefallen lässt. Nichts erinnert mehr an das abgemagerte, verschreckte Bündel, das ich vor einigen Monaten aus der heruntergekommenen Wohnung eines Drogendealers gerettet und in Bettys pflegende Hände gegeben habe. Das braun-schwarze Fell des Schäferhund-Collie-Mischlings glänzt, und ihre Augen sind strahlend und lebendig.

Ich richte mich auf, und Cora springt sofort wieder an mir hoch und legt auffordernd eine Pfote auf meinen Oberschenkel. Dabei schaut sie mich vorwurfsvoll mit schief gelegtem Kopf an, als wolle sie sagen: »Jetzt hast du mich schon eine Woche allein gelassen!« Denn genau so lange ist es her, dass wir das letzte Mal spazieren waren. Ich tätschele sie und wende mich Konstantin zu, der mich mit einem belustigten Gesichtsausdruck beobachtet.

»Ich habe Betty versprochen, ein Video für Insta von Cora zu machen. Kannst du mich filmen und Betty verlinken?«

Er schüttelt bedauernd den Kopf. »Ich habe keinen Instagram-Account. Ich bin gar nicht auf Social Media aktiv.«

Überrascht sehe ich ihn an. »Wieso das denn? Ich hätte gedacht, dass das in deinem Job megawichtig ist.«

Er zuckt die Achseln, und ich habe den Eindruck, es ist ihm etwas unangenehm. »Wir nutzen die Plattformen natürlich, aber in meinen Kreisen hält man sich gerne etwas bedeckt. Ich bleibe lieber im Hintergrund.«

Ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was er mir damit sagen will. Natürlich ist mir klar, dass er als Investor mehr verdient als ich als Beamtin, aber ich frage mich zum ersten Mal, wie reich Konstantin eigentlich ist. Nicht, dass mir das wichtig wäre. Ich kann durchaus verstehen, dass es gute Gründe gibt, warum jemand nicht öffentlich im Internet postet. Ich als Ermittlerin halte mich da auch bedeckt.

Konstantin wechselt schnell das Thema. Er lächelt Cora und mich an. »Ihr seid wirklich ein Herz und eine Seele, da komme ich als Herrchen nicht annähernd dazwischen.«

Als hätte Cora seine Worte verstanden, lässt sie sofort von mir ab und schmiegt sich an seine muskulösen Oberschenkel. Konstantin streichelt sie liebevoll, und als er sich zu ihr hinabbeugt, fällt ihm eine Strähne seines halblangen Haares in die Stirn. Mit einer lässigen Geste streicht er sie weg und grinst mich wieder mit leicht schiefem Mund an.

»Nicht nur Cora freut sich, dass sie bei dir einen Premium-Termin an einem Wochenende bekommen hat. Das ist unser erstes Date, an dem du mal nicht danach zum Dienst musst, richtig?«

»Nun ja …«

Ich überlege kurz, wie ich es formulieren soll. Ich muss zwar nicht ins Büro, aber ich will unbedingt diesen Bericht fertigstellen. Gestern war ich dann doch so müde, dass ich lieber meinen Schlaf nachgeholt habe.

»Na sag schon. Was ist los?« Seine Augen funkeln interessiert.

»Ich muss heute noch mal an den Schreibtisch.«

»Warum habe ich mir so was schon gedacht?«

»Es tut mir wirklich leid, der Fall ist superwichtig für mich, und ich muss dringend noch etwas fertig machen.« Ich seufze.

Er bleibt abrupt stehen und sieht mich an. »Willst du darüber reden?«

Ich zögere. Ich wünschte, ich könnte ihm einfach alles erzählen. Er wäre vermutlich ein guter Zuhörer – und außerdem würde er einfach nur den Tatsachen lauschen und nicht die labile Kommissarin in mir sehen, die unter Beobachtung steht.

»Schon gut, Juli. Du musst dich nicht rechtfertigen. Ich weiß, dass du für deinen Job brennst. Ich finde das wirklich bewundernswert. Lass uns die Stunden, die wir zusammen haben, einfach genießen.«

Sekundenlang stehen wir voreinander, und er nimmt meine Hände. Seine sind warm, und sein Griff ist fest, ich fühle mich plötzlich unglaublich geborgen. Vorsichtig lehne ich mich an ihn. Mein Herz schlägt schneller, galoppiert aber nicht davon. Er hält mich vorsichtig. Ich habe wie schon bei unserer ersten Begegnung das Gefühl, dass wir von einem unsichtbaren Band zusammengehalten werden. Ich weiß nicht, was es ist, dass ich mich nach so kurzer Zeit so zu ihm hingezogen fühle. Er scheint mich ohne große Worte zu verstehen. Ohne etwas zu sagen, zieht mich Konstantin sanft zu einer abgelegenen Bank am Rand einer Wiese.

Cora lässt sich dankbar im Schatten unter den Bäumen nieder. Sie lässt hechelnd die Zunge heraushängen und genießt den kühlen Lufthauch, der uns im Park umfängt.

Konstantin beugt sich zu mir und legt eine Hand auf meine Jeans, sofort beginnt die Stelle, an der er mich berührt, wie Feuer zu brennen. Er beugt sich zu mir, unsere Gesichter nähern sich an. Er nimmt meine Wangen in seine Hände und zieht mich noch dichter zu sich, dann flüstert er mir mit heiserer Stimme ins Ohr.

»Ich habe eine kleine Überraschung vorbereitet.«

Das Kitzeln seiner Lippen an meinem Ohrläppchen jagt mir einen Schauder über die Schultern.

Ich schließe die Augen. Welche Überraschung das auch sein mag, ich wünsche sie zum Teufel. Das Einzige, was ich will, ist, dass er mich endlich küsst. Ich greife entschlossen nach seiner Hand und öffne die Augen, suche seinen Blick, öffne meine Lippen leicht. Und es ist, als schaute er mir tief in meine Seele hinein.

Dann zögert er nicht länger, und endlich berühren sich unsere Lippen. Konstantin beugt sich zu mir und umfasst meinen Nacken, während sich unsere Münder finden. Eine heiße Flut schießt durch meinen Körper, als wir uns zunächst vorsichtig küssen. Zärtlich berührt er meine Wangen und meinen Nacken, ich genieße das sanfte Kratzen seines Dreitagebarts. Sein Atem geht schneller, und unser Kuss wird leidenschaftlicher.

»Ich habe jede Nacht davon geträumt, Juli«, flüstert er.

Seine Worte sind das Einzige, was ich wahrnehme, denn meine Gedanken sind umnebelt von Lust und Begierde. Ich stöhne auf, als er mich näher an sich zieht. Kurz entschlossen setze ich mich auf ihn, er streift sich mit einer schnellen Bewegung die Jacke ab, und unsere Körper scheinen zu verschmelzen, obwohl wir noch T-Shirt und Jeans tragen. Die Lust pocht tief in mir, und ich presse mich gegen ihn. Konstantin hält mit seinen Händen meinen Hintern fest, atmet immer heftiger, schließlich lässt er vorsichtig von mir ab.

Er streichelt sanft meinen Rücken und lässt seine Lippen über die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr hinab über mein Schlüsselbein gleiten. Doch seine Bewegungen werden langsamer, bis er innehält. Ich fahre mit meinen Händen durch sein halblanges Haar, das ein wenig zerzaust ist, und blicke ihn direkt an. Er grinst vorsichtig, die Stimmung zwischen uns wird etwas lockerer, verspielter.

Seine Augen blitzen amüsiert. »Du bist verdammt heiß.«

Er nimmt meine Hände und legt sie auf meinem Rücken zusammen.

Ich gehe auf sein Spiel ein. »Moment mal, das ist normalerweise mein Job«, protestiere ich.

»Ich weiß.«

Sein Lachen ist dämonisch, mir fallen zum ersten Mal seine spitzen Eckzähne auf. Ich mag diese Seite an ihm.

Dann hebt er mich scheinbar mühelos hoch und steht auf.

»Ich habe noch etwas mit dir vor.«

Verdattert schaue ich ihn an, doch schon steht er hinter mir. Ich drehe mich um und entdecke in seiner Hand ein schwarzes Tuch. Sekundenschnell läuft ein Film vor meinem inneren Auge ab, und mein Herz schlägt schneller. Konstantin, der meine Hände nimmt und zusammenbindet. Sein sinnlicher Mund an meinem Hals. Sein herber Duft nach Leder.

Er unterbricht die Bilder mit seiner sanften, tiefen Stimme. »Vertraust du mir?«

Ich nicke fragend, und bevor ich etwas sagen kann, spüre ich, wie sich das Tuch über meine Augen legt und er es an meinem Hinterkopf zusammenbindet. Es duftet nach Zedern, herb wie sein Aftershave. Ich bleibe gebannt sitzen und höre ein leises Rascheln, das Zwitschern der Vögel und das entfernte Lachen einer Menschengruppe, das leise Klimpern des Karabinerhakens an Coras Halsband. Ich bin überrascht, wie viel ich plötzlich über mein Gehör wahrnehme, da meine Augen verbunden sind. Ich kann Konstantin ganz in der Nähe hören, er scheint etwas vorzubereiten. Ein leichtes Kribbeln breitet sich in mir aus, es ist aufregend, mich auf andere Sinne zu konzentrieren.

Die Situation erscheint mir unwirklich, als bewegte ich mich in einer Matrix. Ich sitze mit einem geheimnisvollen Fremden in meinem Lieblingspark, von dem ich nicht viel mehr weiß, als dass er ein erfolgreicher Start-up-Berater und ungeheuer anziehend ist. Ich erinnere mich nicht daran, dass jemals ein Mann so viele Fragen bei mir ausgelöst hat – was ihn aber jedenfalls noch viel interessanter macht.

Einige Minuten später spüre ich Konstantins Nähe, es wird warm an meinem Nacken. Er löst vorsichtig die Augenbinde.

Direkt vor uns auf der Wiese liegt eine Decke mit einem Korb mit allerlei Köstlichkeiten sowie zwei Porzellantellern und Gläsern. In der Mitte steht ein Kübel mit Champagner, daneben eine Flasche mit einer langstieligen weißen Rose. Für Cora steht am Rand ein Fressnapf und eine Schüssel Wasser, an der sie sich schon bedient. Sprachlos starre ich auf das perfekte Ensemble und zu Konstantin, der mir grinsend die Hand reicht.

»Darf ich bitten?«

Kapitel 3

Mit einem dumpfen Schlag lasse ich meine Handtasche neben meinem Schreibtischstuhl fallen. Ups, da war ich wohl allzu beschwingt.

»Holla, Juli, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«

Mein Bürokollege Bernd Hacker ist bei meinem rasanten Auftritt neugierig hinter seinem Bildschirm aufgetaucht. Dazu muss er aufstehen, er hat seinen Schreibtisch nämlich so platziert, dass man vom Rest des Büros nicht auf seinen Computerscreen gucken kann. Vermutlich hofft er, dass ich auf diese Weise nicht bemerke, wie viel Zeit er mit Minesweeper verbringt, anstatt zu arbeiten. Sein Fehler.

Als Antwort lache ich nur. »Ob du es glaubst oder nicht, ich bin extrem gut drauf! Was so ein freies Wochenende nicht alles bewirken kann.«

Dass nicht nur der aufgeholte Schlaf ein Grund für meine gute Laune ist, sondern auch das Date mit einem überaus charismatischen Hundebesitzer, muss ich ihm ja nicht auf die Nase binden.

Bernd schaut mich fragend an. Er kennt das Konzept »überarbeitet« nicht. Er ist einer dieser älteren Beamten, der irgendwann in seinen vielen Jahren Dienstzeit innerlich gekündigt hat und jetzt nur noch Dienst nach Vorschrift macht. Seinen Titel als Polizeirat hat er erreicht, weil er schon so lange dabei ist. Ich hingegen bin mit meinen siebenundzwanzig Jahren bereits Hauptkommissarin, habe dafür auch hart gearbeitet und einiges geopfert. Manchmal ärgert es mich, dass ich mich dennoch permanent beweisen muss.

Aber nicht Bernd gegenüber. Er nimmt seinen Job und die Kollegen, wie sie sind, und behandelt alle gleich. Vor allem in letzter Zeit war es deshalb eine Wohltat, dass ich mir mit ihm ein Büro teile. Er behandelt mich genau wie früher. In seinen Augen bin ich noch immer die junge, ehrgeizige und vor allem unversehrte Kollegin, die keine Fehler gemacht hat und noch weniger Schwäche gezeigt hat.

»War viel los letzte Woche?«

Ich nicke. »Die Razzia am Freitag war ein voller Erfolg. Ich habe in einigen Minuten einen Termin bei Steinhauer, dann besprechen wir das weitere Vorgehen. Ich habe am Wochenende noch den Bericht vorbereitet und ihr heute früh schon geschickt.«

»Ich dachte, du hattest frei?«

Ich ignoriere seine Frage und erhebe mich wieder. Er erwartet vermutlich auch keine Antwort von mir.

»Bis später, Bernd.«

Damit lasse ich ihn vor seinem Schreibtisch stehen und mache mich auf den Weg zu meinem Meeting.

Vor der Tür mit dem Hinweis »Elisabeth Steinhauer, Direktorin der Abteilung Organisierte Kriminalität, Banden- und qualifizierte Eigentumskriminalität, Rauschgiftdelikte« bleibe ich stehen. Auf mein knappes Klopfen hin ertönt ein raues »Herein«. Als ich die Tür öffne, schlägt mir sofort beißender Zigarettenqualm entgegen. Dass im Landeskriminalamt striktes Rauchverbot herrscht, hält Elisabeth nicht davon ab, sich ihrem Laster hinzugeben.

Ich unterdrücke ein Husten und betrete den großen, schmalen Raum, der fast zur Gänze durch einen mit Akten überladenen Schreibtisch eingenommen wird. An den Wänden befinden sich Schränke mit noch mehr Akten, ein einsamer Ficus verdurstet auf der Fensterbank.

Elisabeth Steinhauer erhebt sich schwungvoll aus ihrem schwarzen, abgewetzten Chefsessel und kommt mir mit entschlossenen Schritten entgegen. Obwohl sie nicht besonders groß ist, wirkt meine Chefin imposant. Sie trägt eine schwarze Anzughose und eine Bluse, die kurzen Haare leuchten mahagonifarben, und ihre Augen funkeln hinter der roten Brille.

»Zunächst mal: Herzlichen Glückwunsch zu deinem Ermittlungserfolg, Juli.«

Sie umfasst meinen Unterarm mit einer Hand und schüttelt mit der anderen herzlich meine. Es hätte wohl nicht viel gefehlt und sie hätte mich umarmt. Dann gibt sie mich frei und lehnt sich an die Kante ihres Schreibtischs. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und kommt wie üblich sofort zum Thema.

»Ich habe deinen ausführlichen Bericht überflogen. Sehr fleißig. Aber bevor wir einsteigen, muss ich dich das jetzt einmal fragen als deine Vorgesetzte: Wie fühlst du dich? Ist alles gut gelaufen? Keine Zwischenfälle?«

Ich presse die Lippen aufeinander. Es nervt mich so sehr, dass ich mich immer wieder diesen Fragen stellen muss. Ich weiß, dass es sich nur ändern wird, wenn ich glaubhaft vermitteln kann, dass es mir wirklich gut geht. Also sehe ich Elisabeth fest in die Augen.

»Es geht mir gut. Der Einsatz verlief ohne Probleme.«

Sie nickt knapp. »Gut. Ich verlasse mich darauf, dass du mich informierst, sollte sich daran etwas ändern.«

»Das werde ich tun, danke, Elisabeth.«

Sie beugt sich etwas zu mir. »Dann kommen wir zu deinem Bericht. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Erkenntnisse?«

Ich sehe mich kurz nach einer Sitzgelegenheit um, aber alle Stühle sind mit Aktenbergen beladen. Also bleibe ich stehen.

»Wir haben fast fünfhundert Kilo ›Pink Panther‹ sichergestellt. Die Fahrer sind in U-Haft, streiten aber aktuell alles ab. Wir konnten noch nichts aus ihnen herausbekommen.«

Ich streiche mir eine Strähne hinters Ohr. Dass die Verhafteten nicht reden, ist zwar nicht verwunderlich. Trotzdem hatte ich weitere Erkenntnisse erwartet. So sehr ich mich über den Erfolg freue, ich hatte gehofft, dass die Razzia uns einen Schritt weiterbringt.

Elisabeth beobachtet mich ganz genau, als könne sie mir jeden Gedanken im Gesicht ablesen. Vermutlich entspricht das auch der Wahrheit. Ich hatte noch nie ein gutes Pokerface, es ist meine Schwachstelle, dass man mir ansieht, was ich denke. Sie wartet ab, und ich fahre fort.

»Die Fahrer sind natürlich nur kleine Rädchen im Getriebe. Ich vermute, dass eine ganze Bande dahintersteckt. ›Pink Panther‹ ist inzwischen weit verbreitet, es gab erste Funde in Köln, Hamburg, Frankfurt und München. Da steckt eine Strategie dahinter.«

Elisabeth wiegt den Kopf. »Solche Ermittlungen brauchen Zeit, zumal, wenn es sich um ein Netzwerk handelt. Du musst Ruhe bewahren, Juli.«

Ich schnaube und kann meinen Ärger über die fehlenden Hintergründe nicht mehr länger unterdrücken. »Zeit! Die Dealer sind uns jetzt schon immer einen Schritt voraus. Wenn wir uns noch länger Zeit lassen, wird Berlin bald in dem Zeug ersaufen. Dann heißt es wieder, die Polizei bekommt es nicht gebacken. Dabei sind wir nah dran, das weiß ich. Wir müssten noch mehr Manpower reinstecken, alleine schaffe ich das nicht. Kannst du mir nicht noch ein paar Leute zuteilen?«

Sie sieht mich streng über ihre Brille hinweg an, die rot geschminkten Lippen aufeinandergepresst.

»Selbst wenn ich wollte, ich habe im Moment keine Kapazitäten. Außerdem weiß ich nicht, ob du schon wieder so weit bist.«

Ich stoße einen Fluch aus. »Verdammt! Eben habe ich dir versprechen müssen, Bescheid zu geben, wenn ich Hilfe brauche. Jetzt sage ich dir, ich brauche mehr Leute, sonst wird das nichts!«

»Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe. Es ging um deine mentale Verfassung.«

»Ja, das weiß ich, aber ich sage dir: Wenn du mir helfen willst, dann übertrage mir die Verantwortung für ein Ermittlerteam, und lass mich dir zeigen, dass ich es genauso draufhabe wie früher. Mein Fokus ist voll auf diesem Fall, nicht in der Vergangenheit.«

Sie mustert mich schweigend, und ich habe das Gefühl, auf dem Prüfstand zu stehen. Innerlich beiße ich die Zähne zusammen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit nickt sie. »Ich sehe, was ich tun kann.«

Für einen Moment wirkt es, als würde Elisabeth noch etwas sagen wollen, dann schließt sie den Mund und lächelt mir versöhnlich zu. Ich weiß, dass ich jetzt meine Klappe halten und ihr Zeit geben sollte, ihre Entscheidung zu durchdenken. Aber es fällt mir verdammt schwer.