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Western Helden – Die neue Reihe für echte Western-Fans! Harte Männer, wilde Landschaften und erbarmungslose Duelle – hier entscheidet Mut über Leben und Tod. Ob Revolverhelden, Gesetzlose oder einsame Reiter auf der Suche nach Gerechtigkeit – jede Geschichte steckt voller Spannung, Abenteuer und wilder Freiheit. Erlebe die ungeschönte Wahrheit über den Wilden Westen Als das Unwetter losbricht, ist Georgia Hunter mit ihrem Bruder Jock noch eine Meile vom Roundup-Camp entfernt. Schon lange hat die dunkle Wolkenwand über den spitzen Zinnen der Washakie Needle gedroht, hat sich allmählich in das weite Talbecken des Grey-Bull-County gewälzt – aber jetzt bricht urplötzlich der Sturm los und schleudert die geballte Masse der Wolken förmlich vor sich her. »Links halten!«, schreit Jock seiner Schwester zu. Er ist just vierzehn Jahre alt geworden, aber natürlich fühlt er sich dem weiblichen Geschlecht haushoch überlegen. Seit Jock von Ted Ballard einen Revolver geschenkt bekommen hat, fühlt er sich als ganzer Mann. Georgia Hunter beugt sich weit vornüber im Sattel, um dem heulenden Sturm so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Jetzt bereut sie, nicht auf die Warnung Old Stacks gehört zu haben, der schon den ganzen Vormittag über sein »Reißmich« tüchtig gejammert und das Unwetter prophezeit hat. Sie weiß selbst nicht, warum sie plötzlich auf die Idee gekommen ist, zu den hart arbeitenden Boys hinauszureiten. Etwa deshalb, weil der Vormann Ted Ballard ihr vor ein paar Tagen gesagt hat, dort draußen wäre es zu gefährlich für eine Frau. Obwohl es erst früher Nachmittag ist, wird es so finster, dass der Blick nur ein paar Schritte weit reicht. Beinahe waagerecht stürzt jetzt der Regen auf Georgia und den schräg hinter ihr hängenden Jock ein. Wo liegt das Camp der Cowboys? Links? Rechts? Noch vor ihnen? Sind sie schon vorbei? Wo ist Jock? Noch vor ihr oder vom Sturm abgetrieben?
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Als das Unwetter losbricht, ist Georgia Hunter mit ihrem Bruder Jock noch eine Meile vom Roundup-Camp entfernt. Schon lange hat die dunkle Wolkenwand über den spitzen Zinnen der Washakie Needle gedroht, hat sich allmählich in das weite Talbecken des Grey-Bull-County gewälzt – aber jetzt bricht urplötzlich der Sturm los und schleudert die geballte Masse der Wolken förmlich vor sich her.
»Links halten!«, schreit Jock seiner Schwester zu. Er ist just vierzehn Jahre alt geworden, aber natürlich fühlt er sich dem weiblichen Geschlecht haushoch überlegen. Seit Jock von Ted Ballard einen Revolver geschenkt bekommen hat, fühlt er sich als ganzer Mann.
Georgia Hunter beugt sich weit vornüber im Sattel, um dem heulenden Sturm so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Jetzt bereut sie, nicht auf die Warnung Old Stacks gehört zu haben, der schon den ganzen Vormittag über sein »Reißmich« tüchtig gejammert und das Unwetter prophezeit hat. Sie weiß selbst nicht, warum sie plötzlich auf die Idee gekommen ist, zu den hart arbeitenden Boys hinauszureiten. Etwa deshalb, weil der Vormann Ted Ballard ihr vor ein paar Tagen gesagt hat, dort draußen wäre es zu gefährlich für eine Frau.
Obwohl es erst früher Nachmittag ist, wird es so finster, dass der Blick nur ein paar Schritte weit reicht. Beinahe waagerecht stürzt jetzt der Regen auf Georgia und den schräg hinter ihr hängenden Jock ein.
Wo liegt das Camp der Cowboys? Links? Rechts? Noch vor ihnen? Sind sie schon vorbei? Wo ist Jock? Noch vor ihr oder vom Sturm abgetrieben?
Irgendwann, nach unendlich langer Zeit, glimmt ein fahles Licht vor ihnen auf – wird größer. Es ist ein Feuer. Das Roundup-Feuer. Sie sind in Sicherheit.
Das Erste, was Georgia Hunter hört, als sie völlig erschöpft neben dem Feuer hält, ist der dröhnende Bass Ted Ballards: »An die Pferde, Männer! Die Herde geht durch!«
Sie sieht den verzerrten Schatten des Vormanns jenseits des Feuers in der Nähe des Küchenwagens. Anscheinend ist auch Ted Ballard just erst ins Camp gekommen. Seine Stimme scheucht die Boys aus dem Küchenwagen und zum Seilkorral. Doch das nimmt Georgia nur am Rande wahr. Sie ist völlig fertig und gleitet aus dem Sattel – nass bis auf die Haut. Das Feuer prasselt und knattert und zischt. Eine dicke Rauchwolke steigt von ihm auf und wird sofort von den fauchenden Sturmstößen zerrissen. Für einen Augenblick kann Georgia nicht mehr den Küchenwagen und die Männer dort sehen. Ihr Mustang trabt am Feuer vorbei, und sie will ihm folgen in den Schutz des Küchenwagens – da gellt die entsetzte Stimme eines Cowboys herüber: »Der Stier! Achtung, Miss Hunter!«
Es ist zu spät. Als Georgia den Kopf herumreißt, ist der Stier in rasendem Tempo schon bis auf ein paar Schritte an sie herangekommen. Er ist schnell wie das Unwetter, das sich über ihren Köpfen entlädt – und seine gewaltigen Hörner sind so tief gesenkt, dass sie fast den Boden zu berühren scheinen. Gesenkt zum tödlichen Stoß.
Wie gelähmt steht sie und starrt auf das heranrasende Ungeheuer.
»Nicht schießen, Larry!« Das ist wieder Ted Ballards dröhnender Bass.
»Nicht schießen!«, ruft er. Georgia Hunter kann es nicht fassen. Nur eine sichere Kugel, die den Stier auf der Stelle von den Beinen holt, nur ein solcher Schuss kann sie retten. Seltsam, dass sie in diesem winzigen Zeitraum, der nicht einmal Sekunden umfassen kann, alles so völlig klar sieht. Selbst die Angst fällt von ihr ab. Die gewaltigen Hörner sind jetzt unmittelbar vor ihr, und wenn sie bis zu diesem Augenblick noch die Chance gehabt hat, sich zur Seite zu werfen – jetzt ist die Chance vertan …
Sie reißt die Augen auf, sieht etwas unmittelbar vor ihrem Körper durch die Luft fliegen – etwas, das nur ein Lasso sein kann. Ein Lasso, das haarscharf über den Boden dahinzischt und nicht etwa auf die Hörner oder den Hals des Stieres gezielt ist, sondern auf die Vorderbeine. Georgia hält den Atem an. Sie will schreien, aber es wird nur ein ersticktes Stöhnen daraus. Der Stier hebt die Vorderhufe zum letzten Sprung, schon scheinen seine Hörner ihren Körper zu berühren – da hebt sich die Schlinge des Lassos vom Boden … Yeah, wie durch Zauberhand hebt sich die Schlinge mit spielerischer Leichtigkeit vom Boden empor und schließt sich blitzschnell um beide Vorderhufe des Stieres.
Es geht alles so rasend schnell, dass Georgia Hunter es unmöglich fassen und begreifen kann. Die Hörner des Stieres kippen seitlich weg. Es scheint, als würde der Zehn-Zentner-Körper des mächtigen Longhorns förmlich emporgehoben und durch die Luft geschleudert. Unmittelbar vor Georgia kracht der Stier in ganzer Länge hin – und Ted Ballard fliegt in wahren Panthersätzen heran, wirft sich über den Stier und nagelt ihn mit der gewaltigen Kraft seiner Arme an den Boden fest.
»In den Küchenwagen!«, schneidet der Bass Ted Ballards in Georgias Ohr. Ehe sie sich Rechenschaft darüber geben kann, was eigentlich geschehen ist, rennt sie schon am verzuckenden Feuer vorbei, rennt durch die flammenden Blitze des herabgischenden Wolkenbruchs und den spritzenden Schlamm zum Wagen und wird von den hilfreichen Händen des Roundup-Kochs Murchie Prine unter die schützende Leinwand gezogen. Und wieder tönt Ted Ballards Stimme in ihr Ohr: »Seid ihr noch nicht in den Sätteln? Bringt die Herde zur Vernunft!«
Dann sinkt Georgia Hunter in die Knie und wird von einem Weinkrampf geschüttelt, in dem sich die ganze unerträgliche Spannung löst.
*
Das Unwetter dauert ungefähr eine Stunde. Dann treibt der Sturm die schwarzen Wolkengebirge auseinander, und der Wolkenbruch geht über in einen sanft plätschernden Landregen. Triefend nass traben die Cowboys wieder ins Camp. Sie haben die Longhorns just noch vor einer Stampede bewahren können.
Als letzter – abgesehen von der Herdenwache – trabt Ted Ballard neben den Küchenwagen und gleitet aus dem Sattel. Er wirft die Zügel dem Pferdeboy zu und sagt: »Umsatteln, Kid. Nimm Black Star für mich. Murchic, wie stehts mit Kaffee?«
Der Koch zuckt die Schultern und grinst schief zu Ballard hinüber. »Ich kann nicht hexen, Ted. Heiß ist er bestimmt nicht. Wenn du den Rest von der Brühe haben willst, die heute Morgen übrig geblieben ist …«
Ballard nickt nur. Noch hat er Georgia und Jock keinen Blick gegönnt, hat gar nicht getan, als wären sie vorhanden. Mit gleichmäßig ruhiger Stimme gibt er seine Anweisungen: »Kibi und Hank, ihr reitet die nächste Wache. Für alle anderen ist Ruhe. Sorgt mir für die Mustangs! Murchie, du bringst Miss Hunter und Jock nach Hause. Sag dem Boss, dass ich heute nicht mehr vorbeikommen kann. Noch eine Frage?«
Murchie Prine gießt einen Becher mit einem tiefschwarzen Gebräu voll, in dem der Löffel stehen kann. Es ist die Art von Kaffee, die Tote erwecken kann. Ted Ballard leert den Becher auf einen Zug, kippt den Satz aus und wendet sich jäh Georgia zu. Sein hartes Bronzegesicht bleibt verschlossen wie eine Wand aus Stahl. »Ich hoffe, Ihnen ist nichts geschehen. Jock, in Zukunft passt du auf deine Schwester besser auf!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, macht Ballard kehrt und nimmt die Zügel des Rappen auf, den der Pferdejunge inzwischen gesattelt hat. Es ist ein prächtiges Tier, das ungeduldig stampft und den Vormann mit den weichen Nüstern anstupst. Ballard hebt sich in den Sattel und sagt: »Ich reite zu Clays Weidecamp hinüber und zum Stinking Water rauf. Dort müssen noch versprengte Rinder von uns sein. Kann spät werden, Boys. So long!«
Und schon wirbelt der Rappe herum und verschwindet in den grauen Wolkenfetzen, die unter tiefem Himmel dahingeistern, in dem Nebeldampf, der vom Boden aufsteigt. Jock Hunter knufft seine Schwester in die Seite und flüstert entgeistert: »Das ist ein Mann, was? Wie er den Stier hingelegt hat, das war ganz große Klasse!«
Georgia entgegnet abweisend: »Dafür wird er schließlich bezahlt. Wenn er besser aufgepasst hätte, wäre ich gar nicht in die Gefahr gekommen!«
Sie zieht sich in den Wagen zurück und kleidet sich an, denn ihr Zeug ist inzwischen einigermaßen getrocknet. Nie würde sie zugeben, dass Ted Ballard ihr nicht mehr aus dem Kopf geht, dass allein seine Gegenwart sie verwirrt macht … dass dieser Mann für sie ein faszinierendes Rätsel ist … dass sie sich in gleicher Weise zu ihm hingezogen und wieder abgestoßen fühlt.
*
Der Mann, um den Georgia Hunters Gedanken kreisen, obwohl sie sich dagegen sträubt – dieser Mann reitet schnell durch den gleichmäßig fallenden Regen nach Norden. Er kennt dieses County nicht erst seit gestern. Nur wenige Menschen wissen, dass Ted Ballard hier schon geritten ist, als es noch keine Ranch hier gab – ja, noch bevor das Fort Carbon am Fuß der Wind-River-Mountains gebaut wurde. Eigentlich weiß nur ein Mensch etwas über die geheimnisvolle Vergangenheit Ted Ballards. Das ist Old Stack, der auf Hunters Ranch Mädchen für alles ist.
Ted Ballard hat nie eine Mutter gekannt. Sie ist im Kindbett gestorben. Sein Vater war Jäger und Fallensteller – einer der wenigen weißen Männer, die mit jedem Indianer gut zurechtgekommen sind. Selbst im großen Sioux-Aufstand ist der alte Ballard unbehelligt geblieben. Erst später hat ihn das Messer eines heimtückischen Arapahoe-Banditen getroffen. Damals ist Ted Ballard gerade sechs Jahre alt gewesen und nur durch einen Glücksfall dem Kriegsbeil des Arapahoe-Häuptlings entgangen. Dieser Glücksfall war eine Stammesfehde zwischen den Shoshonen und den Arapahoes. Die Rothaut, die Ted Ballards Vater ermordet hat, ist nur noch eine Stunde älter geworden. Dann waren die Shoshonen da und haben den Streiftrupp der räuberischen Arapahoes vernichtend geschlagen.
Die Jahre danach gehören zu den schönsten, aber auch härtesten in Tod Ballards Leben. Seite an Seite mit den Kindern des Shoshonen-Häuptlings »Großer Stern« ist er aufgewachsen.
Zehn Jahre in den Tippis der Rothäute haben aus Ted Ballard einen Mann geformt, der sich unter freiem Himmel am wohlsten fühlt. Und doch hat er die Indianer verlassen, denn noch einmal hat das Schicksal sein Lebensschiff in eine völlig neue Bahn geworfen. Das war an jenem Tage, als Old Stack – ein Freund von Teds Vater – als Gefangener der Oglalas an den Marterpfahl gebunden werden sollte. Weder Old Stack noch Ted Ballard hatten je zu irgendeinem Menschen darüber gesprochen. Kurz gesagt: Old Stack war schon so gut wie tot, als sich Ted Ballard mitten in das Kriegslager der Oglalas schlich und ihn befreite. Warum Ted das getan hat, obwohl er doch völlig in indianischen Vorstellungen aufgewachsen ist? Weil er im Inneren doch ein weißer Mann geblieben ist – weil er es nicht mit ansehen konnte, dass ein weißer Mann geschunden werden sollte wegen irgendeiner Lächerlichkeit, die den Oglalas nicht passte.
Am Tage darauf hat der Häuptling der Shoshonen das väterliche Band zwischen sich und Ted Ballard zerschnitten, hat Ted für die Welt der Weißen freigegeben. An der Seite Old Stacks ist Ted zuerst Jäger und Fallensteller geworden und dann Scout in der Armee. Das könnte er auch heute noch sein, aber die Methoden gewisser Offiziere hatten ihm nicht gepasst. So hatte Ballard seinen Dienst als Zivilscout der Armee in Fort Carbon aufgekündigt und ist Cowboy und jetzt sogar Vormann geworden. Er reitet für die Bax-4-0-Ranch Randall Hunters, und wie jeden Job versieht er auch diesen unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit.
Well – an diesem späten Nachmittag trabt Ted Ballard lässig über die weite Savanne – und er ahnt, dass er dem schwersten Kapitel seines Lebens entgegenreitet.
*
Das Weidecamp der Ranch Norman Clays liegt ein paar Meilen südlich vom Stinking-Water-River. Der Qualm des Feuers weist Ted Ballard den Weg. Es regnet immer noch sanft, als er am Seilkorral der Mustangs vorbei zum Feuer reitet und das übliche »Hallo, Lager!«, ruft.
Der Mann am Küchenwagen ruckt herum und starrt Ted überrascht an. Er ist fast so breit wie lang, auf seinem nackten, regenüberströmten Oberkörper zeichnen sich wahre Muskelberge ab. »Ballard?«, knurrt der Mann. »Was gibts?«
Ted legt das rechte Bein um das Sattelhorn, dreht unter dem schützenden Ölumhang eine Zigarette und steckt sie an. Mit schnellem Blick hat er erkannt, dass ein ziemliches Durcheinander im Camp herrscht, dass der Boden von Hufen zerwühlt ist und dass außer dem Koch, Dingo Torrow, offenbar alle Männer unterwegs sind.
»Der Boss nicht da, Torrow?«, fragt Ted knapp. Da sind nämlich ein paar Burschen in Norman Clays Mannschaft, die Ted gar nicht sympathisch sind. Dieser Dingo Torrow gehört dazu.
»Meinen Sie Clay, Ballard?«, knurrt Torrow.
»Wen sonst? Bis jetzt hat Clay doch noch das Kommando – oder irre ich mich?«
»Natürlich!«, lenkt Torrow schnell ein. »Well – der ganze Haufen ist hinter den Longhorns her. Stampede! Sonst noch Fragen?«
Ted Ballard schüttelt versonnen den Kopf. Torrow macht schulterzuckend kehrt und rammt das riesige Fleischermesser in eine Rinderlende. Ted Ballard schiebt den Fuß wieder in den Steigbügel und trabt an. Im Vorbeireiten fragt er beiläufig: »Ist Clay auf der Ranch, oder war er im Camp?«
Torrow tut, als hätte er nichts gehört. Er wirft sich ein Rinderviertel über die nackte Schulter und stampft zum Küchenwagen. Keine Antwort ist auch eine Antwort, denkt Ted und gibt dem Rappen die Zügel frei. Im Galopp prescht er auf die zerrissene Hügelkette am hohen Ufer des Stinking-Water zu. Dort hat er vor ein paar Tagen noch einige versprengte Rinderrudel mit dem Bax-4-0-Brand gesichtet. Wird Zeit, dass er sich darum kümmert.
Schon bald trifft er wieder auf die breite Fährte der durchgegangenen Herde. Die Boys der »C auf dem Balken« Norman Clays haben nicht so viel Glück gehabt wie Teds Jungen. Wahrscheinlich haben sie in dem Unwetter auch nicht gleich gespurt und sich zu spät um die unruhigen Tiere gekümmert. Wenn eine Stampede erst im Gang ist, kann sie von keiner Macht der Welt gebremst werden. Hier sind mindestens dreihundert Rinder durchgegangen, und zwar ziemlich genau auf den Stinking-Water-River zu.
Clays Mannschaft – das ist auch ein Kapitel für sich. Eigentlich ist Norman Clay ein guter Nachbar und vor allem ein ausgezeichneter Rindermann. Allerdings hat er so seine Mucken, und sein Jähzorn ist gewiss keine erfreuliche Eigenschaft. Dennoch hat es nie Reibereien zwischen der C auf dem Balken und der Bax-4-0-Ranch gegeben. Erst als Norman Clay vor einem halben Jahr seinen Neffen Ike Mason bei sich aufgenommen hat, ist verschiedenes anders geworden. Seitdem kommt Clay kaum noch unter Menschen oder gar auf einen nachbarlichen Besuch. Fast hat es den Anschein, als wälze er die Hauptlast der Arbeit auf Ike Mason ab, und das ist zumindest eine Überraschung.
Denn bisher hat es noch kein Mann fertiggebracht, Norman Clay etwas recht zu machen.
Auf einer Höhe hält sich Ted Ballard am Rande des Canyons unter den Bäumen eines lockeren Mischwaldes. Immer noch prasselt der Regen auf seine Ölhaut. Zeitweise kriecht der Nebel so dicht, dass Ted gerade drei Schritte weit sehen kann.
Plötzlich peitscht unmittelbar vor Ted Ballard ein Schuss. Ein erstickter Schrei weht zu ihm her – dann ein Fluch – und eine Folge rasend schneller weiterer Schüsse.
»Black Star« steht sofort wie angenagelt. Ted Ballard ist aus dem Sattel, ehe die Schüsse verhallt sind. Er hat das Gewehr aus dem Scabbard gezogen, hat durchgeladen und gleitet mit langen Schritten durch das Dickicht. Es kann nicht mehr weit sein bis zum Steilufer des Stinking-Water – und die Schüsse sind zweifellos auf diesem Ufer gefallen.
Stille. Einen Augenblick bleibt Ted Ballard reglos stehen. Dann lässt er den Ölumhang von den Schultern gleiten und steckt ihn unter ein Gebüsch. Noch behutsamer pirscht er sich vor. Er verflucht die Wolken und den Nebel, die ihm die Sicht verwehren. Zu jeder Sekunde kann er auf eine der unsichtbaren kämpfenden Parteien stoßen. Oder ist schon alles vorbei?
Yeah, es ist vorbei. Unmittelbar vor sich und zum Greifen nahe hört Ted Hufschlag, der sich schnell entfernt. Obwohl der Nebel jedes Geräusch dämpft und zur Hälfte schluckt, unterscheidet er mindestens drei Pferde.
Schneller als vorher legt er den Rest des Weges bis zum Steilabsturz über dem Fluss zurück. Jetzt hat er die Nase am Boden und sieht die tiefen Hufeindrücke mehrerer Rinder, die haargenau auf den Steilabsturz zuführen. Ohne Zweifel sind die Tiere dort hinabgestürzt und erledigt.
Dann steht Ted Ballard völlig ruhig, das Gewehr im Hüftanschlag. Zwei Pferde liegen dort, nicht mehr als zehn Schritte vom Ufer entfernt. Tot. Noch rinnt das Blut aus ihren Wunden. Aber nicht das ist es, was Ted Ballard wie angenagelt stehen lässt.
Im Hals jedes Pferdes stecken mehrere Pfeile. Kriegspfeile der Arapahoes. Indianer auf dem Kriegspfad? Hier im County? Das wäre die Hölle …
Alle Instinkte sind plötzlich in Ted Ballard wach. Jetzt ist er wieder der Indianer, der neben dem Häuptling der Shoshonen groß geworden ist, der alle Schliche und Tricks kennt – ist wieder der Scout, der für die Armee durch die Hügel und Berge und über die Savanne gestreift ist.
Er geht nicht direkt auf die toten Pferde zu. Er gleitet unter die Bäume zurück und schlägt einen weiten Bowl nach links. Er findet die Spuren der Pferde auf dem schmalen Pfad unmittelbar am Ufer.
Dicht am Ufer entlang geht Ted Ballard auf der Fährte der Pferde weiter. Sie haben in einem Abstand von zwanzig Schritten von den toten Tieren gestanden – und schwache Fußeindrücke führen am Rand des Pfades weiter bis zu den erschossenen Pferden.
Ted Ballards erster Blick gilt den Brandzeichen. Beide tragen das C auf dem Balken Norman Clays. Den einen Mustang erkennt Ted sofort. Es ist ein mausgrauer Wallach mit einem abgenagten Stummelschwanz, den der alte Jesse Sturgess immer geritten hat. Jesse Sturgess, der auf Clays Ranch ähnliche Dienste leistet wie Old Stack auf der Bax-4-0.
Beide Pferde sind zwar von mehreren Pfeilen getroffen worden, aber ohne Zweifel an den Revolverkugeln gestorben, die sie mitten in den Schädeln davongetragen haben. Unmittelbar hinter den toten Pferden türmen sich mannshohe Felsblöcke empor. Gleich am ersten entdeckt Ted eine Blutspur, die noch nicht ganz vom Regen abgewaschen ist. Er sieht noch mehr – eine Schleifspur und tiefe Stiefelabdrücke, die zwischen die Felsen führen. Und sie enden an einem frischen Erdrutsch, der mehrere Quadratfuß vom Ufer weggerissen hat.
Erschüttert zieht Ted Ballard den Hut. Wer auch immer dort hinabgestürzt ist in den brauenden Nebel und den brüllenden Fluss, er ist einen schnellen Tod gestorben. Jesse Sturgess ist nicht mehr. Er und ein weiterer Boy der C auf dem Balken sind von den Strudeln des Flusses verschlungen worden. Denn mehr als hundert Fuß tief stürzt das Steilufer hier fast lotrecht ab.
Aber damit ist das Rätsel nur zum Teil gelöst. Sehr genau kann sich Ted Ballard zwar vorstellen, was sich hier zugetragen hat: Jesse Sturgess und sein Begleiter haben ein Rinderrudel verfolgt, das vor ihren Augen in den Fluss gestürzt ist. Sie haben hier gehalten und wahrscheinlich den verlorenen Rindern nachgestarrt – und sind von den geheimnisvollen Feinden überrascht worden.
