Blut fordert Blut - H.C. Scherf - E-Book

Blut fordert Blut E-Book

H.C. Scherf

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Beschreibung

„Der Frieden ist nur Schein - hinter ihm lauert der Tod“ Eine ganze Region zittert vor ihr, obwohl sie Schutz versprach. Eine schöne Frau regiert nach dem Tod des Don unnachgiebig eine italienische Region. Nur einer durchschaut ihr Intrigenspiel, kennt ihr Geheimnis, das sie angreifbar macht. Geduldig wartet er auf den Tag der Abrechnung. Ein grausamer Mafiakrieg, in den die Gerichtsmedizinerin Karin Hollmann, Hauptkommissar Spelzer und ein Serienkiller unaufhaltsam hineingezogen werden. Sie versuchen, Unschuldige zu schützen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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- Kapitel 1 -
- Kapitel 2 -
- Kapitel 3 -
- Kapitel 4 -
- Kapitel 5 -
- Kapitel 6 -
- Kapitel 7 -
- Kapitel 8 -
- Kapitel 9 -
- Kapitel 10 -
- Kapitel 11 -
- Kapitel 12 -
- Kapitel 13 -
- Kapitel 14 -
- Kapitel 15 -
- Kapitel 16 -
- Kapitel 17 -
- Kapitel 18 -
- Kapitel 19 -
- Kapitel 20 -
- Kapitel 21 -
- Kapitel 22 -
- Kapitel 23 -
- Kapitel 24 -
- Kapitel 25 -
- Kapitel 26 -
- Kapitel 27 -
- Kapitel 28 -
- Kapitel 29 -
- Kapitel 30 -
- Kapitel 31 -
- Kapitel 32 -
- Kapitel 33 -
- Kapitel 34 -
- Kapitel 35 -
- Kapitel 36 -
- Kapitel 37 -
- Kapitel 38 -
- Kapitel 39 -
- Kapitel 40 -
- Kapitel 41 -
- Kapitel 42 -
- Nachwort -

 

 

BLUT fordert BLUT

 

 

Von H.C. Scherf

 

 

Thriller

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

BLUT fordert BLUT

Band 5 aus der Serie Spelzer/Hollmann

 

© 2018 H.C. Scherf

Ewaldstraße 166

45699 Herten

Email: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten

 

Aktives Mitglied im Selfpublisher-Verband e.V.

 

Covergestaltung: VercoDesign, Unna

Bilder von: bigevil600 / prill (clipdealer)

FashionStock (Adobe Stock)

 

Dieses Ebook ist geschützt und darf ohne Genehmigung des Autors nicht

vervielfältigt oder weitergegeben werden.

 

Blut fordert Blut

 

 

Spelzer/Hollmann-Serie – Band 5

 

 

von H.C. Scherf

 

 

 

 

 

Für blutigen Mord

sei blutiger Mord!

Wer tat, muss leiden!

So heißt das Gesetz in den

heiligen Sprüchen der Väter!

 

© Aischylos

Griechischer Tragödiendichter

 

- Kapitel 1 -

Wieder traf ihn die breite Faust mit voller Wucht auf den Wangenknochen.

»Ich kenne die Männer nicht. Ihr müsst mir glauben – bitte. Ich würde es euch doch sagen.«

Die letzten Worte waren kaum noch zu verstehen, da sich ein weiterer Schwall frischen Blutes aus Lucas Mundwinkel ergoss. Ausdruckslose Augen der umstehenden Männer waren auf sein zerschlagenes Gesicht gerichtet, warteten auf etwas Bestimmtes. Schließlich trat eine schlanke großgewachsene Frau in den Vordergrund, die sich bisher schweigend zurückgehalten hatte und die Folterungen der Schläger mit einem genießerischen Lächeln verfolgte. Still saß sie zuvor in einem Korbstuhl, die Beine leger übereinandergeschlagen. Ihr schwarzes Haar bändigte ein großer strenger Knoten am Hinterkopf. Die Kleidung wirkte elegant und teuer. Vor ihr hatten die Männer eine Gasse freigelassen, damit sie das Schauspiel genießen konnte. Sie berührte mit der Fingerspitze eine der wenigen Stellen am Kopf des Gequälten, die nicht mit Blut besudelt war und drückte das Gesicht so zurecht, dass sie genau in die geschwollenen Augen blicken konnte. Was sie zu sehen bekam, war pure, nackte Angst. Das Beben des Körpers war selbst bei leichter Berührung feststellbar. Unter dem Stuhl des Mannes verströmte eine breite Pfütze den Geruch warmen Urins. Unbeeindruckt von den Qualen des Mannes starrte sie mit kalten Augen auf ihr Opfer.

»Deine Eltern haben dir einen sehr schönen Namen gegeben. Luca gefällt mir. Er hat übrigens mehrfache Bedeutung. Wusstest du, dass er zum Beispiel Morgendämmerung oder der aus Lucania Stammende bedeutet? Darüber hinaus findet man seine Bedeutung auch in der Lichte, der Glänzende, aber auch der bei Tagesanbruch Geborene. Bei dem zuletzt genannten Vergleich habe ich allerdings meine Zweifel, ob du kleiner Straßenköter den nächsten noch erleben wirst. Es sei denn, du verrätst uns innerhalb der kommenden fünf Minuten, wer dich bezahlt hat für deinen Verrat. Die Zeit läuft!«

Sie trat einen Schritt zurück, um den Blutspritzern zu entgehen, die der Mund des Opfers versprühte, als dieser zu schreien begann.

»Ich habe niemals einen Namen erfahren. Die haben mich angerufen und mir das Geld in einem Umschlag in den Briefkasten gesteckt. Selbst die Telefonnummer war unterdrückt. Glaubt mir das doch. Bitte habt Gnade mit ...«

Der Faustschlag, der Luca unterhalb des rechten Auges traf, ließ ihn gequält aufschreien. Alle Umstehenden konnten das Geräusch des brechenden Jochbeins hören. Unbeeindruckt davon wartete die Frau auf eine Antwort. Demonstrativ tippte sie im Sekundentakt auf ihre mit Brillanten besetzte Armbanduhr. Lucas Schreien wechselte mittlerweile in ein jämmerliches Wimmern. Die Hände zerrten immer wieder an den Fesseln, die ihn unerbittlich am Stuhl festhielten. Als einer der Männer gegen die Rückenlehne trat, prallte Luca mit dem Gesicht auf den schmutzigen rauen Betonboden und riss sich die Haut von der Wange. Ein schmieriger Blutstreifen zeichnete den Weg, den Lucas Gesicht nahm, als ihn dieser Schläger über den Boden zog, hin zu einer Werkbank. Ein weiterer auch mit einem schwarzen Anzug bekleideter Mann zerschnitt die Fesseln, die den armen Kerl auf dem Stuhl fixiert hatten. Er fasste mit an, um das wehrlose Opfer auf die breite Holzfläche zu hieven.

Obwohl Lucas Augen fast komplett von den stundenlangen Faustschlägen zugeschwollen waren, weiteten sie sich in dem Augenblick, als er das über sich schwebende Sägeblatt erblickte. Sein Körper vibrierte, als hätte man ihn an Starkstrom angeschlossen. Obwohl er es panisch versuchte, verließ kein Ton seine Kehle. Die Angst schnürte ihm die Luft ab. Er wusste, was auf ihn zukam, da er diese Prozedur des Öfteren selbst an anderen Opfern angewandt hatte. Wie schmerzhaft es war, bei lebendigem Leib stückchenweise zerschnitten zu werden, würde er nun zu spüren bekommen. Gnade konnte er nicht erwarten, das ließen die Gesetze der Familie nicht zu.

Wieder blickte er in das Gesicht dieser Frau, das sich für einen Moment über seines schob. Die Kälte in diesen Augen kannte das Wort Mitleid nicht. Schnell realisierte sie, dass dieser Mann nichts mehr mitzuteilen hatte. Mit einer abfälligen Handbewegung setzte sie eine Folterung in Gang, wie sie grausamer kaum sein konnte. Ein grelles, ohrenbetäubendes Kreischen erfüllte den Raum, als sich das Blatt der riesigen Kreissäge in Bewegung setzte und sich den Füßen des Opfers näherte.

Begleitet von vier Bodyguards verließ Lea Mantonelli genervt von der Erfolglosigkeit des Unternehmens das Lagerhaus und bestieg den silbergrauen Maserati, der im Hof wartete.

- Kapitel 2 -

Die kleinen Hände des Jungen schlangen sich um Elmars Hüften, zogen ihn zur Gartenbank, wo sie schließlich beide lachend Platz nahmen.

»Was hast du heute für uns gekocht, Elmar? Warte ... vorgestern gab es Pasta Bolognese, gestern Putenbruststreifen mit Rucola. Dann hast du heute bestimmt was mit Fisch. Komm, sag schon. Ich habe einen Mordshunger.«

Seine kurzen Arme streckte er dabei so weit auseinander, dass Elmar lauthals lachen musste. Er hob den kleinen Racker hoch über den Kopf und tanzte mit ihm über die Wiese hinter dem Haus. Fiorella, die in diesem Augenblick mit einer Schüssel bewaffnet die Treppe herunterkam, stimmte ein und tanzte ebenfalls um die beiden Männer herum.

»Finde ich ja ganz toll. Ich schufte mich fast zu Tode, während die restliche Familie hier eine Tarantella im Garten hinlegt. Faules Pack eben. Ich habe es schon am ersten Tag gewusst, dass ich mir Faulenzer ins Haus hole. Wahrscheinlich muss ich jetzt auch noch selbst kochen.«

Lucia, die von allen unbemerkt im Gartentürchen auftauchte, blieb empört stehen. Ihr Gesicht versuchte Verärgerung auszudrücken, was ihr nur mäßig gelang.

»Aber nein, Tante Lucia, Onkel Elmar hat bestimmt wieder was Tolles gekocht. Pass mal auf. Mama hat die Spaghetti gebracht, jetzt fehlt nur noch ... ja, was hast du denn nun, Onkel Elmar?«

Ein herrliches Bild. Lucia mit empört in den Seiten gestemmten Fäusten, Fiorella mit der Nudelschüssel über dem Kopf balancierend und ein schwarzhaariger Knirps, der fragend auf den Mann schaute, der ihn immer noch auf den Armen trug. Statt einer Antwort setzte Elmar den Kleinen auf die Wiese und stampfte gespielt beleidigt Richtung Küche.

»Ich helfe dir, Onkel Elmar, warte auf mich!«

Minuten später war der Tisch eingedeckt und vier vergnügt plappernde Mäuler genossen die Spaghetti mit Meeresfrüchten. Jeder brach sich ein Stück von der großen Ciabattastange ab, um die restliche Soße vom Teller zu wischen. Nur Elmars deutschem Einfluss war es geschuldet, dass sich Fiorella und Lucia dazu herabließen, einen Espresso mit ihm am Tisch zu trinken. Nico blies in seinen immer noch zu heißen Kakao. Ein lauer Sommerwind wehte von der Meerseite zu ihnen herüber. Der Weltfrieden schien an diesem Abend zumindest hier in Milano Marittima hergestellt.

»Ich versehe einfach nicht, warum sich die Menschen so was ständig antun müssen. Bislang war die Gegend hier zwischen Venedig und Ancona ruhig und friedlich. Nach langer Zeit war mein armer Toni das erste Opfer, jetzt fanden die Carabinieri wieder jemanden an der Via del Confine, direkt hinter dem Aeroporto. Zumindest sind sie dabei, die einzelnen Teile zusammenzusetzen. In der Stadt sprechen sie von einem anstehenden Mafiakrieg. Ob das immer noch mit dieser Sache zusammenhängt ... ihr wisst schon, das mit dem Erpresser? Ich will hoffen, dass dieses Theater nicht wieder von vorne losgeht.«

Fiorella hatte sich in eine Stimmung hineingeredet, die Elmar und Lucia Sorgen bereitete. Nico interessierte das nicht, er war mit seinem Puzzle beschäftigt. Lucia legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm.

»Mach dir darüber keine Sorgen. Das beruhigt sich schon wieder. Kann ja auch was ganz Privates gewesen sein. Du weißt doch, wie Italiener im Streit reagieren können.«

»Entschuldige mal, Lucia. Wenn jemand eifersüchtig ist, zerlegt er doch den Nebenbuhler nicht gleich in zig Teile.«

Elmar, der das Spiel des Kleinen beobachtete und das Gespräch erst uninteressiert verfolgte, drehte sich jetzt wieder den Frauen zu.

»Ich muss mal dumm fragen. Was erzählt man sich denn so in der Stadt? Da ist wohl was an mir vorbeigegangen.«

»Bisher weiß man nichts Genaues über den Hergang. Aber es wird schon hinter vorgehaltener Hand ein Name gehandelt. Die Polizei glaubt, dass es sich um einen Luca Granzini handelt, den man versucht, Stück für Stück wieder zusammenzusetzen. Der Kopf fehlt zwar noch, doch der Rest scheint zu passen. Der soll angeblich ein Soldat in der Cosa Nostra gewesen sein. Seine Familie meint, ihn identifiziert zu haben. Jetzt tippt man natürlich auf einen Racheakt aus den eigenen Reihen. Möglich, dass er gegen Regeln verstieß oder sogar Verrat beging. Wer weiß. Die fackeln da nicht lange.«

Fiorella vergewisserte sich, dass der Kleine weiter an seinem Puzzle bastelte und nichts von der Unterhaltung mitbekam. Lucias Stirn lag in Falten, was Elmar nicht entging.

»Hoffentlich lassen die wenigstens die restliche Familie in Ruhe und machen das nicht wie die Ndrangheta. Ich habe davon gehört, dass die einen ganz schrecklichen Eid ablegen müssen. Wechselt jemand von denen den Clan, muss als Strafe ein Familienmitglied sterben. Aber das sind Gerüchte, die nur selten nach draußen dringen. Sag bloß, dass du von dem aktuellen Mord nichts mitbekommen hast. Du solltest mal wieder in die Bar zu Renato gehen. Dann bist du auch auf dem Laufenden.«

Elmar winkte ab und räumte das Geschirr zusammen.

»Ich will mit diesem Mord und Totschlag nichts zu tun haben. Diese Gewalt kotzt mich an. Ich schau mal in die Zeitung. Vielleicht steht ja was drin über diesen Luca.«

Die Frauen fanden schnell ein neues Thema, während Elmar in dem Stapel der Zeitungen nach der aktuellen Ausgabe suchte. Immer noch fiel es ihm schwer, den Text ins Deutsche zu übersetzen, sodass ihm gewisse Passagen nichts sagten. Doch spürte er intuitiv, dass sich hier etwas Unerklärliches zusammenbraute. Ihn durchfuhr ein untrügliches Signal für Gefahr, auf das er sich bisher immer verlassen konnte. Er musste seine Familie beschützen.

- Kapitel 3 -

Der Sonnenschirm spendete den beiden Männern in ihren schwarzen Anzügen scheinbar genug Schatten, um die unerträgliche Hitze aushalten zu können. Zumindest behielten sie die Sakkos an. Hin und wieder tupften sie sich den Schweiß von der Stirn und nippten an ihrer Schorle, die Lucia ihnen serviert hatte. Ihr Blick wanderte immer wieder hinüber zum Tisch, an dem sich die Männer leise unterhielten. Von ihnen ging etwas unerklärbar Gefährliches aus, das bei Lucia Sensoren aktivierte. Sie hatte den Eindruck, dass Elmar, der in den vorderen Reihen die Liegestühle verschob, diese Männer ebenfalls bemerkt hatte und still beobachtete.

Beide atmeten auf, als sich die Typen schließlich erhoben, Geld auf den Tisch legten und sich Richtung Promenade davonmachten. Nur einen Augenblick blieben sie noch an der Bocciabahn stehen, um den schwierigen Wurf eines älteren Spielers abzuwarten. Als es ihm gelang, die gegnerische Kugel durch einen Kunstwurf zu blockieren, nickten sie anerkennend und verschwanden endgültig. Elmar und Lucia tauschten einen Blick, der deutlich machte, dass sie beide das Gleiche dachten und jetzt erleichtert darüber waren, dass sie sich wohl geirrt hatten. Doch so leicht ließ sich Elmars Skepsis nicht beseitigen. Er trat aus dem Bereich der Liegestühle heraus und verfolgte die Kerle mit seinen Blicken, die jetzt auf der Promenadenmauer Halt gemacht hatten und die wenigen Boote beobachteten, die an Fiorellas Bootsverleih noch im Sand auf Kunden warteten. Einer von beiden machte sich Notizen, was bei Elmar spontan einen Druck in der Magengegend verursachte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich Gefahr abzeichnete.

Die Liegestühle leerten sich allmählich. Nur wenige unentwegte Sonnenanbeter blieben noch liegen, um auch den letzten Strahl der am Horizont verschwindenden Sonne zu erhaschen. Schließlich war auch der letzte Schirm eingeklappt und alle Liegestühle standen exakt ausgerichtet vor dem Bagno. Lucia versuchte einer Gruppe von lauthals singenden Männern, von denen sie wusste, dass sie aus Deutschland kamen und ein lustiges Wochenende ohne Frauen verleben wollten, zu verdeutlichen, dass jetzt die Bar geschlossen würde. Sie ließen die hübsche Gastgeberin dreimal hochleben und schwankten lachend davon. Zufrieden schob sie die Glaswände zu und atmete kräftig durch, als Elmar sich zu ihr gesellte. Sie hatten sich angewöhnt, zum Feierabend ein kleines Glas Wein zu trinken, bevor sie gemeinsam den Heimweg antraten.

»Hast du sie auch bemerkt?«

Elmar wusste sofort, worauf Lucia hinauswollte. Er nickte und hob das Glas, um mit ihr anzustoßen.

»Ja, das waren wieder welche von denen.«

»Was glaubst du, was das bedeuten könnte, Elmar? Denkst du, dass die wieder dieses verdammte Schutzgeld einfordern? Ich kann es dir nicht erklären, aber ich habe Angst. Wenn die Typen jetzt das Spiel fortsetzen, könnte es doch gut sein, dass die es auch waren, die Commissario Paretti beseitigt haben. Ich glaube einfach nicht daran, dass der sich freiwillig das Leben nahm. Die beobachten auch Fiorella, wie du ja bemerkt haben wirst. Was sollen wir tun?«

Elmar legte Lucia beruhigend die Hand auf den Arm und griff nach der Schale, in der noch wenige Grissini übrig geblieben waren. Seine gespielte Ruhe konnte Lucia nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihm rumorte. Etwas schien ihn zu beschäftigen, womit er sie nicht behelligen wollte. Dieser Mann besaß noch so ungeheuer viele Geheimnisse, von denen sie nichts ahnte. Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich alle kennen wollte. Ein Gefühl sagte ihr, dass sie seine Vergangenheit besser auch als solche unberührt lassen sollte. Wenn er davon berichten wollte, würde er es eines Tages tun. Für sie und ihre Freunde stellte Elmar das Beste dar, was ihr passieren konnte. Da war sie sich sicher.

»Gib mir Zeit, damit ich nachforschen kann. Vielleicht weiß Renato schon etwas über diese Sache. Lass uns nachher dort mal wieder reinschauen, Liebes. Ein kaltes Bier könnte mir gefallen nach dieser Hitzeschlacht heute. Ist das für dich okay?«

»Sicher, Elmar, tu das. Aber bitte ohne mich. Ich möchte gleich einfach nur auf der Schaukel liegen und in den Himmel schauen. Das war heute Trubel genug, da brauch ich diese vielen Leute nicht auch noch am Abend. Bleib nur nicht so lange. Du weißt, dass morgen wieder Gästewechsel ist. Komm, lass uns gehen, ich habe ein wenig Hunger.«

 

»Na dich habe ich ja schon seit Monaten nicht mehr gesehen, Elmar. Hast du eine andere Bar gefunden?«

»Jetzt halt mal die Füße still, Renato. Ich war jetzt genau vier Tage nicht hier. Ich musste erst meinen Kredit genehmigt bekommen, damit ich mir deine hohen Bierpreise auch zukünftig wieder erlauben kann. Jetzt hätte ich gerne wieder eines davon ... also ... una birra per favore.«

Renato warf den Kopf nach hinten und zog gespielt beleidigt wie eine Diva ab zur Theke. Heute dauerte das Zapfen wirklich sieben Minuten, sodass er mit einer perfekten Pilskrone wieder am Tisch auftauchte.

»Ist das Getränk für den Signor so perfetto?«

»Genau so, lieber Renato, muss ein gutes Pils aussehen. Aber jetzt mal Spaß beiseite, mein lieber Freund. Hast du gleich mal ein paar Minuten für mich? Ist sehr wichtig.«

»Warte noch ein paar Minuten. Ich sage dem Barkeeper Bescheid.«

 

»Worum geht es, mein Freund? Ärger mit den Frauen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Lucia ist eine Göttin, sie könnte ...«

»Schon gut, schon gut, Renato. Das weiß ich selber, aber das ist es auch nicht. Es geht um ein paar dunkle Typen, die ich bisher noch nicht hier gesehen habe. Die schleichen immer wieder um die Bagni herum und machen sich Notizen. Die habe ich auch an Fiorellas Bootsstand gesehen. Das hat doch etwas zu bedeuten. Und genau das will ich herausfinden. Ich werde nicht zulassen, dass diese verdammten Mistkerle ...«

»Ruhig, Elmar. Komm schnell wieder runter und sei bitte leise. Die Wände haben hier Ohren. Ich verstehe dich gut, wenn du dir Sorgen machst. Es geht schließlich um deine Liebsten. Aber du darfst auch nichts überstürzen. Wenn es das ist, was ich glaube, ist es besser, du hältst dich da raus und lässt geschehen, was geschehen muss.«

Elmars Hand krallte sich unter dem Tisch in den Oberschenkel von Renato, dessen Gesicht sich im Schmerz verzog. Er versuchte, sich von dem Griff zu befreien, sah dabei in Augen, wie er sie bei seinem Freund bisher noch nicht gesehen hatte. Sie enthielten plötzlich eine Härte, die dem redseligen Italiener Angst einhauchte.

»Verdammt, Elmar ... du tust mir weh. Bist du von Sinnen? Lass mein Bein los! Du scheinst nicht zu wissen, was hier abgeht. Ich will es dir grob erklären.

Selbst du solltest mittlerweile wissen, dass in diesem Land fast nichts läuft, ohne dass die Familien die Hände drin haben. Ich spreche hier von Geldgeschäften und bei den Familien rede ich von der Mafia. Die kassieren überall ab. Dass die ihr Geschäft weltweit betreiben, spielt in unserem Fall nur eine Nebenrolle. Bisher kassierte hier die Familie Mantonelli ab und sorgte dafür, dass jeder in Ruhe unter deren Schutz für seine Angehörigen sorgen konnte. Da scheint sich was zu tun in der Führungsebene. Unter vorgehaltener Hand spricht man bereits von einem Krieg zweier Clans. Es soll sogar schon reichlich Blut geflossen sein. Wie du weißt, ist auch der Tod von Toni nicht endgültig geklärt und an den Selbstmord von Commissario Paretti glaubt hier keiner. Jetzt tauchen noch die Einzelteile von Luca Granzini auf. Dem sagt man nach, dass er ein Soldat in der Mantonelli-Sippe war. Die Polizei ermittelt wieder einmal und wird nichts finden. Das steht jetzt schon fest. Es gibt da so Gerüchte, na du verstehst schon, was ich damit meine.«

»Nein, verstehe ich nicht, Renato. Das klingt alles so mysteriös, so als fürchte man sich, darüber zu sprechen. Das ist nicht meine Welt. Ich finde, jeder sollte sich der Wahrheit stellen und für sein Recht kämpfen.«

Ohne jegliche Ankündigung schob Renato seinen Stuhl zurück und richtete sich auf. Seine Augenlider flatterten plötzlich, die Pupillen sahen geweitet in eine Richtung, aus der sich zwei Männer im Gespräch vertieft seiner Bar näherten.

»Wir ... wir sollten später noch mal ... ich habe jetzt zu tun, Elmar. Soll ich dir noch ein Pils bringen?«

»Nein, mein Freund, ich habe doch noch keinen Schluck getrunken.«

Renato befand sich bereits auf dem Weg zum Tresen und griff nach seinem Tuch, mit dem er fleißig die Gläser trocken wischte. Der Blick war starr auf die Theke gerichtet. Elmar ließ ihn nicht aus den Augen. Erst als sich die beiden neuen Besucher an einen Ecktisch setzten, kam wieder Leben in den Wirt. Zum ersten Mal bemerkte Elmar, dass Renato in der Lage war, eine Verbeugung vor Gästen anzudeuten, was absolut albern und gestelzt wirkte. Auch anderen Gästen war dieses Verhalten aufgefallen, sie ließen zotige Sprüche ab, die Renato die Röte ins Gesicht trieben. Wieder waren es die Bagno-Besucher vom Vormittag, die Elmar hier antraf. Das unterwürfige Verhalten seines Freundes zeigte ihm, dass er diese Männer nicht unterschätzen durfte. Er registrierte nebenbei, dass sie sich einen Platz in der Ecke gesucht hatten. Die Wände deckten ihren Rücken, eine freie Sicht über den Eingangsbereich war garantiert. So verhielt sich jemand, der mögliche Gefahren minimieren wollte. Darin kannte sich Elmar aus. Er sah Männern ins Gesicht, denen der Tod an den Fingern klebte – da war er sich sicher.

 

- Kapitel 4 -

»Woran denkst du gerade, Schatz?«

Sven legte seine Arme um Karin, die gedankenverloren aus dem Fenster auf das Flugfeld sah und an ihrer Apfelschorle nippte.

»Das kürzere Haar mit den grauen Strähnen steht dir übrigens sehr gut. Da hat dir deine Stammfriseurin Conny einen guten Rat gegeben. Außerdem dürfte das bei der Hitze dort unten auch viel angenehmer sein. Und du riechst so ... so nach Urlaub und Vorfreude.«

Karin legte ihren Kopf an Svens Schulter und schloss für einen Moment die Augen.

»Bist du dir sicher, dass wir das Richtige tun? Wenn das jemals rauskommt, bist du deinen Job und deine Alterssicherung los. Das wird keiner verstehen, mein Freund. Welcher Polizist ist schon so verrückt, in seinem Urlaub einen Mann zu besuchen, der auf der Liste der Serienkiller an oberster Stelle steht? Das ist doch nicht normal, sei ehrlich.«

Sven lockerte nur für einen Augenblick seinen festen Griff, bevor er wieder selbstsicher mit der freien Hand über Karins Wange strich. Er berührte mit den Fingerspitzen ihre Lippen und flüsterte ihr ins Ohr.

»Soll ich dir was sagen? Das ist mir völlig egal. Ich weiß, dass gerade ich das nicht sagen dürfte, aber dieser Mann hat sich in den Schuss geworfen, der mir galt. Ihm habe ich mein Leben zu verdanken. Natürlich auch dir, mein Schatz. Ich gehe einen sehr gefährlichen Weg, wenn ich verhindere, dass man ihn für alle Zeiten wegsperrt. Aber da gibt es einen inneren Zwang, der mich zu dieser Maßnahme drängt. Kommt es jemals raus, muss es eben so sein. Dann stehe ich dazu und trage die Konsequenzen. Doch lass uns jetzt nicht an unserem Tun zweifeln. Das haben wir schon ein Dutzend Mal diskutiert. Hast du deine Sachen alle gut verstaut? Der Flug nach Bologna wird bestimmt gleich aufgerufen.«

Problemlos passierten sie die Sicherheitsschleuse und schlenderten zum Gate. Karin hakte sich bei Sven ein und beobachtete die eilig an ihnen vorbeihastenden Gäste. Sie liebte das Gewusel an Flughäfen, da es ihre Sehnsucht nach der Ferne befriedigte. Endlich würde sie die Orte an der Adria wiedersehen, in denen sie schon viele schöne Stunden erlebt hatte. Den Gedanken an Mario, der sie dabei begleitete, schob sie mit einem Schmunzeln beiseite. Sven musste nicht alles wissen, was ihre Bekanntschaften betraf. Genauso wenig war sie scharf darauf, von seinen Affären zu erfahren. Ihre Finger umklammerten die große Umhängetasche, in der sie die Kleinigkeiten verstaut hatte, die Frau eben so auf Reisen benötigte.

 

Die Maschine setzte erstaunlich sanft auf und rollte zum Ankunfts-Gate. Erleichtert löste Karin ihre Hand aus der von Sven. Er hatte ihr gestanden, dass er bei Start und Landung immer Mordsängste ausstand. Jetzt, wo sie sich auf sicherem Boden befanden, atmete er tief durch und blickte dankbar zum Kabinenhimmel. Karins Schmunzeln übersah er dabei großzügig.

In einem sehr gebrochenen Deutsch bedankte sich der Mann am Schalter des Autoverleihers und wünschte ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Italien. Der ferrarirote Ford Fiesta war zwar kein Raumwunder, bot jedoch genügend Platz für zwei Koffer und die Reisetaschen. Karin bestand darauf, die einhundert Kilometer selbst zu fahren, um das Feeling für das Land wieder zu bekommen. Eineinhalb Stunden Fahrt bei großer Wärme stand ihnen bevor. Wohlweislich hatte Sven bei der Bestellung auf einer Klimaanlage bestanden. Geduldig hörte Sven zu, wenn ihm Karin kleine Weisheiten zu den Orten mitteilte, die sie durchfuhren. Ihr fiel immer etwas ein, wenn sie Imola, Forli und Cesena passierten. Doch je näher sie ihrem eigentlichen Ziel kamen, umso ruhiger wurde sie. Zielsicher fand Karin die Via X Traversa, an der sie sich mit Elmar treffen wollten.

Mühsam quetschte sie den Wagen in eine Parklücke, die gerade frei wurde. Unentschlossen stiegen beide aus und zurrten die Plane als Sichtschutz über ihre Koffer. Die Sonne brannte ihnen selbst jetzt noch in den Nachmittagsstunden auf den Rücken. Sven schloss gerade die Kofferraumklappe, als er die schwere Hand auf seiner Schulter spürte. Keiner von beiden hatte bemerkt, dass sich ihnen ein großer braun gebrannter Mann lautlos genähert hatte. Für Karin war es keine neue Erkenntnis. Sie hatte sich oft gefragt, wie es dieser Mann immer wieder geschafft hatte, wie ein Geist aufzutauchen und zu verschwinden. Sven reagierte ruhig, da er auf die erneute Begegnung mit seinem einstigen Todfeind vorbereitet war. Karin konnte eine einzelne Träne der Rührung nicht zurückhalten, als sie verfolgte, wie sich diese beiden Männer umarmten. Zwei Männer, die eine ganz besondere Stellung in ihrem Leben einnahmen.

Kein Wort, keine der üblichen Begrüßungszeremonien mit lautem Geschwafel ... wortloses Umarmen zeigte alles, was diese Männer verband. Zögernd löste sich Sven und gab Elmar den Blick auf Karin frei. Noch nie hatte sie diesen geheimnisvollen Mann so unentschlossen gesehen, als er darüber nachzudenken schien, ob und wie er Karin begrüßen durfte. Noch immer schwelte in ihm der Zweifel darüber, wie Sven ihre Beziehung einschätzte. Karin nahm ihm die Entscheidung ab, indem sie ihm in die Arme flog und hemmungslos weinte. Erst nachdem Elmar einen prüfenden Blick zu Sven geworfen hatte, der aufmunternd nickte, schloss er die Arme um sie und schleuderte sie mehrfach im Kreis herum.

»Dem Himmel sei Dank, dass ich euch beide wiedersehen darf. Grazie al cielo. Ich hatte die Hoffnung schon verloren. Doch warum stehen wir hier rum? Ihr möchtet euch doch bestimmt erfrischen nach der langen Fahrt. Lucia ist schon so gespannt. Und denkt bitte daran – niemand weiß bisher etwas aus meiner Vergangenheit. Irgendwann einmal ...«

Sven legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen.

»Bitte mach dir darüber keine Sorgen. Das ist allein deine Aufgabe. Irgendwann, vielleicht auch niemals, wirst du es tun. Entscheide selbst, ob es deiner Beziehung nutzt. Bedenke dabei nur, dass Menschen unterschiedliche Toleranzgrenzen haben. Eure Beziehung muss extrem stark sein, um diese Wahrheit zu verkraften. Deshalb überlege es dir gut. Vieles im Leben bleibt besser ungesagt, da es zerstörerisch wirken könnte.«

Bevor Elmar antworten konnte, stand ihnen eine absolute Madonna, eine Schönheit gegenüber, die spontan Elmars Hand ergriff und an die Lippen führte. Nur ein dankbarer Blick erreichte Sven noch, bevor Elmar Lucia vor sich schob.

»Das, meine Freunde, ist ...«

»Ja, das muss deine Lucia sein. Sie ist genauso schön, wie du sie uns beschrieben hast.«

Karin schloss beide Arme um die etwas kleinere Frau und drehte sich mit ihr im Kreis. Einige Gäste, die wegen der Begrüßungszeremonie die Straßenseite wechseln mussten, lachten mit den vieren. Sie beobachteten, wie sich ein Knäuel von vier Personen bildete, die einander nicht mehr loslassen wollten.

Elmar konnte nur schwer abwarten, bis der letzte Gast das Bagno verlassen hatte und sie endlich zum Haus fahren konnten.

 

Das gemeinsame Abendessen im Garten war das erste große Highlight für die beiden Besucher. Fiorella und selbst Nico beteiligten sich an der Kochorgie, die in einem ausgiebigen Mahl am Gartentisch gipfelte. Es dauerte nur Minuten, bis der kleine Racker tiefe Freundschaft mit Sven und Karin geschlossen hatte. Der ferngesteuerte Hubschrauber, der mit tiefem Brummen durch den Garten rauschte, tat sein Übriges dazu, um den kleinen Nico von den Qualitäten der neuen Gäste zu überzeugen. Erst als das Spielzeug in der Salatschüssel notlandete und den Rucola über den Tisch verteilte, wurde die Fernsteuerung für den Rest des Abends von Fiorella eingezogen.

Die Männer nutzten das Angebot der Frauen, den Tisch alleine abzuräumen, um sich am Gartentor zu unterhalten. Ein Bild, das noch vor Monaten absolut undenkbar gewesen wäre, zeigte zwei ehemalige Todfeinde mit dem Rotweinglas in der Hand, in trauter Eintracht unter einer Straßenlaterne. Sven sah in den sternenklaren Himmel und genoss die erfrischende Brise, die sie vom nahen Meer her erreichte. Erst Elmars Stimme holte ihn wieder zurück in die Gegenwart, die in diesem besonderen Moment nur aus absoluter Entspannung bestand.

»Es ist gut, dass wir gerade alleine sind. Ich möchte dich etwas fragen, wovon die Frauen nichts wissen sollten.«

Sven zog die Augenbrauen hoch, da er zum ersten Mal erlebte, dass ihn Elmar dermaßen ins Vertrauen zog und um seine Hilfe bat. Er kannte ihn nur als kaltberechnenden, logisch handelnden Mann.

»Ich hoffe, dass ich dir helfen kann. Dann leg mal los.«

Jetzt war es Elmar, der in den Himmel starrte, während er versuchte, seine Frage zu formulieren.

---ENDE DER LESEPROBE---