Blutiges Gold - Alexander Calhoun - E-Book

Blutiges Gold E-Book

Alexander Calhoun

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Selbst unter dem breiten Schirm des Palo Verde war es erdrückend heiß, und Luke Bonnart hatte Mitleid mit Joan Hamilton, die zusammengesunken auf einem Stein nahe der Felswand hockte. Staub machte ihr blondes Haar stumpf, und auf ihrem braunen Gesicht glänzte Schweiß in breiten Bahnen. Joan sah zusammengefallen aus, als ob ihr achtundzwanzigjähriger Körper durch die Last der Hitze zusammengedrückt worden wäre. Um diese Tageszeit hätte es eigentlich nicht mehr so heiß sein dürfen, doch der Sommer war in diesem Jahr ohne Übergang gekommen, und der Sommer in Arizona war keine Jahreszeit, sondern ein Vorgeschmack der Hölle. Um die Mittagszeit verwandelte sich die Erde wieder in trockenes Pulver, und weit draußen, auf der flachen roten Lehmebene zwischen den Aubrey Cliffs und dem Coconino Plateau, wirbelte der Wind Staubfahnen und -teufelchen auf. Dünne Windhosen zogen senkrechten Fingern gleich von Horizont zu Horizont. Rus Hamilton und Larry Hagman waren gerade aus den Cliffs zurückgekommen, und der rote Sand klebte in ihren Nacken und lag wie ein Farbabstrich auf ihren Hemden. Es war zu heiß, um am Hang zu graben, zu heiß überhaupt, um auch nur einen Finger zu bewegen. Drei Wochen buddelten sie hier draußen, weitab von der nächsten Stadt und vom Big Chino Wash, einem im Sommer ausgetrockneten Arroyo. Luke Bonnart blickte zu den drei Buschhütten hinüber, die sie aus dem harten und zährankigen Chaparral geflochten hatten. Die erste diente dem Ehepaar Hamilton als Unterkunft, die zweite ihm selbst, Larry Hagman, ihren Schlafsäcken und ihren Waffen. Der dritte Jacale, wie die Apachen die Buschhütten nannten, fasste alle Geräte, den Proviant und ein Felllager für das mexikanische »Mädchen« für alles, Pedro Comparato. Luke drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und trat auf Rus Hamilton zu. Bei ihm saß seine Frau auf einem Stein. Joan war unzweifelhaft hübsch. Nicht nur eine Schönheit, sondern auch geistreich und schlagfertig war sie. Aber die körperlichen und geistigen Vorzüge schützten sie nicht vor der Hitze und den begehrlichen Blicken der anderen, die sie nicht aus den Augen ließen. »Wir sind nicht weitergekommen, Rus«, sagte Luke Bonnart und stieß den Rauch durch die Nase.

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Leseprobe: Pulverrauch in Abilene

Die großen Western Classic – 9 –

Blutiges Gold

Alexander Calhoun

Selbst unter dem breiten Schirm des Palo Verde war es erdrückend heiß, und Luke Bonnart hatte Mitleid mit Joan Hamilton, die zusammengesunken auf einem Stein nahe der Felswand hockte. Staub machte ihr blondes Haar stumpf, und auf ihrem braunen Gesicht glänzte Schweiß in breiten Bahnen. Joan sah zusammengefallen aus, als ob ihr achtundzwanzigjähriger Körper durch die Last der Hitze zusammengedrückt worden wäre.

Um diese Tageszeit hätte es eigentlich nicht mehr so heiß sein dürfen, doch der Sommer war in diesem Jahr ohne Übergang gekommen, und der Sommer in Arizona war keine Jahreszeit, sondern ein Vorgeschmack der Hölle.

Um die Mittagszeit verwandelte sich die Erde wieder in trockenes Pulver, und weit draußen, auf der flachen roten Lehmebene zwischen den Aubrey Cliffs und dem Coconino Plateau, wirbelte der Wind Staubfahnen und -teufelchen auf. Dünne Windhosen zogen senkrechten Fingern gleich von Horizont zu Horizont.

Rus Hamilton und Larry Hagman waren gerade aus den Cliffs zurückgekommen, und der rote Sand klebte in ihren Nacken und lag wie ein Farbabstrich auf ihren Hemden.

Es war zu heiß, um am Hang zu graben, zu heiß überhaupt, um auch nur einen Finger zu bewegen. Drei Wochen buddelten sie hier draußen, weitab von der nächsten Stadt und vom Big Chino Wash, einem im Sommer ausgetrockneten Arroyo.

Luke Bonnart blickte zu den drei Buschhütten hinüber, die sie aus dem harten und zährankigen Chaparral geflochten hatten. Die erste diente dem Ehepaar Hamilton als Unterkunft, die zweite ihm selbst, Larry Hagman, ihren Schlafsäcken und ihren Waffen. Der dritte Jacale, wie die Apachen die Buschhütten nannten, fasste alle Geräte, den Proviant und ein Felllager für das mexikanische »Mädchen« für alles, Pedro Comparato.

Luke drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und trat auf Rus Hamilton zu. Bei ihm saß seine Frau auf einem Stein. Joan war unzweifelhaft hübsch. Nicht nur eine Schönheit, sondern auch geistreich und schlagfertig war sie. Aber die körperlichen und geistigen Vorzüge schützten sie nicht vor der Hitze und den begehrlichen Blicken der anderen, die sie nicht aus den Augen ließen.

»Wir sind nicht weitergekommen, Rus«, sagte Luke Bonnart und stieß den Rauch durch die Nase.

Hamilton sah auf. Er presste seinen schmalen Mund noch fester zusammen, und sein Blick flatterte.

»Wem sagst du das, Luke? Was schlägst du vor? Aufhören?«

»Das Wasser in der Zisterne wird knapp, der Proviant auch. Selbst das Wild hat sich in die Berge im Norden zurückgezogen. Wir sind ohnehin schon drei Wochen länger als vorgesehen hier.«

»Ja, du hast recht.« Hamilton zuckte ergeben die Achseln. »Ich kann nur nicht begreifen, dass irgendjemand von uns die Cliffs verlassen will, gerade jetzt …, Luke grinste ein wenig. Der Prospektor war ein geschickter Verkäufer seiner Ideen, trotz der ihm eigenen Pedanterie. Er hatte sie schließlich alle dazu gebracht, sich ihm anzuschließen, oder waren sie nur den hübschen Augen seiner Frau gefolgt? Luke Bonnart hätte es in diesem Augenblick nicht zu sagen vermocht.

»Du bist Prospektor und Geologe, ich ein einfacher Cowboy. Gold hat mich nie so sehr interessiert. Ich möchte wieder Rinder sehen, ihren Geruch einatmen und nicht nur Staub schlucken. Ich sage dir, Rus, wir werden das Gold nie finden. Schade um die Zeit und den Schweiß, die wir hier vergeuden.«

Hamilton erhob sich und legte seine Hand auf Joans Schulter. Seine abwehrende Handbewegung wirkte ein wenig fahrig.

»Natürlich, natürlich … Luke, ich sage dir, wir stehen kurz vor dem Ziel. Ganz kurz! Es bedarf nur noch einer kleinen Anstrengung, dann sind wir am Ziel. Die zweite Sonde von heute Vormittag stieß in einen Hohlraum.«

»Du vermutest eine Höhle oder so was?«

»Einen Stollen. Die alten Padres gruben Stollen und trieben sie weit in einen Berg hinein. Ich sage dir, wir sind am Ziel!«

Luke wechselte einen Blick mit Joan Hamilton und blickte auf die rote Sandebene hinaus, auf der Windhosen ihr undefinierbares Spiel trieben. Hundert und mehr Jahre lag das Gold in dem Berg, ausgegraben und versteckt von den frommen Padres, denen der Rückzug durch wilde Indianerstämme abgeschnitten worden war. Nur einer von ihnen war durchgekommen.

Und hier, das wusste Luke Bonnart, hoffte der Geologe und Prospektor Hamilton den Fund seines Lebens zu machen: Gold in seinem Rohzustand, Gold, eingebettet in Rosenquarz, gepackt in Ledersäckchen und als Adern im Gestein.

»Woher weißt du das alles?«, fragte er.

»Ich bin Geologe«, antwortete Rus stolz.

Luke schüttelte den Kopf.

»Das meine ich nicht. Woher hast du die Kenntnisse von der Mine?«

Hamilton stand auf und deutete zur Wasserstelle. Luke ließ seinen Glimmstängel fallen und trat ihn aus.

»Ich weiß es. Woher, das bleibt mein Geheimnis. Die geologische Formation der Aubrey Cliffs spricht dafür, und ich irre mich nicht.«

»Sind das die einzigen Beweise?«

Hamiltons Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln.

»Ich habe dich angeworben, Luke, weil du das Land kennst. Und so wie du hier Bescheid weißt, kenne ich mich in meinem Beruf aus. Reden wir nicht mehr darüber.«

»Na schön«, sagte Luke Bonnart. »Du musst es wissen, das gebe ich zu. Aber du kannst die anderen nicht zwingen, noch länger hierzubleiben.«

»Larry Hagman ist Prospektor wie ich«, antwortete Rus Hamilton kühl, »und Joan ist meine Frau. Wenigstens die beiden verstehen, um was es geht. Gold. Ja, aber um viel Gold!«

»Auf irgendeinem Papier vielleicht, aber nicht dort drüben«, erwiderte Luke mit Nachdruck. »Das ist mir auch egal. Du hast mich als Führer engagiert und bezahlst mich für meine Kenntnisse und meinen Rat, und ich gebe dir meinen Rat, ob er dir passt oder nicht.«

»Ein aufrichtiger Mann«, sagte Hamilton beißend und mit einem leichten, fast ironischen Lächeln. »So etwas findet man heutzutage draußen nur selten.«

»Vielleicht ist es bei mir nur Trotz und Widerstand gegen ein sinnloses Unternehmen«, antwortete Luke trocken. »Denn sinnlos ist dieses ganze Unterfangen.«

Er wandte sich um und ging zur anderen Seite des Lagers. Hamiltons Widerstand ärgerte ihn, obwohl er ihn erwartet hatte. Luke Bonnart wirkte groß und kräftig, breit wie eine Eingangstür und besaß kein Gramm Fett an seinem durchtrainierten Körper.

Vor zwei Monaten hatte ihn Rus Hamilton als Führer engagiert. Luke hatte die Frist festgesetzt, weil nur die Herbst- und Frühjahrsmonate im Norden von Arizona erträglich waren und weil er sich vorgenommen hatte, eine eigene Ranch in den Tälern des Coconino Plateaus zu gründen. Den Platz hatte er bereits vor Jahren ausgesucht und erworben. Er war zweiunddreißig Jahre alt und im Viehgeschäft groß geworden.

Luke Bonnart trat in die Buschhütte, die er mit Larry Hagman teilte. Larry saß auf seinen Decken, den Oberkörper nackt, rauchte seine Pfeife. Er lächelte Luke an, als er eintrat und die Winchester von der Astgabel nahm.

»Willst du was schießen?«, fragte er. Seine Stimme klang etwas schrill, als ob er ständig unter einer nervösen Spannung stünde.

Bonnart nickte und grinste.

»Heute Abend gibt es wieder dein Lieblingsessen, Kaninchenragout. Ist dir das recht?«

Der Prospektor schüttelte sich.

»Mir dreht sich der Magen um, wenn ich nur daran denke.«

»Auch gut.« Luke grinste. »Wir können sie ja zur Abwechslung braten. Oder wie wär’s mit einem Schlangensteak?«

»Scheußlich! Lassen Sie einfach Joan schießen«, erwiderte Larry Hagman angewidert. »Dann gibt es wenigstens Konserven. Besser als gar nichts.«

Luke Bonnart steckte Patronen in die Hosentasche und wandte sich dem Ausgang zu. Er blieb grinsend stehen und drehte sich noch einmal um.

»Du wünschst dir zu viel, Larry«, sagte er. »Mrs Hamilton schießt schon mindestens so gut wie Calamity Jane. Und die übertrifft sogar Wyatt Earp.«

»Oh, mein Gott«, stöhnte der Prospektor. »Was wir nicht alles für eine vage Hoffnung erdulden müssen und für Rus.«

Luke ging noch nicht. Er stellte das Gewehr mit dem Kolben auf die festgetretene Erde und stützte sich auf den Lauf. Aufmerksam sah er Hagman an.

»Ist dir nichts aufgefallen, Larry?«

»Nein, was?«

»Einmal sagen wir Sie zueinander, dann …«

»Ach, das«, der Prospektor winkte ab. »Weißt du, Luke, das ist nur so ’ne Art Hochachtung dir gegenüber. Du bist immerhin der Mann, der uns führt. Ohne dich wären wir in dieser vertrackten Wüste verloren.«

»Na ja, ich will’s glauben.« Luke lachte, schulterte die Winchester 73 und marschierte los.

Sein Grinsen erlosch, und er runzelte nachdenklich die Stirn. Hagman war mit seinen Nerven fertig, da gab es keinen Zweifel. Und der plötzliche Wechsel seines Tonfalls hatte Bonnart verraten, wo seine empfindliche Stelle war. Die Hitze machte sie alle fertig und gereizt. Das konnte nicht gutgehen. Nicht mit einer schönen Frau im Lager.

*

Luke blieb stehen, als sie aus der Buschzone am Rand der Wüste traten. Er hielt Joan Hamilton am Arm zurück. Dann reichte er ihr die Winchester. Er vermied dabei hastige Bewegungen, um das Kaninchen nicht zu verscheuchen.

»Halten Sie tief«, sagte er. »Und nicht vergessen: langsam den Abzug ziehen und die Luft anhalten. Es wird schon klappen.«

Befriedigt sah er zu, wie sie das Gewehr fest an die Schulter zog, ohne die Hände oder den Körper zu verkrampfen, und die Beine leicht spreizte. Das Kaninchen saß auf den Hinterläufen und mümmelte in der graugrünen See des Chaparrals, die sich bis zu den Bergen am Havasu erstreckte.

Plötzlich nahm es den Geruch von Gefahr wahr, Menschengeruch. Es richtete sich noch weiter in die Höhe und äugte herüber. Die Kugel riss es um.

»Gut geschossen, Madam«, sagte Luke Bonnart anerkennend. »Sie werden selbst in diesem rauen Land nicht verhungern.«

Joan Hamilton lachte. »Sie waren ein ausgezeichneter Lehrer, Luke. Wo haben Sie so gut schießen gelernt?«

»Auf der Weide. Holen wir die Beute und kehren wir zurück«, sagte er und setzte sich schon in Bewegung.

Sie war etwas mehr als mittelgroß, reichte ihm also gerade bis an die Achsel. Ihr Haar wirkte im Sonnenlicht goldblond und fiel ihr bis auf die Schulter. Ihre veilchenblauen Augen hatten einen direkten, offenen Blick, ihre Nase war kurz und schmal, ihr Mund ein wenig zu breit, mit einer vollen Oberlippe. Ihr Gesicht verriet Stärke und Willenskraft, fand Luke.

Sie gingen zu dem Kaninchen. Luke hob es auf.

»Vier bis fünf Pfund. Reicht für eine Mahlzeit, wenn wir es ein bisschen strecken. Wie ist die Lage auf dem Proviantsektor?«

»Zwei Wochen reicht er, drei, wenn wir genügend schießen können«, erwiderte sie.

»Sie meinen Frischfleisch, Madam?«

Joan nickte, fuhr fort. »Mein Mann hat mir gesagt, dass Sie drängen, das Land zu verlassen. Ich möchte Sie bitten, noch zwei oder drei Wochen zu warten.«

»Ich habe meinen Vertrag mit Ihrem Mann eingehalten. Mehr als das«, fügte er hinzu.

»Aber wir werden fündig, ich weiß es. Rus und Larry sind ebenfalls überzeugt.«

»Bei Hagman bin ich da nicht so sicher«, knurrte Luke Bonnart orakelhaft. »Der sagt heute das und morgen dies. Und wenn er in Ihre veilchenblauen Augen schaut, Madam, dann fühlt er sich stark genug, den Mond vom Himmel zu holen.«

»Bitte, sagen Sie doch so was nicht!« Joan wurde rot und wandte sich ab. »Morgen stoßen wir auf die Ader.«

Luke lachte laut und bitter.

»Sie werden ein paar Skelette finden, nichts weiter, Madam. Skelette von Menschen, denen Rus für das schöne Märchen vom Gold danken kann.«

»Sie meinen die Padres?«

Luke nickte. »Natürlich die Padres. Ihre Geister bewachen den Stollen. Sehen Sie, Madam, die einzigen Skelette, die mich interessieren, haben Fleisch und Fell auf den Knochen und zwei Hörner auf dem Kopf. Und sie warten auf mich dort drüben.« Er zeigte mit der Hand nach Nordosten und kicherte.

»Es geht doch nur um ein paar weitere Wochen, Luke«, sagte sie überredend. »Sie wissen doch, dass wir ohne Sie hier völlig hilflos sind. Bitte.«

Luke Bonnart schüttelte den Kopf.

»Der Vertrag ist abgelaufen. Was zu erfüllen war, habe ich nach bestem Wissen und Gewissen getan.«

Sie wechselte schnell das Thema. Ihre Stimme klang einen Diskant heller, und als sie ihn beim Sprechen ansah, hatte der Mann das Gefühl, in zwei blaue Märchenseen zu schauen.

»Haben Sie noch einmal Spuren entdeckt, Luke?«

»Klar, habe ich. Täglich neue. Coconino streicht wie ein Coyote ums Lager – unsichtbar, unhörbar, dabei gefährlich wie eine Klapperschlange.«

Joan Hamilton ging weiter. Luke blieb einen Schritt hinter ihr und richtete seinen Blick zu Boden. Abrupt blieb er stehen und starrte auf das pulverisierte Erdreich. Deutlich war dort der Abdruck eines Stiefels zu sehen.

»Warum kommen Sie nicht? Was ist …?« Joan Hamilton war stehengeblieben und sah zu ihm hin.

Luke antwortete nicht. Seine Gedanken liefen im Kreis. Ein Stiefelabdruck … Apachen trugen keine Stiefel. Sie mochten die harte Fußbekleidung der Weißen nicht. Woher kam der Abdruck? Von ihnen selbst? Von Rus, Larry oder Pedro? Luke schloss sekundenlang die Augen.

Rus hatte Stiefelgröße 46, Larry kaum einen kleineren Fuß, und wenn man Pedro Comparatos Quadratlatschen sah, konnte man sich weitere Fragen ersparen. Der Abdruck war von einem Fremden, von einem kleinen schlanken, und leicht vornübergebeugt gehenden Mann. Kein Zweifel.

»Luke, sind Sie eingeschlafen?«

Joan trat neben ihn, sah den Abdruck im Sand und streckte den Rücken, ihre Stimme klang belegt, als sie sagte: »Das ist es also … Luke, sind Fremde in der Nähe?«

Bonnart nickte. Er schaute an der schönen Frau vorbei. Sein Blick blieb an einer kaum sichtbaren Unregelmäßigkeit des Bodens hängen. Ein anderer hätte sie vielleicht nicht einmal bemerkt, aber die Männer, die in diesem Land leben, achten automatisch auf die winzigsten Details, die hier zwischen Leben und Tod entscheiden können. Ruhig streckte er die Hand aus.

»Geben Sie mir bitte die Winchester, Madam.«

Joan verfärbte sich, nahm das Gewehr aus der Armbeuge und reichte es ihm. Luke nahm es und legte den Sicherungsflügel um. Das metallische Klicken störte ihn. Mit den Augen und seinen übrigen Sinnen suchte er den grünbraunen Buschgürtel ab. Vom Lager tönten Stimmen herüber. Larry Hagman unterhielt sich mit Rus Hamilton laut und polternd.

Ein paar Sekunden lang blickte Luke zu der etwa fünf Meter entfernten Stelle hinüber und packte automatisch das Gewehr fester. Dann ging er langsam darauf zu.

Trotz der flimmernden Sonnenhitze auf dem Sand erkannte er deutlich Fuß- und Knieabdrücke, die leichte Mulde eines liegenden Körpers und die Eindrücke aufgestützter Ellbogen.

Hier hatte ein Mensch gelegen und das Lager beobachtet. Luke sah sich suchend um. Er hatte das Gefühl, dass der Fremde, der hier gelegen hatte, ihn aus dem Dickicht heimlich beobachtete. Er war weder ängstlich noch beunruhigt, aber es gefiel ihm nicht, dass der Mann sich nicht zeigte.

»Was ist denn los?«, flüsterte Joan mit schmalen Lippen und erschauerte. »Apache?«

»Apachen tragen keine Stiefel«, antwortete Luke knapp und ging zwei Schritte weiter. Er fand eine lange Furche im Sand, wo das Gewehr des Fremden gelegen hatte. Schließlich entdeckte er auch die Fußspur, schon etwas verwischt vom ständig wehenden Wüstenwind, aber noch klar erkennbar. Stiefelspuren.

»Niemand hat den Fremden gesehen, niemand hat etwas gemerkt. Wir müssen Wachen aufstellen, Madam.«

Rus Hamilton war aufmerksam geworden. Er kam herüber.

»Was glotzt ihr beiden denn so den Boden an? Eldorado gefunden?« Er lächelte schief.

»Kaum.« Luke streifte ihn mit einem spöttischen Blick. Auch Rus war am Ende seiner Nervenkraft. Er deutete zu Boden, fuhr fort: »Wir werden beobachtet. Ein Weißer, bewaffnet.«

Luke stieß den Gewehrlauf in die umgebenden Büsche. Er hatte nicht die geringste Hoffnung, den Fremden aufzustöbern.

»Das fehlt uns noch!«, stieß Hamilton mit einem Knurrlaut aus. »Zuerst die verdammte Rothaut, jetzt ein weiterer, der sich nicht zeigt und von dem wir nicht wissen, was er vorhat.« Suchend blickte er sich um.

»Gehen wir zum Lager zurück«, erklärte Luke Bonnart und sicherte das Gewehr. Rus Hamilton nahm seiner Frau das tote Kaninchen aus der Hand und stapfte wütend los. Er schwitzte. Das taten sie alle. Die Hitze war infernalisch. Aber Rus schwitzte mehr als die anderen, weil er trank. Nicht etwa Wasser, sondern Whisky, und den unverdünnt und reichlich.

Pedro Comparato kam ihnen entgegen. Als er das Karnickel sah, zog sich sein braunes Mexikanergesicht in seltsamer Weise in die Länge. Verdammt, schon wieder Kaninchen!

Rus Hamilton warf dem Lagerkoch und Mädchen für alles das blutige Tier gegen die Brust und zeigte sein schadhaftes Gebiss.

»Wird reichen, wenn wir alle unsere Gürtel enger schnallen. He, Luke, kannst du nicht mal zur Abwechslung etwas anderes schießen? Einen Elch oder ein Stück Rotwild?«

Luke deutete zu den fernen Bergen.

»Dort mag es Wild geben, hier in der Wüste sind nur Schlangen und Kaninchen.«

»Dann geh hin und hol dir was vor den Lauf!«

Luke schüttelte den Kopf.

»Zu weit, wenn man bedenkt, dass wir uns alle vor dem Gewehrlauf eines Fremden bewegen – und vor dem aufgelegten Pfeil des Apachen.«

Hamilton blieb stehen.

»Du glaubst an einen Überfall?«

»Der Fremde hat uns beobachtet. Er muss die Siebe und Schüttelpfannen genauso gut gesehen haben wie das Werkzeug. Ein Reim darauf wird ihm schon einfallen.«

Hamilton stampfte wütend mit dem Fuß. Luke wunderte sich immer wieder, was Joan bei diesem ungeschlachten und jähzornigen Mann hielt.

»Morgen in der Frühe werde ich sprengen. Ich sage dir, Luke, das Gold ist so nahe wie der verdorrte Busch dort drüben!«

Luke gab keine Antwort, zuckte die Achseln und entfernte sich zur Tinaja. Nur wenig Wasser noch bedeckte den Steingrund. Luke Bonnart ließ den Eimer hinab und zog ihn halb gefüllt wieder hoch. Zuerst goss er sich etwas von dem kühlen Nass über das erhitzte Gesicht, und dann feuchtete er sich die Haare an. Bevor er den aus Lederstücken zusammengenähten Behälter an die Lippen setzen konnte, hörte er den Schrei vom Lager herüberschallen.