Blutiger Klee - Marlene Faro - E-Book + Hörbuch

Blutiger Klee E-Book und Hörbuch

Marlene Faro

4,3

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Ein alter Mann wird vor einer Wallfahrtskapelle mitten im berühmten Salzkammergut getötet. Das Opfer gehörte zum Adel, der in Österreich zwar längst abgeschafft ist, aber immer noch über Macht verfügt. Chefinspektor Artur Pestallozzi und Gerichtsmedizinerin Lisa Kleinschmidt begeben sich auf eine Spurensuche, die sie weit zurück in die Vergangenheit des idyllischen Ortes und der einflussreichen Familie führt. Verblüffenderweise scheint niemand Interesse an der Klärung des Falles zu haben.

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Seitenzahl: 377

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Zeit:8 Std. 37 min

Sprecher:Cathrin Bürger

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Marlene Faro

Blutiger Klee

Roman

Ausgewählt von Claudia Senghaas

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2012 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Nailia Schwarz - Fotolia.com

I

Die Hitze lag wie ein Summen von Millionen Mücken über dem See und den Bergen. Zitronenfalter kreiselten um die weißen Blüten einer Taubnessel. Wilder Salbei und Brennnesselstauden säumten den Weg, Heckenrosen leuchteten rot durch das Gehölz. Die Luft war erfüllt vom Duft der Kräuter, die die meisten Wanderer bloß für Unkraut hielten. Aber sie wusste es besser. Beinwell half gegen Entzündungen, Spitzwegerich gegen Husten. In ihrem Alter wusste sie vieles besser, so vieles hätte sie erzählen und aufklären können, aber keiner fragte sie danach. Die Jungen im Dorf starrten auf die flimmernden Bildschirme ihrer Computer so wie die Menschen früher auf den Himmel, der bei Fronleichnamsprozessionen durch den Ort getragen wurde. Und sie hielten verblüffenderweise für wahr, was ihnen das Flimmern verkündete. »Für ›Guggl‹ bist du der gläserne Mensch, Tante Kathi, die wissen alles über dich.« Das hatte ihre Lieblingsnichte Anna schmunzelnd zu ihr gesagt, als ob das eine wunderbare Sache sei, und sie hatte mitgelacht – obwohl sie keine Ahnung hatte, wer diese ›Guggl‹ waren. Doch es tat gut, mit den Jungen zu feixen, selten genug ergab sich die Gelegenheit dazu. Mit dem Alter war das Unsichtbarwerden gekommen, wie eine Krankheit, über die man besser nicht spricht. Aber manchmal erhaschte sie einen Blick oder ein Lächeln, das ihr bestätigte, dass sie ja doch noch da war und dazugehörte.

Der Weg bog ein letztes Mal um eine scharfe Kurve, ehe das Dach der Kapelle endlich zwischen dem Grün der Linden aufblinken würde. Sie blieb stehen, schwer atmend, und blickte hinunter auf den See und die Ortschaften, die sein Ufer säumten. Ein Ausflugsdampfer passierte gerade die schmalste Stelle, die das Wasser wie eine Sanduhr einschnürte. Segelboote glitten dahin, Gelächter und das Jauchzen von Kindern wurden vom Wind bis zu ihrer Anhöhe hinaufgeweht. Und der Gestank von Jauche, die der Loibner gerade aus einem Tankwagen über seine Felder versprühte. Die Touristen und auch die meisten Einheimischen rümpften über den Gestank die Nase, im Gemeinderat war sogar über ein Düngeverbot gestritten worden, aber sie sog den Geruch ein wie den Duft von Weihrauch und Kerzen in der Kirche. Gleich würde es Zwölf läuten, dann begann drunten in den winkeligen Gassen der Wettlauf um einen Tisch in den Gastgärten, am besten unter einem schattigen Kastanienbaum. Touristen kamen das ganze Jahr über an den See, auf den Spuren von Mozart und Operettenseligkeit, aber in den Sommermonaten nahm der Ansturm geradezu beängstigende Ausmaße an. Japaner und Amerikaner, Deutsche und Holländer, Italiener und Franzosen schoben sich dann an Auslagen, vollgestopft mit Kuckucksuhren und Lebkuchenherzen, vorbei, über die Wirtshaustische wurden rot-weiß-rot karierte Tücher gebreitet, und die Serviererinnen zwängten sich trotz der Hitze in Dirndlmieder mit tief dekolletierten Rüschenblusen. Jedes Jahr von Mai bis September wölbte sich dann der Himmel über dem See wie über einem riesigen Bühnenbild, das die tröstliche Ahnung einer heilen Welt versprach. Sound of music, Zauberflöte, Apfelstrudel – oh, how lovely!

Aber sie wusste es besser. Sie stützte die Hände gegen ihr schmerzendes Kreuz und sah zur gegenüberliegenden Hügelkette, wo sich das Sonnenlicht in den blank geputzten Fenstern eines Anwesens spiegelte. Dort drüben hatte der Vinzenz gehaust mit seinen Töchtern, die Frau war ihm im Wochenbett gestorben. Die Töchter wurden nur selten in der Schule gesehen, aber bekamen fast jedes Jahr ein Kind, als sie noch selbst beinahe Kinder waren. Alle hatten sich ihren Teil gedacht, aber niemand hatte nachgefragt oder war den Mädchen zu Hilfe gekommen. Solche Dinge geschahen eben, damals, auf den entlegenen Höfen, die der Schnee bis weit hinein ins Frühjahr vom Rest der Welt abschnitt. Die Säuglinge waren dann auch fast alle gestorben, an Durchfall und Fieber oder Lungenentzündung, niemand hatte Genaueres wissen wollen, auch der alte Doktor nicht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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