Bis dass der Tod uns scheidet - Jessica Huntley - E-Book

Bis dass der Tod uns scheidet E-Book

Jessica Huntley

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Beschreibung

Drei Frauen, die alles für einander tun würden – sogar ihre schrecklichen Ehemänner töten
Der mitreißende psychologische Thriller mit Wendungen, die dir den Atem rauben werden 

Penny, Holly und ich – wir sind unzertrennlich, seit wir sieben Jahre alt waren. Beste Freundinnen, die alles miteinander teilen.

Na ja … fast alles. Von Simon habe ich ihnen nie erzählt.

Das erste Mal schlug er mich an unserem Hochzeitstag. Danach kamen Tränen, Entschuldigungen – bis zum nächsten Mal. Das ist sein Muster. Ich weiß nicht, warum ich meinen Freundinnen nicht von meinem furchtbaren Ehemann erzähle. Vielleicht, weil ich nicht will, dass sie sich Sorgen machen. Sie haben ihre eigenen Probleme.

Aber an einem Wochenende in Pennys atemberaubendem Landhaus kommt alles ans Licht: Unsere Männer sind Lügner, Betrüger, Monster. Also schließen wir einen folgenschweren Pakt.

„Auf unsere furchtbaren Ehemänner. Mögen sie bekommen, was sie verdient haben.“ Damals klang es wie ein perfekter Plan. Doch jetzt frage ich mich: Was haben wir getan? 

Erste Leser:innenstimmen
„Absolut spannender Thriller. Mit jeder Wendung wird klar: Niemand ist hier unschuldig.“
„Der Psychothriller wirft einen schonungslosen Blick auf toxische Beziehungen und die Grenzen von Freundschaft.“
„Dieser Thriller liefert, was er verspricht: Tiefgründige Charaktere, ein düsteres Setting und unvorhersehbare Wendungen.“
„Extrem fesselnd und pychologisch brilliant – perfekt für Fans von intensiver Suspense!“

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses E-Book

Penny, Holly und ich – wir sind unzertrennlich, seit wir sieben Jahre alt waren. Beste Freundinnen, die alles miteinander teilen.

Na ja … fast alles. Von Simon habe ich ihnen nie erzählt.

Das erste Mal schlug er mich an unserem Hochzeitstag. Danach kamen Tränen, Entschuldigungen – bis zum nächsten Mal. Das ist sein Muster. Ich weiß nicht, warum ich meinen Freundinnen nicht von meinem furchtbaren Ehemann erzähle. Vielleicht, weil ich nicht will, dass sie sich Sorgen machen. Sie haben ihre eigenen Probleme.

Aber an einem Wochenende in Pennys atemberaubendem Landhaus kommt alles ans Licht: Unsere Männer sind Lügner, Betrüger, Monster. Also schließen wir einen folgenschweren Pakt.

„Auf unsere furchtbaren Ehemänner. Mögen sie bekommen, was sie verdient haben.“ Damals klang es wie ein perfekter Plan. Doch jetzt frage ich mich: Was haben wir getan? 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Januar 2025

Copyright © 2025 Joffe by dp, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-857-6

Copyright © 2025, Joffe Books Titel des englischen Originals: Horrible Husbands

Übersetzt von: Katja Fischer Covergestaltung: ArtC.ore-Design / Wildly & Slow Photography © Joffe Books Korrektorat: Katharina Pomorski

E-Book-Version 03.03.2025, 11:07:04.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Bis dass der Tod uns scheidet

Dieses Buch ist meinen besten Freundinnen gewidmet, Alice und Katie, der realen Version von „The Bitches“, die ich von ganzem Herzen liebe … aber nicht genug, um eure Ehemänner für euch umzubringen. Da müsst ihr schon selbst ran!

Kapitel Eins

Lisa

Vor vierzehn Jahren

Ein Schrei bahnt sich seinen Weg ihre Kehle hinauf und erstickt sie. Es gibt nichts, was sie tun kann, um ihn zu stoppen. Der Laut explodiert aus ihrem Mund hervor, als er ihre Haare in seiner geballten Faust packt, ihre Lippen mit der anderen, schmutzigen Hand bedeckt und sie hinter eine Reihe dichter Büsche zerrt.

Die Dunkelheit verschlingt sie vollständig.

Noch vor einer Minute war sie auf dem Heimweg von der Party, die sie früher als geplant verlassen hatte, und jetzt wird sie schreiend und tretend hinter ein Gebüsch gezerrt.

Sie weiß, dass sie nicht alleine im Dunkeln hätte laufen sollen, aber es war nicht weit. Nur durch den Park, denselben Park, den sie wie ihre Westentasche kennt und durch den sie schon hundertmal gegangen ist. Ständig hört sie Horrorgeschichten in den Nachrichten, über junge Mädchen, die von fremden Männern angegriffen werden, aber niemals hätte sie gedacht, dass es ihr passieren könnte.

Niemand kann sie sehen, und genau darauf setzt er. Als sie es schafft, sich aufzurappeln, stößt er sie, und sie stolpert über den unebenen Boden, fällt ins Gras und spürt das Brennen eines Dorns, der sich in ihre linke Handfläche bohrt. High Heels auf Gras zu tragen, ist nie eine gute Idee, und jetzt fühlen sie sich an wie Fesseln, die sie beschweren und ihre Flucht behindern. Vielleicht hätte sie, wenn sie sie nicht getragen hätte, entkommen und um ihr Leben rennen können.

Sie versucht erneut wegzukriechen. Ihr kurzer Rock rutscht hoch bis zu ihren Hüften, und sie spürt die kühle Brise über ihren nackten Hintern wehen.

„So eine Schlampe“, sagt er. „Einen Tanga unter einem kurzen Rock zu tragen. Du bettelst ja geradezu darum.“

Er packt ihren linken Knöchel und zieht sie zurück zu sich. Sie tritt um sich, in der Hoffnung, ihn mit ihren High Heels zu erwischen, aber ihre Füße treffen nur ins Leere. Sie schreit und kratzt mit ihren Fingern, doch nichts, was sie tut, hält ihn davon ab, sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihren zitternden Körper zu legen. Er knurrt, während er ihren Mund mit seiner großen Hand so fest zudrückt, dass sie nicht einmal mehr atmen kann. Er trägt eine schwarze Sturmhaube, und das Einzige, was sichtbar ist, sind seine schwarzen Augen.

„Still jetzt. Es wird nicht lange dauern.“

Aber er irrt sich. Für sie fühlt es sich an wie eine Ewigkeit in der Hölle.

Mit einer schnellen Bewegung reißt er ihren Tanga weg. Sie hört, wie ein Reißverschluss geöffnet wird, und dann ist er in ihr. Und es tut weh. Es ist ihre erste Erfahrung, und nichts ist so, wie sie weiß, dass es sein sollte. Sie sollte keine Tränen in den Augen haben, sie sollte keine Angst haben, es sollte kein Fremder über ihr sein, und es sollte nicht draußen in einem Park passieren. Sie ist nicht bereit. Sie wollte, dass es etwas Besonderes ist.

Das alles ist falsch, aber es gibt nichts, was sie tun kann, um es zu verhindern. Ihr Körper wird schlaff. Vielleicht, wenn sie stillliegt, tut er ihr nicht weh. Vielleicht, wenn sie nicht zurückschlägt, wird er das Interesse verlieren.

Aber auch damit liegt sie falsch.

Es spornt ihn an.

Sie wimmert wie ein verletztes Tier.

„Ich hab dir doch gesagt, dass es dir gefallen würde, du Schlampe.“ Er schnüffelt an ihrer Wange und wischt die Tränen mit dem Stoff seiner Maske ab. „Hmm, deine Tränen schmecken gut, Baby.“ Er leckt sich die Lippen. Er klingt jung, vielleicht in den Zwanzigern, aber sie kann sich nicht sicher sein.

Lachen ertönt irgendwo in der Nähe. Sie ist gerettet! Da laufen Menschen durch den Park.

Er drückt ihr eine Hand auf den Mund. „Wenn du einen Laut von dir gibst, reiß ich dir die Eingeweide raus.“

Sie macht ein weiteres wimmerndes Geräusch, wie eine Katze, während das Lachen langsam verklingt und schließlich verschwindet.

„So“, raunt er in ihr Ohr, „wo waren wir stehengeblieben?“

Und er macht weiter.

Kapitel Zwei

Holly

Jetzt

Der Geruch von Schweiß hat etwas an sich, das mir eine Gänsehaut bereitet und ein Adrenalinprickeln durch meine Adern jagt. Ich spreche nicht von Körpergeruch, denn der ist absolut ekelhaft und lässt mich schon beim Gedanken daran würgen. Ich meine Schweiß. Muffig, warm, vielleicht leicht würzig. In gewisser Weise ähnelt er dem Geruch von Blut, den ich auf eine etwas seltsame Art auch mag. Und wann immer ich mir in den Finger schneide, genieße ich es, diese kleine Perle Blut aufzusaugen und das süße Kribbeln auf meiner Zunge zu spüren. Das tun wir alle. Ich bin kein verrückter Freak.

Aber zurück zum Schweiß.

Manche Menschen behaupten, Schweiß riecht nicht, bis er sich mit Bakterien auf der Haut vermischt, und erst das verursacht den Geruch. Diese Leute liegen in meinen Augen falsch. Schweiß riecht. Und ich mag ihn, daher muss ich mich regelrecht zusammenreißen, um mich nicht über meinen männlichen Klienten zu lehnen, der unter mir tropft, und eine große Nase voll zu nehmen.

Ich bin keine Sexarbeiterin.

Ich bin Personal Trainerin.

Schweiß ist Teil meiner Jobbeschreibung. Wenn meine Klienten meine Einheit nicht als triefende, verschwitzte Wracks verlassen, fühle ich mich wie eine Versagerin und habe meinen Job nicht richtig gemacht. Allerdings bin ich nicht eine von diesen Personal Trainern, die ihre Kunden so weit treiben, dass sie sich übergeben oder fast ohnmächtig werden. Es gibt eine feine Grenze zwischen hartem Training und völliger Erschöpfung. Solche extremen Trainingseinheiten sind für professionelle Spitzensportler reserviert, nicht für die Normalsterblichen, die in mein Fitnessstudio kommen. Dennoch kommen meine Kunden nicht zu mir, um während ihrer Trainingseinheiten gemütlich zu plaudern, denn wenn sie während des Trainings reden können, mache ich etwas falsch und sie arbeiten nicht hart genug. Wenn sie jemanden suchen, bei dem sie sich öffnen, über ihr Leben beschweren, über die Nachbarn tratschen oder die neuesten Beauty-Trends austauschen können, dann kommen sie nicht zu mir. Das weiß jeder. Wenn ein Kunde beschließt, dass er von mir trainiert werden möchte, weiß er genau, worauf er sich einlässt: harte Arbeit, Ergebnisse … und Schweiß.

Wie Kevin Bolton …

Kevin ist ein glatzköpfiger Mann mittleren Alters, der zu mir kam, weil er zwanzig Kilo abnehmen wollte. Er flehte mich an, ihn zu trainieren, damit er vor seiner Frau nackt gut aussieht. Das waren seine Worte bei unserem ersten Treffen und der Beratungssitzung. Ich sagte ihm: „Hör zu, Kevin, ich bin sicher, deine Frau findet dich schon gut aussehend, sonst wäre sie doch nicht immer noch mit dir verheiratet, oder?“ Seine Antwort war: „Okay, lass es mich umformulieren … ich will nackt gut für mich selbst aussehen.“ Das war die richtige Antwort.

Ich nahm die Herausforderung an. Denn am Ende des Tages ist das der Grund, warum ich Personal Trainerin geworden bin. Es geht nicht darum, für andere gut auszusehen. Es geht darum, sich für sich selbst gut zu fühlen und gut auszusehen. Es spielt keine Rolle, wie du aussiehst, solange du glücklich bist und dich unabhängig von deiner Größe oder Form selbst liebst.

Jetzt, sechs Monate später, hat Kevin bereits fünfzehn Kilo verloren. Er hat mir schon gesagt, dass er sich großartig fühlt, auch mit seinem Spiegelbild, dass sein Sexleben besser ist als je zuvor und dass er mit seinen Kindern herumrennen kann, ohne außer Atem zu geraten oder das Gefühl zu haben, einen Herzinfarkt zu bekommen. Er hat aufgehört, jeden Abend Takeaway zu essen, das gönnt er sich jetzt nur noch einmal im Monat. Er trinkt mehr Wasser und zählt seine täglichen Schritte. Ich würde das als Erfolgsgeschichte bezeichnen. Genau deshalb liebe ich meinen Job. Menschen dabei zu helfen, nicht nur ihr Leben zu verändern, sondern auch länger zu leben, ist mein Lebensziel. Ja, die meisten Leute kommen zu mir, um Gewicht zu verlieren, aber mein ultimatives Ziel ist es, ihr Leben zu verändern, egal in welcher Form.

Ich starre auf Kevin hinunter, der auf der Matte unter mir liegt und nach seinen Core-Übungen am Ende seiner Einheit tropfnass ist. Ich baue Rumpftraining immer am Ende ein, denn wenn man es am Anfang macht, ist der Rumpf bereits ermüdet, bevor der Hauptteil des Trainings beginnt, und die Wahrscheinlichkeit, die Übungen sicher und korrekt auszuführen, sinkt. Außerdem wird der Rumpf bei jeder einzelnen Übung trainiert, sei es bei Bizepscurls oder bei Kniebeugen – vorausgesetzt, man macht sie richtig. Daher frage ich mich manchmal, ob Sit-ups überhaupt notwendig sind.

Fast jeder Kunde, den ich trainiere, beginnt damit, mir zu erzählen, dass er einen flacheren Bauch möchte und mehr Sit-ups machen muss. Dann erklären sie mir, dass sie bereits so viele verschiedene Core-Übungen ausprobiert und diese sogenannten Fettverbrennungspillen genommen haben, die Bauchfett schmelzen lassen sollen, und sogar versucht haben, Taillen-Trainer zu tragen, um ihre Taille zu verschlanken (hauptsächlich Frauen, obwohl ich auch eine Transfrau hatte, die einen Taillen-Trainer trug, und ich habe ihnen sofort gesagt, sie sollen damit aufhören). Fakt ist, du kannst dein Bauchfett nicht gezielt ansprechen. Du kannst deinem Körper nicht sagen, dass er heute Fett vom Bauch und morgen ein bisschen vom Po verbrennen soll. So funktioniert das nicht.

Bauchmuskeln entstehen in der Küche. Denn jeder hat Bauchmuskeln unter seinem Körperfett. Genau das habe ich Kevin von Anfang an gesagt. Er hat mir zugehört, als ich ihm erklärte, dass er nicht nur zweimal die Woche für zwei Stunden zu mir kommen und erwarten kann, Ergebnisse zu sehen. Er müsste auch während der anderen hundertsechsundsechzig Stunden der Woche hart arbeiten. Und, Gott segne ihn, er hat sich den Hintern aufgerissen, und ich bin stolz auf ihn.

Nicht alle meine Kunden hören auf mich, aber Kevin tut es, und seine Ergebnisse sprechen für sich. Tatsächlich hat er letzten Monat im Fitnessstudio den Preis für die „Beste Transformation“ gewonnen.

„Okay, das war’s. Tolle Arbeit, Kevin.“ Ich halte ihm meine rechte Hand hin, die er fest ergreift, und ziehe ihn auf die Beine. Ich kämpfe gegen den Drang an, an ihm zu schnuppern, während er sein verschwitztes graues T-Shirt glattzieht. Ich frage mich immer, warum Leute beim Training Grau tragen. Es zeigt jeden Schweißfleck. Deshalb trage ich nur Schwarz.

„Danke, Holly. Was für eine tolle Einheit. Gleiche Zeit am Donnerstag?“

„Darauf kannst du wetten.“

„Was machst du jetzt? Ein weiterer Kunde?“

„Ich habe zwei Stunden frei, also mache ich mein eigenes Training, dann ein frühes Mittagessen, bevor ein voller Nachmittag mit Kunden und ein Spin-Kurs am Abend anstehen.“

„Wow, du hörst nie auf, oder?“

Ich lächle ihn an. „Ich mag es, beschäftigt zu sein, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich im Fitnessstudio wohne. Vielleicht sollte ich einfach ein aufblasbares Bett im Hinterzimmer aufstellen.“ Wir lachen gemeinsam, während Kevin sich mit seinem Handtuch über die Stirn wischt.

„Ich bin sicher, dein Mann würde dich vermissen, wenn du das tätest“, sagt er.

„Hmm, wahrscheinlich hast du recht“, antworte ich und behalte meine Gedanken für mich.

Ich bezweifle, dass mein Mann überhaupt merken würde, dass ich weg bin.

„Danke noch mal, Holly. Bis Donnerstag.“

„Tschüss, Kevin. Viel Erfolg bei deiner Präsentation morgen. Du schaffst das.“

Er grinst, als hätte ich ihm das größte Kompliment der Welt gemacht. Letzte Woche hatte er mir vor unserer Einheit erzählt, dass er eine große Präsentation vor sich hat, die ihn bei der Arbeit wirklich stresst und auch zu ein bisschen Spannung zu Hause führt. Die Tatsache, dass ich mich daran erinnert habe, trifft ins Schwarze. Ich mag es, für meine Kunden immer ein bisschen mehr zu tun.

„Danke!“ Er geht mit federnden Schritten in Richtung der Umkleideräume für Männer.

Ich gehe zu einer Ecke des Fitnessstudios, wo ein Schreibtisch steht. Die Personal Trainer hier nutzen ihn als Platz, um nach einer Trainingseinheit Papierkram zu erledigen und gleichzeitig den Fitnessbereich im Auge zu behalten. Niemand ist am Schreibtisch, also lasse ich mich auf den Stuhl sinken und nehme einen Schluck aus meiner Wasserflasche, die ich heute Morgen dort stehen gelassen habe, als ich um sechs Uhr zur Arbeit kam. Mit der rechten Hand fahre ich mir durch mein schwarzes, Pixie-kurzes Haar und richte eine Strähne, die sich gelöst hat.

Manchmal mag ich es, einfach nur Leute zu beobachten. Ich mache das nicht auf offensichtliche Weise, aber es fasziniert mich, die verschiedenen Typen von Menschen zu sehen, die ins Fitnessstudio kommen.

Da sind die Stammgäste, die selbstbewusst hereinkommen und immer dieselbe Bank in derselben Ecke der Matte benutzen und genau dieselbe Zeit lang bleiben.

Dann gibt es die älteren Leute, die meistens gemeinsam kommen und die Hälfte der Cardiogeräte in Beschlag nehmen. Andere Geräte benutzen sie nie.

Und dann sind da noch die Neulinge, die aussehen, als wären sie gerade in den falschen Raum gelaufen, und die ständig nach dem nächsten Ausgang oder jemandem suchen, der sie rettet. Sie sind meine Favoriten, weil sie vielleicht schüchtern und nervös beginnen, aber nachdem ich ihnen alles gezeigt, sie herumgeführt und mich vorgestellt habe, an Selbstvertrauen gewinnen. Ihre Entwicklung zu beobachten, ist immer inspirierend.

Ich stehe auf und gehe zu den Umkleideräumen. Es ist Zeit für mein eigenes Training.

***

Ich bin es gewohnt, dass Menschen mich anstarren. Sie denken, ich bemerke die verstohlenen Seitenblicke nicht, aber das tue ich. Wenn man eine so offensichtliche Behinderung hat wie ich, gewöhnt man sich leider daran, angestarrt zu werden. Ich glaube nicht, dass die Leute es tun, um unhöflich zu sein. Sie sind einfach neugierig und in meinem Fall fasziniert davon, dass ich trotz meiner Behinderung als Personal Trainerin arbeite, obwohl ich nur eine voll funktionsfähige Hand habe.

Ich wurde mit moderater Symbrachydaktylie an meiner linken Hand geboren, auch bekannt als unterentwickelte Hand. Dabei fehlen die meisten oder alle Fingerknochen (in meinem Fall sind es die drei Finger zwischen Daumen und kleinem Finger). Das macht das Heben von Gewichten zu einer Herausforderung. Mit meiner linken Hand kann ich keine schweren Kurzhanteln heben oder Kettlebells richtig benutzen, aber ich habe mein Training angepasst, indem ich Widerstandsbänder verwende, die ich über meinen Arm legen kann. Kniebeugen mit einer Langhantel sind möglich, wenn ich den Squat-Rack benutze, und meistens kann ich meinen Kunden die Übungen demonstrieren. Manchmal greife ich jedoch auf Videos aus dem Internet zurück, wenn ich ein Gewicht nicht sicher aufnehmen kann. Der Punkt ist, ich habe mich von meiner Behinderung nicht aufhalten lassen, und ich denke, genau das macht mich zur beliebtesten Personal Trainerin im Fitnessstudio. Die Leute sehen mich als jemanden, der Hindernisse überwunden hat, und sie können sich damit identifizieren oder es zumindest respektieren.

Im Laufe der Jahre gab es ein paar Unfälle, aber ich habe gelernt, meine Bedürfnisse an meinen Job anzupassen und Übungen, wo nötig, zu modifizieren. Außerdem ist das Fitnessstudio, in dem ich arbeite, extrem hilfsbereit und bereit, mir zusätzliche Unterstützung zu bieten, falls ich sie benötige. Aber angestarrt werde ich oft. Meistens von Neuankömmlingen, die es ungewöhnlich finden, eine fitte Frau mit 32 Jahren zu sehen, die als Personal Trainerin arbeitet und nur eine vollständige Hand hat.

Ich beende meinen Satz mit zehn Kniebeugen an der Langhantel und lege sie wieder auf den Squat-Rack zurück. Es ist nicht so schwer wie das, was ich normalerweise hebe, aber siebzig Kilo sind immer noch mehr als mein eigenes Körpergewicht, und ich hebe nie schwerer ohne einen Spotter, falls ich den Griff verliere.

Zwei muskelbepackte Männer stehen etwas abseits eng beisammen, werfen mir Blicke zu und flüstern miteinander. Ich sehe sie im Spiegel. Und ich glaube nicht, dass sie meinen durchtrainierten Po oder meine Kniebeugentechnik loben, denn sie grinsen und versuchen, ihr Lachen zu verbergen.

Ich drehe mich um und gehe auf sie zu. „Kann ich euch helfen, meine Herren?“

Beide haben zumindest den Anstand, rot zu werden. Einer von ihnen (der mit dem rasierten Kopf und den schwarzen Tattoos auf den Armen) nimmt lässig einen Schluck aus seiner Wasserflasche.

„Wir bewundern nur deine Technik“, sagt er und presst die Lippen zusammen. Der andere hinter ihm (der hellblondes Haar hat) blickt zur Decke und vermeidet den Blickkontakt.

Ich lächle süß. „Vielen Dank.“

„Was ist dein One-Rep-Max?“, fragt Glatzkopf.

„Hundertzehn Kilo“, antworte ich.

Blondie hebt die Augenbrauen. „Das ist beeindruckend für eine …“ Er stoppt und wird noch röter.

„Also“, sage ich und verschränke die Arme, genieße es, wie sie sich winden, „entweder willst du jetzt mein Geschlecht beleidigen, indem du sagst, dass es beeindruckend für eine Frau ist, oder du willst meine Behinderung beleidigen, indem du sagst, dass es beeindruckend für jemanden mit einer Hand ist … also, was wird es?“

Blondie und Glatzie werfen sich einen Blick zu, in der Hoffnung, dass der andere zuerst spricht.

Nach fünf langen Sekunden zeigt Glatzie mir die Handflächen. „W-wir wollten nicht … ich meine … ich wollte nicht andeuten …“

Ich hebe eine Augenbraue und schaue Blondie an. „Entspannt euch, Jungs“, sage ich lachend. „Ich mach nur Spaß.“

Beide atmen erleichtert aus und lachen mit.

„Aber wenn ich euch noch einmal sehe, wie ihr hinter meinem Rücken kichert und Witze macht, oder über irgendjemanden hier, dann werde ich euch aus meinem Fitnessstudio verbannen. Klar?“ Sie pressen die Lippen zusammen und nicken, während ich mich auf dem Absatz umdrehe und hoch erhobenen Hauptes zurück zum Squat-Rack gehe.

***

Fünfundvierzig Minuten später habe ich mein Training beendet und mache statische Dehnübungen auf den Matten vor der Reihe von Fernsehern hoch oben an der Wand. Sie sind auf stumm geschaltet, aber die Untertitel sind eingeschaltet, sodass ich die Nachrichten auf dem Bildschirm verfolge, während ich meinen Quadrizeps dehne.

Der Kern der Nachrichten ist, dass gestern Abend eine Frau tot aufgefunden wurde, nur zwanzig Minuten von meinem Wohnort in Edinburgh entfernt. Ich arbeite im Stadtzentrum, aber mein Haus steht in Roslin, einem kleinen Dorf etwa sieben Meilen südlich der Hauptstadt. Die Frau, die ums Leben gekommen ist, wurde gegen zehn Uhr abends im Water of Leith gefunden, dem Hauptfluss, der durch Edinburgh fließt. Sie wurde als Leanne Prince identifiziert, eine Friseurin aus dem nahe gelegenen Dorf Juniper Green.

„Oh mein Gott!“

Ich nehme meine kabellosen Ohrstöpsel heraus, als die Frau auf der Matte neben mir aufschreit und sich beide Hände vor den Mund schlägt. Sie ist gerade mitten in einem Satz Sit-ups.

„Geht es dir gut?“, frage ich.

Tränen füllen ihre Augen, und sie beginnt zu zittern. „I-ich kannte sie. Sie ist meine Friseurin.“

Ich vergesse meine Dehnübungen und lege sofort einen Arm um die Schultern der armen Frau, während ich sie zu einer nahe gelegenen Bank geleite. Ein anderer Personal Trainer kommt herüber und fragt, ob alles in Ordnung ist, also bitte ich ihn, etwas Wasser zu holen. Als er zurückkommt, hat die Frau aufgehört zu weinen, ist aber jetzt sehr blass.

„Hier, trink das“, sage ich und reiche ihr den Plastikbecher. „Du stehst unter Schock.“

„I-ich kann einfach nicht glauben, dass sie tot ist.“

„Wann hast du sie zuletzt gesehen?“

„Vor zwei Tagen. Niemand macht meine Haare so wie Leanne. Ich habe mir die Haare färben lassen …“

„Es sieht sehr schön aus.“

„… und sie hat mir erzählt, wie aufgeregt sie war, dass ihre Nichte und ihr Neffe sie dieses Wochenende besuchen. Oh Gott …“ Die Frau schnieft laut.

Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll, also winke ich Jane, eine andere Trainerin, heran und erkläre ihr leise die Situation. Jane sieht entsetzt aus und wirft einen Blick zum Fernseher, aber dort läuft inzwischen eine andere Meldung. Offenbar soll es dieses Wochenende eine ungewöhnliche Hitzewelle in Schottland geben. Das kommt gelegentlich vor.

Jane kann viel besser mit emotionalen Menschen umgehen. Nicht, dass ich kein Mitgefühl für die Frau hätte, die gerade ihre Friseurin verloren hat, aber das geht ernsthaft auf meine Mittagspause. Außerdem, und ich sage das mit größtem Respekt, ist es mir einfach nicht so wichtig.

„Was sollen wir tun?“, fragt mich Jane.

Ich blicke zu der Frau, die jetzt in ein feuchtes Taschentuch schluchzt. „Da fragst du mich?“

„Sollen wir jemanden anrufen?“

„Wen?“

„Möchtest du, dass wir jemanden anrufen?“, fragt Jane und hebt die Stimme ein wenig, damit die Frau weiß, dass sie mit ihr spricht.

Die weinende Frau schüttelt den Kopf. „Nein, danke. Ich komme schon klar.“ Sie steht auf. „Es ist nur … wer wird jetzt meine Haare schneiden und färben?“

Jane und ich tauschen einen Blick aus. „Meine Friseurin ist fantastisch“, sage ich mit so viel Fröhlichkeit, wie ich aufbringen kann. „Sie kennt die besten Klatschgeschichten und gibt dir sogar eine Kopfmassage ohne Aufpreis.“

„Wirklich?“, sagt Jane. „Wer ist das?“

„Kelsey von To Dye For.“

„Oh, ich habe gehört, dass sie gut ist!“, sagt Jane.

Ich nicke übertrieben begeistert und schenke der Frau ein hoffnungsvolles Lächeln. Sie nickt zurück.

„Danke, ich rufe sie mal an.“ Sie macht ein paar Schritte in Richtung Umkleideräume.

„Bist du sicher, dass wir niemanden für dich anrufen sollen?“, frage ich.

„Nein, ich werde schon zurechtkommen. Auf Wiedersehen.“

Jane und ich sehen zu, wie die Frau das Fitnessstudio verlässt, und seufzen gleichzeitig.

„Die arme Frau“, sagt Jane.

„Sie wird schon klarkommen. Ehrlich, Kelsey ist ein Genie, was Haare angeht …“

„Nein, ich meinte die Frau, die gestorben ist.“

„Oh … richtig. Natürlich. Ja …“

Ich gehe in die Umkleideräume und setze mich auf eine der Bänke, während ich mein Handy checke. Das WhatsApp-Symbol leuchtet, was nur eines bedeuten kann: Die Mädels haben gechattet.

Zeit herauszufinden, was bei Lisa und Penny los ist.

Kapitel Drei

Lisa

Jetzt

Die Frau im Spiegel sieht nicht aus wie ich. Es fällt mir schwer, überhaupt ein Bild von mir selbst hervorzurufen, wie ich aussah, bevor mein Leben diesen holprigen Weg einschlug. Bevor ich zu jemandem wurde, den ich nicht mehr wiedererkenne, und eine Rolle annahm – die einer liebenden, glücklichen Ehefrau, die sich über einen fürsorglichen Ehemann, einen Vollzeitjob und ein Dach über dem Kopf freut. Denn das ist so weit von der Wahrheit entfernt, wie es nur sein kann. Ich sehne mich nach den Tagen, an denen ich morgens voller Hoffnung und Vorfreude auf den Tag erwachte, ohne zu wissen, was die Zukunft bringen würde. Doch diese Tage liegen so lange zurück, dass ich mich manchmal frage, ob sie überhaupt je existiert haben. In meinem Kopf spielen sie sich ab wie gelöschte Szenen aus einem Film.

Stattdessen habe ich jetzt Angst davor, etwas Falsches zu sagen oder zu tun und dafür bestraft zu werden, dass ich überhaupt atme. Jeder Tag ist von Spannung und Angst durchzogen, was mich bis zur Erschöpfung auslaugt.

Manchmal frage ich mich, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, die blauen Flecken in meinem Gesicht jeden Tag mit Make-up zu überdecken. Es ist ja nicht so, als ob es jemand bemerken oder es jemanden kümmern würde. Die dunklen Schatten unter meinen Augen zeigen der Welt, dass ich erschöpft bin, aber ich weiß, dass sie von schlaflosen Nächten herrühren, in denen ich zu verängstigt bin, um einzuschlafen. Die Blässe meines Teints zeigt der Welt, dass ich schwach und unterernährt bin, und mein schmächtiger Körper signalisiert, dass ich mich nicht um mich selbst kümmere, weil mir mein Aussehen egal ist. Aber ich weiß, dass es daran liegt, dass ich nicht zunehmen darf, und ich darf meinen Körper nicht zeigen, damit ich Männern keinen falschen Eindruck vermittle.

Doch die blauen Flecken erzählen eine andere Geschichte. Die Leute neigen dazu, sie nicht zu kommentieren, weil es als unsensibel gelten würde und sie sich nicht mit etwas Ernstem auseinandersetzen wollen. Meine Kollegen sagen mir, mein Haar sähe kraftlos und leblos aus und ich könnte eine künstliche Bräune vertragen, aber sie fragen nicht nach meinem Veilchen. Sie wollen die Wahrheit nicht wissen, weil sie zu real ist, zu kompliziert.

Die einzigen beiden Menschen, denen es etwas bedeuten würde, wenn sie es wüssten, sind Holly und Penny, aber ich habe die Mädels seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen. Sie würden die Frau, die ich heute bin, nicht wiedererkennen. Wann immer ich mein Gesicht in einem Video oder einem Bild zeige, das ich ihnen per WhatsApp schicke, lege ich so viel Make-up auf, dass die blauen Flecken verborgen bleiben.

Oh Gott, ist es wirklich schon so lange her? Drei Jahre. Wir führen alle so beschäftigte Leben, und einen Zeitpunkt zu finden, an dem wir alle Zeit haben, fühlt sich an, als würde man versuchen, fünfzehn verschiedene Kalender gleichzeitig zu jonglieren. Es klappt nie reibungslos, weil einer von uns immer etwas dazwischenkommt. Es hilft auch nicht, dass wir in verschiedenen Ländern leben. Ich lebe in Truro, England. Penny lebt in St. Davids, Wales, und Holly wohnt in Roslin, Schottland. Wir könnten nicht weiter voneinander entfernt wohnen, solange wir noch im Vereinigten Königreich leben. Penny hatte kurzzeitig überlegt, mit ihrem Mann Drake nach Kalifornien zu ziehen, aber diese Idee wurde schnell verworfen, als sie erfuhr, dass sie schwanger war, und sie dann die Zwillinge bekam. Stattdessen sind sie aus ihrem Haus in London weggezogen und haben sich in St. Davids niedergelassen, in der Nähe von Pennys Tante Silvia, ihrer einzigen noch lebenden Verwandten.

Ich beuge mich ein Stück näher zum schmutzigen Badezimmerspiegel im Personalbereich hinten bei Boots, wo ich arbeite, und trage eine weitere Schicht Concealer unter meinen Augen auf, weil die erste Schicht jetzt Risse aufweist und die Linien noch tiefer erscheinen lässt.

Ich bin Apothekerin, also habe ich zumindest guten Zugang zu Medikamenten und den neuesten Beauty-Produkten, die angeblich dunkle Augenringe verschwinden lassen. Auf den Verpackungen steht zwar nichts davon, dass sie auch dunkle blaue Flecken abdecken, aber das ist im Grunde dasselbe. Ich erhole mich immer noch von den gebrochenen Rippen, die mein Mann mir vor ein paar Wochen zugefügt hat. Anfangs war es nicht so schlimm, aber inzwischen ist es schwer, einen Atemzug zu nehmen, ohne zu denken, mein Brustkorb würde gleich aufbrechen.

Ich tupfe eine kleine Menge Concealer um mein linkes Auge und zucke zusammen, als mein Finger die wunde, geschwollene Stelle berührt. Er hat mich gestern Abend wirklich gut erwischt. Er hat sich sofort entschuldigt, wie er es immer tut, und seinen Ausbruch auf den Stress geschoben, unter dem er in letzter Zeit steht. Er sagt ständig, dass sich die Dinge bei der Arbeit bald bessern werden und er sich dann etwas entspannen kann und mich vielleicht auf einen romantischen Strandurlaub entführt – etwas, das er mir seit fast acht Jahren verspricht. Lustig ist nur, dass sein sogenannter Stress über die Jahre die Ursache für all seine Ausbrüche war. Wie viel Stress kann ein Mann bei der Arbeit eigentlich haben?

Soweit ich weiß, sind unsere Finanzen stabil. Wir schwimmen nicht im Geld, aber wir haben immer die Hypothek pünktlich bezahlt, die Rechnungen sind gedeckt, und wir haben Essen auf dem Tisch. Aber wir konnten uns nie einen Urlaub leisten, und ich gebe kein Geld für Dinge wie Maniküren, Gesichtsbehandlungen oder neue Kleidung aus. Ich trage seit zehn Jahren dieselben Jeans. Mein Mann, Simon, sagt, sie sähen gut an mir aus, also brauche ich keine neuen, auch wenn die Säume sich auflösen und die Knie dünn werden.

Gestern Abend hatte ich nicht mit ihm gestritten. Ich hatte ihm nur aus Versehen einen Whiskey aus der falschen Flasche eingeschenkt – die, die er für einen besonderen Anlass aufbewahrt hatte und die viel Geld wert war. Woher hätte ich das wissen sollen? Sie sehen für mich alle gleich aus, fein säuberlich in der Höhe sortiert auf seiner speziellen Bar. Aber hätte ich ihm kein Glas eingeschenkt, hätte er mich angeschrien, weil ich ihm keins gebracht habe. Bei meinem Mann kann ich einfach nie gewinnen. Jeden Tag auf Eierschalen zu laufen, ist ermüdend und verwirrend, weil es nie einen klaren Auslöser für ihn gibt. Manchmal kann er monatelang ohne Ausbrüche auskommen, und ich habe mich mehr als einmal in trügerischer Sicherheit gewogen. Doch ich lerne nie dazu, und er ändert sich nie.

Simon war nicht immer so. Ich schätze, er war schon immer beschützend, sagte mir, ich solle nicht mit meinen Freundinnen ausgehen, weil er ihnen nicht traue, oder meinte, ich bräuchte kein neues Make-up, weil ich ohne perfekt aussehe. Kleine Dinge am Anfang. Dinge, die ich kaum bemerkte und die sich auf mein Leben auswirkten. Aber es wurde schlimmer.

Das erste Mal, dass er mich schlug, war an unserem ersten Hochzeitstag vor acht Jahren. Davor waren wir fast sechs Jahre zusammen gewesen, und er hatte mich nie verletzt. Er war so entsetzt über das, was er getan hatte, dass er in Tränen ausbrach und um meine Vergebung bettelte. Nach dem ersten Mal schlug er mich fast drei Jahre lang nicht wieder. Aber das zweite Mal war viel schlimmer. Ich musste ins Krankenhaus, um meine Kinnwunde nähen zu lassen, und war so beschämt, dass ich die Krankenschwester, die mich behandelte, anlog und sagte, ich hätte mir das Kinn an der Tischkante gestoßen – was ja irgendwie stimmte, denn er hatte mich dagegen geschubst und ich war unglücklich gefallen. Ob sie mir glaubte oder nicht, weiß ich nicht, aber Simon war danach monatelang sehr reumütig.

Das ist das Problem mit Simon. Es tut ihm immer leid … bis zum nächsten Mal.

„Lisa, bist du da drin?“ Die Stimme meiner Kollegin Jenna dringt durch die Tür.

„Ja, tut mir leid, bin gleich fertig.“ Ich beende schnell das Auftragen des Concealers, wische eine kleine Träne aus meinem Augenwinkel, hole tief Luft und öffne dann mit einem Lächeln die Tür.

„Alles ok?“, fragt Jenna.

„Ja, alles bestens. Mittagessen?“

Jenna nickt. „Auf jeden Fall.“

***

Fünf Minuten später kaufen wir uns einen Meal Deal und setzen uns auf eine Bank vor dem Einkaufszentrum. Das ist besser, als im hinteren Teil des Ladens zu sitzen, wo es keine Fenster gibt. Außerdem ist es ein wunderschöner Frühlingstag, und meine Mittagspause ist die einzige Gelegenheit, draußen an der frischen Luft zu sitzen. Die Vögel singen, die Sonne scheint, und die Leute schlendern in leichten Jacken herum, anstatt wie in den letzten Monaten in dicke Mänteln eingepackt zu sein. Ich liebe es, Menschen zu beobachten und mir zufällige Geschichten zu ihrem Leben auszudenken.

Da ist eine junge Mutter, allein mit einem kleinen Baby, das nicht älter als zwei Monate sein kann. Sie sieht so glücklich aus und lächelt nach außen hin, während sie ihr Bündel Freude aufnimmt und in ihren Armen wiegt. Doch ich erkenne an ihrer leicht gebeugten Haltung und ihrem ungekämmten Haar, dass sie erschöpft ist. Aber ihr Lächeln verrät, wie sehr sie ihr Kind liebt, und ich bin mir sicher, dass sie eine großartige Mutter ist. Ich hoffe, ihr Freund oder Ehemann oder wer auch immer an ihrer Seite ist, ist nett zu ihr. Sie verdient Glück.

Ich beiße in mein Schinken-Käse-Sandwich und schaue auf mein Handy. Eine Nachricht von Penny ist in unserem Gruppenchat mit dem Titel: The Bitches.

Ich, Penny und Holly.

Wir sind beste Freundinnen, seit wir sieben Jahre alt waren. Wir haben uns in einem Ballettkurs kennengelernt, zu dem unsere Eltern uns gezwungen hatten, und waren seitdem unzertrennlich. Damals lebten wir alle in derselben Gegend in der Nähe von Manchester. Wir gingen zwar nicht auf dieselbe Schule, aber zweimal die Woche besuchten wir Tiny Dancers und hatten die beste Zeit, herumzualbern und ein paar Tanzbewegungen zu lernen. Als wir älter wurden und in die fortgeschrittene Klasse wechselten, verloren wir langsam das Interesse am Tanzen, gingen aber weiterhin zum Kurs, weil wir uns sonst nicht gesehen hätten. Erst als wir an verschiedene Universitäten gingen, sahen wir uns immer seltener, blieben aber in Kontakt – bis heute.

Jetzt sind wir Anfang dreißig und haben alles miteinander durchgemacht, obwohl wir weit voneinander entfernt leben und uns nur einmal im Jahr treffen (wenn wir Glück haben). Jedes Mal, wenn wir versuchen, ein Datum für ein Treffen festzulegen, kommt etwas dazwischen. Penny hat zwei Kinder und führt ihr eigenes Unternehmen, weshalb sie meistens Schwierigkeiten hat, Zeit zu finden. Holly ist in Edinburgh beschäftigt, wo sie als Personal Trainerin arbeitet. Und ich bin fast am entgegengesetzten Ende Großbritanniens, in Cornwall.

Ich habe keine anderen engen Freundinnen. Nicht so wie sie. Wir erzählen uns alles. Nun ja … fast alles. Sie wissen nichts von Simon und seinem Stress bei der Arbeit. Sie wissen nicht, dass er mich schlägt, und sie wissen nicht, dass ich vor zwei Wochen eine Fehlgeburt hatte, als er mich zum Stolpern brachte und ich die Treppe hinunterfiel, wobei ich mir auch noch ein oder zwei Rippen brach. Ich war beim Arzt wegen des Blutes, das aus mir strömte, aber nicht wegen der Schmerzen in meinen Rippen. Für den Arzt war es eine tragische Fehlgeburt, wie sie etwa eine von fünf Frauen erlebt.

Ich bin mir nicht sicher, warum ich meinen Freundinnen nichts von meinem schrecklichen Ehemann erzähle. Vielleicht, weil ich nicht will, dass sie sich Sorgen machen, und sie könnten mir ohnehin nicht helfen. Sie haben ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme, mit denen sie sich herumschlagen müssen. Sie sind meine besten Freundinnen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie verstehen würden, dass ich meinen Mann wirklich liebe und es wahrscheinlich meine eigene Schuld ist, dass er mich schlägt.

Jenna ist in ein Telefonat mit ihrem Mann vertieft, daher habe ich kein schlechtes Gewissen, dass ich in den Gruppenchat auf WhatsApp schaue. Ich liebe es, mit den Mädels die Ereignisse des Tages aufzuarbeiten. Penny schickt viele Sprachnachrichten. Sie redet sowieso schnell, und es ist für sie einfacher, eine Sprachnachricht aufzunehmen, als alles zu tippen. Außerdem ist sie oft ziemlich derb und hat eine Alles-erzählen-Mentalität, die ich mir immer gerne mit doppelter Geschwindigkeit anhöre.

Penny: Hey, Bitches. Okay, ihr werdet nicht glauben, was letzte Nacht passiert ist, als Drake und ich Sex hatten. Da waren wir, in der Doggy-Style-Position, und er sagt: „Hey, Babe, kann ich dir noch mal ins Gesicht kommen? Das hat mir das letzte Mal echt gefallen. Und nenn mich Timothy.“ Ich meine … was soll ich dazu sagen nach fast sieben Jahren Ehe? Ich will kein verdammtes Sperma im Gesicht, vielen Dank. Ich will einfach nur, dass das Ganze vorbei ist. Ihr wisst, was ich meine? Aber das war nicht mal das, was mich am meisten gestört hat. Er hat „noch mal“ gesagt, als ob ich ihn das vorher schon mal hätte machen lassen, was ich nicht habe. Das heißt, entweder hat er mich mit jemand anderem verwechselt, oder er hatte einen Sextraum darüber und hat jetzt Traum und Realität durcheinandergebracht. Was glaubt ihr, was stimmt? Jedenfalls … wie geht’s euch beiden? Oh, ich habe neulich einen süßen Rock gefunden. Ich schick euch ein Foto!

Ich unterdrücke ein Lachen, denn nur Penny kann über ihren Mann, der ihr ins Gesicht kommen will, und einen süßen Rock in derselben Nachricht sprechen. Penny war schon immer diejenige von uns, die sagt, was sie denkt. Sie ist ehrlich, direkt und lässt sich von niemandem etwas gefallen, und genau dafür liebe ich sie. Ich wette, wenn ihr Mann sie schlagen würde, würde sie ihn damit nicht durchkommen lassen. Sie würde ihm höchstwahrscheinlich eine zurückgeben. Ich weiß, dass sie einmal die Woche Karateunterricht nimmt.

Ich tippe eine Antwort:

Lisa: Okay, das ist seltsam und irgendwie eklig. Und wer ist Timothy? Ich bin sicher, er hat nur von dir geträumt. Drake liebt dich. Mir geht’s okay. Bin gerade in der Mittagspause xx

Ich drücke auf Senden. Die Wahrheit ist, dass ich Pennys Mann kaum kenne, aber nach dem, was sie uns erzählt, ist er ein fürsorglicher Ehemann und Vater. Auch wenn er es im Schlafzimmer anscheinend gerne etwas ausgefallener mag.

Sofort sehe ich die drei kleinen Punkte, und Pennys Antwort kommt Sekunden später. Ich halte das Handy ans Ohr und höre zu.

Penny: Timothy Grant ist ein Name, den er im Bett manchmal gerne hört. Es ist eine Rollenspiel-Sache, die er sich vor Jahren ausgedacht hat. Ich weiß nicht, warum. Es ist so eklig! Er ist mir noch nie ins Gesicht gekommen, in all den Jahren, die ich ihn kenne. Warum hat er also überhaupt gefragt? Hat er gedacht, ich wäre jemand anderes? Oh mein Gott, er betrügt mich wieder, oder? Mein Mann betrügt mich mit irgendeiner Schlampe, die ihn das machen lässt. Ich weiß, er mag es ein bisschen kinky und hat mich einmal gebeten, ihn Daddy zu nennen, während er mich versohlt hat, aber … oh Mist, das ist auch seltsam und eklig, oder? Mit wem zur Hölle bin ich eigentlich verheiratet?

Ich will gerade von meinem Sandwich abbeißen, aber mein Appetit ist verschwunden. Also packe ich es zurück in die Verpackung und nehme stattdessen einen Schluck Wasser.

Lisa: Vielleicht hat er es in einem Film gesehen und wollte es ausprobieren.

Diesmal tippt Penny ihre Antwort.

Penny: Ah, er schaut also Pornos. Großartig.

Lisa: Das habe ich nicht gesagt, aber du weißt doch, wie Männer sind. Sie sind sehr visuell. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass selbst verheiratete Männer hin und wieder Pornos schauen.

Penny: Würg.

Lisa: Lol

Penny: Wo ist Holly? Warum gibt sie keinen Kommentar zu der ganzen „Komm-mir-ins-Gesicht“-Geschichte ab?

Lisa: Ich glaube, sie ist wahrscheinlich im Fitnessstudio und trainiert.

Penny: Das Mädel lässt uns mit seinem Trainingsumfang echt alt aussehen.

Lisa: Es ist ihr Job. Was machst du gerade?

Penny: Ich mache eine Pause vom Inventurmachen. Sosehr ich es liebe, selbstständig zu sein, es nervt, dass ich alles alleine erledigen muss. Aber wenigstens habe ich eine schöne Aussicht.

Ein paar Sekunden später kommt ein Foto von sanften Hügeln, hinter denen das Meer zu sehen ist. Ehrlich gesagt, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, Penny ist ein Filmstar. Ihr riesiges Landhaus liegt nur ein paar Meilen vom Strand entfernt und ist mindestens eine Million Pfund wert. Wenn ich sie nicht so sehr lieben würde, wäre ich ständig neidisch.

Lisa: Wow.

Penny: Ich wünschte, ihr Mädels wärt hier.

Lisa: Ich wünschte auch, ich wäre dort. Stattdessen sitze ich auf einer winzigen Bank draußen und esse ein trauriges Sandwich in meiner Mittagspause.

Penny: Dein Leben möchte ich nicht haben, Babe … nur ein Scherz! Lieb dich!

Ich lächle und atme tief durch, während ich in den blauen Himmel blicke. Sie hat keine Ahnung, wie blöd es tatsächlich ist, ich zu sein. Ich wünschte, ich könnte irgendwo anders sein, jemand anderes sein. Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen? Wie konnte ich das zulassen?

Holly: Ähm … warum habe ich gerade den Gruppenchat geöffnet und Nachrichten über Penny und ihren Mann gehört, wie er ihr ins Gesicht kommt?

Penny: Ah, sie lebt! Und nur zur Klarstellung: Er ist mir NICHT ins Gesicht gekommen.

Lisa: Er hat sie nur gefragt, ob er es tun darf.

Holly: Er betrügt dich wieder.

Penny: Ich wusste es …

Lisa: Lasst uns keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Ich senke mein Handy, als Jenna mich anstupst. „Bist du bereit, wieder reinzugehen?“

„Ähm, ja. Gib mir eine Minute.“

„Wir sehen uns drin.“

Ich sehe zu, wie Jenna hineingeht. Wir reden nicht viel. Zumindest nicht über wichtige Dinge. Ich weiß, dass sie merkt, wie ich jedes Mal das Gesicht verziehe, wenn ich eine schwere Kiste hebe, und ich weiß, dass sie mich seltsam ansieht, wenn sie denkt, dass ich es nicht bemerke. Aber sie sagt nie etwas. Sie fragt mich nie, ob alles in Ordnung ist.

Die Sache ist, selbst wenn sie fragen würde, würde ich ihr nichts anvertrauen. Ich vertraue mich niemandem an. Nicht einmal meinen beiden besten Freundinnen.

Ich werfe einen Blick auf den Gruppenchat, der mittlerweile mit Nachrichten explodiert ist. Ich muss zurück an die Arbeit.

Lisa: Sorry, Mädels. Muss los. Melde mich später.

Penny: Tschüss, Babe.

Holly: Bis später!

Ich werfe mein ungegessenes Sandwich in den nächsten Mülleimer und gehe hinein. Als ich an der Babyabteilung vorbeilaufe, setzt mein Herz für einen Moment aus, und eine Welle der Übelkeit droht mich zu überwältigen. Meine Augen werden von den süßen Babys auf den Verpackungen und der Auswahl an winzigen Söckchen angezogen, die problemlos einer Puppe passen könnten.