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EINE HOCHZEIT ZUM VERLIEBEN
Gabriella verliebt sich auf den ersten Blick in den erfolgreichen Geschäftsmann Rufus Gresham. Schon träumt sie von einer Hochzeit mit ihm, da wird ihr Glück jäh zerstört: Nach einer verführerischen Massage am Pool seiner Villa stößt Rufus sie plötzlich von sich und wirft ihr vor, nur hinter seinem Geld her zu sein. Zutiefst verletzt reist Gabriella ab ... Erst fünf Jahre später trifft sie ihn wieder: Um ein gemeinsames Erbe anzutreten, müssen Rufus und sie heiraten. Eine reine Vernunftehe, die Rufus unerwartet mit einem atemberaubenden Kuss besiegelt ...
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Seitenzahl: 1582
Veröffentlichungsjahr: 2016
Carole Mortimer
Bestsellerautorin Carole Mortimer
Carole Mortimer
Eine Hochzeit zum Verlieben
IMPRESSUM
JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2007 by Carole Mortimer Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1799 (3/2) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer
Fotos: RJB Photo Library
Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86349-496-4
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
„Was zum Teufel tust du da?“
Gabriella hob die langen dunklen Wimpern und blickte mit ihren tiefblauen Augen, die an Veilchen erinnerten, über die Terrasse zu Rufus. Dem Mann, in den sie sich vor einem Jahr verliebt hatte, als ihre Mutter von seinem Vater vor den Traualtar geführt worden war. Und mit ihren achtzehn Jahren erhoffte sie sich in jugendlichem Eifer, dass er ihre Gefühle erwiderte.
Sie hatte den Kies auf der Auffahrt zu der mallorquinischen Villa der Greshams knirschen gehört, als Rufus in seinem Leihwagen vorgefahren war. Doch sie zwang sich, ihre Nervosität zu unterdrücken und scheinbar entspannt auf der Sonnenliege liegen zu bleiben. Dabei spürte sie den heftigen Drang, aufzuspringen und zu ihrem Schwarm zu laufen, um ihn überschwänglich zu begrüßen. Doch sie wusste, dass es bei einem Mann wie ihm ratsamer war, sich in Geduld zu üben und darauf zu warten, dass er sich näherte – auch wenn er die Liebe ihres Lebens war und sie allein bei seinem Anblick weiche Knie bekam.
Lässig stand er in der Tür, die auf die Terrasse führte. Wegen der starken Hitze hatte er das Jackett seines leichten Straßenanzugs abgelegt. Das relativ lange dunkelblonde Haar glänzte golden in der Sonne. Die hellgrünen Augen verbarg eine sehr dunkle Sonnenbrille.
Aber seine Frage und der missbilligende Zug um die wohlgeformten Lippen verrieten hinreichend, dass es ihn nicht gerade erfreute, Gabriella in einem knappen orangefarbenen Bikini bei einem Sonnenbad auf der Terrasse anzutreffen.
Rufus hatte die Angewohnheit, sie entweder wie ein ungezogenes Kind zu behandeln oder völlig zu ignorieren. Dabei wünschte sie sich sehnlichst, von ihm als begehrenswerte Frau angesehen zu werden.
„Was ich hier tue? Wonach sieht es denn aus?“, erwiderte sie keck. „Ich pflege meine Bräune.“ Mit einem Lächeln rekelte sie sich geschmeidig auf der Liege und bog den Rücken durch, sodass sich ihr voller Busen aufrichtete und die erregten Brustspitzen sich deutlich unter dem dünnen Stoff des Bikinioberteils abzeichneten.
„Das sehe ich selbst, verdammt noch mal“, knurrte er bissig, und während er hinaus auf die Terrasse trat, sagte er brüsk: „Herrje, zieh dir gefälligst was über!“
„Wie soll ich denn dann braun werden, Herr Oberlehrer?“, entgegnete Gabriella schmollend. Dann fügte sie herausfordernd hinzu: „Und warum sollte ich mir was anziehen, wenn mich außer dir keiner sehen kann?“
Bougainvillea, der Familiensitz der Greshams, thronte oberhalb des terrassenförmig errichteten Dorfes auf einem Berghang, der einen atemberaubenden Panoramablick auf das Mittelmeer bot.
Ungehalten fragte Rufus sich, warum es ihn überhaupt kümmerte, was dieses Mädchen trieb. Zum Glück verbargen die dunklen Brillengläser seine Gefühle, während er den Blick langsam über Gabriellas geschmeidigen vollkommenen Körper gleiten ließ, der bereits golden gebräunt war. Ihre samtige Haut glänzte von dem Sonnenöl, das sie auf ihren Oberkörper und diese schier endlos langen Beine gestrichen hatte.
Es war ein wundervoll schlanker Körper, ohne jeden Makel, wie ihn nur ein sehr junger Mensch besaß. Ihm zu widerstehen, wäre sicher jedem Mann schwergefallen.
Doch genau darin hatte Rufus viel Übung, seit Gabriella vor einem Jahr in sein Leben gestürmt war und nicht im Geringsten versuchte, ihr Interesse an ihm zu verhehlen.
Ein Interesse, das er mit seinen dreißig Jahren keineswegs zu befriedigen gedachte.
Zumindest hatte er diese Absicht nicht gehegt, bevor er Gabriella auf der Terrasse erblickt hatte …
„Jeder x-Beliebige hätte hier auftauchen können und …“
„Es ist aber kein x-beliebiger aufgetaucht, sondern nur du“, widersprach sie. „Außerdem tragen die Frauen unten am Strand auch nicht mehr.“
Erfahrungsgemäß wimmelte es am Strand zu dieser Tageszeit von Badegästen, und die meisten Frauen trugen tatsächlich knappe Bikinis. Einige sonnten sich sogar barbusig, aber sie waren auch nicht allein mit dem Mann, den sie seit einem Jahr schamlos anhimmelten!
„Wo sind unsere Eltern?“, fragte Rufus schroff – ja sogar ein wenig verzweifelt, wie er selbstkritisch zugeben musste. Ihre Anwesenheit hätte die Situation bedeutend entschärft und ihn daher erleichtert, obwohl er seine Stiefmutter Heather beinahe so lästig fand wie diese wundervolle Kreatur, seine Stiefschwester.
Überhaupt war er nur da, weil er gerade von einer Geschäftsreise auf das spanische Festland zurückfuhr und seinen Vater ein paar Tage besuchen wollte.
„James wollte unbedingt nach Palma fahren, um für Mum ein total extravagantes Geschenk zu ihrem Jahrestag zu kaufen. In ein paar Stunden müssten sie wieder hier sein.“ Gabriella setzte sich auf und sah ihn an. „Sie haben heute Morgen auf dich gewartet. Als du nicht gekommen bist, haben sie bei der Fluggesellschaft nachgefragt und erfahren, dass dein Flug sich um drei Stunden verspätet. Und Margarita besucht heute Nachmittag ihre Familie.“ Sie zuckte mit den nackten Schultern. „Deshalb habe ich angeboten, hierzubleiben und auf dich zu warten.“
Verdammt, verdammt, verdammt!
Also konnte nicht einmal die mallorquinische Haushälterin und Köchin als Anstandsdame einspringen.
„Ach, Rufus, zieh doch nicht so ein Gesicht.“ Gabriella wirkte ein wenig unsicher, da sie seinen Unmut spürte. „Oder bist du nur müde von der Reise? Warum schwimmst du nicht eine Runde?“, schlug sie mit ihrer verführerischen Stimme vor. Diese allein reichte, um ihm einen Schauer der Erregung über den Rücken zu jagen.
Gabriella Maria Lucia Benito, Tochter von Heather und dem verstorbenen Antonio Benito …
Abgesehen von den tiefblauen Augen hatte Gabriella das Aussehen ihres italienischen Vaters geerbt. Das prachtvolle üppige Haar fiel ihr in pechschwarzen glänzenden Locken fast bis zur Taille. Ihr Teint war von Natur aus dunkel und nun, nach wochenlangem Aufenthalt in der Ferienvilla, wunderschön gebräunt.
Vor ihrer zweiten Heirat hatte Heather in einer schäbigen Mietwohnung gelebt und als Sekretärin bei James gearbeitet, um sich und ihr Kind durchzubringen. Daher glaubte Rufus, dass sie seinen Vater nur seines Geldes wegen geheiratet hatte. James Gresham, mehrfacher Millionär und Eigentümer von Gresham’s – der namhaften Kaufhauskette mit Hauptsitz in London, die weltweit für Exklusivität bekannt war.
Ebenso stand für Rufus fest, dass er von der atemberaubend exotischen und sinnlichen Gabriella gleichermaßen nur aus Berechnung als Ehemann auserkoren worden war. Denn immerhin war er James’ einziger Sohn und Erbe.
Ihre Strategie hatte nur einen Haken: Rufus hatte nicht die Absicht, jemals wieder zu heiraten. Der erste Versuch hatte gezeigt, dass es auch seiner Exfrau Angela lediglich um das Familienvermögen gegangen war. Nach nur einem Jahr Ehe verließ sie ihn und ihre zwei Monate alte Tochter.
Als es sechs Monate später zur Scheidung kam, verlief diese schmutzig und in aller Öffentlichkeit. Rufus überschrieb Angela die Hälfte seines riesigen Privatvermögens, um das Sorgerecht für das Baby zu erhalten, für das sie ohnehin kein Interesse aufbrachte.
Und mitten in diesen Aufruhr platzte Gabriella Maria Lucia Benito. Damals nämlich verkündete der verwitwete James, der anscheinend nichts aus der Erfahrung seines Sohnes gelernt hatte, in einem Atemzug, dass er zugunsten seines Sohnes als Vorstandsvorsitzender von Gresham’s zurücktreten und die fünfzigjährige Witwe heiraten werde, die seit einem Jahr als seine Sekretärin arbeitete und eine siebzehnjährige Tochter aus erster Ehe mitbrachte.
Die eigene Sekretärin heiraten – herrje, was für ein Klischee!
Groß und von Natur aus graziös, in knappen T-Shirts und hautengen Jeans, hatte Gabriella sich anscheinend auf den ersten Blick vorgenommen, Rufus mit allen in ihrer jugendlichen Macht stehenden Mitteln zu verführen. Jedes Mal, wenn er seinen Vater in Gresham House in Surrey besuchte, verfolgte sie ihn auf Schritt und Tritt mit ihren hungrigen Blicken.
Doch selbst wenn er jemals wieder heiraten sollte, würde seine Wahl zuallerletzt auf eine Frau wie Gabriella fallen. Denn eine geldgierige Person in der Familie, nämlich ihre Mutter, reichte für seinen Geschmack.
Und doch war Gabriella ein äußerst reizvolles Mädchen, wie er sich mit einem verstohlenen Blick auf ihren Körper eingestand.
„Ich glaube, ich springe wirklich in den Pool“, murmelte er rau, während er sein Hemd aufknöpfte. „Du hast doch gesagt, dass unsere Eltern erst in ein paar Stunden zurückkommen, oder?“
„Ja.“ Fasziniert beobachtete sie, wie er sich das Hemd von dem tief gebräunten und muskulösen Oberkörper streifte. Dann öffnete er die Hose und ließ sie achtlos auf den Boden fallen.
Die schwarzen engen Boxershorts eigneten sich durchaus als Badehose. Und doch errötete Gabriella, während ihr Blick von der breiten Brust nach unten glitt – dorthin, wo sich die Härchen zu einem V verjüngten und unter dem Hosenbund verschwanden. Und dann riss sie verblüfft die Augen auf, denn sie entdeckte die Anzeichen einer Erregung.
Rufus begehrte sie!
Während sie den Blick zu den harschen Linien seines Gesichts hob, schluckte Gabriella schwer und atemlos. Noch immer lagen die hellgrünen Augen hinter den dunklen Gläsern verborgen.
Rufus setzte sich auf die Kante ihrer Liege. Sein Oberschenkel berührte ihr Bein und setzte ihre Haut in Flammen. „Reibst du mir bitte den Rücken ein?“
Gabriellas Finger zitterten ein wenig, als sie Sonnenöl auf ihre Handflächen träufelte, bevor sie die breiten Schultern berührte. Wie sie das Spiel seiner Muskeln genoss, als sie die Haut massierte.
Nicht einmal in ihren wildesten Fantasien, von denen es sehr viele gab, hatte sie sich erträumt, dass Rufus sie einmal so nah an sich heranlassen würde – so nah, dass sie diese Wärme zwischen den Beinen spürte.
„Und jetzt vorn.“ Er legte sich auf den Rücken, nahm endlich die Sonnenbrille ab und sah zu Gabriella auf, die nun neben ihm saß.
Sie ölte seine Brust ein, und ihr stockte der Atem, als sie den anerkennenden Blick bemerkte, mit dem Rufus ihren Körper bedachte und unter dem sie sich nun wie gefangen fühlte.
„Tiefer“, verlangte er verführerisch sanft, und dabei ließ er eine Hand zu ihrem Schenkel gleiten.
Sie spürte, wie ihre Wangen erglühten, mied seinen Blick und starrte auf die eigenen gebräunten Hände, die den straffen muskulösen Bauch massierten.
„Tiefer, Gabriella“, drängte er rau.
Nun zitterten ihre Hände so, dass sie Sonnenöl aus der Flasche auf seine Oberschenkel verschüttete.
„Ja, genau da“, murmelte Rufus ermutigend.
Er seufzte, als sie schließlich zögerlich seine Beine einölte, und musste zugeben, dass ihre federleichte Berührung äußerst erregend wirkte und sein Bedürfnis steigerte, mit ihr zu schlafen.
Aber das sollte – und wollte – er nicht tun.
Mochte er auch entschlossen sein, sie genauso aufreizend zu berühren, wie sie es gerade bei ihm tat, nehmen wollte er sie nicht.
„Jetzt bist du dran“, murmelte er schroff, setzte sich hastig auf und drückte sie blitzschnell auf die Liege.
Beim Einölen seiner Hände sah er ihr tief in die Augen. Als er sie dann einrieb, stöhnte sie vor Entzücken und weckte damit eine ähnliche Reaktion in seinem Körper.
Ja, er wollte es auskosten, jeden Zentimeter dieser provokanten jungen Frau anzufassen.
Gabriella vermochte den Blick nicht von ihm zu lösen, derart verzückten sie die Empfindungen, die er in ihr hervorrief.
Gerade als sie glaubte, es nicht länger zu ertragen, nahm Rufus die Hände von ihrem Körper, sah ihr erneut in die Augen und fragte: „Tiefer?“
Sie konnte kaum atmen, geschweige denn sprechen. Doch die kokett gesenkten Lider reichten als Antwort.
Er träufelte sich Öl auf die Handflächen und ließ diese anschließend über Gabriellas schmale Taille zu ihrer Hüfte wandern. Wieder suchte er ihren Blick und hielt ihn gefangen, als er sie schließlich ganz intim berührte. Und sie rieb aufreizend die Schenkel an ihm, als er sie immer begehrlicher liebkoste. Ihre Erregung wuchs und wuchs, und dabei nahte ein Entzücken, wie sie es nie zuvor erlebt hatte. Als Woge um Woge der Lust ihren Körper erschütterte, bäumte Gabriella sich auf. Mit einem kehligen Schluchzen vergrub sie die Finger in Rufus’ dunkelblondem Haar, drückte ihn fest an sich. Dann gipfelte die Erregung in einem Höhepunkt, bei dem sie sich in unverhohlener hemmungsloser Hingabe an Rufus klammerte.
Nie zuvor hatte sie so etwas erlebt. Nicht einmal die romantischen Tagträume hatten sie auf die Wirklichkeit vorbereitet, auf ihre völlig unkontrollierte Reaktion gegenüber seinen Zärtlichkeiten.
In diesem glücklichsten Moment ihres Lebens war Gabriella überzeugt, dass Rufus sie ebenso heftig lieben musste. Sonst hätte er sie gewiss nicht derart überwältigend berühren können.
Verklärt lächelte sie vor sich hin, während sie sich eine Zukunft mit ihm ausmalte. Als seine Ehefrau. Wie überrascht ihre Mutter und James auf die Ankündigung reagieren würden …
„Nicht schlecht, Gabriella“, höhnte Rufus trocken. Sein Blick wirkte nicht länger verlangend heiß, sondern abschätzig und kühl. „Sehr reaktionsfreudig. Aber du solltest dich jetzt lieber wieder salonfähig machen, bevor unsere Eltern zurückkommen. Wir wollen ihr Zartgefühl doch nicht verletzen, oder?“
Verunsichert blinzelte sie an, mit gerunzelter Stirn. Gerade noch hatte er sie liebkost, wie kein anderer zuvor, und ihr eine Ekstase geschenkt, die ihre kühnsten Erwartungen übertraf. Auch wenn sie nicht miteinander geschlafen hatten, mussten die Intimitäten ihm doch ebenfalls etwas bedeuten!
„Ich glaube, ich gehe jetzt schwimmen.“ Rufus stand auf und streckte sich genüsslich. „Und dann möchte ich etwas essen“, fügte er gelassen hinzu.
Wie kann er jetzt an Essen denken?
Sie hatten sich gerade geliebt – na ja, zumindest hatte er sie gerade liebkost, und da fiel ihm nichts anderes ein als Nahrungsaufnahme?
„Was ist los?“ Mit diesen abschätzig kalten Augen und einem spöttischen Zug um den Mund sah er zu ihr. „Bist du noch nicht befriedigt? Tja, lass mir etwas Zeit für ein erfrischendes Bad und eine Stärkung, und dann bin ich vielleicht in der Stimmung nach mehr …“
Ihre Augen schimmerten feucht. „Warum bist du bloß so?“
„Wie denn?“, konterte Rufus, ungerührt von ihren Tränen. In den achtzehn Monaten ihrer Beziehung hatte Angela jedes Mal welche vergossen, wenn sie ihren Kopf nicht hatte durchsetzen können. Krokodilstränen.
„Aber wir haben doch gerade …“
„Nein. Nicht wir, nur du“, korrigierte er schroff. „Du wolltest schon das ganze letzte Jahr, dass ich dich anfasse. Und jetzt, wo ich es getan habe, worüber beschwerst du dich da eigentlich?“
Wie betäubt schüttelte sie den Kopf. „Ich verstehe nicht, was …“
„Gabriella, ich habe geschlagene sieben Stunden auf einem Flughafen und in einem Flugzeug festgesessen“, erinnerte er sie. „Ich bin müde und hungrig. Wenn du mehr von mir willst, dann musst du schon warten, bis zumindest mein anderer Appetit gestillt ist.“
Sie rückte ihr Bikinioberteil zurecht, dabei murmelte sie: „Aber ich dachte, du und ich …“
„Was?“ Rufus’ Geduld war am Ende. „Dass du mich nach allen Regeln der Kunst verführen würdest, worauf du es schon das ganze letzte Jahr anlegst? Und dass ich dich dann bitte, mich zu heiraten? Dass ich mich benehme wie der liebeskranke Narr von meinem Vater, als er deine geldgierige Mutter geheiratet hat?“ Verächtlich verzog er die Lippen. „Da hast du dich gewaltig getäuscht. Du hast gerade alles von mir bekommen, was ich dir zu geben habe. Wenn du eine Wiederholung willst, bin ich vielleicht dazu bereit. Aber später, nicht jetzt.“
Unter Tränen sah Gabriella ihn an. Sie liebte diesen Mann. Und hatte geglaubt, dass sein Verhalten bewies, dass er ihre Gefühle erwiderte. Doch für ihn bedeutete es offenbar nur eine körperliche Angelegenheit, über die er völlig die Kontrolle behalten hatte, während sie vor Lust dahingeschmolzen war. Zudem zielten seine Bemerkungen darauf ab, sie zu demütigen – und zwar erfolgreich.
Am meisten jedoch quälte sie, dass er ihre Mutter als geldgierig bezeichnet hatte – ihre wundervolle Mutter, die in erster Ehe so viel Elend erlebt hatte und der deshalb jeder Augenblick des Glücks vergönnt sein sollte, das sie nun bei James gefunden hatte.
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass meine Mutter … Sie liebt deinen Vater“, protestierte Gabriella nachdrücklich.
„Verschon mich bitte damit! Es ist verdammt leicht, jemanden zu lieben, der so millionenschwer ist wie mein Vater.“
„Aber sie liebt ihn wirklich!“
„Sicher tut sie das“, höhnte Rufus. „Jedenfalls genug, um ihn noch vor der Hochzeit um hunderttausend Pfund erleichtert zu haben. Das ist ein bisschen viel für Kleidergeld, meinst du nicht?“
„Wie bitte?“ Schockiert sprang sie auf. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“
„Ach, tu doch nicht so. Akzeptier einfach, dass ich von dem Geld und den Schulden deiner Mutter weiß, und lass es uns dabei bewenden, okay?“
Gabriella wusste wirklich nicht, wovon er redete. Bestimmt lag da ein Missverständnis vor. Ihre Mutter hätte sich niemals auf so schamlose Weise von einem Mann aushalten lassen.
„Du bist einfach nur verbittert. Schließlich weiß jeder, dass Angela dich nur geheiratet hat, weil …“ Sie hielt inne, als sich sein Gesicht verfinsterte und ihr bewusst wurde, dass sie zu weit gegangen war.
Drohend baute Rufus sich vor ihr auf, und seine grünen Augen funkelten so hell, dass sie silbrig wirkten. „Ja?“, hakte er gefährlich sanft nach. „Angela hat mich nur geheiratet, weil …?“
Ihre Mutter, die alle Einzelheiten dieser Ehe und Scheidung kannte, hielt es für das Beste, dieses Thema Rufus gegenüber nicht anzusprechen. Doch immerhin hatte er sie beleidigt und völlig zu Unrecht beschuldigt. Ganz bestimmt hatte sie keine Schulden von hunderttausend Pfund gemacht! Gabriella schüttelte den Kopf. „Nicht alle Frauen sind wie Angela.“
„Ach nein? Willst du etwa leugnen, dass du das ganze letzte Jahr versucht hast, dich mir an den Hals zu werfen?“
Angesichts seiner unverhohlenen Verachtung, die sie sich einfach nicht erklären konnte, schon gar nicht nach den körperlichen Intimitäten, die sie gerade getauscht hatten, brannten ihre Wangen. Es stimmte, sie hatte ihm schamlos nachgestellt, aber nicht um ihn auszunehmen, sondern weil sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte.
„Und bestreitest du, dass du heute ganz allein hiergeblieben bist – mit dem festen Vorsatz, mich zu verführen?“
Auch das konnte sie nicht guten Gewissens leugnen. Aber sie verhielt sich doch nur so, weil er völlig immun gegen alle anderen Versuche war, ihm ihre Liebe zu zeigen.
Und nun kannte sie den Grund für sein abweisendes Verhalten. Er glaubte im Ernst, dass sie ihn nur wegen seines Geldes begehrte und dass ihre Mutter seinen Vater nur aus materieller Gier geheiratet hatte!
Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube kein Wort von dem, was du über meine Mutter gesagt hast.“
„Dann frag sie doch selbst“, konterte er herausfordernd. „Ich habe keine Ahnung, warum mein Vater sich überhaupt die Mühe gemacht hat, Heather zu heiraten, obwohl er sowieso schon dafür bezahlt …“ Als Gabriella ihm eine schallende Ohrfeige verpasste, verstummte er abrupt.
Rufus packte ihr Handgelenk und umklammerte es mit hartem Griff. In seinen Augen glitzerte eisige Wut. Sein Gesicht, auf dem sich rote Striemen abzeichneten, kam ihrem gefährlich nahe. „Mach das noch ein Mal, und du wirst es bitter bereuen. Das schwöre ich“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Mit blitzenden Augen hielt Gabriella seinem Blick unverwandt stand. Vor Aufregung ging ihr Atem rasch und flach. „Ich hasse dich!“
„Gut“, erwiderte er mit einem zufriedenen Unterton. „Vielleicht lehrt dich das, mich in Zukunft bei deiner Suche nach einem reichen Ehemann auszuklammern.“
„Ich würde mich dir nicht einmal mehr nähern, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst!“
„Wie originell“, höhnte Rufus.
„Du bist ein Schuft, und ich hasse dich!“, erklärte Gabriella nachdrücklich, und dann machte sie auf dem Absatz kehrt und lief in die Villa.
Einige Minuten blieb Rufus aufgebracht am Rand des Swimmingpools stehen. Dann wirbelte er herum, tauchte mit einem Kopfsprung in das tiefe Wasser und genoss die erfrischende Kühle.
Gabriella hasst mich also.
Das ist gut so, dachte er. Aber warum verschaffte es ihm nicht die erhoffte Befriedigung?
Fünf Jahre später begegneten sich Gabriella und Rufus gezwungenermaßen in einer Kanzlei. Nachdenklich musterte sie sein Gesicht und erkannte, wie sehr sie ihn noch immer hasste.
Sobald sie Platz genommen hatten, drängte der Anwalt David Brewster: „Wenn ich gleich zu den Konditionen von Mr. Greshams Letztem Willen kommen dürfte?“
„Ich bitte darum“, erwiderte Rufus in etwas angespanntem Ton.
Gabriella wusste, dass er ihr die Anwesenheit bei der Testamentsverlesung zutiefst verübelte. Ebenso wenig behagte ihm offensichtlich die Gegenwart seines jüngeren Cousins Toby – zumindest der Feindseligkeit nach zu urteilen, mit der die beiden Männer sich begrüßt hatten. Nach allem, was Toby ihr angetan hatte, konnte sie Rufus in diesem Punkt nur beipflichten.
Sie selbst litt mindestens ebenso darunter, hier zu sein, auch wenn Rufus das nicht geglaubt hätte.
Denn sie wünschte sehnlichst, James würde noch leben. Schon jetzt vermisste sie seine väterliche Zuneigung und die Ratschläge, die ihr unschätzbar lieb und teuer geworden waren, seit ihre Mutter vor einem Jahr gestorben war.
Dass Heather bei einem Autounfall starb, erschütterte James zutiefst. Von diesem Schicksalsschlag hatte er sich nie wirklich erholt. Sechs Monate später erlitt er einen Herzanfall und vor einem Monat einen weiteren, der zu seinem Tod führte.
Gabriella hätte viel dafür gegeben, wenn sie nicht zur Verlesung von James’ Testament in die Kanzlei zitiert worden wäre.
Seit sie und Rufus vor einigen Minuten getrennt eingetroffen waren, hatten sie kein Wort miteinander gewechselt. Wie sie auch in den letzten fünf Jahren nicht miteinander gesprochen hatten und es nie wieder tun würden, sobald diese letzte Verbindung zwischen ihnen gelöst war.
Mit ernster Miene öffnete David Brewster die Akte auf seinem Schreibtisch, blickte über den Rand seiner halbmondförmigen Lesebrille zu den Erben und erklärte: „Die Empfänger kleinerer Hinterlassenschaften, wie die Hausangestellten, habe ich bereits schriftlich verständigt. Darüber hinaus existiert ein Treuhandfonds für Mr. Greshams Enkeltochter Holly, der bis zu ihrer Volljährigkeit gemeinsam von ihrem Vater und mir zu verwalten ist.“
„Die glückliche kleine Holly“, warf Toby munter ein. Er war von Beruf Schauspieler. Doch leider ging sein durchaus gutes Aussehen nicht mit Talent einher, sodass er häufiger pausierte als auftrat. „Ein Jammer, dass sie erst sieben ist! Wenn sie schon achtzehn wäre, könnte ich sie heiraten.“
„Nur über meine Leiche“, knurrte Rufus.
„Wenn es sein muss“, konterte Toby ungerührt.
Gabriella achtete kaum auf den Wortwechsel. Ihre Anspannung war gewaltig gestiegen, seit der Anwalt die „kleineren Hinterlassenschaften“ derart beiläufig abgetan hatte.
Was bedeutete das? Dass sie selbst ein größeres Vermächtnis erhielt?
Wenn ja, würde Rufus sie mehr denn je ablehnen – sofern das überhaupt möglich war.
Mit halb zusammengekniffenen Augen sah Rufus zu dem betagten Anwalt.
„Darf ich fragen, ob es sich um ein kürzlich verfasstes Testament meines Vaters handelt?“
„In der Tat, Mr. Gresham. Es wurde nur zwei Monate vor seinem Tod verfasst.“
Damit wuchs Rufus’ Unbehagen, was den Inhalt dieses Letzten Willens anging, noch mehr.
Dieses Missfallen konnte allerdings auch daher rühren, dass Toby neben ihm saß – sein verdorbener Cousin, der James’ Gutmütigkeit ständig ausgenützt hatte, bis Onkel und Neffe sich vor drei Monaten schließlich überworfen hatten.
Und Gabriella …
In den vergangenen fünf Jahren hatte er sie nur selten gesehen. Nach jenem denkwürdigen Zwischenfall auf Mallorca war sie für drei Jahre nach Frankreich gegangen, um dort eine Ausbildung als Chefköchin zu machen. Und seit sie vor zwei Jahren wieder nach England übersiedelt war, hatten sich ihre Wege kaum gekreuzt.
Aber wann immer sie sich begegnet waren, hatte er die ausgeprägte Intensität ihrer Abneigung sehr deutlich gespürt.
Die fünf Jahre hatten ihre Schönheit keineswegs geschmälert, wie Rufus feststellte, während er sie unter halb gesenkten Augenlidern verstohlen musterte. Ohne den jugendlichen Übereifer von damals wirkte sie noch anziehender.
Als Gabriella seinen Blick spürte, sah sie ihn herausfordernd an.
Das üppige Haar fiel ihr immer noch in wilden schwarzen Locken auf den Rücken, aber die schlanke Gestalt wies nun die vollkommenen Proportionen eines Models auf. Auch ihr Gesicht war schmaler geworden, sodass die veilchenblauen Augen größer und die Wangen hohler wirkten. Das Kinn erschien ihm ausgeprägter, nur die vollen sinnlichen Lippen waren unverändert geblieben.
Rufus erinnerte sich an jeden Zentimeter ihres verführerischen Körpers, der nun unter einer maßgeschneiderten schwarzen Hose und einer roten Bluse im Zigeuner-Look, die ihre vollen Brüste betonte, verborgen war.
Selbstverächtlich verzog er die Lippen, als er spürte, dass sie ihn erregte. Er wandte sich ab, denn er wollte nicht in Erinnerungen daran schwelgen, wie er diese verführerischen Brüste berührt hatte.
Gabriella sah den Hohn in seinem Blick, bevor er sich wieder an den Anwalt wandte. Es fiel ihr nicht schwer, den Grund dafür zu erraten: Rufus hielt sie noch immer für eine geldgierige Hexe.
„Kommen wir also zu dem Grund, aus dem ich Sie heute hierher gebeten habe“, begann David Brewster. „Mr. Gresham hat ausdrücklich verlangt, dass ich nur mit Ihnen dreien und keinem weiteren Anwesenden über die Angelegenheit spreche.“ In bedauerndem Ton fügte er hinzu: „Ich bin überzeugt, dass Ihnen der Grund für dieses Anliegen einleuchten wird, sobald ich Ihnen das Testament verlesen habe.“
Gabriellas Magen verkrampfte sich, weil eine furchtbare Vorahnung in ihr aufstieg.
Brewster fuhr fort: „Die hauptsächlichen Klauseln lauten folgendermaßen: ‚Meinen beiden Kindern Rufus James Gresham und Gabriella Maria Lucia Benito hinterlasse ich den Hauptteil meines Vermögens.‘“ Er blickte von dem Dokument auf und erklärte: „Das waren zum Zeitpunkt der Testamentsverfassung etwa fünfzig Millionen Pfund …“
„Willst du mich heiraten, Gabriella?“, warf Toby scherzhaft ein.
Doch sie würdigte ihn keines Blicks. Er wusste genau, wie sie ihn verabscheute, seit er vor drei Monaten versucht hatte, sich ihr aufzuzwingen. Außerdem war sie viel zu verblüfft, um mehr zu tun, als den Anwalt fassungslos und sprachlos anzustarren.
„Wenn ich fortfahren dürfte …?“ David Brewster warf Toby einen missbilligenden Blick über den Rand der halbmondförmigen Gläser zu, bevor er weiterlas. „‚Alle Besitztümer, in Übersee wie in England, sollen zu gleichen Teilen zwischen den oben benannten Kindern aufgeteilt werden, mit Ausnahme der Filialen von Gresham’s in England und in New York, die in den Besitz von Rufus James Gresham übergehen sollen – nach Ablauf von sechs Monaten und unter der Bedingung, dass Rufus und Gabriella während der Dauer dieser Zeit als Mann und Frau auf Gresham House gelebt haben. Besagte Barschaft und Besitztümer sowie sämtliche ausstehenden Gelder fallen an meinen Neffen Tobias John Reed, sofern die oben genannte Bedingung nicht erfüllt wird.‘“ Hier hielt der Anwalt inne und fragte: „Wollten Sie etwas sagen, Miss Benito?“
Gabriella merkte, dass die Blicke aller Anwesenden voller Verwunderung auf ihr ruhten. Hatte sie etwa laut gestöhnt?
„Nein, nichts“, versicherte sie leise.
Aber innerlich erschauerte sie. Denn sie wusste genau, was James mit diesen „ausstehenden Geldern“ meinte.
Kurz nach Heathers Tod vor einem Jahr hatte Gabriella ein Bankdarlehen aufgenommen, um ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Davon hatte sie immer geträumt. Sie war überzeugt, inzwischen genügend Erfahrung für diesen Schritt zu besitzen. Doch dann war von Anfang an einfach alles schiefgegangen.
Angefangen mit der Firma, die sie beauftragt hatte, das Lokal umzubauen, das sie für ein Jahr im Voraus gepachtet hatte. Der Bauunternehmer überschritt das veranschlagte Budget jedoch weit und stellte die Arbeiten bis zur vollständigen Bezahlung einfach ein.
Dann brach in der Nacht vor der Eröffnung in der Küche ein Feuer aus, sodass Gabriella überstürzt und daher überteuert neue Geräte anschaffen musste.
Und schließlich, zwei Monate nach der Eröffnung, erleichterte ein Angestellter einen Gast über einen Kreditkartenbetrug um fünftausend Pfund. Der Kunde ließ sich nicht auf eine Entschädigung ein, sondern erstattete Anzeige. Sämtliche Zeitungen berichteten über den Fall, und der Ruf des Restaurants „Benito’s“ litt dermaßen, dass Gabriella innerhalb eines Monats aus Mangel an Kundschaft schließen musste.
All das hatte zu einer Gesamtschuld von dreißigtausend Pfund geführt, die Gabriella nur mit ihrem recht mageren Gehalt als Beiköchin in einem Bistro abstottern konnte.
James war in die Bresche gesprungen und hatte sie vor dem sicheren Untergang bewahrt – unter einer Bedingung, auf die Gabriella selbst bestanden hatte: dass ein rechtsgültiger Rückzahlungsvertrag abgeschlossen wurde, der eben diese „ausstehenden Gelder“ betraf.
Und wenn sie nicht sechs Monate lang mit Rufus als dessen Ehefrau zusammenlebte, würde sie diese Gelder ausgerechnet Toby schulden – dem Mann, den sie noch mehr verachtete als Rufus.
Durch die gesenkten Wimpern blickte sie zu Rufus. Der arrogante Ausdruck auf seinem gut geschnittenen Gesicht verriet ihr, dass ihm ihr gequältes Stöhnen nicht entgangen war und er sich über den Grund dafür wunderte.
Doch Sekunden später verwandelte sich diese Verwunderung in Zorn, den er gegen sie richtete.
„Wusstest du etwa davon?“, fragte er barsch, während er ungehalten aufsprang.
Angesichts des heftigen verbalen Angriffs zuckte Gabriella zusammen. Ihre Wangen wurden so blass, dass ihre veilchenblauen Augen wie dunkle Höhlen wirkten. „Ich hätte mir ja denken können, dass du auf irgendeine Art und Weise mich verantwortlich machen würdest.“
„Wem könnte ich wohl sonst die Schuld geben? Dad ist jenseits von irgendwelchen Schuldzuweisungen. Außerdem bist du schließlich die Einzige, die von dieser Regelung profitiert.“ Niemals hätte er seinem Vater ein derart niederträchtiges Handeln zugetraut.
Gabriella lachte – hart, humorlos. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich jemals erwägen würde, dich zu heiraten!“
Sekundenlang atmete Rufus tief durch und rang um Beherrschung – in dem Bewusstsein, wo sie sich befanden und wer zuhörte: Toby, der die Auseinandersetzung unverhohlen genoss, und David Brewster, den sie offensichtlich peinlich berührte.
Nein, Rufus glaubte nicht, dass Gabriella ihn heiraten würde. Nicht mehr. Nicht nach der Art und Weise, auf die er sie gedemütigt hatte, damals vor fünf Jahren auf Mallorca.
Noch dazu hatte er sich vorsätzlich gemein verhalten. Weil er dieser exotischen wunderschönen Frau gegenüber nie so immun gewesen war, wie er sich den Anschein gab. Und ihre Reaktion hatte ihn schlichtweg überwältigt, mehr als alles andere zuvor oder seitdem.
Aber er war sich stets bewusst, dass Gabriella die Tochter von Heather Benito war, die noch vor der Hochzeit einen nicht unbedeutenden Geldbetrag von seinem Vater angenommen hatte.
Doch James war so vernarrt in seine zweite Ehefrau gewesen, so blind vor Liebe, dass er nach ihren Tod alle Lebensfreude verloren hatte.
Und dennoch, obwohl er in den letzten Monaten seines Lebens so apathisch gewirkt hatte, war er auf die Idee gekommen, diese wahnwitzige Klausel in sein Testament aufzunehmen, die Rufus für sechs Monate an Gabriella band.
Mit einem vernichtenden Blick höhnte Rufus: „Spiel doch nicht die Unschuldige. Wir wissen beide, wie weit du zu gehen bereit bist, wenn dir der Gewinn nur hoch genug erscheint.“
Gabriellas Augen blitzten auf. „Du verflixter Schuft!“
„Hättest du dir in den letzten fünf Jahren nicht etwas Originelleres einfallen lassen können?“
Ihre Nasenflügel bebten. „Warum sollte ich mir die Mühe machen, wenn die Bezeichnung so hervorragend auf dich passt?“
„Oje“, warf David Brewster mit milder, leicht fassungsloser Stimme ein, bevor Rufus eine passende Entgegnung fand. „Mir scheint, dass Mr. Gresham im Irrtum über Sie beide gewesen sein könnte.“
„Keineswegs“, versicherte Rufus ihm grimmig. „Mein Vater war sich durchaus der … Feindschaft bewusst, die zwischen Gabriella und mir herrscht.“
James hatte nie verhohlen, wie tief ihn diese offensichtlich angespannte Beziehung zwischen den Stiefgeschwistern betrübte. Darüber hinaus hatte er Rufus mehrfach gedrängt, wieder zu heiraten – sei es auch nur, um der inzwischen siebenjährigen und hoffnungslos verwöhnten Holly etwas Halt durch eine Stiefmutter zu geben. Aber Rufus hatte immer wieder unmissverständlich erklärt, dass er diesen Vorschlag niemals zu befolgen gedachte.
Nun hatte James offensichtlich beschlossen, diesen Missstand mit einem Schlag auszuräumen, indem er die lächerliche Klausel über die Eheschließung in sein Testament aufgenommen hatte – in dem Wissen, dass Rufus niemals zulassen würde, dass Toby das gesamte Vermögen erbte.
James hatte sich keine Illusionen über seinen verantwortungslosen Neffen gemacht, der Gresham’s innerhalb eines Jahres in den Ruin treiben und sämtliche Gelder verplempern würde.
Das Geld war nicht wichtig, denn Rufus besaß selbst genug. Auch die Immobilien in Surrey und Aspen wie auf Mallorca und den Bahamas interessierten ihn nicht. Doch die beiden Kaufhäuser lagen ihm am Herzen. In den vergangenen sechs Jahren hatte er sich völlig den beiden Geschäften gewidmet und die Umsätze beträchtlich gesteigert. Von einem Versager und Verschwender wie Toby wollte er sich diesen Erfolg nicht ruinieren lassen.
Aber war Rufus bereit, Gabriella zu heiraten, um die Kaufhäuser zu behalten? Sechs Monate lang in ihrer unmittelbaren Nähe zu leben, Tag für Tag, Nacht für Nacht? Sie seine Frau werden zu lassen, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder zu heiraten? War er tatsächlich dazu bereit?
„Ich hatte ja keine Ahnung, wie es in Wirklichkeit mit der Beziehung zwischen Ihnen beiden steht.“ Der Anwalt sah Rufus und Gabriella mit gerunzelter Stirn an. „Ich muss zugeben, dass mir der Passus ein wenig seltsam erschienen ist, aber Mr. Gresham wollte sich partout nicht davon abbringen lassen.“ Betrübt schüttelte er den Kopf.
Immer noch fassungslos fragte Gabriella sich, warum James auf diesen Ausführungen beharrt hatte. Was in aller Welt wollte er mit diesen inakzeptablen Klauseln erreichen? Denn die Erfüllung dieser Bedingungen kam weder für sie noch für Rufus infrage, davon hatte sich der arme David Brewster soeben überzeugen können.
Obwohl Rufus seinen Gefühlsausbruch inzwischen zu bereuen schien. Er hielt seine Emotionen gern unter Kontrolle, wie Gabriella wusste. Nur sie selbst und die Befürchtung, sie heiraten zu müssen, schienen ihn aus der Reserve zu locken.
Flehend sah sie den Anwalt an. „Es muss doch einen Ausweg geben!“
„Ich fürchte nicht, Miss Benito.“ Er verzog das Gesicht. „Ich habe Mr. Greshams Testament selbst aufgesetzt, und ich kann Ihnen versichern, dass es keine Umgehungsklausel, keinen Handlungsspielraum gibt.“
„Ihr werdet offenbar keinen roten Heller sehen, wenn ihr euch nicht fügt“, warf Toby trocken ein.
Dass er die Situation gewaltig zu genießen schien, war nicht weiter verwunderlich. Toby liebte nichts mehr als Zwietracht – vor allem, wenn er sie selbst gesät hatte.
Wie drei Monate zuvor …
Gerade deshalb ergab die Verwirkung des Erbanspruchs zu seinen Gunsten keinen Sinn. Vor seinem Tod war James sehr zornig auf seinen Neffen gewesen und hatte ihn nach dem Vorfall mit Gabriella nicht einmal mehr sein Haus betreten lassen. Ganz gewiss wollte er nicht, dass Toby die Kaufhäuser, das Geld oder die Liegenschaften erbte.
Warum also hatte James diese unanfechtbare Klausel aufgestellt? Er hatte doch genau gewusst, dass Rufus und Gabriella einander nicht ausstehen konnten! Was ihn über Jahre sehr bekümmerte, weil er sich eine große glückliche Familie gewünscht hatte.
War diese Sehnsucht groß genug gewesen, um eine Heirat der verfeindeten Stiefgeschwister zu erzwingen?
Aber dieser Schritt musste doch dazu führen, dass sich die gegenseitige Abneigung verstärkte statt verflüchtigte!
„Was ist los, Gabriella?“, spottete Rufus sanft. „Zählt eine Heirat mit mir inzwischen nicht mehr zu deinen ehrgeizigen Zielen?“
Sie hob das Kinn. „Nicht mehr, als eine Heirat mit mir je zu deinen Zielen gehört hat.“
„Demnach also gar nicht“, erwiderte er kühl.
„Genau.“
„Ist diese Situation nicht umwerfend komisch?“, warf Toby ein. „Eigentlich könnt ihr beide euch den Versuch sparen, miteinander zu leben. Es ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ihr solltet mir den hübschen Zaster lieber gleich aushändigen.“
„Miss Benito und Mr. Gresham haben eine Woche Zeit, um eine Entscheidung zu fällen“, warf David Brewster streng ein.
Toby nickte mit einem zufriedenen Grinsen, vollkommen unberührt von der Feindseligkeit, die ihn umgab. „Ach, ich glaube, ich kann eine Woche warten.“
Der Anwalt ignorierte geflissentlich den Einwurf. „Es gibt noch eine weitere Bedingung in Mr. Greshams Testament, die Sie beide hören sollten, bevor Sie diese Entscheidung treffen.“
„Dann lassen Sie hören“, murrte Rufus argwöhnisch.
„Wortwörtlich steht hier geschrieben: ‚Die beiden Kaufhäuser gehen, wie bereits verlesen, nach Ablauf der geforderten sechs Monate in den alleinigen Besitz meines Sohnes Rufus James Gresham über. Aber das Restaurant im Londoner Kaufhaus ist zu renovieren, unter dem Namen Gabriella’s neu zu eröffnen und auf unbegrenzte Dauer Gabriella Maria Lucia Benito zu überlassen, die dann Gabriella Gresham zu heißen hat.‘“
Rufus rang nach Atem. „Mit anderen Worten: Mein Vater erwartet nicht nur, dass ich Gabriella heirate und sechs Monate mit ihr zusammenlebe, sondern dass ich auch noch mit ihr zusammenarbeite – und zwar für immer?“ Er sprach mit eisiger Beherrschung, denn er war fest entschlossen, sich kein zweites Mal von dem Zorn überwältigen zu lassen, der in ihm tobte. Doch er spürte einen Muskel an seinem Kiefer zucken.
„Dem ist so, ja“, bestätigte David Brewster niedergeschlagen.
„Dürfte ich bitte darauf hinweisen, dass er auch von mir erwartet, mit dir zu leben und zu arbeiten?“, warf Gabriella ein.
Mit sachlichem Zynismus erkannte Rufus, dass sie ebenso wenig wie er auf diese Klauseln im Testament seines Vaters gefasst gewesen war. Vielmehr hatte sie damit gerechnet, dass ihr Anteil ihr einfach in den Schoß fallen würde.
Ihm war ihre Reaktion auf die Erwähnung der „ausstehenden Gelder“ im Testament nicht entgangen. War sein Vater etwa so dumm gewesen, ihr Geld zu leihen?
Rufus musterte sie mit kaltem Blick, völlig ungerührt von ihren bleichen Wangen. „Ich leite bereits die Geschäfte, besitze bereits mein eigenes Haus, habe bereits ein eigenes Vermögen. Was meinst du, wer von uns beiden hier mehr zu gewinnen hat?“
„Seht ihr?“, lächelte Toby. „Ihr habt absolut keine Chance, sechs Monate zusammenzuleben, ohne euch gegenseitig umzubringen!“ In nachdenklichem Ton fügte er hinzu: „Andererseits würde das ja bedeuten, dass ich trotzdem erbe …“
„Ich glaube kaum, dass derartige Bemerkungen in dieser Situation in irgendeiner Form hilfreich sind, Mr. Reed“, tadelte der Anwalt ungehalten. Dann fuhr er steif fort: „Miss Benito und Mr. Gresham, ich schlage Ihnen vor, dass wir uns in einer Woche erneut hier treffen, zur selben Zeit. Dann können Sie mir Ihre Antwort geben.“ Mit unbewegter Miene wandte er sich wieder an Toby und fügte hinzu: „Mr. Reed, Ihre Anwesenheit wird nicht erforderlich sein.“
Ein Glück, dachte Rufus, bevor er laut fragte: „Beinhaltet der Letzte Wille meines Vaters keine weiteren Bedingungen, über die wir in Kenntnis gesetzt werden sollten, bevor wir unsere Entscheidung treffen?“
David Brewster begegnete seinem Blick und zögerte kurz, bevor er erwiderte: „Nein. Ich versichere Ihnen, dass nichts weiter in Mr. Greshams Testament steht, was Ihre Entscheidung beeinflussen könnte.“
„Wie wäre es, wenn wir drei jetzt zusammen essen gehen und über alles reden?“, schlug Toby munter vor, während er aufstand.
Gabriella wusste, dass sie im Augenblick keinen Bissen hinuntergebracht hätte. Und allein der Gedanke, zusammen mit Toby an einem Tisch zu sitzen, rief bei ihr Übelkeit hervor.
„Ich glaube kaum“, entgegnete Rufus schroff. Zu ihrer Überraschung nahm er sie mit stählernem Griff am Arm. „Gabriella und ich haben offensichtlich einige Dinge zu besprechen, aber wie Mr. Brewster schon betont hat, bist du vom weiteren Verlauf nicht mehr betroffen.“
Mit gerunzelter Stirn sah Gabriella ihren Stiefbruder an. Auch mit ihm wollte sie nirgendwohin gehen. Sie versuchte, sich dem stählernen Griff um ihren Arm zu entziehen. Doch der Versuch misslang.
Toby, dem der kleine Machtkampf nicht entging, grinste – weiterhin völlig unbekümmert. „Lasst mich einfach wissen, wenn ihr beide beschließt, nicht zu heiraten.“
Heiraten.
Das Wort hallte in ihrem Kopf.
Rufus.
Allein die Vorstellung, ihn zu heiraten, rief einen Schauer des Entsetzens hervor.
Aber sie hatte nicht immer so empfunden; früher hätte sie der Gedanke, Rufus’ Frau zu werden, überglücklich gemacht.
Bevor sie gelernt hatte, ihn zu hassen.
Bevor sie erfahren hatte, wie sehr er sie hasste.
Rufus spürte deutlich, wie Gabriella seine Hand abzuschütteln versuchte, als sie Davids Brewsters Büro verließen. Doch er war fest entschlossen, ihren Rückzug zu verhindern. Sie mussten miteinander reden. Noch an diesem Tag. Sofort.
„Auf Wiedersehen“, sagte er bedeutungsvoll zu Toby, sobald sie alle auf der Straße standen.
„Ruf nicht an, wir melden uns bei dir?“, konterte Toby spöttisch.
Rufus presste die Lippen zusammen. Er hatte seinem Cousin nie besonders nahegestanden. Auch James hatte Toby, den Sohn seiner einzigen Schwester, lediglich notgedrungen toleriert. Doch selbst diese Duldung hatte er drei Monate zuvor aus irgendeinem Grund jäh beendet.
„Rechne lieber nicht damit, von uns zu hören“, riet Rufus trocken.
Toby lachte. „Ach, ich werde schon von dir hören – oder von Brewster. So oder so, das ist mir egal. Es ändert nichts am Endergebnis.“
Gabriella, die den Wortwechsel stumm verfolgte, konnte nicht mehr an sich halten und sagte: „Hast du schon mal daran gedacht, dass Rufus und ich dich vielleicht noch weniger mögen als einander?“
Daraufhin musterte Toby sie mit einem frechen Blick aus seinen leuchtend blauen Augen. „Nein.“
Ihre Verachtung gegenüber diesem skrupellosen Mann brach sich nun Bahn. „Dann würde ich an deiner Stelle mal damit anfangen.“
Unbekümmert zuckte er mit den Schultern. „Selbst wenn ihr beide euch an dieser Scheinehe versucht, sie wird niemals halten.“
„Wir müssen ja auch nur ein halbes Jahr zusammenleben“, warf sie ein.
„Ich glaube nicht, dass ihr es sechs Stunden unter einem Dach aushalten würdet, geschweige denn sechs Monate!“
Die Tatsache, dass er durchaus recht behalten könnte, schürte Gabriellas Wut noch mehr. „Du wirst dich noch wundern!“
„Das bezweifle ich“, erwiderte er gelangweilt. „Nun dann, Rufus, mach’s gut.“ Damit wandte er sich ab, schlenderte die Straße hinab und rief grinsend über die Schulter zurück: „Ciao, Gabriella!“
„Ich hatte bis jetzt immer den Eindruck, dass ihr zwei euch mögt“, bemerkte Rufus nachdenklich.
Gabriella drehte sich zu ihm um. „Eindrücke können täuschen“, murmelte sie.
Nicht in deinem Fall, dachte er. Sie war die Tochter ihrer Mutter, und er tat gut daran, das nicht zu vergessen. Spöttisch verzog er die Lippen. „Dann ist es also wahr, dass du Toby noch mehr verabscheust als mich?“
„Ja!“, bestätigte sie vehement.
Früher hatten Gabriella und Toby sich bei allen Familientreffen gut verstanden. Was mochte sich daran geändert haben? Und stand es irgendwie im Zusammenhang damit, dass Toby von James des Hauses verwiesen worden war?
„Wir müssen reden“, sagte Rufus schroff. „Mein Wagen steht …“
„Ich gehe nirgendwo mit dir hin“, protestierte sie entschieden und wich einen Schritt zurück, sodass er ihren Arm loslassen musste.
Seine Miene verfinsterte sich. „Weißt du, wenn wir so weitermachen, behält Toby recht, und wir können ihm das Erbe gleich auf dem Silbertablett servieren!“
Mit großen Augen starrte Gabriella ihn an. Erwog er allen Ernstes, auf die Testamentsbedingungen einzugehen? Sie zu heiraten?
Nur wenn ihm die Pistole auf die Brust gesetzt wird, dachte sie mit einem reuigen Lächeln, und das hatte James praktisch getan.
„Habe ich etwa etwas Witziges gesagt?“, fragte Rufus schroff.
Nicht wirklich, denn der Spaß geht auf meine Kosten.
„Nicht besonders, nein.“ Sie seufzte. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, was ein Gespräch zwischen uns beiden an der Tatsache ändern könnte, dass wir einander nicht heiraten wollen.“
„Das hängt ja wohl davon ab, worauf dieses Gespräch hinausläuft.“
Gabriella musterte ihn aufmerksam. Die vergangenen fünf Jahre hatten ihn härter und zynischer gemacht, das verrieten die ausgeprägten Linien um Augen und Mund. Das dunkelblonde Haar war kürzer und der muskulöse Körper schlanker als früher, aber er war noch immer der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war.
Das anhaltende Prickeln auf ihrem Arm – dort, wo seine Hand geruht hatte – kündete davon, dass sie entgegen ihrer Annahme keineswegs immun gegen seine Anziehungskraft geworden war.
Rufus begegnete ihrem Blick und erkannte, dass er nichts von jener intimen Szene vor fünf Jahren vergessen hatte. Sobald er ihre reizvollen Rundungen berührt hatte, war er verloren gewesen und hatte nicht aufhören können, Gabriella zu liebkosen, bis er sie zum Gipfel der Leidenschaft geführt hatte.
Seine eigene heftige Erregung hatte ebenfalls nach Befriedigung verlangt, aber er hatte sie sich versagt, sicher, dass er sonst zu tief in Gabriellas Bann geraten wäre und sich nicht wieder hätte befreien können.
Nun, als ihm ihre sinnliche Schönheit erneut unter die Haut ging, wurde ihm außerdem bewusst, dass ein Teil von ihm sie seither immer begehrt hatte.
Vorwurfsvoll, mit glühenden Wangen, blickte sie ihn an. „Wenn du damit vorschlagen willst, was ich vermute, dann vergiss es gleich wieder!“
„Schade. Es hätte … interessant sein können, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen.“
Entschieden widersprach sie: „Wir teilen keine ‚alten Zeiten‘, die der Beachtung wert wären.“
„Mag sein. Aber wir müssen die Zukunft besprechen. Vielleicht finden wir ja eine Art von … Kompromiss.“ Bisher hatte er das Wort Kompromiss nie mit Gabriella in Verbindung gebracht. Alles oder nichts, das galt für sie. Und bis zu diesem Tag hatte er sich für das Nichts entschieden.
Warum hat James diese Klausel in sein Testament gesetzt? Was hat er sich davon erhofft?
„Kompromiss?“, hakte Gabriella argwöhnisch nach.
Dieses Konzept passte wohl auch ihrer Meinung nach nicht zu ihnen. Aber sie mussten nun einmal eine Einigung finden, wenn sie nicht alles verlieren wollten. Und Rufus glaubte nicht, dass sie bereit war, auf fünfundzwanzig Millionen Pfund zu verzichten.
Spöttisch verzog er die Lippen, als ein offenkundig verliebtes Pärchen Arm in Arm einen Bogen um ihn und Gabriella machte. „Ich meine, dass du mit mir zu Gresham’s fahren solltest. Ich habe nämlich nicht vor, dieses Gespräch mitten auf einem öffentlichen Bürgersteig fortzuführen.“
Warum in aller Welt will er mich mit zu Gresham’s nehmen?
Zuletzt hatte sie das Kaufhaus vor ihrer Ausbildung in Frankreich betreten. Denn sie wollte das Risiko nicht eingehen, zufällig Rufus zu begegnen, dessen Büro in der sechsten Etage lag.
„Ich möchte dir dort etwas zeigen.“
„Wirklich?“
Er nickte und murmelte vielsagend: „Ich glaube, ich könnte dich beeindrucken.“
„Das hast du schon letztes Mal nicht geschafft“, entgegnete sie beißend.
„Ach nein?“ Spöttisch zog er die Brauen hoch. „Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung.“
Sie bezweifelte, dass Rufus sich überhaupt an ihre Begegnung auf Mallorca erinnerte. Schließlich wusste sie, dass er in den sechs Jahren seit seiner Scheidung mit zahlreichen Frauen verkehrt hatte. Keine dieser Beziehungen hielt lange, aber sicher hatten sie die flüchtige Begegnung mit einer übereifrigen Achtzehnjährigen in Vergessenheit geraten lassen.
Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. „Ich glaube, man nennt das selektives Gedächtnis.“
„Mag sein. Dabei fragt sich nur, wessen Gedächtnis hier selektiv ist.“
Gabriella schwieg. Sie hätte es inzwischen besser wissen müssen und sich nicht auf eine Diskussion mit Rufus einlassen dürfen.
Er seufzte. „Ich dachte, du solltest dir mal das Restaurant ansehen, das zu Gabriella’s werden soll“, erklärte er ungehalten und dachte dabei, dass künftig nicht gerade entspannte Arbeitsbedingungen herrschen würden, wenn Gabriella zwei Stockwerke unter seinem Büro werkte.
Mit großen Augen sah sie ihn an: „Denkst du etwa im Ernst daran, die Testamentsbedingungen zu erfüllen?“
„Du nicht?“, konterte er sarkastisch, und als er sie leicht am Ellbogen nahm, um sie über die Straße zu seinem Wagen zu führen, folgte sie ihm anstandslos.
Rufus war felsenfest überzeugt, dass Gabriella sich auf keinen Fall die Chance auf die fünfundzwanzig Millionen Pfund entgehen lassen würde. Sie gab sich nur unnahbar. Oder vielleicht hoffte sie, ein anderes Abkommen mit ihm treffen zu können, da Geld ihn nicht interessierte.
Bei diesem Verdacht verzog er verächtlich den Mund, ließ Gabriella los und achtete sorgsam darauf, sie nicht mehr zu berühren, während er den Wagen aufschloss.
Nachdem beide eingestiegen waren und schweigend zu Gresham’s fuhren, horchte Gabriella in sich hinein und versuchte zu ergründen, ob sie mit dem Gedanken spielte, Rufus zu heiraten.
Die spontane Antwort lautete Nein.
Nach einigem Nachdenken kam ihr jedoch ein Vielleicht in den Sinn.
Mit Rufus verheiratet zu sein, hätte ihr gerade noch gefehlt. Doch noch weniger akzeptabel erschien ihr die Alternative: dass Toby alles erbte, einschließlich ihrer Schulden von dreißigtausend Pfund, die sie nicht auf einmal zurückzahlen konnte und die er als abartiges Individuum auf andere Weise einzutreiben versuchen würde.
„Du scheinst ja sehr angestrengt zu überlegen“, spottete Rufus, als sich ihr Schweigen ausdehnte.
Allerdings.
Sie war überzeugt, dass es sich als Albtraum erweisen würde, selbst kurzfristig mit ihm verheiratet zu sein. Rufus würde jede Gelegenheit nutzen, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Und eine Einwilligung sähe er als Beweis dafür an, dass sie eine Erbschleicherin war.
Aber die einzige Alternative zu dieser lieblosen Ehe mit Rufus, deren Ende zumindest vorherbestimmt wäre, bedeutete, Toby gegenüber auf unbestimmte Zeit verpflichtet zu sein.
„Ich denke wirklich darüber nach“, gestand Gabriella.
„Das dachte ich mir.“
„Nicht aus dem Grund, den du vermutest“, konterte sie ungehalten.
Er hob die Augenbrauen. „Ach nein?“
Sie bemühte sich gar nicht erst, sich zu rechtfertigen. Was hatte es für einen Sinn? Rufus genoss es ganz offensichtlich, das Schlimmste von ihr zu denken, und davon konnte sie ihn nicht abbringen.
Ich habe ganz vergessen, wie schön es im Gresham’s ist, dachte Gabriella, als ein schwarz livrierter Portier ihnen die Tür öffnete. Mit seinen exotischen Düften und exklusiven Waren bot das Kaufhaus ein wahres Fest für die Sinne. Geschultes Verkaufspersonal bediente zuvorkommend die Kunden in den verschiedenen Abteilungen, die von Lebensmitteln über exklusive Designermode bis hin zu Möbeln und Musikinstrumenten reichten.
Mi leuchtenden Augen blickte Gabriella sich um, während sie Rufus im Erdgeschoss zu dem Lift an der Rückseite folgte, der der Geschäftsleitung vorbehalten war.
Einen Moment lang malte sie sich selbstvergessen aus, ein Restaurant in diesem vornehmen Geschäft zu eröffnen. Doch dann fiel ihr schlagartig wieder ein, aus welchem Grund Rufus und sie hierhergekommen waren.
Kühl erklärte sie: „Ich muss dir ja wohl nicht erst sagen, wie ausgezeichnet dieses Kaufhaus ist oder wie gut du es führst.“
Er sah sie an. „Weißt du, deine Berufswahl hat mich immer überrascht.“
„Wieso das denn?“
„Na ja, hier hätte das Restaurant natürlich dieselben Öffnungszeiten wie das Kaufhaus, aber für gewöhnlich bedeutet die Gastronomie unchristlich viele Arbeitsstunden.“
„Ja und? Worauf willst du hinaus?“
Natürlich wollte er damit sagen, wie sehr ihn die Bereitschaft zu harter Arbeit bei einer Frau wie ihr wunderte, die es nur darauf abgesehen hatte, sich einen reichen Ehemann zu angeln. Aber womöglich glaubte sie tatsächlich an die alte Redensart, dass die Liebe durch den Magen gehe …
Rufus hätte ihr schon vor Jahren erklären können, dass es für gewöhnlich ein anderer Körperteil ist, der die Entscheidungen eines Mannes beeinflusst.
Nun, wie auch immer. Falls sie sich zu dieser Scheinehe entschlossen, brauchte Gabriella nach Ablauf eines halben Jahres weder einen reichen noch irgendeinen anderen Ehemann mehr.
Er entgegnete nur: „Irgendwann musst du mich mal bekochen.“
Sie warf ihm einen ungehaltenen Blick zu. „Damit würdest du ein Risiko eingehen. Ich könnte versucht sein, Arsen ins Essen zu mischen.“
„Ich würde dich einfach vorkosten lassen“, entgegnete er leichthin, während sie in der vierten Etage aus dem Lift stiegen.
Gabriella lachte. Ihre Augen leuchteten, ihre Zähne blitzten schneeweiß und ebenmäßig zwischen den sinnlich vollen Lippen.
Rufus reagierte äußerst fasziniert auf dieses Strahlen und starrte sie mit hungrigen Augen an.
Prompt blieb ihr das Lachen im Halse stecken, als sie seinen Blick auffing, der zu sagen schien, dass er sie am liebsten selbst verspeist hätte!
Doch sie musste sich geirrt haben. Denn schon verhärtete sich seine Miene wieder, und er musterte sie kalt und abschätzig.
„Rufus, was …?“ Als sie das riesige Restaurant betraten, verstummte sie abrupt und sah sich aufgeregt um, mit großen Augen und pochendem Herzen. Große Fenster öffneten sich zur Straße hin, und das Restaurant nahm mehr als die Hälfte der vierten Etage ein, in der sich sonst nur noch die Buchabteilung befand.
Wenn Gabriella einwilligte, Rufus zu heiraten, würde dieses Lokal ihr gehören, und sie dürfte es behalten, selbst über die Dauer der Ehe hinaus.
Momentan eine Selbstbedienungs-Cafeteria, bot es alle Möglichkeiten, sich in ein exklusives Speiselokal zu verwandeln.
Im Geiste malte Gabriella sich schon aus, welche Veränderungen sie am Dekor vornehmen würde und wie sie das zweckmäßige Mobiliar durch behagliche Sitzmöbel ersetzen würde.
Es sollte eine wahre Oase der Erholung werden, mit ausschließlich frisch zubereiteten Speisen und Getränken.
Doch dazu musste sie erst einmal einwilligen, Rufus zu heiraten!
„Lass uns in mein Büro gehen und alles Weitere besprechen“, drängte er, während er sie wieder am Arm nahm.
Alles Weitere? Ihr war gar nicht bewusst, dass sie überhaupt schon etwas besprochen hatten.
Gabriella kannte die vornehm ausgestatteten Büroräume der Geschäftsleitung in der sechsten Etage. Denn hin und wieder hatte sie ihre Mutter an deren Arbeitsplatz als James’ Sekretärin besucht.
Doch das lag eine Ewigkeit zurück, inzwischen waren Heather und James verstorben.
Sie kannte die Sekretärin nicht, die im Vorzimmer saß – eine große schlanke Blondine, die Rufus warmherzig anlächelte.
Als Gabriella ihm einen unverhohlen argwöhnischen Blick zuwarf, verstärkte er den Griff um ihren Arm. Er zerrte sie förmlich in sein Büro und schloss die Tür hinter ihnen.
„Ich würde niemals denselben Fehler wie mein Vater machen“, versicherte er kalt, während er sie so abrupt losließ, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor.
Sie wusste, was er damit sagen wollte: dass er sich niemals mit seiner Sekretärin einlassen und sie schon gar nicht heiraten würde.
„Sie waren glücklich miteinander“, sagte sie nachdrücklich. „Hast du das nicht gesehen? Hast du es nicht gespürt, wenn du mit ihnen zusammen warst?“
Oh doch, er hatte gesehen, wie glücklich die beiden miteinander gewesen waren, und er wusste, dass Heathers Tod seinem Vater die Lebensfreude geraubt hatte. Aber Rufus war überzeugt, dass James blind vor Liebe gewesen war und nie Heathers wahres Gesicht erkannt hatte.
Seine Stiefmutter hatte sich redlich bemüht, im Laufe der Zeit eine freundschaftliche Beziehung zu Rufus zu knüpfen, aber er hatte sich dem hartnäckig widersetzt – vorwiegend aus Selbstschutz.
Gabriella war ihrer Mutter trotz des jahrelangen Aufenthalts in Frankreich sehr verbunden geblieben. Wäre er Heather gegenüber zugänglich geworden, hätte er automatisch auch Gabriella gegenüber seine Reserve aufgegeben. Und das lag nicht in seiner Absicht.
Weder damals noch heute.
Er mochte gezwungen werden, Gabriella zu heiraten, um Gresham’s zu behalten. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass er eine gefühlvolle Beziehung zwischen ihnen zuließ.
Unvermittelt erkundigte er sich: „Hast du meinen Ratschlag eigentlich angenommen?“
Verwirrt über den abrupten Themenwechsel, sah Gabriella ihn an. Sie wusste beim besten Willen nicht, worauf die Frage abzielte.
„Hast du deine Mutter jemals gefragt, wozu sie die einhunderttausend Pfund von meinem Vater gebraucht hat?“
Gabriella wusste, dass er ihr mit diesem Thema wehtun wollte. „Ja, allerdings“, sagte sie.
„Und?“, hakte Rufus nach.
Aber sie hatte ihrer Mutter versprochen, niemals jemand anderem davon zu erzählen. Heather hatte James von den Spielschulden erzählt, die Gabriellas Vater ihr hinterlassen hatte. Aber ansonsten hatte sie diesen dunklen Punkt in der Vergangenheit der Familie Benito geheim gehalten.
„Und es geht dich gar nichts an!“, entgegnete Gabriella nachdrücklich.
„Richtig“, räumte er verärgert ein. „Also, wie viel hast du meinem Vater zum Zeitpunkt seines Todes geschuldet? Mehr oder weniger als das, was er deiner Mutter damals gegeben hat?“
Gabriella erblasste. Demnach war Rufus ihre unwillkürliche Reaktion auf diesen Teil des Testaments nicht entgangen, und er hatte seine eigenen Schlüsse daraus gezogen. Was sie nicht wunderte. Er war viel zu scharfsinnig und intelligent, um den Grund für ihr bestürztes Stöhnen nicht zu erraten.
„Weniger.“ Es machte keinen Sinn, zu leugnen. Ein Anruf bei David Brewster hätte Rufus gereicht, um alle Einzelheiten des Vertrages zu erfahren, den Gabriella und James vor einem Jahr unterzeichnet hatten. „Viel weniger.“
Bis zu diesem Moment hatte Rufus wirklich gehofft, dass sich seine Vermutung als unzutreffend erweisen würde. Es hätte ihm gefallen, wenn Gabriella seinen Vater nicht derart ausgenutzt hätte wie ihre Mutter. Aber er hätte es besser wissen müssen!
„Und würdest du mir vielleicht verraten, aus welchem Grund dir Toby inzwischen noch verhasster ist, als ich es bin?“
Nein, das wollte sie nicht. James hatte von Tobys sexuellem Übergriff erfahren und deshalb sein Testament zwei Monate vor seinem Tod geändert. Aber das bedeutete nicht, dass Rufus diese Information zustand. Außerdem hätte er ihr vermutlich unterstellt, Toby ermuntert zu haben. „Das ist für dich geradezu unglaublich, nicht wahr?“, erwiderte sie daher nur.
Er lachte bitter. „In etwa so unglaublich wie deine frühere Behauptung, dass du nicht wegen des Geldes an meinem Vater oder mir interessiert wärst.“
Mit einem tiefen Seufzen schüttelte sie den Kopf. „Das hat alles einfach keinen Sinn.“
„Im Gegenteil.“ Rufus ging um seinen Schreibtisch und setzte sich. „Immerhin wäre es eine Ehe – zum Glück von kurzer Dauer –, die nicht auf Illusionen basiert.“
„Und das auf beiden Seiten!“, bekräftigte sie nachdrücklich.
Er nickte. „Auf beiden Seiten.“
Aber Gabriella bezweifelte ernsthaft, dass sie die Charade durchstehen würden. „Was ist mit Holly?“
„Was soll mit ihr sein?“
„Was meinst du wohl, wie es ihr gefallen wird, eine Stiefmutter zu haben? Wenn auch nur für sechs Monate.“
„Die Rolle stünde dir kaum zu.“
„Vom Gesetz her …“
„Halte dich von meiner Tochter fern“, warnte Rufus leise.
Was unterstellte er ihr nun schon wieder? „Und wie soll ich das anstellen, wenn wir alle zusammen unter einem Dach in Gresham House leben?“
„Ich schlage vor, dass du einen Weg findest“, riet er unerbittlich. „Je weniger Kontakt Holly mit einer geldgierigen Intrigantin wie dir hat, umso besser.“
Nun beschränkte er sich nicht länger darauf, Gabriella durch seine Sticheleien ein wenig zu verletzen, nun versuchte er, sie regelrecht bluten zu lassen.
Instinktiv, mit glitzernden Augen, fauchte sie: „Das wirst du noch bereuen!“
„Das tue ich jetzt schon“, murrte er leise. „Aber du wirst mir sicher zustimmen, dass wir beide letztlich keine andere Wahl haben, als uns auf diese Scheinehe einzulassen. Oder?“
Weil er Gresham’s nicht an einen Mann wie Toby verlieren will, weil ich einem Mann wie Toby niemals finanziell verpflichtet sein will …
Als sie zögerte, verzog Rufus spöttisch den Mund. „Sag einfach nur Ja oder Nein zur Ehe“, drängte er.
Gabriella fühlte sich wie ein Kaninchen, das vom Scheinwerferlicht hypnotisiert ist, und holte tief Luft. „Ja!“, sagte sie dann gepresst. „Wir wissen beide, dass meine Antwort Ja lauten muss“, fügte sie hinzu.
Sechs Monate. Länger brauchte sie es nicht mit ihm auszuhalten. Das musste doch möglich sein.
„Und so muss meine Antwort auch lauten.“ Rufus nickte. „Aber ich möchte absolut klarstellen, dass die Ehe mit dir das Letzte ist, was ich mir eigentlich wünsche!“
„Das geht mir nicht anders!“
Er nickte noch einmal. „Gut. Solange wir beide uns dessen bewusst sind … Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest? Es soll Leute geben, die arbeiten müssen.“
Auch Gabriella zählte zu diesem Personenkreis. Sie musste rechtzeitig im Bistro erscheinen und ihre Schicht antreten, die um sechs Uhr begann. Nicht, dass sie dort bliebe, wenn sie und Rufus erst einmal verheiratet waren …
In den Wochen nach der Hochzeit hätte sie alle Hände voll zu tun mit dem Umbau und der Neueröffnung des Restaurants.
Immerhin war es ein kleiner Trost, dass sie eine Aufgabe hatte, die sie von der Ehe mit Rufus ablenkte.
Aber würde es ihr wirklich gelingen, an etwas anderes zu denken?
Nur vier Personen nahmen zehn Tage später an der Hochzeit teil: das Brautpaar und die beiden Trauzeugen, David Brewster und seine Sekretärin.
Die Zeremonie ging so schnell zu Ende, dass Gabriella kaum glauben konnte, tatsächlich mit Rufus verheiratet zu sein. Umso mehr verwirrte es sie, als er der Aufforderung folgte, die Braut zu küssen.
Seit jenem Tag am Pool vor fünf Jahren war sie ihm nicht mehr so nah gekommen, und zu ihrer Bestürzung fühlte sie sich völlig verloren, sobald sich sein Mund auf ihren legte. Es war nicht die flüchtige sanfte Berührung von Lippen, die sie erwartet hatte. Vielmehr schloss er sie fest in die Arme und erforschte ihren Mund so verzehrend, dass es ihr den Atem raubte.
Seine Augen funkelten trotzig, als er schließlich den Kopf hob. Und weil er völlig unbewegt wirkte, während sie sich geradezu entflammt fühlte, bedachte sie ihn mit einem eiskalten Blick.
„Tja, nun“, murmelte David Brewster verlegen. „Vielleicht ist es jetzt Zeit aufzubrechen?“
Vielleicht, dachte Rufus bei sich. Sein Herz pochte, und einem anderen Teil seines Körpers erging es nicht anders. Verdammt, er hatte Gabriella nur so stürmisch geküsst, um zu sehen, was geschehen würde. Es war nur als Experiment gedacht gewesen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ihre Schönheit mit dem prachtvollen pechschwarzen Haar und den sinnlich vollen Lippen ihn noch immer erregte.
Die Antwort war ein überwältigendes Ja.
Flüchtig presste er die Lippen zusammen und starrte Gabriella eindringlich an, bevor er sich an den Anwalt wandte. „Ich möchte Ihnen danken, dass Sie und Celia heute hier erschienen sind.“ Er schenkte der Sekretärin mittleren Alters ein herzliches Lächeln. „Aus naheliegenden Gründen hielten wir es nicht für ratsam, Angehörige oder Freunde in diese Veranstaltung einzubeziehen.“
Das gilt aber nur für dich, dachte Gabriella düster. Sie hingegen hätte einen guten Freund an ihrer Seite gut gebrauchen können.
„Darf ich Sie beide zur Feier des Tages vielleicht zum Lunch einladen?“, bot David Brewster an, während sie die große Halle des Standesamtes durchquerten.
„Ich …“, begann Gabriella.