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Blindes Vertrauen E-Book

Jeffrey Archer

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Beschreibung

William Warwick hat es weit gebracht, seit er vor wenigen Jahren als einfacher Streifenbeamter seinen Dienst bei der Londoner Polizei antrat. Mittlerweile ist er stolzer Vater von Zwillingen, und bei der Jagd auf Kunstfälscher und Drogenbarone hat er sich als fähiger Ermittler erwiesen. Doch nun lauert Unrecht in den eigenen Reihen: Der junge Detective Jerry Summers wird der Bestechlichkeit verdächtigt. Williams Team ermittelt Undercover gegen die eigene Behörde – eine gefährliche Aufgabe, die höchstes Fingerspitzengefühl erfordert. Erst recht als sich eine von Williams Kolleginnen Hals über Kopf in Summers verliebt …

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DASBUCH

William Warwick kommt nicht zur Ruhe. Im Prozess gegen einen großen Rauschgifthändler soll er als wichtigster Zeuge der Anklage vor Gericht aussagen. Dabei ist William dem Drogendezernat nur noch zum Schein unterstellt. Als leitender Beamter einer neu geschaffenen Antikorruptionseinheit sammelt er Informationen über einen auffällig gewordenen Kollegen. Dem stets aufrechten William behagt diese Aufgabe überhaupt nicht – zumal er nicht einmal seiner geliebten Frau Beth von der verdeckten Operation erzählen darf. Der Fall wird zur Belastungsprobe für das noch junge Familienglück.

DERAUTOR

Jeffrey Archer zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Welt. Seine Bücher sind in 97 Ländern erschienen und erreichen eine Gesamtauflage von 275 Millionen Exemplaren.

Archer ist ein akribischer Arbeiter, der von einem einzigen Roman bis zu vierzehn Fassungen zu Papier bringt. Dabei schöpft er aus einem ungeheuren Erfahrungsschatz – seine bewegte Karriere in der Politik kommt ihm ebenso zugute wie seine Begeisterung für die Künste und sein langjähriges Netzwerk an Freunden mit außergewöhnlichen Biografien.

Seit über fünfzig Jahren ist er mit Dame Mary Archer verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne und fünf Enkelkinder. Archer lebt abwechselnd in London, Grantchester in Cambridge und auf Mallorca, wo die erste Fassung jedes seiner Romane entsteht.

Mehr Informationen zum Autor auf heyne.de/archer

JEFFREY ARCHER

BLINDES VERTRAUEN

TEIL 3 DER WARWICK-SAGA

ROMAN

Aus dem Englischen

übersetzt von Martin Ruf

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe Turn a Blind Eye erschien 2021 HarperCollins, London.

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright © 2021 by Jeffrey Archer

Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Thomas Brill

Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design

unter Verwendung von Motiven von © Trevillion Images

(Laurence Winram, CollaborationJS), Shutterstock.com

(Willy Barton, Ollyy, 55th)

Satz: KCFG–Medienagentur, Neuss

ISBN: 978-3-641-26084-2V002

www.heyne.de

Für Sofia

Während der Schlacht von Kopenhagen im Jahr 1801

signalisierte der Kapitän des Flaggschiffs,

dass Lord Nelson seinen Angriff auf die dänische Flotte

einstellen und sich zurückziehen sollte.

Nelson hielt ein Fernrohr vor sein blindes Auge und sagte:

»Ich sehe das Signal nicht.« Nachdem er so den Befehl

verweigert hatte, setzte er seinen Angriff fort

und gewann die Schlacht.

Auf dieses Ereignis geht der englische Ausdruck

»turning a blind eye« zurück, was wörtlich übersetzt

»ein blindes Auge zuwenden« bedeutet und

dem deutschen »ein Auge zudrücken« entspricht.

1

19. Mai 1987

Detective Sergeant Warwick blinzelte zuerst.

»Nennen Sie mir auch nur einen guten Grund, warum ich den Dienst nicht quittieren sollte«, sagte er in herausforderndem Ton.

»Mir fallen vier ein«, erwiderte Commander Hawksby, womit er ihn überraschte.

William hätte einen, zwei oder vielleicht auch drei nennen können, aber nicht vier, und deshalb wusste er, dass Commander Hawksby, »the Hawk«, ihn in die Enge getrieben hatte. Aber er war sich sicher, einen Ausweg zu finden. Er nahm sein Kündigungsschreiben aus einer Innentasche seiner Jacke und legte es vor sich. Es war eine provokante Geste, obwohl er nicht die Absicht hatte, es dem Commander zu übergeben, bevor sein Vorgesetzter ihm nicht die vier Gründe mitgeteilt hatte. William wusste nicht, dass sein Vater Hawksby früher an jenem Morgen angerufen und ihn davor gewarnt hatte, dass sein Sohn vorhatte zu kündigen, sodass der Commander genügend Zeit hatte, sich auf diese Begegnung vorzubereiten.

Nachdem sich der Commander Sir Julians Ausführungen angehört hatte, kannte er den Grund, warum Detective Sergeant Warwick vorhatte, aus dem Dienst auszuscheiden. Er war nicht überrascht, und er hatte die Absicht, Williams wohlvorbereiteter Rede zuvorzukommen.

»Miles Faulkner, Assem Rashidi und Superintendent Lamont«, sagte Hawksby, womit er sozusagen seinen ersten Ball über das Netz schlug, aber kein Ass.

William schwieg.

»Wie Sie wissen, ist Miles Faulkner noch immer auf der Flucht, und obwohl alle Häfen alarmiert wurden, scheint er wie vom Erdboden verschluckt. Ich brauche Sie, weil Sie ihn aus dem Fuchsbau, in dem er sich versteckt, holen und ihn hinter Gitter bringen müssen, wo er hingehört.«

»DS Adaja ist sehr wohl in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen«, erwiderte William und schlug den Ball zurück.

»Aber die Schwierigkeiten dabei würden sich beträchtlich verringern, wenn Sie beide als Team zusammenarbeiten würden, genau wie Sie es bei der Operation Trojanisches Pferd getan haben.«

»Wenn Assem Rashidi Ihr zweiter Grund ist«, sagte William, indem er versuchte, die Initiative zurückzugewinnen, »so kann ich Ihnen versichern, dass Superintendent Lamont mehr als genügend Beweismaterial gesammelt hat, um dafür zu sorgen, dass Rashidi noch viele Jahre lang nicht mehr freikommen wird, und Sie brauchen mich gewiss nicht, um ihm dabei die Hand zu halten.«

»So wäre es in der Tat gewesen, wenn Lamont heute Morgen nicht gekündigt hätte.« Jetzt hatte der Commander sein Spiel wiedergefunden.

Schon zum zweiten Mal war William überrascht, doch er bekam keine Gelegenheit, über die Folgen dieser Information nachzudenken, denn Hawksby fuhr sogleich fort. »Er musste seinen vollständigen Pensionsanspruch aufgeben, weshalb er nicht übertrieben kooperativ sein dürfte, wenn es darum gehen wird, im Prozess gegen Rashidi auszusagen.«

»Das Bargeld, das er in der angeblich leeren Sporttasche in Rashidis Drogenfabrik gefunden hat, dürfte mehr als nur ein Ausgleich sein«, sagte William. Er gab sich keine Mühe, seinen Sarkasmus zu verbergen.

»Inzwischen nicht mehr. Weil Sie eingeschritten sind, wurde jeder Penny zurückgegeben. Und eines ist klar: Ich brauche ganz gewiss nicht zwei Kündigungen an ein und demselben Tag.«

»Fifteen love«, musste William mit zusammengebissenen Zähnen gestehen.

»Außerdem sind Sie die naheliegende Wahl, wenn es darum geht, in Rashidis Prozess Lamonts Platz als wichtigster Zeuge der Anklagevertretung der Krone einzunehmen.«

Thirty love.

William fragte sich noch immer verwirrt, womit Hawksby außerdem noch aufwarten würde. Er beschloss abzuwarten, bis der Commander seinen dritten Aufschlag serviert hatte.

»Ich habe heute Morgen mit dem Commissioner gesprochen«, fuhr Hawksby nach einer kurzen Pause fort, »und er hat mich gebeten, eine neue Einheit aufzubauen, die Korruptionsfälle bei der Polizei untersucht.«

»Die Met hat doch bereits eine Antikorruptionseinheit«, sagte William.

»Die neue soll proaktiver sein, und Sie würden verdeckt ermitteln. Der Commissioner hat mir freie Hand gegeben, mein eigenes Team zusammenzustellen. Es hätte ausschließlich die Aufgabe, alle verrotteten Äpfel aus dem Fass zu beseitigen, um seine genauen Worte zu benutzen. Er möchte, dass Sie als mein leitender Beamter fungieren, der für die laufenden Ermittlungen verantwortlich ist und mir direkt Bericht erstattet.«

»Der Commissioner hat keine Ahnung, wer ich bin«, schlug William den Ball von der Grundlinie zurück.

»Ich habe ihm gesagt, dass Sie der Beamte sind, der den Erfolg der Operation Trojanisches Pferd möglich gemacht hat.«

Forty love.

»Offen gestanden ist das eine lausige Aufgabe«, fuhr Hawksby fort. »Sie würden jede Menge Zeit damit verbringen, gegen Kollegen zu ermitteln, die sich nur leichte Vergehen haben zuschulden kommen lassen.« Wieder hielt Hawksby inne, bevor er sich an den nächsten Aufschlag machte. »Nach der Sache mit Lamont ist der Commissioner jedoch nicht länger bereit, das Problem zu ignorieren, was auch der Grund dafür ist, warum ich Sie empfohlen habe.«

William konnte diesen Ball nicht zurückschlagen und musste seine Niederlage im ersten Spiel eingestehen.

»Wenn Sie sich dafür entscheiden, diese Aufgabe zu übernehmen«, sagte Hawksby, »wäre das hier Ihr erster Auftrag.« Er schob eine Akte über den Tisch, die mit der Aufschrift VERTRAULICH gekennzeichnet war.

William zögerte einen kurzen Augenblick, denn er war sich bewusst, dass es sich dabei um eine weitere List des Commanders handelte, doch er konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Akte zu öffnen. DETECTIVESERGEANT J. R. SUMMERS stand in Großbuchstaben auf der ersten Seite.

Jetzt war William mit dem Aufschlag an der Reihe.

»Ich war mit Jerry in Hendon«, sagte William. »Er war einer der aufgewecktesten Jungs aus unserem Jahrgang. Ich bin nicht überrascht darüber, dass er es zum Detective Sergeant geschafft hat. Er war ein sicherer Kandidat für eine frühe Beförderung.«

»Und das zu Recht. Zuerst müssen wir einen überzeugenden Vorwand finden, warum Sie wieder Kontakt zu ihm aufnehmen, wenn Sie sein Vertrauen gewinnen und herausfinden wollen, ob irgendetwas dran ist an den Anschuldigungen, die von einem Beamten in einer höheren Position gegen ihn erhoben wurden.«

Fußfehler.

»Aber wenn er weiß, dass ich einer Antikorruptionseinheit angehöre, wird er mich wohl kaum willkommen heißen wie einen lange vermissten Freund.«

»Was irgendjemanden sonst in diesem Gebäude betrifft, arbeiten Sie immer noch für die Drogenfahndung und bereiten Rashidis Prozess vor.«

Zweiter Aufschlag.

»Das sind keine besonders verlockenden Aussichten«, wandte William ein. »Freunden und Kollegen hinterherzuspionieren. Ich wäre nichts weiter als ein offizieller Polizeispitzel.«

»Ich hätte es selbst nicht besser sagen können«, erwiderte Hawksby. »Aber falls Ihnen das irgendetwas bedeutet: DS Adaja und DS Roycroft haben sich bereits gemeldet, und ich überlasse es Ihnen, zwei neue Constables auszuwählen, um Ihr Team zu vervollständigen.«

Love fifteen.

»Sie scheinen zu vergessen, Sir, dass DS Roycroft beide Augen zugedrückt hat, als Lamont nach der Beendigung der Aktion Trojanisches Pferd die Tasche mit dem Geld an sich genommen hat.«

»Nein, das hat sie nicht. DS Roycroft hat einen umfassenden Bericht zusammengestellt, der nur für mich bestimmt war. Was einer der Gründe dafür ist, warum ich sie wieder in den Rang eines Detective Sergeant versetzt habe«, sagte Hawksby.

Love thirty.

»Diesen Bericht hätten zweifellos alle Beteiligten zu Gesicht bekommen sollen«, sagte William.

»Nicht, solange er mir dabei geholfen hat, Lamont davon zu überzeugen, das Geld zurückzugeben und darüber hinaus seine Kündigung einzureichen.«

Love forty.

»Ich werde Ihr Angebot mit Beth und meinen Eltern besprechen müssen, bevor ich eine Entscheidung treffen kann«, sagte William, der versuchte, sich Zeit zu verschaffen.

»Ich fürchte, das wird nicht möglich sein«, sagte Hawksby. »Wenn Sie sich bereit erklären, eine so überaus heikle Aufgabe zu übernehmen, dann darf niemand außerhalb dieses Büros etwas davon erfahren. Sogar Ihre Familie muss glauben, dass Sie immer noch bei der Drogenfahndung sind und Rashidis Prozess vorbereiten. Wenigstens dieser letzte Punkt hat den Vorteil, der Wahrheit zu entsprechen, denn bis der Prozess vorüber ist, werden Sie sich um beides kümmern.«

»Kann es überhaupt noch schlimmer werden?«

»O ja«, sagte Hawksby. »Der leitende Beamte, der für die Besuche in Pentonville zuständig ist, hat mich darüber informiert, dass Assem Rashidi heute Morgen einen Termin mit unserem alten Freund, dem Kronanwalt Mr. Booth Watson, hat. Weshalb ich Ihnen sagen muss, Detective Inspector Warwick, dass das, was wir alle für einen glasklaren Fall gehalten haben, jetzt wieder völlig offen ist.«

Es dauerte einige Augenblicke, bis William begriff, dass der Commander gerade ein Ass erzielt hatte. Er nahm sein Kündigungsschreiben wieder an sich und steckte es zurück in seine Tasche.

»Wir sehen uns in ein paar Tagen, Eddie«, sagte Miles Faulkner, als er aus dem unmarkierten Van stieg und jenen Teil seiner Flucht antrat, der als einziger nicht geprobt worden war. Vorsichtig folgte er dem ausgetretenen Pfad hinunter zum Strand. Nach etwa einhundert Metern bemerkte er eine glühende Zigarettenspitze. Sie war wie ein Leuchtturm, der den Ausbrecher auf der Flucht sicher um alle Hindernisse herumleitete.

Ein Mann, der von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war, kam auf ihn zu. Sie gaben einander die Hand, aber keiner von beiden sagte ein Wort.

Der Kapitän führte seinen einzigen Passagier über den Sand zu einem Motorboot, das im flachen Wasser auf und ab wippte. Sobald sie an Bord waren, schaltete ein Matrose den Motor ein und steuerte sie in Richtung der wartenden Jacht.

Miles entspannte sich erst, nachdem der Kapitän die Anker hatte lichten und Segel setzen lassen. Und erst nachdem sie die Hoheitsgewässer verlassen hatten, brach er in einen lauten Jubelruf aus. Er wusste, dass seine Strafe nicht nur verdoppelt würde, sollte man ihn fassen, sondern dass er darüber hinaus auch nie wieder eine zweite Chance zur Flucht bekommen würde.

2

Kronanwalt Booth Watson setzte sich seinem potenziellen Mandanten gegenüber, nahm eine dicke Akte aus seiner Gladstone-Tasche und legte sie vor sich auf den Glastisch.

»Ich habe Ihren Fall mit beträchtlichem Interesse studiert, Mr. Rashidi«, begann er, »und würde gerne mit Ihnen über die Dinge sprechen, die man Ihnen vorwirft, sowie darüber, wie eine mögliche Verteidigung aussehen könnte.«

Rashidi nickte, ohne den Anwalt auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Er hatte immer noch nicht entschieden, ob er BW, wie Faulkner ihn nannte, engagieren würde. Schließlich konnte eine lebenslange Freiheitsstrafe davon abhängen. Er brauchte einen Cavalier King Charles Spaniel, um die Jury um den Finger zu wickeln, doch gleichzeitig musste dieser Hund mit einem Rottweiler gekreuzt sein, der die Zeugen der Anklage Stück für Stück in der Luft zerriss. War Booth Watson so ein Tier?

»Die Krone wird beweisen wollen, dass Sie ein im großen Stil agierendes Drogenunternehmen geführt haben. Man wird Sie anklagen, gewaltige Mengen an Heroin, Kokain und anderen illegalen Substanzen importiert zu haben, wodurch, wie die Gegenseite behaupten wird, Millionen von Pfund an Profit in Ihre Taschen geflossen sind, und dass Sie ein kriminelles Netz aus Agenten, Dealern und Kurieren kontrolliert haben. Ich werde argumentieren, dass Sie nichts weiter als ein unbeteiligter Zuschauer waren, der in das Kreuzfeuer einer Razzia der Metropolitan Police geriet, und dass niemand entsetzter war als Sie, als Sie hörten, wozu Ihre Räume benutzt wurden.«

»Kann man etwas bei den Geschworenen machen?«, fragte Rashidi.

»Nicht in diesem Land«, erwiderte Booth Watson mit fester Stimme.

»Und was ist mit dem Richter? Kann man ihn bestechen? Oder erpressen?«

»Nein. Aber ich habe kürzlich etwas über Mr. Justice Whittaker herausgefunden, was ihn in Verlegenheit bringen und deshalb für uns nützlich sein könnte. Doch ich muss das erst noch überprüfen.«

»Worum geht es dabei?«

»Ich bin nicht bereit, darüber zu sprechen, solange ich noch nicht entschieden habe, ob ich Sie vertreten möchte.«

Es war Rashidi nie in den Sinn gekommen, dass Booth Watson nicht käuflich wäre. Er hatte immer gedacht, dass Anwälte sich nicht von Straßenhuren unterschieden: Das Einzige, worüber man mit ihnen feilschen musste, war der Preis.

»Bis dahin sollten wir unsere leider begrenzte Zeit darauf verwenden, die Vorwürfe und Ihre mögliche Verteidigung etwas genauer durchzugehen.«

Zwei Stunden später hatte Rashidi eine Entscheidung getroffen. Booth Watsons ausgeprägter Sinn für Details und dafür, wie sehr man das Recht beugen konnte, ohne es zu brechen, hatte ihm klargemacht, warum Miles Faulkner den Anwalt so schätzte. Aber wäre dieser Mann auch bereit, ihn zu verteidigen, wenn er, Rashidi, sich aus dieser ganzen Sache nur schwer oder vielleicht überhaupt nicht würde herausreden können?

»Wie Sie wissen, hat die Krone Ihre Verhandlung provisorisch für den fünfzehnten September im Old Bailey angesetzt«, sagte Booth Watson.

»Dann werde ich Sie regelmäßig konsultieren müssen.«

»Ich berechne einhundert Pfund pro Stunde.«

»Ich bezahle Ihnen zehntausend im Voraus.«

»Der Prozess könnte mehrere Tage beanspruchen, vielleicht sogar Wochen. Alleine die zusätzlichen Anwaltshonorare werden beträchtlich sein.«

»Dann sagen wir doch einfach zwanzigtausend.«

Mit einem stummen Nicken signalisierte ihm Booth Watson seine Zustimmung. »Es gäbe da noch eine Sache, die Sie wissen sollten«, sagte er. »Die Krone wird von Sir Julian Warwick vertreten, und seine Tochter Grace wird als seine nachgeordnete Anwältin fungieren.«

»Und zweifellos hofft sein Sohn noch immer darauf, vor Gericht auszusagen.«

»Wenn er das nicht tut«, sagte Booth Watson eindringlich, »haben Sie den Prozess bereits verloren, bevor er überhaupt angefangen hat.«

»Dann werden wir ihm wohl eine Galgenfrist gewähren müssen. Wenigstens so lange, bis Sie ihn im Zeugenstand auseinandergenommen haben.«

»Gut möglich, dass ich diesen jungen Mann, der von allen zu Recht ›Chorknabe‹ genannt wird, überhaupt nicht ins Kreuzverhör nehme. Ich möchte, dass die Geschworenen den ganz und gar nicht so heiligen Ex-Superintendent Lamont im Gedächtnis behalten, nicht Detective Sergeant William Warwick«, sagte Booth Watson gerade, als sich die Tür öffnete und der diensthabende Beamte eintrat.

»Noch fünf Minuten, Sir. Sie haben die Ihnen zustehende Zeit bereits überzogen.«

Booth Watson nickte. »Haben Sie noch irgendwelche Fragen, Mr. Rashidi?«, sagte er, nachdem sich die Tür wieder geschlossen hatte.

»Haben Sie in letzter Zeit etwas von Miles gehört?«

»Mr. Faulkner ist nicht mehr mein Mandant.« Booth Watson zögerte einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Warum fragen Sie?«

»Ich möchte ihm ein Geschäft vorschlagen, das ihn vielleicht reizen könnte.«

»Vielleicht sollten Sie mich kurz ins Bild setzen«, erwiderte Booth Watson, womit er zu verstehen gab, dass Faulkner und er noch immer Kontakt hatten.

»Die Aktien meiner Firma Marcel and Neffe sind aufgrund der negativen Presseberichte nach meiner Festnahme abgestürzt. Ich brauche jemanden, der einundfünfzig Prozent der Aktien zu ihrem gegenwärtigen Marktpreis erwirbt, da ich selbst nicht an der Börse tätig sein darf, solange ich im Gefängnis bin. Ich würde dem Betreffenden am Tag meiner Entlassung das Doppelte dafür bezahlen.«

»Aber bis dahin könnte es noch eine ganze Weile dauern.«

»Ich bezahle Ihnen das Doppelte, wenn Sie mich raushauen.«

Wieder nickte Booth Watson und bewies damit, dass er in der Tat eine Hure war, wenn auch eine besonders teure.

William konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Bus zu nehmen, um wieder nach Brixton zu fahren. Diesmal jedoch wurde er nicht von vierzig bewaffneten Kollegen begleitet, die einen der größten Drogenringe der Stadt zerschlagen wollten, sondern von zahllosen Hausfrauen, die die Absicht hatten, ihre Einkäufe zu erledigen.

Während der Fahrt hielt er Ausschau nach einigen auffälligen Gebäuden, an die er sich von der Operation Trojanisches Pferd vom Vortag her erinnerte. Doch dieser Bus hielt an jeder Haltestelle, um Passagiere aus- und einsteigen zu lassen, und das Oberdeck war nicht zu einem Einsatzzentrum umgebaut worden, von dem aus Hawksby die größte Drogenrazzia in der Geschichte der Metropolitan Police überwachen konnte.

Zwei Hochhäuser voller Wohnungen erschienen in seinem Blickfeld. An der nächsten Haltestelle ging William mit lockerem Schritt die Treppe hinab und sprang aus dem Bus. Im Wartehäuschen saß bereits seine Kollegin DS Jackie Roycroft. Diesmal gab es keine unauffällig platzierten Wachen, um sie am Betreten des Gebäudes zu hindern.

Als sie sich Gebäude B näherten, kam eine alte Frau an ihnen vorbei, die einen mit schweren Taschen gefüllten Einkaufswagen schob. Sie tat William leid, doch irgendetwas brachte ihn dazu, sich noch einmal nach ihr umzusehen, bevor er weiterging. Er und Jackie betraten den Lift – kein bulliger Aufpasser hinderte sie daran –, und sie drückte den Knopf zum dreiundzwanzigsten Stockwerk.

»Die SOCO hat die ganze Anlage bereits auseinandergenommen und nichts gefunden, aber Hawksby meinte, wir sollten noch einmal einen Blick darauf werfen, nur für den Fall, dass die Kollegen etwas übersehen haben. Sie sind bei Anbruch der Morgendämmerung gegangen«, sagte Jackie zu ihm.

»›Ich habe keine Ahnung, wann das sein könnte‹, sagte William mit verstellter Stimme, »›aber ich bin sicher, es muss höchst unangenehm sein.‹«

»Na los, erzähl’s mir schon«, sagte Jackie.

»Sir Harcourt Courtly zu Lady Gay Spanker in London Assurance.« Weil er Jackies verständnislose Miene sah, fügte William hinzu: »Es ist ein Theaterstück von Boucicault.«

»Vielen Dank für dieses überzeugende Beweisstück«, sagte Jackie, als sie aus dem Lift in den Flur traten, wo eine schwere Tür an der Wand lehnte.

Der Handwerker hatte sich keine Mühe gemacht mit den zahllosen Schlössern, sondern die Tür einfach entfernt, wodurch eine Art Höhle entstanden war. Aladins Höhle?

»Gut gemacht, Jim«, sagte William, als er die Wohnung betrat, die auch in Mayfair nicht fehl am Platz gewesen wäre. Moderne, stilvolle Möbel in jedem Zimmer, ein Teppich, so dick, dass man darin versank, und dazu Bilder von Gegenwartskünstlern, die sämtliche Wände schmückten, unter ihnen Bridget Riley, David Hockney und Allen Jones. Lalique-Glasarbeiten waren großzügig über die ganze Wohnung verteilt; sie erinnerten William daran, dass Rashidi in einer französischen Umgebung aufgewachsen war. Unweigerlich fragte er sich, wie aus einem so kultivierten Menschen etwas so Böses geworden war.

Auf der Suche nach Drogen begann Jackie, sich im Wohnzimmer umzusehen, während sich William auf das Elternschlafzimmer konzentrierte. Er brauchte nicht lange, um einzusehen, dass die SOCO ganze Arbeit geleistet hatte, obwohl er verwirrt darüber war, dass sich keine Alltagsgegenstände fanden, die man in einer Wohnung, in der tatsächlich jemand lebte, erwarten würde: kein Kamm, keine Haarbürste, keine Zahnbürste, keine Seife. Nur eine Stange mit ein paar Savile-Row-Anzügen sowie ein Dutzend handgenähter Hemden von Pink’s in der Jermyn Street, die aussahen, als ob sie gerade aus der Reinigung kämen. Nichts, bei dem Booth Watson nicht problemlos bestreiten könnte, dass es seinem Mandanten gehörte. Doch dann sah er, dass die Innentasche eines der Anzüge mit den Initialen »A. R.« bestickt war. Wäre Booth Watson in der Lage, das genauso lässig zurückzuweisen? Sorgfältig faltete William die Jacke zusammen und legte sie in einen der Beutel für Beweismittel.

Als Nächstes wandte er seine Aufmerksamkeit einem reich verzierten Silberrahmen mit einem eingravierten A zu, der auf dem Nachttisch stand und eher an die Bond Street statt an Brixton denken ließ. Er hob ihn hoch und sah sich die Frau auf dem Foto genauer an.

»Hab ich dich«, sagte er und legte den schweren Silberrahmen in einen weiteren Beutel für Beweismittel.

Nachdem er sich die Nummer des Telefons auf der anderen Seite des Bettes notiert hatte, begann er, sich die Bilder an den Wänden genauer anzusehen. Teuer, modern, aber kein Beweis für irgendetwas, es sei denn, Rashidi hätte sie bei einem angesehenen Kunsthändler gekauft, der bereit wäre, als Zeuge der Krone vor Gericht auszusagen und den Namen seines Kunden preiszugeben. Unwahrscheinlich. Denn es würde gewiss nicht den Interessen des Händlers dienen. Das Foto in dem Silberrahmen war immer noch am vielversprechendsten.

Er hielt inne, um ein Bild von Warhol zu bewundern, das Marilyn Monroe darstellte und das die SOCO auf den Boden gestellt hatte, um einen ungeöffneten Safe freizulegen. Unverzüglich machte er sich auf die Suche nach Jim, dem Handwerker, der ihm eine solche Menge an Schlüsseln zeigte, dass selbst Fagin aus Oliver Twist beeindruckt gewesen wäre. Jim gelang es, innerhalb von wenigen Minuten das Schloss zu öffnen, doch als William die Safetür aufzog, sah er, dass das Regal darin leer war.

»Verdammt soll er sein. Er muss gewusst haben, dass wir kommen.« Plötzlich erinnerte er sich an die alte Frau mit den schweren Taschen im Einkaufswagen, die zuvor an ihm vorbeigekommen war. Etwas an ihr hatte nicht gestimmt, und jetzt begriff er, was es gewesen war. Alles hatte gepasst, bis auf die Schuhe. Es waren die neuesten Nike-Sportschuhe.

»Verdammt«, wiederholte er, als Jackie in der Tür erschien.

»Hast du irgendetwas gefunden, das uns weiterhilft?«, fragte sie. »Ich nämlich nicht.«

Schwungvoll hob William den Beutel hoch, der das Foto mit dem Silberrahmen als Beweismittel enthielt.

»Spiel, Satz und Sieg«, sagte Jackie und salutierte ironisch vor ihrem Vorgesetzten.

»Spiel, ja«, erwiderte William. »Und vielleicht sogar Satz, aber da Booth Watson im Old Bailey die Verteidigung von Rashidi übernommen hat, ist das Spiel noch nicht entschieden.«

Niemand war bereit, sich an seinen Tisch zu setzen, bevor nicht alle davon überzeugt waren, dass er nicht zurückkommen würde.

Als Rashidi am dritten Morgen nach Faulkners Flucht zum Frühstück in die Essensausgabe kam, nahm er dessen Platz an der Spitze des leeren Tisches ein und gab zwei seiner Gefährten, Tulip und Ross, ein Zeichen, sich zu ihm zu setzen.

»Miles dürfte inzwischen außer Landes sein«, sagte Rashidi, als ein Aufseher einen Teller mit Schinken und Eiern vor ihn stellte. Er war der einzige Häftling, dessen Schinken keine Schwarte hatte. Ein weiterer Aufseher reichte ihm eine Ausgabe der Financial Times. Die Gefängnismitarbeiter hatten sich schnell damit abgefunden, dass ihr alter König nicht mehr hier war und inzwischen ein neuer Monarch auf dem Thron saß. Die Höflinge waren nicht beunruhigt. Der neue König war Faulkners natürlicher Nachfolger und würde vor allem auch dafür sorgen, dass der Strom kleiner Zuwendungen für sie nicht abriss.

Rashidi musterte die Aktienwerte und runzelte die Stirn. Marcel and Neffe war über Nacht um weitere zehn Pence gefallen, was für sein Unternehmen die Gefahr einer feindlichen Übernahme erhöhte. Er konnte nichts dagegen tun, obwohl die Börse nur wenige Meilen entfernt lag.

»Schlechte Nachrichten, Boss?«, fragte Tulip, als er ein Stück Wurst auf seine Gabel nahm und es sich in den Mund schob.

»Jemand versucht, mich aus dem Geschäft zu drängen. Aber mein Anwalt hat alles unter Kontrolle.«

Ross, der Marlboro-Mann, nickte. Er sprach kaum und stellte nur selten eine Frage. Zu viele Fragen würden Rashidi misstrauisch machen, hatte Commander Hawksby seinen verdeckten Ermittler gewarnt. »Hören Sie einfach nur zu, dann bekommen Sie mehr als genügend Beweise, um dafür zu sorgen, dass Rashidi nicht so schnell entlassen wird.«

»Was gibt es Neues bei unserem Lieferproblem?«, fragte Rashidi.

»Ist unter Kontrolle«, versicherte ihm Tulip. »Wir machen knapp über eintausend pro Woche.«

»Und was ist mit Boyle? Er scheint immer noch seine alten Kunden zu versorgen, wodurch er mir einen Teil von meinen Einnahmen wegschnappt.«

»Er ist kein Problem mehr, Boss. Er wird in ein Gefängnis auf der Isle of Wight verlegt.«

»Wie hast du das denn angestellt?«

»Der für die Verlegungen zuständige Beamte ist mit seinen Hypothekenzahlungen ein paar Monate im Rückstand«, sagte Tulip, ohne genauer darauf einzugehen.

»Dann sollten die nächsten paar Monate im Voraus bezahlt werden«, sagte Rashidi. »Denn Boyle ist nicht der einzige Insasse hier, bei dem ich es gerne sehen würde, wenn er woandershin verlegt wird. Außerdem ist das weniger riskant als die Alternative. Was ist mit dir, Ross, wirst du uns verlassen?«

»Irgendwann nächste Woche komme ich ins Ford Open, Boss. Es sei denn, du willst, dass ich hierbleibe.«

»Nein, ich will dich so schnell wie möglich wieder auf der Straße haben. Du bist viel nützlicher für mich, wenn du draußen bist.«

3

Im Gefängnis waren Juden und Moslems die einzigen Gläubigen, die ihre Religion ernst nahmen. Und doch waren es die Christen, die bei jeder Messe am zahlreichsten erschienen.

Jeden Sonntagmorgen drängten sich die Sünder in der Gefängniskapelle, die nicht nur nicht an Gott glaubten, sondern in den meisten Fällen auch nie zuvor einen Gottesdienst besucht hatten. Doch weil eine Teilnahme am Gottesdienst bedeutete, dass ein Häftling mehr als eine Stunde lang aus seiner Zelle kam, wurden sie des Lichtes inne und fanden sich an diesem Morgen zu einer der größten Kirchengemeinden in ganz London zusammen.

Fast alle Mitarbeiter waren nötig, um die siebenhundert Neubekehrten auf dem Weg von ihren Zellen bis in die Kapelle im Untergeschoss zu begleiten, wo der Kaplan seine Herde schwarzer Schafe unter dem Zeichen des Kreuzes begrüßte und erst dann mit seinem Bittgebet begann, wenn der letzte Häftling Platz genommen hatte.

Die Kapelle war der größte Raum im Gefängnis: halbkreisförmig mit einundzwanzig Reihen von Holzbänken, die auf einen Altar ausgerichtet waren, der von einem großen Holzkreuz dominiert wurde. Die meisten Häftlinge kannten ihren Platz. Die ersten beiden Reihen waren mit den wenigen weißen Schafen gefüllt, die tatsächlich wegen der Andacht kamen. Während der Gebete fielen sie auf die Knie und riefen jedes Mal »Halleluja«, wenn der Kaplan Gott erwähnte. Auch während der Predigt hörten sie genau zu. Nicht so die übrige Herde, welche die übergroße Mehrheit bildete. Auch sie hatten eine eigene Hackordnung, doch im Gegensatz zu jeder anderen Kirchengemeinde, die sich an diesem Sonntagmorgen versammelte, befanden sich hier die gefragtesten Plätze möglichst weit hinten.

Die mächtigsten Häftlinge saßen in der letzten Reihe, von wo aus sie ihre Geschäfte mit denen in der Reihe vor ihnen führten. Assem Rashidi saß in der Mitte der hintersten Reihe – eine Position, die bis vor Kurzem Miles Faulkner innehatte. Tulip saß zu seiner Linken, Ross zu seiner Rechten.

Ständig wurden Papierstreifen nach hinten gereicht, auf denen all das notiert war, was die Häftlinge in der kommenden Woche benötigten: Drogen, Alkohol und Pornos waren am gefragtesten, obwohl einer der Insassen nie etwas anderes wollte als ein Glas Marmite.

»Unser erstes Lied heute Morgen ist Tapfer möge er sein. Sie finden es auf Seite 211 in Ihren Gesangbüchern.«

Die Pilger in der ersten Reihe standen auf und sangen aus vollem Herzen und mit lauter Stimme, während die Krämer im Hintergrund, die Christus gewiss aus dem Tempel geworfen hätte, ihren Geschäften nachgingen.

»Drei Portionen Crack für Zelle vierundvierzig«, sagte Tulip, indem er ein Stück Papier auseinanderfaltete. »Dreißig Pfund.«

Es gab nicht viel, das Rashidi nicht besorgen konnte, sofern der Kunde regelmäßig am Ende der Woche bezahlte. Im Gefängnis bekommt niemand mehr als eine Woche Kredit. Drei Wärter fungierten als Kuriere, was ihnen an einem Tag mehr einbrachte, als sie pro Woche in ihrer Lohntüte vorfanden. Zwei waren dafür verantwortlich, die Waren ins Gefängnis zu bringen, während der dritte, der das größte Vertrauen genoss, das Geld von Ehefrauen, Freundinnen, Brüdern, Schwestern und sogar Müttern einsammelte.

»… ein Pilger zu sein.«

Die Gemeinde setzte sich wieder, und ein junger karibischer Häftling hielt die erste Lesung.

»Und ich sah das Licht …«

Tulip reichte seinem Boss eine weitere Bestellung, ein Briefchen Heroin. »Der Bastard ist in den letzten zwei Wochen mit nichts rübergekommen. Sollen wir ihm eine Dusche verpassen?«

»Nein«, sagte Rashidi entschieden. »Hör auf, ihn weiter zu beliefern. So finden wir schon früh genug raus, ob er draußen noch etwas Geld hat.«

Tulip wirkte enttäuscht.

»Ich glaube, einer der Kuriere zweigt etwas für sich ab«, sagte er, »denn letzte Woche waren unsere Einnahmen über zweihundert Pfund niedriger. Was soll ich deswegen unternehmen, Boss?«

»Mach dem Betreffenden klar, dass ein anonymer Bericht auf dem Schreibtisch des Direktors landen wird, wenn das noch einmal vorkommt. Und dass für unseren Mann beide Einnahmequellen über Nacht versiegen werden.«

»Sonst noch etwas?«, fragte Tulip, nachdem er die letzte Bestellung entgegengenommen hatte.

»Ja. Mein Essen, das mir letzte Woche abends in die Zelle geliefert wurde, war jedes Mal lauwarm, also besorg mir draußen einen anderen Lieferanten.«

»Wird erledigt«, sagte Tulip, während die Gläubigen sich wieder setzten.

»Der Text meiner Predigt«, verkündete der Kaplan, »stammt diese Woche aus dem Buch Exodus, Kapitel vierunddreißig. Als Moses herabstieg vom Berge Sinai, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes …«

»Was gibt es Neues über Detective Sergeant Warwick?«

»Er wird dieser Welt nicht mehr lange zur Verfügung stehen«, sagte Tulip. »Ich wünschte nur, ich könnte diesen Job erledigen.«

»Erst wenn der Prozess vorüber ist. Dann kannst du dich um DS Warwick kümmern. Sorg dafür, dass sein Tod langsam und schmerzvoll wird, damit seine Kollegen es sich ein zweites Mal überlegen, ob sie mir in die Quere kommen wollen.«

Ross wurde übel.

»Du sollst nicht töten«, sagte der Kaplan.

»Amen«, sagte Ross leise.

»Lasset uns beten«, fuhr der Kaplan fort. Die ersten beiden Reihen sanken auf die Knie. »Allmächtiger Gott …«

»Schick seiner Witwe ein Dutzend Rosen«, sagte Rashidi, »wenn die Zeit gekommen ist, und gib ihr unmissverständlich zu verstehen, wer sie geschickt hat.«

Ross achtete sorgfältig auf jedes Wort, das zwischen den beiden gesprochen wurde. Er musste Hawksby so schnell wie möglich eine Botschaft zukommen lassen, damit Warwick gewarnt würde.

Wie Rashidi hatte auch er einen Gefängnisbeamten, den er mit einer Nachricht an jemanden in der Außenwelt betrauen konnte, nur dass dieser Mann nicht erwartete, dafür bezahlt zu werden. Ross würde dafür sorgen müssen, dass er nach dem Frühstück am folgenden Tag den Flur vor dem Büro des leitenden Beamten, Senior Officer Rose, wischte.

»Wenn sie dich nächste Woche ins Ford Open schicken«, sagte Rashidi und riss ihn aus seinen Gedanken, »solltest du Kontakt zu Benson aufnehmen, der die dortigen Drogenlieferungen kontrolliert, und ihm klarmachen, dass keine Junkies mehr ins Ford überstellt werden, wenn ich nicht meinen Anteil bekomme.«

Ross nickte.

»Sonst noch etwas?«, wiederholte Tulip seine Frage von vorhin.

»Ja. Hast du dich um mein anderes Problem gekümmert?«, fragte Rashidi, indem er sich wieder Tulip zuwandte.

»Klar, Boss. Aber es wird nicht billig werden. Mehrere Wachen erwarten Schmiergeld.«

»Bezahl sie. Das ist der einzige Luxus, auf den zu verzichten ich nicht bereit bin.«

»Dann wird eine Nutte in deine Zelle gebracht werden, sobald die Lichter gelöscht sind.«

»Irgendwelche Neuigkeiten von Faulkner?«, fragte Ross, der wusste, dass alle Spuren, die Hawksby verfolgte, inzwischen kalt waren.

»Sie haben mir gerade seine Zelle angeboten, weshalb ich davon ausgehen kann, dass er inzwischen außer Landes ist. Morgen früh habe ich einen weiteren Termin mit seinem Anwalt, dann erfahre ich vielleicht mehr.«

Nachdem Ross die einzige Frage gestellt hatte, auf die es ihm ankam, beschränkte er sich wieder aufs Zuhören.

»Wurde das Datum des Prozesses bereits festgelegt?«, fragte Tulip.

»Der fünfzehnte September. Und morgen werde ich hören, wie viele Beweise sie bei der Durchsuchung meiner Wohnung gefunden haben.«

Ross wusste genau, wie viele Beweise sie hatten. Er wusste sogar, wen das Foto in dem Silberrahmen zeigte.

»Besteht irgendeine Hoffnung, dass ich deine Zelle übernehmen kann, wenn du in die von Faulkner ziehst?«, fragte Tulip.

»Betrachte es als erledigt«, sagte Rashidi, der von Belohnungen genauso viel verstand wie von Bestrafungen. Er nickte einem der Aufseher zu, um ihm zu signalisieren, dass er ihn nach dem Gottesdienst sprechen wollte.

»Den Segen von Gott, dem Allmächtigen, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.«

»Amen«, sagten alle drei wie aus einem Mund.

»Wie geht es den Zwillingen?«, fragte Christina.

»Ich bekomme zurzeit nicht allzu viel Schlaf«, gestand Beth, die den Kinderwagen schob, während sie langsam durch den Hyde Park schlenderten. »Sie scheinen immer zusammenzuarbeiten, wenn sie etwas wollen. Ich bin ständig furchtbar erschöpft – und plötzlich voller Bewunderung für meine Eltern.«

»Ich beneide dich«, sagte Christina und blickte wehmütig auf die beiden Zwillinge herab. »Wie geht William mit dieser zusätzlichen Verantwortung um?«

»Wenn er zu Hause ist, ist er wunderbar, aber wenn ich wieder arbeiten gehen will, werden wir ganztags ein Kindermädchen einstellen müssen, und das kostet uns dann fast so viel, wie ich verdiene.«

»Ist jedoch jeden Penny wert«, erwiderte Christina. »Besonders wenn es William mehr Zeit gibt, meinen Mann aufzuspüren, der, so kommt es einem vor, schon vor Jahr und Tag davongesegelt ist.«

»Er kann nicht viel wegen Miles unternehmen, solange er den Prozess gegen Rashidi vorbereitet.«

»Wenn auch nur die Hälfte der Dinge wahr ist, die über diesen Mann in der Presse stehen, dann hoffe ich, dass er in der Hölle verrottet.«

»Wo er zweifellos Miles wiedertreffen wird«, sagte Beth.

»Glaubst du, dass sie sich in Pentonville begegnet sind?«

»William ist überzeugt davon, besonders da Booth Watson Rashidi im Prozess vertreten wird. Und er ist der eine Mensch, dem man verbieten würde, die Beerdigung seiner Mutter zu besuchen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie noch quicklebendig ist. Obwohl William mir erzählt hat, dass sie ihren Sohn nicht ein einziges Mal im Gefängnis besucht hat.«

»Vielleicht wird er einen anderen Weg finden, um zu fliehen.«

»Keine Chance. Du kannst sicher sein, dass ihn auf seinen Fahrten zwischen Gefängnis und Old Bailey eine kleine Armee begleitet, nachdem Miles verschwunden ist.«

»Miles war der Polizei immer um mehrere Schritte voraus. Er hat seine Flucht wahrscheinlich wie eine militärische Operation geplant, und du kannst sicher sein, dass er nichts dem Zufall überlassen hat.«

Beth schwieg. Obwohl sie Christina als Freundin betrachtete, war ihr bewusst, dass William ihr nicht vertraute. Als William an jenem Morgen zur Arbeit gegangen war, hatte er sie gebeten, einfach nur zuzuhören, denn es konnte sein, dass Christina etwas sagte, das sie später bereuen würde.

»Es war kein Zufall«, fuhr Christina fort, »dass einen Tag, bevor Miles bei der Beerdigung seiner Mutter verschwunden ist, seine Jacht Monte Carlo verlassen und Kurs auf die englische Küste genommen hatte.«

»Woher weißt du das?«

»Einer seiner Deckshelfer ist nach Monte Carlo zurückgekehrt, nachdem sie New York angelaufen hatten, und hat es mir später berichtet. Ich wette, dass ihr nie wieder etwas von Miles hören werdet.«

Beth erinnerte sich daran, dass Miles auch in New York eine Wohnung hatte. »Was ist mit seiner Kunstsammlung?«, fragte sie.

»Die theoretisch zur Hälfte mir gehört. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass ich keinen dieser Schätze je wieder zu Gesicht bekommen werde. Ich sehe ständig die Kataloge der führenden Auktionshäuser durch, um herauszufinden, ob eines der Stücke zum Verkauf steht, aber bis jetzt … nichts.«

»Und was ist mit der Wohnung am Eaton Square?«, fragte Beth, als sie The Serpentine, den großen See im Hyde Park, erreicht hatten.

»Der Mietvertrag läuft in ein paar Monaten aus, aber ich habe die Absicht, ihn zu verlängern.«

»Wie kannst du dir das leisten, nachdem Miles sich mit allem aus dem Staub gemacht hat?«

»Weil mein lieber Ehemann ein winziges Detail übersehen hat, als er unseren Landsitz niederbrannte und davon ausging, dass ich mittellos sei.«

»Da komme ich nicht mehr mit«, sagte Beth, als Christina den Kinderwagen übernahm und die Rotten Row entlangschob.

»Mein Immobilienmakler hat letzte Woche angerufen und mir mitgeteilt, dass der örtliche Gemeinderat der Planung zum Bau von einem Dutzend Häuser auf dem Gelände zugestimmt hat. Man hat ihm bereits eine halbe Million Pfund für das Grundstück angeboten, dabei wurde es noch nicht einmal zum Verkauf ausgeschrieben.«

»Nun, das sollte deine drängendsten Probleme vorerst lösen.«

»Mag sein. Aber ich werde erst feiern, wenn Miles wieder hinter Gittern sitzt, am besten in Einzelhaft, und die Hälfte der Bilder in meiner Wohnung hängt.«

»Ganz zu schweigen von dem Vermeer, den er dem Fitzmolean gestohlen hat«, sagte Beth. Sie sah auf die Uhr, als sie Albert Crescent erreicht hatten.

»Vergiss nicht, William zu sagen, dass er keine Zeit damit verschwenden soll, nach Miles zu suchen«, bemerkte Christina, als sie sich trennten. »Konzentriert euch auf die Gemälde. Wenn ihr sie findet, könnt ihr sicher sein, dass er irgendwo ganz in der Nähe ist.«

Beth brachte den Kinderwagen abrupt zum Stehen, woraufhin Artemisia lautstark zu weinen anfing. Nur wenige Augenblicke später schloss Peter sich ihr an. War das der Satz, den Christina später bereuen würde und den William hatte hören wollen?

»William?«

William blickte auf und sah DS Summers, der sich durch die Schwingtüren der Kantine schob.

»Jerry? Was machst du denn hier?«, fragte er, obwohl er es nur allzu gut wusste.

»Dasselbe wie du, nehme ich an. Ich halte eine Rede darüber, wie es ist, ein bescheidener Polizist in der hintersten Provinz zu sein, im Gegensatz zu einem erfolgreichen Ermittler bei Scotland Yard.«

»Du irrst dich. Ich halte einen Einführungsvortrag über Drogen vor einem Haufen blutiger Anfänger, die direkt von der Schulbank kommen und eine Droge nicht einmal erkennen würden, wenn sie sie direkt vor Augen haben.«

William nahm eine Aktentasche hoch und legte sie auf den Tisch vor sich. Er öffnete sie, und ein Dutzend kleiner Plastikbehälter wurde sichtbar, die Proben aller illegalen Drogen von Heroin bis Ecstasypillen enthielten.

»Beeindruckend«, sagte Summers und schenkte sich eine Tasse Tee ein. »Aber nicht so beeindruckend, wie diesen Gangster Rashidi zu schnappen und ihn hinter Gitter zu bringen. Ich hoffe, du hast genügend Beweise, um ihn festzunageln. Denn wie ich gehört habe, soll er aalglatt sein, und du kannst davon ausgehen, dass er den besten Anwalt engagieren wird, der für Geld zu haben ist.«

»Kennst du ihn?«

»Nur den Ruf, den er hat. Aber ein paar von seinen Untergebenen beliefern Romford und Barking. Der reinste Abschaum. Wir konnten beobachten, dass ihre Lieferkette dank dir und Superintendent Lamont kürzlich zusammengebrochen ist.«

»Woher kennst du Lamont?«

»Er war mein erster Vorgesetzter, als ich in Romford als Streifenpolizist anfing. Ein paar Jahre später ging er zum Yard, weshalb ich seither nichts mehr mit ihm zu tun hatte. Wie geht es dem alten Bastard?«

»Er hat sich vorzeitig pensionieren lassen. Deshalb habe ich ihn in letzter Zeit auch nicht mehr gesehen.«

»Warum sollte er so etwas tun?«, sagte Summers, als richte er die Frage fast nur an sich selbst. »Er hätte doch nur noch ein Jahr oder so gehabt, bis er seine volle Pension bekommen hätte.« Er ließ einige Zuckerstücke in seinen Tee fallen und fragte dann: »Wie ist es denn so, wenn man da arbeitet, wo es wirklich heiß hergeht?«

»Die meiste Zeit verbringe ich damit, Formulare auszufüllen und Junkies festzunehmen, die eher in die Klinik gehören als ins Gefängnis. Aber sag mir bitte Bescheid, wenn ihr rausfindet, wer Romford in Zukunft beliefern wird.«

»Du solltest ein Auge auf die Payne-Familie haben«, sagte DS Summers. »Sie kontrollieren die Drogenlieferungen in meinem Bezirk, aber sie sind nicht groß genug, um Rashidis Imperium zu übernehmen. Genau genommen beten sie sogar dafür, dass er freikommt. Ohne den Hai haben die kleinen Fische nichts zu fressen.«

William notierte sich das, obwohl er es bereits wusste, und er versuchte sich einzuprägen, dass Summers die Turner-Familie nicht erwähnt hatte.

»Übrigens, Glückwunsch«, sagte Summers und wählte einen Schokoladenkeks aus. »Wie ich höre, bist du der Erste unseres Jahrgangs, der zum Detective Inspector befördert werden soll. Nicht, dass das irgendjemanden überraschen würde.«

»Beförderungen haben auch Nachteile«, sagte William und stieß einen Seufzer aus, der, so hoffte er, nicht zu übertrieben klang.

»Als da wären?«, fragte Summers, der sich durch Williams Bemerkung ködern ließ.

»Ein Inspector wird für Überstunden nicht besonders gut bezahlt, obwohl von uns erwartet wird, dass wir genauso lange arbeiten wie zuvor.«

»Das gehört dazu, wenn du in die Reihen der Offiziere aufsteigen willst«, sagte Summers. »Was einer der vielen Gründe ist, warum mir meine Position im Mannschaftsrang vollkommen genügt. Bist du verheiratet?«

»Ja, und wir haben Zwillinge, weshalb wir trotz meiner Beförderung gerade so hinkommen«, sagte William, womit er versuchte, Summers zu einer Indiskretion zu bewegen.

»Deshalb bin ich immer noch Junggeselle«, sagte Summers. »Aber ich sollte mich wohl besser auf den Weg machen. Ich bin in fünf Minuten dran«, fügte er hinzu, trank seinen Tee aus und nahm sich den letzten Schokoladenkeks. »Wenn ich irgendein Gerücht darüber höre, wer der neue Lieferant ist, melde ich mich bei dir.«

Beide Männer gaben sich die Hand, und dann ging Jerry Summers in den Unterrichtsraum. William war nicht sicher, ob die scheinbar zufällige Begegnung in irgendeiner Weise von Nutzen war. Es war Hawksby, der dafür gesorgt hatte, dass beide in Hendon Vorträge vor den jungen Leuten hielten, die frisch zur Polizei gekommen waren, weshalb es nicht besonders ungewöhnlich wäre, wenn sie sich dabei über den Weg liefen. Trotzdem hatte William mehr als eine Stunde lang in der Kantine sitzen und kalten Tee trinken müssen, bevor Summers schließlich erschienen war, und er konnte nicht sicher sein, jemals wieder von ihm zu hören.

Hawksby hatte bereits DS Paul Adaja und PC Nicky Bailey, die gerade erst bei der Polizei angefangen hatte, den Auftrag gegeben, Summers rund um die Uhr zu überwachen. Als Constable patrouillierte Bailey in den Straßen von Romford, während Adaja verdeckt ermittelte. Im Yard arbeitete DS Jackie Roycroft nach wie vor eng mit William zusammen; unterstützt wurden sie dabei von DC Rebecca Pankhurst, die ebenfalls gerade erst zu ihnen gestoßen war und alle auf Trab hielt.

Hawksby wollte wissen, wer Summers’ Freunde waren, mit wem er sich nach der Arbeit traf und ob es irgendwelche ungeklärten Einträge in seinem polizeilichen Führungszeugnis gab. Hatte er einen Informanten? Wer war seine letzte Freundin? War sie eine Polizeibeamtin?

Adaja und Bailey war es gelungen, schon nach wenigen Tagen einige dieser Fragen zu beantworten, doch andere blieben vorerst ein Geheimnis.

Summers war in der Tat Junggeselle, doch als sie in der Kantine ihre Erkenntnisse austauschten, wusste PC Bailey zu berichten, dass es mehr als genügend Polizistinnen gab, die sich nur allzu gerne vom Charme des jungen Detectives betören ließen. Darüber hinaus informierte sie William über Summers’ beeindruckende Leistung beim Ermitteln in Diebesfällen und die Tatsache, dass er mehr Festnahmen vorweisen konnte als jeder andere Kollege. Konnte es sein, dass sie gegen den falschen Mann ermittelten?

William schrieb seinen Bericht über die Begegnung mit Summers, während er mit der U-Bahn zurück zur Victoria Station fuhr, denn er wollte ihn dem Commander auf den Schreibtisch legen, bevor er nach Hause gehen würde.

Hawksby hatte ihm gesagt, er solle bei Summers einfach nur gewisse Gedanken anstoßen. »Denn wenn er glaubt, dass Sie in finanziellen Schwierigkeiten stecken, könnte es sein, dass er schneller wieder Kontakt zu Ihnen aufnimmt, als Sie sich das vorstellen.«

Unwahrscheinlich, dachte William, denn es war Summers, der ihm den Spitznamen »Chorknabe« verpasst hatte, als sie beide zusammen in Hendon gewesen waren.

»Detective Superintendent Lamont?«

»Wer will das wissen?«

»DS Jerry Summers, Sir. Sie werden sich wohl kaum an mich erinnern, aber …«

»Der aalglatte Summers«, sagte Lamont lachend. »Wie könnte ich Sie vergessen? Dank Ihrer verdeckten Ermittlungen haben wir den größten Teil der Payne-Gang aus dem Verkehr gezogen. Warum rufen Sie an?«

»Ich habe gehört, Sie seien vorzeitig in Pension gegangen.«

»Wer hat Ihnen das gesagt?«

»DI Warwick. Wir beide haben letzte Woche in Hendon vor den neuen Rekruten Vorträge gehalten.«

»Tatsächlich? Und was hatte dieses kleine Arschloch noch zu sagen?«

»Nicht viel. Er war plötzlich ziemlich verschlossen, als ich ihm erzählte, dass Sie damals mein erster Vorgesetzter waren.«

»Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet.«

»Ich habe mich gefragt, ob Sie bereits einen anderen Job haben, denn Sie kamen mir nie wie jemand vor, der sich in den Ruhestand zurückzieht.«

»Ich habe eine ganze Reihe von Eisen im Feuer«, sagte Lamont. »Aber das bedeutet nicht, dass ich mir keine Angebote anhören würde.«

»Freut mich zu hören, Sir. Denn ich habe da vielleicht etwas, das Sie ansprechen könnte. Aber wir sollten das lieber nicht am Telefon diskutieren. Vielleicht könnten wir uns irgendwo privat treffen?«

4

»Möchten Sie gerne meinen Platz haben, Sir?«, fragte die junge Frau höflich.

»Nein, vielen Dank«, sagte der Commander und hob die Hand an die Krempe seines Filzhuts, wobei er plötzlich sein Alter spürte. Verdammt, dachte er, ich bin noch nicht einmal sechzig. Obwohl er zugeben musste, dass seine Tochter älter war als die aufmerksame junge Frau.

Mehrere Passagiere stiegen bei der nächsten Haltestelle aus, was Hawksby die Möglichkeit gab, sich hinzusetzen. Er schlug die Morgenzeitung auf. POLIZEIMUSSSTREIKPOSTENKETTEINWAPPINGUNTERKONTROLLEHALTEN, lautete die Schlagzeile. Er begann, den Artikel zu lesen, doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab zu dem Treffen, das vor ihm lag. Ross Hogan, sein verdeckter Ermittler, war kürzlich aus dem Ford-Open-Gefängnis entlassen worden, weshalb der Commander noch einmal die Fragen durchging, auf die er eine Antwort haben wollte. Er kam sich vor wie ein Kind, das endlich ein lange ersehntes Weihnachtsgeschenk öffnen darf. Bei der nächsten Haltestelle stand er auf, um einer älteren Dame einen Platz anzubieten, den diese dankbar annahm. Bin also doch noch nicht tot, dachte er.

Als der Zug in die Victoria Station einfuhr, war Hawksby einer der Ersten, die ausstiegen und sich der Menge anschlossen, um sich dann wie die Lemminge in Richtung der Rolltreppen zu stürzen. Er zeigte dem Bahnbeamten, der die Fahrscheine überprüfte, an der Sperre seinen Pass und trat in das morgendliche Sonnenlicht.

Er versuchte, seine Gedanken zu sammeln, während er langsam die Victoria Street entlang in Richtung Scotland Yard ging. Nach der halben Strecke wandte er sich plötzlich nach rechts, verließ den von Menschen wimmelnden Bürgersteig und trat auf einen kleinen ruhigen Platz, der von einer beeindruckenden Kathedrale dominiert wurde. Er ignorierte die wenigen Gläubigen und die Neugierigen, die auf den Eingang der wichtigsten römisch-katholischen Kirche in England und Wales zuströmten, und ging rechts an dem gewaltigen roten und cremefarbenen Backsteingebäude entlang, bis er einen unauffälligen Seiteneingang erreicht hatte, der normalerweise nur von Priestern und Mitgliedern des Chors benutzt wurde.

Er öffnete die Tür und betrat das Gebäude, wobei er darauf vertraute, dass niemand seine Anwesenheit infrage stellen würde, solange er so aussah, als gehöre er hierher. Als er auf die Sakristei zuging, sah eine Putzfrau, die auf Knien den Steinfußboden schrubbte, zu ihm auf. »Guten Morgen, mein Kind«, sagte er.

»Guten Morgen, Vater«, erwiderte sie, während er vorübereilte.

Er betrat die Sakristei, ging zum Spind an der gegenüberliegenden Wand und öffnete ihn. Er zog sein Jackett und seine Krawatte aus und tauschte sie gegen eine lange schwarze Soutane, ein weißes Chorhemd, Kollar und Beffchen. Wenigstens war er römisch-katholisch, und die gelegentliche Täuschung besaß die Zustimmung des Kardinalerzbischofs von Westminster, wenn auch nicht die unseres Herrn.

Nach einem raschen Blick in den hohen Wandspiegel erschien er wieder im Hauptsaal der Kathedrale. Langsam ging er zur Marienkapelle – im Gegensatz zu Polizisten bewegen sich Priester nicht schnell – und von dort aus in das zentrale Kirchenschiff, bis er das vertraute Bronzerelief des heiligen Benedikt erreicht hatte, der auf ihn herabstarrte. Erleichtert stellte er fest, dass der Beichtstuhl im Augenblick unbenutzt war. Er trat ein, zog den kleinen roten Vorhang vor, um zu zeigen, dass er bereit war, Gläubigen die Beichte abzunehmen, und bereitete sich auf ein ganz besonderes Gemeindemitglied vor, das, wie er wusste, um Absolution nachsuchen und ihn gewiss nicht warten lassen würde.

Wenige Augenblicke später hörte er, wie jemand den Beichtstuhl betrat, und durch das Sprachgitter, das sie beide trennte, richtete sich eine vertraute Stimme an ihn. »Vater, ich habe gesündigt und suche die Vergebung des Herrn.«

»Wann hast du zuletzt gebeichtet, mein Sohn?«

»Es ist mehr als sechs Monate her, Vater, und während dieser ganzen Zeit habe ich die schwere Sünde begangen, jeden Sonntagmorgen den Gottesdienst der Kirche von England zu besuchen.«

Der Commander stellte erfreut fest, dass sein verdeckter Ermittler seinen Sinn für Humor noch nicht verloren hatte.

»Und was hat dich diese unglückliche Erfahrung gelehrt, mein Sohn?«

»Dass Assem Rashidi vom Teufel in Menschengestalt vertreten werden wird, wenn er nächsten Monat vor Gericht erscheint.«

»Dessen war ich mir bewusst, mein Sohn«, sagte Hawksby. »Die Wege des Herrn sind unergründlich. Konntest du herausfinden, wie Mr. Booth Watson seine Chancen einschätzt, dass sein Mandant von den verschiedenen Anklagepunkten, die man ihm zur Last legt, freigesprochen wird?«

»Er glaubt, dass sein Mandant freigesprochen wird, was den Hauptanklagepunkt betrifft, nämlich die Führung eines Drogenkartells. Denn er ist überzeugt davon, dass es Ihnen nicht gelingen wird, genügend Beweise vorzulegen, um die Geschworenen zu überzeugen.«

»Wir haben mehr als genug«, sagte Hawksby. »Was sehr schnell klar werden wird, wenn er die Liste der Gegenstände sieht, die wir den Geschworenen zur Begutachtung vorlegen werden.«

»Aber Rashidi hat mir versichert, dass sämtliche belastenden Gegenstände aus seiner Wohnung geschafft wurden, bevor unsere Jungs dort aufgetaucht sind.«

»Er hat einen Kleiderschrank voller Maßanzüge und ein Dutzend handgenähte Hemden zurückgelassen, die – welch ein Zufall – ihm perfekt passen.«

»Genau wie sie Tausenden Unschuldigen passen würden, wie Booth Watson betonen wird. Ebenso wird er nahelegen, dass Sie keinerlei Beweise dafür haben, dass die Wohnung jemals Rashidi gehört oder dass er sie benutzt hat.«

»Dann wird er erklären müssen, warum das Foto, das auf dem Nachttisch im Elternschlafzimmer gefunden wurde, nichts zu bedeuten hat.«

»Er wird sagen, es gibt keinen Beweis dafür, dass das A darauf für Assem steht.«

»Das mag durchaus sein«, erwiderte Hawksby. »Aber er wird immer noch erklären müssen, was das Bild seiner Mutter auf dem Nachttisch zu suchen hat.«

Ein kurzer Pfiff folgte auf diese Worte. »Autsch. Seine Leute, die dort aufgeräumt haben, werden bereuen, dass sie ein solches Stück zurückgelassen haben. Es könnte Rashidi zwanzig Jahre einbringen.«

»Allerdings«, sagte Hawksby. »Was hast du noch von den Heiden erfahren, als du fort warst, mein Sohn?«

»Laut Gerüchteküche im Gefängnis ist Faulkner in den Vereinigten Staaten. Neuer Name, neuer Pass, neue Identität. Aber er muss in der Kunstwelt noch immer aktiv sein, denn sein Haus in Monte Carlo steht zum Verkauf, und keines seiner Bilder hängt dort mehr an den Wänden.«

»Sie sind mit demselben Boot wie Faulkner verschwunden«, sagte Hawksby. »Obwohl bisher keines davon auf dem offiziellen Markt angeboten wurde.«

»Faulkner ist zu klug, um einen solchen Fehler zu begehen. Er wird sich eine Weile lang bedeckt halten, und wenn er vorhat, irgendetwas loszuschlagen, dann nur an einen privaten Käufer.«

»Konntest du seinen neuen Namen herausfinden oder irgendeinen Hinweis darauf, wo genau er sich aufhält?«

»Nein, Vater. Aber Rashidi hält New York für unwahrscheinlich, denn das ist der erste Ort, an dem das FBI suchen würde. Außerdem wurde Faulkners Wohnung an der Fifth Avenue ebenfalls wenige Wochen vor seiner Flucht zum Verkauf angeboten, jedoch – Überraschung! – ohne Einrichtungsgegenstände.«

»Ich vermute, dass sich alle Bilder an einem einzigen Ort befinden. Die Frage ist nur, wo.«

»Ich habe keine Ahnung, Chef.«

»Dann überlassen Sie das mir. Als Nächstes sollten Sie herausfinden, wer Rashidis Imperium in seiner Abwesenheit führt, damit der Betreffende schon bald mit ihm die Zelle teilen kann.«

»Die Antwort auf diese Frage kenne ich bereits, aber aus naheliegenden Gründen werde ich Ihnen seinen Namen nicht nennen. Diese besondere Information habe ich an der üblichen Stelle hinterlegt. Ich muss Sie jedoch warnen. Es gibt da einen Zufall, der Ihnen nicht gefallen wird.«

»Da bin ich aber neugierig.«

»Sonst noch etwas, Sir?«

»Ja. Sobald Sie ein paar jener fleischlichen Sünden begangen haben, die Ihnen im Gefängnis verwehrt waren, treffen wir uns wieder, und ich werde Ihnen alles über einen gewissen Detective Sergeant Summers erzählen.«

»Wer ist das?«

»Nicht jetzt. Gott segne dich, mein Sohn, und sei gewiss, dass deine Sünden dir vergeben wurden. Gehe hin in Frieden.«

Hawksby wartete noch ein paar Augenblicke, während er dafür betete, dass kein anderer Sünder Absolution suchen würde, und gleichzeitig sein Notizbuch durchsah, um sicher zu sein, dass alle seine Fragen beantwortet worden waren.

Zufrieden steckte er das Notizbuch zurück in die Tasche seiner Soutane, verließ den Beichtstuhl und ging zum Opferstock, der von mehreren Kerzen umgeben war, von denen nur wenige brannten. Er sah sich um, bevor er einen kleinen Schlüssel aus seiner Hosentasche zog und mit geschickter Hand den Opferstock aufschloss, in dem sich ein wenig Kleingeld befand – vor allem Kupfermünzen – sowie eine leere Schachtel Marlboro-Zigaretten, die jemand in die Ecke des Behälters gedrückt hatte.

Er blickte auf und sah, dass die Jungfrau Maria auf ihn herabstarrte. Er erwiderte ihr rätselhaftes Lächeln, nahm die rot-weiße Schachtel heraus und schob sie in seine andere Tasche. Dann verschloss er den Opferstock wieder und ging langsam zurück in die Sakristei; er war überzeugt, dass niemand seinen kleinen Taschenspielertrick beobachtet hatte.

Wenige Minuten später verließ Commander Hawksby die Kathedrale wieder durch die Seitentür und ging in Richtung Scotland Yard. Zwei Dinge beschäftigten ihn: Wer ersetzte Rashidi im Augenblick als neuer Drogen-Oberboss, und was konnte Ross damit gemeint haben, als er von einem Zufall sprach, der ihm nicht gefallen würde? Doch das würde warten müssen, bis die Eierköpfe im Untergeschoss die leere Zigarettenpackung auseinandergenommen und ihr am tiefsten verborgenes Geheimnis gelüftet hatten.

»William ist schon zur Arbeit gegangen«, sagte Beth, während sie das Fläschchen eines der Babys in der einen und den Telefonhörer in der anderen Hand hielt. »Soll ich ihm etwas ausrichten?«

»Nein, ich möchte euch beiden die gute Nachricht persönlich überbringen«, sagte Christina.

»Irgendein Hinweis vorab?«

»Du bist schlimmer als William.«

»Warum kommst du heute Abend nicht einfach auf ein Glas vorbei? William ist damit dran, die Zwillinge zu baden, also müsste er mit etwas Glück um sieben zu Hause sein.«

»Das muss ich unbedingt sehen«, sagte Christina. »Ich bin kurz nach sieben bei euch.«

Als der Commander Scotland Yard erreicht hatte, ging er nicht nach oben, sondern ins Untergeschoss, wo er sich rasch zum Büro am Ende des Flurs begab. Ohne anzuklopfen betrat er die »Spukwelt«.

»Guten Morgen, Sir«, sagte ein Mitarbeiter, der einen weißen Laborkittel trug, und sah von seinem Mikroskop auf. »Das muss ganz schön wichtig sein, wenn Sie persönlich kommen.«

»Das ist es in der Tat«, sagte Hawksby und reichte dem Mann die leere Marlboro-Schachtel.

»Dann werde ich mich sofort an die Arbeit machen und Ihrem Büro unverzüglich die Ergebnisse schicken, sobald ich sie habe.«

»Ich werde warten«, sagte der Commander und setzte sich.

Der Wissenschaftler nickte und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Mit einer Pinzette zog er das dünne Silberpapier aus dem Inneren der Schachtel und legte es auf eine Bronzeplatte. Hawksby dachte, dass er für immer in der Schuld von Professor Abrahams stehen würde, denn dieser hatte ihn erstmals mit der Maschine zur elektrostatischen Dokumentenanalyse vertraut gemacht, die inzwischen zu den Untersuchungsmethoden gehörte, die bei Scotland Yard Standard waren – eine Maschine, die sich als weitaus verlässlicher als die meisten Zeugen erwiesen hatte, und das nicht zuletzt, als es darum gegangen war zu beweisen, dass Beths Vater, Arthur Rainsford, kein Mörder war.

Der junge Wissenschaftler legte ein Mylar-Blatt auf die Folie, nahm dann einen kleinen Roller vom Regal über sich und bewegte ihn vorsichtig über die gesamte Oberfläche des Blattes, bis alle Luftblasen beseitigt waren.

Dann zog er eine dunkle Sicherheitsbrille an, schaltete eine Infrarotlampe ein, die er wenige Zentimeter über die Bronzeplatte hielt, und tastete mit ihr das Silberpapier ab, um mögliche Druckstellen an der Oberfläche zu identifizieren. Daraufhin griff er nach einem kleinen Gefäß, das wie ein Pfefferstreuer aussah, und schüttete ein wenig Fotokopiertoner über das Silberpapier, bis es vollständig bedeckt war. Er wartete kurz und blies dann vorsichtig den überflüssigen Toner von der Platte. Schließlich zog er das dünne Mylar-Blatt ab und beugte sich vor, um zu sehen, ob sein Experiment irgendetwas Nützliches erbracht hatte, wobei er sich bewusst war, dass Hawksby inzwischen hinter ihm stand und ungeduldig wartete.

Er trat beiseite, um zu zeigen, dass er fertig war, und Hawksby starrte auf die winzigen Buchstaben, die auf der Oberfläche der Silberfolie erschienen waren. Er brauchte nicht lange, um zu begreifen, worin der Zufall bestand, den sein verdeckter Ermittler erwähnt hatte, und welche Taktik Booth Watson verfolgen würde, wenn es darum ging, vor Gericht den Fall aus der Sicht der Verteidigung darzustellen.

»Beeindruckend«, lautete Hawksbys unmittelbare Reaktion. Doch Rashidi würde noch immer das Foto im Silberrahmen erklären müssen, das Booth Watson nicht so leicht wegwischen konnte.

»Er ist noch nicht aus dem Yard zurück«, sagte Beth, als sie die Haustür öffnete, wo Christina mit einer Flasche Champagner in der Hand auf den Stufen stand.

»Dann wird das hier warten müssen, bis er es ist«, erwiderte sie, »was uns die Chance gibt, die Zwillinge zu baden.«

»Aber ich möchte so gerne deine Neuigkeiten hören!«, rief Beth. »Wenn es um Uhrzeiten geht, kann man sich nicht immer auf William verlassen. Um ihn zu zitieren: ›Das Verbrechen passt nicht unbedingt problemlos zu den Badezeiten der Zwillinge.‹ Darf ich annehmen, dass du einen neuen Mann gefunden hast?«

»Nein, aber ich habe den alten gefunden«, sagte Christina, als Beth die Champagnerflasche in den Kühlschrank stellte. »Und bevor du mir noch eine Frage stellst: Die Antwort lautet nein. Erst wenn William wieder zurück ist.«

»Dann könnte es sein, dass du über Nacht bleiben musst«, sagte Beth. Jede der beiden Frauen nahm einen der Zwillinge auf den Arm und trug ihn ins Bad. Artemisia und Peter genossen die zusätzliche Aufmerksamkeit und glucksten vor Vergnügen. Kurz darauf hörten die Frauen, wie die Haustür geschlossen wurde und William zu ihnen ins Bad kam.