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EIN KLEINES WUNDER NAMENS BEN von MICHELLE MAJOR
„Du hast einen Sohn.“ Cory hält den Atem an. Wird Jordan sie beide mit offenen Armen aufnehmen? Oder sie für immer aus seinem Leben verbannen?
TAUSEND TRÄNEN UND EIN KUSS von ROCHELLE ALERS
Bei Lee findet die junge Witwe Angela ein neues Glück. Bis auch er zurück in den Einsatz muss. Verliert sie zum zweiten Mal einen geliebten Mann?
STÜRMISCHES WIEDERSEHEN IN SAVANNAH von NANCY ROBARDS THOMPSON
Es war Daniels Schuld, dass Elles Verlobter sie damals vor dem Altar stehen ließ. Und dass sie jetzt Daniel verfällt, ist wieder seine Schuld!
HERRCHEN SUCHT FRAUCHEN FÜRS LEBEN! von BRENDA HARLEN
Ständig büxt Molly aus und flitzt zu Skylar. Insgeheim versteht Jake genau, was seine Hündin an der klugen Skylar findet. Sie liebt sie … genau wie er!
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Seitenzahl: 719
Veröffentlichungsjahr: 2021
Michelle Major, Rochelle Alers, Nancy Robards Thompson, Brenda Harlen
BIANCA EXTRA BAND 102
IMPRESSUM
BIANCA EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 102 10/2021
© 2021 by Michelle Major Originaltitel: „His Secret Starlight Baby“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Karin Wenz
© 2018 by Rochelle Alers Originaltitel: „Twins for the Soldier“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Cieslak
© 2019 by Nancy Robards Thompson Originaltitel: „A Down-Home Savannah Christmas“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden
© 2020 by Brenda Harlen Originaltitel: „The Marine’s Road Home“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Stephanie Thoma-Kellner
Abbildungen: Miha Creative / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751500425
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Wie man Football spielt, weiß Profi-Sportler Jordan genau. Wie man ein guter Daddy ist, dagegen nicht. Doch das zählt, als die hübsche Cory mit einem süßen Baby nach Starlight zurückkehrt – seinem Sohn!
Er wird Single-Mom Angela heiraten, beschließt Lee. Doch seine Liebe ist nur ein Grund. Der zweite: Angela soll versorgt sein, falls er, wie ihr Mann, im Einsatz ums Leben kommt …
Die Chance, dass Elle ihm verzeiht, steht bei null. Dabei wollte Daniel wirklich nur ihr Bestes, als er Elles Verlobten vor sechs Jahren vom Jawort abbrachte! Denn Daniel selbst ist der Richtige für Elle …
„Na, Molly, wo ist dein Herrchen?“ Liebevoll streichelt Skylar den Labrador, der wieder von Jakes Ranch weggelaufen ist. Immer zu ihr – als wüsste Molly, dass sie sich nach Zuneigung sehnt …
Cory Hall ging auf den Mann zu, der eben aus dem Lokal trat. Er war über einen Meter achtzig groß, athletisch gebaut, hatte die Figur eines Football-Stars.
Im schwachen Licht der Straßenlampe konnte Cory sein kantiges Kinn mit dem Dreitagebart sehen und die Jeansjacke, die seine kräftigen Schultern umspannte. Sein dunkles Haar war von helleren Strähnen durchzogen.
Er schien Cory nicht zu bemerken, wandte sich um und schloss die Tür ab. „Wir haben geschlossen“, sagte er. Seine Stimme hallte in der ruhigen Straße wider. Also hatte er Cory doch wahrgenommen. Entweder ging Jordan Schaeffer davon aus, dass er nachts in einer Kleinstadt wie Starlight im Staat Washington keinen Ärger bekommen würde, oder er hatte keine Bedenken, damit fertigzuwerden.
Doch Cory würde ihm eine Menge Schwierigkeiten bereiten.
Aus heutiger Sicht hätte sie in den letzten Jahren sicher einiges anders gemacht. Sie hatte zugelassen, dass Leute über sie bestimmten, denen sie völlig egal war. Jetzt, im Alter von siebenundzwanzig Jahren, wollte sie neu anfangen. Für sie zählte nur eins – ihr Baby.
Cory blickte rasch über die Schulter auf den alten Buick ihrer Großmutter, den sie am Straßenrand geparkt hatte, und trat noch einen Schritt vor.
„Hey, Jordan.“
Er erstarrte. Sie waren nicht gerade als Freunde auseinandergegangen.
Ein eisiger Wind blies durch die leere Straße. Cory umfasste ihren Körper mit beiden Armen. Die Temperatur jetzt Ende März war kalt, aber keine beißende Kälte wie bei ihr daheim in Michigan. Dieser Teil Washingtons, eine Stunde östlich von Seattle in einem Tal am Fuß der Cascade Mountains, war ihr bei der Fahrt hierher am Nachmittag malerisch erschienen. Ein schöner, ruhiger Ort für einen Neuanfang.
Jordan drehte sich um. Den Ausdruck in seinen hellgrünen Augen konnte sie nicht recht deuten. Freundlich war er nicht, das hatte sie auch gar nicht erwartet. Doch in den zweieinhalb Tagen, die ihre Fahrt durchs halbe Land hierher gedauert hatte, war ihre Fantasie mehr als einmal mit ihr durchgegangen.
Sie ballte die Hände. Alleinerziehende Mütter hatten keine Zeit, Träumen nachzuhängen.
„Wie geht es dir?“ Sie räusperte sich und versuchte zu lächeln.
„Was machst du hier?“ Er steckte die Schlüssel ein. Eingehend musterte er Cory. Sie wünschte, sie hätte wenigstens ihren Lockenstab mitgenommen, als sie aus Atlanta abgereist war. Sie hatte sich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr hübsch gemacht.
„Ich war … hier in der Gegend und dachte, ich komme mal vorbei, um Hallo zu sagen.“ Sie hob lahm die Hand.
Jordan starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
„Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst.“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin sicher, du willst …“
„Ich erinnere mich an dich, Cory.“ Seine Stimme klang wie ein tiefes, ärgerliches Brummen. „Ich erinnere mich an alles.“
Cory schluckte. „Na ja, das ist gut.“ Sie wies zum Lokal, das er eben verlassen hatte. „Das Gasthaus gehört dir, stimmt’s? Sieht gut aus.“ Innerlich wand sie sich, weil sie ihren dümmlichen Redefluss nicht stoppen konnte. Aber sie schaffte es einfach nicht, auf den Punkt zu kommen.
„Es ist nach Mitternacht.“ Er strich sich mit der Hand durchs Haar. Es war unbändig und wild wie der Mann selbst.
„Richtig.“ Sie atmete tief. „Ich muss mit dir reden, Jordan.“
„Das dachte ich mir.“
„Es geht um das, was geschehen ist, seit du fort bist.“
„Wie ich gehört habe, hat Kade ein super Angebot bekommen. Vierzig Millionen für vier Jahre. Er hat es geschafft. Ihr beide habt genau das bekommen, was ihr gewollt habt.“
Sie zuckte zusammen, als sie die anklagenden Worte hörte. „Kade und ich sind kein Paar“, sagte sie.
„Mir egal, Cory. Ich will jetzt nur noch nach Hause, ins Bett und schlafen. Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft, ohne Kade Barrington, wenn das wahr ist.“
„Ich habe dich nie angelogen“, sagte sie und bemühte sich, nicht zu zeigen, wie sehr seine Worte sie verletzt hatten.
„Du bist zu ihm zurückgegangen.“
Hörte sie da Schmerz in Jordans Stimme?
„Nachdem du abgehauen bist.“ Sie biss sich so heftig auf die Wange, dass sie Blut schmeckte. „Du bist weggegangen, ohne dich zu verabschieden.“
Er lachte. „Sweetheart, wir hatten kaum Hallo gesagt.“
Oh nein, so durfte er nicht mit ihr reden. Sicher, sie hatten nur eine Nacht zusammen verbracht. Aber es hatte ihr … etwas bedeutet. Ihr hatte es alles bedeutet.
Ihr Blick glitt zu der alten Kiste, die ihre Großmutter ihr vor ihrem Tod geschenkt hatte. Am liebsten wäre sie sofort eingestiegen und weggefahren.
Dann schaute sie Jordan wieder an, blickte in diese Augen, die sie jeden Tag anzusehen schienen. Sie musste das durchstehen. Für ihr Baby.
„Wir haben viel gesagt“, entgegnete sie. „Wir haben viel gemacht. Jedenfalls so viel, dass ich jetzt eine sechs Monate altes Kind im Auto sitzen habe.“ Sie wies auf den Buick. „Du hast einen Sohn, Jordan.“
Jordan starrte den Kleinen an, den seine Mutter im Arm hielt und der ihn ebenfalls ansah. Dann ging er in seinem Lokal, dem „Trophy Room“, auf und ab. Seine Gedanken rasten, Adrenalin durchströmte ihn. Jordan war als Athlet aufgewachsen. Er stellte sich jeder Herausforderung und jedem Gegner.
Cory Hall hatte ihn mit vier Worten beinahe ins Wanken gebracht.
Du hast einen Sohn.
Natürlich erinnerte er sich an sie. Der Gedanke, er hätte die schöne Freundin seines idiotischen Quarterback vergessen können, war absurd. Sie war anders als die anderen Freundinnen und Frauen der Team-Kameraden. Sie schien sich nicht viel aus Luxus zu machen, war wohl nur darauf bedacht gewesen, Kade glücklich zu machen, was gar nicht so einfach war.
Jordan hatte zwei Saisons mit Kade Barrington in Atlanta gespielt. Es hatte ihn ziemlich erschüttert, dass eine Frau wie Cory sich selbst so aufgeben konnte. Kade war sehr talentiert. Aber er war aus dem Team, das ihn vom College geholt hatte, entlassen worden, weil er mit den Trainern und Mitspielern nicht zurechtkam.
In Atlanta wollte er Eindruck machen. Er und Cory mieteten ein großes Haus in einer teuren Wohngegend, und Kade veranstaltete oft große Partys mit dem Team. Cory hatte sich in großen Gruppen nie wohlgefühlt. So war sie eines Abends mit Jordan draußen am Pool ins Gespräch gekommen.
Ihre Unterhaltungen waren zu einem Lichtblick in Jordans Leben geworden. Doch dann hatte er eine Verletzung erlitten und hatte Cory wochenlang nicht gesehen. Bis zu der Nacht, in der sie in seiner Wohnung aufgetaucht war. Sie hatte mit Kade Schluss gemacht und hatte Jordan gebeten, auf seiner Couch schlafen zu dürfen. Aber es war anders gekommen.
„Ich werde einen Vaterschaftstest machen lassen, wenn du möchtest“, bot Cory mit ruhiger Stimme an. Sie sah anders aus, als er sie in Erinnerung hatte. Ihr dunkles Haar war kürzer, es reichte ihr gerade noch bis zu den Schultern. Ihre schlanke Figur, die rosigen Lippen und die Sommersprossen auf ihrer Nase hatte sie immer noch. Doch der Ausdruck ihrer dunkelbraunen Augen war anders. Zurückhaltend und abgekämpft, als hätte sie Dinge erlebt, die sie von Grund auf erschüttert hatten.
Es hatte ihm die Sprache verschlagen, was sie ihm da draußen gesagt hatte. Irgendetwas in ihm hatte sich gegen den Gedanken gewehrt, Vater zu sein. Am liebsten hätte er sie weggeschickt.
Jordan hatte ein gutes Leben in Starlight. Er mochte die Stadt und die Leute. Er hatte hart gearbeitet, um aus der Kneipe ein beliebtes Lokal für Einheimische und Touristen zu machen. Er führte ein einfaches, anständiges Leben.
Cory Hall war ziemlich schwierig. Auch schon ohne das Baby. Jordan wollte keine Schwierigkeiten.
Er hatte sie gebeten, mit ihm ins Lokal zu kommen. Er schaffte es nicht, sie wegzuschicken, ohne sie anzuhören.
Der Kleine, der friedlich in seiner Babyschale geschlafen hatte, war aufgewacht. Cory hatte ihm rasch ein Fläschchen warm gemacht, während Jordan aus dem vorderen Fenster seines Lokals in die Nacht schaute.
„Er sieht mir ziemlich ähnlich“, meinte er mit gepresster Stimme.
„Ja.“ Cory lächelte das Baby an, das allmählich wieder eindöste. „Er hat deine Augen. Ich habe noch nie jemand anderen mit dieser Augenfarbe gesehen.“
„Die habe ich von meinem Vater“, sagte Jordan, dann kniff er die Lippen zusammen. „Wieso erfahre ich jetzt erst, dass ich einen Sohn habe, Cory?“
„Tut mir leid.“ Sie runzelte die Stirn. „Als du aus Atlanta verschwunden bist, dachte ich …“ Sie wurde rot und schüttelte den Kopf. „Das spielt keine Rolle.“
„Du bist zu Kade zurückgegangen.“
„Nicht gleich. Wir haben es noch mal miteinander versucht, nachdem ich gemerkt hatte, dass ich schwanger war“, gab sie zu. „Es schien mir das Beste zu sein für das Baby. Als der Arzt die erste Ultraschalluntersuchung machte, ist mir klar geworden, dass das Baby wegen des Zeitpunkts der Empfängnis nicht von Kade sein konnte.“
„Und es gab niemanden außer mir?“
Sie schloss einen Moment die Augen. Er merkte, wie sehr die Frage sie verletzte.
„Vergiss, dass ich das gefragt habe.“ Er setzte sich in den Sessel ihr gegenüber. „Ich weiß, dass das Baby von mir ist. Hast du es Kade gesagt?“
Sie verzog die Lippen. „Ich habe ihm nur gesagt, dass ich mit jemand anders zusammen gewesen bin, nachdem wir uns getrennt hatten. Er hat mich rausgeworfen, ich hatte nichts als die Kleider auf dem Leib. Ich blieb ein paar Tage bei einer Freundin. Und eine Freundin von einem seiner Kumpel hat mir ein paar von meinen Sachen gebracht. Aber das meiste, was ich besaß, hatte er mir gekauft. Die Kleidung, das Auto, den Schmuck.“
„Hast du das sehr vermisst?“
Sie rollte die Augen. „Du weißt, dass ich mir nie viel daraus gemacht habe.“
„Ich dachte, ich kenne dich“, sagte er ruhig. Der Schmerz in seiner Brust wurde immer heftiger. „Aber die Frau, die ich kannte, hätte mir mein Baby nicht vorenthalten.“
Sie wechselte etwas die Position, damit das Baby sich noch besser an sie kuscheln konnte. „Nach deinem Verschwinden dachte ich, du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben. Eigentlich wollte ich nach seiner Geburt mit dir Kontakt aufnehmen. Aber wegen der Operation und der anschließenden Arztbesuche war das alles ein bisschen viel.“
„Was für eine Operation?“ Jordan richtete sich auf.
„Ben hatte einen angeborenen Herzfehler. Die Ärzte haben das kurz nach seiner Geburt festgestellt“, erklärte sie. „Er wurde operiert, als er fünf Tage alt war.“
„Was für einen Herzfehler?“, wollte Jordan wissen. Dann atmete er tief ein, um sich zu beruhigen, denn das Baby war zusammengezuckt. „Sorry, ich wollte nicht so laut sein.“
„Schon okay.“ Cory lächelte ihn schüchtern an. Früher hatte sie immer offen und strahlend gelächelt. „Es war eine Verengung der Aorta, und seine unteren Extremitäten wurden mangelhaft durchblutet. Das musste mit der OP korrigiert werden. Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht, aber er hat es tapfer durchgestanden. Der Kinderkardiologe sagte, jetzt sei Ben gesund. Und er ist so süß.“ Sie atmete tief ein und fügte hinzu: „Er ist perfekt.“
Jordan rieb fest über seine Brust, wie um den Schmerz zu verscheuchen, den er bei Corys liebevollem Ton empfand. Fragen und Anklagen durchfluteten seine Gedanken. „Und du hast mit allem allein fertigwerden müssen?“
Cory schüttelte den Kopf. „Ich bin nach Michigan zurückgegangen und bin bei meiner Großmutter eingezogen. Mom wollte nichts mit mir zu tun haben. Sie war zu verärgert, weil ich meinen ‚Ernährer‘ verloren hatte.“ Ihr verächtliches Schnauben zeigte, was sie von dieser Meinung hielt.
Trotz seiner Enttäuschung musste Jordan zugeben, dass das viel über ihren Charakter aussagte. Die Bestätigung, dass er sich doch nicht in ihr getäuscht hatte, besänftigte seinen Ärger etwas.
„Granny war wunderbar, aber …“ Ihr Blick verdunkelte sich. „Sie ist letzten Monat gestorben.“
„Tut mir leid“, sagte er automatisch.
„Ich war froh, dass ich am Ende bei ihr sein konnte und dass sie ihren Urenkel noch kennengelernt hat. Sie war es auch, die mir das Versprechen abgenommen hat, dich zu suchen und dir von Ben zu erzählen.“
„Danke, Granny“, sagte er und schaute zur Decke.
„Ich erwarte nichts von dir.“ Cory lachte leise. „Ich habe gelernt, keine allzu hohen Erwartungen zu haben. Wenn du an seinem Leben teilhaben möchtest …“
„Wofür hältst du mich denn?“ Jordan spürte wieder Ärger aufsteigen. „Ja, verdammt noch mal, Cory, er ist mein Sohn. Ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen, aber ich lasse ihn garantiert nicht im Stich.“
„Okay“, sagte sie. „Wir werden einen Weg finden, das hinzubekommen. Granny hat immer gesagt, es gibt für alles eine Lösung.“
Jordan seufzte. Ein Vorteil seines einfachen Lebens war, dass er dabei seine Gefühle gut unter Kontrolle behalten konnte. Aber an diesem Abend war eine Bombe hochgegangen und hatte das Leben, das er sich in Starlight geschaffen hatte, durcheinandergewirbelt. Er wusste, dass die ruhige Zeit jetzt vorbei war.
Am nächsten Morgen wachte Cory schon früh auf. Die Morgendämmerung schimmerte durch den Spalt der schweren Vorhänge. Cory drehte sich um und sah Ben in dem Babybett schlafen, das sie gestern mithilfe des Gasthausbesitzers aufgestellt hatte.
Seit sie ihren Sohn aus dem Krankenhaus nach Hause geholt hatte, schlief er immer bei ihr im Schlafzimmer. Gestern Abend hatte sie Jordan ganz ruhig über die Krankheit ihres Sohnes berichtet. Doch damals, als sie zusehen musste, wie Ben in den Operationssaal geschoben wurde, hatte sie eine unbeschreibliche Angst empfunden.
Vielleicht würde sie niemals erklären können, weshalb sie so lange damit gewartet hatte, mit Jordan Kontakt aufzunehmen. Er war verärgert und schockiert gewesen, damit hatte sie gerechnet. Aber er war erstaunlich rasch bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen.
Cory kannte nicht viele fürsorgliche Männer. Ihr Vater hatte die Familie verlassen, als Cory noch ein Kleinkind gewesen war. Seitdem hatte sie keinen Kontakt zu ihm. Sie hatte geglaubt, Kade, den sie beim Studium an der Universität in Michigan getroffen hatte, meinte es ernst mit ihrer Beziehung. Er hatte von ihr erwartet, dass sie ihre Ausbildung abbrach, als er den Vertrag bei seinem Verein unterschrieben hatte. Trotz ihrer Bedenken war sie seinem Wunsch nachgekommen. Kade hatte behauptet, sie könne ihre Ausbildung fortsetzen, wenn sie erst einmal irgendwo sesshaft geworden wären.
So war aus ihr eine Vollzeit-Freundin geworden, die für die Erfüllung von Kades Wünschen zur Verfügung stand. Sie hatte in einer kleinen Boutique gearbeitet, die einer der anderen Spielerfrauen gehörte. Und sie hatte zu ignorieren versucht, dass ihr Leben sich nur um einen Mann drehte.
Als sie aus Atlanta fortgefahren war, hatte sie eine Hand auf ihren Bauch gelegt, als könne ihr das wachsende Leben darin Kraft geben. Sie hatte sich ganz fest vorgenommen, sich nie wieder den Wünschen eines Mannes zu beugen, statt ihre eigenen Träume zu verfolgen.
Jetzt lag sie in einem fremden Bett in einer fremden Stadt, unsicher, weil sie darauf wartete, dass ein Mann entschied, was er von ihr wollte.
Die unerwartete Freundschaft mit Jordan war ein Lichtblick in ihrem Leben gewesen. Weil er ein älterer Spieler mit untadeligem Ruf war, hatte der Team-Manager ihn gebeten, Kade auf dem Spielfeld und auch privat beratend zur Seite zu stehen. Jordan hatte sich Mühe gegeben, doch Kade ließ sich ungern etwas sagen. Trotzdem war Jordan zu einem Teil ihres Lebens geworden.
Jordans Charme und sein mangelndes Interesse an Partys hatten auf Cory sehr anziehend gewirkt. Sie führten stundenlange Gespräche und offenbarten dabei Seiten, die andere nicht an ihnen kannten. Als nach ihrer gemeinsamen Nacht alles zerbrach, war das für sie ein herber Verlust gewesen.
Wie würde es nun weitergehen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es wieder so werden würde wie früher. Er hatte Atlanta verlassen, ohne ihr ein Wort zu sagen. Wahrscheinlich hatte er ihre Gefühle nicht erwidert.
Sie und Jordan hatten gestern Abend keine weiteren Schritte besprochen. Ben hatte so sehr gequengelt, dass es unverkennbar Zeit gewesen war, ihn ins Bett zu bringen.
Sie hatten ihre Telefonnummern ausgetauscht und ein Treffen für den folgenden Tag vereinbart, um alles Weitere zu besprechen. Cory wollte neu anfangen und die Prioritäten anders setzen. Sie hatte nach Bens Genesung ihre Großmutter gepflegt, bis die alte Dame an Krebs gestorben war. Nun wollte sie kämpfen, um Ben ein gutes Leben zu ermöglichen.
Allerdings hatte sie kein Geld, keine Wohnung und kaum Aussicht, selbst für ihren Sohn sorgen zu können. Sie hatte das Auto geerbt, alles andere hatte ihre Mutter beansprucht.
Sie schaute zu, wie sich Bens kleine Brust bei seinen gleichmäßigen Atemzügen im Schlaf hob und senkte. Als er sich nach der OP erholt hatte, war es ihr wie ein Wunder vorgekommen.
Leise ging sie duschen und zog sich an. Hoffnung durchströmte sie, als Ben eine Stunde später aufwachte und sie mit strahlendem Lächeln ansah. Ihr stiegen Tränen in die Augen. Ihr Sohn sollte eine glückliche Kindheit haben.
Sie wechselte seine Windel, gab ihm ein Fläschchen und zog ihm ein gestreiftes Shirt und eine Latzhose an. Sie hielt den kleinen Mann für das süßeste Baby der Welt. Es war Cory wichtig, dass Jordan das auch erkannte.
Er hatte Ben gestern Abend nicht einmal in den Arm genommen. Als er sie zum Wagen brachte, hatte er Ben sanft über die Stirn gestrichen. Sie hatte ihn dann tief atmen gehört, als hätte die Berührung etwas in ihm ausgelöst.
Bisher hatte sie noch keine Nachricht von Jordan erhalten. Sie würde in ein Café gehen, dort frühstücken und ihn dann anrufen.
Cory ging die Treppe hinunter in die Eingangshalle. Ihr Geld reichte noch für zwei Nächte im Hotel. Hoffentlich brachte das Gespräch mit Jordan Klarheit über die Zukunft. Es war nun Zeit, darüber nachzudenken, welche Rolle ein Mann darin spielen sollte, der sexy, brummig und eindeutig tabu war.
Beim Eintritt in die Halle begann ihr Herz heftig zu pochen. Jordan saß in einem der wuchtigen Sessel und wartete auf sie.
„Hast du wirklich geglaubt, ich hätte die Stadt verlassen?“ Cory sah Jordan von der Seite an. Er steuerte seinen SUV die kurvenreiche Straße hinauf zu seinem Haus. „Ich bin doch extra deinetwegen hergekommen.“
„Weil du es deiner Granny versprochen hast“, erinnerte er sie. „Ich nehme an, du hast nicht geglaubt, dass ich für meinen Sohn da sein möchte.“
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Die letzten Monate waren für mich kein Zuckerschlecken“, sagte sie und bemühte sich um Fassung. „Natürlich habe ich gehofft, dass du Ben kennenlernen möchtest. Ich möchte nicht, dass mein Kind ohne Vater aufwächst.“
„Unser Kind“, verbesserte Jordan.
„Unseres.“ Sie nickte. „Du hast meine Nummer. Warum hast du mich nicht angerufen?“
„Ich war nicht sicher, ob du mit mir sprechen würdest“, sagte er. „Soweit ich weiß, warst du nicht besonders zuverlässig.“
Ärger stieg in ihr auf. Sie wusste, dass er auf die Nacht anspielte, die sie zusammen verbracht hatten. Danach war sie am frühen Morgen weggegangen, ehe er aufgewacht war.
Damals hatte Cory geglaubt, mit Kade sei Schluss, und sie hatte nicht vorgehabt, eine neue Beziehung einzugehen – schon gar nicht mit einem Football-Spieler.
Doch Jordan war ganz anders war als Kade. Als sie endlich nach ein paar Tagen allen Mut zusammengenommen hatte und zu seiner Wohnung gegangen war, war er schon fort gewesen. Sein Telefon hatte er abgemeldet. Für sie ein klares Zeichen, dass er keinen Kontakt mit ihr wünschte.
„Soweit ich mich erinnere, bist du ganz schnell verschwunden, als es kompliziert wurde.“ Sie schaute auf die Kiefern, die den Weg säumten. „Mit einem Baby ist es nicht einfach, Jordan.“
„Ich verstehe“, sagte er ruhig. „Gestern Abend habe ich mich im Internet über die Operation informiert. Der kleine Kerl hat schon viel mitgemacht.“
„Für mich war es am schlimmsten, dass ich ihm seine Schmerzen nicht abnehmen konnte.“
„Ich bin mir sicher, dass du alles Menschenmögliche getan hast, um ihm zu helfen.“
Sie zuckte die Achseln. „Die Ärzte und Schwestern haben ihm geholfen. Ich habe die ganze Zeit nur in einem Warteraum gesessen und mich gefragt, ob er das überlebt. Und was ich falsch gemacht habe, dass er mit so einer Komplikation auf die Welt gekommen ist.“
Jordan umfasste das Lenkrad fester. „Es war ein angeborener Defekt. Das hatte nichts mit dir zu tun.“
„Mütterliche Schuldgefühle sind sehr belastend.“ Sie lachte gequält.
„Hat deine Mutter sich schuldig gefühlt wegen der Art, wie sie dich aufgezogen hat?“
Cory schüttelte den Kopf. „Sie war zu sehr damit beschäftigt, sich einen neuen Freund oder Ehemann zu angeln. Hatte deine Mom Schuldgefühle deinetwegen?“ Jordan und sie hatten einander viel über ihre Kindheit erzählt.
„Sie hat sich immer Mühe gegeben, meinen Vater glücklich zu machen“, sagte er ausdruckslos.
Sie verfielen in Schweigen. Jordans Finger umklammerten das Lenkrad, und Cory fragte sich, welchen dunklen Gedanken er gerade nachhing.
Die dichten Wälder am nordwestlichen Pazifik umgaben sie. Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Schwangerschaft empfand Cory etwas wie Frieden in ihrem Herzen.
Ganz gleich, was sie und Jordan vereinbaren würden, sie wusste nun, dass sie ihr Kind nicht allein aufziehen musste.
„Ich möchte eine gute Mutter sein“, sagte sie, während sie auf eine schmale Auffahrt einbogen. „Er soll nicht dasselbe durchmachen müssen wie ich. Meine Mutter hat mich als Ursache für alle ihre Probleme betrachtet.“
Jordan fuhr langsam die kiesbedeckte Auffahrt hoch. „Das würdest du sicher nie so sehen.“ Er hielt den Wagen an. Ihr Blick glitt zur Frontscheibe. Nun erst bemerkte sie das Haus. Ein zweistöckiges Holzhaus, von einer Sonnenterrasse umgeben, mit großen Fenstern und einem Schieferdach. Es sah aus, als stünde es seit Generationen in diesen Wäldern.
„Wow!“, murmelte sie. „Dein Lokal scheint lukrativ zu sein.“
Er grinste. „Eher die NFL-Abfindung nach meiner Knieverletzung.“
Sie wandte den Blick vom Haus ab und sah ihn wieder an. „Es tut mir leid, dass dir das passiert ist.“
„Du kannst ja nichts dafür.“ Er stieg aus dem Wagen.
Sie stieg ebenfalls aus, hakte Bens Kindersitz los und hob ihn heraus.
„Ich kann ihn nehmen“, sagte Jordan und trat näher.
„Danke.“ Sie überließ Jordan die Babyschale, und er ging damit zum Haus. Nachdem er die Eingangstür geöffnet hatte, trat er zur Seite, um Cory hineinzulassen.
„Hast du nicht abgeschlossen?“
Er zog einen Mundwinkel hoch. „Ich weiß nicht, ob überhaupt jemand in Starlight die Tür abschließt. In dieser Stadt fühlen wir uns sicher.“
Dieses Gefühl konnte Cory sich kaum vorstellen. Sicherheit. Vor Enttäuschungen, Verletzungen und der ständigen Sorge, ob sie ihrem Sohn ein gutes Leben bieten konnte. Nur zu gern wollte sie herausfinden, ob das möglich war.
Jordan füllte zwei Gläser mit Wasser. Gefühle wirbelten in seinem Innern durcheinander. Er schaute über die Schulter und sah, dass Cory das Baby – sein Baby – in die Luft hob, es anlächelte und ihm liebevolle Koseworte zuflüsterte. Beim Herunterlassen bedeckte sie Ben mit Küssen und hob ihn dann wieder hoch.
Das Spiel gefiel dem Kleinen, er lachte und griff mit seinen kleinen Fingern in das nussbraune Haar seiner Mutter.
Schon als Jordan sie in Atlanta getroffen hatte, war er von ihrer Schönheit verzaubert gewesen. Der Blick ihrer braunen Augen und ihr herzliches Lächeln hatten sein verhärtetes Herz weich werden lassen. Nun ließ ihr liebevoller Umgang mit dem Baby in ihm ganz neue Gefühle für sie aufkeimen.
Das war für sie beide nicht gut.
Er hatte sich gesagt, die Nacht mit Cory sei nur ein kurzes Abenteuer gewesen. Doch in seinem Innern spürte er, dass das nicht stimmte.
Dass sie sich am anderen Morgen fortgeschlichen hatte, war für ihn ein deutliches Zeichen gewesen, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte.
Jordan hatte damals geplant, Atlanta zu verlassen, wenn sein Vertrag endete. Seine Verletzung während der Playoff Games hatte das Ende seiner NFL-Karriere bedeutet. Deshalb war es kein Problem gewesen, den Zeitplan für seine Abreise zu ändern.
Da Jordan nicht auf Ruhm versessen war, fiel es ihm leicht, alles aufzugeben und neu anzufangen. Er war in Starlight gelandet, weil ihm das Leben in einer Kleinstadt gefiel. Und es bereitete ihm wenig Mühe, das Lokal zu führen.
Cory zu vergessen war nicht so leicht gewesen.
Er hatte es schließlich geschafft – oder das zumindest geglaubt. Aber jetzt saß sie hier auf seiner Couch. Er wollte sich nicht eingestehen, wie sehr ihm dieses Bild gefiel.
Letzte Nacht hatte Jordan kaum geschlafen. Stundenlang hatte er im Internet Informationen über Bens Krankheit gesucht. Schließlich war er doch eingeschlafen. Eine Stunde später war er schweißgebadet aufgewacht, voller Panik, dass Cory es sich vielleicht anders überlegte und die Stadt verließ.
Er hätte sie gesucht, ganz bestimmt. Sie erwartete offensichtlich nicht viel von Männern, aber Jordan hätte sich nie vor seiner Verantwortung als Vater gedrückt, obwohl es ihm anders vorgelebt worden war. Er wusste nur, dass er es anders machen würde. Ein Blick in Bens Augen hatte seine Welt total umgekrempelt. Er wollte sein Bestes geben.
„Er ist zufrieden heute Morgen.“ Jordan stellte die beiden Wassergläser auf den Couchtisch und setzte sich auf einen Stuhl gegenüber der Couch. Gewöhnlich hatte er kaum Gäste zu Hause. Er mochte das Alleinsein. Doch er hatte den Eindruck, wenn Cory mit dem Baby in die Stadt zurückkehrte, würde er die Stille anders empfinden.
„Möchtest du ihn halten?“, fragte sie, voller Erwartung und Hoffnung.
„Ich tu ihm vielleicht weh“, antwortete Jordan. Doch er richtete sich auf und trat näher. Dabei spürte er seinen dumpfen Herzschlag.
„Du machst das schon richtig.“ Sie rückte etwas zur Seite und griff nach Jordans Hand. Bei der sanften Berührung hielt Jordan den Atem an. Corys Haut war so weich – überall.
Er ließ sich nicht anmerken, welche Wirkung sie auf ihn hatte, und setzte sich neben sie. Sie reichte ihm Ben, und Jordan fühlte, wie das Baby etwas zurückschreckte. Das war nur natürlich, doch der Gedanke, für sein Kind ein Fremder zu sein, war Jordan unerträglich.
„Entspann dich“, sagte Cory sanft. „Er ist ein pflegeleichtes Baby. Gestern Abend war er übermüdet, deshalb hat er so gequengelt. Sonst ist er ein richtiger Sonnenschein.“
„Bist du ein Sonnenschein?“, fragte Jordan, überrascht, wie schwer so ein kleiner Kerl schon war. Ben schaute ihn mit seinen grünen Augen an, sein zahnloser Mund verzog sich zu einem Lächeln.
Jordan hielt das Baby am Oberkörper. Ben wippte auf den Beinen seines Vaters mit seinen Beinchen auf und ab und lächelte dabei die ganze Zeit.
„Er ist ziemlich lebhaft“, sagte Cory lachend. Sie erhob sich von der Couch. „Mist! Jetzt habe ich die Tüte mit den Windeln bei dir im Auto liegenlassen. Seine Decke und sein Spielzeug sind darin. Wir können ihn auf dem Boden spielen lassen, während wir uns unterhalten.“
„Warte! Lass mich nicht allein mit ihm.“ Panik klang in Jordans Stimme mit.
„Nur eine Minute.“ Sie strich ihm im Vorbeigehen über die Schulter. „Du machst das gut.“
Jordan wollte nicht als Feigling dastehen. Er hatte es bei der NFL mit den härtesten Gegnern zu tun gehabt, warum hatte er solche Angst vor einem Baby?
„Du musst nicht weinen“, sagte er zu dem Jungen, der seine kleine Faust in den Mund schob. „Bitte.“
Zu seiner Erleichterung wippte Ben weiter auf und ab und schaute ihn an.
„Ich finde es ja gut, dass du jetzt schon Kniebeugen machst“, meinte Jordan und entspannte sich allmählich. „Sie sind gut für deine Fitness. Vielleicht könntest du noch aufhören, auf deiner Hand rumzukauen. Dein Ärmel ist schon ganz voll Sabber.“
„Er zahnt“, erklärte Cory, die eben hereinkam.
„Gut, dass du wieder da bist“, stellte Jordan fest. „Aber Ben und ich sind gut zurechtgekommen.“
Sie lachte. „Du bist ein Naturtalent.“
Wohl kaum, wenn man bedachte, wie erleichtert er nun war, als sie ihm das Baby abnahm. Sie setzte Ben auf die bunte Decke, die sie auf dem Teppich ausgebreitet hatte, und reichte ihm ein Plastiktelefon, das scheppernd Musik abspielte.
„Hast du ihn schon Luke Bryan hören lassen?“, fragte Jordan, als sie sich neben ihm auf die Couch setzte.
„Nicht so bewusst, aber wir haben auf dem Weg hierher eine Menge Countrysongs gehört.“
Jordan nickte. „Musik ist wichtig. Er sollte Klassiker von Country, Rock und Blues kennen.“ Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn. „Aber darum werde ich mich kümmern, Cory. Ben ist mein Sohn, und ich möchte immer Teil seines Lebens sein.“
Cory fand den Gefühlsaufruhr, den Jordans Erklärung in ihr auslöste, unbeschreiblich. Ebenso die Reaktion ihres Körpers auf seine Nähe. Dunkle Bartstoppeln schimmerten auf seinem Kinn, und die Lachfältchen um seine Augen faszinierten sie. Alles an ihm fand sie anziehend, und das beunruhigte sie.
Gleichzeitig war sie überwältigt davon, wie spontan Jordan die Situation akzeptiert hatte. Zweifellos würde er ein idealer Vater sein. Er war finanziell abgesichert, hatte einen eigenen Betrieb und wohnte in einer malerischen Umgebung.
Cory selbst besaß nur den alten Buick ihrer Großmutter und die Dinge, die dort im Kofferraum lagen. Keinen Collegeabschluss, ganz zu schweigen von einem Beruf.
Der Gedanke bestärkte sie in dem Entschluss, etwas aus ihrem Leben zu machen.
„Ich bin hergekommen, damit du ein Teil seines Lebens sein kannst.“ Cory war erleichtert, dass ihre Stimme nicht vibrierte. „Ich möchte, dass du eine Beziehung zu ihm aufbaust, Jordan. Als Nächstes sollten wir herausfinden, wie wir das gemeinsam schaffen.“
Jordan schaute sie eindringlich an. Sein Blick drückte aus, was zwischen ihnen hätte sein können.
„Ich meine nicht, wie es zwischen uns beiden läuft“, stellte sie klar. „Da gibt es nichts.“
„Natürlich“, murmelte er dumpf. „Ich hoffe, du bleibst in Starlight. Ich möchte Ben in der Nähe haben.“
Ehe sie antworten konnte, klingelte sein Handy, das in der Küche lag.
„Ich sehe rasch nach, wer anruft.“ Jordan stand auf und machte einen langen Schritt über die Babydecke. Cory versuchte, sich durch die kräftigen Oberschenkelmuskeln, die sich unter dem Jeansstoff abzeichneten, nicht irritieren zu lassen.
Sie setzte sich neben Ben auf die Decke und beobachtete verstohlen, wie Jordan auf den Anruf reagierte. Er lehnte das Gespräch ab. Das Telefon begann gleich darauf wieder zu klingeln. Er stellte es stumm und versandte dann eine Nachricht. Einen Augenblick später erhielt er eine Antwort und schaute stirnrunzelnd auf den Bildschirm.
„Eine hartnäckige Freundin?“, fragte sie leichthin, als er ins Wohnzimmer zurückkam.
„Meine Mutter“, sagte er knapp.
„Ist alles in Ordnung?“
Er zuckte mit den Achseln. „Ich muss morgen früh nach Hause fahren. Familienangelegenheit. Ich werde ein paar Tage weg sein.“
„Okay.“ Sie wusste nicht, was sie von seinem Stimmungsumschwung halten sollte. „Ich habe das Hotelzimmer noch für eine Nacht gebucht. Danach muss ich schauen, wo ich …“
„Du solltest mitkommen“, sagte er plötzlich.
Cory sah ihn erstaunt an. „Fände deine Familie es nicht seltsam, wenn ich mitkäme?“ Sie strich Ben über die Stirn.
„Gewiss nicht“, sagte Jordan eisig. „Seit ich wieder hier lebe, habe ich niemanden von meiner Familie gesehen. Sie wissen nur, dass ich hier ein Lokal habe. Wenn ihr beide, du und Ben, mitkommt, lenkt sie das ab. Sie werden mit dem Baby beschäftigt sein und mir keine Vorwürfe machen, weil ich mit dem blöden Unfall meine Karriere ruiniert habe.“
„Daran können sie dir doch keine Schuld geben.“ Offensichtlich hatte Jordan ihr nicht alles über die Beziehung zu seiner Familie und den Grund dieser Reise erzählt.
„Bitte komm mit.“ Er schloss einen Moment die Augen. Als er sie öffnete, erkannte sie darin einen Schmerz, der ihr das Herz zerriss. „Die Lage ist kompliziert. Vielleicht lassen wir uns ein paar Tage Zeit, um uns aufeinander einzustellen, bevor wir Pläne für die Zukunft machen. Du kannst darüber nachdenken, ob du in Starlight bleiben möchtest.“ Er lächelte zögernd. „Ich hoffe, dass du bleibst. Es ist ein idealer Ort für Kinder.“
„Hast du eine Freundin?“, platzte sie heraus. Sie biss sich auf die Unterlippe.
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Hast du einen Freund?“
Sie rollte die Augen. „Ich habe kaum Zeit für mich. Und schon gar nicht für einen Mann.“
„Gut zu wissen.“ Er nahm einen tiefen Atemzug. „Kommst du mit mir, Cory? Du und Ben? Ich verspreche, dass du Zeit für dich haben wirst, wenn wir fort sind.“
Zum ersten Mal seit langer Zeit wich der Druck der Verantwortung von ihr. Weshalb sollte sie die Entscheidungen nicht ein paar Tage aufschieben? Sie konnte mit ihm zu diesem Familientreffen gehen und Spaß haben.
„Möchtest du mit deinem Daddy verreisen?“ Sie hob ihren Sohn auf und drückte ihn an sich. Ben quietschte vor Vergnügen.
„Das hört sich für mich wie ein Ja an“, meinte Jordan.
„Okay“, sagte sie. „Wir können auf der Fahrt ja Pläne für eine Co-Elternschaft machen.“
„Wie du möchtest.“
„Meine schönen Kleider habe ich fast alle in Atlanta gelassen“, sagte sie. „Deshalb habe ich keine große Auswahl. Wenn es eine schicke Hochzeit wäre …“
„Nein.“ Jordan schaute aus dem Panoramafenster zu dem See hinter dem Haus und dann wieder zu Cory. „Es ist eine Beerdigung. Mein Vater.“
Tanya Mehall, Barkeeperin im „Trophy Room“, sah Jordan stirnrunzelnd an. „Du vergraulst die Gäste mit deinem finsteren Gesicht“, murmelte sie. „Reiß dich zusammen.“
Tanya stammte aus Starlight. Sie war ein paar Jahre älter als Jordan und bemutterte gern Menschen, Gäste genau wie andere Mitarbeiter.
Seufzend blickte Jordan auf die Menschenmenge im Lokal. Er zwang sich zu einem Lächeln. Nach ein paar Minuten Small Talk mit ihm waren die Gäste sichtlich entspannter. Sie unterhielten sich über das Spiel, das gerade im Fernsehen übertragen wurde.
Nick Dunlap, Starlights Polizeichef, tauchte am Ende der Theke auf und winkte Jordan, der ihm zunickte. Donnerstags holte Nick immer Abendessen für seine Verlobte Brynn und deren Sohn Tyler. Das Paar hatte den zehnjährigen Sohn und ein Baby, eine Tochter. Deshalb kamen sie nicht oft ins Lokal. Aber Brynn war verrückt nach den Hähnchenflügeln des „Trophy Room“.
„Ich hole das Essen für Nick“, sagte Jordan auf dem Weg in die Küche zu Tanya.
„Setz dein schönstes Lächeln auf und sag Madison, sie soll heute Abend niemanden mehr zum Heulen bringen.“
„Hat es Tränen gegeben? Muss ich von etwas wissen?“
„Wahrscheinlich nicht. Lächle einfach“, wiederholte Tanya.
Einfach, dachte Jordan, und betrat die Küche. Er konnte trotz der Veränderungen ein einfaches Leben haben und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
„Alles in Ordnung heute Abend?“, fragte er Colleen, eine der Bedienungen, die gerade Teller auf ein großes Tablett stellte.
Sie verdrehte die Augen. „Sicher“, sagte sie. Es klang gar nicht überzeugend.
„Ihre Kunden wären froh, wenn sie mehr auf Zack wäre“, sagte eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund. „Niemand möchte lauwarme Burger serviert bekommen.“
Colleen setzte ein falsches Lächeln auf. „Das ist mein Stichwort“, murmelte sie und huschte an Jordan vorbei.
„Es hat sich niemand beklagt.“ Jordan ging weiter und sah sich seiner mürrischen Köchin gegenüber. Madison Maurer starrte ihn an, als wollte sie ihn mit ihrem Blick durchbohren. Er hatte die Spitzenköchin trotz der Lücken in ihrem Lebenslauf eingestellt. Die rührten daher, dass sie mit manchen ihrer früheren Arbeitgeber nicht gut ausgekommen war.
Aber sie hatte in den besten Restaurants an der Westküste gekocht und hatte jede Menge Auszeichnungen. Er hatte nicht nachgefragt, weshalb sie den Job in seinem Gasthaus angenommen hatte, aber er war froh, dass sie da war. Madison hatte mit ihrer Kreativität die Speisekarte des „Trophy Room“ aufgepeppt. Leider gingen ihm allmählich die Servicekräfte aus, weil sie alle vergraulte.
Madison Maurer gab einer Küchenhilfe Anweisungen und trat näher an Jordan heran. „Das ist keine Entschuldigung für mangelnden Einsatz.“
„Unser ganzes Personal gibt sich Mühe“, entgegnete Jordan. „Wir sollten das anerkennen.“
Madison sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Tanya hat dir was gesteckt.“
Er kreuzte die Arme vor der Brust. „Hast du jemanden zum Heulen gebracht?“
„Nicht direkt.“
Danny, einer der anderen Köche, streckte den Kopf hinter der Fritteuse hervor. „Sie hat der neuen Kellnerin gesagt, sie sei total unfähig.“
Jordan stöhnte ärgerlich. „Wo ist Samantha jetzt?“
„Sie ist gegangen“, sagte Danny. „Deshalb ist Colleen so genervt.“
„Jeder weiß, dass man im Gastgewerbe ein dickes Fell braucht“, schimpfte Madison.
Jordan schüttelte den Kopf. „Gib mir Nicks Essen. Morgen fahre ich ein paar Tage weg. Wenn ich zurückkomme, unterhalten wir uns.“
Madison presste die Lippen zusammen. Sie reichte ihm eine große braune Papiertüte. „Ich finde, da gibt es nichts zu reden. Ich habe mehr Sauce eingepackt, weil Brynn das so mag.“
„Ich höre mir deine Meinung natürlich an“, sagte Jordan. „Danke, dass du Brynns Sonderwünsche erfüllt hast.“
„Du siehst“, meinte Madison, „ich stelle mich ganz auf die Gäste ein.“
Jordan grinste verhalten. Zweifellos hatte die Einstellung von Madison Maurer aus der einfachen Kneipe ein Gasthaus mit guter Küche gemacht, genau wie es ihm vorschwebte. Aber im Vergleich zu dieser Frau war ein Kaktus weich wie ein Kätzchen.
Normalerweise war Jordan bei der Führung seiner Mitarbeiter sehr zurückhaltend. Er stellte gute Leute ein und ließ sie ihren Job machen. Aber wenn seine Mitarbeiter das Handtuch warfen, weil Madison sie mit ihrer schlechten Laune vergraulte, war das ein Problem. Darum musste er sich kümmern.
Er reichte Nick die Tüte und erwähnte die Extra-Portion Sauce.
„Brynn wird sich freuen“, versicherte der Polizeichef lächelnd. „Alles klar bei dir?“
„Ja, super.“ Wieso sah ihm nur jeder gleich an, was in ihm vorging?
„Ganz schön viel los für einen Donnerstag“, bemerkte Nick. „Niemand kann Madisons Hähnchenflügeln widerstehen.“
„Sie kann was, das stimmt.“
„Wenn du was brauchst, sag Bescheid. Okay?“
„Mach ich“, sagte Jordan, und seine Anspannung löste sich etwas. Jordan lebte ziemlich zurückgezogen, doch durch seinen Job als Gastwirt hatte er viele Leute kennengelernt. Leute, auf die er sich verlassen konnte. Die ihm helfen würden, seinen Sohn behütet aufwachsen zu lassen.
„Was macht Remi?“, fragte er, als Nick sich schon zum Gehen wandte.
Der Polizeichef grinste. „Sie macht uns jeden Tag mehr Freude. Sie kann schon beinahe allein sitzen.“
Jordans Herz schien aus dem Rhythmus zu geraten. Würde er sich auch so gut in seine Vaterrolle einfinden? Vielleicht würde er nach der gemeinsamen Fahrt nach Spokane klarer sehen.
„Bist du sicher, dass es nicht seltsam wirkt?“, fragte Cory, als sie an einem Schild vorbeifuhren, auf dem zu lesen war, dass Spokane noch dreißig Meilen entfernt war.
„Das hoffe ich“, sagte Jordan. „Dann klatschen sie nicht so sehr über meine Rückkehr.“
„Na, großartig.“ Cory wischte sich über den rechten Mundwinkel. „Das beruhigt mich ja.“
Jordan zwinkerte ihr zu. „Mich auch. Übrigens, die angetrocknete Spucke ist auf der anderen Seite.“
Cory wurde rot und wischte mit dem Ärmel ihres Sweatshirts über die linke Wange. „Sorry, ich habe heute Nacht nicht gut geschlafen. Sonst wäre ich eine angenehmere Beifahrerin.“
„Alles okay“, sagte er mit seiner tiefen, volltönenden Stimme. „Ben und ich haben uns in der Zeit ein bisschen kennengelernt.“
Cory drehte sich rasch zur Rückbank um, wo ihr Sohn in seinem Kindersitz schlief.
„Bis er auch weggedöst ist“, gab Jordan zu. Wie er dabei einen Mundwinkel verzog, das löste ein Kribbeln in ihr aus.
„Wir müssen uns einig sein, was wir deiner Familie sagen“, erinnerte sie ihn.
Sein Lächeln schwand. „Am besten verraten wir nicht zu viele Einzelheiten. Wir haben uns in Atlanta getroffen, und jetzt haben wir Ben.“
Sie wandte sich zu ihm um. „Deine Familie stellt keine Fragen, wenn du plötzlich mit einem sechs Monate alten Baby aufkreuzt?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe dir ja gesagt, wir stehen uns nicht besonders nahe.“
„Ich weiß nicht mal, woran dein Vater gestorben ist“, sagte sie.
„An einer Herzattacke.“
„Ein plötzlicher Tod.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. An diesem Wochenende lauerten so viele Fallstricke auf sie. Jordans versteinerter Gesichtsausdruck verriet, dass er keine große Hilfe sein würde.
„Es tut mir leid, dass dein Vater gestorben ist.“ Sie legte ihm die Hand auf den Arm und spürte seine kräftigen Muskeln. Bei der Berührung schlug ihr Herz schneller.
Einige Augenblicke schwieg er. „Es hat mich nicht getroffen“, sagte er. „Wir hatten keine Beziehung zu einander.“
„Dann tut mir eben das leid.“
Er sah sie kritisch an, dann schüttelte er den Kopf. „Meine Mutter ist traurig. Sie klang so verloren. Ich möchte, dass sie erkennt, dass ihr Leben ohne ihn viel besser ist.“
„Wie lange waren sie verheiratet?“
„Fünfunddreißig Jahre.“
„Und du bist dreißig.“
„Ja.“
„Hast du Geschwister?“
„Einen Bruder. Max ist fünfundzwanzig.“
Sie merkte, wie er mit seinen aufsteigenden Emotionen kämpfte. „Spielt er Football?“
Jordan schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist klug.“
Meinte er damit, es sei klug, keine so kampfbetonte Sportart auszuüben? Auf jeden Fall war Selbstkritik herauszuhören.
„Ich glaube, wir sollten möglichst bei der Wahrheit bleiben.“ Sie nahm die Hand von seinem Arm und vermisste im selben Augenblick die Wärme, die von ihm ausging.
„Eine Party im Haus deines Freundes?“, fragte Jordan trocken.
„Wir haben uns in Atlanta während deines Engagements als Football-Spieler getroffen“, erklärte Cory, als hätte sie nichts gehört. Sie wollte nicht an die Nächte denken, in denen sie draußen am Pool mit Jordan geredet hatte, während die anderen im Haus feierten. Die Zeit mit ihm war ihr wichtiger, als sie sich eingestehen wollte.
Er war freundlich und zugewandt gewesen, ganz anders als Kade. Es war zu verlockend, sich ein Leben an der Seite eines Mannes wie Jordan vorzustellen.
„Ich denke, wir bleiben bei der Geschichte, dass wir Ben überraschend bekommen haben …“
„Das ist absolut untertrieben“, murmelte Jordan. Er setzte den Blinker, um den Highway zu verlassen.
Cory spürte, wie ihr heiß wurde. „Durch ihn haben wir gemerkt, dass wir zusammenbleiben möchten. Dass wir eine Familie sind.“
In der folgenden Stille schienen ihre Worte nachzuhallen.
„Sicher“, sagte Jordan schließlich beinahe flüsternd. „Wir besuchen nur die Trauerfeier, da geht es nicht so in die Details.“
Cory wollte ihm nicht widersprechen, doch ihrer Erfahrung nach spielten Details wohl eine Rolle.
„Das ist eine hübsche Stadt“, murmelte sie. Sie fuhren an bescheidenen Häusern mit adretten Einfahrten und ordentlichen Gärten vorbei.
„Die Hitze und die Feuchtigkeit im Süden waren anfangs die Hölle für mich“, gab er grinsend zu. „Mir wurde bei jedem Training schlecht, aber ich habe einfach weitergemacht. Ich war so glücklich, von hier fort zu sein.“
„Und von deinem Vater?“
Er nickte steif.
„Wir schaffen das.“ Dieses Mantra hatte Cory sich in den vergangenen anderthalb Jahren unzählige Male vorgebetet, aber es erschien ihr seltsam, nun „wir“ statt „ich“ zu sagen. Doch es war gut, nicht allein zu sein und selbst Unterstützung anbieten zu können.
„Ich habe in einem Hotel in der Stadt zwei Zimmer gebucht“, sagte Jordan. Er hielt vor einem Haus aus roten Ziegeln mit weißen Fenstern und Dachrinnen. „Auf keinen Fall bleibe ich hier.“
„Okay“, sagte sie automatisch. Als er das Auto abstellte, schaute sie zum Rücksitz, wo Ben schlief. Ihr süßer kleiner Junge würde seine Großmutter kennenlernen.
Corys Mutter Tracy hatte das Baby bisher erst zweimal gesehen. Beide Treffen waren von Tracys Enttäuschung über ihre Tochter geprägt gewesen. Ben war ihrer Meinung nach der sichtbare Beweis dafür, dass Cory ihre Zukunft zerstört hatte.
Es war naiv, große Hoffnungen auf eine Fremde zu setzen, doch vielleicht war Jordans Mutter wenigstens nett. Das wünschte sie sich für ihren Sohn. Eine liebevolle Familie.
Sie weckte Ben und hob ihn aus dem Kindersitz. Jordan stand mit finsterer Miene daneben und tippte nervös mit den Schuhspitzen auf den Asphalt.
„Möchtest du ihn ins Haus tragen?“ Sie richtete sich auf und hielt das Baby an sich gedrückt. „Vielleicht entspannt dich das ein bisschen.“
„Ich bin entspannt“, entgegnete Jordan.
Sie lächelte ihn aufmunternd an. „Du bist nicht allein, Jordan.“
Er schaute sie an, als hätte er sie nicht verstanden. „Danke“, murmelte er schließlich und strich Ben übers Haar. Der Kleine sah zu ihm auf und schob seine Faust in den Mund.
Cory merkte, dass Jordans Schultern sich etwas lockerten.
„Ich lasse ihn dir“, sagte Jordan und ging auf dem schmalen Weg voran. „Ich möchte ihm nicht wehtun und dann vor meiner Mutter dastehen, als könnte ich mein Baby nicht halten.“
„Das wird schon“, versprach Cory.
Die Haustür wurde geöffnet, als sie die Veranda erreichten. Eine ältere Frau stand im Türrahmen, die Hand vor den Mund gepresst. Sie war klein und zart. Cory dachte unwillkürlich an ein Blatt, das von einem starken Windstoß fortgeweht würde.
„Du bist da“, flüsterte sie. Ihre braunen Augen füllten sich mit Tränen.
„Ja“, sagte Jordan einfach. „Ich habe es dir versprochen.“ Er ergriff Cory am Ellbogen und zog sie näher. „Ich möchte dir jemanden vorstellen. Meine Verlobte und meinen Sohn.“
Cory fiel fast die Kinnlade herunter. Rasch machte sie den Mund zu, und auch Jordans Mutter bemühte sich, ihre Überraschung zu verbergen. Nie im Leben hätte Cory gedacht, dass Jordan einfach eine Verlobung erfinden würde.
„Ein Enkel. Ich fasse es nicht! Ich habe einen Enkel.“ Jordans Mutter lächelte das Baby an, das sie schon eine ganze Weile auf dem Arm hielt.
„Man sieht, dass er dich mag“, meinte Cory, die neben Jordan auf dem hellblauen Sofa im Wohnzimmer saß. Es war ein kleines Haus, aber Jordans Mutter Kathy hatte es stilvoll eingerichtet.
Sie hatte darauf bestanden, dass Jordan mit Cory und Ben ins Wohnzimmer ging, das früher tabu gewesen war. Jordan fragte sich, ob sie ihn auch hineingebeten hätte, wenn er allein gekommen wäre. Er spürte, dass Cory ihn in den Arm kniff. „Siehst du, dass Ben seine Großmama mag?“, fragte sie.
„Er ist ein Baby“, sagte Jordan. Seine Mutter schaute auf, und er erkannte die Hoffnung in ihren Augen. „Ja, er mag dich, Mom. Natürlich.“
„Wenn wir Ihnen noch Erledigungen abnehmen können, machen wir das gern“, bot Cory an.
„Danke, meine Liebe. Meine Freundinnen aus dem Buchklub haben mir sehr geholfen, seit James gestorben ist. Ich weiß nicht, wie ich das alles ohne ihre Unterstützung geschafft hätte.“
Jordan rutschte unruhig auf seinem Platz. War das ein versteckter Hinweis, dass er seiner Mutter keine Hilfe gewesen war?
Er wusste nicht, woran es lag, dass sie sich fremd geworden waren. Deshalb hatte er immer seinem Vater die Schuld gegeben. Die Ehe seiner Eltern war turbulent verlaufen. Aber seine Mutter war ihrem Mann treu ergeben gewesen. Nie war sie eingeschritten, wenn er Jordan gegenüber Härte zeigte oder ihm im Sport zu viel abverlangte.
James war besessen gewesen von Jordans sportlichem Talent. Er wollte nicht nur Jordan berühmt machen, er wollte selbst am Ruhm teilhaben. Jordan war bewusst, dass seinem Vater abgesehen von seiner Sportbegeisterung nichts an ihm lag.
Cory griff nach seiner Hand. Die sanfte Berührung tröstete ihn. Seltsam, dass sie seine Gedanken und Bedürfnisse erahnte.
„Wie lange bist du denn schon in dem Buchklub?“, fragte Cory, um Jordans Mutter abzulenken.
„Mehr als zwanzig Jahre“, sagte sie lächelnd. „Einige von uns kennen sich noch von der Highschool. Ich bin froh, so gute Freundinnen zu haben.“
„Das ist wunderbar.“ Cory nickte. „Das habe ich mir immer gewünscht. Bis jetzt hat es nicht geklappt.“
„Sind die Frauen in Starlight denn nicht nett?“, fragte Kathy.
„Es ist wahrscheinlich mein Fehler“, sagte Cory rasch. „Ich habe mich nur um Ben gekümmert und mich nicht darum bemüht, Freundinnen zu finden.“
„Was für dich selbst gut ist, ist auch gut für das Baby“, meinte Kathy und zeigte auf Jordan. „Kümmerst du dich denn nicht um Ben und hilfst ihr im Haushalt?“
Er saß mit offenem Mund da und wusste keine Antwort.
„Es ist nicht Jordans Schuld.“ Cory schaute ihn an. „Ich muss mehr für mich selbst tun.“
„Unsinn!“ Kathy schüttelte den Kopf. „Er ist dein Partner und Bens Vater. Du kennst doch den Spruch: Happy wife, happy life.“
„Ich glaube nicht, dass Dad das je gesagt hat“, entgegnete Jordan. Er seufzte, als seine Mutter sich nun steil aufrichtete.
„Vielleicht hast du recht“, sagte Kathy. „Aber er hat mich nie daran gehindert, mir Freundinnen zu suchen.“
„Ich habe Cory auch nicht daran gehindert“, beteuerte Jordan.
„Gewiss nicht“, bestätigte sie.
„Du bist ein nettes Mädchen“, meinte Kathy. „Macht es dir nichts aus, eine unverheiratete Mutter zu sein? Wenn ihr verheiratet wärt …“
„Stopp, Mom.“ Jordan stand auf und ging zum Kamin. Auf dem Sims standen Fotos von Jordan und seinem Bruder Max. „Niemand in Starlight sieht Cory schief an, weil wir nicht verheiratet sind.“
„Habt ihr schon ein Datum festgelegt?“, fragte seine Mutter unbeirrt.
Hinter Jordans Schläfen begann es zu pochen.
„Wie soll Ben dich nennen?“, fragte Cory, ehe Jordan antworten konnte. „Grandma oder Granny …“
„Granny“, sagte Jordans Mutter sofort.
„Schön“, meinte Cory. „Ben und seine Granny werden viel Spaß miteinander haben.“
Jordans skeptischer Gesichtsausdruck wich einem Lächeln, als er sah, wie seine Mutter strahlte. Er konnte sich nicht erinnern, seine Mutter je so glücklich gesehen zu haben. Gerade als er sich allmählich entspannte, hörte er die Hintertür zuschlagen.
„Mom?“
„Im Wohnzimmer“, rief Kathy.
„Was?“, erklang Max’ Stimme aus der Diele. „Ist jemand …“ Vor Überraschung verstummte er, als er das Wohnzimmer betrat. „Jordan, du bist zurück?“
„Warum wundert das alle?“, fragte Jordan. „Ich habe es doch gesagt.“ Mit ein paar Schritten war er bei seinem jüngeren Bruder. Max hatte dunkles Haar und sanfte braune Augen wie seine Mutter. „Gut siehst du aus, Max. Richtig erwachsen.“
„Na ja, ich bin jetzt fünf Jahre älter“, sagte Max und erwiderte Jordans Umarmung zurückhaltend.
„Du bist jederzeit willkommen in Starlight“, sagte Jordan und ignorierte die Feindseligkeit in der Stimme seines Bruders. „Ich habe viel Platz.“
„Manche Leute bleiben lieber zu Hause“, murmelte Max. Die Bitterkeit in seiner Stimme verletzte Jordan.
„Komm und schau dir deinen Neffen an“, sagte Kathy, die wie immer versuchte, die Spannung zwischen den Brüdern zu mildern. Max war als Kind oft krank gewesen und bei ihr zu Hause geblieben, Jordan dagegen hatte während der Football- und Baseball-Saison viel Zeit mit seinem Vater verbracht.
Max war erstaunt. „Du hast ein Kind?“
„Er hat auch eine Verlobte.“ Kathy wies auf Cory. „Dein Bruder hat wohl seine Manieren vergessen. Jordan, stell Max deine Cory vor.“
Seine Cory. Jordan fuhr sich mit der Hand übers Kinn. Es wäre schön, wenn es tatsächlich so wäre.
„Ich bin Cory. Freut mich, dich kennenzulernen.“ Cory trat näher und reichte Max die Hand. „Tut mir leid, dass wir uns unter so traurigen Umständen begegnen.“
Max schaute sie und Jordan an und dann Ben. „Ihr beide habt ein Baby!“ Statt Cory die Hand zu reichen, ging Max auf sie zu und umarmte sie. „Willkommen im Irrenhaus.“
„Ich freue mich, hier zu sein“, antwortete sie.
„Wir müssen zum Einchecken ins Hotel“, sagte Jordan, als Max seiner Mutter Ben abnahm. Der Kleine sah seinen Onkel groß an, dann grinste er.
„Ihr wohnt nicht hier?“
Jordan konnte seine Mutter nicht anschauen. „Wir sehen uns morgen beim Trauergottesdienst“, sagte er statt einer Antwort. Max schaukelte Ben noch ein paarmal auf den Armen, ehe er ihn Cory gab. Beim Abschied umarmte sie Max und seine Mutter.
Cory schwieg auf der kurzen Fahrt in die Stadt. Jordan war froh darüber. Er hätte nicht über den Gefühlsaufruhr in seinem Inneren sprechen können.
Cory klopfte an die Verbindungstür zwischen ihrem und Jordans Zimmer. Nach dem seltsamen Besuch im Haus seiner Mutter hatte er allein sein wollen.
Nach ein paar Sekunden öffnete er die Tür. Sein Blick wirkte verschlossen.
„Die Dame von der Rezeption sagte, hier gleich um die Ecke könnte man ganz gut essen. Ich gehe mit Ben zum Abendessen. Möchtest du mitkommen?“
Er blickte sie an, als hätte er sie nicht gleich verstanden.
Sie runzelte die Stirn. „Ich habe Hunger und dachte, du vielleicht auch.“
„Ich habe mich vorhin blöd benommen.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Beim Anblick, wie sich dabei sein Bizeps anspannte, spürte sie ein Kribbeln. „Es ist fürchterlich, wie ich mir manchmal selbst im Weg stehe.“
Cory legte rasch die Hand auf ihren Magen, der hörbar knurrte. „Es ist nicht einfach für dich“, sagte sie lächelnd. „Wir können unterwegs darüber reden. Nimm dir eine Jacke.“
„Mit dem Essen bin ich einverstanden. Mit dem Gespräch eher nicht.“ Seine Stimme klang streng, aber seine Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen. Plötzlich wünschte sie, sie könnte ihm ein Lächeln entlocken.
Als sie am Restaurant ankamen, nahm Cory Ben auf den Arm, Jordan klappte den Kinderwagen zusammen und stellte ihn an der Eingangstür ab.
Eine ältere Dame führte sie zu einem Tisch in einer Ecke und stellte einen Hochstuhl für Ben dazu. Mit großen Augen sah Ben sich in der neuen Umgebung um.
„Ich hoffe, seine Neugier bleibt ihm immer erhalten“, sagte Cory. „Er soll wissen, dass er alles ausprobieren kann und dabei immer durch meine bedingungslose Liebe aufgefangen wird.“
„Ebenso durch meine“, sagte Jordan. „Allerdings hoffe ich, dass er nicht so viel Unsinn anstellt wie ich in meiner Jugend.“
Die Kellnerin kam an den Tisch und nahm die Bestellung auf – ein Sandwich mit Hähnchen und einen Salat für Cory, einen Cheeseburger mit Pommes frites für Jordan.
Cory schaute ihr Gegenüber lange an. „Warst du früher ein Rebell?“
„Ich habe meine Lektion lernen müssen.“ Er sah sich im Restaurant um. „Den meisten Blödsinn habe ich in der Highschool gemacht. Als ich aus Spokane wegging, war das vorbei.“
„Weil du dich nicht mehr gegen deinen Vater auflehnen musstest?“
„Es hatte sicher damit zu tun.“ Jordan zuckte die Achseln und wandte sich dann Ben zu. Er ließ seine Hand vor Ben kreisen, und der Kleine fasste nach einem Finger. Cory hielt den Atem an, als sie das Lächeln der beiden sah. „Ich möchte nicht, dass dieser kleine Kerl Grund hat, gegen mich anzukämpfen.“
„Du und dein Dad, ihr hattet wohl große Probleme.“
„Ich konnte ihm nie etwas recht machen. Aber solange er auf mir herumhackte, hatte wenigstens meine Mutter Ruhe vor ihm. So etwas soll Ben nicht erleben.“ Er schloss einen Moment die Augen, als durchlebte er schmerzhafte Erinnerungen. „Ich habe keine Erfahrung als Vater, aber ich weiß genau, was ich vermeiden will.“
„Das klingt hart.“
Als er sie wieder ansah, wirkte er verzweifelt. „Ich hätte nicht gedacht, dass mich die Rückkehr so schwer trifft. Und als ich dann meine Mom mit Ben gesehen habe, wie glücklich sie war …“
Cory versuchte, sich ihre Rührung nicht anmerken zu lassen. „Ich weiß, dass ihr euch nicht nahesteht, aber vielleicht kann Ben das ändern. Es ist doch offensichtlich, dass sie dich liebt.“
In diesem Augenblick brachte die Kellnerin das Essen. Cory bedauerte, dass sie Salat bestellt hatte. Der Berg Pommes frites auf Jordans Teller war unwiderstehlich.
Er reichte ihr die Ketchup-Flasche, als sie wieder allein waren. „Hier, du hast doch immer gern was von meinem Teller geklaut.“
Sie hatte früher oft mit der Mannschaft gegessen. Am liebsten hatte sie neben Jordan gesessen, weil sie sich am besten verstanden.
„‚Klauen‘ ist ein harter Ausdruck.“ Ihre Finger berührten einander, als sie ihm das Ketchup abnahm. „Ich habe gern etwas Auswahl.“
Jordan schob seinen Teller zu ihr hinüber. Er nahm eine Gabel Pommes frites und legte sie neben ihren Salat. „Lass dir’s schmecken.“
Cory verdrehte die Augen. „Ich muss noch einige Kilo von meiner Schwangerschaft abnehmen. Mit Salat ist das viel einfacher als mit Pommes frites.“
„Du siehst großartig aus.“
„Das wollte ich dir jetzt nicht rauslocken.“ Sie nahm sich etwas Ketchup auf den Teller.
„Ich weiß“, sagte Jordan mit seiner tiefen Stimme, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. „Aber es ist wahr. Das Muttersein steht dir gut.“
Das hörte sie gern. „Danke. Du stehst die Beerdigung deines Vaters sicher durch. Deine Mutter ist froh, dass du da bist.“
Jordan nahm einen Schluck Bier. „In den letzten Jahren war ich kein guter Sohn.“
„Ich habe gesehen, wie sie dich umarmt hat, Jordan. Sie wartet nur auf eine Versöhnung.“
„Es ist seltsam, dass ich ihr nicht böse sein kann. Sie hat mich nie in Schutz genommen. Sie konnte nichts für sein Verhalten, aber für mich waren die beiden eins.“
„Jetzt kannst du das ändern. Ebenso das Verhältnis zu deinem Bruder.“
„Ich kenne ihn kaum. Mein Vater und ich haben so viel Zeit bei Spielen, Turnieren und in Sportschulen verbracht. Es fühlte sich an, als wären wir zwei Familien unter einem Dach gewesen.“
„Möchtest du das ändern?“
Sekundenlang schwieg er, dann nickte er. „Ja. Aber das ist nicht einfach.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe schon lange gemerkt, dass nichts einfach ist. Aber ob etwas die Anstrengung wert ist, das ist eine andere Sache.“
Die Wintersonne schien am nächsten Tag, als Jordans Vater beerdigt wurde. Jordan konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass der Schatten des alten Mannes noch über den Menschen lag, die er zurückgelassen hatte.
Jordan hatte sich Corys Worte zu Herzen genommen. Er bemühte sich, seiner Mutter und seinem Bruder Freundlichkeit entgegenzubringen. Sie kamen ihm sofort entgegen, als hätte es nie Unstimmigkeiten gegeben. Jordan war dankbar, eine Chance zu bekommen.
Er seufzte tief, als seine Mutter ihn zum Abschied innig umarmte. Es wunderte ihn, wie gefasst sie nach dem Tod seines Vaters war. Einige ihrer Freundinnen vom Buchklub waren noch im Haus. Sie halfen ihr beim Aufräumen nach dem Empfang, der nach dem Begräbnis stattgefunden hatte.
„Ich rufe dich in den nächsten Tagen an“, sagte Jordan und trat einen Schritt zurück. „Wenn du etwas brauchst …“
„Dass du hier warst, das habe ich gebraucht.“ Sie strich ihm über die Wange und schaute dann zu Cory, die Ben im Kindersitz anschnallte. „Und dass ich meinen Enkel kennengelernt habe. Ihr beide habt wieder Freude in mein Leben gebracht.“
„Darüber bin ich froh, Mom.“
„Ich habe festgestellt, dass Zeit kostbar ist“, sagte seine Mutter und sah Ben an, der auf seiner Faust kaute. „Und ich habe eine Entscheidung getroffen.“
„Okay.“ Jordan hoffte, dass sein Lächeln eher aufmunternd als besorgt wirkte.
„Ich komme nach Starlight.“
Jordan bemühte sich, weiter zu lächeln. „Das wäre schön, Mom. Wenn ich heimkomme, schaue ich im Kalender …“
„Ich komme am Freitag“, sagte seine Mutter. „Marylou gießt in der Zeit meine Blumen, das habe ich schon mit ihr besprochen.“
Jordan schluckte. „Wie lange bleibst du denn?“
„Mindestens eine Woche. Vielleicht auch länger.“ Seine Mutter griff nach seinem Arm und drückte ihn. „Ich möchte gern einige Zeit mit dir und meinem Enkel verbringen.“ Sie lächelte Cory an. „Und mit meiner künftigen Schwiegertochter.“
„Ich denke …“ Jordan suchte nach einer passenden Antwort. Er sah, wie ihre Augen sich verdunkelten. Sie hatte eben ihren Ehemann beerdigt. Jordan konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen.
„Wir freuen uns, wenn du uns besuchst.“ Er zog Cory näher an sich. „Stimmt’s, Honey?“
„Natürlich“, murmelte sie. „Wir würden dir gern die Stadt zeigen, und es wäre schön für Ben, wenn er Zeit mit seiner Granny verbringen könnte.“