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Betty und Barny - Ein Leben mit Frettchen (Erstes Buch) In der regionalen Tageszeitung entdeckt Samantha Trimmdich eine Anzeige über den Verkauf von sechs Wochen alten Frettchen. Sie macht sich in einschlägiger Literatur über diese Tiere kundig und ist danach fest entschlossen ein Frettchen zu kaufen. Samantha hat buchstäblich das Frettchenfieber gepackt. Doch bei der Züchterin der Frettchen findet sie nur zwei verwahrloste und kranke Tiere vor. Aus Mitleid kauft Samantha beide Frettchen und päppelt sie mit Hilfe ihres Haustierarztes und der Tiergartenleiterin aus Wildesheim erfolgreich auf. Damit erhalten die vier Trimmdichs Familienzuwachs mit ungeahnter Kreativität. Betty und Barny heißen die beiden Racker und sie halten ihre Pfleger ganz schön in Atem. Das geht von Umräumungsversuchen des Haushaltes, gut gemeinter Gartengestaltung, Kontakten zu den zahlreichen Tieren des kleinen Heimtierzoos bis zu Besuchen bei den lieben Nachbarn und so weiter. Die Ereignisse werden abwechselnd von den beiden Frettchen und Samantha erzählt.
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Seitenzahl: 523
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Für Betty und Barny
Ich ersuche um Kenntnisnahme: Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären / sind zufällig und nicht beabsichtigt. Ach ja, wer Fehler findet, darf sie gern behalten
Vorwort
Wer sind wir?
Eine Anzeige in der Zeitung
Verirren ist menschlich
Kleine Frettchenkunde für jedermann
Ein alles klärender Anruf
Ein tierischer Albtraum
Schon wieder verirrt?
Die erste Begegnung
Endlich ein Frettchen und noch eins
Unsere unspektakuläre Namensgebung
Die ersten Stunden im neuen Heim
Erster Entwurf eines zünftigen Frettchenheimes
Verzweiflung
Angst um Betty und Barny
Hilfe im richtigen Augenblick
Neues Wissen für uns über Frettchen
Endlich etwas Ordentliches zu futtern
Patrick sein großer Tag - die Einschulung
Patricks Einschulungsfeier - aber ohne Barny und mich
Beginn einer wahren Freundschaft
Alles hat sein Ende, auch die Einschulungsfeier
Betty und Barny auf dem Weg der Besserung
Nicht jeder ist ein Frettchenfreund
Warten auf den ersten Ausflug
Eine kleine Tanzeinlage
Ein Wohnzimmer wird erstürmt
Zwei appetitliche Häppchen
Die GmbH „Das goldene Ei“
Ein kleines blutiges Zwischenspiel
Stippvisite bei Frau Schlichter
Kontaktversuche zu einem Frettchenklub
Ein neues Heim für Frettchen und Co
Ein kurzer Besuch und vielseitige Talente
Der unverhoffte Tod von Wilma und Charly
Das Verschwinden von Zita und dessen Folgen
Das leibhafte schlechte Gewissen
Warten auf den Umzug
Noch einen Tag warten
Endlich im neuen Heim
Ausflug in die Hirschberger Grundschule
Eine klitzekleine Randbemerkung
Eine angenommene Entschuldigung
Barnys gut gemeinte Heldentat
Brauchbare Abwechslung für Betty und Barny gesucht
Barnys Ausflug in Nachbars Garten
Alexa mischt sich ein
Ein Geschirr für Betty und Barny
Bettys erster Spaziergang im Frettchengeschirr
Unser eigenes Auto
Kein zusätzliches Heimtier
Meine erste graue Hausmaus
Kein Futter für Betty und Barny
Der allererste Schnee
Betty in unklarer Bedrängnis
Ein müdes und depressives Frettchen
Oh du fröhliche Weihnachtszeit
Was ist denn das?
Frettchenwahn
Des Einen Freud, des Anderen Leid
Katzenwäsche oder Frettchenwäsche?
PROSIT NEUJAHR
Nachruf
Fotogalerie des kleinen Heimtierzoos
Betty und Barny -ihre kleine Fotogalerie
Dieses Buch ist meinen ersten Frettchen Betty und Barny gewidmet, die für immer ihren festen Platz in meinem Herzen haben werden. Die beiden haben mir mit ihren lustigen Streichen sowie ihrer bedingungslosen und hingebungsvollen Liebe über so manche schwere Stunde, nicht nur im Alltag, hinweggeholfen. Leider musste ich schon im Juli 2001 Abschied von Betty nehmen, zwei Jahre später ging auch Barny von uns.
Besonderen Dank möchte ich meinem Mann Manfred aussprechen, der mich mit sehr viel Geduld in das unbekannte Wesen Computer eingeweiht hat und der es mir dadurch erst ermöglichte mir meinen Kindheitstraum zu erfüllen, nämlich ein Buch zu schreiben.
Auch meinen beiden Kindern Stefan und Philipp möchte ich für ihr Verständnis danken, wenn ich einmal schlechte Laune hatte, weil es eben nicht immer so glatt lief, wie man es sich vorgestellt hatte oder ich nicht immer die Zeit zum Zuhören für sie erübrigen konnte.
Ich möchte uns erst einmal vorstellen. Ich bin die Betty, eine etwas zart gebaute Albinofähe. Wie ihr es sicherlich schon an meinem Namen hören könnt, bin ich von weiblicher Natur. Mein Fell ist beinahe schneeweiß und ich habe rubinrote Augen.
Dann gibt es noch einen wirklich hübschen und lieben Mann an meiner Seite, den etwas dicklichen und verträumten Barny. Er ist ein Siamrüde mit tiefschwarzen Augen, was ich ganz besonders aufregend an ihm finde.
Wir beide sind Frettchen und auch noch unheimlich stolz darauf! Die vier wichtigsten Personen in unserem bisherigen Leben sind Martin und Samantha. Die beiden sind nun schon seit fünfzehn Jahren ein Ehepaar, dies auch noch sehr glücklich. So behaupten sie jedenfalls! Sie haben zwei Kinder, den fünfzehn Jahre alten Steven und den zehn Jahre alten Patrick.
Ich finde ja, dass unsere menschliche Familie nicht nur einen drolligen, sondern auch einen sportlichen Namen hat, sie heißen nämlich Trimmdich. Als ich ihn das erste Mal zu hören bekam, hätte ich mich so richtig herumkugeln können vor lauter Lachen.
Aber lasst doch mein liebes Frauchen selbst erzählen, wie alles vor ungefähr drei Jahren in einem wirklich schönen Sommer begann.
Eines Morgens, irgendwann im Sommer, sitze ich, wie üblich, bei einer Tasse Kaffee und lese in der regionalen Tageszeitung. Natürlich bleibe ich auch heute wieder einmal bei dem langen Anzeigenteil für Tiere, von Hund bis Sonstige, hängen.
Zuerst lese ich die dort immer überaus zahlreich aufgeführten Anzeigen nur sehr oberflächlich durch, bis mir eine davon ganz besonders ins Auge fällt.
›Frettchen‹, denke ich bei mir, ›das sind doch jene Tierchen, die mit dem Iltis verwandt sein sollen und von den Jägern hauptsächlich zur Hasenjagd eingesetzt werden.‹
Die Neugier hat mich jetzt richtig gepackt und um ganz sicher zu gehen, lese ich in den Tierfachbüchern, die bei uns reichlich vorhanden sind nach, was darin über die Frettchen geschrieben steht. Ich finde all meine Überlegungen bestätigt und stelle die Bücher wieder zurück an ihren alten Platz.
Ich lese in aller Ruhe, bei einer zweiten Tasse starken Kaffee, die Zeitung bis zum Ende durch und beginne dann mit der üblichen Arbeit, die täglich im Haushalt anfällt.
So richtig bin ich diesmal aber nicht bei der Sache, denn diese Anzeige über die sechs Wochen alten Frettchen geht mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. Ich schlage aus diesem Grunde zum wiederholten Mal die Zeitung auf und lese die wenigen Zeilen noch einmal gründlich durch.
Schnell hole ich mir einen Zettel aus der großen Zettelbox, die immer griffbereit auf dem Schreibtisch im Wohnzimmer herumsteht, natürlich auch einen Stift, und ich schreibe mir die Telefonnummer, die bei der Anzeige über die Frettchen steht, sorgfältig auf. Vorsichtshalber lege ich den Zettel gleich neben unser Telefon, damit ich nicht lange suchen muss, falls ich ihn irgendwann doch einmal benötigen sollte.
Ich ringe dann noch ein ganzes Weilchen mit mir, rufst du dort jetzt sofort an oder lässt du es lieber gleich ganz bleiben? Es ist nämlich so, dass im Laufe einiger Jahre schon viele andere, vor allen Dingen aber verschiedene Tiere ihr neues Zuhause bei uns, den Trimmdichs, gefunden haben.
Da wären zum Beispiel, nur um ein paar wenige von ihnen an dieser Stelle zu nennen, der alte und schon etwas bedächtig wirkende Goldhamster mit dem Namen Wuschel. Der in den späten Stunden des Abends unbedingt ein kleines Nickerchen in seinem Laufrad halten muss und dann beim Schlafen hundertprozentig hinauspurzelt. Zum Glück aber immer, ohne irgendwelchen Schaden an seinem Leib und seiner Seele zu nehmen.
Dann Trixi, ein aus dem fernen Japan stammendes und äußerst lebhaftes Streifenhörnchen, welches mich als seinen höchstpersönlichen Kletterbaum auserkoren hat und sich auf meiner Schulter sitzend durch das ganze Haus spazieren führen lässt.
Der schneeweiße und immer sehr neugierige Chinchillabursche Idefix. Er nimmt bei seinem allabendlichen Auslauf in unserem Wohnzimmer von allem eine kleine Kostprobe, was ihm sozusagen in die Quere kommt. Außerdem pennt er am liebsten auf seinem hölzernen Schlafhäuschen, statt darin. Aber vielleicht kann Idefix uns so auch heimlich beobachten, ohne dass wir es überhaupt mitbekommen.
Die unzertrennlichen Brüder und dsungarischen Zwerghamster Willi und Paulchen. Paulchen, der sich schon vor einigen Wochen an seinem rosafarbenen Laufrad den linken Hinterfuß abgerissen hat. Der aber trotzdem um vieles mehr beweglicher ist, als der wesentlich dickere Willi, der stets und ständig um sich herum fressen muss.
Eine zweijährige, sehr gehorsame Schäferhündin, die auf den wirklich wunderschönen Namen Alexa vom Tangerwall hört. Sie schaut einen von Martin und mir geworfenen Ball lieber nur unbeteiligt hinterher, statt ihm hinterher zu rennen. ›Warum denn auch?‹, scheint sie sich zu fragen. ›Ich schaue doch lieber den frechen Spatzen zu, wie sie mir wieder mein Hundefutter stibitzen. Herrchen oder Frauchen werden sich den Ball schon holen, wenn sie ihn unbedingt durch die Gegend werfen wollen. Oder etwa nicht?‹
Auch die drei Rosettenmeerschweinchen Momo, Mimi und Robby, die stets irgendwie fürchterlich zerzaust aussehen, gehören mit zu uns.
Robby ist sozusagen der ›Hahn‹ im Korb und pausenlos darauf bedacht, dass sich seine beiden Frauenzimmer nicht gleich wegen irgendwelcher Nichtigkeiten buchstäblich an die Gurgel gehen. Wie zum Beispiel, wer von ihnen die größere Mohrrübe fressen oder wer zuerst von dem frischen Heu kosten darf. Überaus entschlossen greift Robby dann ein. Er nimmt ihnen einfach das Streitobjekt weg. ›Selber fressen, macht schließlich immer noch am besten fett‹, scheint dabei sein Motto zu sein.
Natürlich möchte ich unser Zwergkaninchenpaar Blacky und Hoppel bei der kleinen Aufzählung nicht vergessen.
Blacky holten wir uns aus einem Tierheim. Sie will ihre große Scheu vor uns einfach nicht aufgeben. Nur selten lässt sie sich von uns streicheln. Bloß die ganz zärtlichen Liebkosungen von Hoppel, die er stets für sie übrig hat, wie das Fell und die Ohren putzen, lässt sie sich gefallen und macht dabei einen zufriedenen Gesichtsausdruck.
Hoppel, der ganz und gar ein liebenswerter verträglicher Bursche ist. Der uns sein besonderes Wohlwollen mit dem Ablecken unserer Hände bekundet. Bei Patrick müssen sogar dessen Wangen für seine Liebkosungen herhalten. Am liebsten lässt er sich aber seinen Bauch kraulen. Für mich sieht es beinahe so aus, als ob Hoppel dabei sogar ein wenig lächeln würde.
Dann die vielen anderen ganz normalen Hauskaninchen, die alleine nur zum Zweck der Schlachtkaninchengewinnung gehalten werden. Sie haben deshalb von uns erst gar keinen Namen bekommen.
»Dazu dann noch ein Tierchen, ein Frettchen?«, überlege ich laut.
Jetzt will ich es aber ganz genau wissen und ich suche die Bücher noch einmal hervor, wo ich etwas über Frettchen gelesen habe. Wort für Wort wird wieder alles von mir sorgfältig durchgelesen. Danach versuche ich, mir all die Informationen in groben Stichpunkten aufzuschreiben, die ich persönlich für wichtig halte.
Als es dann an unserer Haustür unverhofft und ausdauernd ›Sturm‹ läutet, zucke ich richtig doll zusammen, weil ich immer noch mit all meinen Gedanken bei den kleinen Frettchen bin. ›Das gibt doch garantiert wieder eine von diesen unangenehmen und sehr schmerzhaften Schreckblasen an meiner Lippe, die dann ewig nicht verheilen wollen. Na prima!‹, denke ich bei mir.
Ich eile dann so schnell wie möglich zu unserer Haustür, um nachzusehen, wer hier so dringend Einlass begehrt. Ich stolpere dabei, und dies nicht zum allerersten Mal, prompt über das in sich völlig verdrehte Elektrokabel des Staubsaugers, welches noch immer in der Steckdose steckt. Kenne ich mich richtig, Grund genug für die Schreckblase Numero Zwei. »Das läuft ja heute wieder einmal ›bestens‹ für dich!«, bemerke ich laut und wütend zu mir selbst.
Unbeirrt eile ich aber trotzdem weiter, dem im Wege stehenden Staubsauger einen ärgerlichen und kräftigen Tritt verpassend, um zu öffnen.
Ach so, es ist nur unsere neue Postfrau, eine gewisse Frau Kunze. Sie stellt sich, beim Verteilen der heutigen Post, persönlich bei ihrer zukünftigen Kundschaft vor. Was ich eigentlich echt nett von ihr finde. Unsere gute alte Postfrau, die Frau Plienkel, geht nämlich ab morgen in ihre wohlverdiente Altersrente. Wie sie mir noch gestern verriet, freut sie sich ganz besonders darauf, endlich so richtig Zeit für ihren kleinen Garten und ihr Hobby, die Rosenzucht zu haben.
In aller Ruhe sehe ich nun als Erstes die umfangreiche Post durch. Kann ja in der Tat mal sein, dass heute, außer dem sonst üblichen und täglichen Werbekram, etwas wirklich Wichtiges dabei ist. Ich muss dann auch prompt ein dringendes Telefongespräch führen.
Dabei fällt mein Blick immer wieder auf den kleinen Notizzettel, den ich vorhin neben das Telefon gelegt habe. Dieses Mal gibt es keinen Halt mehr für mich. Auch kein längeres Überlegen bremst hier meinen eben gefassten Entschluss. Jetzt rufe ich sofort an!
Mit kribbliger Ungeduld und ansteigender Erregung beende ich aber erst das dringende Telefongespräch, denn, was sein muss, muss sein!
Aufgeregt wähle ich dann die von mir sorgfältig notierte Telefonnummer, betreffs der zwei kleinen Frettchen, und lausche voller innerer Spannung in den Hörer hinein. Schon beginnt sich bei mir eine riesengroße Enttäuschung so richtig schön breitzumachen, weil es am anderen Ende der Leitung mindestens zehnmal geklingelt haben muss, und einfach niemand herangeht. Ich will den Hörer gerade auflegen, als ich doch noch die leise, ein wenig piepsige und auffallend schüchterne Stimme eines Kindes im Hintergrund hören kann. »Würden Sie bitte einen kleinen Augenblick warten? Meine Mama ist gerade in den Garten gegangen und füttert dort nur schnell unsere kleinen Frettchen. Wir haben nämlich welche, wissen Sie. Aber meine Mutti ist bestimmt gleich wieder da!«
Ich bekomme vor lauter Herzklopfen nur ein eher unsicher klingendes
»Aber selbstverständlich« heraus und warte nun doch voller qualvoller Ungeduld sowie ansteigender Neugier weiter.
Zuerst dringt nur ein anhaltendes Husten an mein Ohr. Irgendwie kommt mir das bekannt vor, denn dieses Husten kenne ich noch allzu gut von meiner lieben Frau Mama, welche eine starke Raucherin war. Aber endlich kann ich eine tiefere Frauenstimme hören, die mich fragt: »Um was geht es denn?«
»Guten Tag. Mein Name ist Trimmdich und ich rufe aus Hirschberg an. Ich habe heute Morgen ihre Anzeige in der Zeitung, über den Verkauf der kleinen Frettchen, gelesen. Ich habe ein sehr starkes Interesse an solch einem Tier und möchte gern mehr darüber erfahren. Zum Beispiel, wie viele kleine Frettchen Sie gerade haben. Welche Farbe haben Ihre Tiere, und was sie so alles fressen dürfen. Über die Unterbringung, Ihrer großen und kleinen Frettchen, würde ich gerne auch noch etwas erfahren.« Nur zögerlich erkundige ich mich zum Schluss bei ihr: »Was ist denn der Verkaufspreis für ein einzelnes Tier?«
»Genau fünfundsiebzig Mark. Nicht mehr und nicht weniger«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Donnerwetter! Das haut mich nun wirklich um, glatte fünfundsiebzig Mäuse. ›Ein ziemlich stolzer Preis!‹, finde ich und das wiederum lässt sofort mein Interesse an den Tieren auf ein Minimum zusammenschrumpfen.
Nachdem ich alle gewünschten Informationen von der Frau über die kleinen Frettchen erhalten habe, bedanke ich mich höflich bei ihr für die aufgebrachte Geduld, und für die viele Zeit, die sie sich genommen hat.
»Haben Sie denn überhaupt ein ernsthaftes Interesse, an solch einem kleinen Frettchen?«, schließt sich gleich darauf ihre Frage an.
Aber ich kann, beziehungsweise will, ihr weder eine bejahende noch eine verneinende Antwort geben.
Mit der sehr fadenscheinigen Begründung: »Ich muss darüber zuallererst telefonisch Rücksprache mit meinem Mann halten, ehe ich dazu etwas sagen kann«, kneife ich in diesem Augenblick regelrecht davor, sofort den Kauf eines Tieres mit ihr zu vereinbaren.
Ich versichere der Frau aber fest, dass ich noch am heutigen Tag zurückrufen werde, wenn ich mit meinem Mann gesprochen habe. Solch ein Kauf muss und sollte schließlich auch wirklich umfassend überlegt werden. Vor allen Dingen, ob bei uns zu Hause eine artgerechte Unterbringung sowie eine ordnungsgemäße Verpflegung eines Frettchens überhaupt möglich sind.
Nachdem dieses lange Gespräch beendet ist, versuche ich Martin, mit einem wirklich unangenehmen Kribbeln in meiner Magengrube, über sein Handy zu erreichen. Da er aber auf Arbeit ist und das Handy deswegen garantiert auch in seinem Auto liegen haben wird, habe ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht viel Hoffnung tatsächlich an ihn heranzukommen. Doch das Glück scheint auf meiner Seite zu sein, denn nach dem dritten Klingeln geht er wahrhaftig heran.
Mit überschwänglicher Begeisterung erzähle ich Martin von dieser, für mich besonderen Anzeige in der heutigen Tageszeitung und auch von dem langen Telefongespräch, welches ich inzwischen, betreffs ausführlicher Informationen über die kleinen Frettchen, mit der Frau geführt habe.
Nachdem ich mit meiner kurzen Erzählung fertig bin, befällt mich plötzlich eine tiefe innere Nervosität. Ich warte mit flatterndem Herzen auf seine Reaktion, seine Antwort, denn im Stillen habe ich mich schon längst für die Anschaffung eines kleinen, erst sechs Wochen alten Frettchens entschieden.
Was mache ich aber nur, wenn mein Martin jetzt einfach »Nein!« zu der ganzen Geschichte sagt?
Doch, als ob er meine geheimsten Gedanken und Wünsche wieder einmal lesen kann, willigt mein geliebter Göttergatte sofort, ohne lange zu zögern und ehrlich begeistert ein. Zugleich das Allerschönste daran ist für mich, er ist genauso gespannt und neugierig auf so ein kleines Frettchen wie ich. Er drängt dann auch gleich darauf, die Frau wieder anzurufen und mit ihr den Kauf eines kleinen Frettchens zu vereinbaren. Selbstverständlich auch den Zeitpunkt, wann wir es bei ihr abholen können. Habe ich alles so weit klären können, dann wäre es nicht schlecht, wenn ich bei ihm auch noch einmal anrufen würde. Nur um ganz kurz zu berichten, was ich erreichen konnte, und wie wir uns geeinigt hätten. Falls ich ihn telefonisch nicht mehr erreichen sollte, wäre das nur halb so schlimm, denn spätestens am Abend, wenn er nach Hause kommt, erfährt er es ja auf alle Fälle. Martin schickt mir noch einen lieben dicken Kuss durch die Telefonleitung. Dann legt er auf.
Es fällt mir ein wahrlich riesiger Fels von meinem Herzen. In mir jubelt und schreit alles laut: ›Hurra! Hurra! Hurra!‹
Inzwischen ist es wirklich allerhöchste Zeit geworden, sich um das heutige Mittagessen für Steven, Patrick und mich zu kümmern. Nachdem die Kartoffeln vor sich hinköcheln und die gewünschte Gemüsebeilage der Kinder sachte schmort, auch die etwas klein ausgefallenen Schnitzel bratfertig auf einem Teller bereitliegen, nutze ich die sich nun bietende Gelegenheit zu einem weiteren Anruf bei der Frau mit den Frettchen. Ich hoffe ja nur stark, dass sich die Gute nicht gerade wieder in ihrem Garten oder sonst wo draußen herumtreibt.
Erst jetzt fällt mir mit sichtlichem Schrecken auf, dass ich beim ersten Anruf völlig vergessen habe, mich nach ihrem Namen zu erkundigen. Das ist sehr ärgerlich. Aber, was soll und was kann ich da jetzt noch groß machen!
Wie beliebte doch meine liebe Frau Mama, in solchen unangenehmen Situationen, immer zu sagen? »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!«
Kurz entschlossen tippe ich die Telefonnummer ein und warte ganz einfach darauf, was geschehen wird.
»Ja! Hier bei Familie Seitling«, meldet sich zum Glück die Frau, bevor ich sagen kann, wer sich am anderen Ende der Telefonleitung befindet.
Aus unerfindlichen Gründen bin ich wieder fürchterlich aufgeregt und ich antworte daher leicht befangen: »Hier ist noch einmal die Frau Trimmdich. Ich hatte sie am Morgen wegen ihrer kleinen Frettchen angerufen.«
Dann erzähle ich der Frau Seitling kurz von dem Gespräch mit meinem Mann, und dass wir uns nun fest entschlossen hätten, ein kleines Frettchen bei ihr zu kaufen.
Nachdem wir uns abschließend darauf einigen können, gleich am kommenden Sonnabend, gegen elf Uhr mittags, bei ihr vorbeizuschauen, lasse ich mir von Frau Seitling noch schnell den Namen ihres Ortes nennen, in dem sie wohnt. Außerdem bitte ich sie um eine genaue Wegbeschreibung, damit wir sie innerhalb des Ortes ganz leicht finden können.
Ich schreibe ihre vollständige Adresse sogleich unter die schon von mir vermerkte Telefonnummer hinzu. Den Zettel lege ich dann wieder griffbereit neben unser Telefon. Damit ist das Gespräch zur völligen Zufriedenheit aller Beteiligten, ganz besonders aber für mich, für heute beendet.
Ich eile in banger Sorge um unser heutiges Mittagessen zurück in die Küche. Doch meine Kartoffeln sind noch nicht zerkocht, sondern gerade richtig und auch mein Gemüse schnüffelt kein bisschen angebrannt oder angesetzt. Jetzt aber flott die vorbereiteten Schnitzel in die große Pfanne getan.
Während ich schon den Küchentisch für die Kinder und mich decke, machen sich in mir irgendwie eine geheimnisvolle Vorfreude und Spannung breit. Eine erwartungsvolle Vorfreude, so wie es auch stets während der Weihnachtszeit ist, wenn man in aller Heimlichkeit die große Bescherung für den Heiligabend vorbereitet und niemand
aus der Familie, ob nun die beiden Kinder oder der Mann, soll etwas davon erfahren. Eine Spannung deshalb, weil ich nicht weiß oder besser ahnen kann, wie meine beiden Jungen auf das neue Tier reagieren werden. Steven und Patrick möchte ich nämlich noch nichts von dem geplanten Kauf eines Frettchens erzählen. Das soll eine hoffentlich gelingende Überraschung, gewissermaßen direkt vor Ort, werden.
Beim gemeinsamen Mittagessen erzähle ich den Kindern aus diesem Grunde nur etwas von der Fahrt, die uns am kommenden Sonnabend bevorstehen wird. Ich verschleiere oder besser ich tarne aber alles als einen gemütlichen Wochenendausflug zu der Frau Seitling.
Meine beiden Söhne schmunzeln ein bisschen über meine übertriebene gute Laune. Und sie fragen mich, doch etwas neugieriger geworden, ob denn die Frau Seitling vielleicht eine gute Freundin oder auch nur eine alte Bekannte von früher wäre. Vielleicht aus meiner eigenen Schulzeit und ich würde mich deshalb schon jetzt über das Wiedersehen freuen. Ich lasse Steven und Patrick bei ihrer für mich drolligen Mutmaßung, denn so dringen die zwei nicht weiter in mich und ich verspreche mich zu guter Letzt nicht doch noch aus purem Versehen.
Ab und zu helfen mir meine Jungen beim Abräumen des Küchentisches und auch bei dem darauffolgenden lästigen, aber notwendigen Abwasch. Heute brauchen sie das jedoch einmal nicht zu tun und ich schicke Steven und auch Patrick hinaus zum Spielen beziehungsweise zu dem, was sie eben gerade so vorhaben. Dankbar und mit einem lieben Kuss für die Mama verschwindet nun jeder schnellstens in den eigenen vier Wänden, sprich seinem Zimmer.
Patrick kuschelt mit seinem acht Wochen alten Meerschweinchen Mimi herum, die sich von ihm noch relativ viel gefallen lässt.
Steven hat sich ein sehr interessantes und auch spannendes Buch von dem Schriftsteller Jules Verne ›Die Reise zum Mittelpunkt der Erde‹ zur Hand genommen, welches er schon längst gelesen haben wollte.
Nachdem ich meine dringendste Hausarbeit erledigt habe, und auch die Versorgung unserer Tiere endlich bewerkstelligt ist, versuche ich einen geeigneten Platz für unseren baldigen, neuen und tierischen Mitbewohner, das kleine Frettchen, zu finden. Ich spaziere zu diesem Zweck in unserem Haus von Zimmer zu Zimmer und versuche mir in jedem Raum bildlich vorzustellen, wo der neue Käfig eventuell stehen könnte. Danach schaue mich gleich noch auf unserem Grundstück überaus gewissenhaft um. Ich kann mich aber beim besten Willen für keinen zweckdienlichen Standort entscheiden. Deshalb beschließe ich mit Martin noch einmal, und in aller Ruhe, nach einem günstigen Platz für die artgerechte Unterbringung des kleinen Frettchens Ausschau zu halten.
Wie es aber manchmal halt so geht im Leben, kommt mein geliebter Mann ausgerechnet heute später von der Arbeit nach Hause, als es sonst üblich ist. So muss ich mich noch bis zum frühen Abend, gegen zwanzig Uhr, gedulden. Erst dann kann ich Martin vom zweiten Gespräch mit der Frau Seitling erzählen und dass wir gleich für den kommenden Sonnabend ein Treffen bei ihr vereinbart haben.
Gemeinsam beratschlagen wir nun, wo wir unser zukünftiges Haustier bei uns am Geeignetsten unterbringen könnten, ob im Haus oder doch lieber im Garten. Wir schauen uns also die konkreten Möglichkeiten, die sich so bei uns bieten, gewissenhaft an. Martin und ich können uns aber auch nach längerem Hin und Her irgendwie nicht einigen, was mich doch ein bisschen deprimiert dreinschauen lässt.
»Ach, lassen wir das jetzt doch. Ja, Liebling? Warten wir doch einfach ab, wie das kleine Frettchen bei Familie Seitling untergebracht wurde?«, überlegt Martin dann laut. »Lass uns jetzt bitte wieder hineingehen, ja Schatz. Mein heutiger Arbeitstag war wirklich ziemlich lang und auch sehr anstrengend für mich. Außerdem werden wir schon die ganze Zeit von unseren beiden Lausbuben heimlich beobachtet.«
Wie auf ein unauffällig gegebenes Zeichen kommen uns Steven und Patrick, völlig aufgelöst und beunruhigt, entgegengelaufen. Aus ihren Gesichtern scheint jedes bisschen an Farbe buchstäblich verschwunden zu sein, denn sie sehen richtig kreideweiß aus. Selbst aus den Stimmen unserer Kinder lässt sich die angsterfüllte Erwartung auf das nun Bevorstehende deutlich heraushören, dass sich bestimmt bald etwas Schlimmes ereignen wird, denn wir werden nur sehr zurückhaltend von den Jungen gefragt: »Mama? Papa? Stimmt es eigentlich, dass unser Haus und auch der Garten verkauft werden sollen?«
Auf das Höchste verwundert schauen wir, Martin und ich, uns in die Augen: »Aber Kinder, wie kommt ihr nur auf solche eigenartigen Gedanken?«
Ehrlich erstaunt betrachten wir die beiden und können uns einem kleinen, jedoch nur innerlichen Schmunzeln doch nicht ganz erwehren. Wir bleiben aber trotzdem erst einmal absolut ernst, weil Steven und Patrick ein für sie anscheinend schwieriges Problem zu lösen haben.
Niedergedrückt und äußerst schweigsam stehen die beiden Jungen vor uns. Man kann ihnen buchstäblich das große Angstgefühl vor unserer Antwort ansehen.
Steven sein Blick ist wie angewurzelt auf seine Füße hinunter gerichtet und in seinen Augenwinkeln glitzern jetzt sogar ein paar dickere Tränen auf.
Patrick zermurkelt nervös einen Grashalm nach dem anderen und auch er scheint nicht mehr weit davon entfernt zu sein, in Tränen auszubrechen. In seinen Augenwinkeln sammelt sich nämlich immer mehr Flüssigkeit an. Viel kann nicht mehr fehlen, dass sich ein paar dicke Kullertränen sich ihren Weg suchen werden.
Dann, nach einem kurzen Zögern, bricht es fast gleichzeitig und ängstlich aus den Mündern unserer Kinder hervor. »Ihr habt euch doch aber alles ganz gründlich und lange angesehen. So, als ob ihr heute alles zum letzten Mal sehen würdet!«
Jetzt müssen wir uns aber so schnell wie möglich eine einleuchtende und glaubwürdige Erklärung einfallen lassen, denn wir haben immer noch nicht vor, Steven und Patrick schon jetzt etwas von dem kleinen Frettchen zu erzählen.
Besänftigend reden wir deshalb den beiden verstörten Knaben ein, dass wir uns nur einmal gründlich umgeschaut und uns dabei überlegt haben, wie wir später mal alles, um das neue Haus herum, gestalten wollen. Wie es bei uns in zwei, vielleicht auch erst in drei Jahren ausschauen soll.
»Weiter war wirklich nichts, ihr habt unser beider supergroßes Ehrenwort!«, versprechen wir den Jungs.
Die nun einsetzende riesengroße Erleichterung ist unseren Kindern förmlich anzusehen.
Patrick fällt mir ganz plötzlich um den Hals, drückt mich so doll, wie er es mit seinen fast sieben Jährchen eben kann, um mir sogleich einen seiner berühmten, dicken und nassen Schmatzer auf die rechte Wange zu drücken. Dasselbe macht er dann auch mit Martin. Bloß nicht ganz so doll wie mit mir. Mutter ist und bleibt eben doch die Beste. Obendrein geniert sich Patrick neuerdings ein klein wenig bei seinem Papa. Ungefähr nach dem Motto ›Richtige Männer küssen sich nicht!‹ Erst recht nicht, wenn es jemand sehen könnte.
Steven dagegen ist mit seinen knapp zwölf Jahren nicht mehr so häufig für solche freiwilligen Zärtlichkeiten, wie einen um den Hals fallen und ein Küsschen geben, zu haben. Doch heute bekommen Martin und ich, wieder einmal freiwillig und ohne Aufforderung, einen dicken Kuss von unserem Großen, ohne dass er gleich vor Scham puterrot anläuft. Dass auch Steven ein schwerer Stein von der Seele gekullert sein muss, sieht man an der plötzlich wiederkehrenden Gesichtsfarbe.
Steven und Patrick werden nun von mir in ihre Betten zurückgeschickt, denn es ist währenddessen längst halb zehn durch. Also höchste Zeit für sie, die Augen zu schließen und etwas Schönes zu träumen. Ausnahmsweise, damit die Kinder von ihren angsterfüllten Gedanken etwas abgelenkt werden, lese ich ihnen eine kleine ›Gute Nacht Geschichte‹ vor, es darf natürlich nur eine mit gutem Ausgang sein. Wie immer bleibt das von mir erhoffte Resultat nicht aus, denn bald ist die ganze Aufregung von ihnen vergessen und es dauert gar nicht mehr lange, dass bei ihnen völlige Ruhe eingekehrt ist.
Martin und ich nehmen noch einen spärlichen Imbiss, eine Scheibe Toastbrot mit Jagdwurst, zu uns und trinken genüsslich ein Gläschen Rosentaler Kardarka dazu. Nebenbei schauen wir uns noch den allerersten Film von dem Blödelbarden Otto Waalkes ›Otto - Der Film‹ an und dann verschwinden auch wir beide todmüde in unsere Betten.
Die folgenden Tage schleppen sich für mich unwahrscheinlich endlos und träge dahin. Die alltäglich erforderliche Hausarbeit will mir nicht, wie sonst üblich, so richtig von meinen Fingern gehen. Auch in unserem Garten bleibt die allermeiste Arbeit unerledigt liegen. Nur unsere vielen tierischen Mitbewohner werden wie immer ordentlich von mir versorgt. Natürlich auch meine drei Männer, das ist wohl logisch und erübrigt jede Frage!
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass es einfach nicht Sonnabend werden will. Die Stunden dehnen sich für mich zu ellenlangen Tagen aus, die Minuten werden zu endlosen Stunden und die Sekunden zu Minuten und ...
Doch schließlich ist der von mir so heißersehnte Sonnabendmorgen da. Der große Familienwecker der Trimmdichs reißt mich erbarmungslos aus dem Tiefschlaf. Obwohl ich die letzte Nacht in einem nur halb schlafenden und halb wachenden Zustand verbracht habe, erst am frühen Morgen in einen tiefen Schlaf fiel, bin ich sogleich wieder voll da. Ich fließe regelrecht über vor lauter Energie und nicht zu bremsender Unternehmungslust.
Selbst Steven und Patrick, beide sind ansonsten ausgeprägte Morgenmuffel, stehen heute ohne zu murren auf. Sie freuen sich schon mächtig darauf, endlich einmal aus unserem verhältnismäßig kleinen Dörfchen Hirschberg herauszukommen.
Martin strahlt wieder eine fast schon unheimliche Ruhe aus. Er ist eben, wie immer, mit nichts klein zu bekommen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass er wegen der langen Autofahrt, die uns vieren nun bevorsteht, doch ein wenig kribbelig sein wird. Natürlich auch wegen des Zweckes unserer Reise.
Nach einem wirklich nur klitzekleinen Frühstück, einem mit Wurst belegten Brötchen für jeden von uns, geht es dann schließlich los.
Die Fahrt mit unserem Auto geht durch eine uns noch völlig fremde, aber doch sehr liebreizende Landschaft, die ringsherum stetig hügeliger wird je länger wir unterwegs sind. Selbst das Wetter scheint es heute besonders gut mit uns Trimmdichs zu meinen, denn es ist herrlichster Sonnenschein. Weit und breit sind keine Wolken am Himmel zu erspähen.
Wir bestaunen immer wieder die zauberhafte Gegend, die nun durchfahren werden muss, und freuen uns über die ausgesprochene gute Sicht.
Nach etwa einer guten Stunde Fahrzeit fangen beide Kinder plötzlich an, laut herumzunörgeln. »Können wir nicht mal eine kleine Pause machen, Papa? Wir haben schrecklichen Hunger und zu trinken wollen wir auch etwas. Außerdem gehört doch bei einem richtigen Ausflug ein kleines Picknick am Wegesrand einfach mit dazu. Sonst ist es doch gar kein richtiger Ausflug! Stimmt's, Mama? Sag doch auch mal was!« Dabei schauen sie uns mit großen, beschwörenden Augen an.
Martin gibt dem flehenden Drängen von Steven und Patrick sofort nach. Das ist ja wieder einmal echt typisch für meine drei Männlichkeiten! Werde ich hier überhaupt nicht mehr nach meiner Meinung gefragt? Würde es nach meinen eigenen Herzenswünschen gehen, dann wäre ich am liebsten durchgefahren, ohne eine Pause zu machen, bis wir bei dieser Familie Seitling und dem Frettchen, unserem eigentlichen Reiseziel, angelangt sind.
Doch da meldet sich auch mein Magen mit laut hörbaren und knurrenden Tönen zu Wort. Was nun den Appetit auf einen Kaffee angeht, den habe ich schließlich zu jeder Tageszeit.
So fahren wir bei einem kleineren Wanderweg, der tief in den Wald hineinführt, rechts heran und picknicken dort ausgiebig.
Dass ich aber, wegen der erwartungsvollen und inneren Anspannung, bald kein ruhiges Sitzfleisch mehr habe, lässt sich wohl an allen zehn Fingern ausrechnen. Ich möchte nur noch so schnell wie möglich ein kleines und süßes Frettchen zu Gesicht bekommen, es dann erwerben und endlich auch meins nennen dürfen, meins ganz alleine. Mehr will ich doch, an und für sich, schon gar nicht. Deshalb dränge ich immer öfter und ungeduldiger meine Männer zum alsbaldigen Aufbruch.
Außerdem können wir bei der Familie Seitling nicht gerade während des Mittagessens hereinplatzen. Das würde mir als Hausfrau und dann noch an einem Wochenende auch nicht sonderlich gut gefallen. Aber immer dann, wenn man es oder besser, wenn ich es besonders eilig habe, kommen meine Männer wieder nicht aus dem Knick.
Steven muss plötzlich überaus dringend in die nahe gelegenen Büsche und er kommt eine kleine Ewigkeit nicht wieder zum Vorschein, so dass ich schon anfange mir ernsthafte Sorgen, um ihn zu machen.
Patrick hat inzwischen irgendwelche, für ihn sehr geheimnisvolle, tiefe Tierspuren auf dem kleinen Waldweg entdeckt, auf dem wir zurzeit noch rasten. Ihnen möchte er nur allzu gerne in den Wald hineinfolgen. Von seinem Standpunkt aus können es selbstverständlich nur die Abdrücke eines wahrhaft gigantischen Wolfes sein.
Ich halte den kleinen Knirps nur mit sehr viel Mühe von seinem hartnäckigen Vorhaben ab. Erst nachdem ich ihn davon überzeugen konnte, dass es sich hierbei sicherlich nur um die Spuren eines wahrhaft großen Hundes handeln würde, ist sein kleiner Dickkopf gewillt endlich nachzugeben.
Das gibt es doch nicht! Mein geliebter Göttergatte Martin hat sich doch in der Zwischenzeit tatsächlich noch eine zweite Tasse Kaffee eingegossen und er meint nun in aller Seelenruhe: »Verbreite man bloß nicht solchen Stress, Mutter Trimmdich. Lass doch die Kinder ruhig ein bisschen herumspringen. Sie müssen nachher noch lange genug im Auto wieder stillsitzen. Außerdem kommt es jetzt wohl auf dieses Viertelstündchen auch nicht mehr an, mein Schatz oder was meinst du?« Während er das sagt, zieht er mich nun sacht zu sich herunter, um mir dann einen heißen und begehrenden Kuss auf meine Lippen zu pressen.
Doch in meinem Kopf macht sich nur ein Gedanke breit. ›Martin, der sonst kaum einen Kaffee, geschweige noch einen Zweiten trinkt, schenkt sich ausgerechnet heute einen nach. Das ist doch pure Schikane!‹ In mir fängt es erst ganz leicht, dann immer gefährlicher, zu brodeln an. Von einer Skala von ziemlich genervt bis äußerst wütend, setze ich mich in unseren Skoda hinein und warte darauf, dass sich der Rest der Familie endlich zur Weiterfahrt im Auto einfindet.
Irgendwann, für mich nach einer kaum noch ertragbaren Unendlichkeit, geht es schließlich weiter. Weiter in die Richtung unseres für heute geplanten Reisezieles, dem Frettchen.
Ich schaue aber noch immer verstimmt nur geradewegs auf die vor uns liegende Landstraße. Habe keinen einzigen Blick mehr für die herrliche Landschaft ringsherum übrig und ich lauere nur sehnsuchtsvoll darauf, dass wir endlich bei dieser Familie Seitling eintreffen.
Zu meiner riesigen Freude dauert es dann keine zehn Minuten mehr und wir haben den Ort erreicht, den mir Frau Seitling am Telefon genannt hatte. Vor uns liegt in ihrer ganzen Pracht die Stadt mit dem außergewöhnlichen Namen Kummerstadt.
»Hätten wir vorher gewusst, dass es nur noch ein paar wenige Kilometer bis hierhin sind, wären wir bestimmt gleich durchgefahren, mein Schatz!«, versichert mir soeben Martin.
›Na fein‹, denke ich, ›und ich hätte mich nicht so aufregen brauchen.‹ Aber was soll's. Wichtig ist doch momentan eigentlich nur noch, dass wir Trimmdichs ›unserem‹ kleinen Frettchen ein gutes Stück näher gekommen sind.
Vollkommen unbewusst entschlüpft mir ein tiefer langer Seufzer der Erleichterung.
Meine drei Männer starren mich verwundert an und Patrick fragt mich mit besorgter Stimme: »Mama, hast du etwa Bauchweh?«
Lächelnd und wieder gut gelaunt, antworte ich ihm: »Ach wo, mein kleiner Spatz. Mir war halt nur so. Es ist nichts. Wirklich!«
Auf einem kleinen Parkplatz, auf dem es einmal keine unerwünschte Parkuhr zu geben scheint, stellen wir unser Auto ab. Wir legen aber für alle Fälle eine Parkuhr gut sichtbar auf das Armaturenbrett. Man kann ja schließlich nicht wissen. Danach machen wir uns entschlossen auf die Suche nach der Straße die sich Klosterbergstraße nennt und nach dem Haus der Familie Seitling.
Es dauert zum Glück dann auch gar nicht allzu lange und wir haben beides gefunden, die von uns gesuchte Straße sowie das recht altertümlich aussehende Gebäude, mit dem kaum lesbaren Nummernschild 21a an der Hauswand.
Wir können uns nicht recht entscheiden, wer von uns beiden die Klingel betätigen soll, Martin oder ich, als ein in die Jahre gekommener Pfarrer aus der Tür der 21a tritt, die sich nur widerstrebend und schrill quietschend von ihm öffnen lässt.
Als Erstes fällt mir sein sehr langes und beinahe schlohweißes Haar auf. Auf den zweiten Blick sticht mir sein Monokel ins Auge, welches ein wahrhaftig antikes Stück sein muss.
Unbewusst nimmt dieser Pfarrer das Monokel von seinem rechten Auge und er fängt instinktiv an, es mit einem Zipfel seiner nicht mehr ganz neu aussehenden Kutte zu putzen. Er schaut dann etwas verwundert von einem zum anderen. Schließlich fragt er uns höflich, mit einer außergewöhnlichen rauen Stimme, die ich ihm bei Weitem nicht zugetraut hätte und die mich prompt an ›Alf-den Melmacker‹ denken lässt: »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Was ist denn Ihr Begehr? Wenn Sie ein Sündenbekenntnis bei mir ablegen möchten, kommen Sie doch bitte zu einem späteren Zeitpunkt wieder.«
Er betrachtet sein Monokel, scheint aber nicht zufrieden zu sein mit dem Resultat und fängt an, wieder auf dem Glas herumzureiben. Dann erzählt er weiter. »Ich habe im Augenblick wirklich keine Zeit für Sie, denn ich wurde zu einem im Sterben liegenden gerufen und diese dringende Angelegenheit duldet keinerlei Aufschub. Das werden Sie als gute Christen sicherlich verstehen und auch das angebrachte Verständnis für meine problematische Situation haben. Nicht wahr?«
Fragend schaut er in die Runde, um eilends fortzufahren. »Aber, wenn Sie trotzdem so liebenswürdig wären und mir doch noch schnell, ein bisschen nur, beschreiben könnten, worum es denn eigentlich geht. Dann bräuchte ich mein Gewissen gar nicht erst damit zu belasten, dass ich Sie, wider Willen und auch nur meinem würdigen Amt entsprechend, einfach stehen lasse. Sonst kann ich dem Sterbenden in seiner allerletzten Stunde nicht mit der genügenden Aufmerksamkeit entgegentreten. Diese hat aber ebenjener Mensch nach einem sehr langen, arbeitsamen und von zahlreichen Entbehrungen gezeichneten Leben verdient.«
Er erkundigt sich dann, wohl mehr aus purer Höflichkeit: »Vielleicht können wir gleich für eine spätere Stunde des Tages einen Termin bei mir vereinbaren?«
Dabei schaut er immer öfter auf seine schon etwas abgegriffene, blanke Taschenuhr, die er aus der unergründlichen Tiefe seiner uralten Kutte hervorgezogen hat. Seines Erachtens nach kann diese aber nicht richtig gehen, denn immer wieder hält er sich die Uhr lauschend an sein rechtes Ohr, um gleich darauf verwundert sein greises Haupt zu schütteln.
Der alte Pfarrer unterbricht nun erschöpft seinen nichtendenwollenden und hastig dahin gesprochenen Wortschwall. Ich möchte beinahe schon sagen, seine Predigt, wobei er sich die vielen kleinen Schweißperlen, wie zu lästig gewordene Fliegen, von seiner Stirn wischt.
Da ich nun schließlich zu Wort kommen darf, schildere ich ihm in wenigen Worten, warum wir vier vor seiner Tür stehen. »Wir sind auf der Suche nach einer gewissen Familie Seitling. Diese sollen hier in der Klosterbergstraße 21 a wohnen und wenn mich nicht alles täuscht, dann wäre dies nun einmal genau hier.« Dabei weise ich mit meiner Hand auf die Tür direkt hinter ihm.
Beinahe bereue ich es, gefragt zu haben, denn nun erläutert uns der Pfarrer wieder einmal mit vielen Worten, was sicherlich in einen Satz hineingepasst hätte.
»Sie haben freilich die richtige Straße gefunden, auch die richtige Nummer entdeckt, aber ich wohne jedoch schon sehr lange hier, beinahe mein ganzes Leben. Diese bescheidene Behausung wird schon immer von einem Geistlichen bewohnt, weil es eben zum Besitz der Kirche zählt und das seit einem sehr, sehr langen Zeitraum. Um genauer zu sein, schon seit mehreren hunderten von Jahren. Es kann hier infolgedessen auch keine Familie Seitling wohnen. Diese Leute kenne ich nicht einmal ihrem Namen nach. Aus meiner recht großen Gemeinde könnte ich ihnen wirklich alle meine braven und gelegentlich nicht ganz so braven Schäfchen bei ihrem vollen Vor- und auch Zunamen nennen.« Er hebt bedauernd seine Schultern. »Es tut mir ehrlich leid!«, meint er dann noch, um sich gleich darauf höflichst, aber doch überaus bestimmt, von uns vieren endgültig zu verabschieden.
Trotz seiner offenkundigen Eile nimmt sich der Pfarrer aber noch die Zeit uns ein schönes erholsames Wochenende zu wünschen und dass wir Erfolg bei unserer Suche nach der Familie Seitling haben.
»Der Herr möge stets mit Ihnen sein!«, brummt er dann, wohl aus purer Angewohnheit und kaum hörbar für uns, in seinen langen Bart. Der übrigens genauso schlohweiß ist, wie sein üppiges Kopfhaar. Gleich darauf ist er in dem Haus mit der Nummer 21 a verschwunden. Er kehrt dann mit einem uralten und klapprigen Fahrrad, wenn man es überhaupt noch als solches bezeichnen kann, wieder zurück.
So langsam aber sicher gewinne ich doch den intensiven Eindruck, dass an diesem Pfarrer wahrhaftig alles schon uralt ist. Ich frage mich nun ernsthaft, ob die Innenausstattung seines Hauses womöglich auch schon so in die Jahre gekommen und dem Zusammenbruch nahe ist, wie er es selbst schon zu sein scheint.
Der alte Mann rafft nun seine Kutte im Kniebereich fest zusammen, hängt sich die Enden gekonnt über seinen rechten Arm, schwingt sich danach entschlossen auf seinen antiken Tretesel und fährt, kräftig in die Pedalen tretend, eilig davon.
»Baldige Genesung und gute Besserung sowie ein langes Leben für Ihren Schutzbefohlenen, Herr Pfarrer!«, ruft Martin ihm laut hinterher, ehe ich ihn davon abhalten kann.
Der alte Pfarrer, der vielleicht schon etwas schwerhörig sein mag, scheint aber die bewusste Anzüglichkeit oder besser die gezielte spöttische Randbemerkung auf seinen würdigen Berufsstand von Martin nicht mehr gehört zu haben.
›Gott sei Dank!‹, kann ich da nur denken. Trotzdem laufe ich jetzt puterrot an, wie so eine überreife Tomate sozusagen. Lag mir nämlich schon, um ganz ehrlich zu sein, eine ähnlich dumme Bemerkung auf der Zunge.
Wir vier Trimmdichs schauen dem Pfarrer dann noch so lange hinterher, bis er vollständig aus unserem unmittelbaren Sichtkreis verschwunden ist. So oft bekommen wir schließlich einen sich durchaus noch gut in Form befindlichen Pfarrer, mit schlohweißer Kopfbehaarung sowie schlohweißem Barthaar, auf solch einem altertümlichen klapprigen Fahrrad, auch nicht zu sehen. Zumal doch heutzutage jeder eher mit seinem eigenen Auto unterwegs ist, als mit einem Fahrrad.
Erst nachdem der altehrwürdige, aber trotz allem irgendwie sympathische, Pfarrer weg ist, wird mir richtig bewusst, dass wir nun nicht, wie gewollt, bei Seitlings und somit auch nicht bei ›unserem‹ kleinen Frettchen gelandet sind. Das fängt ja wirklich gut an! Aber das wird sich bestimmt noch alles finden. Dies ist und bleibt vorerst meine unerschütterliche Meinung und auch Überzeugung. Dass ich mich darin aber hundertprozentig verrechnet haben soll, kann ich zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht ahnen!
Da die Familie Trimmdich unterdessen immer noch nicht dort angekommen ist, wo sie heute eigentlich hinwollte, schlage ich deshalb meinem Mann vor: »Lasst uns doch einfach ein paar Leute auf der Straße nach der Familie Seitling fragen. Irgendeiner wird sie schon kennen und wissen, wo wir sie finden können.«
Gesagt, getan!
Zuallererst befrage ich ein älteres Paar, welches Hand in Hand gemächlich spazieren geht. Diese beiden Alten sehen, obwohl sie offensichtlich schon den späten Herbst ihres Lebens erreicht haben, noch überaus glücklich aus. Auf meine freundliche Anfrage, nach der Familie Seitling, erhalte ich aber von ihnen nur ein verständnisloses breites
Lächeln sowie ein freundliches Nicken mit dem Kopf und dann ein: »Jau, jau, mok mal wieter so min Deern«, als Antwort, fast unvernehmbar für mich, entgegengesetzt.
Nachdenklich und schweigsam schauen wir diesem Ehepaar nach, bis sie in eine Seitenstraße abgebogen sind. Ich frage mich ernsthaft, ob wir, Martin und ich, eines Tages auch so desorientiert durch die Gegend marschieren?
Dann läuft uns eine wirklich sehr gut gebaute Mittvierzigerin über den Weg. Sie trägt eine ansehnliche Haarpracht, lang und feuerrot, mit sich herum und ihre Beine scheinen gar kein Ende nehmen zu wollen. Die gute Frau kennt Familie Seitling aber auch nicht. Sie eilt mit schnellen großen Schritten in Richtung Bahnhof, wie uns ein Hinweisschild verrät, davon.
Mein werter Gatte kann natürlich den Blick nicht von dieser rothaarigen Schönheit lassen. Erst als ich ihn etwas derber in seinen Hintern kneife, kehrt er sich wieder zu mir um.
Martin streichelt mir mit dem Handrücken tröstend über meine Wange. Er meint dann, mit einem breiten Lächeln in seinem Gesicht: »Du hast wirklich keinerlei Grund zur Eifersucht, denn du bist die einzig wahre Frau für mich, Samantha. Ehrlich! Aber ein bisschen Appetit holen darf man sich wohl ab und zu noch? Gegessen habe ich schließlich immer zu Hause oder etwa nicht?« Fragend schaut er mich an.
Inzwischen haben die beiden Jungen von sich aus ein schätzungsweise zwölf Jahre altes Mädchen, mit hellblonden Locken und wasserblauen Augen, angesprochen und haben sie ebenfalls nach der Familie Seitling befragt. Sie ist mit ihrem zwergenhaften und ein wenig strubbeligen Mischlingshund unterwegs.
Während die Kinder ihre Frage an das Mädchen richten, werden zunächst Steven seine Schuhe und dann auch die Hosenbeine immer wieder von dem kleinen Hund eindringlich beschnuppert. Schließlich umrundet ihn dieses unscheinbare Etwas mehrere Male äußerst aufmerksam, um dann urplötzlich und völlig überraschend sein linkes Hinterbein zu heben.
Bevor der warme Strahl sein anvisiertes Ziel treffen kann, zieht das Mädchen beschämt, aber sehr energisch ihren Hund weg, wobei sie ganz leise »Entschuldigung!« vorsichhinstammelt. Der kleine struppige Bursche wird nun nicht gerade behutsam von seinem Frauchen im Genick gepackt und auf deren Arm genommen. Sie verschwindet jetzt erstaunlich schnell, ohne sich noch einmal zu uns umzudrehen, in dem vierstöckigen Mehrfamilienhaus, vor dem wir soeben stehengeblieben waren.
Wir haben nun die verschiedensten Leute auf der Straße nach der Familie Seitling befragt. Aber bislang konnte uns leider kein Einziger von ihnen eine zufriedenstellende Antwort auf unsere Fragen geben.
Einen letzten Versuch wollen wir aber trotzdem noch starten. Deshalb unterbrechen wir die sehr innige und verliebte Knutscherei eines blutjungen Paares von bestenfalls fünfzehn Jahren, auf einer etwas abseits gelegenen Bank im hiesigen Stadtpark, für einen kleinen Augenblick. Leider können die beiden uns, wie von mir fast schon erwartet, aber auch nicht weiterhelfen. Selbst dann nicht, als wir ihnen erzählen, dass diese Familie Seitling Frettchen züchtet. Sie die kleinen Frettchen dann über ein Inserat in der Zeitung zum Verkauf anbieten würden und sie vielleicht vom reinen Hörensagen etwas von ihnen wissen könnten. Sie wollen sich aber nun von uns nicht mehr länger stören lassen und fahren genau an der Stelle fort, wo wir sie vor annähernd fünf Minuten unterbrochen haben. Nämlich bei einer innigen und verliebten Knutscherei.
›Ja, ja, diese jungen Leute von heute. Wir hätten uns das in unserer Jugend so öffentlich sicherlich nicht getraut!‹, sind meine Gedanken beim Betrachten dieses Pärchens.
Erst jetzt sehen wir uns nach unseren Söhnen Steven und Patrick um. Da aber die zwei Buben in diesem Augenblick sehr intensiv mit einem noch nicht völlig ausgewachsenen Igel beschäftigt sind, haben sie zu unserem Glück nicht mitbekommen, dass wir dieses eine Mal eben nicht nur nach Familie Seitling, sondern auch nach den kleinen Frettchen gefragt haben.
›Aus welch einem schützenden Schlupfwinkel mag denn dieses kleine putzige Kerlchen, bei dieser buchstäblichen Bullenhitze, hervorgekrochen sein?‹, frage ich mich ernsthaft.
Es ist wirklich zum Verzweifeln. Es kann uns einfach niemand weiterhelfen oder auch nur irgendeinen brauchbaren Fingerzeig geben, in welche Richtung wir suchen müssen. Nach etwa eineinhalbstündiger Suche geben wir es schließlich auf, noch weiter und länger, nach den Leuten mit ihren zu verkaufenden Frettchen zu suchen. Mehr als niedergeschlagen gehen Martin und ich, natürlich auch Steven und Patrick, zu unserem Auto zurück.
Dort wieder angekommen, fragt uns einer der Jungen, ich glaube, es war der Lütte, ob wir vielleicht den kleinen Notizzettel eingesteckt haben, wo die Telefonnummer und auch die Adresse draufstehen.
›Aber natürlich! Dass ich nicht selber darauf gekommen bin. Man wird eben nicht jünger‹, schießt es mir durch den Kopf. Ich hole daraufhin schnell mein Portemonnaie aus dem Auto, denn dort hinein hatte ich zu Hause den Zettel ja gelegt und bitte nun Martin mir mal sein Handy herüberzureichen.
»Sofort, mein geliebtes Weibel!«, ruft er mir fröhlich zu. Doch dann geht das gemeinschaftliche intensive Gewühle der vier Trimmdichs los. Was wir aber trotz gründlicher Suche einfach nirgends finden können, ist und bleibt sein verfluchtes Handy.
»Samantha, das Handy habe ich doch gar nicht mitgenommen. Den Akku von dem Handy hatte ich gestern Abend zum Aufladen in die Dose gesteckt, bevor wir beide ins Bett sind. Nebenbei bemerkt, wenn ich mich jetzt recht entsinne, dann liegt das Handy sowie der Akku hundertprozentig zu Hause noch auf dem Schreibtisch herum, neben dem Telefon.« Bedauernd hebt er seine Arme in die Höhe.
›Na Prima! Das darf es einfach nicht geben!‹, schimpfe ich lautlos vor mich hin. Ich bin kurz davor, den Rand zur totalen Verzweiflung zu übertreten.
Unterdessen ist es schon längst zwölf Uhr hindurch. Die mittägliche Julisonne brennt immer erbarmungsloser auf uns vier hinunter. Trotzdem ziehen wir kurz entschlossen noch einmal los. Diesmal aber nicht auf der Suche nach Familie Seitling, sondern nach einer Telefonzelle.
Nach wahrhaftig ausdauernder Suche erblicken wir schließlich ›unsere‹ Telefonzelle. Ein bisschen Glück müssen halt auch wir einmal haben dürfen.
Mein Herz jetzt wieder reichlichst angefüllt mit neu aufkeimender Hoffnung, dass sich durch einen kleinen Telefonanruf bei dieser Frau Seitling letzten Endes doch noch alles zum Positiven für uns regeln lassen wird, hetze ich im Laufschritt zu dieser Zelle hin. Vielleicht kommen die Trimmdichs heute doch noch zu ihrem Frettchen?
Aber wie es manchmal dann so geht, klebt an der leicht ramponierten Tür eben jener Telefonzelle, weithin für alle wirklich sehr gut sichtbar, ein ganz besonders ›nettes‹ Schriftstück, unserer lieben Deutschen Telekom, mit dem folgenden Wortlaut:
›Das kann und darf doch alles gar nicht wahr sein? Geht denn heute wirklich alles buchstäblich in die Hose? Oder ist es einfach nur unvermeidliche höhere Gewalt? Ich glaube, ich bekomme gleich eine mittelschwere bis ernsthafte Krise.‹ In mir streiten sich die unterschiedlichsten Empfindungen. Meine unmittelbar vorher wieder gewonnene gute Laune sinkt von jetzt auf gleich auf den völligen Tiefpunkt!
Auch meinen Mann sieht man die maßlose Enttäuschung schon von der Ferne aus an.
Steven und Patrick verstehen natürlich die ganze Aufregung und den Trubel, den wir veranstaltet haben, überhaupt nicht. Sie sind jetzt nur noch am Ende ihrer kindlichen Kräfte angelangt. Ausgehungert, wie sie sagen, und vor allen Dingen extrem durstig. Beide fragen uns nun immer ungeduldiger und nörgeliger: »Wann geht es denn endlich wieder nach Hause? Ist es denn wirklich so ... schrecklich für euch, dass wir die Familie Seitling heute nicht gefunden haben. Mama kann doch auch von zu Hause aus bei denen anrufen und ihnen dann Bescheid geben, dass uns etwas sehr Wichtiges dazwischengekommen ist. Dass wir deshalb nicht bei ihnen vorbeikommen konnten.«
Die Jungen haben leicht reden, denn sie ahnen ja nicht im Geringsten, um was es hier tatsächlich geht. Ich habe nämlich das erst sechs Wochen alte Frettchen schon überall in unserem kleinen Häuschen und auch auf unserem Grundstück herumlaufen sehen. Bestaunt von allen Leuten, die uns besuchen kommen oder eben an unserem Gartenzaun vorbeigehen.
Selbstverständlich kann ich von zu Hause aus bei der Familie Seitling anrufen und nachfragen, wo wir, natürlich ungewollt, irgendwie aneinander vorbeigesprochen haben und wir deshalb nicht dort ankamen, wo wir heute eigentlich hinwollten. Doch, was soll das jetzt noch alles bringen!
Außerdem habe ich, um ehrlich zu sein, doch ein bisschen Angst vor der eigenen Beherztheit. Die kleinen Frettchen sind doch sicherlich schon längst verkauft, weil nicht nur ich diese sofort ins Auge fallende Anzeige in der Zeitung gelesen habe. Sicher werde ich mich hinterher auch noch tagelang, wenn nicht sogar wochenlang, schrecklich darüber aufregen, dass es heute so gründlich danebengegangen ist. Ich kenne mich doch nur allzu gut!
Ziemlich schwermütig und nachdenklich fahren wir nun erst einmal in Richtung Heimat zurück und nach Hirschberg. Hier und heute können wir ja sowieso nichts mehr ausrichten.
Ich bleibe während der gesamten Rückfahrt richtig schweigsam, weil ich im Augenblick doch ziemlich ungenießbar bin und dann vielleicht mit irgendwelchen hässlichen Bemerkungen herausplatze, die mir zu einem späteren Zeitpunkt wieder mehr als leidtun werden. Schließlich habe ich mir den gründlichen Reinfall selbst zu verdanken oder etwa nicht? Dies kann man nun drehen und wenden, wie man will. Irgendwann, beim zweiten Gespräch mit der Frau Seitling, wo sie mir die Ortschaft genannt hat, in der sie wohnt, habe ich einfach nicht mehr richtig zugehört. Ich ganz alleine und niemand anderer! Ich war wohl mit meinen inneren Gedanken so sehr mit dem kleinen Frettchen beschäftigt, dass ich mich von ihnen habe ablenken lassen. Das habe ich nun davon!
Martin quatscht mich jetzt lieber auch nicht an, sondern er betrachtet mich nur ab und zu so komisch von der Seite. Er weiß nämlich ganz genau, dass in solchen vertrackten Situationen nicht gut Kirschen essen ist mit mir. Er weiß aber auch, dass ich ein Tiernarr durch und durch bin, wie groß deshalb meine Enttäuschung in diesem Moment wohl sein muss.
Selbst Steven und Patrick merken bald, dass bei Muttern ziemlich dicke Luft herrscht. Während der ganzen Heimfahrt sind sie auffällig friedfertig und außergewöhnlich brav. Sonst machen die beiden Jungs immer einen Heidenlärm und haben auch pausenlos an irgendetwas herumzuquengeln, so dass ihr Vater schon einmal laut werden muss, damit endlich wieder Ruhe im Auto einkehrt, ein kleines bisschen wenigstens. Heute scheint aber zweifelsohne das Gegenteil eingetreten zu sein. Patrick schläft sogar für eine halbe Stunde tief und fest ein, wobei er leicht vor sich hin schnarcht.
Als wir schließlich zu Hause angekommen sind, schleichen meine beiden Jungs schnurstracks und ganz leise in ihre Behausung hinauf. Immer schön darauf bedacht, mir aus der Schusslinie zu gehen, denn bei Muttern kann man ja augenblicklich nie wissen.
Meinen enormen Kaffeedurst kennend, setzt Martin sogleich eine große Kanne des braunen Gesöffs auf und bringt dann erst mal sein heiß geliebtes Auto ins Bett, - äh, in die Garage.
Von den Ereignissen des Tages immer noch reichlich bedrückt, stelle ich eher lustlos ein paar Kuchenteller auf den Küchentisch und außerdem eine Schachtel mit Keksen. ›Besser als gar nichts‹, denke ich so bei mir, ›wir hatten heute ja schließlich nichts zum Mittagbrot.‹
Als die Kaffeemaschine endlich durchgelaufen ist, rufen wir die Kinder zu einem kleinen Imbiss aus ihrem Zimmer hinunter. Mir zu Liebe knabbern Steven und Patrick auch ein wenig an den selbst gebackenen und leider etwas zu hart gewordenen Keksen herum, die ich ihnen schon auf ihren Teller bereitgelegt habe.
Martin und ich trinken dann nur ein Tässchen Kaffee, denn wir haben beide plötzlich keinen rechten Appetit und Hunger mehr. Schon gar nicht auf einen solchen süßen Kram wie diese Kekse hier.
Eine richtige Unterhaltung will auch nicht in Gang kommen, denn irgendwie hängt jeder von uns seinen eigenen, ihn bedrückenden Gedanken hinterher.
Nach einem geraumen Weilchen bemerke ich dann aber doch, dass ich von meinen drei Männern nicht nur nachdenklich, sondern auch äußerst kritisch angeschaut werde.
»Na, mein Goldschatz! Willst du nicht endlich mit dem herausrücken, was für heute in Wirklichkeit so geplant war?«, wendet sich Martin nun mit sanfter und doch fordernder Stimme an mich.
Das kann es einfach nicht geben! Jetzt heule ich tatsächlich doch noch los, und mit von Tränen fast erstickter Stimme, zwischendurch immer wieder tief aufschluchzend, erzähle ich meinen zwei Söhnen nun vom vergangenen Mittwoch. Von der Anzeige in unserer Zeitung über den Verkauf der kleinen Frettchen. Von den Telefongesprächen mit der Frau Seitling und zu guter Letzt, von dem für den heutigen Tag geplanten Vorhaben. Dass ja nun alles buchstäblich geplatzt wäre, geplatzt wie eine superdünne Seifenblase. Und wieder rennen mir haltlos die heißen Tränen über das Gesicht.
»Bitte, bitte nicht weinen, Mama!«, ruft der Lütte aufgewühlt dazwischen, denn, wenn seine Mutter heult, dann muss doch eigentlich etwas Schlimmes passiert sein. Er wischt mir ganz sachte, als ob ich aus hauchdünnem Glas bestehen würde, mit seinem zerknautschten Taschentuch, die immer noch haltlos laufenden Tränen von meinem Gesicht.
Heimlich werfe ich einen sehr bedenklichen Blick auf Patricks Taschentuch, es ist aber, ›Gott sei Dank!‹, zweifelsohne noch unbenutzt, vollkommen sauber und es wurden darin auch keine Maskottchen, die man ja auf der Straße als Junge so reichlich finden kann, eingewickelt. Langsam aber sicher bekomme ich mich jetzt auch wieder ein.
In diesem angespannten Moment kracht oder besser klirrt es plötzlich furchtbar laut!
Ehrlich erschrocken schauen wir uns in die Augen und dann suchend um. Aber schnell ist die Ursache für den plötzlichen Knall gefunden. Steven hat, aus lauter Versehen, seinen Kuchenteller samt Tasse vom Küchentisch gestoßen und beide haben das kleine Missgeschick ›nur‹ nicht überstanden.
Doch eigenartigerweise regt mich das heute nicht mehr auf. Vor wenigen Stunden noch hätte ich mich an so etwas echt hochziehen können, an dieser Kleinigkeit, die im Prinzip völlig belanglos ist. Das muss wohl an meiner hin und wieder etwas sprunghaften Natur liegen, aber die im Sternzeichen der ›Zwilling‹ Geborenen sind nun mal so und kein bisschen anders.
Nachdem die Ordnung in der Küche einigermaßen wiederhergestellt wurde, wollen unsere Kinder natürlich mehr über das Tier Frettchen erfahren.
Eigentlich habe ich heute zu nichts mehr so richtig Lust, schon gar nicht auf lange Reden. Ich würde mir am Liebsten nur noch ein Gläschen Rotwein zu Gemüt führen, einen kleinen Happen essen und dann mit einem Buch im Bett verschwinden. Aber die Jungen geben einfach nicht nach. So gehe ich also in unser Wohnzimmer hinüber. Dort suche ich den kleinen Notizzettel mit den Stichpunkten hervor. Nachdem ich in die Küche zurückkehrt bin, versuche ich eine einfache und verständliche Erklärung für unsere Kinder zu finden. Dies hört sich dann wie folgt an.
»Ein Frettchen ist ein Züchtungsprodukt aus der großen Familie der Marder und es gehört zu der Ordnung der Raubtiere.
Die direkte Stammform des Frettchens ist der europäische Iltis, der weit über Europa und Asien verbreitet ist. Dort lebt er auf dem freien Feld und auch im Wald, wo er in selbst gegrabenen Erdbauten wohnt. Das Frettchen ist die domestizierte Form des frei lebenden Iltisses. Es lebt schon seit mehreren Jahrhunderten bei dem Menschen.
Falls ihr noch nicht wissen solltet, was Domestikation im eigentlichen Sinne ist. Domestikation ist die allmähliche Umwandlung eines Wildtieres zum Haustier.
Da die Frettchen vom Menschen speziell zu der Jagd eingesetzt werden sollten, wurde die albinotische Form, also die weiße Form, aus dem frei lebenden Iltis herausgezüchtet. Das heißt nichts anderes, als das nun das echte Frettchen immer weiß ist und rote Augen hat.
Die Frettchen finden auch heute noch gelegentlich ihren Einsatz bei der Jagd, ganz speziell aber bei der Hasenjagd. Das wird von einem Experten oder einem Fachmann, zum Beispiel dem Jäger, dann frettieren genannt.
Vor nicht allzu langer Zeit wurden das Frettchen und der frei lebende Iltis von Züchtern miteinander gekreuzt oder vereinfacht ausgedrückt, zur Paarung zusammengesetzt, um die unterschiedlichsten Farbschläge zu erhalten.
Die meist dunkeläugigen Mischlinge vom Iltis und dem Frettchen bezeichnet man deshalb auch als Iltisfrettchen. Wobei diese Iltisfrettchen in ihrem gesamten Verhalten wesentlich aggressiver sein sollen, als die normalen, die weißen Frettchen, weil ja wieder ein Wildtier eingekreuzt wurde.
So kann man, heute beim Zoohändler oder von einem privaten Züchter, durch diese Züchtungsversuche, circa sechs unterschiedliche Farbschläge käuflich erwerben. Dies wären, um sie einmal bei ihrem kompletten Namen genannt zu haben, das Harlekin-Frettchen, das Panda-Iltis-Frettchen, das Steppen-Iltis-Frettchen, das Siam-Frettchen, das Iltis-Frettchen und halt das ganz normale weiße Frettchen, das Albino-Frettchen. Übrigens sollte man immer zuerst zu einem Züchter gehen, wenn man ein Frettchen haben möchte, weil er auch später noch gerne mit Rat und Tat dem neuen Frauchen oder dem neuen Herrchen seiner einstigen Welpen zur Seite stehen wird.
Auch das in der Gefangenschaft lebende Frettchen kennzeichnet sein Revier, genauso wie die freilebenden Iltisse, also die Umgebung in welcher sie leben. Sie setzen dazu ihre Analdrüsen ein, die direkt unter dem Schwanzansatz sitzen und die bei Bedarf ein abscheulich riechendes Sekret absondern können. Deshalb sollen sie nur bedingt zur Haltung in der Wohnung geeignet sein.«
Interessiert, mit glänzenden Augen und geröteten Wangen, lauschen meine Kinder, was ich hier vorzubringen habe, obwohl es doch für die beiden ein trockener oder besser schwer verstehbarer Stoff sein muss.
»Ist das schon alles, was du dort auf deinem Zettelchen zu stehen hast, Mama oder hast du auch noch etwas anderes aufgeschrieben? Zum Beispiel über das, was diese Frettchen alles fressen dürfen. Wo die Tiere wohnen sollten, bei uns, den Menschen?«, werde ich gerade von Steven gefragt.
Bevor ich unserem Großen eine Antwort auf seine Frage geben kann, mischt sich aber der Lütte wieder einmal lauthals ein. »Bitte, bitte, bitte! Zuallererst etwas über die ganz kleinen Frettchen, die Babys, ja Mama? Du bekommst auch ein besonders dickes Küsschen von mir!«
Ich habe von der ausgiebigen Rederei, die für mich ziemlich ungewohnt ist, einen richtig trockenen Mund bekommen und aus dem Grund bremse ich meine beiden erst einmal in ihrem Wissensdurst. »Lasst mich bitte erst einen kleinen Schluck trinken, dann kann es ja von mir aus gleich weitergehen.«
Martin schenkt mir sogleich eine Tasse von dem Kaffee ein, der leider schon ziemlich lauwarm ist, und drückt mir dann einen Kuss auf meinen Mund. »Damit du auch bis zum Schluss durchhältst, mein Schatz, beim Erzählen!«, meint er und schmunzelt mich dabei zweideutig an.
Steven und Patrick haben inzwischen restlos alle Kekse bis auf den letzten Krümel, obwohl sie so hart waren, aufgegessen. Es ist schon
erstaunlich, wie schnell bei beiden Kindern der Heißhunger auf die Kekse wiederkommen ist. Schade eigentlich, jetzt hätte ich nämlich auch ein paar davon knabbern können, denn mit laut knurrendem Magen meldet sich ein dumpfes und nagendes Hungergefühl bei mir. Doch es scheint niemand gehört zu haben!