Bilderrätsel zum Verlieben - Jasmin Timm - E-Book

Bilderrätsel zum Verlieben E-Book

Jasmin Timm

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Beschreibung

Gemälde sind die große Leidenschaft von Tracy de Sanctis. Ihre Liebe zur Kunst bringt sie Bildern nahe, die sie bewertet, auf Echtheit prüft und auch repariert, wo sie kann. Doch so manches Gemälde birgt ein Geheimnis, das zu lüften ihr liebstes Hobby ist. Ihre Neugier ist grenzenlos. Walker Montgomery hat einen Job zu vergeben. Er kauft und versteigert gerne Kunstwerke, doch zuvor möchte er wissen, wieviel sie denn wert sind. Gute Zertifikate sind enorm wichtig. Sein Bruder Hawk empfiehlt ihm deshalb eine gewisse junge Dame, die die besten Referenzen hat. Für seine Galerie hat sie schon wertvolle Arbeit geleistet. Doch Walker ist von ihr so irritiert, dass es keine einfache Zusammenarbeit wird. Was stimmt mit der jungen Tracy nicht, dass er ihr nicht vertrauen kann? Wie kann sie ihm beweisen, dass sie sein Vertrauen wert ist? Die Rätsel der Kunstwerke, denen sie auf ihrer Reise zueinander begegnen, öffnen sie für Freundschaft und… Liebe? Können sie gemeinsam die eigenen Geheimnisse lösen?

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Jasmin Timm

Bilderrätsel zum Verlieben

Walker Montgomery & Tracy de Sanctis

Das Geheimnis der Bilder, ihre Rätsel, ihre Geschichten und jede Menge Liebe...

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Bilderrätsel zum Verlieben

Walker Montgomery & Tracy de Sanctis

Die Montgomerys, Teil 1

Kunst kommt von Können, wenn man´s kann ist es keine Kunst mehr.

Lieblingsspruch eines alten Freundes…

Inhaltsverzeichnis

Klappentext

Vorwort

Kapitel 1: Ein alter Ölschinken und seine Rätsel-Löserin

Kapitel 2: Ein Loft voller Liebe und weiße Farbe

Kapitel 3: Eine Kopie, der Fälscher und eine Sicherung

Kapitel 4: Eine unmoralische Wette

Kapitel 5: Nacht der Nächte?

Kapitel 6: Katzenjammer

Kapitel 7: Entschuldigung

Kapitel 8: Hawks erste Hinweise

Kapitel 9: Chinesische Mafia

Kapitel 10: New York? Oder was wünscht sich Frau?

Kapitel 11: Washington und das Gemüse

Kapitel 12: Max und das Gemüse

Kapitel 13: Abendgespräch und Dienstag

Kapitel 14: Mittwoch und der Saphir

Kapitel 15: Ein Job in Washington?

Kapitel 16: Die neue Sammlung und Videospielerei

Kapitel 17: Endlich Freitag und Spurensuche

Kapitel 18: Der Montag danach

Kapitel 19: Walkers Abwege und Dienstag

Kapitel 20: Der Mittwoch bringt die Quittung

Kapitel 21: Erneuter Betrug?

Kapitel 22: Donnerstag und ein neues Leben

Kapitel 23: Ein wohlmeinender Anruf

Kapitel 24: Heimkehr und Liebesbeweise

Kapitel 25: Verlassen

Kapitel 26: Tod und Hoffnung

Kapitel 27: Beerdigung und ein Tod

Kapitel 28: Nachspiel und Neuanfang

Kapitel 29: Epilog mit Saphir

Vorschau auf den zweiten Teil

Vita und Impressum

Klappentext

Gemälde sind die große Leidenschaft von Tracy de Sanctis. Ihre Liebe zur Kunst bringt sie Bildern nahe, die sie bewertet, auf Echtheit prüft und auch repariert, wo sie kann. Doch so manches Gemälde birgt ein Geheimnis, das zu lüften ihr liebstes Hobby ist. Ihre Neugier ist grenzenlos.

Walker Montgomery hat einen Job zu vergeben. Er kauft und versteigert gerne Kunstwerke, doch zuvor möchte er wissen, wieviel sie denn wert sind. Gute Zertifikate sind enorm wichtig. Sein Bruder Hawk empfiehlt ihm deshalb eine gewisse junge Dame, die die besten Referenzen hat. Für seine Galerie hat sie schon wertvolle Arbeit geleistet. Doch Walker ist von ihr so irritiert, dass es keine einfache Zusammenarbeit wird.

Was stimmt mit der jungen Tracy nicht, dass er ihr nicht vertrauen kann? Wie kann sie ihm beweisen, dass sie sein Vertrauen wert ist? Die Rätsel der Kunstwerke, denen sie auf ihrer Reise zueinander begegnen, öffnen sie für Freundschaft und… Liebe? Können sie gemeinsam die eigenen Geheimnisse lösen?

Vorwort

Bei diesem Liebesroman handelt es sich um eine frei erfundene Geschichte. Keine der Personen ist real. Und auch die Kunstwerke, die angesprochen werden, existieren so nicht – ein Teil der Künstler sehr wohl, aber auch nicht alle. Es ist ein Werk der Fantasie.

Alle Personen, alle Familien, Klans, alle Namen sind frei erfunden. Sie hängen mit den beiden anderen Büchern von mir zusammen. „Kaylee“ und „Schatten, Eis und Stille“, sind aber einzelne Werke, die nicht in einer bestimmten Reihenfolge gelesen werden müssen.

Die beiden Klans – die de Sanctis und die Moretti – stehen sich feindlich gegenüber und üben Rache für die jeweils letzten Taten der Anderen. Diese Spirale schraubt sich zu Leid und Tod hoch. Auch Tony Morettis „Black Moon Escort Service“ spielt wieder eine Rolle, die Agentur ist ein Drehpunkt in den Geschichten, die ich schreibe. In diesem Roman dreht es sich um die Liebe, die alle Hindernisse der Vergangenheit und der Gegenwart ausräumen kann – wenn unsere Hauptdarsteller es denn wollen. Es können Figuren aus schon veröffentlichten Romanen auftauchen, aber auch solche, die erst in den nächsten „Montgomerys“ erscheinen werden.

Achtung! Triggerwarnung: manche Szenen in diesem Buch können triggern! Es handelt sich um erfundene Geschichten, nicht um wahre Begebenheiten! Es geht um Sex, Liebe, aber auch Tod, Blut und Kriegstrauma.

Kapitel 1: Ein alter Ölschinken und seine Rätsel-Löserin

Als die Aufzugtüren auseinander glitten, steckte er schon tief in Schwierigkeiten. Die ganze lange Fahrt nach oben, hierher in den zweitobersten Stock seines Hochhauses, hatte er sie schon beobachtet. Sie konnte nicht ahnen, dass es im Lift ein gut verstecktes Überwachungssystem gab, das sie – und alle anderen Benutzer – filmte. Ihr Handy hatte geklingelt, und schon als sie die hölzerne Hülle aus der riesigen kofferähnlichen Tasche zog, erkannte er, dass sie anders war. Ganz anders als alle Frauen, die er seit langem zu Gesicht bekommen hatte. Ihr Geschmack zumindest hatte offenbar nichts vom Glitzern und Funkeln seiner Verflossenen. „Mike, hallo, ja, ich komme nachher zu Deiner Party, klar, Schatz, ich weiß, wieviel es Dir bedeutet. Den Pool einzuweihen ist eine große Sache! Oh, ich freu mich schon, das wird ein Spaß, mit Dir darin zu toben! Ich versuch pünktlich zu sein…. Hm, ja, aber ich besuch gerade jemanden, der mir einen neuen Job angeboten hat. Total aufregend und interessant. Kann also sein, dass ich es nicht ganz schaffe. Wärest Du mir dann arg böse, Schatz? Bitte, ich mach es auch wieder gut! Versprochen! Ja?.... okay, ich liebe Dich auch… ciao.“ Und dass jemand mithörte ahnte sie offenbar auch nicht. Es gab einen Mike in ihrem Leben? Davon hatte Hawk nichts gesagt. Und auch die sorgfältige Überprüfung ihrer Person nicht. Was versteckte sie noch?

Walker seufzte und fuhr sich mit den Händen durch seine leicht verstrubbelte Mähne. Die widerspenstigen Locken ließen sich nur mit enormen Mengen Gel bändigen, und darauf hatte er schon seit Wochen keine Lust mehr. Auch sein Dreitagebart war ein bisschen ungepflegt. Was sollte er von dieser Frau halten? Himmel, es war lange her, dass eine junge Frau dermaßen großes Interesse in ihm wach rief, und das nicht nur sexueller Art. Klar, sie war hübsch, jung, kurvig gebaut, aber ihr leises Lachen, der Humor, ihre fröhliche Art, kamen noch hinzu. Allein schon das Gespräch, das er im Vorfeld mit ihr am Telefon geführt hatte, war vielversprechen gewesen. All das, kombiniert mit dem Wissen über ihre Intelligenz, ihre Abschlüsse an der Uni und die Qualifikation in ihrem Job, machten das Gesamtpaket unwiderstehlich.

Als Besitzer und Geschäftsführer eines weltweit mit zumeist einfacher, aber handgefertigter Kunst handeltreibenden Unternehmens, verkehrte er in den obersten Kreisen der Gesellschaft hier in Denver. Auch wenn er sich eher rarmachte und sich selten in der Öffentlichkeit zeigte. Sein älterer Bruder war mehr auf der exklusiveren künstlerischen Schiene unterwegs. Hawks Galerien verkauften Gemälde und Skulpturen der luxuriösen Klasse. Er hingegen mochte die Masse, die einfache Produktion und die niedrigen Preise. So brachte er Kunst unter das Volk, ohne dass man dafür ein Jahresgehalt hinblättern musste. Doch seine Firma war breiter aufgestellt als nur sogenannte Billigkunst. Das brachte Profit, aber es war nicht sein Lieblingszweig. Walker liebte die gute, hochwertige Kunst genauso wie sein Bruder. Und er hatte eine Leidenschaft für Wetten und Versteigerungen. Oftmals war beides ineinander verwoben und die Geheimnisse und Risiken machten ihm Spaß. Neugier trieb ihn an, wenn er Gemälde ersteigerte oder auf die gleiche Weise wieder verkaufte. Oftmals war es ein Konvolut, das er mehr oder minder unbesehen aus Zwangsversteigerungen kaufte. Und genau für dieses Hobby suchte er qualifizierte Unterstützung: eine Spezialistin. Die, die da gerade in seinem Aufzug steckte, hatte die besten Qualifikationen, die er auf dem Markt finden konnte. Tracy war interessant, ein wenig geheimnisvoll, und sein Bruder lobte sie in den höchsten Tönen.

Erstaunlich fand er die Tatsache, dass sie zu einem dermaßen wichtigen Geschäftstermin bei einem CEO einer riesigen Firma es nicht für nötig befunden hatte, sich aufzustylen. Ein sexy Kleid, ein hautenges Kostüm oder High Heels? Fehlanzeige. Diese Tracy de Sanctis war in einfacher schwarzer Jeans, die sich eng an ihre kurvigen Hüfen schmiegte, schwarzen Turnschuhen und einer bunten, weiten Bluse erschienen, die ihre üppige Oberweite kaschierte. Die langen, dunkelbraunen Haare zu einem unordentlichen Knoten im Nacken zusammengefasst, ungeschminkt und mit einer dick schwarz umrandeten Brille, schien sie sich nicht viel um ihr Erscheinungsbild zu kümmern. Im Prinzip hatte er damit vollkommen Recht, dazu war sie nicht eitel genug. Nur heute nicht. Auch wenn sie zumeist in legerer Kleidung daheim als eine Art Laborratte lebte, wollte sie einen guten ersten Eindruck machen. Sie hatte in der Tat eine ganze Weile grübelnd vor ihrem halbleeren Kleiderschrank gestanden, um sich für ein passables Outfit zu entscheiden. Doch die Inspektion hatte nur ergeben, dass sie dringend shoppen sollte. Wie unangenehm. Dafür hatte sie eigentlich keine Zeit. Und kein Interesse. Schließlich hatte sie schulterzuckend die besten Sachen aus dem Schrank gezogen und… … ach, es war doch im Grunde egal, denn sie wollte mit ihrem Wissen und Können punkten, nicht mit ihrem Äußeren.

Interessiert beobachtete Walker seine potentielle Angestellte. Unerwartet selbstsicher, ohne Nervosität, stand sie neben dem Aufzug und wartete geduldig, dass Miss Nelson sie beim Chef anmeldete. Perfekte Selbstbeherrschung. Gelassen und souverän. Phantastisches Aussehen gepaart mit Intelligenz und Humor. Ein Gedanke keimte in ihm auf, der ihn völlig überraschend traf. Was wäre… wenn sie seine Geliebte wäre, als seine Partnerin tagsüber das Geschäft mit ihm zusammen führte und die Nächte in seinem Bett verbrachte. Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, mit dem er sich über sich selbst lustig machte. Wo kamen denn solche Ideen plötzlich her? Auch wenn sie verdammt gut aussah, war er meilenweit von jeder Beziehung jedweder Art entfernt. Nein, nicht mit ihm. Solche Wunschträume brachten ihn nicht voran. Seine Erfahrungen in den letzten Jahren hatten ihn vorsichtig werden lassen, der Herzschmerz war noch zu frisch und die Verletzungen tief, die sein Stolz und sein Vertrauen in andere – vor allem Frauen – war völlig zerstört. Er vertraute nur noch sich selbst und teilweise seinem Bruder Hawk. Das war besser so.

Also lächelte er zynisch, über sich selbst, drehte sich zu der Besucherin um und erstarrte auf der Schwelle zu seinem Büro. Sie erwiderte sein Lächeln, offen und strahlend. Nahm seine angebotene Hand, doch sie starrte an ihm vorbei und ein Schauer lief durch ihren Körper. Ihre Finger erschlafften in seinem Griff und unwillig zog sie sie aus seiner Hand. Ging mit langsamen, vorsichtigen Schritten in den anderen Raum hinein, das Konferenzzimmer neben seinem Büro.

Dann seufzte sie tief und begann leise zu lachen. Ihre schwere Tasche hievte sie geistesabwesend auf den Tisch und umrundete langsam das langestreckte Oval, um dem Objekt ihres ungeteilten Interesses näher zu kommen. Das Gemälde an der Wand fesselte sie. Auch wenn sie seine wahre Qualität schon erkannt hatte. Schmunzelnd ging sie näher, um sich die Feinheiten anzuschauen. Perfekt. Eine perfekte Fälschung. Keine Kopie, oh nein, ein an die üblichen Themen angelehntes Gemälde. Perfekt in der Ausführung. Aber…

„Oh, einen Moment lang hast Du mich fast reingelegt, du Schöner. Du siehst wirklich klasse aus. Hey, aber die kleinen Details kann ich Dir nicht durchgehen lassen. Das ist ein wenig zu dick aufgetragen, Du kleiner Schelm. Das kauft Dir doch niemand ab…“

Walker trat hinter sie, dicht und aufdringlich. Nahe, ganz nahe stand er hinter ihrem weiblich verführerisch gerundeten Körper. Ihre knappe Jeans, die lose Bluse, nichts davon war wirklich dazu gedacht einen ranghohen Business-Alpha zu reizen, der mit Edelmodells ausging. Sein Standard war meilenweit über ihr, so glaubte er. Und doch machte ihn der leichte Duft ihrer Haare, das zarte Deo an. Ihr wirrer Dutt strich federleicht über seine breite Brust, als sie sich sacht vor dem Gemälde bewegte. Sie bemerkte ihn nicht. Ihr Fokus lag auf dem Ölgemälde. Was tat sie da? Spielte sie die Unschuldige? Ihre Sprache hatte ihm den Atem verschlagen. Redete sie immer so mit fremden Männern?

„Ein Schelm bin ich vielleicht, aber klein ist ein wenig falsch interpretiert, meine Liebe!“

Ihr erstickter Schrei war Balsam für sein Selbstbewusstsein. Fassungslos schnellte sie herum, die Augen weit aufgerissen. Er stand so dicht hinter ihr, dass sie ihn anrempelte. Riesengroß und düster beugte er sich über sie. Wie hatte sie das verpassen können? „Oh, Entschuldigung, Sie hatte ich ja völlig vergessen! Tut mir leid, aber das Bild hat mich zu sehr in seinen Bann geschlagen. Im ersten Moment wollte er mir doch glatt weiß machen, er sei ein echter Bruegel. Aber das ist er nicht. Und das wissen Sie!“ Ein Hauch Vorwurf und Empörung lagen in ihrer erstickten Stimme. Er lachte, leise brummend, in sich hinein. So dicht vor ihm wurde sie immer nervöser und das gefiel ihm irgendwie. Also schob er sich noch näher heran. „So? Weiß ich das? Erklären Sie mir, woran Sie das erkannt haben wollen. Immerhin hängt das Gemälde schon seit über 50 Jahren hier im Raum. Was macht Sie so sicher, dass es nicht echt ist?“

Sie starrte ihn an, atemlos. Ein leises Keuchen kam aus ihrem Mund und sie bog sich ein wenig von ihm weg. Ein Schauer durchlief ihren Körper und landete heiß zwischen ihren Schenkeln. Mist. Ihre unterforderte Libido wusste dieses prachtvolle Exemplar von einem Mann sofort zu schätzen. Schwarzes, lockiges Haar – ein wenig zu lang, kurzer Bart, rauchgraue Augen, die sich stürmisch verdunkelten, als ob er wütend auf sie wäre. Er sah göttlich aus, groß, muskulös, luxuriös. Unerreichbar für eine Frau wie sie. Sie wusste, dass sie in einer anderen Liga spielte. Also räusperte sie sich, versuchte ihren Verstand zusammen zu nehmen. Ihr Hirn zu sortieren. Himmel, sie kannte doch Männer seiner Güte und war es gewohnt, so dicht bei ihnen zu stehen, dass sie ihren eigenen Sicherheitsabstand unterschritten. Das sollte sie nicht so aus der Fassung bringen. Eigentlich. Ihre beiden Brüder waren doch dasselbe Kaliber. Große Machos, die sie in Neandertalermanier einzuschüchtern versuchten. Klappte normalerweise nicht. Also atmete sie tief durch und rief sich innerlich zur Ordnung. Sachlichkeit war hier gefragt, wenn sie den Job haben wollte. Erotische Wunschträume sollte sie in den hintersten Winkel ihres Hirns verbannen.

„Also zunächst einmal: ich bin Trace, äh, Tracy de Sanctis. Vermutlich sind Sie Mr. Montgomery, der Mensch, der mir einen interessanten Job angeboten hat. Und Sie wollen wissen, warum der hier nicht echt ist?“

Sie zögerte, suchte nach den richtigen Worten in der richtigen Reihenfolge. Sein bedächtiges Nicken und dann – sein anzügliches Grinsen – machten sie extrem vorsichtig. Der Typ schien sicher zu sein, dass sie es vermasselte. Das hier ist ein erster Test, Mädchen, also sei auf der Hut. Ihr Bauchgefühl hatte Recht. Vorsicht war angesagt, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen notwendig. „Zunächst einmal wäre es eine Riesensensation, wenn es auf der Welt einen Bruegel gäbe, von Pieter dem Älteren, der unerkannt in irgendwelchen Winkeln geschlummert hätte. Und das für rund 500 Jahre. Also sinkt die Wahrscheinlichkeit schon mal von vorneherein gegen Null, denn alle seine Werke sind in einem Verzeichnis aufgelistet, das er selbst angefertigt hat. Und alle sind bekannt, samt Aufenthaltsort. Zweitens gibt es meines Wissens nach kein Gemälde dieses Malers in solch einem Format. Es ist gut. Aber es ist zu groß.“ Wieder schloss sie ihren Mund, um zu überlegen, wie weit sie den Fremden in ihre Vorgehensweise einweihen sollte. Sie knabberte nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie weitersprach. „Es ist keine plumpe Kopie eines anderen Bildes. Je nachdem, wie gut so eine Fälschung gemacht ist, lehnt der Nachahmer das Sujet an ein bekanntes Werk an. Hier ist es ‚Triumph des Todes‘, ein eher düsteres Bild, das auf humoristische Weise neu aufgegriffen wurde. Es vermischt Aspekte aus dem Werk ‚Kampf zwischen Karneval und Fasten‘ damit.“ Er räusperte sich. Offenbar verfügte sie über mehr Wissen, als er ihr zugetraut hatte. Sie hatte begonnen, ihn zu überzeugen. Aber es reichte ihm nicht. „Das ist alles schön und gut, aber diese Aspekte wären bedeutungslos, wenn es sich um ein unbekanntes Original handeln würde. Was ist der ausschlaggebende Beweis? Das sind alles bisher in meinen Augen nur vage Indizien.“ Sie lachte ihn an. Selbstsicher. Aus dieser Nähe strahlten ihre Augen fröhlich in warmem Goldbraun durch die Brillengläser. Die hellen grünen Sprenkel faszinierten ihn, ließen ihn sich noch näher über sie beugen, magisch angezogen. Ihr weicher, ungeschminkter Mund verlockte ihn. Unwiderstehlich. Doch sie zuckte ein winziges Bisschen zurück. Oh, er machte sie wirklich nervös. Sein Lächeln wurde teuflisch.

„Nun, den endgültigen Beweis kann ich mit einer Laboranalyse herbeiführen. Es gibt einen Fälscher, den ich unter den Top 5 auf meiner Liste der Verdächtigen sehen würde. Dieser Maler, ein gewisser Pieter de Voogt, ein Holländer in den späten 80ern des 19.Jahrhunderts geboren, hat bei seinen Nachahmungstaten einen schwerwiegenden Fehler gemacht: Trotz sorgfältig ausgewählter Leinwand aus der fast richtigen Zeit und Latten aus passendem Holz, hat er es nicht geschafft sich zu beherrschen und auf eine Errungenschaft der Neuzeit zu verzichten: Titanweiß. Der Farbstoff wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts erfunden. Das wusste er nicht oder er hat es bewusst ignoriert. Jedenfalls kann man ihn daran immer beweisen. Das Weiß ist nicht alt.“ Sie seufzte, schüttelte ein wenig traurig den Kopf, so als müsse sie einem Kleinkind das Offensichtliche erklären. Klar wusste Walker, dass es eine Fälschung war. Keiner seiner Vorfahren war da einem Irrtum aufgesessen. Aber es machte ihn stutzig, dass die Frau weniger als fünf Sekunden dafür gebraucht hatte.

„Und der Typ war eitel. Seine Eitelkeit bringt ihn immer zu Fall. Wie so oft, wenn geniale Geister überheblich werden. Warten Sie kurz…“

Sie entnahm ihrer Tasche eine große Lupe, eilte zu der großen Fläche, über und über mit den kleinen Figuren bedeckt, und begann das Bild von der Mitte her abzusuchen, in immer größeren Kreisen. Geduldig stellte er sich neben sie, seine Neugier war geweckt. Dicht genug, um sie zu bedrängen. Und schamlos nutzte er es aus, wie abgelenkt sie war, kam ihr immer näher. Ihr triumphierendes „Ha!“ erschreckte ihn fast zu Tode, so laut lachte sie. Den Mittelfinger auf eine kleine Figur gelegt, drehte sie sich strahlend zu ihm um. „Hier, sehen Sie selbst… Eitelkeit steht selbst einem Genie nicht gut zu Gesicht…“

Unter der Lupe konnte er erkennen, was sie meinte: ein roter Name, klein, fein, aber deutlich, in den orangeroten Falten eines Gewandes versteckt. De Voogt. Eindeutig. Sie hatte Recht, und das ohne das Bild je zuvor gesehen zu haben. Verdammt, die Frau war gut. Erstklassig. Genau so eine Expertin brauchte er für den Job, den er zu vergeben hatte.

„Soll ich eine Probe für die chemische Analyse nehmen? Oder glauben Sie es mir jetzt auch so?“ „Hm, nein, ich denke wir machen die Probe. Das Ergebnis ist interessant, nicht dass der Typ doch noch auf die alten Farben zurückgegangen ist. Wer weiß, vielleicht hat er ja im Laufe seines Lebens dazugelernt.“

Sie nickte, die Begründung gefiel ihr. Seine nächste Frage weniger. „Wie lange dauert das?“ „Oh, eine Stunde, mehr nicht. Ich hab alles noch vorrätig, was ich dafür brauche.“ „Wie? Sie machen die Analyse selbst? Es gibt kein Labor ihres Vertrauens?“ „Nein, ich habe lange genug in Laboren gearbeitet, um zu wissen, worauf ich achten muss. Die Analyse ist simpel, der Nachweis eindeutig. Wozu also dazu ein teures Labor beauftragen? Nur wenn Sie eine weitere, unabhängige Meinung wollen, ist das nötig.“ „Ich will dabei sein, wenn Sie das machen. Jeden einzelnen Schritt. Heute noch. Wenn Sie mich überzeugen, können wir über den Job reden.“

Skeptisch zog sie ihre Augenbrauen zusammen und nickte nachdenklich. Es war eine Sache, für ihn zu arbeiten, eine andere ihn mit in ihre Wohnung zu nehmen. Aber der Job reizte zu sehr. Ungeahnte Möglichkeiten konnten sich ihr erschließen. Ihre Fantasie tobte sich schon seit Tagen aus, das wollte sie nicht verpassen. Auch wenn Mike sicherlich traurig war.

„Okay, dann muss ich ein wenig umdisponieren, mein Nachmittag war eigentlich anderweitig verplant. Aber das hier geht natürlich vor. Mike wird das schon verstehen. Ich muss mal eben kurz telefonieren!“

Sie ging ein paar Schritte zum Fenster und zückte ihr Handy in der hölzernen Hülle. Ein Unikat. Ohne Glamour. „Hi, Til, bitte gib mir Mike ans Telefon. Es ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen… Ja, klar,… ich… hm… ja, hallo Mike. Bist Du mir arg böse, wenn ich erst heut Abend komme? Ich schaff es heute Nachmittag nicht zur Poolparty… Ja, ich weiß, es ist ein großer Tag, aber ihr kriegt die Party doch auch allein hin… hm, ja, ich komme, sobald es geht. Wir springen dann einfach später rein und holen alles nach, okay? Ich mach es wieder gut, das hab ich schon versprochen! Okay? Gut, dann bis später, hab Dich lieb, ciao!“ Mit gestrafften Schultern drehte sie sich zu ihrem potenziellen Arbeitgeber um und nahm ein Röhrchen und ein Skalpell aus ihrer Tasche, dazu ein Tuch und eine kleine Flasche. „Wenn Sie eine Analyse wollen, dann nehme ich ein bisschen von dem Weiß hier in der Mitte.“ „Halt, stopp. Warum nicht aus der Ecke oder vom Rand?“ „Weil da jeder andere Restaurator zuerst seinen Blick drauf richtet. Das wusste de Voogt auch. Immerhin fälschte er Kunst und wollte nicht so leicht entlarvt werden. Also nehme ich etwas aus der Mitte, von einer Stelle, wo er es am wenigsten vermuten würde. Es muss nicht viel sein und es gibt auch keinen Schaden an dem Gemälde, wenn Sie das befürchten.“ Mit dem Tuch und etwas Alkohol aus der Flasche rieb sie eine kleine Stelle links von der Mitte sauber, zeigte ihm das leicht bräunlich verfärbte Tuch. „Sie sollten es mal fachmännisch reinigen lassen. Es ist ziemlich verdreckt!“ Und, das Skalpell in spitzen Fingern, schabte dann mit kleinen, vorsichtigen Bewegungen etwas von der Farbe in das Röhrchen. Verschraubte es sorgfältig und beschriftete es mit einem wasserfesten Edding.

„So, dann fahr ich mal in mein Labor. Sie wollen mitkommen?“ Sie wunderte sich schon nicht mehr über sein wütendes Schnauben. Im Moment schien der Mann, den sein Bruder als so nett und umgänglich beschrieben hatte, Haare in der Suppe zu suchen: mit einem Rasterelektronenmikroskop. Penibel. Pedantisch. Argwöhnisch. Gewinnen konnte sie den Job nur, wenn er ihr vertraute. Und das war offenbar noch ein weiter Weg.

Kapitel 2: Ein Loft voller Liebe und weiße Farbe

Ihr Labor entsprach so gar nicht seinen Vorstellungen. Das Loft in der alten Fabrikhalle schien alles zu sein: Wohnung und Labor, Restaurations-Werkstatt und Mal-Atelier. Gemälde standen herum, in allen Stadien von Renovierung bis neu gemalt. Sofas und Bücherregale, Rahmen, Materiallager und der göttliche Duft nach frischem Kaffee rundeten das Bild ab. Sie schnupperte argwöhnisch, die Nase in der Luft wie eine Wölfin.

„Jeremy, hast Du schon wieder die Finger an meiner Maschine?“

Leises Lachen antwortete ihr, sie lag mit ihrer Vermutung richtig. Der junge Playboy kam elegant um die Ecke ihrer Küche. Er strahlte Erotik pur aus, lässig und selbstbewusst. Eine männliche Schönheit. „Trace-Sweet, woher sollte ich denn wissen, dass Du jetzt schon kommst? Ich dachte, Du bist bei Mike?“ „Nun, Pläne ändern sich. Und solange Du die nächste Reparatur nicht selbst zahlst, lässt Du meine Jura in Ruhe. Basta. Das haben wir doch schon oft genug diskutiert!“

Der junge Mann drückte der aufgebrachten Tracy einfach einen Kuss auf den Scheitel und schlenderte aus der Küche, warf dabei einen äußerst interessierten langen Blick auf den dominanten Mann hinter seiner Cousine. Wow, wie nett… wo hatte sie den denn gefunden? Kopfschüttelnd sah sie ihm hinterher. „Was machst Du jetzt überhaupt hier?“ „Die Zeit totschlagen, bis Zoe mich braucht. Aber ich verschwinde, Du hast ja zu tun. Nein, im Ernst, ich hab nur die drei Bilder vorbei gebracht, die Hawk Dir zur Restaurierung zukommen lassen wollte. Alles gut, alles gut, ich bin schon weg…“ „Hawk?“ Die polternde, aggressive Stimme ließ sie beide kurz zusammen zucken. Sie drehte sich zu ihrem potentiellen Arbeitgeber um. Mr. Montgomery stand abwartend im Türrahmen und musterte ihren Freund interessiert. Neugierig, aber mit einer unterschwelligen Wut, die sie nicht verstand. Warum sollte der Mann auf Jeremy wütend sein? „Hawk Montgomery. Der, der mich Ihnen empfohlen hat. Er hat immer wieder Kunstwerke, die kleine Reparaturen benötigen. Und die erledige ich für ihn. Es macht Spaß, besonders weil die Werke, die er bringen lässt, immer wieder aus anderen Epochen und Stilrichtungen kommen. Das macht mehr Freude, als sich auf ein einziges Genre festzulegen. Ich liebe die Abwechslung.“ Sie ging zu ihrem großen, weißen Küchentisch und öffnete vorsichtig das in einfaches braunes Packpapier gewickelte Bündel. Auf einen Keilrahmen war ein modernes Acrylbild, eine Kollage mit feinen Details gespannt, ein kleiner Zettel mit einem Clip-Tütchen hing dran. Darin befanden sich einige Applikationen, die offenbar den Halt an der Leinwand verloren hatten. Im Originalzustand war es mehr eine Skulptur denn wirklich ein Gemälde. Die beiden anderen Werke, sorgfältig in Seidenpapier gehüllt, waren Aquarelle. Sie legte sie vorsichtig nebeneinander auf die riesige Fläche. Russische Bilder aus der Natur der weiten, winterlichen Steppe. Epische Landschaften in eisige Farben gefasst. Sie seufzte, schwer beeindruckt. „Oh, die sind wirklich gut… Himmel, sind die schön!“ Ihr Finger schwebte über der Oberfläche, ohne sie zu berühren. Dann straffte sie die Schultern, rief sich selbst zu Ordnung und schob die Bilder quer über den Tisch aus dem Weg. Sie zückte ihr Handy.

„Hi, Hawk. Jeremy hat die Bilder gebracht. Die Aquarelle sind wunderschön, brillant und von einer unglaublichen Feinheit und Farbtiefe. Hm, ja, ich hab die Schäden kurz angesehen. Das lässt sich machen. Oh, gib mir etwas Zeit, ich muss heut noch zu Mikes Poolparty. Und Dein Bruder steht hier neben mir und verlangt eine Analyse des Fake-Bruegel… ja, genau. Hab ich auch schon gesagt… okay. Hier!“

Sie drückte Walker das Handy in die Hand und eilte zur Kaffeemaschine. Egal, was die Jungs zu besprechen hatten, sie brauchte erst einmal mehr Koffein. Kaum kam die Maschine ratternd und prustend in die Gänge, schob sie eine Tasse drunter und begab sich in den angrenzenden Laborbereich. Der Laptop zeigte nach nur ein paar Klicks die richtige Seite und sie machte sich an die Vorbereitungen zur Analyse. Vergnügt streifte sie sich lila Einweg-Handschuhe über. Vorsichtig holte sie einen Teil der Probe aus dem Röhrchen, schüttete sie in eine Petrischale und fügte ein wenig von zwei Flüssigkeiten hinzu. Langsam erwärmte sie die Probe auf einer Heizplatte unter der Abzugshaube, die mit leisem Surren zum Leben erwachte. Sie summte eine fröhliche kleine Melodie, selbstvergessen, ohne den argwöhnischen Mann im Hintergrund zu beachten.

Inzwischen war der Kaffee fertig und sie fügte einen winzigen Schluck Milch hinzu. Nippte an der heißen Köstlichkeit. Ein zufriedenes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. Der große Mann, der ihre Küche dominierte, lehnte eine eigene Tasse ab. Ihm war nicht nach Kaffeetrinken, er wollte Ergebnisse sehen. Sein Bruder ging ihm auf die Nerven. Der hielt es für völlig überflüssig, die junge Dame einer Überprüfung ihrer Methoden und Fähigkeiten zu unterziehen. Hawk hatte auch gut reden. Er kannte sie schließlich schon eine ganze Weile und vertraute ihr. Sicher, noch vor wenigen Jahren wäre Walker nie auf die Idee gekommen, seinem Bruder und dessen Einschätzung nicht zu glauben, aber seit er so massiv hintergangen worden war, von Menschen, die er geliebt hatte, war er mehr als vorsichtig. Und misstrauisch. Er hatte einmal zu oft vertraut. Und war so tief gefallen, dass es fast kein Herauskommen aus dem grauenvollen Loch gegeben hatte. Nun sortierte er sich neu. Und Vorsicht war sein zweiter Vorname.

„Welche Methode wenden Sie an?“ „Nun, die Gängige von Michael Stromberg. Der Schwede ist führend auf dem Gebiet. Sie können es hier im Laptop nachlesen.“ „Oh, ich soll also dem vertrauen, was auf Ihrem persönlichen Monitor steht? So einfach ist das nicht. Das überzeugt mich kein bisschen.“ Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit. Zuvor hatte sie die Probe vorsichtig auseinandergepflückt, mit zwei Pinzetten in winzige Stückchen geteilt. Nun starrte sie ihn an, die Hände mitten in der Luft erstarrt. Ihre Augen wurden schmal, als sie erkannte, dass er keinen halbherzigen Scherz gemacht hatte, sondern es bitter ernst meinte. Er vertraute ihr nicht. Hm. Okay. Konnte sie sogar verstehen. Also gut, back to the roots: alles schön auf Anfang.

„Bitte drehen Sie sich um und umrunden den Küchenschrank. Ja, genau. Auf der Rückseite stehen Bücher. Drittes Regal von oben, zweites, nein,… viertes Buch von links. Das mit dem gelb-grünen Rücken. Analytics of colours von Stromberg…. Gefunden?“ „Nein, hier sind alle Bücher blau-weiß…“ „Ah, sorry, das andere Links. Ich hab da so ne kleine Schwäche…“

Sie stand plötzlich neben ihm, die Pinzetten noch in den Händen und deutete auf einen Band, der in der Tat rechts und als viertes Buch in der Reihe stand. Interessiert nahm er den dicken Wälzer in die Hand und folgte ihr zurück in die Küche. „Seite 304 oder 305. Titanzweioxid. Wir in Amerika sagen Dioxid. Aber die Übersetzung ist manchmal etwas mau. Der konnte wohl besser Schwedisch als Englisch. Und mein Schwedisch ist nicht gut genug, um mit dem Original klar zu kommen…“

Er nickte und blätterte zu der angegebenen Seite. Tatsächlich stand da etwas über Titan. Er blätterte weiter und fand auf der nächsten Seite eine Beschreibung des Versuches, bei dem der Nachweis gelingen sollte. „Zuerst die Farbe in Alkohol erhitzen, bis sie sich aus dem Ölfarben-Medium gelöst hat. Dann vorsichtig extrahieren und in einem weiteren Glas mit Permanganat und Brom4Acetat mischen. Was ist das denn?“ „Nun, das sind chemische Farbstoffe, die bestimmte Eigenschaften haben. Sie reagieren unter Hitze mit dem Titandioxid und das Ergebnis ist dann ein Farbumschlag. Mal sehen, ob wir das hinkriegen. Da Sie ja bezweifeln, was ich hier tue, machen wir doch einfach eine Versuchsreihe. Also: wir nehmen uns noch ein paar weitere Proben vor, sicher Positive und sicher Negative. Da, wo das Ergebnis schon fest steht. Kommen Sie mit. Los. Wir holen uns Farben.“ „Moment, ich soll die Probe unbeaufsichtigt lassen?“ Fröhlich kicherte sie los. Ihr Spott traf ihn unverhohlen. Sie lachte ihn offen aus. War sie so selbstbewusst in dem was sie tat? Konnte kein Fehler passieren? „Nein, natürlich nicht. Hier, im Röhrchen ist die zweite Hälfte. Die reicht für eine weitere Analyse. Sie stecken sich die in die Hosentasche, oder wohin auch immer, wo es vor meiner Manipulation sicher ist. Und dann gehen wir rüber zu Brush. Die hat genug Farben.“

Ohne auf seine Zustimmung zu warten, verschwand sie im hinteren Teil des Lofts und er sah sich gezwungen, ihr zu folgen, wenn er wissen wollte, was sie machte. Also steckte er das Röhrchen tatsächlich in die Hosentasche und marschierte, immer noch wütend, hinter ihr her. Dass sie offenbar wusste, was sie tat, beruhigte ihn noch nicht wirklich. Er hatte die ganze Zeit ein komisches Gefühl der jungen Frau gegenüber. Sie war so offen, ehrlich, fröhlich. Dass sie seine Forderungen verstand und akzeptierte, machte es nicht besser. Irgendetwas stellte ihm die Nackenhaare auf, jedes verdammte Mal, wenn er ihr nahe kam. Er vertraute seinem Bauchgefühl. Diese unangemessene Erregung, der beschleunigte Puls, alles weckte in ihm den Impuls, erst zuzuschlagen, dann zu schauen, was er denn getroffen hatte. Die Frau war… unheimlich. Sie ging ihm unter die Haut. Das konnte er nicht dulden. Er brauchte professionelle Kühle, Kontrolle, Abstand. Und das hatte er eindeutig nicht. Seine Wut kochte auf kleiner Flamme vor sich hin.

Tracy verschwand um eine Ecke, lief leichtfüßig den Flur hinunter und dann die Treppen hinauf in Brushs Reich. Ihre Freundin und Cousine hatte es sich in der anderen Hälfte des Lofts gemütlich eingerichtet, wenn auch nur als Atelier. Sie wohnte nicht hier, hatte eine schicke Wohnung in der Innenstadt in einem der Hochhäuser. Etwas, das Tracy nicht so ganz verstehen konnte, aber wenn das Brushs Traum war?

Laute Rockmusik schallte durch die riesige alte Fabrikhalle, die zu einem verschachtelten Atelier umgebaut war, über mehrere Etagen verteilt. Die recht schalldichte Tür mit der Katzenklappe hatte ihn nicht auf den Lärm vorbereitet. Hier waren sie in einer völlig anderen Welt. Überall standen Stellwände, über und über mit Gemälden bedeckt. Bunt, laut und schrill, so wie ihre Erschafferin. Und jedes eine andere Facette ihrer kunterbunten Persönlichkeit. Im Moment stand Brush mit dem Rücken zu ihnen, nur mit einer Latzshorts bekleidet und malte eifrig an einem riesigen Acrylbild, einem männlichen Akt. Dahingestreckt auf zerwühlten Laken räkelte sich ein Model, ein griechischer Gott – die dunkle Variante. Und die hübsche junge Frau mit den wirren aufgetürmten Rasta-Locken malte gerade in der Lendengegend herum. Sorgfältig, Strich für Pinselstrich. Fast so erotisch wie Streicheln. Walker bekam eine Gänsehaut. Schlagartig kam er aus einer Fantasiewelt zurück in die Realität und fragte sich ernsthaft, ob Tracy das geplant haben könnte. Ihn in Verlegenheit zu bringen. War das alles ein Schauspiel, nur zu seinen Ehren arrangiert?

„Hey, Cousine, ich brauch ein paar Weiß von Dir!“ Die Künstlerin warf einen halbherzigen Blick über ihre Schulter in Richtung der unerwarteten Besucher. „Oh, Trace, klar, nimm Dir, was Du willst. Ich kann gerade nicht, Moment, ihr Lieben… Machst Du schon wieder Analysen oder zum Reparieren?“ „Nee, Analysen, zum Basteln hab ich meine eigenen. Aber ich glaube nicht, dass es diesem Herrn hier gereicht hätte, wenn ich meine eigenen Farben analysieren würde.“

Das weckte ihre Aufmerksamkeit. Brush drehte sich nun ganz um und sah sich den Fremden genau an. Er hatte eine vage Vertrautheit an sich, aber sie wusste nicht auf Anhieb, wo sie ihn hinstecken sollte. Dann brüllte sie los. „Parker, bedeck Dich!“ Hinter dem Gemälde brüllte ein Mann zurück. Gegen die laute Musik kam er schier nicht an. „Was ist denn, meine Schöne? Ich komme gleich!“ „Nee, Du bist vor zehn Minuten gekommen…. Es reicht wenn Du hier erscheinst…“ Sein grölendes, fröhliches Lachen füllte die Halle. Dann wurde die Musik ein wenig leiser und ein immer noch grinsender ebenholzschwarzer Adonis kam um die Ecke, nur mit weißen Boxershorts bekleidet. Und man sah ihm überdeutlich an, dass er das mit dem Kommen ernst gemeint hat. Tracy schnaubte belustigt.

„Wow, ihr beiden zieht hier echt ne Porno-Show ab. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich vorher telefonisch um ne Audienz in bedecktem Zustand gebeten!“ Der Mann, der Carlos Parker hieß, nickte den beiden knapp zu, bevor er seine Aufmerksamkeit der Frau mit dem Pinsel widmete. Er zog sie trotz ihres protestierenden Quietschens in seine starken Arme, die einen satten Kontrast zu ihrer hellen Haut bildeten. Ein Traumpaar, sie so klein, zierlich, zerbrechlich in seinen Armen, er so riesig neben ihr. Und doch behutsam und zärtlich. Bis sie sich zu wehren begann und ihm klarzumachen versuchte, dass sie nur noch schnell ein paar wenige…. obwohl, die Pinselstriche hatten auch später noch Zeit…

„Hach, Liebe… wenn ich groß bin kauf ich mir auch ein Kilo…“ Kopfschüttelnd, feixend, marschierte Tracy an dem in seiner eigenen Welt versunkenen Pärchen vorbei und ging zu einem riesigen Schrank, in dem Brush ihre Farben aufbewahrte. Wenn auch überall in diesem Teil des Lofts das grenzenlose Chaos herrschte, bunt und wirr, so sorgfältig ging die Künstlerin mit ihren Tuben und Dosen um, die die ganze Farbpalette des Universums enthielt. Walker staunte nicht schlecht, wie viele verschiedene Tuben und Nuancen es gab. „Das hier sind Aquarellfarben, also für unsere Analyse ungeeignet. Hier haben wir Öl, Pastell, Kreiden, Acryl. Die Stifte können wir auch weglassen, das ist nicht die richtige Grundlage. Wir brauchen verschiedene Ölfarben, denn die Analyse nach Stromberg beruht auf Öl. Da das Gemälde in Ihrem Konferenzraum mit Öl gemalt wurde, ist es auch unsere erste Wahl. Bei anderen Farben müssten wir erst die Alkoholreihe hoch machen, bis wir das Propanol durch Öl ersetzen können.“ „Wie geht das? Kann man jede Farbe mit dieser Analyse untersuchen?“ „Im Prinzip schon, manche halt schwieriger. Es funktioniert in etwa so: normaler Alkohol, den man in ner Bar trinkt, hat zumeist unter 40 %. Der Rest ist Wasser. Wenn man nun die Farbe mit einer höheren Alkoholkonzentration mischt, es verdunsten lässt und erneute mit einem Höherprozentigen mischt, hat man zumeist Glück und der Alkohol löst die Farbe, setzt sich oft als dünne Schicht ab. Aber das Wichtige ist, dass man damit eine Emulsion bilden kann. Wasser plus Alkohol und Öl, sorgfältig geschüttelt, ergibt es eine Emulsion, eine Art Crème, so wie eine Hautcrème auch. Wenn man das Ganze dann vorsichtig erhitzt, bis Wasser und Alkohol verdunstet sind, hat man eine Lösung auf Ölbasis. Ganz einfach.“ Inzwischen hatte sie mehrere Tuben und Dosen ausgewählt, drückte sie dem verdutzten Walker in die Hände und marschierte zu einem anderen Schrank, aus dem sie einige kleine Stücke Leinwand zog. So bewaffnet verließen sie das Loft, vorbei an dem in sich selbst versunkenen Pärchen.

Sie kicherte immer noch leise, als sie wieder in ihrer Küche stand. „Die beiden sind einfach zu süß zusammen. Ich bin gespannt, wie lange das gut geht… einfach zuckersüß!“ „Warum sollte es nicht gut gehen? Weil er eine andere Hautfarbe hat?“ „Was? He, was soll denn diese rassistische Bemerkung? Nein, Brush neigt dazu, in eine Beziehung alles reinzulegen. Aber genauso schnell flaut ihr Interesse wieder ab, wenn sie ein neues malbares Objekt findet. Sie würde zwar dem Mann an sich treu bleiben, aber ihr Fokus liegt auf ihrer Kunst. Der letzte Typ, den sie hatte, nahm es gar nicht gut auf, wegen einer Obstschale abserviert zu werden. Brush meinte zwar, dass sie nur ein wenig malen wolle, aber er nahm es krumm, dass sie nicht mehr ihn und seine Details im Auge hatte, sondern eine Banane oder ein Gürkchen… um bei den Anspielungen zu bleiben.“ Sie grinste ihn an, ein frivoles Funkeln in den Augen. „Es gibt Männer, die nicht genug Geduld mit ihr aufbringen, bis sie sich wieder den lebendigen, menschlichen Objekten zuwendet. Und…“ Sie zögert, weiterzusprechen, denn es wurde immer anzüglicher. Himmel, dabei hatte doch nicht alles bei Brush mit Sex zu tun. Nur heute häufte es sich irgendwie…

„Ja? Und was? Kommen Sie, nicht mitten im Satz abbrechen!“ „Nun, es war für sein Ego nicht wirklich hilfreich, dass sie Gurke, Rettich, Banane und andere längliche Objekte malte, die auf ihren Tischen in Reih und Glied lagen… und alle Dildos und Vibratoren waren!“ Sie brach in helles fröhliches Lachen aus. Sein verdutztes Gesicht war einfach zu herrlich. So in etwa hatte der schmollende Lover ausgesehen, den Brush dann mit einem lässigen Winken in die Hölle geschickt hatte. „Es war für eine Website, für einen Online-Shop, die solche maßgefertigten Objekte herstellt. Auf jeden speziellen Damenwunsch können die eingehen. Sehr amüsant, wenn man niemanden hat, der leibhaftig die Wünsche erfüllt.“

Damit ließ sie ihn stehen und widmete sich der Leinwand. Sie trug auf die Fläche sorgfältig mit kleinen Holzspateln je einen schmalen Streifen Weiß auf. Aus jeder der Tuben, klar voneinander getrennt. Beschriftete sie mit einem Kuli, um sie später richtig zuordnen zu können. Und er erkannte betroffen, wie viele Nuancen das schlichte Wort „Weiß“ beinhaltete. Sicher, er beschäftigte sich beruflich mit Kunstwerken, aber doch eher aus der Distanz des Betrachters, nicht des Handwerkers. Er hatte den Kram nicht studiert und seine eigenen malerischen Fähigkeiten gingen gegen Null. Dann erklärte sie in einem sachlichen Ton, welche Weiß das Titandioxid enthielt, das so viele Fälscher schon entlarvt hatte. Klar, es war das reine, leuchtende Weiß, das man mit allen anderen Farben mischen konnte. Eine strahlende Farbe, die noch dazu hervorragend deckte. So konnte man den Hintergrund besser vorbereiten und trotzdem die Figuren im Vordergrund perfekt abheben. Er verstand. Es war eine Farbe, die alles erleichterte. Sie erzählte ihm von all den Farben, den Gemälden voller Schnee und Winter, die sie im Louvre hinter den Kulissen gesehen hatte. Die vielen verschiedenen Nuancen und wie die Maler damit spielten, Reflexionen, und ihre magische Fähigkeit Schatten in Blau und Violett hinein zu werfen, die so natürlich wirkten. Einen Moment lang blitzte ein Gedanke in ihm auf. Diese faszinierende Frau in New York, in der Met, dem Metropolitan Museum. Sie, in der Ausstellung. Oder noch besser: in der Sammlung dahinter, bei der Betrachtung all der Gemälde, die nicht ausgestellt wurden. Oh, er wäre gespannt auf jeden Kommentar, den sie zu den Bildern abgeben würde.

Nun begann sie mit einer Analysenreihe. Jede Farbe eine eigene Schale und ordentlich beschriftet. Und sein Job war es plötzlich, ihr genaue Anweisungen laut dem Buch zu geben, das sie aus dem Regal von ihm hatte holen lassen. Nebenbei verglich er die einzelnen Schritte mit denen, die sie als Protokoll in ihrem Laptop hatte. Sie stimmten überein. Zum Schluss, nach einer Stunde intensiver Arbeit, hatten sie 12 Proben, von denen 5 eindeutig das Titan nachwiesen. Die anderen 7 waren negativ. Und zu den positiven Schalen gehörte die Probe aus dem Röhrchen, und einige sehr helle Weiß. Drei davon hatten das Wort „Titandioxid“ nicht in ihrer Inhaltsbeschreibung. Nur auf einer stand es explizit drauf.

Sie nickte zufrieden zu dem Ergebnis. Der Farbumschlag war, wie immer, beeindruckend und deutlich genug, um selbst so einen Skeptiker wie Mr. Montgomery zufrieden zu stellen. Sie seufzte erleichtert. Und machte sich erst einmal einen weiteren Kaffee. Espresso doppio. Dieses Mal nickte er tatsächlich zu ihrer Frage, und so machte sie ihm auch einen.

„Okay, wie sieht es nun aus mit meinem Vertrag? Und was wird denn nun genau meine Aufgabe sein? Ich unterschreibe nicht gern, wenn ich nicht präzise weiß, was von mir erwartet wird.“ „Ja, klar bekommen Sie den Vertrag. Ich bin...“ Polternd wurden sie unterbrochen, als Brush hereinschneite und sich einen Kaffee holte. „Jeremy hat vorhin was von Bildern gesagt, die Du für Hawk restaurieren sollst…“ Sie erstarrte mitten in der Bewegung. „Hawk.“ Ihr Flüstern verriet, dass sie zu kombinieren begann. „Sie sind Hawks Bruder, äh, Halbbruder. Ich hab Ihr Foto in seinem Büro gesehen! Verdammt, warum hab ich das vorhin nicht erkannt?“ „Vielleicht weil Du mit Deiner Muschi gedacht hast und die gerade anderweitig beschäftigt war?“ „Och, Cousinchen, da spricht doch der Neid aus Dir! Gönn mir doch meinen Afroamerikaner… er ist unvergleichlich süß. Ich liebe dunkle Schokolade….“ Sie tänzelte lachend hinaus. Und ihre Latzhose konnte nicht verbergen, dass sie darunter nackt war. „Was denn? Sie war immerhin züchtig bedeckt. Und das nur, weil sie wusste, dass Sie wohl noch hier sind!“

Walker zog sich ein wenig zurück. Emotional und körperlich. Ging auf Abstand. Diese beiden Frauen waren… anders. Auch wenn Tracy eher wie eine nüchterne Laborratte wirkte, mit ihren lila Handschuhen. Brush hingegen war eine verrückte, sexuell ambitionierte Künstlerin. Und offenbar vergeben. Zurzeit wenigstens.

„Bitte kommen Sie doch morgen früh in mein Büro, dann können wir die Modalitäten des Vertrages klären. Im Grunde geht es um solche Analysen wie heute, Beweise für Echtheit der Gemälde, die ich zu versteigern gedenke. Oder Beweise für das Gegenteil. Da die meisten aus Haushaltsauflösungen, Beschlagnahmen durch Staatsanwaltschaft und Polizei kommen, und einer Zwangsversteigerung zugeführt werden sollen, brauche ich Expertisen, um einen Anhaltspunkt für die Einstiegsgebote zu bekommen. Immer wieder versuchen Schuldner Kopien statt der wertvollen Originale zu verkaufen, und somit einen weiteren Betrug zu begehen. Das möchte ich gerne sicher beweisen können. Sie werden dabei nur ein Rädchen im System sein, denn ich werde mich, sobald Sie Zweifel an der Echtheit anmelden, an ein weiteres Labor wenden. Zur Sicherheit. Nicht um Ihnen zu misstrauen, sondern weil meine Auftraggeber es so wünschen. Und die sind vielfältig. Und zumeist noch misstrauischer als ich. Also wird alles doppelt und dreifach geprüft. Und je teuer das Bild, desto sicherer muss ich sein. Sind Sie damit einverstanden?“

Was er nicht zu erwähnen brauchte war, dass es sich dabei um eine Art Hobby von ihm handelte. Sein Unternehmen war vielfältig in der Kunstbranche aufgestellt. Die Gemälde nur ein kleiner Aspekt. Und die Versteigerung von Bildern, die er nicht selbst besaß oder kaufen wollte, war ein kurzweiliges Vergnügen. Manche schickte er zu den großen Auktionen nach England oder New York. Allein das Betrachten so vieler Kunstwerke, die durch seine Hände gingen, machte ihm schon Spaß. Bilder waren nur ein kleiner Teil, er handelte auch mit Porzellan, Schmuck, Skulpturen, ja Teppichen und anderen Antiquitäten. Und neu angefertigten, handgearbeiteten Kunstwerken. Nachdenklich nippte sie an ihrem Kaffee. Er war sich so sicher, dass sie zustimmte. Immerhin hatte sein Bruder ihm diese Frau empfohlen. Sie war die Beste auf ihrem Gebiet hier in der Gegend. Jung, aber erfahren und perfekt ausgebildet. Ein zusätzliches Jahr in den Katakomben des Pariser Louvre, nach ihrem Kunststudium, hatte ihr gezeigt, was wirklich ihre Ambition war: ihre Leidenschaft für Gemälde konnte sie so perfekt stillen, ohne selbst den Pinsel in die Hand zu nehmen. Denn ihr Talent zum Malen war bestenfalls mittelmäßig. Im Vergleich zu anderen. „Also gut. Wir probieren das. Ich werde mit Sicherheit anfangs ein paar Mal beleidigt sein, wenn Sie eine Analyse anzweifeln, aber da muss mein Ego durch. Was nicht tötet härtet ab. Nur möchte ich bitte über alle Ergebnisse der anderen Labore informiert werden. Das ist meine Bedingung. Oder soll das geheim bleiben?“ Er schnaubte unwirsch. Sie hatte im Grunde Recht, dass sie erfahren wollte, was die anderen Experten von ihrer Analyse hielten. Aber das wollte er nicht zugeben. „Nun, das lässt sich vermutlich einrichten. Erwarten Sie denn, immer Recht zu behalten?“ „Sir, wenn Sie nicht glauben, dass ich gewillt bin, allerbeste sorgfältige Arbeit abzuliefern, brauchen Sie mir keinen Job anzubieten! Meine Expertise zu jedem Bild, das Sie untersucht haben wollen, werde ich nach bestem Wissen und Gewissen anfertigen. Es wird keine Halbwahrheiten geben. Dazu gehört, dass ich Ihnen ganz klar mitteilen werde, wenn ich Zweifel habe.“ Sie zögerte. „Hawk hat sicherlich mit Ihnen gesprochen. Ich vertraue manchmal auf mein Bauchgefühl. Auch wenn ein Bild gut aussieht… manchmal nagt da etwas an mir, ein Detail, das ich nicht gleich greifen kann. Und meistens hab ich Recht. Also werde ich nur dann ein klares Urteil fällen können, wenn ich mir sicher bin. Ganz sicher.“

Jetzt musste er schlucken, um nicht wütend vorzupreschen. Sie würde sich nicht immer sicher sein? Was sollte das denn? Diese Aussage gefiel ihm nicht besonders. Andererseits hatte er klar gemacht, dass er ihre Ergebnisse eh noch einmal überprüfen lassen würde. Vor allem am Anfang. Vor allem, wenn ihm das Ergebnis nicht gefiel. Also, wenn sie Zweifel hatte – und das offen zugab – konnte er das so weiterleiten. Und dann entscheiden, welcher Meinung er mehr vertraute.

Kapitel 3: Eine Kopie, der Fälscher und eine Sicherung

Die Zusammenarbeit begann recht entspannt. In den nächsten Wochen wurden immer wieder Bilder in ihr Loft geliefert, die sie auf Echtheit überprüfen sollte. Einige waren echt, andere nicht. Die meisten Analysen schnell und einfach abgearbeitet. Zunächst überprüfte Walker jeden einzelnen Bericht in ihrer Gegenwart. Ließ sich an den Bildern sogar zeigen, woran sie Fehler erkannte. Die Fälschungen, die er ihr geschickt hatte, waren auch dazu da, um ihre Fähigkeiten weiter zu überprüfen. Nicht alle Gemälde sollten von ihr für seine Firma untersucht werden. In den ersten Wochen waren immer auch andere Objekte dazwischen geschoben. Ob sie es merkte? Ja, klar doch. Nun, es war ihr egal, denn sie bekam eine bestimmte Summe für jedes Objekt. Je mehr Bilder, desto mehr Geld. Kein Problem also, wenn er ihr immer noch nicht vertraute. Sie musste allerdings lachen, als er aus Versehen ein Bild doppelt schickte. Sie kopierte ihren ersten Bericht, unterstrich das Datum und die laufende Nummer fett mit einem Textmarker und schickte es an ihn zurück. Mit seiner heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Er zitierte sie in sein Büro.

Wutschnaubend deutete er auf die beiden Bilder, die nun Seite an Seite auf seinem Konferenztisch lagen. Beide waren sich im ersten Moment so ähnlich, dass nicht klar war, wer die Kopie von welchem war.

„Wie können Sie behaupten, dass Sie das Bild schon einmal hatten. Das hier ist die Kopie, das hier das Original!“ Sein Zorn hing in der Luft, erstickte den Raum. Seine geballten Fäuste machten, dass sie in der ersten Sekunde entsetzt zurück wich. Doch danach wurde sie selbst genauso wütend. Sie war im Recht! Und sie konnte es beweisen. Dass er ihr solch einfache Fehler unterstellte, konnte sie so nicht hinnehmen. Verdammt, was war das nur für ein selbstherrlicher Macho. So konnte sie doch nicht arbeiten! „Das können Sie so nicht sagen. Sie haben mir zwar das andere Bild geschickt. Aber es ist aus genau denselben Gründen eine Fälschung wie das erste. Beide sind nicht das Original. Echt nicht!“ Mit einer herrischen Geste hielt er ihr die erste – und einzige von ihr angefertigte - Expertise hin und verlangte, dass sie es neu machte. Vor seinen Augen. Er verstand nicht. Wie konnte sie so sicher sein, dass sein Original ebenfalls eine Fälschung war?

Er schimpfte weiter, machte ihr deutlich, dass er solch schlampige Arbeit nicht dulden konnte. Er würde noch heute den Vertrag mit ihr kündigen. Null und nichtig sei der. Sie war hiermit arbeitslos. Fristlos gekündigt wegen schlampiger Arbeit. So konnte er nicht zusammenarbeiten. Echt nicht. Stoisch, nur ein wenig verblüfft, ließ sie seinen Wutausbruch über sich ergehen. Tief durchatmen. Weiteratmen. Ihren eigenen Zorn verbannte sie in eine hintere Ecke ihres Geistes. Und auch das Grinsen, das sich auf ihr Gesicht stehlen wollte, denn der Typ regte sich wegen nix auf. Das würde sie beweisen. Aus Erfahrung mit ihren aufbrausenden Brüdern hatte sie gelernt, dass es besser war, kalt und klar denkend zu bleiben, als sich selbst auch in Rage zu reden. Das beeindruckte sie immer am Meisten. Nur wenn sie ihn mit Fakten überzeugen konnte, würde sie ihren Job behalten. Im Stillen dankte sie Devlin und Markus für ihre Größe, Arroganz und herrische Art. Ihre Kindheit mit den beiden älteren Jungs hatte sie perfekt für solche Situationen ausgebildet. Als ob es ein Training gewesen wäre, sich gegen die beiden behaupten zu müssen. Und sie war eine gute Schülerin. Sie wartete geduldig. Bis er endlich fertig war und sie wortlos weiter anstarrte. Aggressiv, aber zumindest ansatzweise beherrscht. Er hatte seinen Standpunkt klar gemacht und erwartete offensichtlich ihre Entschuldigung.

„Okay. Auch wenn es für Sie ein Schlag unter die Gürtellinie ist: auch dieses sogenannte Original ist nicht echt. Kann es gar nicht!“ „Und ob es das ist, verdammt noch mal. Der Künstler selbst hat es für mich signiert. In meiner Gegenwart! Wie können Sie dann sagen, es sei falsch?“ Sprachlos starrte sie ihn an. Das war hart. Was lief falsch? Das konnte nicht sein. Sie stockte, fing immer wieder einen Satz an, dann schüttelte sie, plötzlich wieder selbstsicher, den Kopf. Doch, sie war sich so sicher. Der Fehler lag nicht bei ihr. „Das ändert nichts. Beide sind falsch. Ehrlich. Ich bin sicher. Ganz sicher. Warten Sie, ich zeig es Ihnen!“ Sie ging zum Tisch und holte das Tablet aus ihrer großen Tasche, die sie immer bei sich hatte. Sie scrollte durch die Bilddateien und zeigte ihm dann zwei aufeinanderfolgende Bilder. Ihre kalte, ruhige, gelassene Art erstaunte ihn. Warum hatte sie keine Angst, wenn er sie anbrüllte? Harte Männer waren als Verhandlungspartner schon vor seinem Zorn zurückgeschreckt, eingeknickt. Und diese zierliche kleine Frau? Warum wich sie nur minimal zurück, gab aber in ihrer Meinung nicht nach? War sie sich wirklich sicher, keinen Fehler gemacht zu haben? Sie setzte seinem Zorn eine unterkühlte Ruhe entgegen. Die ihm den Wind aus den Segeln nahm. Ungeduldig beugte er sich über ihr Tablet, verfolgte ihren Finger. Dass ihr dabei so nahe kam, dass er ihre Wärme spürte und ihren zarten Duft inhalierte, machte ihn kein bisschen ruhiger. „Hier, sehen Sie?“ „Was soll ich da erkennen? Das ist düster, dunkel, wo haben Sie das gemacht? In einer Dunkelkammer?“ Sie lächelte. „Ja, so ähnlich. Der Künstler ist Jason Brown. Avantgarde, New York, aktuell und sehr teuer. Ich bin mir sicher, dass Sie dabei waren, als er ein Bild für Sie signierte. Aber keines dieser beiden ist ein von ihm gemaltes Originalwerk. Ich kenne ihn. Persönlich. Er ist total nett, aber ein wenig durchgeknallt. Und er hat mir ein Detail verraten, das nur Insider kennen und er möchte nicht, dass zu viele Leute davon wissen. UV-Licht.“ Während sie weiter durch die Bilder scrollte, erklärte sie mit nüchternen Worten, dass Mr. Brown schon immer Angst vor Fälschungen hatte. Eine Art Paranoia, die er nicht ablegen konnte. Und wie man hier sah, zu Recht. Seine Werke waren teuer, modern, beliebt und daher ein interessantes Gebiet für Fälscher. Also hatte er eine Art Sicherung eingebaut, die nur Eingeweihte bei genauerem Blick erkannten. Sie fand endlich das gesuchte Bild. Es zeigte ein ähnliches Gemälde, wie die beiden vor ihnen auf dem Tisch, aber ebenfalls in einem dunklen Raum angeleuchtet. Und da sah man eine winzige Figur, die von dem UV-Licht hervorgehoben wurde. Eine kleine Spinne. Sie saß in der rechten oberen Hälfte des Bildes, aber nicht am Rand. Danach zeigte sie ihm die Stelle vergrößert auf anderen Fotos. Einmal mit, einmal ohne UV-Licht. Es gab keine Spinne zu sehen, ohne dieses Lichtspektrum. Nichts, einfach nichts zu sehen. Tracy erklärte dem verblüfften Walker, dass in jedem Original so ein Objekt versteckt war. Eines, das nur Eingeweihte finden konnten. Sie hatte nur einen kurzen Strahl ihrer speziellen UV-Taschenlampe über das Bild halten müssen, um die Echtheit zu überprüfen. Bei diesen beiden war sie nicht fündig geworden, also war ihre Einschätzung: falsch. Gefälscht.

Walker grummelte. Das war absolut undenkbar. Also ging er mit ihr in eines der Bäder, die über kein Fenster verfügten. Er ließ sie beide Bilder mit der UV-Lampe überprüfen. Und sie hatte Recht. Nichts flammte im Licht auf. In der Enge der Dunkelheit sog er tief ihren Duft ein, fühlte die Wärme ihres nahen Körpers. Verdammt, schon wieder. Sein aufgewühlter Zustand, das wütende Adrenalin in seinen Adern, machten ihn noch empfänglicher für sie. Verflixt, wie gelang es der Frau nur, sich in so einer Situation auf Ölbilder zu konzentrieren? Sie raubte ihm seine Ruhe. Und ihr nächster Satz traf ihn hart.

„Was ist, wenn Sie bestohlen wurden? Wenn Ihr Original ausgetauscht worden ist?“ Zögernd begann sein Hirn zu verarbeiten, was sie damit andeutete. Wenn das die Wahrheit war, gab es ein Sicherheitsproblem in seiner Firma. Eine andere Erklärung hatte er nicht. Nicht, wenn sie richtig lag. Entschlossen ging er zum Telefon und hatte nach erstaunlich kurzer Zeit Jason Brown am Apparat. Nickend nahm Walker zur Kenntnis, dass seine Expertin Recht hatte. Das Bild, das in seiner Gegenwart von Brown unterzeichnet worden war, hatte über eine solche UV-Signatur verfügt. Eindeutig. Sie hatte ihn nicht angelogen.

---ENDE DER LESEPROBE---