Blossoms of Fire - Cosima Lang - E-Book
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Blossoms of Fire E-Book

Cosima Lang

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Beschreibung

Feuer in seinen Augen, Magie in ihrem Herzen!

Als die Kräuterhexe Briar von Drachen auf eine entlegene schottische Insel entführt wird, fürchtet sie das Schlimmste. Doch statt als Snack zu enden, soll sie das Unmögliche schaffen: einen Drachen von einer rätselhaften Krankheit heilen. Als ihr dies tatsächlich gelingt, entpuppt sich das Biest als der faszinierende Krieger Darragh. Und Briar steht vor der Aufgabe ihres Lebens – als Außenstehende soll sie die Heilerin eines Drachenclans werden. Zwischen uralten Clangeheimnissen und neuen Gefahren brodelt die Insel vor Magie, und auch Briars Herz steht bald in Flammen …

Charmant-witzig, spannend, spicy: Urban Fantasy mit cozy Vibes im sagenumwobenen Schottland. 

//»Blossoms of Fire« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//


Hexen 🧙‍♀️ 🧙‍♀️

Drachen 🐉

Magie ✨

Tierische Begleiter 🦆

Spice 🌶🌶🌶

Forced Proximity 🔗❤ 

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Buch

Feuer in seinen Augen, Magie in ihrem Herzen!

Als die Kräuterhexe Briar von Drachen auf eine entlegene schottische Insel entführt wird, fürchtet sie das Schlimmste. Doch statt als Snack zu enden, soll sie das Unmögliche schaffen: einen Drachen von einer rätselhaften Krankheit heilen. Als ihr dies tatsächlich gelingt, entpuppt sich das Biest als der faszinierende Krieger Darragh. Und Briar steht vor der Aufgabe ihres Lebens – als Außenstehende soll sie die Heilerin eines Drachenclans werden. Zwischen uralten Clangeheimnissen und neuen Gefahren brodelt die Insel vor Magie, und auch Briars Herz steht bald in Flammen …

Die Autorin

© Privat

Schon zu Schulzeiten hat Cosima Lang lieber in fremden Welten und abenteuerlichen Geschichten gelebt, als auf die Tafel zu schauen. Mit achtzehn Jahren fand sie endlich den Mut, ihre eigenen Geschichten niederzuschreiben. Inspiriert von griechischer Mythologie und Märchen, zeigt sich ihre Liebe für Fantasy auch in bunten Make-up-Looks. Und wenn sie nicht gerade fleißig am Tippen ist – immer begleitet von ihrem Hund –, verbringt sie ihre Zeit mit Handarbeiten.

Für mehr Informationen zu Cosima Lang, folgt ihr auf:

Instagram @cosimalang

TikTok @cosilang

Der Verlag

Du liebst Geschichten? Wir bei Loomlight auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.

Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.

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Viel Spaß beim Lesen!

Cosima Lang

Blossoms of Fire

Loomlight

Liebe Leser:innen,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte.

Auf der letzten Seite findest du eine Themenübersicht, die Spoiler für die Geschichte enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest.

Wir wünschen dir das bestmögliche Leseerlebnis!

Cosima Lang und dein Loomlight-Team

Für meine Schwester Sara und meine Oma,

ihr seid die einzig wahren Kräuterhexen.

Matricaria chamomilla Kamille

Sobald sich ein Schatten über dich legt, dann ist es bereits zu spät. Wenn ein Drache dich erst einmal in seinen Krallen hat, ist es vorbei. Also schaue regelmäßig in den Himmel, mein Kind, ansonsten wirst du es bereuen.

Die Warnung meiner Gran hallte durch meinen Kopf, als ich an diesem Morgen die vielen Nachrichten meiner Freunde las. Drachen über Edinburgh. Nicht nur einer oder zwei, wie es an manchen Tagen schon einmal vorkam, sondern ein ganzes Dutzend in verschiedenen Farben, die immer und immer wieder ihre Kreise über der Stadt zogen.

Sogar einige unserer Kunden unterhielten sich leise darüber, während sie zwischen den Regalen hindurchwanderten oder die Pflanzen bewunderten, die im Verkaufsraum verstreut herumstanden.

Nachdem ich das letzte Foto von Chris in der Gruppe – vier Drachen, zwei grüne, ein roter und ein brauner – betrachtet hatte, steckte ich mein Handy in meine Tasche, um zurück an die Arbeit zu gehen. Noch waren es ein paar Stunden, bis ich den Laden abschließen konnte.

Unser kleiner Laden luibhean theaghlach, was übersetzt so viel wie »Familienkräuter« bedeutete, befand sich seit Generationen im Besitz meiner Familie. Dieser lag sicher geborgen in einem Eckhaus, direkt am Rande einer breiten Einkaufsstraße. Die großen Fenster ließen das wenige Sonnenlicht, welches man in Schottland abbekam, herein. In alten Holzregalen und auf noch älteren Holztischen wurde unsere Ware präsentiert – kleine Setzlinge, junge Pflanzen, getrocknete Kräuter und Gewächse. Alle durchtränkt mit der Magie, für die meine Familie bis über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war.

Eine Mischung aus neugierigen Touristen und vertrauten Anwohnern trieb sich im Laden herum. Ihre vielen Stimmen vermischten sich zu einem Summen in meinen Ohren. Cleo war gerade dabei, einer aufgeregt schwatzenden Dame einen Setzling zu verkaufen, während John einer Gruppe junger Frauen etwas über eine Monstera erklärte.

Ich bezog meine übliche Stellung hinter dem ausladenden Tresen aus Massivholz, der den Verkaufsraum von unserem Lager trennte. Hinter mir erhob sich das deckenhohe Regal voller kleiner Schubfächer, alter Glasgefäße und Bücher, die Jahrhunderte von Wissen beherbergten. Als ich mich auf dem Tisch abstützte, spürte ich unter meinen Fingern die von der Zeit gezeichnete Tischplatte mit ihren vielen Kratzern und winzigen Brandzeichen. Ein Zeugnis meiner Familie und der Magie, die uns verband.

Gran erzählte liebend gern die Geschichte, wie ich an meinem ersten Tag im Laden so nervös war, dass ich mir beinahe in den Finger geschnitten hatte. Die scharfe Klinge hatte aber weder mich noch das Bündel an getrockneten Kräutern getroffen, sondern eine Kerbe im Holz hinterlassen.

Ein paar Minuten lang nutzte ich meine Chance, die Menschen um mich herum zu beobachten. Wonach genau ich suchte, konnte ich nicht sagen, finden tat ich es jedenfalls nicht. In dem Moment kündigte die alte Messingglocke über der Tür neue Kundschaft an. Eine kleine Gestalt schob sich mit erschreckender Stärke durch die Massen, bis direkt vor meinen Tresen.

»Guten Tag, Briar«, erklang eine tiefe Stimme. Mit einem Schnauben setzte Rita die schwere Tasche, die sie stets dabeihatte, auf dem Boden ab. Dann richteten sich die dunklen Augen der Zwergin auf mich. »Du siehst gelangweilt aus.«

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Es ist ein ruhiger Tag.« Die Kundenschar wollte meine Worte Lügen strafen, aber Rita und ich wussten, dass keiner davon meine spezifische Kundschaft war. Denn wer zu mir kam, wollte keine hübschen Pflanzen, er wollte Zauberei. Genauso wie Rita.

Aus der obersten Schublade zu meiner Rechten holte ich ein Säckchen hervor, welches ich über die Theke schob. Darin befand sich dieselbe Mischung aus Kräutern und Kristallen, durchsetzt mit Magie, die ich Rita jede Woche zubereitete. Seufzend nahm die Zwergin den Beutel entgegen und verstaute ihn sicher in ihrer Tasche. Den Inhalt würde sie heute Abend in ihr Badewasser geben, um ihren geschundenen Gelenken nach einem langen Tag in den Mienen etwas Erholung zu gönnen.

»Das hier ist für dich.« Neben den Scheinen legte sie einen Stein auf meine Theke.

Verwirrt hob ich die Augenbraue. »Äh, danke?«

»Der ist mir heute Morgen vor die Füße gerollt, und irgendwie musste ich sofort an dich denken.« Sie warf mir einen strengen Blick zu. »Vielleicht kann er dir ja noch nützlich sein.«

Nachdenklich nahm ich den Stein in die Hand. Er war glatt und beinahe perfekt rund, wie eine Murmel, jedoch schwerer, als ich erwartet hatte. Ritas Gesichtsausdruck trieb mich dazu, ihn in meine Hosentasche zu stecken. Damit drehte sich die Zwergin um und verließ schnurstracks den Laden.

Zwerge hatten starke Instinkte, wenn es um Gestein ging. Ganz egal ob wertvolle Edelsteine oder einfache wie dieser. Sie konnten Stärken und Schwächen in ihnen erkennen, und manchmal – wie in diesem Fall anscheinend – auch, ob ein Stein noch einmal wichtig werden würde.

Lange konnte ich jedoch nicht über Ritas Worte nachdenken, denn schon bald wagte sich mein nächster Kunde hervor. Ein junger Kerl, hochgewachsen, aber schmal. Mit hellblondem Haar und braunen Augen, die unsicher über mich zuckten. Sein Lächeln war zittrig, nervös.

»Du bist neu hier.« Ich lehnte mich mit den Unterarmen auf die Tischplatte, um ihn näher zu mustern. »Bist du überhaupt schon alt genug, um Magie zu kaufen?« Die Gesetze waren klar und deutlich, keinerlei Magie für unter Achtzehnjährige. Und daran hielt ich mich.

Seine Hände zitterten wie Espenlaub, als er mir seinen Ausweis präsentierte. Er war noch nicht lange alt genug, gesetzlich sprach allerdings nichts dagegen, etwas zu erwerben. Jetzt blieb nur noch die Frage, was er wollte. »Womit kann ich dir helfen?«

Der Junge räusperte sich mehrmals, bevor er endlich sprechen konnte. »Ich, ähm, habe demnächst Zwischenprüfungen an der Uni und … na ja … schreckliche Prüfungsangst und –«

Ich hob die Hand, um ihn zu stoppen. »Da darf ich mich nicht einmischen! Jegliche Art von Magie, die während einer Prüfung angewendet wird, gilt als Täuschungsversuch.«

Aufgeregt und hektisch nickte er. »Das weiß ich. Darum geht es mir ja auch gar nicht. Es ist nur, ich kann nicht schlafen, sosehr ich es auch versuche. Jetzt bin ich so müde, dass ich mich einfach nicht mehr konzentrieren kann. Bitte!« Sein flehender Blick erinnerte mich an einen Welpen. »Ich brauche bloß etwas zum Schlafen.«

Mit den Fingern klopfte ich ein paarmal auf die Tischplatte, bevor ich dem Jungen den Rücken zudrehte, um mich den vielen Schubladen hinter mir zu widmen. Ein paar Handgriffe später hatte ich alle Kräuter beisammen und in einem Samtbeutelchen verstaut, das ich dem Jungen reichte. »Einen Teelöffel davon mit einer Tasse heißem Wasser aufbrühen und vor dem Schlafengehen trinken. Das sollte helfen.«

Er drückte den Beutel an seine Brust, so als wäre es eine Rettungsleine. »Danke, tausend Dank!«

Ich winkte ab. »Dank es mir in Scheinen.« Eines stimmte über uns Hexen, die Bezahlung war äußerst wichtig. Es steckte eine tief verwurzelte Gier in uns, die uns zu derart guten Geschäftsfrauen machte.

Nachdem der Junge bezahlt und den Laden beinahe fluchtartig verlassen hatte, gesellte Cleo sich zu mir. »Der war ja süß. Was wollte er denn?«

»Er brauchte nur etwas, um zur Ruhe zu kommen.« Ich schnappte mir einen alten Reisigbesen, um die Reste der getrockneten Kräuter wegzufegen, doch ein Blatt hielt ich Cleo hin. Sie schnupperte daran und zog nachdenklich die Stirn kraus. Cleo war eine Kräuterhexe wie ich und nicht viel älter als der Junge. Sie arbeitete nun seit einem Jahr neben ihrem eigenen Studium hier im Laden, um Erfahrung zu sammeln.

Endlich fiel der Groschen bei ihr: »Das ist …«

»Matricaria chamomilla«, beendete ich ihren Satz mit einem schelmischen Grinsen.

»Kamille?! Du hast ihm einfach nur Kamillentee mitgegeben?«

»Ich hab noch ein paar getrocknete Johannisbeeren und Melisse dazugetan. Manchmal ist die einfachste Lösung die effektivste.« Eine Lektion, die ich oft von Gran zu hören bekommen hatte.

Nachdenklich nickte Cleo, bevor sie das Kamillenblatt in ihre Taschen gleiten ließ. »Hoffentlich hilft es ihm.« Dann hielt sie mir ohne Vorwarnung ihr Handy unter die Nase, auf dem ein Foto der Drachen geöffnet war. »Hast du das schon mitgekriegt?«

Behutsam drückte ich ihr Telefon nach unten. »Schwer zu übersehen. Auch wenn bisher noch keiner an unserem Fenster vorbeigeflogen ist.«

»Was die wohl hier wollen?«, grübelte sie laut vor sich hin.

Darauf hatte ich keine Antwort. Normalerweise waren Drachen nur auf der Durchreise, wie Sternschnuppen, die man lediglich kurz sah, ehe sie wieder verschwanden. Doch heute kreisten sie bereits zu lange über der Stadt. »Vielleicht suchen sie nach etwas. Oder jemandem.«

»Irgendwie bedrohlich.« Nachdenklich starrte Cleo auf das Display.

»Die Zeit der Drachenstürme ist vorbei.« So wurden die Überfälle der Drachen genannt, die wie ein Sturm über Dörfer und Gemeinden gezogen waren und nichts als Zerstörung zurückgelassen hatten. Genauso wie die der Hexenverbrennung. Und die Versklavung der Zwerge. Im letzten Jahrhundert hatten wir übernatürliche Wesen uns zusammengerissen, um einander nicht länger das Leben schwer zu machen.

»Ich traue dem Ganzen trotzdem nicht«, grummelte Cleo weiter. »Grangran hat mir Geschichten erzählt, davon, wie ihr Coven mal angegriffen wurde. Innerhalb weniger Augenblicke waren Dutzende Hexen einfach verbrannt und von dem Dorf war nur noch Asche übrig. Es hat die Macht sämtlicher Zauberinnen gebraucht, um die Horde abzuwehren. Grangran ist gerade so mit ihrem Leben davongekommen.«

Das Bild, welches sie mit ihren Worten zeichnete, stimmte leider genau mit dem überein, das die meisten Lebewesen von Drachen hatten. Und auch von ihren Reitern. Bis heute verstand ich nicht, wie Menschen an der Seite dieser Wesen existieren konnten.

»Deine Grandma?«, hakte ich nach. »Wieso höre ich zum ersten Mal von ihr?«

»Nicht meine Grandma, meine Grangran. Die Mutter meiner Großmutter. Das Ganze ist ja auch schon mehr als hundert Jahre her.«

Wenigstens bezog sie ihr Wissen aus einer seriösen Quelle. Das Internet war voll mit Geschichten und Theorien über die Drachen. Ich schrieb diese Faszination der Geheimnistuerei der Drachenclans zu. Zwar waren die verschiedenen Clangebiete bekannt – einfach, weil die Drachen ihre Grenzen gut bewachten –, aber niemand konnte sagen, was dort genau vor sich ging. Man wusste nicht einmal, wie genau die Beziehung zwischen Drache und Reiter aussah. Was die Reiter davon hatten, konnte ich mir denken. So ein riesiges Reptil verlieh einem immerhin einiges an Macht und Sicherheit. Aber was hatten die Drachen davon? Das habe ich mich schon immer gefragt. Waren sie domestiziert wie Hunde oder Pferde, zogen sie irgendeinen Vorteil aus ihrem Zusammenleben mit den Reitern?

Die Reiter, die sich mit der Außenwelt in Verbindung setzten, lieferten natürlich keine Antworten. Sie wickelten ihre nötigen Geschäfte ab und verschwanden dann wieder hinter ihrem Nebel aus Geheimnissen. »Was mich zu meinem vorherigen Punkt bringt«, setzte ich meine Gedanken laut fort. »Die Drachen bleiben unter sich, was auch besser so ist. Also mach dir keinen Kopf.« Auffordernd nickte ich in Richtung Cleos Handy, welches sie schließlich wegsteckte.

Seufzend widmete sie sich wieder ihrer Aufgabe, allerdings nicht, ohne vorher einen Blick durch die Fenster gen Himmel zu werfen.

Ich nutzte die nächste halbe Stunde, um Inventur meiner Kräuter zu machen. Kunden kamen und gingen, aber keiner von ihnen wollte etwas von mir. Meine Füße fingen an zu schmerzen, nach einem ganzen Tag auf den Beinen. Schon jetzt sehnte ich mich nach einem heißen Bad und meinem Bett.

Als ich auf einmal hinter mir Schritte hörte, wirbelte ich herum. Ein Mann mit braunen Haaren und konzentrierter Miene stand mir gegenüber. Er war ein gutes Stück größer als ich, was mich normalerweise nicht störte, aber bei ihm hatte ich das Gefühl, er ragte über mir auf.

»Guten Tag. Womit kann ich helfen?« Ich musste dem Drang widerstehen, die Arme vor der Brust zu verschränken.

»Ich suche nach Fia Delga«, kam es knapp und ohne Begrüßung.

»Meine Gran ist nicht da, aber ich bin sicher, dass ich helfen kann.« So freundlich wie möglich lächelte ich ihn an, obwohl es mir schwerfiel. Etwas an dem Typen kam mir nicht richtig vor. Er hatte die dichten Augenbrauen zusammengezogen, was einen scharfen Schatten über sein Gesicht warf. Zuerst ließ ihn das älter wirken, doch je länger ich ihn betrachtete, desto jünger erschien er mir. Ich schätzte ihn auf ungefähr mein Alter.

»Ich benötige einen Heilzauber«, gestand er nach einem Moment angespannten Schweigens. Dabei hatte er nicht ein einziges Mal geblinzelt, so als könnte ich jede Sekunde verschwinden.

Nachdenklich ließ ich meinen Blick über ihn gleiten. Äußerlich war nichts Besonderes an ihm, und ich konnte auch keine offensichtliche Verletzung erkennen. Ich konzentrierte mich auf seine Energie, auf der Suche nach irgendeinem Schaden, doch da war nichts. Verwirrt blinzelte ich ihn an. »Worum genau geht es?«

»Es ist etwas kompliziert zu beschreiben«, war die einzige kryptische Erklärung, die ich erhielt.

So langsam war meine Neugierde geweckt. Normalerweise lief hier alles stets nach dem gleichen Prinzip ab: Symptome vorstellen, Krankheit benennen, Kräuter herausgeben. Und auch wenn ich meine Arbeit liebte, war das auf Dauer etwas langweilig. »Wenn Sie es nicht erklären können, wäre es hilfreich, wenn ich den Patienten sehen und mit ihm sprechen könnte. Ansonsten kann ich nicht wirklich helfen.«

Der Typ ballte die Fäuste, bevor er sich innerlich zur Ruhe rief. »Das ist nicht möglich.«

Langsam wurde ich nervös und besorgt. »Wenn der Patient irgendwo feststeckt, dann sollten Sie den Rettungsdienst alarmieren. Die haben meist auch Heiler, wenn man sie braucht.«

Er schüttelte energisch den Kopf. »So schlimm ist es nicht.«

Lüge, fuhr es mir durch den Kopf.

Nach einigem Zögern fügte er hinzu: »Wenn du ihn sehen könntest, könntest du ihm helfen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Mit hoher Wahrscheinlichkeit.« Immerhin hatte ich Hunderte Krankheitsbilder studiert. Allerdings machte ich normalerweise keine Hausbesuche.

Er nickte zackig, als hätten wir etwas ausgemacht. Ohne ein weiteres Wort verschwand er und ließ mich für ein paar Atemzüge sprachlos zurück.

»Was war das bitte gerade? Fucking schräg«, holte ich mich laut aus meiner Verwunderung zurück. So viel zu einem spannenden Mysterium. Wahrscheinlich hätte sich sowieso nur herausgestellt, dass sein Kumpel eine Alkoholvergiftung oder so was hatte.

Kopfschüttelnd nahm ich also wieder meine Arbeit von vorhin auf – und ertappte mich dabei, wie mein Blick ab und an durch die Menge wanderte, auf der Suche nach dem seltsamen Fremden. Meine Neugierde war nicht befriedigt.

Die Dämmerung legte sich bereits über Edinburgh, als ich endlich den Laden zuschloss. Auf den letzten Drücker waren noch einige Kunden hereingeschneit, sodass sich das abendliche Aufräumen etwas nach hinten verschoben hatte. Jetzt war ich einfach froh, auf dem Weg nach Hause zu sein. Mit dem Bus waren es lediglich ein paar Minuten von der Altstadt zu dem großen Grundstück meiner Familie, auf dem neben unserem alten Haus auch die vielen Gewächshäuser standen. In diesen war ich aufgewachsen und sie waren mir immer noch einer der liebsten Orte auf der Welt. Deshalb konnte ich bis heute nicht so ganz verstehen, weshalb meine Eltern weggezogen waren. Obwohl sie stets betonten, dass das sonnige Wetter in Frankreich sie dorthin gelockt hatte. Lediglich ich war bei meiner Gran geblieben, um unser Familiengeschäft weiterzuführen.

Im Kopf ging ich noch einmal die Liste der zur Neige gegangenen Kräuter durch, bevor ich die Zeit nutzte, um meine Großmutter anzurufen. Es klingelte mehrmals, bis sie ranging. »Briar, Kind, bist du auf dem Nachhauseweg?«

Ich lehnte meine Stirn an die kühle Fensterscheibe, hinter der die Stadt vorbeizog. »Ja, endlich. Heute Abend war überraschend viel los.«

Gran brummte zur Antwort. Ich sah direkt vor mir, wie sie gerade in der Küche herumwerkelte, in den Töpfen auf dem Herd köchelte etwas, ihr allabendlicher Tee zog bereits in der antiken Kanne, die mit Vergissmeinnicht bemalt war. Als der Bus über ein Schlagloch holperte, kehrte ich in die Realität zurück. »Rita war heute da und hat mir einen Stein überreicht.« Ich konnte das Ding in meiner Hosentasche spüren.

»Du bist nun einmal ihr Liebling. Pass gut darauf auf«, wies Gran mich an.

»Aber klar doch.« Ich würde den Stein ganz sicher nicht wegschmeißen. Auch wenn ich mir nicht denken konnte, inwiefern er mir etwas nützen sollte.

»Hast du die Drachen heute auch gesehen?«, fragte ich sie einem Impuls nachkommend. Cleos Geschichte hing wie Spinnweben in meinen Gedanken.

»Sicher, mein Kind.« Gran klang nicht beunruhigt oder so etwas, was mich darin bestätigte, keinerlei Sorgen aufkommen zu lassen.

»Gab es in unserer Familie eigentlich schon mal einen Konflikt mit den Drachen?« Über die Jahre hatte ich mich durch unsere Familienchroniken gearbeitet. Darin stand zwar nichts über derartige Fehden, trotzdem drängte es mich nachzufragen.

Einige Augenblicke vernahm ich lediglich Grans leises Summen, ein Anzeichen dafür, dass sie nachdachte. »Nicht dass mir etwas bekannt wäre. Drachen haben wenig Verwendung für Kräuterhexen. Genauso wenig wie ihre Reiter.«

Seufzend nickte ich, auch wenn sie es nicht sehen konnte. Am liebsten hätte ich weiter nachgebohrt, doch Gran lenkte das Gespräch bereits auf ein anderes Thema.

»Ist sonst noch etwas vorgefallen?« Meine Großmutter hatte schon immer einen Riecher für Derartiges.

»Ja, ein Typ war da und hat mir sehr seltsame Fragen gestellt. Zuerst wollte er unbedingt dich sprechen, dann hat er sich mit mir zufriedengegeben. Na ja, egal, er wollte wissen, ob ich eine nicht genauer definierte Krankheit heilen kann, ohne die Person vor mir zu haben.« Bei der Erinnerung daran musste ich den Kopf schütteln. »Dann ist er einfach verschwunden.«

Gran schwieg kurz, wahrscheinlich rührte sie wieder in einem ihrer Töpfe. »Hast du den Mann vorher schon einmal gesehen?«

»Nein, noch nie. Er hatte auch keine wirklichen Informationen, um welche Krankheit es geht. Ich habe ihn aber darauf hingewiesen, dass auch Notärzte einige Zauber beherrschen.«

»Dann hast du alles getan, was du kannst. Der Rest ist ihm überlassen. Es scheint, als wäre der Tag heute sehr ereignisreich gewesen. Das hat dir sicher gefallen.«

Ich ließ ihre Worte einen Moment auf mich wirken. So ganz unrecht hatte sie nicht. Auch wenn das Gespräch mit dem Fremden seltsam gewesen war, hatte es mich fasziniert. Ein Geheimnis hatte hinter seinen Worten gelauert, eines, welches ich nur zu gerne ergründet hätte. Aber der Mann war verschwunden und ich würde ihm sicher nicht mehr begegnen.

»Es war auf jeden Fall spannend«, murmelte ich leise.

Ich erhielt ein neuerliches Brummen als Antwort.

Ehe ich etwas erwidern konnte, hielt der Bus an meiner Haltestelle. »Ich muss jetzt aussteigen. Bis gleich, Gran«, informierte ich sie. Dann legte ich auf.

Vor mir lag ein kurzer Fußweg durch die ruhig daliegenden Straßen. Die letzten warmen Sonnenstrahlen erhellten die Baumspitzen des Blackford Park, in dem ich schon als Kind gespielt hatte. Von hier aus hatte man einen unglaublichen Blick über Edinburgh, vor allem, wenn die Sonne auf- oder unterging.

»Was ein seltsamer Tag.« Drachen über der Stadt und ein skurriler Fremder. Wir hatten häufiger seltsame Kunden, die verbotene Pflanzen kaufen wollten oder es einfach lustig fanden, die Zeit anderer Leute zu verschwenden. Trotzdem ließ mich etwas an dieser Begegnung nicht los.

Vollkommen in Gedanken versunken registrierte ich nur beiläufig, dass die Welt um mich herum verstummt war. Kein Vogel zwitscherte mehr und auch der Wind schien zu schweigen. Zu spät bemerkte ich den Schatten, der sich mit einem Mal über mich legte. Erst konnte ich keine genaue Form ausmachen, dann erkannte ich ein Paar riesige Flügel.

Mein Körper reagierte, angetrieben von der altbekannten Warnung, ganz von allein. Hatten sie mich in ihren Krallen, dann wäre alles zu spät! Ich sprintete los, bemerkte dabei kaum, wie mein Rucksack mir von den Schultern rutschte.

Drache!

Ein massives fliegendes Reptil war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Inzwischen konnte ich sein Flügelschlagen hören, genauso wie seinen Atem, der mich an einen riesigen Blasebalg erinnerte. Meine Lunge brannte, als ich weiterhechtete.

Das alles erschien mir so unwirklich wie ein schrecklicher Albtraum, aus dem ich nicht aufwachen konnte. Es gab keine Drachenstürme mehr! Niemand wurde einfach so von der Straße gepflückt wie eine Blume vom Straßenrand.

Die Mauer unseres Grundstücks, und damit die Sicherheit, kam in Sicht. Seit Jahrhunderten schützte uns ein Zauber, den nichts durchbrechen konnte. Dahinter erhob sich unser stattliches Haus, mit den kleinen Türmen und den großen Fenstern. Zwar hatte dieser Schutzschild es noch nie mit einem Drachen aufnehmen müssen, aber ich vertraute blind auf die Magie meiner Familie. Doch so kurz vor dem Ziel konnte sie mich nicht beschützen.

Krallen, lang wie meine Unterarme, schlossen sich um meine Mitte, und plötzlich berührten meine Füße nicht länger den Boden. Meine Beine schienen das noch nicht begriffen zu haben, denn sie rannten einfach weiter.

Auch mein Verstand kam nicht so ganz hinterher. Er drängte mich, weiterzukämpfen, meine Magie zu rufen, doch in der Luft gab es keine rettenden Pflanzen.

Mit atemraubender Geschwindigkeit wurde die Welt unter mir kleiner, bis unser Haus bloß noch wie ein Spielzeug aussah. Adrenalin raste durch meine Adern, doch die Furcht lähmte meinen Körper. Ein letzter Gedanke schoss durch meinen Kopf, bevor alles schwarz wurde.

Ich werde es nicht zum Abendessen schaffen.

Galium odoratum Waldmeister

Ein grausames Pochen hinter meiner Stirn weckte mich. Der Schlaf hielt mich weiterhin gefangen, auch wenn die Realität bereits ihre Finger nach mir ausstreckte. Eiskalter Wind schlug mir ins Gesicht. Und ich bemerkte, dass ich auf hartem, kaltem Boden lag, ganz sicher also nicht in meinem eigenen warmen Bett.

Diese Erkenntnis brachte mich endlich zum vollständigen Erwachen.

Mehrmals musste ich blinzeln und mir die zerzausten Haare aus dem Sichtfeld halten, bevor ich klar sehen konnte. Das Erste, was ich wahrnahm, war der erdige Boden unter mir. Vor mir erstreckte sich das stürmische Meer bis zum von grauen Wolken bedeckten Horizont.

Ich setzte mich so schnell auf, dass die ganze Welt sich einige Herzschläge lang drehte und ich dagegen ankämpfen musste, meinen Mageninhalt von mir zu geben. Auch meine Muskeln protestierten, so als hätte ich sie lange nicht mehr benutzt. Hekate sei Dank konnte ich keinerlei äußerliche Verletzungen an mir feststellen.

Es ergab einfach keinen Sinn. Wo war ich? Zu Hause jedenfalls nicht. Selbst vom Laden aus konnte man das Meer nicht sehen.

Der Schwindel ließ nach, dafür kehrten meine Erinnerungen allmählich zurück. Die Krallen um meine Hüfte, der Boden, der sich zunehmend weiter entfernte. Die Sicherheit meines Zuhauses, das ich niemals erreichen würde.

Ich war von einem Drachen verschleppt worden.

So etwas passierte nicht mehr. So etwas passierte erst recht nicht einer Hexe mitten in einer Stadt. Trotzdem war ich am Leben und körperlich unversehrt, aber das konnte sich jederzeit ändern.

Mein Überlebensinstinkt meldete sich mit einem Brüllen, wies mich an, meine Magie zu nutzen, wurde jedoch auf der Stelle von den grausamen Kopfschmerzen erstickt. Sorge trieb meinen Puls in die Höhe, was das Pochen hinter meinen Schläfen nur noch verstärkte. So konnte ich keinen klaren Gedanken fassen.

Langsam kam ich auf die Beine, auch wenn ich mich an der Wand neben mir abstützen musste. Erst da erkannte ich, dass ich mich in einer Art Höhleneingang oder am Anfang eines Tunnels befand. Vor mir lag ein kleiner Vorsprung, und es sah stark danach aus, als würde dahinter eine steile Klippe lauern, an deren Fuß das stürmische Meer leckte.

Vorsichtig machte ich ein paar zittrige Schritte auf das Plateau hinaus, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen, doch ich prallte gegen eine unsichtbare Wand. Ein überraschtes Keuchen entfuhr mir, bevor ich den Zauber mit meiner eigenen Magie abtastete. Es war ein Grenzzauber, und so wie er sich anfühlte, ein sehr mächtiger. Da war keine Schwäche in ihm, kein Punkt, an dem ich ansetzen konnte, um hindurchzuschlüpfen. Nicht dass es mir etwas gebracht hätte. Von dem Vorsprung führte mit ziemlicher Sicherheit kein Weg nach unten.

Trotzdem nahm ich mir vor, weiter nach einer Lösung zu suchen, sobald ich diesen Kopfschmerz endlich los war. Ich musste, schließlich wollte ich nicht als Drachenhäppchen enden. »Ob sie einen wohl im Ganzen bei lebendigem Leib verschlucken oder eher zu kleinen Portionen verarbeiten?«, grübelte ich laut vor mich hin, um meinen Herzschlag zu beruhigen. Aber solange ein Presslufthammer mein Hirn bearbeitete, war das unmöglich.

Da es keinen Weg nach vorne, zum Meer hinunter gab, musste ich mich wohl oder übel tiefer in den Tunnel hinter mir hineinwagen. Bei dem Gedanken stellten sich sämtliche meiner Härchen auf. Die Kopfschmerzen und mein Herz pochten um die Wette. »Briar, reiß dich zusammen … Wenn es eine Lösung gibt, dann findest du sie da drinnen«, ermutigte ich mich. Vielleicht existierte ja noch ein anderer Ausgang oder ein Tunnelsystem. Obwohl das auch nicht gerade verlockend war.

Der Tunnel war nicht sonderlich lang und öffnete sich schon bald zu einer großen Höhle. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, und tatsächlich! In der Höhlendecke gab es eine beinahe kreisrunde Öffnung, etwa zehn Meter breit. Ich konnte den grauen Himmel ausmachen und einige Gräser, die sich im Wind wogen. Was jedoch in meinem Magen ein ungutes Gefühl auslöste, war das riesige Stahlgitter, das die Öffnung bedeckte. »Damit will man sicher etwas hier drin behalten.« Etwas Großes, Gefährliches, Drachenförmiges vielleicht. War das hier so eine Art Stallung, wo sie das Lebendfutter einfach herunterschmissen? Leider gab es keine Möglichkeit, diesen Ausgang zu erreichen. Selbst wenn ich klettern könnte, zwischen der Öffnung und den Höhlenwänden lagen immer noch einige Meter, und Über-Kopf-Klettern würde ich niemals wagen. Kurz knirschte ich mit den Zähnen, nur um sofort wieder aufzuhören, da es meinen Kopfschmerz befeuerte.

Verdammt, ich brauche irgendetwas dagegen, dringend.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit der Fläche direkt unter der Öffnung zu, die übersät war mit Wildblumen und Kräutern. Mit ganz viel Glück und wenn Hekate es gut mit mir meinte, würde ich dort etwas Passendes finden. Gerade, als ich einen Schritt darauf zu machte, fiel ein Stein in die Höhle herab und kullerte bis vor meine Füße. Verwirrt hob ich den Blick. Drei Gestalten waren am Rand aufgetaucht. Und als ich eine davon erkannte, verwandelte sich meine Verwirrung schlagartig in verzweifelten Zorn. Der seltsame Typ aus dem Laden!

»Du willst mich doch verarschen?!?« Lauter rief ich: »Was soll der Scheiß! Lasst mich sofort hier raus!«

Viel war nicht von den Gesichtszügen des Mannes zu sehen, nur, dass er die Arme vor der Brust verschränkte. »Das geht leider nicht.«

»Fick dich! Lös diesen beschissenen Schutzzauber, bevor ich es dich bereuen lasse!« Der Boden begann zu beben und die Wildkräuter wuchsen ein Stück, doch zu mehr war ich nicht in der Lage. Meine Kopfschmerzen zerstörten meine Konzentration.

Ich beobachtete, wie die drei ihre Köpfe zusammensteckten, während ich auf und ab ging. Bei meinen Kidnappern musste es sich um Drachenreiter handeln. Und wo man Reiter fand, waren Drachen nie weit. Mir stand nicht der Sinn danach, einem dieser Viecher ein weiteres Mal derart nahe zu kommen. Ein Grund mehr, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.

Die drei waren anscheinend zu einer Übereinkunft gekommen, denn der Mann sprach weiter: »Wir lassen dich gehen, sobald du ihn geheilt hast.«

Verwirrt blickte ich zwischen seinen beiden Begleitern – alles Männer – hin und her. Er musste wohl einen von ihnen meinen. »Wird schwer von hier unten«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

»Er ist direkt bei dir«, erklärte er kurz angebunden –wahrlich ein Meister in kryptischen Antworten. Trotzdem stellte sich augenblicklich ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend ein. Bevor ich allerdings genauer nachfragen konnte, schmiss er abermals etwas zu mir herunter. Unmittelbar darauf zeigte sich, dass es sich um Leuchtkäfer – schwebende Lichtkugeln – handelte, welche innerhalb weniger Augenblicke die bisher im Zwielicht gefangene Höhle erhellten. Meine Augen zuckten unsicher über die Umgebung, in der Hoffnung, eine Person zu entdecken, die mir bisher noch nicht aufgefallen war. Doch was ich stattdessen fand, ließ mich erstarren. Meine schrecklichsten Vermutungen wurden bestätigt.

Verborgen in einer Ecke der Höhle lag ein eingerollter Drache.

Ein Schrei löste sich aus meiner Kehle, den ich schnell mit den Händen zu dämpfen versuchte, damit der Drache mich nicht bemerkte. Nur am Rande meines vollkommen aufgewühlten Verstandes nahm ich wahr, dass ich die letzten paar Minuten bereits durch die Gegend gebrüllt hatte. Und so stand ich nun eine gefühlte Ewigkeit einfach bloß da, die Hände vor den Mund geschlagen und ein so laut pochendes Herz in meiner Brust, dass es in meinen Ohren dröhnte. Doch der Drache rührte sich nicht.

»Heile ihn, dann lassen wir dich frei«, rief der Mann zu mir herunter, bevor er mit seinen Begleitern verschwand.

Seine Stimme durchbrach meine Starre. Am liebsten hätte ich ihm ein paar deftige Worte hinterhergerufen, aber das würde leider nichts bringen. Stattdessen stieß ich eine Reihe wohlgewählter Flüche aus, die jedoch in meinem Zustand nicht ihren Zweck erfüllen würden.

Ich versuchte meine Panik zu bändigen, meinen Herzschlag zu beruhigen und nahm einige tiefe Atemzüge. Dabei beobachtete ich den Drachen aus dem Augenwinkel. Bisher war ich einem Drachen niemals so nah gewesen – na ja, bis auf diesen klitzekleinen Zwischenfall mit meiner Entführung. Wiederholen wollte ich das nicht so schnell.

Gleichzeitig drängte der Gedanke an die Oberfläche, mir diese einmalige Chance nicht entgehen zu lassen. Meine überentwickelte Neugierde trieb mich an, sie überlagerte sogar meinen Überlebensinstinkt. Vor mir lag ein geheimnisumwobenes Wesen, aus Magie und Mysterien. Wie konnte ich da anders, als es studieren? Meine Füße bewegten sich, bevor ich die Entscheidung bewusst getroffen hatte.

Langsam und stückchenweise schlich ich näher an den unbeweglichen Drachen heran, dabei behielt ich ihn immer genau im Auge. Als uns nur noch wenige Meter trennten, blieb ich stehen. Dieses Exemplar war riesig, seine Flügelspannweite musste mit der eines kleinen Jets übereinstimmen. Vier verschieden große Hörner thronten auf seinem Kopf, der auf einem langen Hals saß, an dem sich gefährlich aussehende Spitzen entlangzogen. Dabei erinnerte mich das intensive Grün seiner Schuppen an einen Wald, doch sobald Licht darauffiel, schimmerten sie perlmuttfarben. Kräftige Beine endeten in Tatzen, die von langen, scharfen Krallen gekrönt waren. Sein Schwanz war um ihn herumgewickelt, wie Katzen es gerne taten.

Mit einem Mal gab der Drache ein Schnauben von sich und ich erstarrte. War es jetzt so weit? Endete ich nun als Häppchen? Doch er verlagerte lediglich ein wenig seinen Kopf, um dann friedlich weiterzuschlafen.

Einige schrecklich lange Herzschläge stand ich wie versteinert da, und als der Drache sich kein weiteres Mal rührte, setzte mein Verstand wieder ein. Behutsam trat ich den Rückweg an, um mich erneut auf die Linderung meiner Kopfschmerzen zu konzentrieren. Ich brauchte einen klaren Kopf, andernfalls würde ich es nicht lebend aus dieser brenzligen Situation herausschaffen.

Zurück neben den Wildkräutern, die ich dank der Lichtkäfer nun besser sehen konnte, ging ich sie einzeln durch, bis ich auf etwas stieß, was mir helfen konnte. Waldmeister. Diese kleinen grünen Blätter hatten mehr drauf, als bloß ein Getränk mit Geschmack zu versorgen. Ich grub die Finger neben einer der Pflanzen in die Erde, damit meine Magie direkt auf die Wurzeln wirken konnte. Zum Glück kostete es mich nicht viel Energie, die bereits vorhandenen Heilkräfte zu verstärken. Die in Blüte stehende Pflanze schoss noch ein kleines Stück in die Höhe, bis ich mit ihr zufrieden war.

Normalerweise würde ich jetzt einen Tee brauen, aber ohne heißes Wasser blieb mir nichts anderes übrig, als auf den Blättern herumzukauen, darauf bedacht, nicht zu viel zu nehmen. Waldmeister konnte unangenehme Nebenwirkungen haben. Zum Beispiel noch schlimmere Kopfschmerzen.

Einige qualvolle Minuten später setzte die Wirkung ein, sodass ich durchatmen konnte. »Oh, Hekate sei Dank. Erlösung.« Nachdem sich mein Gehirn nun endlich geklärt hatte, widmete ich mich wieder meiner eigentlichen Mission.

Von hier zu verschwinden.

Ich rappelte mich auf, klopfte mir den Dreck von den Beinen, und nachdem ich sichergegangen war, dass der Drache nach wie vor schlief, schlich ich zurück zum Höhleneingang. Diesmal nahm ich mir mehr Zeit, den Grenzzauber zu inspizieren. Zu meiner Unzufriedenheit bestätigte sich mein Verdacht von vorhin, dass er extrem mächtig und ausgeklügelt war. Was die Frage aufbrachte, wie die Drachenreiter an solche Magie gekommen waren? Bisher war ich stets davon ausgegangen, dass die Reiter sich nichts aus Magie machten, aber die Indizien ließen einen anderen Schluss zu: In einem oder mehreren Reitern floss magisches Blut.

Ein weiteres Mal tastete ich den Grenzzauber mit meiner Magie ab, bis ich es aufgab. »Das hat man davon, wenn man die Kapitel mit Grenzzaubern bloß überfliegt.« Ich hatte nämlich keine Ahnung, wie ich das Ding knacken sollte.

Ein scharfer Wind pfiff vom Meer herüber und trieb mich wieder tiefer in die Höhle. Diesen Ausgang konnte ich abschreiben. Also musste ich drinnen weiter nach einer Lösung suchen.

Vorsichtig wagte ich mich zurück in die große Höhle, immer in der Erwartung, dass mich gleich etwas anspringen würde. Doch zu meiner Erleichterung empfing mich kein Drache mit offenem Maul.

»Sei ein braver Drache und schlaf einfach weiter«, murmelte ich dem Vieh in der Ecke zu. Wer weiß, vielleicht lag ein Schlafzauber auf der Kreatur, sodass sie gar nicht aufwachen konnte. Dann müsste ich mir wenigstens keine Sorgen machen, als Nachmittagssnack zu enden. Oder Vormittag. »Wie spät ist es eigentlich?« Ich versuchte, die Uhrzeit am Stand der Sonne zu deuten. Leider scheiterte ich kläglich, was vor allem daran lag, dass ich nur grauen Himmel durch das Loch in der Decke sehen konnte. Da die Sonne bereits unterging, als ich gekidnappt wurde, ging ich davon aus, dass inzwischen ein neuer Tag war.

»Verflucht! Gran dreht sicher gerade durch!« Ich wanderte die Höhle ab, auf der Suche nach etwas Hilfreichem, doch außer Geröll und der einen oder anderen verkümmerten Pflanze konnte ich nichts entdecken. In einer Ecke gab es einen kleinen Teich. Das Wasser darin war klar, aber eine Magenverstimmung wollte ich in meiner derzeitigen Lage garantiert nicht riskieren.

Die Hände in die Hüften gestemmt stoppte ich, um noch einmal zu der Öffnung hochzuschauen. Es gab keinerlei Möglichkeit, zu dieser zu gelangen, ohne dass ich mir dabei das Genick brach.

»Verdammt noch mal. Wieso lande ausgerechnet ich in so einer bescheuerten Situation?«

»Redest du eigentlich immer mit dir selbst?« Die Worte dröhnten dunkel von den Höhlenwänden zurück.

Vollkommen erschrocken suchte ich die Umgebung nach der Quelle der Stimme ab. »Wer ist da?«, brachte ich meine Worte zittrig hervor.

»Ein Gespenst.« Und nun wusste ich sehr wohl, von woher die Stimme kam.

Leider beruhigte es mich kein bisschen, als ich mich in Richtung des Drachen wandte. Dieser lag unverändert da, aber eines seiner Augen – so groß wie ein Teller und von einem metallischen Silber – war offen.

Diesmal schrie ich nicht. Ich konnte nicht. Stattdessen erstarrte ich einfach nur zur Salzsäule. Ich musste mich verhört haben. Vielleicht hatte ich mir den Kopf angeschlagen und vernahm nun Stimmen. Denn die andere Möglichkeit war … Nein, das konnte nicht sein. »Hast du … gerade gesprochen?«

Träge blinzelte der Drache. »Scheint wohl so.«

»Du kannst das?« Ich war von der Offensichtlichkeit meiner eigenen Frage vollkommen perplex. Doch er ging nicht weiter darauf ein.

Der Drache seufzte, bevor er seine Position leicht veränderte. »Ich versuche hier zu schlafen, was bei deinem Gemurmel unmöglich ist.« Seine Stimme klang ein wenig, als käme sie aus einem tiefen Brunnen, gleichzeitig hallte sie so laut, wie man es bei einem Wesen von seiner Größe erwarten konnte. Nichts an ihr war menschlich, außer der Art, sich auszudrücken. Träumte ich? Oder war das wirklich die Realität? Seit wann konnten Drachen sprechen? Mir war klar, dass ich so gut wie nichts über sie wusste, aber solch eine Information konnte unmöglich verborgen bleiben!

Der freche Ton hinter seinen Worten ließ mich wie von selbst meine Angst vergessen und riss mich aus meiner Erstarrung. »Wenn dein Reiter mich hier rauslassen würde, dann könntest du in Ruhe schlafen!« Sofort biss ich mir auf die Zunge. Hatte ich das eben wirklich gesagt? Und damit einen Drachen provoziert? Ich hoffte bloß, er hatte keinen Appetit auf Hexen mit derart losem Mundwerk wie meinem. Eine Antwort erhielt ich nicht. Stattdessen schloss der Drache sein Auge wieder. Offensichtlich war ihm sein Schlaf wichtiger als sein knurrender Magen.

In der plötzlichen Stille konnte ich mich beinahe davon überzeugen, dass ich mir das kurze Gespräch nur eingebildet hatte. Immerhin erschien es mir vollkommen an den Haaren herbeigezogen, dass ich ausgerechnet über den einzigen sprechenden Drachen gestolpert war.

Die andere Möglichkeit war, dass sie alle sprechen konnten.

Die Drachen lebten schließlich so abgeschottet vom Rest der Welt, da gab es sicherlich das eine oder andere, was wir nicht wussten. Seit ich auf der Welt war, hatte ich von keiner einzigen direkten Begegnung mit den übergroßen Reptilien gehört. Alle Fotos waren aus der Ferne aufgenommen, dabei konnte man nicht einmal die Reiter auf ihren Rücken erkennen. Und jetzt hatten diese elenden Geheimnistuer es gewagt, mich einfach zu entführen. Anstatt mich wie jeder andere normale Patient anzufragen. Dieser dämliche Reiter war sogar vor mir gestanden, hatte sich dann aber doch für diesen Weg entschieden.

In mir brodelte es, weswegen ich mich mit ein wenig mehr Selbstvertrauen an den Drachen heranwagte. »Dieser Typ hat gesagt, dass ich dich heilen soll. Du siehst aber nicht krank aus.« Auf Höhe seiner Schnauze, dennoch mit genug Abstand, blieb ich stehen.

Der Drache seufzte erneut, was einen harten, heißen Luftzug über mich schickte. »Ich bin nicht krank.«

Frustriert warf ich die Hände in die Luft. »Mir ist schon klar, dass die Drachenclans sehr viel Wert auf ihre Geheimniskrämerei legen, trotzdem finde ich, dass mir als Entführungsopfer wenigstens ein paar Wahrheiten zustehen.«

Der Drache kniff die Augen zusammen, nicht ganz unähnlich dem Gesichtsausdruck, den ich sicher vor ein paar Minuten hatte. »Kannst du bitte nicht schreien?«, brummte er dann. »Mein Schädel pocht schon genug.«

Eine meiner größten Schwachstellen war wohl, dass ich es nicht schaffte, an verletzten Wesen vorbeizugehen. Bereits in meiner Kindheit hatte ich allerhand kranke und verletzte Tiere gesund zu pflegen versucht. Auf unserem Grundstück gab es einen kleinen Hügel, der den Namen »Kleintierfriedhof« trug, weil ich dort zusammen mit Granpa alle Wesen begraben hatte, die wir nicht retten konnten.

Ich wusste nicht, ob ich damit geboren worden war oder ob es mir anerzogen wurde, aber ich war nicht in der Lage wegzuschauen, wenn ein anderes Wesen litt. Theoretisch hatte dieser Drache mir ja nichts getan. Mal abgesehen von den Kopfschmerzen war ich unverletzt.

Deshalb erfassten mich sofort Schuldgefühle, als ich die Schmerzen des Drachen bemerkte. Auch wenn er möglicherweise Menschen fraß, hatte er es nicht verdient zu leiden.

»Wie schlimm sind deine Kopfschmerzen?«, fragte ich mit sanfterer Stimme.

»Ich habe das Gefühl, mir ist ein ganzer Berg auf den Kopf geknallt«, kam die grummelige Antwort.

»Okay, gib mir eine Minute.« Jetzt, wo ich meine eigenen Schmerzen unter Kontrolle hatte, fiel es mir deutlich leichter, meine Magie zu rufen. Erneut kniete ich mich neben dem Waldmeister auf den Boden und grub meine Finger in die trockene Erde. Die Magie kribbelte in meinen Adern, doch im letzten Moment hielt ich sie zurück. Durch meine Wimpern lugte ich in Richtung des Drachen, der keine Anstalten machte, sich zu bewegen. Bis jetzt war er mir nicht gefährlich geworden, aber vielleicht hatten seine Schmerzen ihn gelähmt. Möglicherweise würde ich mich in seinen Augen ja doch in einen Snack verwandeln, sobald er wieder klar denken konnte.

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ich durfte ihn nicht weiter leiden lassen, bloß wegen einer Möglichkeit. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte. Und eine Hexe hörte immer auf ihr Bauchgefühl.

So ein Drache wog deutlich mehr als ein Mensch, was bedeutete, dass ich genug Waldmeister brauchte, um direkt mehrere Elefanten umzuhauen. Hoffentlich gaben die Pflanzen in dieser Höhle das überhaupt her.

»Komm schon. Komm schon. Seid brave Pflänzchen und wachst schön.« Als ich die Augen das nächste Mal öffnete, saß ich umgeben von so hoch gewachsenem Kraut, dass ich um mich herum nichts anderes mehr sehen konnte. Aber wenigstens hatte ich jetzt genug Waldmeister.

Ich lud meine Arme mit dem Heilkraut voll und schleppte es zu dem Drachen. Der beobachtete mich durch ein offenes Auge. »Sehr beeindruckend.«

Ich ließ den Waldmeister vor dem Drachen auf den Boden fallen. »Lange wird das allerdings nicht halten. So viel Magie in so kurzer Zeit in eine Pflanze zu pumpen, ist nicht gesund für die armen Dinger. In ein paar Minuten werden sie leider eingehen.« Bedauern durchzuckte mich wie ein Blitz. Schnell schüttelte ich es ab. »Deshalb solltest du das hier sofort essen.«

Wenig überzeugt schaute der Drache auf den Waldmeister. »Das hilft?«, grummelte er tief.

»Kau darauf herum, bis du keinen Geschmack mehr im Mund hast, dann spuck es aus. Es sollte den Kopfschmerz zumindest abschwächen.« Meinen eigenen spürte ich bereits wiederkommen, was sicherlich an einer Kombination aus dem Verbrauch meiner Magie und Durst lag.

Der Drache streckte eine seiner riesigen Tatzen aus, wobei ich einen viel zu guten Blick auf seine langen Krallen erhaschte. Unsicher wich ich einen Schritt zurück. Doch er griff lediglich nach dem Waldmeister, um ihn in sein riesiges Maul zu stopfen.

Einige Minuten war nichts anderes zu hören als sein Schmatzen. Währenddessen beobachtete ich das Kraut dabei, wie es erst braun wurde und dann in sich zusammensank. Dann drehte der Drache seinen Kopf zur Seite und spuckte die grüne Masse aus. Er seufzte erleichtert. »Das hat wirklich funktioniert.«

»Natürlich hat es das!«, rief ich zufrieden mit mir selbst. »Ich heiße übrigens Briar.« Es war seltsam, dass ich einem Drachen meinen Namen nannte. Noch seltsamerer war es allerdings, dass er mir antwortete.

Der Drache senkte den Kopf. »Ich bin Darragh.«

Urtica Brennnesseln

Darragh. Das kam mir als Name für einen Drachen irgendwie komisch vor, aber was wusste ich schon von Drachen. Die Fäuste in die Hüften gestemmt, baute ich mich vor ihm auf. »Also, Darragh, was fehlt dir? Die Kopfschmerzen waren ja wohl nicht alles, oder?«

Er schnaubte erneut, diesmal etwas kräftiger. »Du kannst mir nicht helfen.«

Damit waren wir zumindest schon mal ein wenig weiter. Immerhin hatte er zugegeben, dass mit ihm etwas nicht stimmte. »Man sieht es mir vielleicht nicht an.« Ich deutete an mir hinab, auf die zerrissene Jeans, unter der eine Strumpfhose mit Blumenmuster hervorschaute, meine geliebten schwarzen Stiefel und die burgunderfarbene Bluse, bei der ich wie immer die obersten Knöpfe aufgelassen hatte. »Aber ich bin eine ausgezeichnete Kräuterhexe und Heilerin. Besser als die meisten in Schottland und beinahe genauso gut wie meine Gran. Als Drache fällst du ja irgendwie in den Bereich Tiere, und ich kann dir versprechen, dass meine Magie auch bei denen funktioniert. Wenn du mir also einfach sagst, was Sache ist, können wir beide aus diesem Loch verschwinden.«

Meine kleine Ansprache schien zu ihm durchzudringen, denn Darragh brummte: »Na gut.« Und als er seinen massiven Körper in Bewegung setzte, stolperte ich einen Schritt nach hinten.

Zuerst hob er seinen Kopf, was mir eindringlich vor Augen führte, wie riesig er eigentlich war. Nachdem er seinen langen Hals ausführlich gestreckt hatte – was mich erneut an eine Katze erinnerte –, stemmte er seinen Oberkörper nach oben. Allein sein Brustkorb war so groß wie ein Kleinwagen.

Allerdings wurde mein Interesse schnell auf etwas anderes gelenkt, sobald er seine Flügel ausbreitete. Sie waren so riesig, dass sie beinahe durch die gesamte Höhle reichten. Zwischen starken Knochen war ledrige Haut gespannt, die von einem dunkleren Grün war als der Rest seines Körpers. Das größte Gelenk war jeweils gekrönt mit einer grauenerregend scharf aussehenden Kralle.

Nach einigen Augenblicken faltete er den rechten Flügel wieder zusammen, hielt den linken dabei weiterhin erhoben, sodass ich einen Blick auf seine Flanke werfen konnte. Genau dort, wo der Flügel aus seinem Körper wuchs, prangte eine rötliche Stelle.

Ich machte bereits zwei Schritte auf Darragh zu, als mir auffiel, dass es vielleicht nicht so klug war, mich in Fangzahnnähe eines Drachen zu begeben. »Ich schmecke übrigens schrecklich!«

Verwirrt blinzelte er mich an. »Danke für diese Information?«

»Nur dass du es weißt, ich würde einen entsetzlichen Snack abgeben.« Vielsagend blickte ich ihn an.

Der Drache verdrehte in einer überaus menschlichen Geste die Augen. »Ich habe nicht vor, dich zu fressen.« Dann schüttelte er sich. »Ich weiß nicht einmal, woher diese groteske Vorstellung kommt. Ihr Hexen kocht doch auch keine Kinder, nehme ich mal an.«

Wo er recht hat … »Sehr gut!« Etwas beruhigt trat ich näher an ihn heran, bis ich direkt unter seinem Flügel stand. Von seinem Körper ging eine Hitze aus, die mich an einen Ofen erinnerte. Erst da merkte ich, wie kalt mir eigentlich war. Meine Klamotten waren zwar für den Frühling in der Stadt geeignet, aber ganz sicher nicht für eine Höhle irgendwo im Nirgendwo.

Die Verletzung war nicht viel größer als meine Hand, was bei einem Menschen vielleicht riesig war, doch bei Darragh nicht mehr als ein Nadelstich. »Ist es okay, wenn ich die Stelle berühre?«, fragte ich nach. Er nickte knapp, hielt den Blick jedoch abgewandt.

So behutsam wie möglich inspizierte ich die Wunde. Unter meinen Fingerspitzen fühlten sich die Schuppen leicht rau und – wenig überraschend – warm an. Sichtlich mehr überraschte mich, dass ich unter den bestimmt fingerdicken Schuppen seine mächtige Muskulatur spüren konnte. Als ich meine magischen Fühler ausstreckte, spürte ich noch etwas anderes. Feuermagie floss durch seine Adern, lebendig und mächtig.

Die Einstichstelle war leicht geschwollen und die rote Färbung stand in extremem Kontrast zu den grünen Schuppen darum herum. Als ich vorsichtig dagegendrückte, zischte Darragh auf, sodass sein ganzer Körper vibrierte.

»Wie genau ist es zu der Verletzung gekommen?« Um herauszufinden, wie ich ihm am besten helfen konnte, musste ich erst einmal wissen, womit ich es zu tun hatte.

Zu meiner Verblüffung begann er ohne Umschweife zu erzählen. »Wir waren in der Luft. Nicht weit vor der Westküste Schottlands. Auf einmal habe ich einen Stich unter dem Flügel gespürt. Wir haben es noch zurückgeschafft, bevor die ersten Symptome eingetreten sind.«

Nachdenklich nickte ich, während ich mir im Kopf eine ganze Liste mit Fragen zurechtlegte. Wer waren wir? Wo war zurück? Und waren wir denn überhaupt noch in Schottland? »Wie lange ist die Verletzung her?«, fragte ich stattdessen.

Darragh antwortete so lange nicht auf meine Frage, dass ich unter seinem Flügel hervorlugte, in der Hoffnung, etwas in seinen Gesichtszügen lesen zu können. Er hatte die Augen geschlossen, und für einen Moment glaubte ich, dass er schlafen würde. Als er endlich zu einer Antwort ansetzte, zuckte ich zusammen.

»Das muss inzwischen drei Tage her sein. Ich frage Lennox, sobald er wieder hier auftaucht.«

»Lennox ist dann wohl der Kerl, den ich eben angeschrien habe. Ist er dein Reiter?«

Darragh schnaubte ein kurzes tiefes Lachen. »So etwas Ähnliches, ja.«

Vielleicht mochten Drachen es nicht, wenn man Menschen als ihre Reiter bezeichnete. Eine weitere Frage, die auf meine innerliche Liste wanderte. »Drei Tage, hm.« Leider konnte ich nicht sagen, ob die Wunde heiß war, ich schloss einfach mal darauf. »Die Wunde ist auf jeden Fall entzündet. Das sollten wir zuerst behandeln, dann schauen wir weiter.« Ich tauchte unter dem Flügel hervor. »Mal sehen, ob ich hier irgendwas Brauchbares finde.«

Darragh rollte sich wieder zusammen und legte seinen Kopf auf den Vorderpfoten ab. »Sonderlich viel hast du hier ja nicht zur Verfügung.«

Ich warf ihm einen bösen Blick zu. »Oh, mein Fehler, tut mir leid. Beim nächsten Mal packe ich eine Tasche mit dem Notwendigsten, ehe ich entführt werde.« In diesem Moment wurde mir klar, dass ich wirklich nichts weiter zur Verfügung hatte als das Kraut in der Höhle und meine eigene Magie. »Wie genau hat sich dieser Lennox das alles eigentlich vorgestellt?«, nuschelte ich vor mich hin.

Frustriert machte ich mich daran, die Pflanzen um mich herum zu identifizieren. Mit einer sonderlich guten Ausbeute hatte ich sowieso nicht gerechnet, aber das, was ich fand, war sogar noch trauriger als erwartet. Feste Gräser und Moos brachten mir in dieser Situation rein gar nichts. Die Stelle, wo ich den Waldmeister geerntet hatte, war mittlerweile schwarz und tot, da ließ sich ebenfalls nichts mehr holen. Doch am Rand des kleinen Lichtflecks wurde ich fündig. Dort wuchsen ein paar kräftige Brennnesselpflanzen, die zwar nicht perfekt für diesen Zweck waren, allerdings besser als gar nichts. Jetzt musste ich nur noch eine Möglichkeit finden, daraus eine Paste herzustellen.

Nach etwas Suchen fand ich zwei Steine. Ein breiter flacher und ein runder, den ich gut in der Hand halten konnte. Nachdem ich die beiden nicht weit von Darragh abgelegt hatte, widmete ich mich dem wohl unangenehmsten Teil dieser Aufgabe.

»Na komm, du packst das«, versuchte ich mich anzustacheln, ehe ich mit beiden Händen in die Brennnesseln fasste. Der Schmerz war kurz und scharf, gefolgt von einem schrecklichen Juckreiz. »Autsch, Scheiße, autsch.« Fluchend schleppte ich zwei Hände voll Brennnesseln zu den Steinen.

»Deine Hände.« Darraghs eindringliche Stimme war von Besorgnis geschwängert. Etwas, was ich von ihm nicht erwartet hatte. Es war eine so seltsam menschliche Regung.

Obwohl Tränen in meinen Augen standen, winkte ich ab. »Ist nur halb so schlimm. Der Schmerz wird vergehen.«

Nachdem ich die Pflanzen abgelegt hatte, ließ ich mich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Schon jetzt betrauerte ich den Tod meiner geliebten Jeans, die hier sicher noch einiges durchmachen würde. Dabei war es so schwer, eine passende Hose zu finden. Gerade wenn man breite Oberschenkel und einen ausladenden Hintern besaß.