Bis in den Tod ... WAHN - Karin Einhäuser - E-Book

Bis in den Tod ... WAHN E-Book

Karin Einhäuser

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Beschreibung

Endlich! Nach vielen Monaten der Trennung sehen Julia und Tom sich wieder – in New Orleans – Wiege des Jazz, bekannt für den Mississippi, die Bourbon Street, Mardi Gras und Voodoo. Tage der Zweisamkeit liegen vor ihnen. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft – ein Mord – die geheimnisvolle Sunshine liegt tot im Haus eines Freundes, entstellt, in der Tasche Julias Visitenkarte. Zusammen mit ihren Freunden beginnt eine Reise durch die Welt des Voodoo, der käuflichen Liebe und verratener Freundschaft. Erst spät erkennt Julia, was die einzelnen Spuren verbindet.

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Seitenzahl: 367

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Karin Einhäuser

Bis in den Tod … GEWALT

Ein Krimi aus der „Bis in den Tod …“-Reihe

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Bis in den Tod … SÜNDE

Bis in den Tod … BLUT

© 2024 Karin Einhäuser

Lektorat und Korrektorat:

Heike Susanne Przybilla | www.lektorat-wortlust.de

Umschlaggestaltung:

© inspirited books Grafikdesign | www.inspiritedbooks.at

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

ISBN:  978-3-384-27974-3 (Paperback)

            978-3-384-27975-0 (E-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Karin Einhäuser, Am Römerhof 41, 60486 Frankfurt/Main, Germany.

Für meine beste Freundin

Cora

Ich bin froh, dass es dich gibt.

Danke!

»Freunde sind Menschen,

die deine Vergangenheit akzeptieren,

dich in der Gegenwart mögen

und in der Zukunft zu dir stehen.«

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

ÜBER DIE AUTORIN

Bis in den Tod ... WAHN

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KAPITEL 1

ÜBER DIE AUTORIN

Bis in den Tod ... WAHN

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KAPITEL 1

New Orleans – liebevoll ‚The Big Easy‘ genannt – Wiege des Jazz, bekannt für den Mississippi, die Bourbon Street im Herzen des French Quarter, Mardi Gras und die kreolische Küche.

Julia war gestern auf dem Louis Armstrong New Orleans International Airport angekommen. Sie war erst vor drei Tagen wieder in New York eingetroffen. Aus Dallas, wo sie die Umwidmung eines Teils einer riesigen Pferderanch der Familie Kingman durchführen musste. Es war das erste Mal, dass sie in einer solchen Umgebung gearbeitet hatte. Aber ihre Auftraggeber, ein junges Ehepaar in ihrem Alter mit zwei zuckersüßen kleinen Kindern, waren so erfrischend locker und dachten sehr modern. Julia konnte sich eine Zusammenarbeit gut vorstellen und sagte zu. Sie war davon ausgegangen, dass es sich um eine Umwidmung von ehemaligen Pferdeställen in Gästezimmer handelte. Das wurde ihr so gesagt, so hatte sie auch geplant. Aber als sie im Auto auf dem Weg vom Flughafen zur Ranch von Lou Kingman erfuhr, dass die Familie ihre ursprünglichen Pläne noch einmal überdacht und sich umorientiert hatte, meldeten sich Bedenken in ihr. Ihre sämtlichen Vorplanungen waren dadurch obsolet geworden und sie zweifelte plötzlich daran, dass ihre Entscheidung, den Auftrag angenommen zu haben, die richtige war.

Die neuen Vorstellungen der Kingmans sahen vor, aus dem Bereich um die etwas abgelegenen Pferdestallungen, die nicht mehr für die Zucht genutzt wurden, ein Paradies für Westernreiter zu machen. Mit allem Drum und Dran, angefangen von einer Reithalle und einem großen Geschicklichkeits- und Geschwindigkeits-Parcours, der verschiedene Situationen simulieren und dafür mit Holzbrücken, Weidentoren, Stangen und Wasserläufen ausgestattet werden sollte, und zwar so, wie sie dem Reiter auf einem Wanderritt im Gelände begegnen konnten. Daneben wollten sie eine Freifläche für das athletische Training der Pferde anlegen, also für Manöver wie Spins, Sliding Stopps, Roll Backs und was es sonst noch so gab. Julia musste grinsen. Als erstes musste sie lernen, was diese ganzen Begrifflichkeiten überhaupt bedeuteten.

Natürlich war auch die Ausstattung der Sattelkammern und der Unterkünfte für Pferde und Gäste komplett neu zu planen und auf den modernsten Stand aufzurüsten. Die Stallungen sollten Platz haben für mindestens fünfzehn Quarter Horses, die speziell für die Western-Disziplin gezüchtet wurden. Und auch die Gästezimmer sollten ganz im Stil des Westernreitens ausgerichtet werden, aber dennoch Eleganz ausstrahlen. Damit wollten die Kingmans das etwas vermögendere Klientel bedienen.

Das Westernreiten war ursprünglich von den Cowboys für die tägliche Arbeit mit den Rindern eingesetzt worden. Dieses Flair von Abenteuer und dem Lonely-Cowboy-Image wollten die Kingmans auf ihrer Ranch zum Leben erwecken. Dazu gehörten für die beiden auch Räumlichkeiten für Country-Live-Musik-Events und Square-Dance-Partys sowie ein freiliegender Bereich für Abende am Lagerfeuer mit einem Gitarrenspieler, der romantische Cowboy-Musik spielte. Julia hatte keine Idee, wie sie das alles umsetzen sollte. Sie hatte sich auf Dallas gefreut, aber hätte sie von dieser ‚neuen‘ Grundlage vor Abflug erfahren, hätte sie kein Geld der Welt dazu bewegen können, sich ins Flugzeug zu setzen.

Am liebsten hätte Julia diesen Auftrag in der ersten Stunde in Dallas wieder hingeschmissen, denn diese aktuellen Überlegungen der Kingmans passten so gar nicht zu ihrem Stil. Sie mochte die hemdsärmelige Art der Cowboys und sie mochte Pferde, aber sie hatte weder Ahnung von den Abläufen eines Ranchbetriebs noch von Reitparcours oder Stallungen. Das hatte nichts mit Innendesign zu tun. Dafür brauchten die Kingmans einen klassischen, am besten reitenden Architekten. Aber das Ehepaar bettelte so lange und sie waren mit so viel Engagement und Enthusiasmus bei der Sache, dass sie einfach nicht Nein sagen konnte. Das war schon immer ihr Problem gewesen – Nein zu sagen, obwohl sie wusste, dass es besser wäre.

Etwas Trost fand sie in dem hohen Honorar, das sie bekommen würde. Okay, es traf zwar keine Armen. Sowohl Lou als auch Isabel, die die Ranch von ihren Eltern zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, kamen aus vermögenden Familien. Für sie war es einfach, Julia mit einem Betrag zu locken, den sie niemals von sich aus gefordert hätte. Allerdings hatte sie Zweifel, dass ihr Stil den Wünschen und Vorstellungen der beiden gerecht werden würde und das machte sie etwas ruhelos.

Es dauerte einige Tage, bis ihr Missmut über den geänderten Auftrag in Dallas und ihre Wut über sich selbst verflogen war und sie – wieder klar denkend – ein Konzept entwickeln konnte, das sich wider Erwarten harmonisch ineinanderfügte.

Für die Planung des Reitbereiches und der Stallungen konsultierte sie mehrfach einen Kollegen, der ihr mit vielen wichtigen Ratschlägen zur Seite stand. Sie hatte insgesamt etwas mehr als zwei Monate in Dallas verbracht, hatte endlose Planskizzen angefertigt, immer wieder korrigiert und angepasst, dann die Abbruch- und Umbauphase überwacht und für die unterschiedliche Einrichtung der neun Gästezimmer gesorgt. Dann war es endlich geschafft. Sie hatte sich selbst auf die Schultern geklopft, denn das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Und was das Wichtigste war – die Kingmans waren begeistert. Sie hatten an ihrem letzten Abend auf der Ranch ein großes Country-Fest für sie organisiert, mit Live-Musik, Lagerfeuer, Barbecue und vielen Gästen, um den Abschluss der Arbeiten und sie zu feiern.

Am nächsten Tag war sie dann zurück nach New York geflogen, von wo sie drei Tage später Richtung New Orleans aufgebrochen war.

Und jetzt war sie hier. Nur noch drei Tage und dann konnte sie endlich wieder in Toms Arme fallen. Der Gedanke an ihn ließ sie wie ein Honigkuchenpferd strahlen.

Tom. Sie hatte so eine Sehnsucht nach ihm. Zwar hatten sie sich jeden Tag über Skype-Video gesehen, aber sie sehnte sich nach seiner physischen Nähe, seiner Wärme, seinen Küssen und Zärtlichkeiten. Nach diesen Video-Anrufen saß sie jedes Mal minutenlang still vor dem schwarzen Bildschirm und versuchte, ihre Sehnsucht nach ihm zu überwinden und wieder in ihren Alltag zurückzufinden. Aber das fiel ihr von Mal zu Mal schwerer. Wie oft hatte sie ihren Verlobungsring mit diesem wundervoll funkelnden Brillanten an ihrem Finger betrachtet. Allein der Blick auf ihn setzte Glückshormone in ihr frei.

Tom hatte ihr in ihrem ersten gemeinsamen Urlaub auf Maui im Beisein ihrer Freunde Caro, Suzie, Nieva und Messer einen sehr gefühlvollen Heiratsantrag gemacht. Dafür hatte er ein romantisches Picknick am Strand organisiert, das allerschönste Geschenk, das er ihr machen konnte. Himmel, sie hatte vor Freude und Glück geweint wie ein kleines Kind. Und natürlich hatte sie Ja gesagt. Sie liebte ihn so sehr. Manchmal tat es regelrecht weh. Und sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.

Noch drei Tage und dann würde er endlich bei ihr sein. Dann würden sie ganze zehn Tage miteinander verbringen, die Stadt gemeinsam erleben, in launiger Atmosphäre des French Quarter die Abende in Blues- und Jazz-Bars genießen, natürlich mit einem Hurricane – einem köstlichen Mix aus verschiedenen Fruchtsäften und Rum – in der Hand. Und sie würden sich lieben. Julia konnte seine Ankunft kaum noch abwarten.

Sie kannte New Orleans von mehreren Aufenthalten und liebte dieses multikulturelle Erbe der Stadt, das sich in dem bunten, vielfältigen Ambiente widerspiegelte. Aber zu zweit machte eine solch vibrierende Stadt einfach viel mehr Spaß.

Doch zunächst hatte sie sich um ihren Auftrag zu kümmern. Der war mehr ein Gefallen für ihren New Yorker Anwalt Larry Barnes, dessen Freund Collin ein Haus im Herzen des eleganten Garden District, dem schönsten Viertel der Stadt, Inbegriff des südlichen Charmes, geerbt hatte.

Sie wusste, dass der parkähnliche Garden District mit den von moosbewachsenen, mächtigen Eichen gesäumten Straßen – Kulisse für viele berühmte Filme und Fernsehsendungen, wie beispielsweise CSI New Orleans, sowie Zuhause vieler lokaler Ikonen und Berühmtheiten – für die Südstaaten-Geschichte stand und historische Einblicke in die Lebensweise der damaligen Zeit gab. Die Architektur erzählte Geschichten von Reichtum und Macht, aber auch von Sklavenhaltung und Grausamkeit.

Aber erst, als sie die ersten Fotos von Collin bekam, verstand sie seinen Wunsch, bei der Umgestaltung des Hauses den Gedanken des kreolischen New Orleans festzuhalten.

Sie sah ein opulentes, historisches Herrenhaus aus der Bauwollpflücker-Zeit. Es sah mit seiner weißen Fassade, der großzügig angelegten, breiten Veranda mit den riesigen dorischen Säulen und den Loggia-artigen Balkonen, die das Haus flankierten und Schatten spendeten, nahezu majestätisch aus. Gleichmäßig große Fenster und ein weitläufiger, zentraler Eingang, umfasst von einem gepflegten Garten mit geometrisch geschnittenen Büschen, gab dem Haus eine perfekte Symmetrie. Vor ihrem Auge konnte sie die Szenen aus dem Film-Klassiker ‚Vom Winde verweht‘ sehen.

Es war Julia sehr wohl bewusst, dass auch dieses prächtige Haus mit Vermögen errichtet wurde, das durch Sklaverei und Unterdrückung geschaffen wurde und damit als Erinnerung an die amerikanische Sklaverei diente. Aber es hatte diese faszinierende historische Bedeutung, die es wert war, erhalten zu bleiben. Ethik hin oder her.

Und sie hatte sofort tausend Ideen im Kopf. Aber dafür mussten zunächst die Aufteilung der Räume verändert, dann Wände versetzt werden. Sie hatte die möglichen Umbauvarianten schon vor Monaten mit Collin besprochen und ihm dann die entsprechenden Pläne mit ihren Anmerkungen übermittelt. Nach Dallas war sie wirklich froh, diese baulichen Maßnahmen nicht selbst durchführen zu müssen – das machte dieses Mal ein Architekt vor Ort. Jetzt waren sie abgeschlossen und es konnte losgehen. Sie würde morgen um 11:00 Uhr das Ergebnis sehen und mit dem Eigentümer – er kam extra dafür für einen Tag aus New York – ihre verschiedenen Entwürfe für das Innendesign vor Ort besprechen. Das waren, wie immer, nur Skizzen, um genug Flexibilität für Änderungen zu wahren. Wer sie beauftragen wollte, musste ihr und ihrem Können vertrauen. Ohne dieses Vertrauen lehnte sie eine Zusammenarbeit ab.

Sie liebte ihren Job sehr. Er war ihre Erfüllung, ihr Lebenselixier. Dabei war für sie Geld selbst in ihren harten Anfängen in New York nie der Motor, der sie angetrieben hatte. Und heute … ja, heute arbeitete sie trotz ihres beträchtlichen Vermögens härter denn je, oft sechszehn Stunden und mehr. Nur heute hatte sie die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, wenn sie und ein Kunde nicht harmonierten.

Bei diesem Auftrag hatte sie in dieser Hinsicht keinerlei Bedenken. Collin war ein harter, sehr erfolgreicher Geschäftsmann mit weichem Kern. Und er liebte das Haus seiner Großeltern, die es – so sagte jedenfalls die Erzählung – vor langer Zeit in einem Poque, einem Kartenspiel, gewonnen und bis zu ihrem Tod bewohnt hatten. Auch er hatte Jahre seiner Jugend in dem Haus verbracht und mit den kreolischen Kindern der Bediensteten am Ufer des Mississippi gespielt.

Die drei Tage vergingen wie im Flug. Es machte ihr Spaß, sich mit diesem beeindruckenden Haus im Garden District zu beschäftigen.

Der Wunsch des Eigentümers, den kreolischen Lebensstil in jeden einzelnen Raum zu holen, aber in höchster Qualität und mit modernster Technik, fand sich bereits in den verlegten extravaganten Wand- und Bodenbelägen mit den unterschiedlichen Formen und Mustern aus Gips und Holz wieder. Sie entsprachen genau ihren Vorstellungen von dem, was die Räume leben lassen würde. Sie liebte vor allem das riesige Foyer mit der geschwungenen offenen Treppe und dem übergroßen Kamin, von dem die anderen Räume – auch der in Rot- und Goldtönen und Spiegeln ausgestattete Ballsaal und der große Speiseraum – zu betreten waren. Sie musste jetzt nur noch die passenden Möbel, die das traditionelle, aber auch moderne New Orleans zeigen sollten, die richtige Kunst und die passenden Accessoires finden.

Kreolen – so wurden die Nachkommen der Bewohner der französischen Karibikkolonien in den Südstaaten, insbesondere in Louisiana, genannt. Ihre Geschichte hing historisch mit der Sklaverei, der Einführung der Plantagenwirtschaft und dem transkontinentalen Seehandel während der europäischen Kolonialzeit zusammen. Gemeinsame Erinnerungen wie Entwurzelung und Sklaverei wurden in mündlichen Erzählungen, Liedern und Tänzen bewahrt. Einige Musikinstrumente waren zugleich Symbole dieser Erinnerungen. Diese Einflüsse wollte sie mit viel Feingefühl und ohne Übertreibung in dieses Herrenhaus bringen.

Tagsüber suchte sie stundenlang in unterschiedlichen Einrichtungs- und Dekorationsgeschäften sowie Kunstgalerien nach allem, was zu Collins Haus passte. Sie stimmte Liefertermine und Farb- und Lichtkonzepte ab. Abends nutzte sie die Zeit, ihre Ideen und Vorstellungen mit dem, was sie gefunden hatte, immer wieder neu zu skizzieren, bis es für sie ein harmonisches Gesamtbild ergab. Collin wollte New Orleans in seinem Haus und das sollte er bekommen.

Sie arbeitete bis tief in die Nächte, bestellte sich Frühstück und Dinner auf die Suite – das Pique Noire hatte ein ausgezeichnetes Room-Dining-Team, das vierundzwanzig Stunden im Einsatz war – und versuchte, so viel Zeit wie möglich herauszuholen, Zeit, die sie mit Tom verbringen konnte.

KAPITEL 2

Tom freute sich auf Julia. Er hatte sie am 11. März – jetzt war es der 9. Juni – das letzte Mal gesehen. Das war an der Sicherheitskontrolle im John F. Kennedy Airport kurz vor seinem Flug zurück nach Frankfurt. Er erinnerte sich, wie schwer ihm der Abschied gefallen war.

Sie waren zwei Tage vorher aus ihrem Urlaub auf Maui zurückgekehrt und hatten noch eine gemeinsame Nacht in ihrer Wohnung auf der 24 Central Park West in der Upper East Side in Manhattan verbracht. Als sie bei einem Glas Wein und guter Musik an ihrem letzten Abend zusammensaßen, versuchten beide, dieses schwere Gefühl der baldigen Trennung irgendwie zu verdrängen. Sie hatten drei Wochen im Paradies – wenn man von dem Mord und dem Diamantschmuggel, der Korruption und dem schweren Betrug absah – Tag und Nacht gemeinsam verbracht, waren glücklich gewesen. Die Zeit war mit einer Ausnahme fast unnormal harmonisch gewesen, aber eben zeitlich begrenzt. Das hatten beide gewusst.

Am Flughafen hatte er sie in seine Arme genommen, sie zärtlich zum Abschied geküsst, aber war dann kaum imstande gewesen, ihr nach der Sicherheitskontrolle nochmals zum Abschied zuzuwinken. Schon in dem Moment hatte er dieses Sehnsuchtsgefühl gespürt und so sehr gehofft, dass er sich in der Zeit des Getrenntseins mit Arbeit ablenken konnte. Arbeit half immer. Arbeit war der beste Verdrängungsmechanismus. Und seine Arbeit machte ihm zudem Spaß. Als Erster Kriminalhauptkommissar leitete er die Frankfurter Mordkommission, Kriminalinspektion 10 Kapitaldelikte. Dort warteten nach seiner Rückkehr schon einige Termine mit dem Landes- und dem Bundeskriminalamt auf ihn.

Grund dafür waren die Verwicklungen auf Maui. Es waren ein Mord und ein absolut desinteressierter Polizeichef, die ihn, Julia und ihren Hilfstrupp aus Deutschland veranlasst hatten, tiefer zu graben. Dabei hatten sie – nein, dabei hatte Julia eine Reihe weiterer Verbrechen und Machenschaften aufgedeckt, die zu mondialen Verhaftungen – auch ein deutsches Ehepaar war darunter – geführt hatte. Das Ganze hatte international hohe Wellen geschlagen und rief natürlich auch die deutschen Behörden auf den Plan, die ihren Teil der Lorbeeren ernten wollten.

Aber jetzt hatte die Trennung bald ein Ende – es waren nur noch dreieinhalb Stunden verbleibende Flugzeit bis zur Landung auf dem internationalen Flughafen von New Orleans. Dann ging es noch neunzehn Kilometer im Taxi auf die Canal Street und dann war er da! Bei Julia.

Sie würde in ihrer Suite auf ihn warten. Er konnte es kaum noch erwarten, dieses einhundertachtundfünfzig Zentimeter große Energiebündel mit den strahlend grünen Augen, den endlos langen Wimpern und den wilden, unzähmbaren schwarzen Locken nach so langer Zeit endlich wieder in seine Arme nehmen zu können, sie zu spüren, zu küssen. Ihm war klar, dass Julia einen Auftrag zu erledigen hatte, aber er war sicher, dass sie genügend Zeit zu zweit verbringen konnten, um den Jazz, den Blues und den Dixieland in diesem kunterbunten Kulturmix der Stadt gemeinsam zu erleben. Und die Nächte, alle Nächte, gehörten ohnehin ihnen.

Sie wohnten in einer der geräumigen, modernen Suiten des, wie er fand, schönsten Hotels der Stadt, dem Fünf-Sterne-Hotel Pique Noire New Orleans, der Grande Dame unter den Hotels auf der Canal Street.

Das Pique Noire am Rande des French Quarter befand sich in dem Beaux-Arts-Gebäude Maison Blanche – was so viel hieß wie ‚Weißes Haus‘ –, einem ehemaligen Kaufhaus aus dem Jahr 1908, aber mit der Anmut eines Herrenhauses, was durch ein elegantes Interieur unterstrichen wurde. Und im Übrigen hatte das Hotel einen wunderbaren Spa-Bereich mit Swimming Pool und Jacuzzi. Gerade in den Sommermonaten herrschte in New Orleans ein subtropisches Klima und da kam ein erfrischender Sprung in den hoteleigenen Pool gerade recht.

Er freute sich so sehr auf die Tage mit Julia. Er konnte ja nicht ahnen, dass die nächsten Tage anders verlaufen sollten als geplant.

Fünf Stunden später öffnete sich die Suitetür auf der obersten Etage des Pique Noire. Endlich! Da war er – ihr Adonis! Ihr Herz machte einen Hüpfer, als er durch die Tür in die Suite trat.

Er war so schön. Sie liebte seine markanten Gesichtszüge, seinen Dreitagebart und seine gepflegten, an den Schläfen leicht ergrauten dunklen Haare, die sich in seinem Nacken leicht lockten. Und wenn er sie mit diesen kristallblauen Augen anschaute, schmolz sie regelrecht dahin. Wie sexy sein durchtrainierter, muskulöser Körper war! Ihr Herz schlug vor Aufregung schneller.

Tom schmunzelte, als Julia vor Freude, ihn zu sehen, laut jubelnd aufsprang und ihm entgegenlief, direkt in seine Arme.

Er roch so verdammt gut – trotz des dreizehnstündigen Flugs mit Zwischenstopp in Washington. Und er wirkte keineswegs müde, nein, eher abenteuerlustig. Er drückte sie so fest an sich, dass sie kaum Luft bekam und dann küsste er sie stürmisch. Sie erkannte, wie sehr sie sich in den letzten Monaten nach ihm verzehrt hatte. Und ihr wurde wieder so klar, dass sie etwas ändern musste. Sie wollte auf keinen Fall mehr eine so lange Zeit ohne Tom sein. Auch wenn sie ihren Job liebte, sie liebte Tom mehr. Sie brauchten eine Lösung.

Sie kuschelte sich noch enger an ihn und genoss seine Wärme. Für einen Moment standen sie nur da und waren glücklich, sich wiederzuhaben.

Dann sagte Tom: „Ich glaube, ich muss erst mal duschen. Vielleicht magst du mir Gesellschaft leisten?“

Dabei schaute er sie verschmitzt an. Und Julia tat ihm gerne den Gefallen.

Es war schon kurz nach halb neun, als sie sich auf den Weg machten, um irgendwo etwas zu essen und dann einen ‚last Drink‘ bei guter Musik zu nehmen. Sie hatten keinen Plan, liefen einfach drauflos, Richtung French Quarter. Es war immer noch sommerlich heiß, und wie konnten sie sich in dieser Sommerhitze besser abkühlen, als mit einem eiskalten ‚Snoball‘? Das war locker geraspeltes Eis, mit süßem Sirup aromatisiert und mit einer Reihe von Mix-ins und Add-ons garniert. Die Auswahl der Geschmacksrichtungen war groß – von fruchtigen bis hin zu cremigen Kreationen. Aber die typische Zutat war die bei den Einheimischen so beliebte süße Kondensmilch, die darüber geträufelt wurde.

Julia konnte sich einfach nicht entscheiden. Es sah alles so lecker aus. Schlussendlich fiel ihre Wahl auf Himbeere, ein Geschmack, der sie an ihre Kindheit und an die Waldsparziergänge mit ihrem Vater erinnerte, bei denen sie, wann immer sie konnte, Wildhimbeeren direkt vom Strauch in den Mund gesteckt hatte. Es waren schöne, warme Erinnerungen, die viel zu selten durch ihre Gedanken huschten. Dieser Snoball aber hatte sie wiederkehren lassen.

Sie schlenderten eisleckend durch die Bourbon Street und entschieden sich, im Musical Legends Park, einer Bar am Anfang der Bourbon Street, die durch Bronzestatuen berühmter Musiker wie Fats Domino und Pete Fountain im Eingangsbereich Gäste anlockte, einzukehren. Dort wollten sie bei einem Glas Wein und einer Jambalaya die Jazz-Band, die auf einer kleinen Bühne live spielte, genießen.

Sie saßen an einem Tisch am Fenster, durch das sie das Treiben auf der Bourbon Street beobachten und zugleich das Flair der Jazz-Bar genießen konnten. Das Innere der Bar zeigte jede Menge Memorabilia von Jazz-Musikern – Fotos, Poster, Bierdeckel mit Autogrammen, verstaubte Musikinstrumente und abgewetzte Pork-Pie-Hüte, die offensichtlich von manch einem Musiker in der Bar hinterlassen worden waren. Gegenstände, die liebevoll gesammelt worden waren und sicherlich für viele einen sentimentalen Wert hatten. Sie schenkten dieser Bar ein familiäres Flair.

Ihr Kellner, der sich als Curt vorstellte, nahm ihre Bestellung entgegen und war begeistert, als er hörte, dass sie eine Jambalaya wollten Er erklärte ihnen, dass dieses Gericht eine gute Wahl war, besonders im Musical Legends Park, denn sie waren bekannt für ihre gute Cajun-Küche – vor allem für ihre schmackhafte Jambalya, deren Ursprünge wahrscheinlich in der Zeit der spanischen Herrschaft in New Orleans lagen und zusätzlich von afrikanischen und französischen Einflüssen geprägt wurde. Dieses typische Reisgericht gab es mit Gemüse und Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten, gewürzt mit der ‚Holy Trinity‘, der Heiligen Dreifaltigkeit der Cajun-Küche – Zwiebeln, Paprika und Sellerie – sowie mit Tabasco oder anderen Chilisaucen, um dem Gericht eine scharfe Note zu geben.

Sie hatten sich für die Meeresfrüchte-Variante entschieden und aßen mit Heißhunger, während sie über alles, was ihnen in den Sinn kam, sprachen und sich dabei von den Jazztönen berieseln ließen. Verliebt wie die Teenager genossen sie ihren ersten gemeinsamen Abend nach so langer Zeit. Es würden zehn wundervolle Tage und Nächte werden.

Sie musste um 11:00 Uhr am Haus im Garden District sein – die Lieferung der ersten Möbel und Einrichtungsgegenstände war für diese Uhrzeit avisiert worden – und Tom wollte sie begleiten. Er interessierte sich für die Architektur, aber er wollte auch sehen, womit sie zurzeit beschäftigt war. Nein, eigentlich wollte er nur bei ihr sein.

Auf dem Weg zum Haus machten sie einen Frühstücks-Stopp in einem kleinen Bistro mit dem netten Namen ‚New Orleans Toast‘, das ihnen von dem Hotel-Concierge empfohlen worden war. Es war nichts Besonderes, ein typisch amerikanisches Diner, aber sie fühlten sich ausgesprochen wohl in dieser freundlichen Atmosphäre.

Jennifer, ihre Kellnerin, die sie mit einem flötenden „Guten Morgen, ihr Süßen“ begrüßte, war extrem nett und gut gelaunt. Und als sie Toms Bestellung aufnahm – er gönnte sich das volle Programm – ein einfaches Omelett mit allem, von Käse über Speck und Schinken bis hin zu Pilzen, Jalapeños und Tomaten, dazu zwei Bagels mit Frischkäse, frisches Obst und ein Karamell-Beignet –, grinste sie ihn an und meinte nur lachend: „Sweety, offensichtlich eine gute Nacht gehabt.“

Julia lachte keck auf. Es war wirklich schwer, sich vorzustellen, was für Mengen ein einzelner Mann schon früh am Tag essen konnte. Tom konnte immer essen und hatte dennoch einen stählernen Körper ohne ein Gramm Fett zu viel – aber heute Morgen war er offensichtlich besonders hungrig. Wahrscheinlich brauchte er nach einer Nacht voller Wiedersehenssex eine ordentliche Stärkung. Unweigerlich schmunzelte sie bei dem Gedanken. Auch sie brauchte nach dieser Nacht einen kleinen Energieschub, aber ihr reichte Kaffee und ein French Toast mit frischen Erdbeeren. Und der Puderzucker würde sein Übriges tun.

Danach sprangen sie aus purem Vergnügen in die ikonische New Orleans Straßenbahn ‚St. Charles Avenue Streetcar‘, die von der Innenstadt bis Uptown führte und quer durch den Garden District verlief. Aus dem Fenster konnte Tom die ersten Blicke auf die Architektur von New Orleans werfen. Er sah Häuser – glänzend und gestuft wie Hochzeitstorten oder in lange, schmale Grundstücke gegliedert – geschützt von Blätterdächern und Bäumen, die so verzweigt und blühend waren wie jede uralte Magnolie. Die Luft war opulent mit dem Duft von Jasmin getränkt. Er genoss die Schönheit der unterschiedlichen Stile aus den verschiedenen Jahrzehnten. Und die Villen im Plantagenstil im Garden District mit ihren umlaufenden Veranden, Balkonen und gepflegten Gärten, in denen alles blühte, beeindruckten ihn sehr. Er wollte unbedingt während ihres Aufenthalts eine Stadttour machen, um mehr über die Geschichte von ‚The Big Easy‘ zu erfahren.

Gegen viertel nach zehn erreichten sie endlich ihr Ziel, das Haus auf der St. Charles Avenue, durch die auch der Mardi-Gras-Umzug führte. Ein Transporter mit der Aufschrift ‚Multicultural Home‘ wartete bereits auf sie.

Multicultural Home war eher ein Zufallstreffer gewesen. Auf ihrer Suche nach Mobiliar für das Haus war sie im Gewirr der Straßen zu früh abgebogen und hatte plötzlich vor diesem Einrichtungsparadies gestanden. Damals dachte sie ‚Warum nicht‘ und sah sehr schnell, wie viel dieses Geschäft zu bieten hatte. Sie wusste in dem Moment, als sie es betrat, dass sie genau richtig war. Und so war es auch. Die teils traditionellen, teils innovativen, aber dennoch zeitlosen Designkonzepte in unterschiedlichen Stilen sprachen sie sofort an. Gemeinsam mit der Eigentümerin Vinny, bei der sie sofort die Leidenschaft für schöne Dinge gespürt hatte, hatte sie nach einigen Stunden die perfekten Stücke gefunden, die die Stimmung und Energie des ‚Southern Living‘ ausdrückten. Außerdem hatte Vinny eine pünktliche Lieferung zugesagt. Sie hatte offensichtlich ihr Wort gehalten.

Das Erste, was Tom und Julia wahrnahmen, als sie das nach frisch gestrichenen Wänden und neu verlegten Holzdielen riechende Haus betraten, war ein leises Summen. Irgendwer summte eine melodische, aber zugleich atonale Melodie, die ihnen fremd und gleichzeitig auf sonderbare Weise vertraut vorkam. Sehr verwundert und etwas erschrocken sahen sie sich an. Sie waren nicht alleine! Aber wer war hier unbefugt eingedrungen?

Das Summen hörte plötzlich auf. Stille. Dann ein leichtes Rascheln und wieder dieses Summen, das eindeutig aus einem der fünf großen Zimmer im Erdgeschoss kam. Julia zeigte mit dem Finger auf die Tür zum Thron-Zimmer, dem größten der insgesamt fünf Wohnräume im Erdgeschoss, mit Blick auf den rückwärtigen Teil des Hauses – auf den parkähnlich angelegten Garten. Sie warf Tom einen Blick zu, der als Antwort darauf unmerklich nickte. Leise schlichen sie zu der halb offenen Zimmertür, die sie von diesem Eindringling trennte. Dort schob Tom sie vorsichtig zur Seite. Sein Blick sagte ‚Halt dich bitte im Hintergrund‘. Dann stieß er die Tür mit einem Ruck weit auf.

Vor dem Fenster neben dem offenen Kamin – das Thron-Zimmer hatte neben der Eingangshalle als einziges Zimmer einen Kamin – stand eine sehr elegant gekleidete Frau, dunkelhäutig, mit ebenen Gesichtszügen, schwarzen Haaren und schwarzen Augen, vielleicht Anfang vierzig. Ihre Kleidung zeigte einen exzellenten Geschmack und … Geld. Die sah jetzt mit vor Schreck aufgerissenen Augen in Richtung Tür. Offensichtlich hatte sie mit keiner Störung gerechnet.

Julia betrachtete die fremde Frau, fasziniert von ihrer Ausstrahlung, die Tom scheinbar vollkommen verborgen blieb.

Denn er fragte in wütendem Ton: „Wer sind Sie? Und vor allem: Wie kommen Sie hier herein?“

Immer noch leicht nach Fassung ringend, stellte sich die Frau mit dunkler, melodischer Stimme vor: „Hallo. Ich bin Tequila de Frobois, aber jeder nennt mich Sunshine.“

Sie lächelte freundlich und nahm einen Schritt in ihre Richtung, aber Tom blieb skeptisch. Durch die Anwesenheit dieser fremden Frau waren all seine Polizisteninstinkte geweckt worden.

„Bleiben Sie genau da stehen, wo Sie sind. Bitte keinen Schritt näher. Und dann sagen Sie uns, wie Sie hier hereingekommen sind? Das Haus war verschlossen.“

Sie hielt einen Schlüssel in die Höhe.

„Ich habe diesen hier.“

„Jetzt lassen Sie bitte die Spielereien und erklären Sie uns, was Sie hier machen“, fuhr er sie barsch an. Diese Frau, diese Tequila de Frobois, war ihm zu kontrolliert. Sie war in dieses Haus eingedrungen – Schlüssel hin oder her – und benahm sich, als sei ihre Anwesenheit vollkommen normal.

„Ich bin eine alte Freundin von Collin. Er hat mir erzählt, dass eine sehr gute Innendesignerin … oh, sind Sie das? Sind Sie Julia?“

Dabei blickte sie Julia mit ihren durchdringenden dunklen Augen an, ein Blick, der Julias Sinne zu vernebeln drohte. Was war los mit ihr? Wieso reagierte sie so heftig auf diese fremde Frau? Sie konnte sich ihre Empfindungen nicht erklären. Aber sie wusste plötzlich, dass diese elegante Person nicht log. Auf ihr Gefühl, ihren siebten Sinn in solchen Momenten, konnte sie sich immer verlassen. Diese Frau führte nichts Böses im Schilde.

„Ja, ich bin Julia Gerald. Collins Innendesignerin. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Frau de Frobois.“

Sie ging auf die Frau zu und hielt ihre Hand zur Begrüßung hin. Frau de Frobois lächelte. Ihr Handdruck war weich und warm, fast schmeichelnd.

„Nennen Sie mich bitte Sunshine. Meine Großmutter war Frau de Frobois …“, Sunshine musterte Julia unumwunden von Kopf bis Fuß, „Sie sind wirklich einzigartig schön.“

Dabei warf sie Julia einen unverhohlenen, fast schon verschlingenden Blick zu. Ihre Direktheit war erschreckend. Oder war es diese unverhohlene Art, die sie verunsicherte? Was es auch war – diese Frau strahlte etwas sehr Intensives aus, das sie ungewollt in ihren Bann zog. Obwohl sie den Blick als unheimlich empfand, wusste Julia nicht, warum sie sich in so eigenartiger Weise zu dieser Frau hingezogen fühlte. Eine solch krasse Anziehungskraft von einem fremden Menschen hatte Julia noch nie zuvor erlebt.

Tom, der die kleine Szene angespannt beobachtete, konnte es nicht fassen. War Julia denn nichts zu bizarr? Konnte sie denn nicht erkennen, wie geschickt diese Frau von sich ablenkte? Er kannte Julia mittlerweile ganz genau. Und ihr Blick hatte sie gerade verraten. Diese Frau hatte in ihr das Interesse geweckt, sie näher kennenzulernen. Und er wusste, dass er sie nicht davon abhalten konnte. Sie war stur, und wenn sie sich einmal etwas in dieses hübsche Köpfchen gesetzt hatte, war jede Mühe, sie von wer weiß welchem Plan abzubringen, umsonst. Das hatte er jetzt zweimal erfahren dürfen. Sowohl in Frankfurt, als auch auf Maui. In beiden Fällen hatte es sich um kriminelle Verflechtungen gehandelt, die sie in latente Gefahr gebracht hatten. Er verstand nicht, wieso Julia, eine so intelligente Frau, sich immer wieder in Abenteuer stürzen musste. Und diese Frau de Frobois war eines dieser Abenteuer. Sie hatte es mit nur wenigen Worten und in wenigen Sekunden geschafft, Julia zu faszinieren. Sie würde keine Ruhe geben, bevor sie nicht mehr über diese zugegebenermaßen geheimnisvolle Frau erfahren hatte.

Ihn beschlich das ungute Gefühl, dass die Begegnung mit Frau de Frobois noch Folgen haben würde.

Laut sagte er aber nur: „Darf ich Sie nochmals fragen, was Sie hier machen?“

„Entschuldigen Sie bitte mein unangekündigtes Eindringen. Aber Collin hat mir in unserem letzten Telefonat erlaubt, mir die neue Aufteilung der Räume anzuschauen. Ich habe wirklich nicht darüber nachgedacht, Ihnen vorher Bescheid zu geben. Das hätte ich tun sollen.“

„Das hätte uns allen zumindest diese unschöne Situation erspart.“

„Ich bitte um Verzeihung.“

Gedankenverloren blickte sie durch das Fenster nach draußen.

Dann sagte sie: „Ich bin hier aufgewachsen. Ich nenne dieses Haus nach wie vor mein Zuhause, auch wenn es legal gesehen nie so war.“

Julia sah Melancholie in den Augen dieser schönen Frau.

Deshalb flüsterte sie: „Die Verwandlung hier scheint Sie traurig zu machen. Oder liege ich falsch?“

„Nein, nein. Es ist wunderbar, dass Collin sich entschlossen hat, das Anwesen auf Vordermann zu bringen. Er glaubt, dass er das seinen Großeltern schuldig ist. Ich bin die Enkelin der Hausdame, die für seine Großmutter gearbeitet hat. Wir wohnten in diesem Anbau da drüben.“

Sie zeigte auf ein kleines, aber schickes Gartenhäuschen im hinteren Bereich des riesigen Gartens.

„Als Kinder verbrachten wir, also Collin und ich und Ison und Kili, die beiden Söhne des Gärtners, des ehemaligen Gärtners, viele Sommer hier gemeinsam, spielten in diesem wundervollen Jardin, der früher noch opulenter war, oder in den Bayous.“

Sie machte eine Pause und es schien, als sei sie mit ihren Gedanken weit weg in der Vergangenheit.

„Die Umgestaltung der Räume ist Ihnen großartig gelungen. Aber sie nimmt mir auch die Erinnerung an diese schönen Zeiten.“

„Nein Sunshine, Erinnerungen hängen nicht an Räumen, Erinnerungen sind im Herzen. Sie verlieren sie nicht durch räumliche Veränderungen, auch wenn es vielleicht im ersten Moment weh tut, das hier jetzt zu sehen.“

Wieder lächelte Sunshine. Ihr Lächeln war einnehmend, aber auf eine geheimnisvolle Art.

„Collin sagte mir, dass Sie eine faszinierende, kluge, wunderschöne Frau sind. Und er hat recht. Vielen Dank.“

Tom konnte innerlich nur den Kopf schütteln. Er traute kaum seinen Ohren. Was war das jetzt für eine Verschwesterung? Und warum?

Sunshine fuhr fort: „Ich wollte mich eigentlich nur von ‚unserem‘ Haus verabschieden, denn ich werde nicht wiederkommen. Auch nicht zu dem Empfang, den Collin nach Fertigstellung plant. Zu tief sitzt der Schmerz der Geschichte. Und nicht alle Erinnerungen sind erinnernswert.

Weder Tom noch Julia sagten etwas. Aber Julias Fantasie fing an, in ihr zu lodern. Welche Geschichte? Welcher Schmerz? Und welche Erinnerungen? Sie hätte zu gern gefragt. Aber anscheinend hatte Tom ihren Gedanken gelesen, denn sie spürte, wie sich der Druck seiner Hand, die auf ihrer Taille lag, leicht verstärkte, so als ob er ihr sagen wollte: ‚Schatz, wag es bitte nicht‘. Er kannte sie zu gut. Und sie hielt den Mund.

In dem Moment hörten sie die Möbelträger, die nach Frau Gerald riefen. Sie wollten sicherlich wissen, in welche Räume die Einrichtungsgegenstände getragen werden sollten. Damit war diese fast telepathische Verbindung zu Tequila de Frobois gebrochen und das Gespräch beendet. Sie hatte Julia noch um eine Visitenkarte gebeten und dann war sie fort.

KAPITEL 3

Nachdem die gesamte Lieferung aus dem Transporter in den verschiedenen Räumen verteilt war, fingen Julia und Tom an, alles auszupacken und an die richtigen Stellen zu platzieren. Der Anfang war gemacht. Sie erwartete die weiteren Lieferungen in den nächsten ein bis drei Tagen. Dann konnte sie richtig loslegen und das Projekt in ein paar Tagen fertigstellen. Collin würde dann kommen und ihre Arbeit abnehmen. Sie wusste aber schon jetzt, dass sie das von ihm gewünschte Flair eingefangen hatte. Und nachdem sie nun die Räume mit den ersten Möbeln begutachtet hatte, wusste sie auch, was sie noch benötigte, um den letzten Schliff in die Ausstattung zu bringen. Morgen würde sie dafür noch einmal auf Shopping Tour gehen müssen. Vielleicht würde Tom sie begleiten. Aber natürlich gönnte sie ihm auch eine Tour durch New Orleans. Die Entscheidung überließ sie ihm.

Gegen eins machten sie eine Pause und liefen zu einem der vielen kleinen Restaurants in diesem Viertel, dem Rum House, in dem sie auf den Picknickbänken im Freien nur ein paar Tacos mit chiliglasierten Garnelen knabberten und der Live Musik zuhörten – selbst am Tag war New Orleans voller Musik.

Sie waren gut gelaunt. Aber genau diese gute Laune hinderte Tom daran, das Thema Sunshine anzusprechen. Das würde er machen, sobald sie zurück im Hotel waren. Er hatte dieses Kribbeln im Bauch, das ihm sagte, dass etwas auf sie zurollte. Er roch förmlich, dass sie bald wieder in irgendwelche Schwierigkeiten verwickelt sein würden. Frau de Frobois bedeutete nichts Gutes. Hätte sie nur nichts vom Schmerz der Geschichte erwähnt. Genau auf so etwas sprang Julia sofort an. Aber er hatte sich fest vorgenommen, sich dieses Mal durchzusetzen, sich nicht wieder von ihr um den Finger wickeln zu lassen. Diese zehn Tage waren zu kostbar, um sie mit irgendwelchen Dingen zu vergeuden, die sie nichts angingen. Er wollte sich einfach keine Minute über diese Sunshine Gedanken machen. Und er wollte sich erst recht keine Sorgen um Julia machen müssen.

Aber Julia nahm ihm schon auf der Fahrt zurück ins Pique Noire den Wind aus den Segeln.

„Honey, ich merke schon seit heute Vormittag, dass du dir Sorgen machst. Brauchst du nicht.“

„Na, das wäre ja etwas ganz Neues. Ich habe doch gemerkt, wie sehr du dich für diese Sunshine interessiert hast.“

„Hey, du kennst mich zu gut. Aber trotzdem – keine Angst, hier in New Orleans bleibe ich ein liebes Mädchen.“

Er nahm sie in seine starken Arme und hoffte, dass sie es sich nicht doch noch anders überlegen würde.

Julia hingegen redete sich seit dem Treffen mit Sunshine ein, sich keinesfalls an der Vergangenheit fremder Menschen abarbeiten zu wollen. Dieses Mal würde sie jeder noch so kleinen Versuchung widerstehen. In den nächsten Tagen würde sie diesen Job ordentlich und zu Collins Zufriedenheit zu Ende bringen. Und die restlichen Tage gehörten nur Tom. Aber sie musste sich auch eingestehen, dass Sunshine sie wirklich fasziniert hatte. Diese Frau hatte eine dunkle Seite, die sie sofort gespürt hatte und so anziehend fand. Und dann dieser Kommentar über den ‚Schmerz der Geschichte‘. Es würde sie schon sehr interessieren, welche Geschichte sich hinter diesen Worten versteckte. Sie hätte sehr gerne mehr dazu erfahren.

Als sie gegen 17:30 Uhr ziemlich erhitzt und durstig am Pique Noire ankamen, hatten sie direkt die Sonnenterrasse der Hotelbar angesteuert.

Jetzt saßen sie auf diesen herrlich bequemen, extrabreiten Lounge-Sesseln mit den dicken, sandfarbenen Sitzkissen auf der geräumigen Terrasse, die sich im unbedachten, offenen Atrium des Hotels befand. Julia genoss diesen Platz, der den Charme einer Ruheoase hatte. Die Terrasse war zwar groß, bot aber gleichzeitig durch tropische Pflanzen in übergroßen Kübeln, die geschickt und sehr dekorativ zwischen die einzelnen Sitzgelegenheiten und Tische gestellt waren, den Gästen die gewünschte Privatsphäre. Es gab mehrere Sitzgelegenheiten im Lounge-Stil, aber auch formschöne, hochwertige Bistrotische und -stühle mit romantisch-verspielten, floralen Ornamenten, an denen man sich morgens ein kleines Frühstück servieren lassen konnte. Offensichtlich spielte auch hier hin und wieder Live-Musik, denn es gab einen kleinen Bereich, in dem der mit Bangkirai-Holzdielen belegte Terrassenboden um vielleicht dreißig Zentimeter erhöht war und wahrscheinlich als Bühne genutzt wurde.

Gerade stellte der Kellner eine Flasche eisgekühlten Wein und zwei Gläser auf den Tisch, als Julias Telefon klingelte.

Collin meldete sich mit einem strahlenden „Hallo, liebe Julia. Ich hoffe, ich störe nicht.“

„Hi Collin, schön, dass du dich meldest. Ich hätte dich später auch noch angerufen, um dir ein Update zu geben.“

„Dann schieß mal los!“

„Dein Haus wird toll. Ich bin überzeugt, dass es dir gefallen wird. Heute sind die ersten Möbel angeliefert worden.“

„Großartig. Ich wusste gar nicht, dass die erste Ware schon heute eingeräumt wurde.“

Julia lachte. „Ware? Du meinst schöne Dinge.“

„Oh, Fettnapf, ich komme.“

„Nein, alles in Ordnung. Und ja, wir haben die ersten ‚schönen‘ Dinge heute erhalten. Sieht alles toll aus, du wirst sie mögen. Morgen kommt eine weitere Lieferung und die große, mit den Möbeln, die ich schon in New York bestellt habe, einen Tag später. Dann brauche ich noch zwei oder drei Tage, um alles so einzurichten, wie ich es will und dann kannst du kommen und dir dein Prachtstück anschauen.“

„Habe schon einen Flug für Donnerstag gebucht.“

„Donnerstag? Collin, am Donnerstag kann ich noch nicht fertig sein. Komm lieber Freitag oder noch besser am Samstag.“

„Mach dir keinen Stress. Ich habe am Donnerstag einige Termine in New Orleans.“

„Dann kann ich dich wohl nicht davon überzeugen, mir einen Tag mehr zu geben.“

Sie lachte.

„Übrigens … wir haben heute deine Freundin Sunshine kennengelernt. Eine sehr faszinierende Frau.“

„Was für ein Zufall. Wo habt ihr sie getroffen?“

„Oh, in deinem Haus. Ich hoffe, das war in Ordnung. Sie hat uns gesagt, dass das mit dir abgesprochen war.“

„Ja, natürlich. Kein Problem. Ich sehe sie auch am Donnerstag. Ich schlage vor, dass wir uns am Freitag zum Lunch treffen und danach gemeinsam in mein Haus fahren.“

Collins rascher Themenwechsel irritierte Julia. Aber wahrscheinlich hatte er nicht die Zeit für langes Geplänkel, immerhin war er ein vielbeschäftigter Geschäftsmann. Und es würde noch die richtige Zeit kommen, um ihm einige Fragen zu Sunshine stellen zu können. Sie wollte einfach mehr über diese Frau erfahren. Allerdings war das jetzt ohnehin nicht möglich. Sie wollte keinesfalls vor Tom ihre Fragen stellen.

Deshalb sagte sie nur: „Perfekt. Ich komme aber nicht alleine.“

„Wen bringst du mit?“

„Tom. Mein …“

„Oh. Er ist bei dir in New Orleans? Ich freue mich schon, den Mann kennenzulernen, der es laut Larry mit dir aufnehmen will.“

Er lachte laut.

„Ich sag’ euch noch, wo wir uns treffen. Muss mal schauen, in welchem Restaurant ich einen Tisch reserviere. Melde mich dann noch mal.“

„Super. Ich freue mich.“

„Dito. Und ich bin schon sehr gespannt auf das Resultat deiner Arbeit.“

Damit legte er auf.

Tom fragte: „Ist Collin der, dem das Haus gehört?“

„Ja, Collin Chevadieu, mein Auftraggeber.“

„Habe ich richtig verstanden, dass wir am Freitag mit ihm zum Essen gehen?“

Julia nickte.

„Bist du dir sicher, dass du mich bei einem Geschäftsessen dabeihaben möchtest?“

„Honey, wäre ich mir nicht sicher, hätte ich Collin nicht gesagt, dass ich nicht alleine komme.“

Das ergab Sinn. Warum hatte er überhaupt diese Frage gestellt? Er hatte offensichtlich mehr Respekt vor ihren Kontakten, als er bislang angenommen hatte.