Bellena: Wenn die Erde brennt - Nicole Kwiatkowski - E-Book

Bellena: Wenn die Erde brennt E-Book

Nicole Kwiatkowski

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Beschreibung

Der Auftakt einer mitreißenden Romatasy - Triologie: Ein unscheinbares Mädchen trifft auf einen besonderen Jungen, der sie in eine magische Verschwörung verstrickt, in der sie die Hauptrolle spielt. Zwischen verbotenen Gefühlen, dunklen Geheimnissen und einer Welt voller Magie muss sie sich entscheiden, wem sie vertrauen kann und welche Opfer sie bringen wird. Ein atemberaubendes Abenteuer, das Magie und Romantik auf einzigartiger Weise vereint. Klappentext: Du kannst mich nicht sehen, aber ich bin da. Was wäre, wenn dich in deinen Träumen ein Flüstern und rote Augen verfolgen, Flammen dich umhüllen und es dir schwerfällt, die Wirklichkeit vom Traum zu unterscheiden? Wenn du jemanden triffst, der deine Welt auf den Kopf stellt? Du auf Geheimnisse stößt, die jenseits von allem lagen, was du je für möglich gehalten hast und daran zweifelst, wem du überhaupt noch trauen kannst? Was wäre, wenn die Welt um dich herum zerbricht, und Flammen in dir lodern, die du nicht kontrollieren kannst? Wenn die Erde zu brennen beginnt und es deine Bestimmung ist, dies zu verhindern?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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WENN DIE ERDE BRENNT

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Nicole Kwiatkowski

Über das Buch:

Du kannst mich nicht sehen, aber ich bin da.

Was wäre, wenn dich in deinen Träumen ein Flüstern und rote Augen verfolgen, Flammen dich umhüllen und es dir schwerfällt, die Wirklichkeit vom Traum zu unterscheiden?

Wenn du jemanden triffst, der deine Welt auf den Kopf stellt? Du auf Geheimnisse stößt, die jenseits von allem lagen, was du je für möglich gehalten hast und daran zweifelst, wem du überhaupt noch trauen kannst?

Was wäre, wenn die Welt um dich herum zerbricht, und Flammen in dir lodern, die du nicht kontrollieren kannst?

Wenn die Erde zu brennen beginnt und es deine Bestimmung ist, dies zu verhindern?

 

Über die Autorin:

Nicole Kwiatkowski, geboren 1986 in Stollberg/Erzgebirge, lebt heute in der Nähe von Freiberg. Sie ist glücklich verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Bereits im Grundschulalter entwickelte sich bei ihr eine tiefe Begeisterung für Bücher. Die Bibliothek wurde ihr zweites zu Hause und ihre Freizeit verbrachte sie am liebsten im Bett, vertieft in Geschichten, die sie in eine andere Welt entführten.

Ihr erster Roman »Bellena« stammte aus einer Grundidee, die sie bereits in ihrer Jugend hatte. Doch es sollte einige Jahre dauern, bis sie ihre Gedanken zu Papier brachte, und zeigt somit, dass es nie zu spät ist, die eigenen Träume zu verwirklichen. Heute ist sie stolz darauf, ihre Leidenschaft für das Schreiben und ihre Liebe zu Büchern miteinander zu verbinden.

 

Copyright © 2024 Nicole Kwiatkowski

c/o Nicole Kwiatkowski, Bergmannsruh 19, 09633 Halsbrücke

 

Covergestaltung: Lunar Coverdesign (Bildmaterial: Depositphotos.com/Freepik.com)

1. Durchgang Lektorat: Lektorat Büchersinne

2. Durchgang Lektorat & Korrektorat: Yara Soneva

Buchsatz: Yara Soneva

 

 

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzung (Vervielfältigung, Verbreitung, Übertragung oder Nachdruck – auch auszugsweise) ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

 

Alle Charaktere und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Widmung

 

Für meine Töchter Lena und Isabella.

Möge dieses Buch euch daran erinnern, dass Träume nicht nur in der Ferne liegen, sondern in euch selbst. Vertraut auf euren Mut und eure Leidenschaft, denn ihr habt die Kraft, sie Wirklichkeit werden zu lassen.

Ihr seid die Schöpferinnen eurer eigenen Zukunft.

Inhaltsverzeichnis

Prolog7

Kapitel 18

Kapitel 214

Kapitel 318

Kapitel 425

Kapitel 530

Kapitel 634

Kapitel 738

Kapitel 843

Kapitel 948

Kapitel 1054

Kapitel 1160

Kapitel 1265

Kapitel 1369

Kapitel 1475

Kapitel 1581

Kapitel 1685

Kapitel 1789

Kapitel 1893

Kapitel 19100

Kapitel 20107

Kapitel 21113

Kapitel 22120

Kapitel 23126

Kapitel 24136

Danksagung142

Prolog

 

Das soll sie sein? Sie schaut aus wie eine gewöhnliche Göre. Wie kommt ihr darauf, dass sie es ist, die wir suchen?«

»Der Name, Sir. Sie nennen sie Bellena. So, wie euer Informant es gesagt hat. Und ... und sie trägt das Schmuckstück der Elemente, Sir ... und diesmal scheint es echt zu sein.«

»Was wisst ihr über sie?«

»Ihr Name ist Isabella Lena, Sir. Da Bellena nicht ihr Geburtsname ist, war die Suche in Archiven und Geburtenregistern reine Zeitverschwendung. Warum sie sich selbst so nennt, wissen wir bisher nicht.«

»Und weiter?«

»Sie ist sechzehn und besucht die Schule hier im Ort. Ihr Vater starb vor ihrer Geburt. Er wollte, dass seine Tochter Isabella heißt. Jedenfalls laut der Erzählungen der Mutter. Ihre Oma Lena starb vor ein paar Wochen. Von ihr ist der Zweitname. Warum man sie Bellena nennt, wissen wir nicht, Sir.«

»Das sagtest du längst.«

»Und wir wissen leider nicht, woher sie die Kette hat. Genauso, ob ihr Bruder oder ihre Mutter eine Verbindung zu unseren Feinden haben. Auch die beiden wirken nicht so, als wären sie etwas Besonderes. Sir, sind Sie sicher, dass unser Informant vertrauenswürdig ist? Vielleicht wurden wir absichtlich getäuscht? Er stand in enger Verbindung mit unseren Feinden, Sir.«

»Nein, das glaube ich nicht. Jetzt, wo ich sie so betrachte. Ich kann nicht sagen, was es ist. Da ist etwas Seltsames an ihr. Mein Gefühl sagt mir, dass mit diesem Mädchen etwas nicht stimmt. Sie wird noch wichtig für uns werden. Ich verlange, dass ihr alles über diese Göre herausfindet – wirklich alles. Wer sie ist, was sie denkt. Ich will wissen, was sie macht, wenn sie morgens aufwacht und bevor sie abends zu Bett geht. Wer ihre Freunde sind. Beobachtet ihre Mutter, ihren Bruder und alle, die ihr nahestehen oder standen. Buddelt den Vater und die Alte aus, wenn es notwendig ist. Nehmt ihr ganzes Umfeld auseinander und lasst sie nicht aus den Augen. Ich will wissen, warum sie so wichtig sein soll und wie wir sie für uns nutzen können. Und lasst euch bloß nicht erwischen! Wir wollen keine Aufmerksamkeit erwecken. Hast du das verstanden?«

»Keine Sorge, Sir. Ich werde mich um alles kümmern. Ich weiß schon genau, wem ich diese Aufgabe anvertraue.«

Kapitel 1

Mürrisch trat ich den Weg nach Hause an. Chrissy und Julia hatten mich schon wieder sitzen lassen und das Warten vor der Schule war endlos gewesen. Ich spürte Wut in mir aufsteigen – hatte ich wirklich nichts Besseres verdient, als auf Leute zu warten, die mich offensichtlich vergessen hatten? Bei dem Gedanken, dass zu Hause eine warme Mahlzeit auf mich wartete, auf Netflix eine neue Serie lief und ich noch einen Gutschein für Amazon hatte, den ich für Bücher in Anspruch nehmen wollte, hellte sich meine Stimmung ein wenig auf.

Dichter Regen peitschte auf den Asphalt, die Straßen waren wie ausgestorben. Kein Laut, kein Mensch weit und breit. Nur das gleichmäßige Trommeln der Tropfen begleitete meine Schritte.

Ich kramte in meinem Rucksack, um am Ende festzustellen, dass ich wieder einmal den Schirm vergessen hatte. Frustriert zog ich die Kapuze meines Hoodies tiefer ins Gesicht. Meine Schritte wurden schneller, doch der Regen schien mich zu verfolgen. Ein kaltes Kribbeln breitete sich in meinem Nacken aus. Wie so oft in letzter Zeit überkam mich das nagende Gefühl, dass ich verfolgt wurde. Um sicherzugehen, blieb ich kurz stehen und drehte mich um, lief sogar ein paar Schritte rückwärts. Doch es war niemand zu sehen, weshalb ich mich wieder zurückdrehte und dem Gehweg zur Kreuzung folgte. Kaum an der Straßenecke angekommen, hatte der Regen weiter zugenommen, sodass er inzwischen die Letzten ins Haus getrieben hatte.

Wie immer parkten vereinzelt Fahrzeuge am Straßenrand. Doch dann fiel mein Blick auf einen schwarzen BMW, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Die Tatsache, dass das Auto still und verlassen inmitten der leeren Straße stand, war seltsam. Zudem stach mir das Kennzeichen ins Auge.

18-09-2008

Mein Geburtstag. Für einen Moment stockte mein Atem. War das ein Scherz? Ein unbehagliches Gefühl kroch mir den Rücken hoch. Wer würde sich so etwas ausdenken? Ich schaute mich aufs Neue um und stellte fest, dass ich weiterhin alleine war. Dann sah ich ein weiteres Mal zu dem BMW. Das Kennzeichen hatte sich verändert. Bildete ich mir das ein? Erneut überkam mich ein ungutes Gefühl. Doch viel Zeit, darüber nachzudenken, blieb mir nicht. Der Regen nahm immer mehr zu und es fing bedrohlich an zu donnern. Ein Blitz zeichnete sich hinter mir ab und erhellte kurz die Umgebung. Zum Glück hatte ich den Großteil des Weges geschafft. Zügig lief ich weiter und sah nach kurzer Zeit unser Haus. Mittlerweile war ich nass bis auf die Knochen, trotzdem blieb ich ungläubig stehen. Auf der gelben Hauswand stach die schwarze Nummer neun hervor, obwohl dort eine Fünf stehen müsste. Ich schloss die Augen für einen Moment. Als ich sie wieder öffnete, stimmte die Hausnummer plötzlich wieder. Ich redete mir ein, dass ich mich einfach geirrt hatte. Schließlich war es unser Haus, unsere Einfahrt und unser blühender Rhododendron im Vorgarten.

Über mir war ein erneutes Grollen zu hören, deswegen beschloss ich, schnellstens hineinzugehen. Zum Glück war der Hauseingang überdacht, sodass ich dort im Trockenen nach meinem Schlüssel suchen konnte.

Verdammt, Noah! Haben die Jungs etwa ein Graffiti an unsere Tür gesprüht? Das war mein erster Gedanke, als ich ein leuchtend rotes Dreieck auf unserer Haustür entdeckte. Heute Morgen war es definitiv noch nicht da gewesen. Vorsichtig legte ich die Hand auf die Tür, um zu prüfen, ob sich die Schmiererei abwischen ließ. Plötzlich begann das Symbol unheimlich zu leuchten und zu pulsieren, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Es sah aus, als wäre es gerade eben erst ins Holz eingebrannt worden, als ob die Hitze noch spürbar wäre. Das Leuchten wurde heller und heller, bis es beinahe die gesamte Tür erfasste. Dann, ohne Vorwarnung, schossen Flammen hervor, als wären sie aus dem Nichts gekommen. Erschrocken wich ich zurück, doch es war zu spät.

Ruckartig setzte ich mich auf. Ich konnte die Panik in jeder Zelle meines Körpers spüren. Meine Haut brannte vor Hitze und der Schweiß lief mir in die Augen. Mein Herz raste, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Es fiel mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Nach ein paarmal ein- und ausatmen öffnete ich sie wieder. Es dauerte, bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt hatte und erkannte, dass ich in meinem Zimmer war. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte 1:11. Ich legte mir beide Handflächen auf das Gesicht und ließ mich erleichtert auf das Kopfkissen zurückfallen.

»Diese Träume bringen mich um meinen Verstand«, flüsterte ich zu mir selbst. Mit ausgebreiteten Armen schaute ich an die Decke. Etwas bewegte sich an meinen Füßen. Zwei funkelnde Katzenaugen fixierten mich vom Ende des Bettes aus. Ihr durchdringender, beinahe wissender Blick ließ mich frösteln. Es war, als ob Sarafina mehr verstand, als sie zeigen wollte. Mit gespitzten Ohren stellte sie sich aufrecht hin.

»Entschuldigung, ich wollte dich nicht wecken«, wisperte ich ihr zu. Sie legte sich wieder hin, beobachtete mich aber weiterhin eindringlich, als ich aufstand, um das Badezimmer aufzusuchen.

Nachdem ich mir kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, fühlte ich, wie sich die Hitze allmählich aus meinem Körper zurückzog. Ich betrachte mich im Spiegel. Meine hellbraunen langen Haare standen wild in alle Richtungen ab und die sonst bernsteinfarbenen Augen starrten dunkel, ausdruckslos und glasig zurück.

Heute lebe ich an einem friedlichen Ort, weit entfernt von den Sorgen und Ängsten, die mich damals plagten. Aber der Weg bis hierher war lang und voller Dunkelheit, die ich erst hinter mir lassen musste. Als alles anfing, war ich sechzehn, hatte kurz zuvor meine Oma verloren, meinen besten Freund und ich hatte Träume. Doch ich rede nicht von Wunschvorstellungen in der Zukunft oder Erinnerungen, die sich doch bitte wiederholen mögen. Nein, ich spreche von bizarren Träumen in der Nacht, die mich um den Verstand brachten. Ich hatte monatelang nicht mehr ordentlich geschlafen.

Sie begannen ein paar Wochen nach dem Tod meiner Oma und verliefen immer ähnlich: Ein vertrauter Ort, eine Situation und eine Flamme, die aufloderte, unerbittlich auf mich zukommend. Jedes Mal spürte ich, wie die Hitze mich verschlang, bevor ich erwachte, mit dem Gefühl verbrannt zu werden, noch auf meiner Haut. Meine Mum schleifte mich deshalb zum Arzt, und nachdem ich meinen Freundinnen Chrissy und Julia davon erzählt hatte, bestand Julia darauf, sofort in die Bibliothek zugehen, um alles über Traumdeutung zu erforschen, was ich ständig verneinte. Nach kurzer Zeit wurde mir der Trubel darum zu viel und ich log ihnen und meiner Mum vor, dass sie einfach aufgehört hatten. Damit gaben sich alle zufrieden, obwohl Julia mich noch eine Weile skeptisch beobachtete.

In Wahrheit wurde es nur schlimmer. Jede Nacht wurden die Träume intensiver, bis ich den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit kaum noch ausmachen konnte. Zuerst war es nur das Gefühl, überwacht zu werden. Dann kamen kleine Dinge hinzu – eine Hausnummer, die sich veränderte, ein Buchstabe, der plötzlich verschwand. Sie begannen, sich zu häufen, und ein dreieckiges Symbol zeigte sich am Ende eines jeden Traumes, bevor die Flammen auf mich zukamen und in die Realität zurückbrachten.

Seither spürte ich dieses Unbehagen und den Verfolgungswahn auch tagsüber. Die Schlaflosigkeit zeigte zunehmend ihren Tribut. Doch dann traf ich ihn. Nichts in meinem bisherigen Leben hätte mich auf das vorbereiten können, was ich durch ihn und seine Freunde erfuhr. Dinge, die jenseits aller Vorstellungskraft lagen und mein Leben für immer verändern sollten. Und ab da beginnt meine Geschichte.

 

Ich erinnerte mich noch genau an jene Nacht. Nachdem ich das Badezimmer verlassen hatte, schlurfte ich zur Küche, um mir ein Glas warme Milch zu holen. Ich nahm den Karton aus dem Kühlschrank und suchte im Schrank nach meiner Lieblingstasse. Es zeigte ein Bild, auf dem sich das Milchglas und die Schokolade mit Kissen bewarfen. Mein Freund Lukas hatte sie mir zum 15. Geburtstag geschenkt. Ich seufzte, füllte die Tasse mit Milch, stellte sie in die Mikrowelle und schaltete sie auf 30 Sekunden ein. Es musste reichen, denn es war kurz vor halb zwei. Ich brauchte Schlaf – dringend, sonst würde ich den heutigen Familientag kaum überstehen. Ich stöhnte. Es war ein Fahrradausflug geplant. Ich hasste Fahrradfahren.

Ich stütze mich auf der Küchentheke ab und schloss die Augen. Bing! Das Geräusch der Mikrowelle riss mich aus einem Sekundenschlaf. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, wo ich war. Ich richtete mich auf und streckte meinen Rücken durch, bevor ich die Tasse aus der Mikrowelle nahm. Dann holte ich den Honig aus dem Schrank, sowie aus der Schublade einen Löffel, den ich benötigte, um die gelbe Flüssigkeit in die Milch zu rühren. Im Anschluss platzierte ich das Glas zurück an seinen Platz und nahm die Tasse in beide Hände. Die Wärme drang bis tief in meine kalten Fingerspitzen und der süße, schwere Duft des Honigs erfüllte die Küche, als hätte er die ganze Nacht nur darauf gewartet, freigelassen zu werden. Nachdem ich einen Schluck getrunken hatte, beschloss ich, den Rest mit aufs Zimmer zu nehmen.

Ich knipste das Licht aus und lief durch das Wohnzimmer zur Treppe. Nachdem ich die erste Stufe betreten hatte, hörte ich von draußen ein Geräusch. Stirnrunzelnd stellte ich die Milch auf eine kleine Kommode im Flur ab und schlich vorsichtig in Richtung Haustür.

Ich vernahm ein unbekanntes Kichern und Noah, der flüsterte: »Psst, meine Schwester darf uns nicht hören.«

Das war mein Moment. Mit einem Ruck riss ich die Tür auf und funkelte ihn an. »Zu spät, Bruderherz«, sagte ich, die Arme fest vor der Brust verschränkt. Wenn Blicke töten könnten, wäre er erledigt.

Nervös fuhr Noah sich durch seine dunklen Haare, die deshalb wild nach allen Richtungen abstanden, bevor er seine Worte fand: »Oh, hi Bellena. Das ist Aria.« Mein Bruder zog ein Mädchen in seine Arme, deren schwarze Haare über ihren gesamten Rücken fielen. Sie trug ein rotes Kleid, das nur knapp ihren Hintern bedeckte. Durch die High Heels war sie ein wenig größer als Noah.

Ihre blauen Augen blitzten mir entgegen, als sie mir die Hand reichte. »Eigentlich heiße ich Mariella, aber meine Freunde nennen mich Aria.« Ihr Lächeln war so perfekt, dass es mir fast unheimlich vorkam.

Ich ergriff ihre Hand und erzwang mir ein Lächeln. »Alles klar, Mariella. Könntest du meinen Bruder und mich kurz alleine lassen?«

Noah warf mir einen genervten Blick zu, bevor er sich Aria zuwandte und sagte: »Okay Süße. Mein Zimmer ist die Treppe hoch und die zweite Tür links. Ich komme gleich nach.« Er zwinkerte ihr zu und drückte ihr einen Kuss auf ihre dunkelroten Lippen, den sie endlos lange erwiderte. Ich konnte ein Augenrollen nicht unterdrücken. Nachdem sie ihre kleine Showeinlage beendet hatten – ehrlich, wenn es dafür einen Preis gäbe, hätten sie beide gewonnen – lächelte Mariella mir zu und stolzierte die Treppe hinauf. Mein Bruder schaute auf ihren wackelnden Arsch, neigte leicht den Kopf und ich sah die Lust in seinen dunklen Augen aufblitzen. Er wartete, bis seine Zimmertür ins Schloss fiel. Erst dann hatte ich seine Aufmerksamkeit zurück. »Also Schwesterherz, was gibt’s?«

Ich zeigte mit dem Zeigefinger auf seine rechte Halsseite. »Du hast da was. Sieht aus, als hätte dir jemand ein Veilchen verpasst.«

»Verdammt, Bellena! Was willst du?«

»Das weißt du genau, Noah. Niemand darf hier sein, wenn Mama arbeitet.« Innerlich seufzte ich. Wie oft hatten wir diese Unterhaltung schon geführt? Und jedes Mal dachte er, er könnte sich herausreden und ich würde ihn dabei weiter unterstützen. Doch diesmal kam er mir nicht so leicht davon. »Vor allem kein Damenbesuch«, flüsterte ich mit Nachdruck.

»Sie muss es ja nicht erfahren. Bis sie nach Hause kommt, ist Aria weg, versprochen.«

»Ich werde für dich nicht lügen, nur weil du wieder eine x-beliebige Tussi abschleppen musst.«

Noah blieb trotz meiner nicht ganz so netten Ansagen ruhig, was mich noch mehr auf die Palme brachte. »Sie ist nicht irgendeine Tussi. Ich mag sie und habe schon länger ein Auge auf sie geworfen.«

»Ach, du magst sie«, äffte ich, »Das ist ja mal etwas ganz Neues. Es ist jetzt, das wievielte Mal, dass du mir das sagst? Lass mich kurz überlegen ... es müsste die Fünfte sein oder?«

»Ach Bellena, jetzt übertreib doch nicht gleich wieder.«

Ich ignorierte seine Aussage und ließ meiner Wut weiter ihren freien Lauf. »Und was bedeutet, ich habe schon länger ein Auge auf sie geworfen? Ich habe sie noch nie gesehen und du hast ihren Namen bisher nicht erwähnt. Demnach kann es so lange ja nicht sein.«

»Sie ist erst vor ein paar Wochen mit ihrer Familie hergezogen. Und ich wusste nicht, dass es nötig ist, dir das alles erzählen zu müssen ...«

»... da ja nicht geplant war, dass ich euer Techtelmechtel mitbekomme«, fiel ich meinen Bruder ins Wort.

»Was bist du denn so übellaunig in letzter Zeit? Du bist ständig gereizt! Früher haben wir zusammengehalten. Da hatte es dich nicht gestört, wenn mal jemand da war. Lukas hat mich auch schon gefragt, was mit dir los ist. Ist es wegen seiner Freundin?«

»Früher bestand der Besuch aus deinen Kumpels, mit denen du an der Playstation gezockt hast. Und lass Lukas aus dem Spiel. Der hat damit gar nichts zu tun und noch einmal: Ich. Werde. Nicht. Für. Dich. Lügen.«

Ich stampfte die Treppe hinauf, um mein Zimmer aufzusuchen. Noah drängelte sich vorbei und blieb vor mir stehen. »Pass auf, stell dir vor, es wäre ein Kumpel bei mir zu Besuch, der ...«, er grinste und fuhr fort: »Der mit meinem Joystick spielt …«

Ich riss die Augen auf. War das sein Ernst? Sofort versuchte ich die widerlichen Bilder, die in meinem Kopf entstanden sind, beiseitezuschieben. In solchen Momenten konnte ich kaum glauben, dass wir tatsächlich verwandt waren. Er zwinkerte mir zu, drehte sich um und lief grinsend in die Richtung seines Zimmers. Dabei sprach er weiter: »Und lügen musst du auch nicht, Schwesterherz. Du brauchst bloß unserer Mutter nichts zu sagen.« Ich suchte nach Worten, die ich ihm an den Kopf knallen konnte. Doch ich fand sie nicht. »Danke, kleine Schwester«, flüsterte er mir noch zu, bevor seine Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

»Arschloch!«, rief ich hinterher, wissend, dass es ihn leider nicht mehr erreichen würde, da er die Musik aufgedreht hatte. Der Song »Houdini« von Eminem war bestimmt bis in den Keller hörbar. Ist das sein Ernst? Ich stürmte zu seinem Zimmer und hatte die Klinke bereits in der Hand, als er es ausstellte und eine andere Musik durch die Tür drang. So etwas hatte ich bei ihm noch nie gehört. War das ein Klavier, das da im Hintergrund spielte? For tonight, I’m yours, hörte ich es durch die Tür säuseln. We`ll stay behind closed doors. Das war eindeutig nicht Noahs Musikstil, denn sie klang, als wäre sie einem Erotikfilm entsprungen. Das war mein Stichwort, schleunigst das Weite zu suchen. Lieber würde ich den Rest der Nacht mit Kopfhörern schlafen, als weiter mit Bildern einer nackten Mariella in meinem Kopf zu kämpfen, die sich in Noahs Bett rekelt. Oh Gott, das wollte wirklich niemand sehen. Ich versuchte, meine Gedanken aus dem Kopf zu schütteln, während ich in mein Zimmer ging.

Genervt nahm ich meine Kopfhörer vom Nachttischschrank und setzte sie mir auf. Das reichte, um die Musik von nebenan auszublenden.

Sarafina lag neben meinem Kissen, völlig unbeeindruckt von meinem Chaos. Offenbar war sie der Meinung, dass mein Leben schon genug Drama hatte – da brauchte sie nicht auch noch ihren Beitrag leisten. Sie schreckte hoch, nachdem ich mich rückwärts auf das Bett fallen ließ und meine Arme ausbreitete. »Verdammt, ich habe die Milch stehen lassen«, fluchte ich und schickte ein genervtes Stöhnen hinterher. Noah konnte morgen etwas erleben. Warum konnte er nicht verstehen, dass ich gerade alles andere als gut gelaunt war? Er und Lukas, sie beide waren schuld an meiner Laune. Und dann brachte Noah ihn auch noch ins Spiel, um mich mundtot zu machen. Hatte er nicht begriffen, dass ich weiterhin wütend auf ihn war, da er ihn vor mir gedeckt hatte? Und Lukas, warum fragte er meinen Bruder so etwas? So dämlich war er doch nicht. Ich hatte ihm alles anvertraut. Wir hatten so viel gemeinsam erlebt. Es war so schwer, das alles zu verarbeiten. Unsere Freundschaft fühlte sich nicht mehr wie früher an und meine Gefühle für ihn … sie waren komplizierter geworden.

Seit Wochen herrschte Funkstille zwischen uns. Warum musste er sich ausgerechnet in sie verlieben? Warum nicht in mich? Was hatte sie, was ich nicht habe? Zugegeben, sie sah gut aus, mit ihren langen blonden Haaren und ihren Modelmaßen. Aber bis auf Arsch wackeln und Titten zeigen, war da nicht viel dahinter. Ihre Lieblingsbeschäftigung war es, mit ihren zwei Freundinnen zu lästern. Zusammen waren sie die Drillinge mit den kurzen Kleidern. Wir hatten uns immer darüber lustig gemacht. Sie dachten, sie wären die Königinnen der Schule, aber eigentlich wirkten sie nur wie ein schlecht gestylter Mode-Albtraum. Wenn man es genauer nahm, war Leonie diejenige, die den Ton angab – sie war die selbsternannte Königin und hatte die anderen beiden zu ihren persönlichen Zofen gemacht. Und die zwei waren zu dumm, um es zu bemerken. Jetzt hing Lukas an Leonies Rockzipfel wie ein läufiger Hund. Sie hatte mich so verletzt und trotzdem hatte er sie gewählt. Keine andere an seiner Seite hätte mich so gestört. Warum hatte er mir das angetan? Dachte er wirklich, wir könnten einfach so weitermachen? Wie stellte er sich das vor? Früher war alles so unbeschwert gewesen – Lachen, Unsinn machen, gemeinsam abhängen. Doch jetzt war alles kompliziert und ich wusste nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte. Ich konnte ihm nicht vorheucheln, dass mir egal wäre, mit wem er zusammen war. Nicht mit meinen Gefühlen und dem Gedanken, dass er Leonie womöglich alles preisgab. Ich hatte keinerlei Vertrauen mehr zu ihm.

Ich drehte mich auf die Seite und streichelte Sarafina. Sie fing sofort zu schnurren an, als ich mich näher an sie heran schmiegte und mich an den Beginn unserer Freundschaft erinnerte.

Ich war 10 Jahre alt, als er ins Nachbarhaus meiner Oma zog. Wir waren beide zu schüchtern und starrten uns am Anfang nur verstohlen über den Zaun hinweg an. Meine Oma brachte uns letzten Endes mit einem Trick zusammen. Absichtlich spielte sie den Federball in seinen Garten und bat ihn, uns den Ball zu bringen. Sie behauptete, sie könne nicht mehr weiterspielen und übergab ihm den Schläger. Gott stellte er sich dämlich an. Er brauchte gefühlte fünfzig Anläufe, bis er seinen ersten Aufschlag hinbekam und noch einmal doppelt so viele, bis er meine Abwehren konnte. Seit diesem Tag waren wir unzertrennlich und teilten alles miteinander, außer das Federballspielen. Ehrlich, ich glaube dieser Tag hat ihn damals so traumatisiert, dass er nie wieder einen Schläger in die Hand genommen hat. Und ich konnte es ihm nicht verdenken. Mit meinen Gedanken und Erinnerungen schlief ich ein und erst das Zwitschern der Vögel weckte mich am Morgen wieder auf.

Kapitel 2

Ich saß auf den Treppenstufen und beobachtete das Treiben auf dem Schulgelände. Nachdem es heute Morgen wie aus Eimern geregnet hatte, kitzelten nun die ersten Sonnenstrahlen des Tages sanft mein Gesicht. Ich kramte in meiner Tasche nach der Sonnencreme, fand sie allerdings nicht und stöhnte resigniert. Sie lag bestimmt in meinem Zimmer. Super. Schon ein paar Sonnenstrahlen reichten aus, damit meine Nase am Ende des Tages wie eine Erdbeere leuchtete und ich Trottel ließ die Creme natürlich zu Hause liegen.

Genervt schaute ich auf die Uhr. Seit zehn Minuten war der Unterricht vorbei. Von Julia und Chrissy fehlte weiterhin jede Spur. Ich hätte längst in meinem Bett liegen können, stattdessen saß ich hier und wartete. Verdammt war ich müde und ein dumpfer Schmerz in meinem Kopf übernahm immer mehr die Oberhand. Ich überlegte, ohne die beiden zugehen, doch dann fiel mir der Traum von Samstagnacht wieder ein und ich blieb lieber sitzen. Es war ja nicht so, dass Träume wahr wurden, aber da war dieses ungute Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen. Und Vorsicht ist bekanntermaßen besser als Nachsicht.

Ich wippte mit dem Fuß auf der Treppenstufe und sah mich um. Niemand schenkte mir Beachtung. Bis auf Lukas, der plötzlich an der Treppe vorbeikam. Halbherzig winkte er und lächelte mir zögerlich zu. Ich blieb stumm sitzen und er schlenderte zu Leonie weiter, die bis über beide Ohren strahlte, nachdem er sie auf die Wange geküsst hatte. Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Oh Mann, warum fühlte sich das nur so seltsam an? In ein paar Wochen stand die Abschlussfeier vor den Sommerferien an und ich würde Lukas häufiger über den Weg laufen. Immer zusammen mit Leonie, schließlich waren wir alle drei an der Planung beteiligt. Das allein reichte aus, um meine Lust auf die Feier zunichtezumachen. Meine Gefühle für diese Party spielten wegen Chrissy ohnehin schon Achterbahn, da sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mich mit dem erstbesten Kerl zu verkuppeln. Vermutlich war das der Grund, warum die beiden nicht hier waren. Weil sie möglicherweise wieder Pläne schmiedete: Was für ein Typ kommt infrage? Was ziehen wir ihr an? Welcher Lidschatten passt dazu? Die Haare hochstecken oder lieber offen tragen? Aber ich ließ es über mich ergehen. Ich wusste, dass sie es nicht böse meinte. Es war ihre Art, mir zu helfen. Wir drei waren seit dem Kindergarten miteinander befreundet, wir kannten uns in- und auswendig und waren immer füreinander da gewesen. Nachdem letztes Jahr meine Oma gestorben war, waren die beiden rund um die Uhr an meiner Seite, so als wären wir drei an unseren Hüften zusammengewachsen. Ich erinnerte mich daran, wie ich den Mädels unter Tränen erzählte, dass ich nie wieder meinen Lieblingskuchen essen könnte, da nur meine geliebte Oma das Rezept kannte. Daraufhin googelten die beiden nach der Anleitung und überraschten mich am darauffolgenden Tag mit einem Tränenkuchen. Problematisch daran war nur, dass der Kuchen aussah, als wäre er zweimal über den Boden gerollt. Ich war mir sicher, dass Sarafina ihn schon einmal probiert hatte, doch es war der Gedanke, der zählte. Wir hatten die ganze Zeit gelacht, während wir uns durch die Krümel kämpften. Mit einem Ruck wurde ich aus meinen Erinnerungen gerissen.

»Wieso lächelst du?«, fragte Maja mit ihrer quietschigen Stimme und schaute mich durch ihre Brille hinweg an.

»Ach, nichts weiter«, antwortete ich nur knapp, ohne sie groß zu beachten.

Sie setzte sich neben mich und starrte geradeaus. Ihre kupferfarbenen Haare hatte sie zu einem Dutt zusammen gezwirbelt. Der Pullover war ihr zwei Nummern zu groß und der Ärmel verdeckte ihre Hände. Dazu trug sie eine Baggy Hose und ausgelatschte Sneakers.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte ich in der Hoffnung, sie schnell wieder loszuwerden. Es war nicht so, dass ich sie nicht mochte, sie war einfach nur nervig. Eine Streberin, die nie merkte, wenn sie störte. Genau wie in diesem Augenblick, in dem ich keinen Nerv für ihre Fragen hatte – und davon hatte sie viele. Über alles und jeden. Maja tauchte oft wie aus dem Nichts auf. Man hatte das Gefühl, dass sie überall war und sich unerwünscht an Gesprächen beteiligte. Sie korrigierte jeden und gab die Ideen der anderen gerne als ihre aus.

»Nein ... ich dachte bloß, du brauchst Gesellschaft.« Ich runzelte die Stirn und suchte verzweifelt, nach einer halbwegs freundlichen Antwort. Aber in meinem Kopf formten sich nur zwei Worte: Geh weg!

»Gehst du auf Melissas Geburtstagsparty am Freitag?«

Und da war sie. Die erste lästige Frage, die ich nur widerwillig beantwortete. »Keine Ahnung. Zurzeit habe ich keine Lust.« Ich schnappte mir meinen Rucksack und stand auf. »Du, ich muss jetzt los. Ich habe noch etwas was vor.«

»Oh, okay, dann mach ich mich auch mal auf den Weg.«

»Hey Bellena, möchtest du etwa ohne uns gehen?«, hörte ich Chrissy, die mit einem Schlag hinter uns auftauchte. Neben ihr stand Julia, die wissend zwischen Maja und mir hin und her sah.

»Ähm, nein.« Verlegen schaute ich zu Maja, die mir ein kurzes Lächeln schenkte und ein leises »Ich bin dann mal weg« über die Lippen brachte. Innerlich zuckte ich zusammen. Hatte ich sie vor Chrissy etwa zu offensichtlich abgewimmelt? Ich sah Maja hinterher, wie sie die Treppen nach unten lief, und ließ mich seufzend wieder auf die Treppe sinken. »Wo wart ihr so lange? Ich sitze hier schon seit Ewigkeiten!«

»Was wollte sie denn?«, fragte Chrissy und überging somit meine Frage.

»Mir Gesellschaft leisten, da ich ewig auf euch warten musste. Also, wo seid ihr gewesen?«

Julia schaute Chrissy genervt an und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Chrissy setzte sich neben mich und streckte ihre langen braunen Beine aus. Das Thermometer zeigte nur zwanzig Grad, aber für sie war es Grund genug, ihre kürzeste Hose aus dem Schrank zu holen. Sie lächelte mich an und ihre strahlend weißen Zähne kamen dabei zum Vorschein. »Wir haben uns frisch gemacht und über die Abschlussfeier gesprochen.«

»Und wie immer, waren wir nicht einer Meinung«, hackte Julia ein, die sich an das Treppengeländer lehnte.

Chrissy schaute Julia mit einem verärgerten Blick an und wendete sich dann wieder mir zu. »Ich glaube, dass dir mein neues Kleid super stehen würde, aber Julia ...«

»Bellena, wir müssen reden.« Mein Bruder baute sich vor mir auf.

Ich sah an ihm vorbei und entdeckte Aria, die am Fuß der Treppe auf ihn wartete. Ah, deshalb spielte er den Coolen. Neben mir nahm ich wahr, wie Chrissy sich anspannte. Durch die Augenwinkel beobachtete ich, wie sie Noah mit ihren rehbraunen Augen anhimmelte. Es fehlte nur der Sabber aus ihrem Mund und dann konnte sie ihm wie ein Hündchen hinterhertrotteln. So wie Noah bei Aria am Samstag. Mensch, Noah, wie blind kann man sein? Chrissy himmelt dich doch an und sie passt so viel besser zu dir, als diese Aria. Warum siehst du das nicht?

Doch er würdigte Chrissy keines Blickes, sondern ließ seine Augen eisern an mir haften. Wie eine Statue stand er vor mir. Weglaufen war zwecklos. Seine Muskeln spannten bedrohlich unter seinem Lieblingsshirt von Yakuza hervor. Der Schriftzug war passend.

Game over – Thank you for playing.

Okay, Bruderherz, lass uns spielen.

»Wie kann ich dir helfen, Noah?«, fragte ich mit einem betont freundlichen Unterton, den ich nicht ganz ohne Sarkasmus hinbekam.

Er rieb sich die Nase, bevor er anfing zu sprechen. »Wir müssen über gestern reden. Mum hat gemerkt, dass etwas nicht stimmt und hat mich ausgefragt, als du schon geschlafen hast. Ich habe ihr erzählt, dass du wegen Lukas schlecht gelaunt bist, weil ich dir das mit ihm und Leonie nicht sofort gesagt habe. Es könnte sein, dass sie dich heute darauf anspricht, also bitte sag ihr nicht, dass Aria über Nacht da war.«

Fassungslos sah ich meinen Bruder an. »Ist das dein Ernst? Du bist so ein Heuchler! Samstagabend hast du so getan, als wüsstest du nicht, was mit mir los ist, aber kaum fragt Mum dich, fällt es dir wieder ein. Du fragst, was mit mir los ist? Was ist mit dir los? Kannst oder willst du es nicht verstehen? Ich. Lüge. Mum. Nicht. An.«

»Ich habe dich verstanden. Deshalb sagte ich dir, dass eine Lüge nicht nötig ist. Du sollst es doch bloß nicht erwähnen. Und die Sache mit Lukas tut mir wirklich leid. Du solltest es von ihm erfahren und nicht von mir.« Erneut fuhr er sich unsicher durch seine dunklen Haare. »Sage ihr einfach dass wir das geklärt haben und dann vergessen wir die Sache. Es kommt auch nicht mehr vor, dass jemand, ohne Mums Wissen bei uns schläft. Versprochen.«

Seine Erklärungen und sein hoffnungsvoller Blick brachten mich endgültig zum Platzen. Ich hatte das Gefühl, mein Körper würde explodieren, als die Worte nur so aus mir heraussprudelten. »Ich soll wegen deiner neuen Tussi Mum anlügen? Ach nein, halt. Ich soll es ihr bloß nicht erzählen, so wie du mir das von Lukas und Leonie nicht erzählt hast! Möchtest du es ihr lieber selbst sagen? Oder sollte Mum besser nichts von ihr erfahren?« Mit dem Kopf deutete ich zu Aria, die mit offenem Mund da stand. Der Schreck war ihr förmlich anzusehen. Dann holte ich zum Finale aus. »Hast du nicht Angst, dass sie über dich genauso denkt wie ich? Wieder ein kleiner Zeitvertreib, den du nächste Woche in der Besenkammer abstellst.«

Der letzte Satz hatte Noah aus der Reserve gelockt. »Dein Ernst, Bellena? Niemand kann etwas dafür, dass Lukas nicht auf dich steht. Das ist ja bei deinem Benehmen kein Wunder! Wer möchte schon mit einer Zicke wie dir zusammen sein?«, schrie er mich an und marschierte wütend davon, direkt in Arias Arme.

Ich schaute den beiden hinterher, wie sie Arm in Arm das Schulgelände verließen, und ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass meine Nägel in die Haut schnitten. Der Drang, irgendetwas zu schlagen oder zu schreien, war kaum zu bändigen. Aus den Augenwinkeln entdeckte ich Lukas. Hatte er gehört, was Noah über ihn und mich gesagt hatte? Es war kaum zu überhören. Der gesamte Schulhof hatte sich in eisernes Schweigen gehüllt und alle Augen waren auf uns gerichtet, als wir uns diesen Schlagabtausch lieferten.

Leonie flüsterte Lukas ins Ohr, schmiegte sich eng an ihn und sah mich herausfordernd an.

Julia legte mir eine Hand auf die Schulter. »Bellena, du ...«

Doch ich hatte nicht vor, ihr zuzuhören, und stürmte ins Schulgebäude. Ich musste raus aus dieser Situation, weg von all den Leuten, die nur darauf warteten, dass ich zerbreche. Ich lief mit schnellen Schritten, schaute nicht nach rechts oder links und hatte kein Ziel für meine Flucht. Ich wollte nur weg. In meinem Kopf loderten die Erinnerungen der letzten Minuten. Warum konnte ich nicht einfach meinen Mund halten? Jedes Mal das Gleiche - sobald ich wütend werde, verlor ich die Kontrolle. Noah hatte ja recht. Ich eckte immer wieder an. »Erst überlegen und dann sprechen«, hatte meine Oma immer gemeint. Aber wenn die Emotionen erst einmal kochten, war das leichter gesagt als getan. Gott, ich vermisste sie. Mit ihr wäre alles so viel einfacher. Der Schlafmangel brachte mich an den Rand der Verzweiflung. Zudem die Sache mit Lukas. Es war mir alles zu viel. Leonie sah mich an, als hätte sie im Kampf um Lukas den Jackpot geknackt - die Siegerin über die Verliererin. Ich hasste sie. Sie hatte fast mein und das Leben eines Lehrers zerstört, als sie behauptete, ich sei in Herrn Müller verliebt. Die Krönung war, dass sie darauf beharrte, er würde meine Gefühle erwidern, da ich privaten Klavierunterricht von ihm erhielt. Er wurde von der Schule suspendiert, bis es vor der Schulbehörde geklärt wurde. Fast alle Schüler hassten mich dafür, weil er einer der beliebtesten Lehrer war. Nach einer Woche hatte sich die Sache geklärt. Herr Müller durfte wieder unterrichten, mir aber keine Privatstunden mehr geben. Zu unser beider Schutz, um weiteren Gerüchten vorzubeugen. Dass Leonie mit einer simplen Verwarnung davon kam, weil sie mit ihrem engelsgleichen Aussehen auf unschuldig plädierte, machte es nur noch schlimmer. »Ich wollte doch bloß die Schüler beschützen«, säuselte sie damals und fast jeder, kaufte ihr diese Lüge ab.

Plötzlich wurde mein Lauf gestoppt und ich prallte gegen etwas Hartes. Bücher und ein Kaffeebecher fielen zu Boden.

»Kannst du nicht aufpassen?!«, fuhr ich denjenigen wütend an und betrachtete entsetzt das Chaos an mir. Auf meinem Shirt waren etliche Flecken verteilt und meine Schuhe schwammen in brauner Flüssigkeit. Vermutlich war der Kaffee schon eine Weile unterwegs, sonst hätte er mir Brandflecken auf die Haut gezaubert.

»Was, ich? Du bist doch in mich hineingerannt«, meinte eine raue, männliche Stimme und klang dabei amüsiert. »Das Shirt sieht gleich viel lebendiger aus. Findest du nicht, dass der Kaffeefleck mit dem Erdbeerfleck wunderbar harmoniert? Fast wie ein neues Design.«

Ich kniff die Augen zusammen, holte tief Luft und versuchte, meine Wut zu unterdrücken. Doch in meinem Bauch loderte ein Vulkan, bereit zum Ausbruch. Angriffslustig sah ich zu meinem Opfer auf und verlor mich in zwei stechend türkisblauen Augen.

Kapitel 3

Ich betrat die Schule und hielt die Bücher fest an meinen Körper gedrückt. So als wären sie ein Anker, an dem ich mich festklammern musste, um nicht zu fallen. Angeregt unterhielten sich die Schüler über die Abschlussfeier. »Welche Band wohl spielen wird?«, hörte ich eines der Mädchen, nahe der Toiletten sagen, die sich dabei ihren kurzen Rock glatt strich. Eine Frage, die ich selbst nicht beantworten konnte, obwohl ich die Feier mit organisierte. Aber die Schulsprecher machten daraus ein wohlbehütetes Geheimnis, so als würde der Weltfrieden davon abhängen. Die Gespräche verstummten abrupt, nachdem ich mich der Gruppe näherte. Ihre Blicke bohrten sich in mich, als wäre ich ein Fremdkörper, der nicht dazugehörte. Auch die nächste Gruppe wurde schweigsam – ein paar Jungs aus der Achten, sowie die Neuntklässler an den Spinden. Alle starrten mich an, als wäre ich unsichtbar und doch seltsam präsent.

Melissa kam mir entgegen. »Hey Melissa. Alles Gute zum Geburtstag«, sagte ich fröhlich zu ihr. Doch sie lief an mir vorbei, als wäre ich Luft. Ich drehte mich um und sah ihr hinterher. Dabei bemerkte ich, dass alle Schüler mich weiterhin regungslos anstarrten. Mein Puls raste und Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Ich umklammerte die Bücher noch fester. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, sah ich starr zu Boden und beschleunigte meine Schritte zur Treppe. Ich sprintete zur dritten Etage hinauf, wo sich der Biologieraum befand.

Auf dem Treppenabsatz stand Lukas, eng umschlungen mit Leonie, die ihm die Arme um den Hals gelegt hatte. Seine Augen ruhten auf mir, voller intensiver, schwer zu deutender Emotionen – als wolle er mich zu einem Spiel herausfordern. Ein Knoten bildete sich in meinem Bauch und seine Mimik veränderte sich schlagartig, wurde weich und flehend. Ich streckte die Hand nach ihm aus, doch dann drehte Leonie ihn weg von mir. Nun beobachtete sie mich, während sie mit ihren Fingern durch seine Haare fuhr, sich von seinen Lippen löste und ihm etwas ins Ohr raunte. Er versteifte sich und Leonie schaute mich weiter an, als ihr Mund erneut auf seinen traf. Ihre Augen strahlten, dann wurden sie wilder, glühten auf und plötzlich färbten sie sich tiefrot wie glühende Kohlen, die vor Wut und Verachtung loderten.

»Bellena, sieh dich vor«, flüsterte eine Stimme.

Ich schrak auf, schweißgebadet und zitternd. Mein Körper fühlte sich an, als würde er glühen und hätte im Traum in Flammen gestanden. Die Hitze war schier unerträglich. Mein Puls war gefühlt auf 180 und die Atmung beschleunigt. Es dauerte einige Zeit, bis mein Körper wieder in normalem Betriebsmodus lief.

Erst dann bemerkte ich Sarafina, die neben mir lag und sich eng an mich schmiegte. Ihr Körper fing an zu vibrieren. Ich streichelte sie, was ihren Motor noch weiter antrieb.

---ENDE DER LESEPROBE---