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Nach einem Attentat in Washington D.C. ist der Präsident zum Handeln gezwungen. Um die Drahtzieher hinter den Anschlägen zur Rechenschaft zu ziehen, entsendet er ein SEAL-Team nach Syrien. Dieses gerät jedoch selber in Schwierigkeiten und ist seinerseits auf Hilfe angewiesen. Ob der Präsident die richtigen Entscheidungen trifft? Ob sich das DEVGRU-SEAL-Team um Lieutenant Cesar Hardy aus der misslichen Situation retten kann?
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Seitenzahl: 520
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Marcel Burkhard (* 1974) ist ein freischaffender Autor, der seine Reiseerlebnisse in spannende Thriller verwandelt. Durch seine Reise durch die Vereinigten Staaten von Amerika lernte er viel über die Geschichte des Landes kennen. Diese Erkenntnisse versucht er, den Leserinnen und Lesern in seinen Büchern zu vermitteln.
Lincoln Memorial in Washington D.C.
Vorwort
Kapitel 1 – Vorgeschichte
Kapitel 2 – Feierlichkeiten
Kapitel 3 – Der Deutsche
Kapitel 4 – Neuer Präsident
Kapitel 5 – Selbstmordattentäter
Kapitel 6 – Operation
Kapitel 7 – Staatsbegräbnis
Kapitel 8 – San Francisco
Kapitel 9 – Geiselnahme
Kapitel 10 – Guantanamo
Kapitel 11 – Presse
Kapitel 12 – USS Abraham
Kapitel 13 – Diplomatie
Kapitel 14 – Maulwurf
Kapitel 15 – Auskundschaften
Kapitel 16 – Safar in Bedrängnis
Kapitel 17 – Ehre statt Spritze
Epilog
W ie sagte doch Johannes Paul II? Wer durch die Ausführung von Terroranschlägen tötet, hegt Gefühle der Verachtung für die Menschheit und manifestiert Hoffnungslosigkeit gegenüber dem Leben und der Zukunft.
Martin Luther King Jr. wurde am 15. Januar 1929 in Atlanta, Georgia als Michael King Jr. geboren. Nach dem baptistischen Weltkongress im Jahre 1934 in Berlin, Deutschland, änderte sein Vater, Michael Luther King, zu Ehren des im Jahre 1546 verstorbenen Augustinermönchs und Theologieprofessors Martin Luther seinen sowie den Vornamen seines Sohnes in Martin. Durch die Rassentrennung in den Südstaaten durchlebte King Jr. alle Arten der Diskriminierung. Das tägliche Leben wurde damals in Schwarz und Weiß getrennt: Kirchen, Schulen, öffentliche Gebäude, Busse und Züge.
Im Jahre 1944 begann Luther Jr. sein Studium am Morehouse College – damals die einzige Hochschule für Schwarze im Süden. In seinem Hauptfach, der Soziologie, wurde er in die Problematik der Rassentrennung eingeführt. Nach vier Jahren beendete er das College mit einem Bachelor of Arts in Soziologie. Seinen Vater begleitete er als Hilfsprediger an der Ebenezer Baptist Church in Atlanta. Am Crozer Theological Seminary in Chester, Pennsylvania, studierte Luther King Jr. Theologie. Das Studium beendete er schließlich 1951 mit einem Bachelor of Divinity in Theologie. Drei Jahre später wurde er in Montgomery, Alabama, Pastor an der Dexter Avenue Baptist Church. Fortan setzte sich King Jr. für die Rechte der Schwarzen ein. 1960 verließ er Montgomery und teilte sich ein Pastorat mit seinem Vater in Atlanta. Mit diesem Schritt konnte er sich öfters an Bürgerrechtsbewegungen beteiligen. Nach einem Sit-in, einer gewaltfreien Studentendemonstration im Kampf gegen Rassendiskriminierung, wurde er am 19. Oktober 1960 verhaftet. Sechs Tage später wurde er vom Richter zu vier Monaten Zwangsarbeit in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt.
Wegen den anhaltenden Demonstrationen legte Präsident Kennedy am 19. Juni 1963 dem US-Kongress eine Gesetzesvorlage vor. Diese sollte für landesweite Gleichberechtigung sorgen. Am 28. August 1963 fand der »Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit« statt. Über 250.000 Menschen, darunter mehr als 60.000 Weiße, nahmen an den friedlichen Demonstrationen teil. An diesem Tag hielt Martin Luther King Jr. seine berühmte Rede »I Have a Dream« („Ich habe einen Traum“) vor dem Lincoln Memorial in Washington, D.C.
Am 4. April 1968 wurde der Bürgerrechtler Martin Luther King auf dem Balkon des Lorraine Motels von dem Rassisten James Earl Ray erschossen.
Fünfzig Jahre später, in Gedenken an die Rede von Martin Luther King, fand am 28. August 2013 zu Ehren des Bürgerrechtlers eine Feier statt. Der Anlass wurde vom Innenministerium organisiert und durchgeführt. Ehrengast war Präsident James Graham – mit seiner Frau Nancy. Als dunkelhäutiger Präsident wurde ihm die Ehre zuteil, die Festrede zu halten. Verkehrsminister Wayne Miller war verantwortlich für die Umleitungen des Verkehrs rund um das Festgelände.
»Miss Bergeron, bitte verbinden Sie mich mit dem Stabschef«, befahl der Minister seiner Sekretärin. Kurze Zeit später klingelte das Telefon in seinem Büro. »Mr. Coburn am Telefon, Sir«.
»Guten Tag, Wayne, was kann ich für Sie tun?«, wollte der Stabschef wissen. »Guten Tag, Aaron. Danke, dass Sie kurz Zeit für mich haben. Es geht um die Festlichkeiten am 28. August. Wir haben nun die Pläne zur Sicherung des Geländes erarbeitet. Wir müssen die Constitution Avenue sowie die Independence Avenue komplett dicht machen. Das könnte ein größeres Verkehrschaos geben.«
»Das kriegen Sie schon hin, Wayne. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, die Orte zu umfahren. Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?«
»Das ist schwer zu sagen. Vielleicht 50.000. Es könnten aber auch 200.000 sein. Es ist sehr schwer abzuschätzen.« Kurzes Schweigen. »Dann sollten Sie vielleicht den Radius vergrößern. Ich würde das Gebiet um das Washington Monument ebenfalls mit einbeziehen.«
»Ja, das könnten wir machen. Soll ich wirklich die ganze Seite dicht machen? Und auf der Seite des Jefferson Memorial?«
»Nein, nicht ganz dicht machen. Vielleicht nur der innere Ring schließen? Dann würde ich die Fahrzeuge nur in eine Richtung fahren lassen. Mit Gegenverkehr wird das sonst sehr schwierig. Und was das Jefferson Memorial anbelangt: Ich glaube, das ist nicht nötig, dass wir dort alles absperren. Ist doch etwas zu weit weg von den Geschehnissen. Einzig die Brücke, die in den Park führt, muss geschlossen werden.«
»Gut, ich versuche, das umzusetzen, es wird aber nicht einfach. Was machen wir mit dem Martin Luther King Jr. Memorial? Das können wir nicht einfach ausschließen!«
»Da haben Sie Recht, Wayne. Wie wäre es, wenn sie das Denkmal großräumig absperren und eine Brücke dorthin errichten? Ich weiß, das gibt zusätzlich Arbeit, aber wäre in Anbetracht auf den Verkehr deutlich besser.«
»Das wäre eine Möglichkeit. Ich werde das mit Hudson anschauen. Vielleicht kann er mir noch ein paar Leute zur Verfügung stellen.« – »Danke, Aaron. Sie hören von mir.«
Der Verkehrsminister verabschiedete sich wieder und machte sich an die Arbeit. Zuerst begutachtete er auf einer Straßenkarte die genauen Verläufe rund um das zwischen 1912 und 1922 erbaute Memorial im West Potomac Park.
Das Lincoln Memorial liegt auf einer Linie mit dem Washington Monument und dem United States Capitol. 1500 Meter nordöstlich befindet sich das Weiße Haus, in gleicher Distanz südöstlich das Thomas Jefferson Memorial. In unmittelbarer Nähe zum Lincoln Memorial liegt das Vietnam Veterans Memorial sowie das World War II Memorial. Alle diese Einrichtungen mussten mit Hilfe vom Secret Service, Park Police und der Army überwacht werden.
Der Verkehrsminister Wayne Miller wurde am 27. April 1961 in Seymour, Texas, geboren. Sein Studium absolvierte er an der Texas Agricultural & Mechinical University, die rund 150 Kilometer nördlich von Houston liegt. 1985 schloss er das College of Geosciences (Geowissenschaft) mit dem Bachelor ab. Seine politische Laufbahn begann als Gouverneur von Texas. Während neun Jahren führte er dieses Amt aus und war dabei stets ein Mitglied des Repräsentantenhauses von Texas. Nach seiner Amtszeit als Gouverneur zog er mit seiner Frau Sandy und den Zwillingen Jessica und Jenny nach Washington, wo er fortan im Verkehrsministerium arbeitete. Zu Beginn der Amtszeit von Präsident James Graham wurde er zum Minister ernannt. Am 31. Januar 2013 bestätigte der Senat Wayne Miller als neuen Verkehrsminister.
Nun stand er vor der größten Herausforderung seiner Karriere: Am 28. August fand ein Fest mit 50.000 – 200.000 Besucherinnen und Besuchern statt. Das ganze Gelände musste abgeriegelt werden, ohne ein Chaos zu hinterlassen. Das war nicht einfach, befand sich gleich hinter dem Memorial doch die Arlington Bridge, eine Verbindung zum Arlington Friedhof und zum Pentagon. Nun musste er den ganzen Verkehr über die Theodore Roosevelt Bridge über Little Island umleiten. Ebenfalls musste zwischen Little Island und der Rochambeau Memorial Bridge der Potomac River geschlossen werden. Die Strecke zwischen dem Weißen Haus und dem Lincoln Memorial musste besonders gut abgeriegelt werden, würde der Präsident mit seiner ganzen Gefolgschaft diesen Weg zum Memorial nehmen. Seine Arbeit lag bei den Umleitungen des Verkehrs sowie der Organisation der Polizei, und da mussten alle Einheiten im Einsatz sein: die States Park Police, die Capitol Police wie auch die Metropolitan Police. Zudem musste er ständig im Austausch mit anderen Ministerien sein – es war ein Knochenjob.
Der Secret Service war damit beschäftigt, die Sicherheitsvorkehrungen für den Auftritt des Präsidenten zu treffen. Die Leitung des USSS (United States Secret Service) unterlag seit drei Jahren dem gebürtigen Kalifornier Larry Silverman. Peggy Cunningham, vor kurzem noch Leiterin der Abteilung Finanzkriminalität, wechselte zum Personenschutz und führte seit Beginn des Jahres 2013 die Special Agenten im Weißen Haus. Aktuell befanden sich Larry Silverman und Peggy Cunningham im Erdgeschoss im Westflügel des Weißen Hauses im Secret Service Office und schauten gemeinsam die erarbeiteten Pläne des Verkehrsministers an.
»Ich schlage vor, dass wir die 17th Street Nordwest nehmen und beim Lockkeeper (The Lockkeeper’s House – Historische Sehenswürdigkeit) in die Constitution Avenue abbiegen. Diese wird vom Verkehrsministerium abgeriegelt. Zudem würde ich die Anzahl der Scharfschützen oben auf dem Dach erhöhen.« Kurzes Schweigen.
»Hmm…«
»Was hmm…?«
»Das reicht nicht. Der Präsident steht vor dem Lincoln Memorial auf einem Podest. Da brauchen wir in der Nähe ebenfalls noch Scharfschützen. Ich würde vorschlagen, hier und hier.« Silverman zeigte mit einem Stift auf das Gebäude der Bundesbehörde sowie der National Academy of Sciences und kreiste diese auf der Karte ein. »Kann man so machen, Sir. Dürften geschätzte fünfhundert Meter bis zum Memorial sein. Auf der Südseite müssen wir jedoch mit Patrouillen arbeiten. Dort haben wir keine Möglichkeit, Scharfschützen zu platzieren.« Der Direktor schaute sich das Gebiet etwas genauer an. »Und wenn wir ein Team auf dem Washington Monument positionieren?«
»Wäre eine Möglichkeit. Das sind genau achthundert Meter. Aber… ist der obere Teil nicht wegen Renovierungsarbeiten geschlossen? Konzentrieren wir uns auf diese zwei Gebäude, die Sie eben eingekreist haben. Die haben eine optimale Sicht auf das Geschehen.« Erneutes kurzes Schweigen. »Ich denke, dass wir etwa 300 Agenten im Einsatz haben werden. Die meisten patrouillieren dem Reflecting Pool entlang. Etwa dreißig sichern den Bereich um den Präsidenten ab, und sechs stehen unmittelbar beim Präsidenten, darunter auch ich«, sagte die Leiterin des Secret Services. »Ich glaube, das sollte ausreichen«, gab Silverman zur Antwort. »Behalten Sie aber einige Agenten auf Abruf. Und Peggy, ich habe vollstes Vertrauen in Sie.« Nun war es an der Zeit, ausführliche Einsatzpläne auszuarbeiten. Es waren mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Schichten nötig, da der Anlass bereits am Morgen begann und bis in alle Nacht dauern würde. Zu beschützen war an erster Stelle POTUS (President of the United States), jedoch waren auch andere hochrangige Politiker anwesend, die ebenfalls Schutz benötigten. Zuerst wurden die jeweiligen Gruppenleiter festgelegt, die danach selber für ihre Leute verantwortlich waren. Der ganze Potomac Park wurde in sechs Quadrate eingeteilt: drei oberhalb- sowie drei unterhalb des Reflection Pool. Je näher die Zone am Lincoln Memorial war, desto mehr Agenten mussten eingeteilt werden. Die Special Agents Jack Green und Robert Hampton waren für den äußersten Bereich verantwortlich. Die Agents William Webb und Dennis Koehler wurden in den mittleren Sektor eingeteilt. Am nächsten am Geschehen waren Eric Perkins und Kenneth Fiecke, die sowohl den Bereich beim Vietnam Veterans- und Korean War Veterans Memorial wie auch die Zone hinter den geladenen Gästen beobachten mussten. Peggy wusste genau, welcher Agent welche Verantwortung zu übernehmen hatte. Nach rund vier Stunden Arbeit war der Einsatzplan fertig ausgearbeitet. Danach sagte Silverman: »Gleichen Sie diesen Plan mit demjenigen des Verkehrsministeriums ab, damit alles reibungslos klappt. Ich zähle auf Sie, Peggy!«
Bereits eine Woche vor dem Anlass begann Wayne Miller, zusammen mit seinem Polizeichef Edward Perkinson, das Gelände zu sichern – wobei der Direktor des Verkehrsministeriums selber keine Hand anlegte und nur ab und zu vorbeischaute, um zu sehen, ob die Arbeiten korrekt ausgeführt würden. Es wurde von verschiedenen Seiten gemunkelt, dass der Direktor seine Mitarbeiter wie Sklaven behandle und nach getaner Arbeit die Lorbeeren für sich alleine einheimsen wolle. Aber es war nur ein hartnäckiges Gerücht, und Perkinson konnte dieses bis jetzt nicht bestätigen.
Zuerst wurde das Denkmal, das zu Ehren des 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten errichtet wurde, großräumig abgesperrt. Schon jetzt war es nicht mehr möglich, den Lincoln Memorial Circle zu betreten, geschweige denn zu befahren. Rund um die Gedenkstätte wurden in einem Radius von 90 Metern Gitterzäune aufgestellt. Eine Pufferzone von 25 Metern in Richtung Reflecting Pool sollte einen zusätzlichen Schutz vor allfälligen Demonstranten bieten. Sprengstoff-Experten waren mit ihren Hunden beinahe Tag und Nacht auf Patrouille, um mögliche Verstecke von Sprengstoff aufzuspüren. Während die eine Gruppe beim Lincoln Memorial beschäftigt war, widmete sich eine andere der Schließung der Independence Avenue. Damit man einem Verkehrschaos aus dem Weg gehen konnte, wurde nur die innere Straße gesperrt. Rund 3000 Meter Absperrgitter wurden für beide Seiten verwendet – und das nur für diesen Abschnitt. Die Sicherheitsvorkehrungen für den Anlass waren gewaltig. Konnten vor fünfzig Jahren die 250.000 Menschen noch ohne Kontrollen auf das Gelände, war dies 2013 nicht mehr möglich. Der Park wurde in drei Zonen eingeteilt: Im ersten Bereich, dem äußeren Ring, fanden die ersten Personenkontrollen statt. Dabei gab es drei Orte für den Einlass auf das Gelände – zum einen bei der Kreuzung Constitution Avenue und der 17th Street im nördlichen Bereich des Potomac Parks, dann direkt gegenüber bei der Independence Avenue im Süden und zum Dritten beim Washington Monument im Osten.
Zone zwei befand sich zwischen dem Washington Monument und dem World War II Memorial – eine Rasenfläche von über 220.000 Quadratmetern. Hier wurden zusätzliche Sanitäranlagen und Verpflegungsstände aufgebaut. Ebenfalls gab es zahlreiche Sanitätszelte, die durch ein großes, rotes Kreuz gekennzeichnet waren. In diesem Gebiet war man immer noch etwa 900 Meter vom Rednerpult entfernt.
Die dritte Zone befand sich ab der Gedenkstätte des 2. Weltkrieges entlang des Lincoln Reflecting Pool. Wer die Festlichkeiten von dort aus miterleben wollte, musste sich zusätzlich einem Sicherheitscheck unterziehen. Dabei wurde nicht nur das Gepäck ein weiteres Mal abgetastet und durch ein Röntgengerät nach verbotenen Substanzen durchsucht, sondern die ganzen Personalien mit Hilfe einer Datenbank abgeglichen. Und wenn dann die Leibesvisitation auch noch positiv ausfiel und man nichts auf dem Kerbholz hatte, war man berechtigt, diesen Bereich zu betreten.
Die Constitution Avenue wurde bis zur 14th Street abgesperrt und ebenfalls beidseitig mit Gittern gesichert. 300.000 Quadratmeter Fläche bot die Zone drei. Hier wurden ebenfalls zahlreiche Souvenirshops, Verpflegungsstände und sanitäre Anlagen errichtet. Wie bereits in den beiden anderen Zonen wurden auch hier Zelte mit dem roten Kreuz drauf aufgestellt. Dieser Bereich wurde von etwa 200 Ordnungshütern der United States Park Police, der Capitol Police sowie des Secret Service bewacht. Ein Tag vor den Festlichkeiten begutachtete der Verkehrsminister Wayne Miller zusammen mit dem Direktor des Secret Service, Larry Silverman, die ganze Anlage. »Sieht gut aus. Wir müssen aber sämtliche Bereiche der Zone drei doppelt sichern. Wir dürfen kein Risiko eingehen«, sagte Silverman zu Miller. »Dann bauen wir einen weiteren Ring aus Absperrgitter mit einer Pufferzone von, sagen wir, zehn Metern und platzieren alle zwanzig Fuß einen Polizisten zur Überwachung. Das heißt, wir brauchen etwa tausend Cops mehr.« Silverman überlegte kurz. »Dann rufen Sie unseren Kollegen in Maryland an und bitten ihn, die Anzahl der bereits angeforderten Verstärkung zu verdoppeln. Sagen Sie ihm, es ginge um die nationale Sicherheit.« – »Gute Arbeit, Wayne«, fügte er noch hinzu.
Wie von Silverman empfohlen, rief der Verkehrsminister den Polizeichef in Maryland an: »Guten Tag, Mr. Brickley, Wayne Miller am Apparat.«
»Ah, Mr. Miller. Wie kommen Sie mit der Organisation voran?«
»Darum rufe ich Sie an, Mr. Brickley. Mir wurde empfohlen, Sie darum zu bitten, mehr Einheiten für diesen Anlass zur Verfügung zu stellen. Wir möchten die Sicherheitsvorkehrungen etwas verstärken.«
»Ich schaue, was sich machen lässt. Ansonsten werde ich noch in Delaware um den einen oder anderen Cop betteln müssen. Ich melde mich heute noch bei Ihnen.«
»Vielen Dank, Mr. Brickley.« Miller verabschiedete sich sogleich wieder und ging weiter seiner Arbeit nach.
Das Podest für die Rede des Präsidenten wurde direkt unterhalb der Treppe aufgebaut, die zur aus weißem Marmor erbauten, sitzenden Lincoln Statue führte. Der Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung beauftragte ein paar Stadtangestellte, ein Podium aus Holz für die Festrede zu erstellen. Eigentlich war es nicht die Aufgabe von Richard Hudson, aber jeder wollte etwas zu den Festlichkeiten beisteuern und danach ein Lob des Präsidenten erhalten.
Nach einem Sicherheitsabstand von zehn Metern zum Podium standen unzählige Stühle für die geladenen Gäste parat, die sich noch an der Seite befanden und aufgestapelt waren. Diese wurden nun von zusätzlichen Stadtangestellten in Reih und Glied gebracht. Weitere siebzig Meter entfernt begann die Zone drei. Bei den Eingangsbereichen standen bereits seit einigen Stunden Zuschauerinnen und Zuschauer, die möglichst nahe am Geschehen sein wollten. Stunde um Stunde füllte sich das Festgelände: vorwiegend Afro-Amerikaner, jedoch auch zahlreiche Weiße und Latinos. Schon mehrere Stunden vor Beginn der Rede des Präsidenten gab es Gedränge in Zone drei. Ab und an musste die Park- oder Capitol Police eingreifen, nur selten der Secret Service. Es blieb jedoch bei kleineren Auseinandersetzungen. Zwei Stunden, bevor Dragon (Codename des Präsidenten) zum Memorial gefahren wurde, überprüfte Peggy Cunningham die Strecke vom Weißen Haus bis zum Lincoln Memorial. Unterwegs kontaktierte sie die Scharfschützen auf dem Dach und erkundigte sich nach der Lage. »Foxcraft an zero one, wie ist die Lage?« Am anderen Ende meldete sich eine männliche Stimme: »Hier zero one. Alles ruhig. Wir haben das ganze Gelände im Blickfeld. Over.« Cunningham erkundigte sich beim zweiten Scharfschützen-Team, das ebenfalls ein alles ruhig ins Walkie-Talkie sprach. Danach fuhr sie zurück ins Weiße Haus und bereitete den Transport des Präsidenten vor. »Mike, alles gut soweit?« erkundigte sich die Chefin. »Ja, alles bereit für den Transport.«
Mike war ein glatzköpfiger Afroamerikaner, ehemaliger Bodybuilder, etwa 198 Zentimeter groß und 120 Kilogramm schwer. Ein Schrank von Mann. Wie alle Special Agents, die direkt den Präsidenten bewachten, trug auch Mike einen schwarzen Anzug von Tiffany & Co. Das pure Gegenteil war Patrick Millington. Mit knapp 175 Zentimeter Körpergröße und einem geschätzten Gewicht (das wusste keiner so genau) von 65 bis 75 Kilogramm vermittelte er nicht das typische Bild eines Personenbeschützers. Killer, wie ihn seine Secret Service-Mitarbeiter nannten, war jedoch eine tödliche Maschine. Mit seinen knapp dreißig Jahren war er Träger von mehreren Dans in den Kampfsportarten Kung Fu, Ninjutsu und Taekwondo. Neben Peggy Cunningham war noch eine vierte Person direkt beim Präsidenten: ihr Freund Benjamin Friedmann.
In seiner Akte, die beim Secret Service hinterlegt ist, steht, dass Friedmann wohl in Deutschland geboren wurde. Es wird zudem vermutet, dass er einem Kinder-Händlerring zum Opfer fiel und aus seiner Heimat entführt wurde. Seine Körpergröße liegt bei durchschnittlichen 180 Zentimetern, Gewicht ungefähr 75 Kilogramm. Seine Spezialität liegt im Umgang mit der Waffe. Bei allen Wettschießen des Secret Service platzierte er sich an erster Stelle. Friedmann arbeitete bereits zwei Jahre beim Service, jedoch erst seit drei Monaten in der Tagesschicht beim Personenschutz des Präsidenten. Peggy Cunningham verliebte sich bereits beim ersten Treffen in den Deutschen, wobei sie Friedmann nach seinem Äußeren als Irani oder Pakistani eingeordnet hätte. Für ihre Liebe spielte das jedoch keine Rolle.
Die Limousine, ein Cadillac-Modell von 2009, stand bereit. Über dem rechten Vorderlicht war die amerikanische Flagge (Star-Spangled Banner), über dem linken die Standarte des Präsidenten angebracht.
B ereits um 4:49 Uhr setzte an diesem Tag, dem 28. August 2013, die Dämmerung ein. Einzig der Präsident und seine First Lady lagen noch im Bett. Die Küchenmannschaft stand hinter ihren Arbeitsgeräten und bereitete das Frühstück vor. Peggy Cunningham ihrerseits war ebenfalls schon in ihrem Büro – zwei Stunden früher als gewohnt. Die Vorbereitungen für den Transport des Präsidenten zum Lincoln Memorial konnte Peggy am Vorabend nicht zu Ende planen. Deshalb war sie gezwungen, den nächsten Tag früher als gewohnt zu beginnen. Doch zuerst begab sie sich zur Navy Messe, wo sie auf den Direktor von Homeland Security, Xavier Putman, traf. »Guten Morgen, Xavier. Schon so früh im Büro?«
»Leider ja. Zum Glück ist dieser Anlass morgen vorbei. Ich habe noch nie so viele Überstunden gemacht wie in den letzten Monaten. Und Sie? Aus dem Bett geflogen?«, fragte er mit rauchiger Stimme. Er war kein Raucher – im Gegenteil: Er verabscheute diese Glimmstängel. Die raue, kratzige Stimme entstand, als er nach einer Stimmbänder-Operation die vorgeschriebene Schweigezeit nicht einhielt und viel zu früh damit begann, seine Angestellten herumzukommandieren.
»Da war ich gar nicht. Habe mich kurz auf dem Sofa hingelegt. Muss noch einiges erledigen, damit der Präsident sicher zu seiner Rede kommt.«
»Dann viel Glück. Sehen wir uns beim Fest?«
»Ja, ich stehe direkt neben dem Präsidenten. Ich habe die beste Position erhalten und muss nicht einmal dafür bezahlen. Näher dran ist keiner«, sagte Peggy mit einem Schmunzeln.
Nach der zweiten Tasse Kaffee ging sie zurück ins Büro. Dort angekommen, wartete bereits Special Agent Patrick Millington auf sie. »Was machst du denn schon hier?«
»Ich konnte nicht mehr schlafen. Da dachte ich, könnte dich vielleicht etwas unterstützen. Wie sieht der Plan aus?« Cunningham instruierte ihren Mitarbeiter über den Tagesablauf. »Der Präsident wird um 14.00 Uhr mit dem Beast (Rufzeichen für die Präsidenten Limousine) auf die 17th Street Nordwest und anschließend auf die Constitution Avenue abbiegen. In der Limousine wird neben dem Präsidenten auch die First Lady sitzen. Mike, Benjamin, du und ich werden direkt nebenher laufen. Fünf Meter vor und fünf Meter hinter dem Fahrzeug platzieren wir zwei weitere Agenten. Die Limo wird direkt vor dem Memorial halten. Die ganze Straße wird von Polizisten bewacht. Die Rede dauert etwa eine Stunde, danach bringen wir Dragon und Donut wieder ins Castle.«
»Ich habe mich schon immer gefragt, wie die First Lady auf den Codenamen Donut kommt«, fragte Patrick mit einem Kichern.
Um 06:04 Uhr zeigten sich die ersten Sonnenstrahlen am Horizont. Der Präsident war schon einige Minuten wach und beobachtete seine Frau Nancy beim Schlafen. Diese öffnete nun auch die Augen – geweckt von der Sonne, die direkt auf ihr Bett schien. »Guten Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen?«, fragte James seine Angetraute.
»Wunderbar! Das wird ein herrlicher Tag. Bist du schon lange wach?«
»Nein, erst ein paar Minuten«, sagte der Präsident. Kurze Zeit später saß er im Oval Office – zusammen mit seinem Stabschef Aaron Coburn und dem Verkehrsminister Wayne Miller. In der Mitte des Office standen zwei Sofas, dazwischen ein Salontisch mit frischem Obst. Zu dieser Morgenstunde wurde zudem Kaffee serviert. Coburn und Miller saßen auf der linken, der Präsident der Vereinigten Staaten auf der rechten Seite. »Wayne, wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen?«, wollte Graham wissen. »Alles ist vorbereitet. Die Straßen sind bereits gesperrt. Es stehen schon jetzt viele Leute vor den Toren und warten auf den Einlass. Das wird ein wunderbarer Anlass, Mr. President.«
»Das habe ich Ihnen zu verdanken, Wayne. Sie haben Unglaubliches geleistet in den vergangenen Wochen.« Nun widmete sich der Präsident seinem Stabschef zu: »Aaron, was gibt es von Ihrer Seite zu berichten?«
»Alles im grünen Bereich. Der Secret Service und Homeland Security haben das Gebiet Meter für Meter abgesucht. Es ist absolut sicher. Es wurden keine verbotenen Objekte gefunden. Es wurden sogar Hunde eingesetzt, um allenfalls Sprengstoff ausfindig zu machen.«
»Gut. Vielen Dank für die tolle Arbeit. Ich weiß, es hat viel Zeit in Anspruch genommen. Aber ich glaube, um die Lage in der Nation etwas zu stabilisieren im Hinblick auf den Rassismus, ist es ein wichtiger Anlass. Martin Luther King Jr. hat viel bewirkt. Leider nicht genug – und das müssen wir versuchen, zu ändern.«
Beim nationalen Parteitag der Demokraten in Charlotte, North Carolina, wurde der Senator James Graham offiziell zum Präsidentschaftskandidaten nominiert. Als Vizepräsidenten nominierte Graham seinen Parteikollegen und Mitstreiter um das Amt, Ryan Barfield (Running-Mate). Die drei Präsidentschaftsdebatten, angesetzt von der Kommission für Präsidentschaftsdebatten, fanden am 3. Oktober 2012 in Denver, Colorado, 16. Oktober 2012 in Hampstead, New York, sowie am 22. Oktober 2012 in Boca Raton, Florida, statt. Dabei vermochte Graham deutlich mehr zu überzeugen als sein republikanischer Herausforderer Edward Wilkins. Graham gewann 284 Wahlmännerstimmen, was knapp zweiundsechzig Millionen Wählerstimmen ergab. Ein prozentualer Anteil von 50.61 %. Am 20. Januar 2013 zog er als 45. Präsident der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus ein. Um 12.00 Uhr begann für James Graham die Präsidentschaft sowie die damit verbundene Zeremonie zur Vereidigung. Den Schwur legte er auf der Lincoln-Bibel ab – einem Exemplar, auf der bereits Abraham Lincoln im Jahre 1861 seinen Eid schwor.
Graham studierte an der Columbia University in New York City. Nach seinem Bachelor in Politikwissenschaft wurde er in den Senat von New York gewählt. James Graham ist ungefähr 190 Zentimeter groß und wiegt knapp achtzig Kilogramm. Seine Augen weisen ein tiefes Dunkelbraun auf, das je nach Lichteinfall fast schwarz wirkt. Geboren und aufgewachsen ist er in der Bronx, einem Stadtbezirk von New York City. In den ersten Jahren seines Lebens erfuhr er am eigenen Leib, was Drogen und Alkohol anrichten können. Seine Mutter starb an einer Überdosis Heroin, sein Vater versuchte, die Trauer mit Alkohol zu bewältigen. Mit sechs Jahren zog er zu seiner Tante und verließ damit ein Gebiet mit Bandenkriminalität, Raubüberfällen, Diebstahl und Drogen.
Fortan lebte er in Manhattan – direkt an der Mündung des Hudson Rivers im Stadtbezirk Battery Park City. Unweit der Wohnung seines Onkels lag die Leman Manhattan Preparatory School, die er bis zur 12. Klasse besuchte. Nach dem Abschluss an der Columbia zog er nach Washington D.C., wo er seine Frau Nancy kennen und lieben lernte.
Im Jahr 2001 wurde er als Demokrat für New York in den damals von den Republikanern dominierten Senat gewählt. Nach einem harten, aber fairen Wahlkampf gewann er die Präsidentschaftswahlen. Einzig Theodore Roosevelt mit 42 Jahren und 322 Tagen sowie John F. Kennedy mit 43 Jahren und 236 Tagen waren bei ihrem Amtsantritt jünger als James Graham.
Jetzt stand er kurz davor, eine Rede an die Nation zu halten: den Afroamerikaner und Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. zu ehren, der 1964 den Friedensnobelpreis erhalten hatte und 1968 ermordet wurde – ein Mensch, der 1957 eine Bürgerrechtsorganisation (SCLC – Southern Christian Leadership Conference) gründete, die die Rechte der Afroamerikaner vertritt. Ein Mensch, der über fünfzig Ehrendoktorwürden von Colleges und Universitäten erhielt. Ein Mensch, der nach seinem Tod im Jahre 1977 vom damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Jimmy Carter, die Presidential Medal of Freedom verliehen bekam. Ein Mensch, dessen Frau 2004 – zwei Jahre vor ihrem Ableben – die Goldmedaille des Kongresses in Empfang nehmen durfte.
Graham war schon seit seiner Zeit auf dem College ein großer Bewunderer von Martin Luther King Jr. Ein Zitat des Bürgerrechtlers begleitete ihn bisher durch sein ganzes Leben: There will be no permanent solution to the race problem until oppressed men develop the capacity to love their enemies (Die Rassenprobleme werden nie endgültig gelöst werden, solange die unterdrückten Menschen nicht fähig sind, ihre Feinde zu lieben). Anders als sonst schrieb er die Rede persönlich. In anderen Situationen hätte das eine dafür ausgebildete Redenschreiberin oder Redenschreiber übernommen. In diesem Fall wollte er die Zeilen selber schreiben, seine eigenen Gefühle zum Ausdruck bringen. Die Rede würde wohl mehr als eine Stunde dauern, was das Programm etwas durcheinander bringen würde. Er hielt es aber für notwendig, auf alle Themen – auch auf die heiklen – aufmerksam zu machen.
Es dauerte nicht mehr lange, bis der Präsident in Richtung Lincoln Memorial aufbrechen würde. Die Secret Service Leiterin, verantwortlich für den Schutz des Präsidenten Peggy Cunningham, legte sich noch kurz aufs Sofa in ihrem Büro. Die letzten Tage waren hektisch, und Schlaf war Mangelware.
Peggy Cunningham wurde in Cleveland, Ohio, geboren. Ihr Studium absolvierte sie an der Ohio State University in Columbus. Danach arbeitete die junge, zierliche und bildhübsche Agentin beim Ohio Bureau of Criminal Investigation. Nach drei Jahren zog sie nach Washington D.C. und arbeitete fortan beim Secret Service. Zuerst eingesetzt in der Finanzkriminalität, wechselte Cunningham 2010 zum Personenschutz. 2012 begleitete sie Senator James Graham auf seinen Reisen während des Wahlkampfes. Zum Ende desselben Jahres wurde sie vom neu gewählten Präsidenten zur Leiterin der Abteilung Personenschutz für den Präsidenten ernannt. Die erste Amtshandlung der charmanten, braunhaarigen und kleingewachsenen Agentin war die Übernahme des Präsidentenamtes von James Graham.
Heute war ein weiterer, wichtiger Tag in ihrer Karriere. Sie musste ihren Chef erneut zur Seite stehen und ihn im Notfall mit ihrem Leben beschützen. Ausgestattet war sie mit einer SIG Sauer P229, die sie in einem Holster unter ihrem Jackett von Tiffany & Co. trug.
Die gepanzerte Cadillac Limousine stand parat. Cunningham montierte ihren Kommunikations- Ohrstöpsel und zog die reflektierende Sonnenbrille an. Ihr Team stand bereits beim Beast und wartete auf den Präsidenten. »Wo ist Benjamin?«, fragte die Chefin Mike. »Keine Ahnung. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen«, antwortete dieser. »Er sollte schon vor zwei Stunden seinen Dienst beginnen.« Cunningham versuchte, ihn per Telefon zu erreichen. »Bin schon auf dem Weg, musste noch etwas erledigen.« Und schon war die Leitung wieder unterbrochen. »So eine Pfeife!« Kurze Zeit später erschien Friedmann bei der Präsidenten-Limousine – sichtlich außer Atem. »Darüber sprechen wir noch, Benjamin. Das geht so nicht«, flüsterte sie ihm in einem etwas gehässigen Ton zu. Friedmann erwiderte weder den Blick noch den Ton. Er stand da, als kümmere es ihn nicht.
Die Agenten nahmen nun ihre Positionen ein. Auf der Fahrerseite lief Patrick Millington, direkt dahinter Benjamin Friedmann. Auf der Seite des Beifahrers und des Präsidenten waren Mike und Peggy. Zwei weitere Agenten standen fünf Meter vor beziehungsweise hinter dem Fahrzeug. Peggy hörte aus ihrem Ohrstöpsel »Dragon und Donut unterwegs«. Friedmann und Cunningham hielten die Tür für den Präsidenten und die First Lady auf und schlossen diese hinter ihnen wieder. Es konnte losgehen.
Zuerst fuhr man von der Nordseite des Weißen Hauses auf die nördlich gelegene Pennsylvania Avenue. Danach fuhr man in westlicher Richtung und bog in die 17th Street ab, die von der Polizei komplett gesperrt wurde. Nach genau 730 Metern erschien die Kreuzung beim The Lockkeeper's House. Hier bog der Fahrer der Limousine rechts in die Constitution Avenue ein. Cunningham war immer in Verbindung mit den Scharfschützen auf den Dächern und ihren Agenten entlang der Route. Bis zur nächsten Verzweigung dauerte es erneut 730 Meter. Danach bog man in südwestlicher Richtung ab in den Henry Bacon Drive. Nach weiteren 250 Metern erreichte man den Lincoln Memorial Circle. Die Straßen waren gesäumt von Amerikanerinnen, Amerikanern und Touristen. Die meisten hielten kleine, aus Kunststoff hergestellte amerikanische Fähnchen hoch und schwenkten diese. Die Agenten des Secret Service, die vor, hinter und neben dem Auto hergingen, mussten beinahe laufen, um dem Fahrzeug folgen zu können. Für die knapp zwei Kilometer benötigte der Fahrer rund 15 Minuten.
Vor dem Lincoln Memorial angekommen waren sämtliche Stühle der geladenen und wichtigen Personen besetzt. Auf der anderen Seite – in Blickrichtung Capitol – standen Tausende von Personen. Der ganze Park war – mit Ausnahme des Reflecting Pools – übersäht mit Menschen: Schwarze, Weiße, Amerikaner, Araber, Chinesen, Christen, Moslems, Katholiken und Juden. Und es herrschte Frieden. Peggy öffnete die hintere Fahrzeugtüre. Der Präsident James Graham stieg aus, wartete auf seine Frau und lief mit ihr durch einen Korridor von geladenen Gästen. Er sah beinahe das ganze Kabinett: den Außenminister und seine Frau, den Innenminister Randall Walsh mit Sekretärin Liza Wood und den Verteidigungsminister Bradley Kirkpatrick. An beiden Seiten der Absperrung standen Sicherheitsleute des Secret Service sowie des FBI. Der Präsident ging zum Podest, und seine Frau Nancy setzte sich in der ersten Reihe auf einen Stuhl. Rechts standen Cunningham und etwa drei Meter daneben Friedmann, auf der linken Seite Mike und ebenfalls etwa drei Meter weiter Millington. Alle vier waren ungefähr einen Meter nach hinten versetzt. Hinter ihnen standen zwei weitere Agenten, um den Präsidenten zu schützen.
Secret Service-Leiterin Peggy Cunningham sah nun zum ersten Mal, wie viele Menschen auf dem Gelände waren. Sie schätzte etwa 150.000-200.000. Die Zone drei war beinahe überfüllt. Sie funkte zur Sicherheit alle Außenposten der Reihe nach an und erkundigte sich nach dem Stand der Dinge. Alle meldeten, dass es keine besonderen Vorkommnisse gäbe. Peggy wandte sich zum Präsidenten: »Sir, alles in Ordnung? Sie sehen blass aus.«
»Ich fühle mich schwindelig, und ich habe Kopfschmerzen. Ist wohl die Nervosität.«
»Wollen Sie zurück ins Weiße Haus?«
»Danke für Ihre Fürsorge, Peggy. Ich werde das schon schaffen.«
Präsident James Graham war beeindruckt vom Ansturm der Menschen. Es machte ihn für einige Minuten sprachlos. In den vordersten Reihen der Zone drei standen hauptsächlich Schwarze – nur einzelne Weiße waren zu sehen. Je weiter man jedoch nach hinten schaute, desto unterschiedlicher wurden die Personen. Er konnte nicht einschätzen, wie viele Menschen heute im West Potomac Park waren. Er schätzte ungefähr 80.000-100.000. Nach einigen Minuten näherte er sich dem Mikrofon und begann seine Rede mit folgenden Worten: »I have a Dream!« Jedes Wort sprach er langsam und betont. »Das waren die berühmten Worte des Baptistenpastors und Bürgerrechtlers Martin Luther King Jr. Genau vor fünfzig Jahren, am 28. August 1963, fand an genau dieser Stätte der Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit statt. Ziel dieser Veranstaltung war, auf die wirtschaftlichen und bürgerlichen Rechte der Afroamerikaner aufmerksam zu machen. In seiner Rede spricht Martin Luther King von Negersklaven, Handfesseln der Rassentrennung und Ketten der Diskriminierung. Martin Luther King hatte einen Traum – den Traum, dass seine vier Kinder eines Tages in einer Nation leben würden, in der nicht die Hautfarbe, sondern der Charakter beurteilt würden.« In der ersten Reihe – nur etwa zehn Meter vom Rednerpult entfernt – saßen Martin Luther King III, ältester Sohn vom Bürgerrechtsaktivisten, Dexter Scott King sowie die jüngste Tochter Bernice King. Die älteste Tochter, Yolanda King, starb am 15. Mai 2007. Sie war ebenfalls eine Bürgerrechtlerin.
»I have a Dream!«, fuhr der Präsident fort. »Auch ich habe einen Traum. Ein Traum von Gleichberechtigung. Ein Traum, dass alle Menschen gleichbehandelt werden – egal ob Schwarze, Weiße, Indianer, Latinos, egal ob Christen, Juden, Moslems oder Buddhisten. Eine Welt mit Frieden.«
Peggy Cunningham bemerkte während der Rede des Präsidenten eine eigenartige Bewegung in ihrem rechten Augenwinkel. Zudem fiel ihr auf, dass der Präsident sich am Rednerpult aufstützen musste, damit er nicht nach hinten wegkippte. Sie drehte den Kopf vom Präsidenten weg nach rechts und sah, wie Benjamin Friedmann in sein Sakko griff. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, sah sie den Lauf seiner SIG Sauer. Hastig schaute sie in Windeseile um sich, konnte aber keine Gefahr erkennen. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Freund auf den Präsidenten zielte. Ohne zu überlegen, stürzte sie sich in die Schussbahn. Im selben Moment ertönte ein Knall – und noch einer, und noch einer. Mike stürzte sich auf den Präsidenten und schützte ihn mit seinem Körper. Patrick Millington zog seine Dienstwaffe und schoss eine Salve von fünf Schuss in Richtung Friedmann. Die beiden Secret Service-Agenten im Hintergrund taten es ihm gleich. Friedmann sank zu Boden und war auf der Stelle tot. Erst jetzt fiel es den restlichen Agenten auf, dass sowohl der Präsident wie auch Peggy Cunningham am ganzen Körper bluteten.
Bei den Zuschauern herrschte Panik. Die geladenen Gäste wurden nun von sämtlichen Secret Service- und FBI-Agenten geschützt und aus der Gefahrenzone fortgebracht. Plötzlich ertönte ein lauter Knall. Auf der linken Seite des Reflecting Pools gab es eine Explosion. Geschrei und Hysterie waren nun zu vernehmen. Wenige Sekunden nach der ersten Explosion gab es eine weitere auf der gegenüberliegenden Seite. Die dritte Explosion, die sich in der Nähe des Washington Memorials ereignen sollte, blieb aus. Die Menschen rannten in jede Himmelsrichtung, versuchten, über Abschrankungen zu steigen und schnellstmöglich das Gelände zu verlassen. Die Sicherheitskräfte hatten nun alle Hände voll zu tun. Zum einen mussten sie das Gelände sichern, zum anderen versuchen, selber nicht als Opfer zu enden. Geistesgegenwärtig öffneten einige Sicherheitsbeauftragte die Absperrgitter, damit die Leute möglichst schnell den Park verlassen konnten.
Beim Präsidenten ging es etwas gesitteter zu: Die gerufene Ambulanz war bereits beim Lincoln Memorial stationiert, und die Sanitäter leisteten erste Hilfe. Eine Kugel traf James Graham im Bauch, eine weitere in der linken Brust. Auch Cunningham lag verwundet am Boden. Sie fing zwei Kugeln ab, wobei die eine direkt durch ihren Körper flog und den Präsidenten traf. Die zweite Kugel steckte in der Schulter fest. Beide lagen blutüberströmt und bewusstlos am Boden. Präsident Graham wurde sofort ins National Naval Medical Center überführt. Cunningham ihrerseits wurde ins George Washington University Spital gebracht.
Sämtliche medizinische Einrichtungen befanden sich im Ausnahmezustand und bereiteten sich auf Patienten vor. Es gab noch keine Hinweise, um wie viele Verletzte es sich handeln konnte. Bei geschätzten 150.000 Besucherinnen und Besuchern dürfte die Zahl jedoch erheblich sein.
Während der Präsident und Peggy Cunningham auf dem Weg ins Spital waren, versuchten Mike und Millington, das Erlebte zu verstehen. Sie sahen schockiert in Richtung Reflecting Pool. Überall lagen tote Menschen – Menschen, die anderen Menschen halfen. Sanitäter, die verletzte Personen versorgten: einige, die Herzmassagen durchführten, um Frauen oder Männer zurück ins Leben zu holen – hektische Bilder, egal, wo man hinsah. Viele Familien wurden auseinandergerissen: Menschen, die um ihre Kinder, Väter oder Mütter trauerten. Freunde und Bekannte, die ihre Liebsten verloren. Es war ein Bild des Schreckens.
Vize Präsident Ryan Barfield blieb an diesem Tag im Weißen Haus. Die Feierlichkeiten wollte er sich zusammen mit seiner Frau und einigen Ministern am Fernseher anschauen. Das Fest dauerte schon den ganzen Tag. Die Rede des Präsidenten war auf etwa 14:30 Uhr angesetzt. Gerade stand Stevie Wonder zusammen mit Paul McCartney auf der Bühne und sang das Lied Ebony and Ivory. Ebenholz und Elfenbein beschreiben die schwarzen und weißen Tasten eines Klaviers. Die Textzeilen in dem Lied beschreiben jedoch das Zusammenleben aller Menschen – egal, ob sie weiß oder schwarz sind. Barfield fand es passend für diesen Anlass. Neben der amerikanischen Soul-Sängerin Aretha Franklin hatten auch Bruce Springsteen, Prince, Bob Dylan und der legendäre Chuck Berry ihren Auftritt. Zwischen den Musik Acts traten verschiedene Persönlichkeiten mit einer Rede auf, darunter die Schwester von Martin Luther King, Christine King Farris. Es war ein bewegender Auftritt der am 11. September 1927 in Berlin geborenen King. Der Vize Präsident vergaß seine Arbeit komplett und schaute nur noch in den Fernseher.
Ryan Barfield stammt aus Crystal City, Texas. Nach seinem Hauptschulabschluss an der High School in Adams County besuchte er die US Naval Academy in Annapolis, wo er graduierte. Danach zog er mit seiner damaligen Freundin in die Hauptstadt nach Washington D.C. Dort besuchte er die University of Washington und erreichte den Bachelor und danach den Master in Geschichte. Nach dem Naval War College entschied er sich für eine politische Karriere und verließ die Marine. 2012 stieg er in den Wahlkampf zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten ein. Mit einem Spendeneinkommen von rund 150 Millionen Dollar verfügte nur James Graham über mehr finanzielle Mittel. Er musste jedoch feststellen, dass Graham mehr Unterstützung vom Volk erhielt. Daraufhin zog er sich vom Wahlkampf zurück und unterstützte fortan seinen Parteikollegen. Graham seinerseits dankte ihm mit der Nomination zum Vize-Präsidenten. Nun war er seit dem 21. Januar 2013 offizieller Stellvertreter des Präsidenten.
Die Feierlichkeiten beim Lincoln Memorial nahmen ihren Lauf. CNN schaltete nun vom Studio zu ihrer Korrespondentin, die irgendwo auf dem JFK Hockey Field stand und auf die Liveschaltung wartete. Im Fernsehbild war ein weiteres, kleineres Fenster zu sehen mit einer Helikopter-Aufnahme, die zeigte, wie die Limousine des Präsidenten in Richtung Lincoln Memorial fuhr. »Kimberly, wir sehen gerade, wie der Präsident das Weiße Haus verlässt und in Richtung Memorial fährt. Können Sie uns einen ersten Eindruck von den Feierlichkeiten vermitteln?«
»Ja, Peter. Es ist unglaublich, was hier passiert. Es sind geschätzte 200.000 Menschen im West Potomac Park – größtenteils Afroamerikaner. Ich habe aber auch viele Weiße und Latinos gesehen. Es ist ein Fest für alle Menschen. Wir stehen hier rund 250 Meter entfernt vom Rednerpult. Näher zu kommen ist fast unmöglich. Die Sicherheitskräfte mussten bei der ersten Absperrung direkt beim Lincoln Memorial Circle eine zusätzliche Pufferzone einrichten, damit die Leute nicht von hinten zerquetscht werden. Aber die Feierlichkeiten verlaufen ansonsten sehr gesittet.«
»Weiß man schon, was der Präsident sagen wird?«, fragte Peter Schoonmacker aus dem Studio. »Nein, überhaupt nicht. Es gibt viele Spekulationen, wie Präsident Graham die Rede eröffnen wird, aber bestätigt wurde indes noch nichts. Ich sehe gerade, wie der Präsident beim Memorial aus der Limousine aussteigt. Übrigens sind viele geladene Gäste hier. Der Presse wurde eine Liste verteilt, wer sich unter den Prominenten befindet. Wir sehen da die drei Namen der Kinder von Martin Luther King. Auch seine Schwester Christine King Farris soll anwesend sein.«
»Vielen Dank, Kimberly. Wir schalten gleich wieder zu Ihnen für die Festrede.« Kimberly Fitzpatrick und ihr Kameramann Henry Barns versuchten, während der Pause den Standort zu wechseln. Sie entschieden sich, direkt beim Reflecting Pool zu stehen in der Hoffnung, einen besseren Blick zum Präsidenten zu bekommen. Kurze Zeit später zeigte der Kameramann an, dass sie wieder auf Sendung waren. »Kimberly, haben wir etwas verpasst?«
»Nein, Peter. Ihr seid gerade rechtzeitig zurück. Der Präsident begibt sich soeben zum Rednerpult. Es sieht von hier so aus, als wäre er etwas angeschlagen. Er hält sich fast überall fest, wo er die Gelegenheit hat. Genießen wir doch kurz die Stimmung und warten auf die ersten Worte.« Der Kameramann schwank vom Gesicht Kimberlys weg in Richtung Lincoln Memorial. Er zoomte den Präsidenten so nah wie möglich heran, um den Zuschauerinnen und Zuschauern die Gefühle des mächtigsten Mannes der Welt zu vermitteln. Dann ergriff der Präsident das Mikrofon: »I have a Dream!« begann er. Nach ein paar Worten vom Präsidenten schwenkte Henry Barns mit der Kamera zurück zu Kimberly. »Es wurde viel spekuliert, wie der Präsident der Vereinigten Staaten seine Rede eröffnen würde. Jetzt haben wir Gewissheit. Was bedeuten diese Worte fünfzig Jahre nachdem Martin Luther King Jr. diese in seiner Rede verwendet hatte?« Sie hörte im Lautsprecher, dass der Präsident erneut diese Worte sprach. Sie machte eine kurze Pause. »I have a Dream!« – »Auch ich habe einen Traum: Einen Traum von Gleichberechtigung. Einen Traum, dass alle Menschen gleichbehandelt werden, egal ob Schwarze, Weiße, Indianer, Latinos, egal ob Christen, Juden, Moslems oder Buddhisten. Eine Welt mit Frieden.«
Der Kameramann blieb noch kurz mit der Linse auf dem Präsidenten. Kimberly wollte gerade zurück ins Studio geben, als sie Schüsse und Geschrei hörte. »Peter! Es gab irgendwo Schüsse auf dem Gelände. Ich kann jedoch von hier nichts erkennen. Können Sie die Schüsse bestätigen? Gibt es irgendwelche Fernsehbilder?«
»Ja, Kimberly, es herrscht große Hektik beim Rednerpult. Aber ich kann nicht genau sehen, was passiert ist. Die Helikopterkamera zoomt nicht heran.« Barns war immer noch mit seiner Kamera auf Sendung. Er schrie zu Kimberly: »Der Präsident wurde angeschossen! Ich sehe drei Personen auf dem Boden!«
»Bist du sicher, Henry?« Beide vergaßen, dass sie immer noch auf Sendung waren. »Ja, ganz sicher!« Dann ein lauter Knall. »Herrgott!«, schrie Kimberly. Henry Barns änderte nun den Blickwinkel der Kamera und filmte direkt über den Reflecting Pool. Eine gewaltige Explosion ereignete sich und riss viele Menschen aus dem Leben. »Kimberly! Was ist los bei Euch? Wenn Ihr in Gefahr seid, bringt euch so schnell wie möglich in Sicherheit!« Es war jedoch schon zu spät. Eine zweite Explosion ereignete sich. Schoonmacker sah im Live-Bild noch, wie Henry Barns die Kamera auf eine Person schwenkte: ein Blitz – und alles war schwarz. »Kimberly, können Sie mich hören?« Peter Schoonmacker schaute auf die Fernsehbilder, die von anderen Stationen gesendet wurden. Er stand unter Schock. Sofort wurde das Programm unterbrochen und Werbung eingespielt.
Ryan Barfield war die ganze Zeit auf CNN und verfolgte die Übertragung. Er konnte nicht fassen, was er gerade gesehen hatte. Schon stürmten die Secret Service-Leute in sein Büro und brachten ihn in das Presidential Emergency Operations Center (Notfallkommandozentrale des Präsidenten). Dieser Bunker befand sich unter dem Ostflügel und diente als Schutzraum für den Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Der Vize-Präsident sah, dass sich bereits andere, hohe Regierungsmitglieder im Bunker befanden. Einige von ihnen waren vor wenigen Minuten noch bei den Feierlichkeiten. Stabschef Aaron Coburn saß vor kurzer Zeit noch in der ersten Reihe neben der Familie von Martin Luther King Jr. und informierte in wenigen Worten, was passiert war: »Präsident Graham wurde angeschossen und wird gerade im National Naval Medical Center operiert. Es sieht nicht gut aus. Peggy Cunningham hat sich vor den Präsidenten geworfen und fing ebenfalls Kugeln ein. Sie wurde in die George Washington Universitätsklinik überführt und wird ebenfalls operiert.« – »Mr. Vicepresident, es gab zudem zwei Explosionen auf dem Festgelände. Wir wurden Opfer eines Terrorakts!«
Drei Jahre zuvor
B enjamin Friedmann wurde in Massaua, einer Hafenstadt in Eritrea, als Massawa Efrem geboren. Er wuchs zusammen mit seinem Vater Awate, seiner Mutter Askalu und seiner jüngeren Schwester Sinit in einem kleinen Haus auf der äußeren Insel von Massaua auf. Bereits im Kindesalter unterstützte er seinen Vater in der familieneigenen Fischerei. Der Verdienst reichte knapp zum Leben. Eine Schule besuchte er nicht. Sein Leben bestand aus Arbeit und Beten. Als Friedmann sieben Jahre alt war, wurde sein Vater wegen Wehrdienstverweigerung verhaftet und seine Mutter von den Soldaten vergewaltigt. Er und seine Schwester Sinit wurden verschleppt und an Menschenhändler verkauft. Diese wiederum brachten die beiden Kinder nach Syrien, wo sie dem IS (Islamischer Staat) übergeben wurden.
Im Camp lernten die Geschwister die zwei Jahre älteren Kinder Zula Habte, Hamid Aman und Demsas Omar kennen. Die vier Jungs besuchten fortan eine eigene Camp-Schule. Sie lernten, nach dem Koran zu leben. Immer und immer wieder wurde ihnen eingetrichtert: „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen…“ (Sure 1;1). Sie mussten alle 114 Suren auswendig lernen. Für Friedmann war das nicht einfach, denn er wurde von seinem Vater nach der Bibel erzogen, und da wurde nicht Allah, sondern Gott erwähnt.
Mit zehn Jahren wurde er an verschiedenen Waffen ausgebildet. Er lernte den Umgang mit einer AK-47, mit einem RPG-7 Raketenwerfer kennen und erhielt Unterricht an einer Walther P1 Handfeuerwaffe. Er wurde täglich zu einem besseren Schützen. Zudem wurde ihm beigebracht, wie ein SCAR-H Mk Sturmgewehr aussah und welche anderen Waffen die Amerikaner in ihrem Arsenal hatten. Seine drei Freunde hingegen hatten Unterricht im Umgang mit Sprengstoff. Sie mussten lernen, aus welchen Materialien C4 hergestellt wurde, wie ein Sprengstoffgürtel gebaut wird und welche Materialien verwendet wurden. Es war eine Gehirnwäsche, der sie immer wieder ausgesetzt waren. Tag für Tag wurde ihnen beigebracht, dass die westliche Welt von lauter Ungläubigen besiedelt sei und sie von Allah auserkoren worden waren, diese zu bestrafen. Mit sechzehn Jahren beherrschte Massawa Efrem die meisten Waffen besser als jeder andere IS-Kämpfer. Er war zielgenauer als die besten Schützen im Camp und bereit für die nächste Aufgabe.
Nach seinem zwanzigsten Geburtstag wurde er zusammen mit seinen drei Freunden nach Deutschland gebracht. In Frankfurt am Main wurde seit vielen Jahren ein Netzwerk von Terroristen aufgebaut. Von hier aus wurden die Schläfer in die ganze Welt entsendet.
Sein neuer Reisepass war auf den Namen Benjamin Friedmann ausgestellt. In den nächsten Monaten ging er einer geregelten Arbeit nach und musste die deutsche Sprache erlernen. Er arbeitete während vier Tagen für eine Security Firma in Frankfurt. Zusammen mit Zula, Hamid und Demsas wohnte er in einer Wohngemeinschaft im Stadtbezirk Frankfurt-Griesheim. Die Kosten für Lebensmittel und die Unterkunft übernahm der IS. 2011 wurde die Schläferzelle um die vier Eritreer zum ersten Mal geweckt. Die vier Terroristen wurden nach Amerika übersiedelt. Nach Washington D.C. reisten sie als Benjamin Friedmann, Stefan Kuster, Niklas Kohl und Martin Dresdner. Vor seiner Abreise sprach er noch einmal das Eröffnungskapitel des Heiligen Koran, offenbart vor der Hidschra:
»Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen.
Aller Preis gehört Allah, dem Herrn der Welten,
Dem Gnädigen, dem Barmherzigen,
Dem Meister des Gerichtstages.
Dir allein dienen wir, und zu Dir allein flehen wir um Hilfe.
Führe uns auf den geraden Weg,
Den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, die nicht (Dein) Missfallen erregt haben und die nicht irregegangen sind.« (Sure 1;1-7)
Lieutenant (LT) Cesar Hardy kam gerade von seinem letzten Einsatz zurück. Zusammen mit seinen beiden Teams, den Silent Phantoms und den Ghost Soldiers der SEAL-Einheit DEVGRU befreite er in Ostafghanistan einen von den Talibans gefangenen US-amerikanischen Arzt.
Cesar Hardy lebt in El Paso, einer Grenzstadt zu Mexiko. Der Berufssoldat wohnt alleine in einem kleinen Appartement in der Nähe des Las Palmas Medical Centers. Machine, wie ihn seine Kameraden nannten, besuchte die Austin High School in El Paso. Danach ging er auf die University Medical, brach das Studium jedoch nach nur einem Jahr ab. Seine Berufung fand er schließlich an der United States Military Academy. Nachdem Hardy den akademischen Grad eines Bachelors erhielt, wurde er gleichzeitig zum Second Lieutnant befördert. Diese Beförderung schlug er jedoch aus, weil er sich nicht für fünf Jahre verpflichten wollte.
Danach wechselte er zu dem Marine Corps, wo er die Ausbildung zum SEAL absolviere. Stationiert ist LT Cesar Hardy auf der United States Africa Command in Dschibuti. Wegen einer Krebserkrankung seines Vaters flog er von der Provinz Kabul direkt nach Amerika. Nun war er zu Hause angekommen und eilte sogleich ins rund vierhundert Meter entfernte Spital. Als er die Türe zum Zimmer öffnete, sah er seine Mutter am Boden knien; sie weinte. Cesar Hardy kam zu spät. Sein Vater verstarb nur wenige Minuten, bevor er bei ihm eintraf. Es war sein letzter Wille, seinen Sohn noch einmal zu sehen.
Das Verhältnis der beiden war nicht das Beste. Cesar wurde von seinem Vater oft geschlagen. Der meistens betrunkene, ehemalige Colonel der Army wurde wegen einer Sex-Affäre unehrenhaft entlassen. Ihm stand eine glanzvolle Karriere bevor. Er beteuerte bis zuletzt seine Unschuld, wurde dennoch für schuldig befunden. Damals war Cesar Hardy gerade mal vier Jahre alt. Anschließend suchte sein Vater den Trost im Alkohol. Dieser ruinierte jedoch sein Leben komplett.
Cesar hatte seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Vater. Zu tief waren die Wunden durch das Erlebte. Seine Mutter rief das Camp in Dschibuti an, und General John Sherman leitete die Nachricht an ihn weiter. Er tat es nicht für seinen Vater, sondern für Mama. »Mam, es tut mir leid.«
»Ach was, du Lügner«, erwiderte sie mit einem gezwungenen Lächeln. »An deiner Stelle hätte ich auch so reagiert. Er hat dich schlecht behandelt. Der Alkohol hat ihn kaputt gemacht. Es tut mir leid. Hätte ich etwas dagegen gemacht, hätte er mich ebenfalls windelweich geprügelt.«
»Nimm die Schuld nicht auf dich. Du konntest nichts machen. Hat er dich auch geschlagen?«, wollte nun Cesar wissen. »Nicht so oft wie dich. Er hatte es halt nicht einfach nach seiner Entlassung.«
»Nimm ihn nicht in Schutz. Das ist kein Grund, seine Familie zu schlagen!« – »Kommst du zurecht?«
»Ja.« Weitere Tränen liefen ihr über die Wangen. »Dein Onkel und seine Freundin werden mir helfen. Sie haben mir bereits angeboten, bei ihnen zu wohnen. Vielleicht ziehe ich zu ihnen oder miete mir in der Nähe eine Wohnung, damit ich nicht alleine bin. Und du?«
»Was ist mit Tom? Könntest du nicht zu ihm ziehen?«
»Dein Bruder war gestern hier. Er hat mir dasselbe vorgeschlagen. Er ist immer auf Geschäftsreisen, und da wäre ich auch alleine.«
»Ok. Ich muss bald wieder zurück. Habe noch zwei Tage, dann fliege ich wieder nach Dschibuti. Mam, du weißt: Wenn etwas ist, rufe mich an.« Cesar drückte seine Mutter fest an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Anschließend verließ er das Spital und lief nach Hause. Dort angekommen packte er seine Taschen und erkundigte sich, wann der nächste Flieger nach Washington D.C. abflog. Er wollte so schnell wie möglich wieder zurück ins Camp.
Die vier Dschihadisten standen bereits zwei Stunden vor Abflug in der Halle des Frankfurter Flughafens. Gespannt schauten sie auf die Tafel, wo sämtliche Abflüge aufgelistet waren. Nach einer Wartezeit von etwa fünfzehn Minuten wurde der Flug Frankfurt – Philadelphia angezeigt. Gate 54, Abflug um 10.05 Uhr. Danach gingen sie zum Schalter, wo sie zum ersten Mal ihre gefälschten Reisepässe (Personalausweise reichten nicht für die USA) sowie die Flugtickets vorweisen mussten. Anschließend stellten sie ihre Koffer auf das Band.
Als dies erledigt war, gingen sie – nun getrennt – zur Sicherheitskontrolle. Ab hier ging jeder seinen eigenen Weg. Beim Safety-Check angekommen, legte Friedmann den ganzen Inhalt seiner Taschen in einen Behälter. Jacke, Gürtel und Schuhe folgten in einer weiteren Box. Nachdem er den Metalldetektor passiert hatte, wurde er von einem Sicherheitsbeamten abgetastet. Erst jetzt konnte er seine Gegenstände wieder zu sich nehmen. Nun begab er sich zum Gate 54. Der Weg dahin war gesäumt von Shops, Cafés und Restaurants. Friedmann verzichtete auf einen Einkauf und wartete auf einem Sitz beim Gate auf das Boarding. Dreißig Minuten vor dem Start lief er, nachdem er vor dem Einsteigen die Bordkarte eingescannt hatte, durch den Fingerdock und begab sich in der First Class zu seinem Sitzplatz 3-C. Sein Handgepäck verstaute er unter seinem Sitz.
Beim Rollen zur Startbahn folgten die Sicherheitsinstruktionen. Dabei stand eine Flugbegleiterin in jeder Klasse und zeigte, wie man den Gurt an- und abschnallte, die Sauerstoffmaske bei einem Druckabfall in der Kabine aufsetzte und die Schwimmweste bei einer Notwasserung zu benutzen hatte. Kurze Zeit später folgte der Start. Der Pilot schob die Schubhebel nach vorne. Die zwei Rolls-Royce Trent-700 Triebwerke heulten auf. Der Airbus A330-300 beschleunigte gleichmäßig mit über 80.000 PS. Nur Sekunden später zog der Pilot am Steuerhorn, wodurch der Flieger abhob. Kurz nach dem Abheben betätigte der Copilot auf Anweisung des Kapitäns den Fahrwerkshebel. Mit einem Rumpeln verschwand das Fahrwerk im Bauch des Langstrecken-Jet.
Als die Reiseflughöhe erreicht war, servierten die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter mit ihren Servicewagen Getränke und verteilten Essen. Friedmann bestellte einen Whiskey und hörte etwas Musik. Danach schlief er ein.
Nach knapp acht Stunden Flugzeit begann der Pilot mit der ersten Phase des Sinkflugs. Friedmann widmete sich einem Film, nachdem er einige Stunden geschlafen hatte. Leere Flaschen und Müll wurden eingesammelt, und über eine freundliche Ansage wurde man darauf aufmerksam gemacht, sich hinzusetzen und anzuschnallen. Nun wurden die Landeklappen schrittweise ausgefahren. Er bemerkte, wie es anfing zu rattern, was darauf hinwies, dass der Pilot das Fahrwerk ausfuhr. Vor dem Aufsetzen der Maschine zog der Captain die Nase etwas nach oben, damit zuerst die Hinterräder auf der Landebahn aufsetzten. Nun aktivierte er den Umkehrschub. Die Luftbremsen auf den Tragflächen schnellten automatisch in die Höhe. Gleichmäßig und sanft bremste das Flugzeug. Anschließend rollte die Maschine zum Terminal. Friedmann hatte es nicht eilig und blieb vorschriftsgemäß sitzen, bis das Anschnallzeichen erlosch.
Nachdem er das Flugzeug durch den Fingerdock verlassen hatte, ging er direkt zum Gepäckband und wartete auf seine Koffer. Nach einer weiteren erfolgreichen Kontrolle seines Reisepasses stand der Einreise in die Vereinigten Staaten nichts mehr im Wege.
Peggy Cunningham wuchs am Lake Erie in Cleveland auf. Ihre Eltern besaßen ein Luxus-Appartement in der Downtown – unweit entfernt vom Football Stadion der Cleveland Browns. Sie interessierte sich jedoch mehr für Baseball und verpasste beinahe kein Spiel der Indians. Bei den Spielen trug sie stets ein übergroßes Original-Trikot von Jim Thome sowie ein Indians Cap. Als Thome 2003 zu den Philadelphia Phillies wechselte, war sie so wütend, dass sie seither kein Spiel mehr live im Stadion gesehen hatte.
Peggy hatte eine schöne Kindheit. Ihr Vater arbeitete in der Finanzbranche und verdiente dabei sehr gutes Geld. Es fehlte ihr an nichts. Sie trug immer die neueste Mode und erhielt stets die teuersten Schuhe. War sie glücklich? Nein. Denn sie hatte keine Freunde. Nach der Schule ging sie zurück ins Appartement und las in Büchern oder schaute fern. Ihr Wissen war überwältigend und der Drang nach Mehr unvorstellbar.
Nach der obligatorischen Schule zog sie in das zweihundert Kilometer entfernte Columbus und studierte an der Universität Rechtswissenschaft. Auch hier zog sich Peggy zurück, um möglichst viel Wissen in ihren Kopf zu kriegen. Nach dem Master-Abschluss in Rekordzeit arbeitete sie in Richfield beim Ohio Bureau of Criminal Investigation. Eine Bewerbung zum Secret Service in Washington D.C. brachte Cunningham schließlich in die Hauptstadt. In den ersten Jahren arbeitete sie in der Abteilung der Finanzkriminalität und bekämpfte die Geldfälscher der amerikanischen Währung. Nach einem Gesuch von Peggy mit der Bitte, die Abteilung wechseln zu können, arbeitete sie ab 2010 für den Personenschutz.
Peggy Cunningham war nun seit einem Jahr im Weißen Haus. Meistens wurde sie in der Nachtschicht eingeteilt, was ihr nicht besonders behagte. Nur vereinzelt wurde sie in einer Tagesschicht eingesetzt – und wenn, dann musste sie die Kinder des Präsidenten zur Schule begleiten. Auch heute war wieder ein solcher Tag. Nach getaner Arbeit wurde Peggy ins Büro des Direktors (DSS) gerufen. »Peggy, ohne zu murren arbeiten Sie nun schon seit einem Jahr in der Nachtschicht. Das verdient großen Respekt. Die meisten Frischlinge scheitern daran. Warum sind Sie nie zu mir gekommen und haben sich beschwert?«
»Warum sollte ich? Mir gefällt die Arbeit beim Secret Service.«
»Aber Sie würden schon gerne öfters am Tag arbeiten?«
»Wenn es eine Möglichkeit gäbe, gerne. Ansonsten bleibe ich auch in der Nachtschicht«, sagte Peggy hoffnungsvoll. »Reisen Sie gerne?«
»Warum?«
»Der Präsident möchte, dass Sie Senator James Graham auf den Reisen zu den Präsidentschaftsvorwahlen begleiten – als persönlicher Bodyguard.«
Benjamin Friedmann begab sich nach der Passkontrolle zur Autovermietung von der Firma Alamo. Nachdem er einige Modelle begutachtet hatte, entschied er sich für einen mittelgroßen SUV Toyota Rav4, Baujahr 2010 – ein brandneues Modell. Seine Unterkunft lag in Nordwest Washington – eine Wohngemeinschaft in der Nähe der Phelps High School. Dort würde er wieder auf Zula, Hamid und Demsas treffen. Er hatte noch keine Ahnung, was ihn in Washington D.C. erwarten würde. Sämtliche Befehle erhielt er irgendwann in den nächsten Tagen.
Seine Reise führte ihn vom Philadelphia International Airport auf der Interstate dem Delaware River entlang über Wilmington und Baltimore nach Washington D.C. Als er im Appartement ankam, waren die anderen drei Eritreer bereits vor Ort. Er wusste zwar nicht, wie sie es gemacht hatten, aber sie waren schneller als er. »Wie war die Reise?« erkundigte sich Friedmann. »Du kannst gut reden. Du konntest First Class reisen. Wir mussten uns in der Economy rumquälen.«
»Wisst ihr schon etwas über unseren Auftrag?«
»Ja. Wir müssen Sprengstoffplatten besorgen und danach Westen basteln. Dein Auftrag liegt dort drüben.« Friedmann begab sich zur Theke, wo ein Brief mit seinem Namen lag. Er öffnete diesen und las in sich hinein: «Massawa, mein Freund. Suche dir Arbeit beim Secret Service. Weitere Anweisungen folgen.» – Er sprach: »Mein Herr weiß, was im Himmel und auf Erden gesprochen wird, und er ist der Allhörende, der Allwissende!« Sure 21;3. »Ich soll mich dem Secret Service anschließen?« – »Wie soll ich das schaffen als Ausländer?«
»Dein Problem.«
»Danke! Sehr aufmerksam von euch.« – »Und wo nehmt ihr den Sprengstoff her?«
»Unser Problem«, sagte Zula. Friedmann zog sich auf sein Zimmer zurück.
In den folgenden Tagen saß er in der Nähe des Weißen Hauses – bestückt mit einem Bogen Papier und Stiften. Er war ein talentierter Zeichner und versuchte nun, das Regierungsgebäude auf Papier zu bringen. Dabei ging es ihm nicht um die Zeichnung, sondern vielmehr darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Er saß stets am selben Ort, auf derselben Bank, unter derselben Überwachungskamera – zur selben Zeit, Tag für Tag.
Das blieb auch in der Kommandozentrale des Secret Service nicht unbemerkt. Peggy Cunningham war gerade zugegen und funkte ihren Chef, den Leiter des Personenschutzes, Ernest Honeycutt an: »Ernest, haben Sie kurz Zeit, in die Zentrale zu kommen?«
»Was gibt es denn?«
»Etwas was Sie sich ansehen müssen, Sir.« Zehn Minuten später stand Honeycutt im Raum: »Was gibt es denn so wichtiges?«
»Dieser Mann auf Bildschirm fünf. Er sitzt seit drei Wochen Tag für Tag auf dieser Bank und zeichnet.«
»Und wo liegt das Problem?«
»Naja, es kommt mir etwas verdächtig vor. Er schaut immer zum Regierungsgebäude und zeichnet.«
»Und wenn er einfach nur das Weiße Haus zeichnen will?« Honeycutt war etwas genervt. »Und wenn es mehr ist als nur eine Zeichnung des Weißen Hauses?«
»Und wie lange sitzt er da?«, fragte Ernest seine Agentin. »Bis es eindunkelt, Sir.«
»Hm…« Kurzes Zögern seitens Honeycutt. »Haben Sie ihn schon überprüft?«
»Ja Sir. Die Akte ist aber sehr… überschaubar. Wir haben sein Bild durch die Gesichtserkennungs-Software laufen lassen. Er heißt Benjamin Friedmann und wurde wohl in Deutschland geboren. Wenn die Angaben stimmen, wurde er als Baby verschleppt oder zur Adoption freigegeben. Aufgewachsen ist er in