Begierde, Mut & Fesseln | Erotische SM-Geschichten - Nova Ostermond - E-Book

Begierde, Mut & Fesseln | Erotische SM-Geschichten E-Book

Nova Ostermond

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 176 Taschenbuchseiten ... BEGIERDE - nach dem unvergleichlichen Glücksrausch des perfekten Orgasmus! MUT - lass devote Fantasien wahr werden! FESSELN - erlebe befreite Lust! Diese prickelnden Storys entführen dich in eine Welt, in der sinnliche Spiele und leidenschaftliche Erlösung auf dich warten: Erotikautorin Michelle mutiert in einer italienischen Villa zur echten Sklavin. Schauspielerin Lisa entdeckt in Hollywood devote Lust. Die schöne Fiora gibt sich auf einer einsamen Insel dem attraktiven Diano hin. Sei dabei, wenn sich heiße Frauen fallen und von Männern auf die harte Tour verführen lassen! Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 235

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Impressum:

Begierde, Mut & Fesseln | Erotische SM-Geschichten

von Nova Ostermond

 

Nova Ostermond ist studierte Grafik-Designerin und Kunstmalerin, die schon im Alter von neun Jahren mit dem kreativen Schreiben begann. Sie liebt Kino, Musik und Mode und kocht gern (vegetarisch), wenn sie es nicht muss. „Die Marmorblüte“ ist ihr erster Roman. Wenn sie sich nicht gerade mit ihren zahlreichen Freundinnen trifft, liest sie gern erotische Geschichten (was für eine Überraschung!) oder bereitet Ausstellungen vor.Novas größter Traum war es immer, einen Bestseller zu schreiben ...

 

Lektorat: Claudia Rees

 

 

Originalausgabe

© 2022 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © fotorince @ 123RF.com © pasiphae @ 123RF.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783750732063

www.blue-panther-books.de

Das Wechselspiel der harten Lust

Es ist fünf vor zwölf. In jeder Hinsicht.

Diese Party ist nicht das, was ich mir wünschen würde. Tessa hat mich mitgeschleppt. Meine einzige Freundin. Sie hat genau wie ich fast hundert Kilo, aber im Gegensatz zu mir echtes Selbstbewusstsein. Na ja, sie ist ja auch Curvy Model. Die Männer hier umgarnen sie. Ich stehe am Rand und beobachte. Das ist das, was ich am besten kann. Wir sind auf der Dachterrasse eines zehnstöckigen Hotels in Berlin. Es sind vielleicht fünfzig Leute hier. Es ist laut und wuselig, viele sind schon sturzbesoffen.

Ich fühle mich unwohl. Die Korsage kneift, der Hosenbund sowieso, die hohen Stiefel tun weh und mir ist ein bisschen schlecht, ich glaube von den Hors d´Oeuvre mit Lachs.

Nach dem Tod meiner Mutter habe ich aus Kummer zwanzig Kilo zugenommen.

Zwei Minuten noch. Ob das neue Jahr besser wird? Oder sollte ich es heute und hier beenden?

Ich müsste mich nur über das Geländer hieven und fallen lassen. So easy. Außer Tessa habe ich ja niemanden mehr. Und braucht die mich? Eine unablässig jammernde Heulsuse, die nicht aus dem Quark kommt, und ihren Kühlschrank noch leerer frisst?

Mir kommen schon wieder die Tränen. Als es Mitternacht ist und alles knallt und jubelt, als die Tausend bunten Lichter über Berlin explodieren, als Tessa diesen unsympathischen Mike küsst und die Musik so hämmert, dass man das Gefühl hat, das Hochhaus auf dem wir alle stehen, wackelt gewaltig, muss ich an Silvester in Harry und Sally denken, wische mir die Tränen von der Backe und verschwinde von hier.

Filme können eben immer noch Leben retten …

***

Zu Hause, bei Tessa, setze ich mich an meinen Laptop. Nachdem ich mich übergeben musste. Der Lachs! Jetzt kaue ich nach dem Zähneputzen noch einen zuckerfreien Kaugummi und trinke eiskaltes Wasser ohne Kohlensäure. Ich muss unbedingt etwas finden, das mein Leben ändert.

Todesmutig wie ich bin, möchte ich noch eine Ausbildung machen, obwohl ich stramm auf die fünfzig zugehe.

Etwas ganz anderes als das, worin ich mich sonst versucht habe. Das war alles brotlose Kunst. Ich habe es in der Kunstwelt versucht als Malerin, in der Filmwelt als Drehbuchautorin, aber ohne eine Hammerfigur und wallende Mähne, ohne blutjung zu sein, und ohne Beziehungen, hat man trotz vermeintlichen Talents nicht die geringste Chance.

Ich will jetzt etwas Handfestes, das mir auch persönlich hilft. Und ich spiele schon länger mit dem Gedanken. Ernährungsberatung würde mich brennend interessieren und die Ausbildung würde mir selbst auch weiterhelfen. Ich google nach den besten Konditionen. Es gibt unzählige Anbieter. Ich möchte keinen Präsenzunterricht, denn niemand auf der Welt kann meine Schrift entziffern. Nicht mal ich. Onlinekurse gibt es auch wie Plastik im Meer. Die meisten sind überteuert. Aber hier, nur vierhundert Euro und die besten Bewertungen noch dazu! Also los, anmelden!

Es heißt, nach spätestens drei Monaten ist man fertig. Es gibt eine Prüfung in München. Warum nicht Berlin? Weil ich hier weggehen werde. Diese Stadt ist so laut, so voll, so brutal. Sie passt nicht zu mir. München stelle ich mir gemütlicher vor. Und Mom schwärmte immer vom Chiemsee. Vielleicht finde ich auch dort etwas, obwohl die Gegend allgemein sehr teuer ist. Aber vielleicht tut es am Anfang auch ein WG-Zimmer? Ich stelle gleich noch ein Inserat bei eBay rein. Das will alles wohl geplant sein. Ich sitze am Küchentisch, als Tessa mit Mike im Arm hineinschneit. Sie sind beide total breit und horny. Als sie schon im Flur sind, habe ich den Laptop endlich abgestöpselt und kann mich gerade noch in mein Zimmer verziehen. Dort werkle ich fleißig weiter an meinem neuen Leben.

Es ist merkwürdig: Ich bin plötzlich frohen Mutes und voller, frisch ausgepackter Energie.

***

So, ich bin angemeldet. Und bekomme schon das erste Lernmaterial per E-Mail. Da ist ein bisschen Mathe und Chemie dabei, was nicht gerade meine Spezialgebiete sind, doch irgendeinen Nachteil gibt es ja überall. Auf Fremdwörter stand ich schon immer, und die Auswirkung der diversen Vitamine und Nährstoffe interessiert mich total. Der Stoff ist schon jetzt sehr umfangreich, aber ich werde das schaffen. Genauso wie ich mich komplett und nachhaltig transformieren werde. Die pummelige Leonor, die nur unbeachtet am Rand steht, die wird es bald nicht mehr geben. Das habe ich mir zumindest fest vorgenommen. Auch werde ich dieses künstliche Hellblond loswerden. Ich lasse es rauswachsen und mir naturfarbene Strähnchen machen. Man wird mich nicht mehr erkennen, mit meinem Sixpack und der natürlichen Mähne. Jetzt wirst du aber größenwahnsinnig!, schimpfe ich mich einen Moment lang, doch ohne großen Plan kann man es gleich bleiben lassen, finde ich dann schnell wieder meinen neuen Elan.

***

Wen kenne ich in Oberbayern? Niemanden. Und das ist vielleicht ein Vorteil. Mit dem Abnehmen fange ich sofort an. Ich gieße mir ein weiteres riesiges Glas stilles Wasser ein. Und morgen geh ich gleich früh gesund einkaufen: Gemüse, Obst, Nüsse, Oliven, Peperoni. Den Friseurtermin, den ich schon vor Wochen ausgemacht habe, werde ich absagen. Nie wieder Wasserstoffperoxid. Zurück zur Natur.

Außerdem werde ich einen Onlinefitnesskurs buchen. Der kostet nicht viel, ich kann ihn von zu Hause aus machen und muss in kein Studio. Die haben ein gigantisches Angebot, am meisten interessiert mich das Tanzprogramm. Tanz dich schlank!

***

Was mich auf einmal auf ganzer Linie so entschlossen macht? Vermutlich mein fünfzigster Geburtstag im Sommer. Das halbe Leben ist rum und was ist passiert? Ich habe keine Familie mehr, man hat mich schon vor Jahrzehnten als aussortiert eingestuft und ich habe keinen einträglichen Job. Von einem zuverlässigen Partner ganz zu schweigen. Ich könnte mich eingraben, weiter einen Haufen Pillen schlucken und noch dicker werden. Das wäre sicher der leichtere Weg. Ich habe allerdings noch meine Träume. Ich will eine gesunde Frau sein, mit einem tollen Partner und zügellosem Sex. Und so soll es gefälligst werden. Sonst werde ich echt sauer.

***

Ich steige voll ein ins Lernen. Und es macht mir erstaunlich viel Spaß. Tessa hat sich nach einer Woche bereits wieder von ihrer Silvestereroberung getrennt. Nichts hält mehr. Jetzt schimpft sie mich gerade, weil ich ihr erzähle, ich hätte bereits drei Kilo abgenommen. Ich würde die Community verraten und wäre dem allgemeinen Optimierungswahn verfallen, sagt sie. Soll sie denken, was sie will. Ich halte so viel Übergewicht einfach nicht für gesund.

Ha, jemand hat auf meine Annonce geantwortet. Ein WG-Zimmer in einem Chiemseeörtchen für schnappige zweihundertfünfzig Euro, aber wo ist da der Haken? Es muss einen geben. Da haben wir es. Die Offertin ist Raucherin, qualme aber nur auf dem Balkon. Südseite. Ich will ein gesünderes Leben, ist das dann das Richtige?

Gut, ich darf nicht so wählerisch sein. Ein besseres Angebot bekomme ich so schnell nicht wieder.

Nach ein paar E-Mails rufe ich die Dame namens Carla gleich an.

»Du hast ja gar keinen Akzent!«, sagt sie.

Ich gebe ihr ein »Du auch nicht!« zurück. Dann versuchen wir zu eruieren, woran das liegt. »Unintegriert!«, nennt sich Carla jetzt.

Ja, das passt auch auf mich. Sie ist mir sofort sympathisch.

»Wie finanzierst du deinen Mietanteil?«, will sie wissen. Ich habe ein bisschen geerbt, was aber bald zur Neige geht. Das muss sie jetzt aber nicht sofort erfahren.

»Wann kommst du runter?«, ist dann schon ihre nächste Frage, nachdem sie mich mit ihrem Netflix-Abo geködert und noch dazu mit ihrem eigenen Vegetarismus gelockt hat. Ich bin nicht als spontan bekannt, aber was hält mich noch? Nicht mal mit Tessa läuft es mehr gut.

»Übermorgen?«, schlage ich plötzlich vor. Schließlich muss ich noch packen.

»Perfekt!«, jauchzt Carla. Offenbar ist sie ein sehr begeisterungsfähiges Exemplar unserer Spezies.

***

Tessa ist ein wenig schockiert. Sie wusste ja von meinen Metamorphoseabsichten, aber dass sie so konkret sind, war ihr nicht bewusst.

»Als ob du dich in einer völlig fremden Umgebung zurechtfinden würdest!«, wirft sie mir jetzt vor und: »Du bist und bleibst ein Außenseiter!«

Na, wie schön. So viel mentale Unterstützung ist echt nett. Früher wäre ich jetzt in Tränen ausgebrochen. Hätte mir selbst leidgetan.

Heute kontere ich:

»Ich dachte, du bist meine Freundin. Aber gut, dass ich das nun auch weiß. Meine Entscheidung ist und bleibt goldrichtig.«

»Musst du wissen, aber ich nehm dich nicht auf, wenn du wieder auf die Schnauze fällst!«

Ich verziehe mich. Auf so viel dystopischen Destruktivismus hab ich echt keine Lust.

***

Eine Nachricht von Carla. Sie hat mir sogar schon Zugverbindungen rausgesucht. Sie freut sich und will mich vom Bahnhof abholen. Immer noch denke ich, da muss irgendwo ein Haken sein.

Das ging alles so schnell. Normalerweise habe ich nicht so viel Glück. Das macht skeptisch.

Carla ist Ende dreißig. Ob der Altersunterschied zu groß sein wird, um reibungslos zusammenzuleben? Hat sie ein dunkles Geheimnis? Dann muss ich laut lachen, denn ich habe ja selber eins.

Was mir ein »Ich wusste, du spinnst!« von Tessa einbringt.

***

Dieser beschauliche Ort am See gefällt mir sofort. Es hat etwas unrealistisch Idyllisches. Carla ist ein zierliches Persönchen mit süßen Grübchen und hellem Haar. Wir fahren mit dem Taxi zu meinem neuen Zuhause. Mein Zimmer ist etwa fünfzehn Quadratmeter groß und ordentlich aufgeräumt. Es steht ein Futonbett drin und ein Schreibtisch mit Bürosessel. An der blauen Wand hängt ein poppiges Porträt von Audrey Hepburn und ein altes Filmplakat von Blondinen bevorzugt. Der Boden ist aus hellem Echtholz und das grau gekachelte Bad ist zwar klein, hat aber eine Dusche, eine Badewanne und ein Fenster.

»Ich hoffe, du fühlst dich hier wohl!«, sagt Carla und geht in die Küche, um frischen Kaffee aufzusetzen. Ich wasche mir erst mal ausgiebig die Hände mit Rosenflüssigseife und bemerke im Spiegel, dass ich total rote Bäckchen habe. Ist ja auch alles echt aufregend. Carla macht das Küchenradio an und Ultravox ertönt. Auch gut. Das Lied hat eine tiefere Bedeutung für mich. Es ist für immer verbunden mit meiner Teenagerzeit, in der das Radio mein bester Freund war. Diese Zeit kommt nicht mehr, aber ich bin froh drum, sie war wirklich alles andere als schön. Als ich mich an den Küchentisch setze, stellt mir Carla ein Präsent hin, ein veganes Kosmetikset und den Hausschlüssel, verpackt in einem süßen kleinen, pinken Schächtelchen.

»Willkommen!«, sagt sie und ist sichtlich gerührt.

Hey, ich müsste gerührt sein, schließlich ist das hier ein Start in ein neues Leben. Ich habe das Gefühl, dass Carla ein Geheimnis hat, das sie bedrückt. Bevor die erste Träne auf den Tisch tropft, wischt sie sich übers Gesicht, lächelt breit und zeigt mir ihre makellosen Zähnchen. »Schön, dass ich nicht mehr allein bin!«

***

Die erste Woche vergeht wie im Flug. Ich habe mich eingerichtet und kenne auch schon die meisten von Carlas Macken. Sie sagt dauernd »irgendwie« und hat den Fernseher immer übermäßig laut eingestellt. Sie stellt sofort das Radio aus, wenn Michael Jackson läuft, und isst zum Frühstück nur ein Knäckebrot mit Meerrettich, Curry und schwarzem Pfeffer und genau fünf Walnüsse.

»Beugt Entzündungen und Nervenkrankheiten vor!«, hat sie sehr ernst erklärt. »Omega drei, du verstehst?«

Alles in allem komme ich aber gut damit klar und unser Zusammenleben ist erstaunlich harmonisch und ereignislos. Bis …

***

»Wo gehst du denn hin in dem Aufzug, zum Karneval?«, frage ich Carla an einem lauen Samstagabend in meiner fünften Woche hier. Sie ist komplett in schwarzem Leder gekleidet und trägt eine Art Geschirr um Schultern und Hals. Die Lippen sind tiefrot, um den Hals hat sie eine O-Kette, die, soviel ich weiß, auf masochistische Neigungen hinweisen soll.

Carla sieht atemberaubend aus. Sie wird ein bisschen rot, was ich angesichts ihres aufreizenden Outfits extrem süß finde. Dann sagt sie leise, ja schüchtern:

»Nein, ich bin, ich … Weißt du, ich fahre zu einem Club, da zieht man sich so an, ich wollte es dir eigentlich schon länger sagen, aber wir kennen uns ja noch nicht so gut, ich wusste nicht, wie du drauf reagieren würdest. Und ich dachte ja, du wärst heute im Kino.«

Jetzt heult sie gleich, oh je. Das scheint ihr mehr als peinlich zu sein. Dabei gäbe es wohl keine Frau, die sie besser verstehen könnte. Ich habe es zwar nie ausgelebt, aber ich habe ja selber solche Fantasien. Schon ewig. Ich schenke ihr also mein schönstes Lächeln, nehme sie in den Arm und flüstere ihr ins Ohr:

»Denk dir nichts, das ist doch okay! Also, ich finde das echt spannend, du musst mir mal in Ruhe davon erzählen!«, setze ich noch obendrauf.

Sie nickt, wischt sich die Tränchen weg und nimmt sich ihre Autoschlüssel von der Flurkommode.

»Aber pass auf dich auf, ja?!«, rufe ich ihr noch nach.

So was! Meine Mitbewohnerin steht auf SM. Eigentlich hätte ich es nicht besser treffen können. Vielleicht nimmt sie mich mal mit.

»Halt, du hast was vergessen!«, rufe ich jetzt unnötigerweise aus, denn sie ist ja längst weg. Im Bad liegt nämlich eine einsame Maske. Ich halte sie einige Momente in der Hand, schließlich vors Gesicht. Dann schminke ich mir die Lippen auch knallrot. Da geschieht plötzlich etwas mit mir, etwas, wovon ich dachte, es passiere nicht mehr. Ich bin erregt, von mir selber. Aber so was von. Ein Dopaminflash durchströmt mich. Mein Herz hüpft und ich glaube, ich werde ein bisschen feucht. Alles pocht. Es ist wie ein Zauber. So unerwartet. So schön. Und ich weiß sofort, ich möchte mehr davon. So viel mehr …

***

Ich muss mich auf meine Prüfung fokussieren. Leider. Ab und zu gehe ich in den Ort. Es sind etwa eineinhalb Kilometer bis dorthin. Die vielen kleinen süßen Geschäfte und Cafés haben es mir sofort angetan. Alles ist zu Fuß erreichbar. Es gibt sogar ein kleines Kino. Ich gehe in mein Lieblingsterrassencafé und bestelle eine Quiche. Mein Lernmaterial ist aufgeschlagen. Ich kritzle aber lieber studienunabhängige Gedanken in mein Notizbuch. Das kann ich immer machen, auch wenn ich krank bin. Es beruhigt mich und sortiert mein Innerstes in kürzester Zeit.

Am Nebentisch sitzt ein Pärchen. Man merkt gleich, wer da die Hosen anhat. Sie ist ein ganz zartes, hübsches Persönchen und er macht sie die ganze Zeit nur runter. Von wegen, sie hätte saudumm geparkt und er würde sie nicht mehr ans Steuer lassen. Die Frau wirft mir einen verzweifelten Seitenblick zu. Ich ertappe mich dabei, wie ich ein Wort dick ausmale: FREEDOM. Sie muss es lesen können, die Seite ist sonst leer. Ich schreibe ein Weiteres dazu: RUN!

Er könnte das genauso lesen, aber er mustert sie die ganze Zeit nur kritisch und streicht ihr dauernd die gelockerten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann geht er raus, wohl eine rauchen.

Die Dame hat Tränen in den Augen. Es bildet sich ein kleines Tröpfchen an ihrer Nase, ich reiche ihr ein Papiertaschentuch.

»Danke dir«, sagt sie leise und schüchtern.

»Warum schießt du ihn nicht in den Wind?«, frage ich. »Bist du finanziell von ihm abhängig?«

Sie nickt.

»Es gibt immer einen Weg!«, sage ich energisch und schiebe ihr eine Ecke Papier mit meiner Handynummer rüber. Sie lächelt süß und bedankt sich noch mal.

Da kommt er wieder. Eigentlich ist er ein schöner Mann. Das hilft einem ab einem gewissen Zeitpunkt aber bekanntlich auch nicht weiter.

Ob er sie auch schlägt? Was würde sie sagen, wenn wir uns anfreunden, und sie erfährt, ich träume von Schlägen?! SM ist natürlich inszenierte Unterwerfung und hat mit häuslicher Gewalt rein gar nichts zu tun. Trotzdem könnte sie es falsch verstehen. Ich überlege eine ganze Weile. Dann beschließe ich, dass es doch richtig war, ihr meine Nummer zu geben. Und ich habe das Gefühl, sie wird eines Tages ein wichtiger Mensch in meinem Leben. Solche Vorahnungen haben mich bisher selten getäuscht.

Kurz darauf zahlt er und sie verlassen das Café. Sie hat sich höflich verabschiedet und mir ein Lächeln geschenkt, er hat mich überhaupt nicht beachtet. Mir ist aufgefallen, dass er sie eher grob am Arm genommen hat, unmissverständlich vor sich hergeschoben.

***

Zu Hause absolviere ich mein Online-Dance-Programm. Latin mit Orelia. Das fällt mir leichter als gedacht. Und es tut so gut. Die Choreos waren am Anfang gewöhnungsbedürftig. Aber dann stelle ich mir immer vor, ich bin die durch einen Feeder-Freund etwas aus der Form geratene Jennifer Lopez und als diese eine geborene Tänzerin. Da geht schon alles viel leichter. Eine halbe Stunde halte ich das hohe Tempo lateinamerikanischer Rhythmen durch. Dann bin ich doch aus der Puste und steuere schweißüberströmt die Dusche an.

Carla begegnet mir.

»Das tut dir gut, oder? Siehst fresh aus!«, macht sie mir ein Kompliment.

Ich freu mich drüber. Unter der Dusche grüble ich über die Frau im Café. Da hat man doch besser gar keinen Partner als so einen. Und noch etwas ist mir aufgefallen. Dass mich die Frau auf ganzer Linie angesprochen hat. Ich habe keinerlei Erfahrungen in der Richtung, eigentlich auch keine Fantasien, aber diese Frau ist echt der Hammer. Ich berühre mich zwischen den Schenkeln und denke an sie. Wir stehen zusammen unter der Dusche, stelle ich mir vor. Küssen uns sanft, während wir uns gegenseitig einseifen. Ich merke, dass ich muskulöser geworden bin, definierter, jetzt schon, nach ein paar Wochen. Das macht mich selbstbewusster.

In meinem Kopf gehe ich jetzt bei der Frau ran, ziehe ihren Kopf an einem Büschel Haare in den Nacken. Unsere Zungen berühren sich vorsichtig, ihre vollen Lippen sind samtig weich. Ich versinke darin. Dann fasst sie mir in den Schoß und bearbeitet mich gezielt. Ich sehe ihre großen Bambi-Augen vor mir mit den ellenlangen Wimpern, ihren zierlichen Körper mit den süßen kleinen Brüsten, spüre ihre Haut auf meiner … Ich bin auf dem Plateau. Dann dreht sie sich um, und ich sehe ihre Striemen auf dem Rücken.

Unsanft erwache ich aus meinem Tagtraum. Die Erregung ist abrupt verflogen. Jetzt klopft auch noch Carla und ruft, ich solle nicht so viel Wasser verbrauchen. Ich stelle die Dusche ab, hülle mich in mein großes Duschtuch und im gerade von mir klar gewischten Spiegel sehe ich eine attraktive Frau mit glänzenden Augen, die heftige Unterwerfungsfantasien hat und gleichzeitig so große Angst vor den Folgen. Ich verstehe mich nicht. Ich bin mir selbst ein Rätsel.

***

Drei Monate wohne ich jetzt schon bei Carla. Dank Freaky Dance habe ich bereits fast zehn Kilo abgenommen. Ich habe eine Werbe-Anzeige in ein regionales Blatt reingesetzt, in der ich meine Hilfe bei Ernährungsfragen anbiete. Flyer habe ich ebenso ausgelegt. In all dieser Zeit sind Carla und ich gute Freundinnen geworden. Sie erzählt mir immer mehr über ihre Leidenschaft, die mich zunehmend fasziniert. Doch einen Mann hat sie bisher noch nie mitgebracht.

Da klingelt es. Sie hat wohl wieder keine Lust, aus dem schwarzen Loch ihrer Handtasche den Schlüssel rauszukramen. Hinter ihr steht ein großer, gut gebauter Kerl. Er lächelt breit. Total sympathisch. Kann so jemand denn feste zuhauen? Ich denke darüber nach und ertappe mich dabei, so viel erregter von der Vorstellung zu sein, als es mir lieb ist. Er reicht mir seine Hand zum Gruß.

Die ist warm und sein Händedruck milde.

»Hallo, freut mich, dich kennenzulernen, ich bin Gustav.«

Nein, nicht schon wieder!, denke ich. Und dann: Flipp nicht aus!

»Ich sag immer Gus!« Carla spricht es englisch aus. Ich finde, beide Bezeichnungen passen überhaupt nicht zu ihm. Was außerdem nicht passt, ist sein Anzug. Sein Wesen macht den Eindruck, er wäre ein Abenteurer, der dich am Lagerfeuer vernascht, nachdem er mit dir um seine Ländereien in Arizona geritten ist. Ja – eigentlich wirkt er wie der Cowboy schlechthin. Mein Gott, ich habe Fantasien vom Mann aus der Marlboro-Werbung. Er würde einen Ledergürtel in seiner im Fluss ausgewaschenen Jeans tragen und es würde so guttun, diesen auf meinem bloßen Hintern zu spüren, wieder und wieder und wieder. Himmel, bei mir pocht alles.

Dann kommt die Vernunft um die Ecke. Er ist der Lover deiner besten Freundin hier. Er ist so was von tabu. Halt besser den Rand, Leonor!

Ich mache Kaffee für uns drei. Gustav erzählt von seinem Job. Interessanterweise ist er beim Film, allerdings nicht wie erwartet vor, sondern hinter der Kamera, in der Produktion. Die Filmfirma ist sogar bekannt. Carla sagt, vielleicht könne er mir helfen, in der Branche Fuß zu fassen.

»Was schreibst du denn so?«, will er wissen.

»RomComs!«, sage ich und hole mein Drehbuch. Ich sollte mich wirklich was schämen. Carla will mir helfen und ich denke auf diese Art an ihren Freund. Doch anscheinend geht es nicht nur mir so. Gus guckt mir ständig tief und lange in die Augen, dass mir fast schwindlig wird.

»Hast du eine Karte? Die leg ich dem Buch bei und zeig es mal meinem Chef.«

Der will deine Nummer! Oh je!, und gleichzeitig denke ich: Strike!

Ich bin doch irgendwie böse, oder? Ich fühle mich schlecht. Das wird bestimmt auf die eine oder andere Weise bestraft werden. Und ich überlege, was so ein paar Kilos weniger auf der Waage doch ausmachen. Schon habe ich offenbar Chancen bei so einer zweibeinigen Schwarzwälder Kirschtorte wie Gus. Wie einfach das Spiel doch ist. Und wie lang ich auf der Ersatzbank saß.

Als Carla kurz im Bad ist, sagt Gus auch noch:

»Du fühlst es auch, oder?«

Ich nicke, peinlich berührt.

»O Mann!«, resümiert Gus. Und sein Blick sagt: Wie komme ich aus der Nummer wieder raus?

»Ich ruf dich heute Abend an!«, raunt er mir noch zu, bevor Carla wiederkommt.

Gus tippt lange auf seinem Handy rum, dann bekommt er einen Anruf. Als er aufgelegt hat, steht er auf:

»Es tut mir so leid, aber ich muss ins Büro. Der Autor will jetzt doch kein Buy-out. Da hängt viel dran. Ich muss mich gleich drum kümmern.«

Ich bin erleichtert, als er weg ist. Es kommt mir so vor, als stehe es auf meiner Stirn. Und zwar in Neonfarben. Blinkend. Sie haben sich Gott sei Dank nur flüchtig geküsst. Weil sein Herz schon bei mir ist?

Ich muss raus hier und spazieren gehen. Das ist gut gegen rote Wangen.

***

Wieder zu Hause schwärmt Carla mir von Gus vor. Genau das brauche ich jetzt. Und dann sagt sie etwas vielleicht Entscheidendes:

»Wir haben bis jetzt ja nur gespielt, aber ich kann mir mehr vorstellen.«

Sie haben also noch nicht miteinander geschlafen. Trotzdem Leonor, was macht das denn für einen Unterschied? Sie ist offensichtlich verknallt. Finger weg!

Wenn ich das hier vermassle, muss ich nach Berlin zurück. Und ich will um alles in der Welt nicht dorthin zurück.

Gus ruft an. Spät. Um zehn.

»Ich mach mit ihr Schluss!«, sagt er gleich.

»Aber sie ist verliebt in dich!«, protestiere ich.

»Das tut mir auch wirklich leid, aber als ich dich gesehen habe, das war Liebe auf den ersten Blick.«

Ja, mir ging es genauso. Dachte nicht, dass es das überhaupt gibt. Aber ich, nein, wir dürfen das nicht. Sein Glück auf dem Unglück anderer aufbauen. Das kann nicht gut gehen.

»Carla wird es verstehen, ich erkläre es ihr.« Das sagt er, seine Stimme zittert ein bisschen.

»Ich werde hier rausfliegen!«, werde ich deutlich, aber er antwortet nur:

»Dann ziehst du eben bei mir ein. Ich habe mit meinen Kumpels zusammen einen alten Bauernhof renoviert, ist echt schön geworden. Da ist genug Platz. Und ein Spielzimmer hat es auch.«

Woher weiß er, dass ich auf so was stehe? Hat Carla geplaudert? Oder sieht man das? Ein Spielzimmer also. Ein echter Grey. Nein, schockiert bin ich nicht, mir ist nur ein wenig flau, das geht hier von null auf tausend.

»Ich weiß nicht. Sie ist meine Freundin.«

»Dann wird sie es verstehen!«

»Lass mich darüber schlafen!«

»Okay. Und noch was wollte ich dir sagen: Du bist wunderschön!«

Ich schmelze ein wenig. Das hat schon lang keiner mehr gesagt. Mein Herz ist mal wieder aus der Kurve geschleudert worden und ich habe ein bisschen Schmerzen. Na ja, als Dom ist er ein Meister der Schmerzen, dann bin ich ja in besten Händen, oder? Soll ich mich als SM-Jungfrau so schnell auf so was einlassen? Ohne, dass mir jemals jemand auch nur einen Klaps gegeben hätte?

Im Kopf macht so was geil, das weiß ich ja, aber in der Realität? Kann ich solche Spiele überhaupt ab? Und was ist er eigentlich für ein Dom? Einer, der auch auf Analsex steht? Was weiß ich denn?

Ich habe eindeutige Grenzen. Oh, mein Kopf rattert.

Ich sehe mich auf Knien. Nackt. Mit einem Halsband um und die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ich sehe meine Füße in Ledermanschetten, mich auf einem Strafbock gebunden. Ich sehe mich ihm dienen. Mit meinem weit geöffneten Mund, mit meiner taugetränkten Rose. Alle diese Bilder in meinem Kopf sind ästhetisch und geschmackvoll, wie aus einem Hochglanzmagazin. Die Musik dazu ist edel und zeitlos. Ich bekomme Gertenschläge und stöhne dabei vor Lust. Er nimmt mich, wie er will, auch blind und taub, ja geknebelt, lässt mich vor ihm kriechen und kettet mich für Stunden an einen Tisch. Meine Fantasie hat inzwischen alle Zäune durchbrochen und irrt in Höchstgeschwindigkeit durch die verlockende Welt des SM. Ich kenne nur eine Möglichkeit, das für eine Atempause zu beenden. Ich dreh mich auf den Bauch, berühre, reize, streichle mich, fordere und täusche mich verblüffend echt, täusche mir Gus´ Existenz in meinem Bett vor, der mich hart nimmt. So echt, dass ich ihn spüren kann in mir. Mich ausfüllend und an die Grenzen stoßend. Mich unterwerfend mit seinem unerbittlichen Rhythmus.

Mit einer Prise Arroganz und der so lieblich duftenden, gleichzeitig unvergesslichen und genialen Herznote absoluter, schöpferischer Allmacht. Ich versinke in einem Höhepunkt, wie er noch nie da war. Der alles umstößt, mich jeden erzogenen Anstand verwerfen lässt. Den ich so sagenhaft finde, dass er mein Weltbild umwirft, ja, völlig zerstört. Aaah … Oooh … Ich finde kein Ende. Ich bin wie im Rausch. Ich bin nur noch Seufzer und Wonne, warm und wunschlos glücklich. Nein, einen Wunsch habe ich dann doch noch: den realen Gus. In meinen Armen, in meinem Schoß. Mich nicht mehr freilassend. Weil ich ihm gehöre.

***

Es passiert nichts. Ich meine, ich habe jetzt werbetechnisch alles in meiner Macht Stehende getan.

Kein Anruf, keine Mail. Ich muss aber langsam mal Geld verdienen, sonst ist sogar mein überschaubarer Mietanteil zu viel. Ich denke über Gus´ Angebot nach. Ehrlich gesagt, ich denke eigentlich nur noch an ihn. Um mich abzulenken, nehme ich eine Einladung zum Kaffeetrinken von der Bäckereifachverkäuferin im Ort an. Sie heißt Laurena und scheint um die sechzig zu sein. Sie hat mich erwischt, als ich allein in ihrer Sitzecke saß, ich ewig und nachdenklich in meinem Cappuccino rumgerührt habe und mir schließlich dicke Tränen in den Augen standen. Da hat sie sich zu mir gesetzt und gefragt, was los ist.

»Ich kenne hier nur meine Mitbewohnerin, fühle mich einsam, habe aber andererseits ein bisschen Heimweh nach der Anonymität. Ich verdiene kein Geld und hänge in der Luft. Kurzum: Ich hab Panik vor dem nächsten Tag.«

Das alles erzählte ich ihr und sie tätschelte meinen Arm und packte über ihre Vergangenheit aus. Dass sie mal Lehrerin war, an ihrer Schule ein Amoklauf stattgefunden hatte und sie dann nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten konnte. Sie schloss mit:

»Glaub mir, es gibt Schlimmeres, als nicht zu wissen, was morgen ist!«

Laurena erscheint mir vertrauenswürdig, lieb und verständnisvoll. Sie hat auch keinen allzu großen Freundeskreis. Ich glaube, sie könnte eine gute Freundin, ja Vertraute werden.

***

Wir treffen uns zwei Wochen später im italienischen Bistro. Gegenüber liegt eine Parfümerie. Es ist warm genug, um draußen sitzen zu können.

»Du bist doch sehr offen und gehst auf andere zu, du findest schon noch mehr Leute!«, sagt Laurena und nimmt ein Stück Bananenkuchen in den Mund. Der ist sehr lecker hier und sogar selbst gebacken. Ich bleib bei meinem Milchkaffee.

»Manchmal denk ich, es ist hier für einen Flüchtling leichter als für einen Saupreißn!«