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Endlich! Drei Wochen Maui. Nur Sonne, Strand, Meer und Tom! Aber schon am ersten Tag – während der Happy Hour – ein Schrei! Ein Mordopfer, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, und ein Polizeichef, der an der Aufklärung des Mordfalls kein Interesse hat. Für Julia stehen zwei Dinge fest. Der Tote braucht Gerechtigkeit. Und sie braucht Hilfe – von Tom und ihren Freunden aus Frankfurt. Gemeinsam begeben sie sich in die verworrene Welt von Lügen, Gier und Macht. Erst spät erkennt Julia, was die einzelnen Spuren verbindet.
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Seitenzahl: 464
Veröffentlichungsjahr: 2024
Karin Einhäuser
Bis in den Tod … BLUT
Ein Krimi aus der „Bis in den Tod …“-Reihe
Weitere Bücher von Karin Einhäuser
Bis in den Tod … SÜNDE
© 2024 Karin Einhäuser
Lektorat und Korrektorat:
Heike Susanne Przybilla | www.lektorat-wortlust.de
Umschlaggestaltung:
© inspirited books Grafikdesign | www.inspiritedbooks.at
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
ISBN: 978-3-384-16285-4 (Paperback)
978-3-384-16286-1 (E-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Karin Einhäuser, Am Römerhof 41, 60486 Frankfurt/Main, Germany.
Für Xandra
die mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat und in der Zeit zu einer guten Freundin wurde.
Danke!
»Das Gestern ist nur ein Traum,
das Morgen nur eine Vision.
Aber das Heute, richtig gelebt,
macht alles Gestern zu einem Traum des Glücks und
jedes Morgen zu einer Vision der Hoffnung,
daher achte wohl auf diesen Tag.«
Sanskritspruch
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Über die autorin
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Widmung
Epigraph
Kapitel 1
Über die autorin
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1
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KAPITEL 1
Drei Wochen nur Julia und er und herrliche Strände, hellblaues Wasser, faszinierende Sonnenauf- und untergänge, warme Tage und laue Nächte.
Er, Tom Rothe – Erster Kriminalhauptkommissar bei der Frankfurter Mordkommission, Kriminalinspektion 10 Kapitaldelikte, ein großer, durchtrainierter, gutaussehender Mann in den Mitte Vierzigern, mit kurzem dunkelbraunem Haar und leicht angegrauten Schläfen, kristallblauen Augen, dunklem Teint und einem verschmitzten Lächeln – und sie, Julia – erfolgreiche Innenarchitektin aus New York, achtunddreißig Jahre, dunkler Teint, strahlend grüne Augen, schwarze wilde Locken und ein umwerfendes Lächeln.
Sie hatten es sich auf dem geräumigen Sun Deck ihrer luxuriösen Suite, das sich nahtlos aus dem weitläufigen Wohnbereich ins Freie ergoss, bequem gemacht. Sie saßen in den Korbsesseln, die bei jeder Bewegung leise knarrten, und blickten gedankenverloren auf das Meer, das sie nur erahnen konnten. Die Dunkelheit hatte sich breitgemacht und das kristallblaue Wasser in eine schwarze Fläche verwandelt. Man konnte sich nur an dem leisen Rauschen der Wellen vorstellen, was sich am Tag darbot. Diese Dunkelheit hatte ihnen auch das Zeitgefühl genommen. Aber was bedeutete hier – an diesem bezaubernden Fleck Erde – schon Zeit.
Sie waren am Mittag auf dem Flughafen Kahului gelandet, wo bereits eine Limousine auf sie wartete, die sie in die ungefähr zwanzig Kilometer entfernte 5-Sterne-Hotelanlage Iwalani Beach Resort brachte. Iwalani – die himmlische Möwe – mit ihrer Wahl dieses Hotels für ihren ersten gemeinsamen Strandurlaub – für den Genuss von Sonne, Sommer, Strand und Meer – hatten sie genau ins Schwarze getroffen.
Das Resort war aufgrund seiner unvergleichlichen Lage – eingebettet zwischen zwei tropisch goldenen Sandstränden – einfach nur traumhaft schön.
Als Julia und Tom die Suite zum ersten Mal betraten, hatten sie sofort diese hawaiianische Gastfreundlichkeit gespürt, die sich in der liebevoll ausgesuchten, wenn auch einfach gehaltenen Einrichtung aus hellem Holz und Korbgeflecht, kombiniert mit diesen Meeresfarben, ausdrückte. Und der süßliche Duft der Hibiskusblüten, die in allen Räumen verteilt waren, hatte zusätzlich dazu beigetragen.
Die Suite war perfekt für sie. Alle Farben des Meeres – Julia nannte sie scherzhaft ‚fifty shades of blue‘ – spiegelten sich in den Zimmern wider und zauberten so eine Urlaubsstimmung in jeden einzelnen Raum, die in ihnen Vorfreude auf die vor ihnen liegende Zeit weckte. Und mit den Sonnenstrahlen, die durch die Sonnenlamellen wie kleine Spitzbuben in die einzelnen Zimmer lugten, bildeten diese unterschiedlichen blauen, grünen und türkisfarbenen Töne eine harmonische Symbiose.
Aber das alles wurde getoppt von diesem weißen Sandstrand, der wenige Meter von ihnen entfernt den Pazifischen Ozean säumte. Die Spiegelungen der Sonne auf der Meeresoberfläche ließen die sanften Wellenbewegungen des Wassers wie funkelnde Diamanten wirken und sorgten gleichzeitig für ein wunderschönes Farbenspiel – ein tiefes bis ins Grün schillernde Blau, das zum Hineinspringen einlud.
Sie hatten sich nach ihrer Ankunft frisch gemacht – Julias Koffer, die sie bereits vor Wochen von New York nach Maui geschickt hatte, waren vom Hotelpersonal bereits ausgepackt worden – und waren dann direkt an eine der vier Poolbars gegangen.
Als sie so dasaßen und die hawaiianische Spätnachmittagssonne auf ihrer Haut spürten, hatte Julia gedacht, wie privilegiert sie doch war. Sie durfte all diese Schönheit erleben. Selbst diese fruchtige Piña Colada, die sie bei dem netten Bar-Boy bestellt hatte, war eine der köstlichsten und cremigsten, die sie je hatte. Sie erinnerte sich an einen Artikel zum fünfzigsten Jubiläum der Piña Colada. Das Hotel Caribe Hilton, in dessen Bar dieses heute so bekannte Getränk 1954 angeblich entstanden war, hatte zu diesem Anlass zu einem Fest unter dem Namen ‚Caribe Hilton’s Piña Colada‘ eingeladen und das Rezept veröffentlicht – 2 oz. weißer Rum, je 1 oz. Coconut Cream und Sahne, 6 oz. frischer Ananassaft und eine halbe Tasse Crushed Ice, im Blender mixen, bis alles cremig war, und als Garnitur eine Ananasspalte und eine Maraschino Kirsche. Fertig! Sie hatte sich gewundert, wie klar sich die genauen Mengen in ihrem Kopf festgesetzt hatten. Jedenfalls war die Piña Colada das richtige Getränk für diesen sonnigen ersten Nachmittag auf Maui.
Jetzt saßen sie mit einer Flasche eisgekühltem Wein schweigend auf dem Sun Deck ihrer Suite und genossen das geheimnisvolle Meeresrauschen, das sie unweigerlich an die leise Entspannungsmusik erinnerte, die in den Wellness-Oasen dieser Welt gespielt wurde. Nur hier umspielte sie zusätzlich eine leichte, lauwarme Brise, die das Meer ihnen schickte. Es war eine Sommernacht, die viel versprach und die sie schweigend in sich aufnahmen.
Julia war so froh, nein, sie war nahezu dankbar, für einige Tage dem Hamsterrad des Alltags entflohen zu sein und nichts tun zu müssen, als in den Tag hineinzuleben. Die letzten sechs Wochen, die sie in Boston und Malibu verbracht hatte, waren anstrengend gewesen. Sie hatte viel gearbeitet, um mit allem, was notwendig war, rechtzeitig vor Maui fertig zu werden. Sie wollte einfach Störungen im Urlaub vermeiden. Aber das hatte sie müde gemacht. Hier konnte sie ihre Seele baumeln, sich einfach treiben lassen. Und sie war glücklich, endlich wieder mit Tom zusammen zu sein. Sie hatte ihn schon eine Stunde nach seinem Abflug in New York am 4. Januar furchtbar vermisst. Sie liebte ihn, bei ihm fühlte sie sich angekommen. Mit ihm konnte sie sich unterhalten, lachen, schweigen. Und er war zärtlich und verwöhnte sie.
Tom unterbrach ihre Gedanken. Er schaute sie liebevoll an und sagte ihr zum wiederholten Mal: „Ich habe dich sehr vermisst.“ Dabei strich er ihr sanft über ihren Unterarm, der locker auf der Lehne ihres Korbsessels lag. Sofort fing ihr Gesicht an zu strahlen. Das passierte immer, wenn er ihr sagte, was auch sie empfand. Sie stand auf und setzte sich auf seinen Schoß. Seine muskulösen Oberschenkel waren durch den dünnen Stoff ihres Calvin-Klein-Sommerkleides deutlich zu spüren. Ja, es war schöner, zusammen zu sein und sich zu fühlen. Aber sie wusste, dass es bei ihrem Beruf nicht die letzte schmerzliche Trennung war.
Während der letzten Wochen hatte sie viel darüber nachgedacht, wie sie ihren Job anders organisieren konnte. Sie war bereits in Boston, als sie äußerst liebe Danksagungen für die gelungene Silvesterparty von einigen ihrer Partygäste erhielt. Aber es waren vor allem die Nachrichten von Jimmy Raven, Jack Maddisson und ihrem Anwalt Larry Barnes, die sie dazu brachten, sich noch intensiver mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Sie hatten ihr deutlich zu verstehen gegeben – ‚Halt ihn fest, go for him, girl‘. Vielleicht sollte sie wirklich anfangen, kürzerzutreten, ihr Arbeitspensum zu reduzieren. Das Geld, das sie mit jedem Auftrag verdiente, brauchte sie nicht. Sie hatte mit ihrer Tätigkeit genug Geld verdient. Und sie hatte Millionen von ihm, ihrem Ziehvater, ihrem Vertrauten, geerbt. Für Geld brauchte sie nicht mehr zu arbeiten. Aber ihr Herzblut hing an jedem neuen Auftrag, an jeder neuen Um- und Neugestaltung. Und aus der Zufriedenheit ihrer Auftraggeber zog sie ihre Energie. Es war wie ein Lebenselixier für sie. Aber vor allem war es ihr Dankeschön an alle, die ihr vor vielen Jahren diese Chancen gegeben hatten. Ohne ihre Kunden wäre sie nicht da, wo sie heute war. Ja, sie liebte es, sich mit schönen Dingen zu beschäftigen, in der Weltgeschichte herumzufliegen und Menschen in aller Herren Länder mit ihren Arbeiten zu beglücken. Sie hatte rund um den Globus verteilt überall Freunde und Bekannte. Aber war das alles wichtiger als Tom?
„Ich habe dich auch schrecklich vermisst. Und ich habe nachgedacht.“
Tom schaute sie erwartungsvoll an.
„Und?“
Er war gespannt auf das, was sie ihm sagen wollte.
„Ich möchte nicht mehr so lange von dir getrennt sein. In den letzten sechs Wochen hatte ich viel Zeit, mir Gedanken über uns zu machen, darüber, wie es weitergehen soll. Was hältst du davon, wenn ich die Aufträge, die zurzeit laufen, noch bearbeite, aber danach keine neuen mehr annehme, ohne vorher mit dir gesprochen zu haben?“
Sie sah ihn an.
„Ich möchte meine Leidenschaft nicht vollständig aufgeben, aber ich könnte sie reduzieren.“
Sorgenfalten lagen auf ihrer Stirn, als sie auf seine Reaktion wartete. Aber anstatt ihr zu antworten, nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie zärtlich. Er wollte diese Sorgenfalten wegküssen, ihr zu verstehen geben, dass alles gut werden würde. Gott, er liebte diese Frau. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dem, was sie gerade gesagt hatte. Das hatte er nie von ihr erwartet und auch nie von ihr verlangt. Sie war so leidenschaftlich und so gut in dem, was sie tat. Und das wollte sie für ihn aufgeben. Sie war bereit, einen Teil von sich für ihre Liebe zu ihm zu opfern. Verdammt noch mal, sie liebte ihn wirklich. Diese Erkenntnis machte ihn sehr glücklich. Er stand mit ihr in seinen Armen auf – sie war mit ihren 158 Zentimetern und den 53 Kilogramm ein Federgewicht – und trug sie in die Kühle des Schlafzimmers.
Dort fragte er nur: „Hast du Lust auf Dankeschön-Sex?“
Als Antwort fing Julia an, ihm sein Hemd auszuziehen und seine Jeans zu öffnen. Und er machte das Spiel mit. Sie zogen sich gegenseitig langsam und sehr sinnlich aus und nach kurzer Zeit saßen sie sich auf dem herrlich nach Hibiskusblüten duftenden Bett nackt gegenüber. Das Mondlicht spiegelte sich durch die offene Tür auf ihren Körpern und verlieh ihnen einen warmen Glanz. Tom schaute Julia tief in die Augen. Die Blicke aus ihren strahlend grünen Augen trafen ihn wie kleine Pfeile der Erotik. Und ihre schwarzen, wilden Locken riefen förmlich danach, sie mit seinen Händen zu berühren. Sie war so umwerfend schön. Er küsste sie mit all der Zärtlichkeit, die er für sie empfand. Und er wollte sie berühren, sie küssen, sie streicheln. Er wollte sie spüren, überall. Und er wollte sie heute Nacht verwöhnen.
Julia streichelte seinen nackten Oberkörper und schmiegte sich ganz dicht an ihn. Tom spürte die Wärme ihrer Haut. Er drückte sie sanft auf das Bett. Dann richtete er sich leicht auf und fing an, ihren Körper mit seinen Händen und seiner Zunge zu erobern. Sie schloss ihre Augen und genoss einfach seine Berührungen.
Ganz langsam, Zentimeter um Zentimeter, arbeiteten sich seine Lippen von ihrem wohlgeformten Hals über ihre zarten Brüste hinab zu ihrem Bauchnabel. Julia, die sich seinen Liebkosungen mit all ihrem Gefühl hingab, spürte seine Männlichkeit bei jeder Berührung. Seine Lippen waren so sanft und seine Küsse und das Spiel seiner Zunge ließ ihren Körper beben. Sie war inzwischen so erregt, dass sie kaum atmen konnte. Sie wollte ihn in sich spüren.
Er streichelte ganz leicht und kaum spürbar über ihre Oberschenkel. Sie hatte so zarte Haut. Und sie duftete so gut. Seine Hand glitt langsam nach innen und dann weiter nach oben, bis er schließlich ihr Lustzentrum erreichte. Sie spürte sanft seine Finger, wie sie sich ihren Weg zu ihrem Venushügel suchten, und dann ihre Perle massierten. Julia stöhnte auf und spreizte ihre Beine ein wenig. Gleichzeitig verwöhnte seine Zunge sie langsam und so furchtbar zärtlich. Ihr Atem ging schneller. Lustschauer überrollten ihren Körper. Sie hielt es kaum mehr aus. Sie wollte ihn.
Tom merkte, dass sie mehr als bereit für ihn war. Er küsste sie und jetzt tanzten ihre Zungen gemeinsam, während sie spürte, wie seine Männlichkeit sich zwischen ihren Beinen einen Weg in sie suchte. Ganz langsam drang er mit leicht rotierendem Becken tiefer und tiefer in sie ein, bis sie ihn schließlich ganz in sich spürte. Dabei steigerte er das Tempo seiner Bewegungen, einmal in einem ganz langsamen Rhythmus, der ihren Körper vor Erregung beben ließ, einmal in einem schnelleren Rhythmus mit harten Stößen, die sie in nie gekannte unendliche Gefühlsweiten katapultierten. Sie brachten sie um ihren Verstand. Bis sie irgendwann ein Zittern in sich spürte und die Kontrolle über sich verlor. Gemeinsam kamen sie zu einem furiosen Höhepunkt.
Sie lächelte ihn an und gab ihm einen tiefen Kuss. Ganz eng kuschelte sie ihren nackten Körper an den seinen, worauf er ihr ins Ohr flüsterte, wie sehr er sich nach ihr gesehnt hatte – nach ihren heißen Lippen, ihrer frechen Zunge, ihrem fantastischen Körper – einfach nach ihr.
Ja, sie war endlich angekommen.
Es begann schon hell zu werden, als Julia in Toms Armen einschlief, ihre widerspenstigen Locken auf seiner Brust und auf dem weißen Kopfkissen ausgebreitet. Tom indessen konnte seinen Blick lange nicht von ihr wenden. Er genoss den Anblick dieser wunderschönen Frau in seinen Armen. Sie war so eine kleine Person – besonders neben seinen 191 Zentimetern – aber sie war so voll mit Energie und Vitalität, dass er kaum mithalten konnte. Und sie war voller Leidenschaft, die sie ihm gab. Ihm wurde immer bewusster, dass er mehr wollte, viel mehr. Er wollte diese Frau, seine Traumfrau, für immer in seinen Armen haben, immer an ihrer Seite sein.
Mit diesem Gedanken im Kopf und sie in seinem Arm fiel er in einen traumlosen Schlaf.
KAPITEL 2
Gegen 7:00 Uhr wachte Julia völlig entspannt und glücklich auf. Die Nacht war kurz gewesen, aber dennoch hatte sie eine Lebendigkeit in sich, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Tom hatte seine Augen noch geschlossen. Seine ruhigen Atemzüge waren Zeichen dafür, dass er noch fest schlief. Ganz vorsichtig versuchte sie, sich aus seiner engen Umarmung, die wie ein Schutzschild gegen das Böse in dieser Welt schien, zu befreien.
Sie duschte ausgiebig, ließ die warmen Wassertropfen ihre Haut berieseln. Sie umhüllten ihren Körper wie die Auster ihre Perle. Ein wahrhaft guter Start in den Tag! Danach cremte sie ihren Körper mit einer herrlich nach Zitronenverbena duftenden Bodylotion ein. Der Duft erinnerte sie an die weiten Haine blühender Zitronenbäume in Kalifornien, deren lilafarbenen und weißen Blüten die Luft mit einem betörenden Duft aromatisierten.
Mit diesen schönen Bildern im Kopf zog sie sich einen Bikini und darüber eine lange, sehr weite, weiße Tunika an, die sie als Kleid tragen konnte, und setzte sich dann mit einem frisch gepressten Orangensaft, der jeden Morgen wie von Geisterhand gebracht in ihrer Suite stand, auf das Sonnendeck. Sie blickte verträumt hinaus auf den Pazifik, der durch die Morgensonne in ein unwirkliches Halblicht getaucht war, das ihn in einem tiefen Blau schimmern ließ.
Was war das für eine großartige Nacht gewesen! Tom hatte ihr alles gegeben, was sie gebraucht hatte. Ja, natürlich, sie hatten schon in Los Angeles ihr Wiedersehen gefeiert, aber das war mehr das Stillen ihrer Bedürfnisse nach einer sechswöchigen Trennung gewesen. In der letzten Nacht war es Liebe, seine Liebe. Sie fühlte immer noch seine warmen Hände auf ihrer Haut und lächelte bei dem Gedanken, mit ihm ganze drei Wochen auf dieser herrlichen Insel verbringen zu dürfen. Sie würden eine großartige Zeit haben.
Sie hatten sich erst im letzten Dezember im Rahmen einer Mordermittlung kennengelernt.
Nach den Morden an ihren Freunden Alea und Dino hatte sie gedacht, nie wieder fröhlich sein zu können. Zu tief war der Schmerz eines erneuten Verlusts. Sie hatte ihn, ihren Ziehvater, sechs Monate zuvor zu Grabe tragen müssen. Und dann im Dezember die beiden Freunde.
Eigentlich hätte ihr Aufenthalt in Frankfurt so schön werden sollen. Nach fünfzehn Jahren wollten sie sich alle wiedersehen – eine eingeschworene Gruppe von neun Freunden, ihre alte Gang, Freunde seit der Schulzeit. Und dann brach das Unheil über sie herein und brachte alles durcheinander. Aber es brachte ihr auch die große Liebe in ihr Leben – unverhofft, blitzschnell. Der Pfeil des Amors traf sie mitten ins Herz und sie schmiss alle Bedenken über Bord. Sie in New York, er in Frankfurt – das bedeutete Schwierigkeiten. Aber ihre Liebe zu Tom war stärker als ihre Befürchtungen. Und sie merkte schnell – nachdem sie ihre Vorbehalte und ihre Skepsis zur Seite geschoben und sich in das Abenteuer Liebe gestürzt hatte –, wie sehr sie sich in Toms Armen beschützt fühlte.
Und dann kam Weihnachten, der 24. Dezember. War das ein wundervolles Weihnachtsfest unter diesem großartigen Weihnachtsbaum!
Ihren ersten gemeinsamen Heiligabend hatten sie und Tom mit Caro Hirka, ihrer besten Freundin, und Siegfried (Suzie) Schrei, dem besten Freund von Tom und gleichzeitig sein Kollege im K10, in der stilvollen Atmosphäre des Lofts verbracht, in dem das Kaminfeuer wärmend flackerte und der Vollmond sein sanftes Licht in die Räume zauberte. Tom hatte ihr eine Weißgold-Kette mit einem herrlich funkelnden 1,5 Karat-Brillantanhänger geschenkt, nicht, weil sie es erwartet hatte, sondern weil er es wollte. Es war für ihn eine Herzensangelegenheit. Für ihn bedeutete ein Schmuckstück eine ehrliche, seriöse Verbindung. Und mit einem Brillanten assoziierte er die symbolische Bedeutung von Liebe, Schönheit und Ewigkeit. Das wollte er ihr zeigen. Und sie hatte sich wahnsinnig darüber gefreut und sich bei ihm in der Nacht mehr als bedankt. Julia lächelte verliebt bei dieser Erinnerung.
Der Weihnachtsbrunch am ersten Weihnachtstag mit Familie und Freunden verlief ebenfalls in entspannter, fröhlicher und liebevoller Atmosphäre. Toms und ihre Eltern waren mit von der Partie und lernten sich bei dieser Gelegenheit kennen. Sie hatte befürchtet, dass die Eltern sich miteinander nicht wohlfühlen würden. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie verstanden sich auf Anhieb.
Für sie war es anfänglich ein merkwürdiges Gefühl gewesen, mit ihren Eltern den Tag zu verbringen. Sie hatte vor fünfzehn Jahren nach einem Streit den Kontakt zu ihnen komplett abgebrochen. Erst der Tod ihres Ziehvaters vor etwas mehr als sechs Monaten hatte in ihr das Bedürfnis geweckt, sich mit ihren Eltern auszusöhnen. Und die beiden Giftmorde an ihren Freunden Alea und Dino waren dann ausschlaggebend dafür, dass sie eine Woche vor Weihnachten Tom gebeten hatte, sie zu ihren Eltern zu begleiten.
Natürlich hatte er das getan, auch wenn er sich ganz und gar nicht vorstellen konnte, was zwischen ihr und ihren Eltern so Schreckliches passiert war, das sie dazu bewegt hatte, vor so vielen Jahren die Verbindung zu ihrer Familie von einem Tag zum anderen zu kappen und nach New York zu ziehen. Caro hatte ihm zwar einiges über sie erzählt, aber nichts über den Streit mit ihren Eltern. Er wusste mittlerweile, dass sie ein riesiges Vermögen hatte und international bekannt war. Aber vieles, was sie betraf, lag für ihn noch im Verborgenen. Und das war völlig okay. Sie hatten noch so viel Zeit miteinander. Natürlich wollte er alles über sie wissen, aber gut Ding brauchte Weile. Deshalb hatte er sie auch nicht nach dem Grund für ihre Flucht nach New York gefragt. Er wollte sie nicht drängen. Und sie hatte sich ihm in dieser Angelegenheit bislang auch noch nicht geöffnet. Sie verlor kein Wort darüber, auch nicht vor, während oder nach der ersten Annäherung an ihre Familie eine Woche vor dem Heiligabend. Alles, was zählte, war, dass sie verziehen hatte, was es zu verzeihen gab.
Vor ihren Augen sah sie seine Freude, als er beobachtete, dass ihre Eltern, die es kaum glauben konnten, ihre Tochter ohne Ankündigung nach fünfzehn Jahren an der geöffneten Haustür stehen zu sehen, sie einfach wortlos in die Arme genommen hatten. Es gab keine Vorwürfe oder Debatten, es gab nur tiefe Dankbarkeit und unendliche Freude, die Tochter wiederzuhaben. Und es war rührend, wie vorsichtig, aber wie ehrlich sie sich wieder annäherten.
Sie wusste, dass für ihn Familie etwas sehr Wertvolles war. Seine verstohlenen Blicke, die er immer wieder auf seine Eltern, die auf seiner bequemen Ledercouch saßen, geworfen hatte, sagten alles. Und in der Nacht erzählte er ihr, wie tief seine Dankbarkeit ihnen gegenüber war. Sie waren immer für ihn dagewesen, hatten ihn bei allem unterstützt. Und jetzt hatte er seinen Vater beobachten können, wie der herzhaft über irgendeinen Witz von Suzie lachte, und seine Mutter, wie sie Julia an beiden Händen festhielt und ihr lachend irgendeine Geschichte, wahrscheinlich aus seiner Jugend, erzählte.
Diese Gefühlswärme seiner Mutter hatte sie schon erleben dürfen, als Tom sie das erste Mal zu Hause vorgestellt hatte. Er wollte seine Eltern persönlich zum Weihnachtsbrunch einladen und unbedingt, dass sie ‚seine Traumfrau‘ kennenlernten. Für sie war es eine Selbstverständlichkeit, seinem Wunsch nachzukommen und sie hatte sich bei seinen Eltern auch wirklich wohl gefühlt. Zu seinem Vater hatte sie sofort eine bemerkenswert innige Beziehung. Er war sofort in Julia verliebt. Sie schmunzelte bei dem Gedanken an Josef (Jupp) Rothe. Er war die ganze Zeit um sie herumgeschwirrt und es schien, als wollte er sie verwöhnen. Auch seine Mutter, die laut Tom bis jetzt noch keine Frau als gut genug für ihren Sohn gehalten und immer etwas auszusetzen hatte – tja, er gab ihr gegenüber zu, dass seine Mutter mit ihren Einschätzungen in der Vergangenheit oft richtig gelegen hatte –, hatte sie direkt in ihr Herz geschlossen. Das konnte sie förmlich spüren. Toms Mutter war offensichtlich so angetan von dieser neuen Frau an der Seite ihres Sohnes, dass sie ihn am Abend nochmals anrief, um ihm von ihr vorzuschwärmen, während sein Vater im Hintergrund nur immer wieder rief, was sie für eine tolle, bildschöne Frau war, das allerbeste Mädel, das er, also sein Sohn, je mit nach Hause gebracht hatte. Die beiden waren entzückend. Sie war von seiner Familie so herzlich aufgenommen worden und sie war dankbar dafür.
Das Weihnachtsfest hätte nicht schöner sein können. Selbst der Schnee war da und hatte Frankfurt weihnachtlich strahlen lassen. Tom stand in dieser winterlichen Zeit häufig an der Fensterfront seines Lofts mit Blick auf die im weißen Wintermantel eingetauchte Stadt und genoss diese besinnliche Atmosphäre. Sie hatte nicht gewusst, was er in diesen Momenten vor den großen Fensterscheiben dachte. Vielleicht waren es Gedanken an ihre gemeinsame Zukunft. Aber sie hatte nicht gefragt. Warum auch? Solange er zufrieden und glücklich aussah.
Und Tom war glücklich. Die Feiertage verliefen in Harmonie und viel Freude.
Nachdem der Mörder von Julias Freunden Dino und Alea zwei Wochen vor Weihnachten verhaftet worden war und gestanden hatte, kehrte etwas Leichtigkeit in ihrer aller Leben zurück. Julia kämpfte zwar immer noch mit ihrer Trauer und ihrem Entsetzen über das, was einige ihrer langjährigen Freunde getan hatten, aber Zeit würde auch diese Wunden heilen. Und die nach der erfolgreichen Aufklärung verbliebene vorweihnachtliche Zeit mit all den schönen Aktivitäten tat ihr gut. Tom hatte gespürt, dass sie sich mehr und mehr entspannte. Er wusste nur bis heute nicht, ob sie ihren Freunden jemals verzeihen konnte.
Fünf Tage vor Weihnachten überraschte er sie mit einer Fahrt in den Vordertaunus, um eine dreieinhalb Meter hohe Nordmanntanne in der dafür vorgesehenen Schonung selber zu schlagen. Sie war so aufgeregt auf der Fahrt dorthin. Natürlich war ein Förster dabei gewesen, der darauf achtete, dass nichts passierte. Seit Tagen hatte es geschneit und der Tannenwald bezauberte mit einer magischen Atmosphäre. Die Bäume erinnerten mit ihren von Schnee schweren Ästen an geisterhafte Gestalten aus einem Märchen. Die gesamte Natur, bedeckt mit diesem weißen Schleier, war wie von einem stillen Gewand umhüllt und schien in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein. Die Stille wurde nur durchbrochen vom gelegentlichen Knarren eines sich biegenden Zweiges oder dem leisen Flüstern des Windes und dem Knirschen ihrer Schuhe im unberührten Schnee.
Es war ein kalter Wintertag. In der klaren Luft tanzten kleine Eiskristalle, die im schwachen Sonnenlicht wie winzige Sterne funkelten. Es hätte sie nicht gewundert, wenn der Nikolaus hinter einer dieser gerade gewachsenen Tannen hervorgekommen wäre, um ihnen Pfefferkuchen, Lebkuchen und Zimtschnecken zu schenken. Sie sah Toms Kampf gegen die Kälte förmlich vor ihrem inneren Auge. Er hatte seinen Schal enger um den Hals gezogen, seine Hände tiefer in seine Manteltaschen gesteckt und das Gesicht weg vom Wind gedreht, der ihnen in Böen über das freie Feld neben der Tannenschonung entgegenschoss. Das kalte Gefühl auf der Haut ließ den Wunsch nach wohliger Wärme wachsen.
Die Erinnerung an diesen kalten Nachmittag in der Tannenschonung im Vordertaunus ließ wieder diesen weihnachtlichen Duft von Zimt, Hölzern und Orangen in ihre Nase kriechen, genauso wie an dem Tag. Sie hatte sogar das Gefühl, den Schnee wieder riechen zu können, obwohl das natürlich nicht möglich war.
Tom hatte diese nahezu feierliche Stimmung trotz der winterlichen Kälte dort so genossen. Und nachdem der Baum verbunden und auf seinen Range Rover verladen war, hatten sie sich noch zu den anderen Möchtegern-Holzfällern am wärmenden Lagerfeuer gesellt und bei launiger Stimmung einen Glühwein genossen. Schöner konnte die Vorweihnachtszeit gar nicht sein.
Gleich am nächsten Tag hatte er mit stolzer Brust die von ihm höchstpersönlich erlegte Tanne in den Christbaumständer gestielt und sie dann in der Ecke neben dem Kamin aufgestellt. Und Julia und Caro – die ließ es sich nicht nehmen, ihre Freundin auf der Shopping-Tour zu begleiten – hatten die Stadt unsicher gemacht, um alles, was Julia für einen amerikanisch geschmückten Weihnachtsbaum brauchte, einzukaufen. Es war Tom vollkommen klar, dass es Stunden dauern würde, bis Julia genau das gefunden hatte, was ihren Vorstellungen zu tausend Prozent entsprach. Wie die genau aussahen, wusste er allerdings nicht. Julia hatte sich in Schweigen gehüllt und nichts verraten. Und er hatte ihr völlig freie Hand gelassen. Irgendwie hatte er gewusst, dass der Baum in diesem Jahr etwas Besonderes werden würde. In diesem Jahr stand er für einen wundervollen Neubeginn mit einer Frau an seiner Seite, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Und als er den prächtigen, fertig geschmückten Weihnachtsbaum zum ersten Mal sah, wusste er, wie recht er hatte. Dieser Weihnachtsbaum, beladen mit Kugeln und Lichterketten und allerlei anderen Accessoires, war die Sensation und entfachte eine irrationale Begeisterung – jeder, der kam, stand mit leuchtenden Augen vor ihm und hatte Julia für das nächste Jahr buchen wollen, um genau dieses Glücksgefühl beim Anblick des eigenen Christbaums in seinem Zuhause zu spüren.
Julia hatte sich für die Farbe Weiß entschieden. Weiß hatte für sie eine positive Bedeutung. In der westlichen Kultur wurde sie vermehrt mit Offenheit und Frische in Verbindung gebracht. Für sie aber stand Weiß für Reinheit und Glanz und vor allem für Vertrauen.
Sie und Caro hatten sich am Tag der großen Einkaufs-Tour durch Frankfurts Läden schon um 9:30 Uhr im Le Petit Croissant, dem Frühstücksbistro des Hotels LeMorille, getroffen. Julia hatte sich während ihres Aufenthaltes dort im Rahmen dieses Wiedersehenswochenendes mit ihren Freunden in die sagenhaft leckeren Croissants verliebt. Ja, sie hatte für dieses Treffen im Hotel LeMorille eine Suite bewohnt, länger als ihr lieb war. Dann war sie aber zu Tom ins Loft umgesiedelt. Natürlich hatte sie Bedenken, diese ‚letzte Bastion der Sicherheit‘, ihr Schutzschild gegen Verletzungen – ihre Suite – aufzugeben und sich Hals über Kopf in dieses Beziehungsabenteuer zu stürzen. Sie dachte, dass ihr die Sicherheit eines Rückzugsortes fehlen würde. Es war ja alles so schnell gegangen. Aber mit Tom zusammenzuleben, war einfach. Und das Zusammensein gab ihr eine wohlige, innere Wärme.
Julias Vorstellungen hinsichtlich der Weihnachtsdekoration waren kristallklar. Sie wusste genau, wie der Weihnachtsbaum in diesem Jahr, einem besonderen Jahr, aussehen sollte. Tom besaß nahezu nichts an weihnachtlicher Dekoration – obwohl er Weihnachten liebte. Sie brauchte deshalb einfach alles, von weihnachtlichen Windlichtern, Kerzenständern und Kerzen, Tannengirlanden und Kränzen bis hin zu dekorativen Weihnachtsfiguren und Candy Canes, die rot-weiß gestreiften Pfefferminz-Zuckerstangen mit dem klassischen Geschmack von Weihnachten. Und der Weihnachtsbaum musste voll sein mit hunderten kalt- und warmweißen Lichtern, massenhaft weißen Kugeln, Schleifen und sonstigen weihnachtlichen Dekorationsartikeln. Natürlich durfte keinesfalls die gläserne grüne Gewürzgurke fehlen.
In den Vereinigten Staaten gab es den Weihnachtsbrauch, diese ‚Christmas Pickle’ an den Weihnachtsbaum zu hängen und zwischen den Zweigen zu verstecken. Der Ursprung für diese Gurke am Weihnachtsbaum war die frühere Armut der Familien. Da nicht genug Geld vorhanden war, um jedem Kind ein Geschenk unter den Baum zu legen, wurde eine Gurke im Weihnachtsbaum versteckt. Das Kind, dass die Gurke als erstes entdeckte, ohne dabei den Baum zu berühren, bekam das Geschenk. Julia fand den Sinn dieses Brauchs sehr schön, denn er erinnerte sie an ihre Anfangszeit in New York. Sie hatte damals nichts, musste sich mit viel Kraft und Disziplin durchkämpfen. Manch einen Tag war sie abends mit Hunger ins Bett gegangen. Sie verstand die Bedeutung von Armut. Umso dankbarer war sie, dass sie es geschafft hatte. Aber genau deswegen wollte sie keinesfalls auf ihre Weihnachtsgurke verzichten.
Die beiden Frauen waren unermüdlich auf der Suche nach den passenden Accessoires. Sie verbrachten einen tollen Tag miteinander, gaben ein kleines Vermögen aus, lachten viel und waren glücklich. Julia fand sogar – wenn auch eher zufällig – an einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt, der nur Weihnachtsbaum-Anhänger in allen Materialien und allen Formen verkaufte – ihre Weihnachtsgurke. Und neben all dem Shopping genehmigten sie sich natürlich zwischendurch immer mal wieder einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Allerdings vermieden sie den Stand, an dem ihr Freund Dino gestorben war.
Dank eines eingerichteten Lieferservices, den sie zufällig in einem Stand auf der Zeil, einer der Frankfurter Einkaufsstraßen, entdeckt hatten, waren sie sogar von all den schweren Tüten befreit. Der hatte den gesamten Einkauf in Toms Wohnung geliefert, wo Emilia, die gute Seele, die sich schon viele Jahre um Toms Wohnung kümmerte, alles in Empfang genommen hatte. Ja, es war ein unbeschwerter Tag voller Lachen.
Als Tom abends die vielen Tüten und Kartons sah, hatte er fast einen Herzinfarkt bekommen. Tja, da musste er wohl durch. Ihm war schon vorher klar gewesen, dass Julia auf der Suche nach ihren ersten gemeinsamen Weihnachtskugeln aus dem Vollen schöpfen würde. Allerdings hatte er nicht mit diesen Massen gerechnet. Aber er hatte Spaß, weil er wusste, dass sie Spaß hatte. Und er war gespannt auf das Ergebnis.
Julia hatte Stunden mit der Inszenierung des Raumes verbracht. Mit viel Geduld hatte sie den Weihnachtsbaum mit tausend kleinen und größeren Lichtern, die teilweise wie weiße Weintrauben aussahen, umwickelt und in akribischer Genauigkeit jedes einzelne Dekorationselement, ob Kugel, Kette, Schleife oder einen anderen Anhänger, immer neu platziert, bis sie irgendwann zufrieden war. In ihren Augen war das Ergebnis gelungen. Schon allein das Weiß, so rein und strahlend, sah nach Winter und Weihnachten und Unschuld aus und hatte für sie eine unvergessliche Wirkung.
Nachdem sie den fertigten Christbaum ein letztes Mal betrachtet hatte, machte sie sich daran, auch das Loft durch wunderschöne weiße, weiß-glitzernde und silberfarbene Weihnachts-Accessoires und Kerzen in ein kleines Winterwunderland zu verwandeln. Natürlich hatte sie die Nikolausstrümpfe für den Kaminsims und den Mistelzweig, den sie über den Eingang an die Decke gehangen hatte, nicht vergessen. Stunden später hatte sie dann mitten im Raum gestanden und ihr Gesamtwerk betrachtet. Dieses Weiß war so elegant und so weihnachtlich und verzauberte, in Verbindung mit den herrlichen Zimt- und Lebkuchennoten der Duftöle, den Raum in Weihnachten. Und plötzlich hatte sie Freudentränen in den Augen. Sie war endlich angekommen, nach jahrelanger Suche nach Nähe und Vertrauen war sie endlich zu Hause. Und als sie den überwältigten Blick ihres Mordkommissars viele Stunden später erleben durfte, hatte sie gewusst, dass alles gut war.
KAPITEL 3
Julia hatte ihren Aufenthalt in Frankfurt bis zum 27. Dezember verlängert. Dann flog sie zurück nach New York und Tom hatte sie begleitet, sehr gespannt auf ihr dortiges Zuhause. Er wollte unbedingt sehen und fühlen, wie sie lebte. Und er hatte sich ungemein auf den Weihnachtsbaum am New Yorker Rockefeller Center gefreut, den er schon immer sehen wollte, was er aber nie geschafft hatte. Er war gespannt auf diese übergroße Fichte, die geschmückt war mit fünfzigtausend bunten Lichtern, mehr als acht Kilometer langen Lichterketten und dem von dem Architekten Daniel Libeskind entworfenen, mehr als vierhundert Kilogramm schweren, mit Millionen Kristallen besetzten Stern, der die Tannenspitze krönte.
Suzie und Caro waren einen Tag später nachgekommen. Julia hatte die beiden eingeladen, gemeinsam mit ihnen Silvester zu feiern. Aber nicht nur die beiden. Sie erwartete noch weitere Gäste, deren Namen sie aber nicht verraten wollte. Es sollte eine Überraschung werden. Er hatte schmunzeln müssen, denn ihm war sonnenklar, dass sie etwas Außergewöhnliches geplant hatte.
Und dann kam Silvester. Am 31. Dezember gegen 19:30 Uhr trudelten ihre ersten Gäste nach und nach ein. Er und Suzi und Caro beobachteten sprachlos deren Eintreffen. Sie hatten gewusst, dass Julia prominente Menschen zu ihren Freunden zählte, aber sie hatten nicht mit einem solchen Aufgebot, das man ansonsten nur aus den Hochglanzmagazinen kannte, gerechnet. Und alle schienen zu ihr ein inniges Verhältnis zu pflegen, was den dreien, nicht einmal Caro, bewusst gewesen war. Sie freuten sich sehr, dass sie das erleben durften. Für sie war es fast ein Privileg, dabei sein zu dürfen und sie genossen jede Sekunde.
Es zeigte ihnen auch noch etwas anderes – Julia hatte nicht den geringsten Standesdünkel.
Neben ihren ziemlich vermögenden Nachbarn und einigen guten Bekannten aus verschiedenen Teilen der Welt hatte Julia eine Reihe von befreundeten, international bekannten und gefeierten Celebrities – Schauspieler, Sänger und Sportler eingeladen. Und Caro, Suzie und Tom waren mitten unter ihnen. Die beiden Männer fanden sogar ein perfektes Gesprächsthema mit Hunter Crave, bekannt für seine Hauptrollen in Kultfilmen wie ‚The Proud Fire Fighter‘, dem Rocksänger Jimmy The Voice Raven und Jack Maddisson, Schlagzeuger der Rockgruppe Lips: Motorräder. Und Caro verstand sich ausgezeichnet mit Mary Wayburg, die in ‚Der Satan in Haute Couture’ geglänzt hatte, Hayden Climber Monroe, einer der populärsten ehemaligen NBA-Basketballspieler der Laguna Bulls, und Avery Kay, die bekannte Soul- und R&B-Sängerin.
Gegen 23:00 Uhr kam noch ein weiterer Gast, dessen Zusage Julia besonders gefreut hatte. Es war der 47. Police Commissioner des New Yorker Police Departments, John Brennan, ein stattlicher, großer Mann Mitte sechzig, mit sehr wachen, beobachtenden Augen. Er trug Uniform und Tom und Suzie sahen sofort die 5 Sterne auf seinen Schulterklappen, ein untrügliches Zeichen für seinen hohen Rang. Und sie hatten schon bei der Begrüßung gesehen, wie sehr er Julia mochte, was offensichtlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie hatte ihm einen dicken Kuss auf die Wange gedrückt, ihm mit ihren unwiderstehlichen grünen Augen keck angezwinkert, sich dann bei ihm untergehakt und ihm Tom und Suzi vorgestellt. Sie waren fast ehrfürchtig, denn dieser fünfundsechzigjährige Commissioner, der rund sechsunddreißigtausend Polizisten und neunzehntausend Zivilangestellte beaufsichtigte, strahlte Autorität und Macht aus. Zudem war er ein attraktiver Mann irischer Abstammung und sah mit seinen kurzen, sehr akkurat geschnittenen dunklen Haaren, den dunklen, buschigen Augenbrauen und dem dunklen vollen Schnauzbart dem Schauspieler Tom Selleck in seiner Rolle als Frank Reagan in der U.S.-amerikanischen Krimiserie ‚Blue Bloods – Crime Scene New York‘ verdammt ähnlich. Tom fühlte sich dadurch sofort zu seinem Namensvetter hingezogen.
Julias unbedarfter Umgang mit ihm stand im krassen Gegensatz zu diesem markanten, nach Mächtigkeit und Korrektheit riechenden Mann. Sie schien das aber gar nicht zu interessieren. Offensichtich hatten die beiden ein besonderes, ein inniges Verhältnis. Und sie dachte keine Sekunde darüber nach, als sie Tom strahlend angeschaut und ihm vor den Augen eines der einflussreichsten Männer New Yorks nach der gegenseitigen Vorstellung einen Kuss auf den Mund gedrückt hatte, bevor sie in der Menge ihrer Gäste verschwand. Er hatte das Bild noch vor Augen – die drei Männer hatten in einer Reihe nebeneinandergestanden und ihr lächelnd hinterhergeschaut.
Commissioner Brennan hatte einige Momente später das Schweigen gebrochen. Er sagte nur: „Mein Freund, mit ihr hast du den Jackpot geknackt.“ Und damit war das Eis gebrochen. Sie hatten sich ausgezeichnet verstanden, gefachsimpelt, diskutiert und gelacht. Es lief alles wunderbar. Irgendwann hatte sich Tom nach Julia umgeschaut und gesehen, wie sie energiegeladen von einem Gast zum anderen sprang und ihren Charme versprühte. Ihre Gäste liebten sie, vor allem Jack Maddisson, der sie nur ‚meine süße Prinzessin‘ nannte. Und er hatte den Klang ihrer Stimme gehört. Sie floss so samtweich und so warm über ihre Lippen, dass sie ein Wohlgefühl in ihm auslöste. Ihr dunkles Timbre wirkte auf ihn extrem sexy! Trotz all der Prominenten, die sich ausgelassen amüsierten, war Julia für ihn der absolute Mittelpunkt. Bereits in Frankfurt war ihm klar gewesen, welche Frau er an seiner Seite hatte. Aber hier auf ihrem Heimatboden war sie noch betörender.
Kurz vor Mitternacht hatten sie dann alle gemeinsam den weltberühmten Ball Dropp am Times Square auf dem übergroßen Plasmabildschirm, der an einer Wand in ihrem Wohnbereich zwischen zwei ebenso großen wie auch bunten Gemälden von Marilyn Monroe und Leonard Cohen hing, mitverfolgt. Hunderttausende von Menschen hatten sich dort versammelt und sahen zu, wie ein riesiger Ball am One Times Square-Gebäude langsam herabsank. Als der Ball um Punkt Mitternacht unten angekommen war, brach tosender Jubel aus. Auch sie hatten sich um genau 0:00 Uhr jubelnd zugeprostet, sich in den Armen gelegen und das neue Jahr begrüßt. Und Tom hatte Julia geküsst und ihr sein Neujahrs-Versprechen gegeben – er versprach ihr, immer bei ihr zu sein. Dann drängelte sich die Partygesellschaft an die großen, offenen Fenster, um das Feuerwerk anzuschauen, das um Mitternacht an der Bow Bridge im Zentrum des Central Parks zwischen der 71st und 74th Street begann.
Es war spektakulär, die Funkenpracht der verschiedenen Feuerwerksraketen, die den Central Park durch Licht- und Farbeffekte in eine geheimnisvolle Märchenlandschaft verzauberten, zu sehen. Das war ein guter Anfang des Jahres 2024. Und genau das wurde bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Sie verbrachten sehr harmonische Tage, lachten viel und waren ausgelassen wie die Kinder. Am 4. Januar waren Tom, Caro und Suzie dann zurück nach Frankfurt geflogen, während Julia zwei Aufträge zu bearbeiten hatte. Der Abschied vor der Security am John F. Kennedy International Airport fiel ihnen allen sichtlich schwer – Caro hatte Tränen in den Augen, Suzie hatte sie heftig gedrückt und sich nochmals herzlich bei ihr für diese tolle Zeit bedankt. Und Tom hatte sie zärtlich in seine Arme genommen, ihr ein ‚Ich liebe dich‘ ins Ohr geflüstert und sie ein letztes Mal geküsst, bevor er durch die Kontrolle ging. Sie hatte noch einige Minuten regungslos dagestanden und gegen ihre aufsteigenden Tränen gekämpft. Und sie war froh gewesen, dass sie in den nächsten Wochen durch die zwei Aufträge Abwechslung finden würde.
Er war die Liebe ihres Lebens. Das war ihr in New York wieder so klar geworden. Aber diese ständigen Trennungen machten ihr und auch ihm zu schaffen. Und ein Ende war nicht in Sicht. Sie hatte zu viele Aufträge, immer weit weg von New York, und noch weiter weg von Frankfurt. Und so würde es sicherlich noch einige Zeit bleiben.
Ihr erster Auftrag führte sie nach Boston, wo sie die Villa eines Finanzmanagers im Stadtteil Back Bay, einem der reichsten Stadtteile der USA, und seine gerade erworbene Luxuswohnung in der brandneuen Wohnanlage Pier 4 im boomenden Seaport District direkt am Main Channel, dem breitesten der vielen Wasserwege, die um und durch Boston flossen, gestalten sollte. Seine Wohnung befand sich in einem im Sommer fertiggestellten, futuristisch anmutenden Bau und lag in einer Preislage um zwölf Millionen Dollar. Ganz schön teuer für eine Gegend, in der man noch vor zehn Jahren bestenfalls sein Auto abgestellt hatte.
Und nach Bosten ging es direkt weiter nach Malibu. Tom hatte ihr erzählt, wie sehr er dieses in der Bucht von Santa Monica gelegene Städtchen in Kalifornien mochte. Er war drei Wochen mit einer gemieteten Harley-Davidson durch den Bundesstaat gefahren und kam mehr zufällig auf seinem Weg nach San Diego über den bekannten Pacific Coast Highway, der auch Malibu durchquerte, dort vorbei. Es hatte ihm so gut gefallen, dass er eine Woche blieb und die Sonne und das Surfen genoss. Nicht umsonst trug die für seine Sandstrände bekannte Stadt direkt an der pazifischen Küste den Kosenamen ‚Surf City USA‘.
Malibu war bekannt als Wohnort von Filmstars und anderen Mitarbeitern der Filmindustrie. Von einem dieser Leute, einem sehr vermögenden alternden Regisseur, der vor einigen Monaten seine siebenunddreißig Jahre jüngere Frau geheiratet hatte und mit ihr in Malibu in Strandnähe wohnen wollte, hatte sie den Auftrag zur Neugestaltung eines beeindruckenden Anwesens angenommen. Sein Anwesen lag am Carbon Beach, auch bekannt als Billionaires‘ Beach, Strand der Milliardäre, an einem der etwas abgelegeneren, privateren Strände an der Carbon Canyon Road, nur rund eine Meile entfernt vom Malibu Pier.
Sie hatten sich in den nahezu eineinhalb Monaten sehr vermisst, obwohl sie täglich telefoniert hatten. Umso glücklicher waren sie, als sie sich am 16. Februar in Los Angeles endlich wiedersahen. Sie wollten eine Nacht in der Stadt der Engel bleiben und am nächsten Morgen in das Urlaubsparadies fliegen.
Julia hatte sich um die Hotelreservierung im Beverly Wilshire, dem Luxushotel am Rodeo Drive, bekannt aus ‚Pretty Woman‘, gekümmert und frühzeitig genug einen Tisch zum Dinner in dem japanischen In-Restaurant NOBU in der Nähe des Santa Monica Boulevards reserviert. Das Restaurant war ein verstecktes Juwel für Fleisch- und Fischliebhaber. Hier konnte man wirklich kulinarische Perfektion kennenlernen.
Neben den einzigartigen Sushi- und Sashimi-Kombinationen und den exquisiten Fischgerichten, die die Essenz Japans auf den Teller zauberten, gehörte das Rindfleisch nach Nobu-Art Toban Yaki, ein sorgfältig zubereitetes Gericht von Chefkoch Nobu San, zu den absoluten Highlights. Saftige Scheiben von Premium-Rindfleisch wurden in einer einzigartigen Mischung aus traditionellen japanischen und peruanischen Aromen mariniert und anschließend fachmännisch gegrillt, wodurch das Fleisch mit einer subtilen rauchigen Nuance versehen wurde. Das Ergebnis war eine harmonische Mischung aus umamireichem Geschmack, zarter Textur und aromatischer Anziehungskraft. Sie wusste, dass alleine bei dem Gedanken Tom immer noch das Wasser im Mund zusammenlief. Es machte einfach viel mehr Spaß, zu zweit diese Stadt zu erleben.
Und jetzt endlich – Maui, die zweitgrößte Insel des Archipels Hawaii im Pazifischen Ozean, die nicht unbegründet seit mehr als zwanzig Jahren vom Condé Nast Traveler zur ‚Best Island in the U.S.‘, also zur ‚Besten Insel der Vereinigten Staaten‘, gewählt wurde.
Sie wollte gar nicht daran denken, dass sie danach direkt wieder nach Boston musste, um den Fortschritt der Umbaumaßnahmen in der Villa zu kontrollieren und sich um das passende Mobiliar und die geeigneten Accessoires zu kümmern. Dafür wollte sie die Ehefrau ihres Auftraggebers – die weibliche Seite hatte in Sachen Styling erfahrungsgemäß immer das letzte Wort – kennenlernen, die sich bis heute im Hintergrund gehalten hatte. Ein Essen nur mit ihr, ohne ihren Mann, stand auf ihrer Agenda. Sie hatte eigentlich geplant, von Boston direkt nach Frankfurt zu fliegen, aber sie hatte dummerweise einen Auftrag in Dallas angenommen. Dort sollte sie sich um die Umgestaltung eines großen Anwesens kümmern – eine riesige Pferderanch, deren Stallungen zum Teil in Wohnraum, zum Teil in Räumlichkeiten für Country-Music-Events und Cowboy-Square-Dance-Partys umgewidmet werden sollten. Sie hatte diesen verdammten Auftrag nicht ablehnen können. Ihre Auftraggeber, eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern, hatten sie so sehr darum gebeten, nein, gebettelt, ihnen zu helfen. Gleichzeitig waren sie so erfrischend locker und modern. Außerdem mochte sie die hemdsärmelige Art der Cowboys und sie mochte Pferde. Unter normalen Umständen hätte sie sich sehr auf Dallas gefreut, aber dieser Auftrag würde eine geraume Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, in der sie von Tom getrennt war.
Aber jetzt waren sie erst einmal hier. Drei Wochen nur Tom und sie. Keine Aufträge, keine Verpflichtungen, keine Anrufe, kein Stress.
Sie konnte nicht ahnen, dass alles anders kommen sollte.
KAPITEL 4
Sie fühlte Toms Arme, die sich von hinten um sie schlangen. Und sie fühlte seinen warmen Atem in ihrem Nacken und den zärtlichen Kuss, den er ihr gab. Ja, er war der Mann, den sie so schnell nicht loslassen würde.
Nachdem er es sich mit einer Tasse Kaffee neben ihr in einem dieser knarrenden Korbsessel gemütlich gemacht hatte, planten sie ihren Tag.
„Liebling, hast du irgendwelche Wünsche heute?“
Sie lachte herzhaft.
„Viele, mein Traummann.“
„Nein … solche Wünsche meinte ich nicht“, erwiderte Tom schmunzelnd, worüber sie wieder lachte.
„Ich würde heute gerne nur am Strand die Sonne von Maui genießen.“
„Dann soll es das sein.“
„Und wir können uns später beim Concierge über Aktivitäten auf dieser Insel informieren. Weißt du, ich möchte unbedingt diese niedlichen Schildkröten sehen. Und du willst doch sicherlich irgendwann mal surfen gehen.“
Tom hatte ein Faible für das Surfen, und da Hawaii nun mal das absolute Surfparadies war, wollte er das unbedingt ausnutzen. Er musste nur in Erfahrung bringen, wo er die besten Plätze dafür finden konnte.
Sie nahmen sich vor, nach einem ausgiebigen Frühstück den freundlichen Concierge Aisea um Hilfe zu bitten. Er war ein extrem netter, leicht untersetzter Hawaiianer, der ihnen bei ihrer Ankunft die für Hawaii so typischen bunt exotischen, stark duftenden polynesischen Blumenketten aus Hibiskusblüten, der Nationalblume Hawaiis, mit den Worten ‚Aloha’ – Freundschaft und Liebe – überreicht hatte. Diese Blumenketten nannte man Lei, was so viel bedeutete wie ‚Willkommen auf Hawaii‘. Sie tranken ihren Kaffee und machten sich danach auf den Weg.
Tom und Julia waren länger im Frühstücksrestaurant als sie ursprünglich geplant hatten, denn sie lernten ein Ehepaar – Julia schätzte beide um die fünfundfünfzig, beide rothaarig – kennen, die an einem der Nachbartische Platz genommen hatten. Die Frau mit frechen Sommersprossen im ganzen Gesicht sprach sie an.
„Wie wunderbar, sie sind auch Deutsche!“
„Guten Morgen. Ja, das stimmt. Aus Frankfurt.“
„Wir sind aus Würzburg. Ach du meine Güte, wir sollten uns zumindest vorstellen. Ich bin Beate und das ist mein Mann Günther. Es freut uns sehr.“
„Julia und Tom. Das Vergnügen ist ganz unsererseits.“
„Sind Sie schon länger hier? Wir haben Sie noch nie vorher hier im Restaurant gesehen. Ach, stört es Sie, wenn wir Du sagen?
„Ganz und gar nicht.“
„Super.“
„Nein, wir sind gestern Nachmittag erst angekommen. Das ist also unser erster Tag.“
„Wirklich? Günther, schau sie dir an.“
Mit einem ungeduldigen Blick auf ihren Mann wartete sie auf seine Reaktion. Aber Günther wirkte furchtbar nervös. Sein gesamter Körper schien in Bewegung und sein rechter Fuß trippelte in schnellem Takt auf den Boden.
Dennoch klang seine Stimme ruhig und angenehm, als er sagte: „Ich muss Beate recht geben. So braun wie ihr seid, könnte man annehmen, dass ihr schon seit Wochen die Sonne hier genießt. Ganz offensichtlich gehört ihr zu den glücklichen Menschen, die von Natur aus einen dunkleren Hautton haben. Leider hat uns der liebe Gott damit nicht beschenkt. Bei uns hat es nur für rothaarig und blass gereicht.“ Dabei lachte er nervös. „Wir müssen immer höllisch aufpassen, dass wir keinen Sonnenbrand bekommen. Das geht bei uns blitzschnell.“
„Darf ich fragen, wie lange ihr schon hier seid?“
„Vier Tage. Leider vergeht die Zeit wie im Flug. Wenn ich darüber nachdenke, wie lange wir für diesen Urlaub gespart haben und wie schnell die Zeit hier vergeht!“
„Oje, und hat sich das Sparen wenigstens gelohnt?“
„Absolut. Es ist für uns die Erfüllung eines Traums. Wir sind so glücklich, jetzt endlich dieses schöne Fleckchen Erde drei ganze Wochen lang genießen zu dürfen. Und natürlich wollen wir auch so viele Eindrücke wie möglich aus diesem Urlaub mit nach Hause nehmen.“
„Das kann ich so gut verstehen.“
„Auch, weil wir uns ganz bestimmt eine ziemlich lange Zeit keinen Urlaub mehr leisten können. Ich bin nur ein kleiner Versicherungsvertreter und Beate verdient sich ein paar Euros durch Nähen dazu. Geld ist leider Mangelware bei uns.“
Und wieder dieses nervöse Lachen. Dabei zupfte er hektisch an seinen kurzgeschnittenen roten Haaren.
Julia mochte dieses Ehepaar. Sie taten nicht so, als gehörten sie zu den oberen Zehntausend. Aber ihr würde Günthers Nervosität und Ruhelosigkeit auf Dauer auf die Nerven gehen.
„Habt ihr denn Tipps für uns? Was muss man hier unbedingt sehen? Oder habt ihr nur Pool und Strand genossen?“
„Natürlich nicht. Wir waren schon äußerst aktiv – wir haben bereits eine Standup-Paddle-Tour in der Makena Bay – ja, ich und Sport …“ dabei schaute sie lachend an sich herunter, „… und eine Schnorchel-Tour mitgemacht. Und gestern haben wir das begehbare Schmetterlingshaus besucht.“
„Echt? In den vier Tagen? Das nenne ich mal unternehmenslustig.“
„Wenn wir schon mal hier sind, dann wollen wir so viel wie möglich unternehmen. Strandurlaub kann man ja auch an der Nordsee oder auf Mallorca machen.“
Lachend fragte Julia: „Da habt ihr recht. Aber in Gottes Namen, welche der drei Aktivitäten war denn so gefährlich?“
Sie zeigte auf Beates verbundene rechte Hand. Die lachte und strich dabei sachte über den Verband.
„Ach Quatsch. Das verdanke ich meiner Schusseligkeit. Hab mich gestern Morgen an einer Scherbe geschnitten. Halb so schlimm.“
Tom fragte: „Und, was steht noch auf eurem Plan?“
„Noch einiges. Mal überlegen. Also – eine Walbeobachtungstour auf einem Katamaran, eine Turtle-Tour, die Gilligans'-Island-Luau-Show, die Maui-Dschungel-Seilrutschen-Tour, die Maui-Pineapple-Tour und vor allem ein Besuch auf dem Maui Swap Meet. Habt ihr schon mal davon gehört? Das ist ein Flohmarkt oder besser gesagt ein Straßenmarkt und da wollen wir hin, weil ich mir gerne Stoffe ansehen will. Vielleicht finde ich einige, die mir gut gefallen und die ich zu Hause vernähen kann.“
Julia schmunzelte über so viel Aktivität. Und Tom dachte offensichtlich das Gleiche, denn er lächelte sie amüsiert an. Beate war ausgesprochen redselig, ganz im Gegenteil zu Günther, der ziemlich introvertiert zu sein schien. Der stand plötzlich auf und entschuldigte sich mit den Worten: „Ich muss kurz die Hände waschen.“
Beate lächelte ihn an und schaute ihm nach, als er humpelnd Richtung Toiletten ging. Julia zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Er hat sein Knie wieder überanstrengt. Ich hoffe nur, dass er dieses Seilrutschen mit seinem kaputten Knie schafft. Wäre zu schade, wenn nicht. Er hatte vor einem Jahr einen Kreuzbandriss. Der wurde zwar operiert, aber das Knie hat sich leider nie wieder völlig regeneriert.“
Weil Beate und Günther – ihr Nachname war Eberling – ihnen sympathisch waren, nahmen sie deren Vorschlag, sich um 16:00 Uhr zur Happy Hour, dem Synonym für die Zeit der preisermäßigten alkoholischen