Blutmähne - Andy Klemm - E-Book

Blutmähne E-Book

Andy Klemm

0,0
5,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Ich habe hunderte Leben gelebt und tausende mehr beendet. In den Augen der meisten, eine Kreatur der Finsternis. In den Herzen weniger ein Geschenk, wie mein Name es verheißt. Jene rufen mich: DONATELLA. Die anderen kennen mich als BLUTMÄHNE.« Donatella, eine verführerische Bluttrinkerin, die einst glaubte, das Schicksal könne ihr nicht die Fäden ihres Lebens diktieren, ist gezwungen, sich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, dass einige Begegnungen nicht zufällig waren. Wer hätte ahnen können, dass ihr unsterbliches Leben eine Wendung nehmen würde, als vor langer Zeit einer unscheinbaren Novizin etwas anvertraut wurde, das sie selbst so sehr begehrte. Donatella erkennt, dass das Schicksal von Sterblichen und Unsterblichen miteinander verwoben ist und ein uraltes Übel sie alle bedroht. Zusammen mit Elani, Salomès Tochter, muss sich Donatella einer jahrhundertealten Schuld stellen und ungewöhnliche Allianzen schließen, um ihr gemeinsames Ziel zu erreichen. Während sie sich in einer Welt bewegen, in der Schicksal und Begehren aufeinanderprallen, fragt sich Donatella, ob in ihrem tödlichen Körper ein empfindsames Herz steckt und ob Vergebung den Weg zur Erlösung ebnen kann. In „Salomé – Das Blut der ersten Sünde“, lerntet Ihr die junge Novizin kennen, deren schwerer Weg sie bis ins ferne Afrika führte. Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Wenden wir die Münze und entdecken die Welt Donatellas ... auch bekannt als BLUTMÄHNE!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Epilog
Post Scriptum
DER AUTOR

 

 

WELTENBAUM VERLAG

Vollständige Taschenbuchausgabe

04/2023 1. Auflage

 

Blutmähne – Sachmets Vermächtnis

 

© by Andy Klemm

© by Weltenbaum Verlag

Egerten Str. 42

79400 Kandern

 

Umschlaggestaltung: © 2022 by Magicalcover

Lektorat: Hanna Seiler

Korrektorat: Hanna Seiler/Michael Kothe

Buchsatz: Giusy Amé

Autorenfoto: Privat / Andy Klemm

 

 

ISBN 978-3-949640-44-5

 

www.weltenbaumverlag.com

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

 

 

Printed in Germany

 

 

Andy Klemm

 

 

 

Blutmähne

Sachmets Vermächtnis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Historischer Fantasy Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Widmung

 

Mein Dank geht an

den Weltenbaum Verlag, Giusy,

Hanna und alle Autorenkollegen.

 

Prolog

 

 

Gebettet inmitten eines Meeres aus karmesinrotem Sand, dem Willen der Sonne ausgeliefert lag sie da. Schlummernd, verloren in den Alpträumen ihres Vaters, wie eine Gefangene eines Labyrinths, erbaut aus Missbilligung und Argwohn. Getrieben von der Ohnmacht einer erzürnten Omnipotenz.

Wie ein Opferlamm für die erbarmungslosen Winde Thebens war sie gebrochen, wie der karge Boden. Dürstend nach dem ersehnten Regen, die Lippen geborsten, obgleich gekleidet im samtenen Rot ihrer Beute. Betört vom Lebenssaft derer, welche ewige Treue dem Herrn der Sonne geschworen, doch seinen Zorn anlockten wie reiche Ernte die Zikaden.

Ein Schatten legte sich über den Körper der Gefallenen, wie eine Decke geknüpft aus väterlicher Liebe. Starke Hände gruben sich tief in den durchtränkten Boden unter ihrem Leib, hoben sie behutsam auf und führten ihr Antlitz der Liebkosung seiner Küsse nahe.

»Verzeih mir, geliebte Tochter.«

Unfähig, dem Schlaf zu entrinnen, verhallten seine Worte in der Weitläufigkeit der Wüstenebene, ohne ihr Ohr zu erreichen. Sie verkamen zu einem unerhörten Echo des Mitleids in den Unweiten ihrer unsterblichen Seele.

»Was habe ich nur getan, Thot?« sprach er, ohne den Blick von der Frau abzuwenden, welche in seinen Armen ruhte. »Opferte ich meinem Zorn das Einzige, was ich jemals liebte? War der Preis, den ich für meine Enttäuschung zahlte, zu hoch?« Kurz sahen seine dunklen Augen in die seines Vertrauten. Ohne ein Wort zu sprechen, verstand er die stumme Zustimmung. »Schreibt nieder! Ihrer Zweifaltigkeit soll gedacht werden in den Herzen der Menschen, welche ich hergab, um ihnen eine Lehre zu erteilen. Aufblicken sollen sie in Ehrfurcht nicht nur vor Hathor, meiner Tochter, sondern auch Sachmet, dem Raubtier, welches nach ihrem Blut verlangte. Ihre Lobeshymnen sollen erklingen immerdar, auf dass sie nie vergessen, wem sie ihr Sein verdanken.«

Sein Kopf senkte sich, um die Stirn der Gefallenen zu küssen.

»Schlafe fest, Sachmet. Ruhe in meinem Herzen. Vergib einem liebenden Vater die Bürde, welche er dir auferlegte und erwache: Hathor. Tochter des Re!«

Die Augenlider des Mädchens begannen zu flackern. Ihr Körper wand sich in Krämpfen, wie ein Krake, gestrandet auf den trockenen Ufern des Nils. Das kehlige Knurren wie das einer Raubkatze entfuhr ihren sanften Lippen, als sich ihre Augen ein letztes Mal öffneten und ihm ins Gesicht sahen.

»Wisse, Re, die Saat der Sachmet ist gesät, auf dass nie ein Erdenkind vergessen mag, was du über sie brachtest.«

Ihr Kopf fiel in ihren Nacken, als ein endgültiges Zucken den zarten Leib des Mädchens verließ. Ihr Atem war vergangen. Das Licht ihrer Fackel verglimmt, um dem Lebensfunken einer anderen Seele Platz zu machen.

»Was ist mit mir geschehen, Vater?«, fragte Hathor. Ihr geschwächter Körper zitterte in den Armen des Mannes, der seinen Schmerz nicht länger zurückhalten vermochte. Salziger Regen ging auf die endlosen Dünen Ägyptens nieder, als Re seine Tochter an sich drückte.

»Du bist zu mir zurückgekehrt, mein Kind. Das ist alles, was mein Herz je begehrte.«

 

Kapitel 1

 

DONATELLA

 

Der modrige Geschmack der Luft erinnerte mich einmal mehr an die vielen Gelegenheiten, an denen ich Zuflucht in Gewölben und Grüften suchte, um dem Tageslicht zu entgehen. Zumeist begleitet von einer Note der Verwesung oder den Exkrementen herumstreunender Ratten, war es einer der Gründe, die mich ein teures Parfum schätzen ließen.

Zedernholz, Lavendel, gerne auch ein Hauch von Patschuli, wie ich ihn bei den vielen Mahlzeiten innerhalb der Mauern zahlreicher Gotteshäuser wahrnahm. Der Geruch erloschener Kerzen oder nach altem Pergament. Die Nuancen des Messweins im Schweiß der Hälse. Ich werde wieder melancholisch, wenn ich daran denke.

Honigmilch. Oh ja, der Dampf eines heißen Bades, dessen Wasser davon durchsetzt war. Die wohlige Wärme, wenn sie meinen wohlgeformten Körper umhüllte und meine zarte Haut noch begehrenswerter machte, als sie es ohnehin schon war. Wie es meine Kurven liebkoste, jene Stellen, für die so mancher Kerl sein Leben gegeben hätte, sie berühren zu dürfen. Mein üppiger Busen, welcher die Blicke der Lüsternen auf sich zog wie der Zucker die Fliege. Meine langen Beine, zwischen deren Schenkel so mancher Sterbliche seinen letzten Atemzug nahm, bevor ich ihn leerte – und der Heilige Gral, welcher zwischen ihnen verborgen lag und die Sehnsüchte ganzer Generationen weckte.

Die ätherischen Öle, die meinem Haar den Glanz verliehen, dem kein männliches Auge widerstehen konnte. Ganz zu schweigen von dem Schleier der Gelüste, welche dadurch meinen Nacken umspielten, den sie doch zu gerne mit ihren Küssen bedachten. Inbrünstig. Fordernd und gleichzeitig willenlos verfallen, bis ihre Gesichter zwischen meinen Brüsten ihren Weg dorthin fanden, wo meine Leidenschaft entflammte wie einst das Inferno Samaels in den Urtiefen des Fegefeuers. Danach lechzend, vom Nektar meiner Blüte zu kosten, auf dass es ihnen gehöre. Mit ihrem Leben bezahlend, wenn es mir beliebte, ihnen zu erlauben davon zu kosten, ohne zu begreifen, welch hohen Tribut sie dafür zollen würden.

Was hätte ich dafür gegeben, in jenem Augenblick einen dieser Düfte wahrzunehmen, als die schallende Ohrfeige mich unfreiwillig aus der Bewusstlosigkeit holte.

Noch bevor der brennende Schmerz des Schlages mein Bewusstsein erreichte, erfuhr ich einen weiteren Hieb ins Gesicht und vernahm das Echo meines Aufschreis.

»Wach auf, oder muss ich noch fester zuschlagen?«, durchdrang eine Stimme das Pfeifen in meinen Ohren und obgleich meine Augen für die Dunkelheit geschaffen waren, bedurfte es einiger Augenblicke, bis ich ein klares Bild erkannte.

Im flackernden Licht einiger Fackeln erkannte ich die Konturen einer Frau, die über mich gebeugt war. Sich mit beiden Händen auf meine Armgelenke stützend, trafen mich ihre Blicke wie Speere. Bernsteingleiche Augen, eingebettet in ein kaffeefarbenes Gesicht, ließen keinen Zweifel daran, dass ihr Gemüt einem Vulkan kurz vor dem Ausbruch glich.

»Ich bin wach!«, knurrte ich, als sie zu einem weiteren Schlag ausholte. »Kein Grund, dieses hübsche Gesicht noch weiter zu traktieren.«

»Deine Arroganz wird dir noch vergehen«, gab die junge Frau zurück und richtete sich auf. Mit vor der Brust verschränkten Armen sah sie verachtend auf mich herab und mir fiel das Beben ihrer Unterlippe auf. Ich wollte mich ebenfalls erheben, aber musste feststellen, dass mich eiserne Fesseln an den Beinen und Armen daran hinderten. Kurz rüttelte ich daran.

»Gib dir keine Mühe. Diese Verschläge sind aus bestem Metall gefertigt. Stark genug, um dir standzuhalten.«

Kurz sah ich an mir hinunter. Scheinbar saß ich auf einem massiven Stuhl aus Eichenholz, dessen filigranen Schnitzereien mich an einen Thron erinnerten. Dann fiel mein Blick auf die Risse in meinem Gewand sowie den Schmutz, der sich in dem teuren Stoff festgesetzt hatte.

»Hast du eine Ahnung, wie kostspielig dieses Kleid war?« Mein Blut kochte vor Zorn. »Es handelt sich um edelste Seide aus Indien. Allein der Transport hat mich ein Vermögen gekostet! Ganz zu schweigen davon, wie lange ich darauf warten musste.«

Als mich abermals eine Ohrfeige traf, verwandelte sich das Glimmen meines Frustes in einen Flächenbrand.

»Halt dein Maul, du Monster«, sagte die Frau mit ruhiger Stimme. »Du bist nicht in der Position, deinen Frust zu äußern.«

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, die Gedanken über mein Gewand zu verdrängen. Wer war diese ignorante Person, die es überhaupt wagte, mich an einen Stuhl zu fesseln und dann auch noch die Hand gegen mich erhob?

Mein Blick wanderte über ihren Körper. Gekleidet in den Lumpen einer Dienstmagd, die pechschwarzen Haare zu einem langen Zopf geflochten, hätte ich ihr zartes Gesicht einer frühreifen Jungfrau zugesprochen, wenn ihre Augen nicht die Ausstrahlung einer erwachsenen Frau in sich getragen hätten. Sie war zierlich, kaum in der Lage einen Sack Kartoffeln auf den Schultern zu tragen, ohne sich dabei zu verletzen, und dennoch erinnerte mich ihre Körperhaltung an einen Krieger. Ich fragte mich, wie dieses zerbrechliche Geschöpf mich in seine Gewalt bringen konnte.

»Was willst du von mir?«, fragte ich. »Wer bist du?«

Ihre wollüstigen Lippen, deren Kuss selbst ich nicht abgeneigt gewesen wäre, öffneten sich wie der Vorhang einer Bühne, um einem überlegenen Lächeln Platz zu machen.

»Das erfährst du noch früh genug, Blutmähne!«

Wie lange hatte ich diesen Namen nicht mehr gehört?

»Und ich wiederhole mich nur ungern! Ich stelle hier die Fragen!« Sie lehnte sich zu mir vor und ihr warmer Atem wehte mir entgegen. »Wir beide werden noch einige Zeit miteinander verbringen.«

Damit erhob sie sich wieder und verließ eiligen Schrittes den Raum. Ich war allein. Als ich mich umsah, wurde mir bewusst, dass der Geruch, den ich wahrgenommen hatte, meine Vermutung bestätigen sollte. Ich befand mich in einem Gewölbe. Die groben Steine, welche die Grundfesten darstellten, mussten schon sehr alt sein und der Zahn der Zeit hatte stärker an ihnen genagt, als ich es je an einem der unzähligen Hälse hätte tun können. Tiefe Risse durchzogen die mich umgebenden Wände. Dunkle Flecken von Feuchtigkeit und der karge Boden deuteten darauf hin, dass wir uns unterhalb des Erdbodens befanden.

In der Ecke neben der alten Holztüre, durch welche die Frau den Raum verlassen hatte, erkannte ich die Reste hölzerner Heiligenfiguren. Die Farben, die sie einst ummantelten, mussten schon vor Jahrzehnten abgeblättert sein und die vielen Spinnweben verrieten mir, dass sie mindestens ebenso lange nicht mehr hervorgeholt worden waren. Ausgemustert wie die Gottheiten der Antike. In Vergessenheit geraten. Dazu verdammt, den eigenen Verfall zu erdulden.

Abermals sah ich an mir herab. Reste von rotem Samt bezogen die Sitzfläche des Throns, auf dem ich saß. Sakrale Ornamente in den Armlehnen, bestückt mit eisernen Fesseln, überzeugten mich, dass es einst der Stuhl eines kirchlichen Würdenträgers gewesen sein musste.

Ich befand mich also im Untergeschoß einer Kirche oder Klosters, doch auf mehr ließ mich der ansonsten leere Raum nicht schließen. Glaubte die junge Frau tatsächlich, dass dies mich aufhalten könnte? Lächerlich. Wie oft hatte ich bereits das siegessichere Funkeln in den Augen der Menschen erkannt, die mir ihre Kruzifixe unter die Nase hielten, dem Irrglauben verfallen, meinesgleichen damit auf Abstand halten zu können. Ihre Rosenkränze nach mir schlagend, mit zittriger Stimme Gott den Erlöser beschwörend, auf dass er mich niederstrecken möge mit seiner Allmacht. Ich war dieses Unfugs wahrlich überdrüssig geworden.

Leider musste ich zugeben, dass die Fesseln, welche mich an dem schweren Stuhl hielten, ihren Zweck nur zu gut erfüllten. Obwohl meine Kräfte denen eines Sterblichen weitaus überlegen waren, gelang es mir nicht, sie zum Bersten zu bringen und selbst das Holz wollte nicht nachgeben.

Ich hätte wissen müssen, dass es mich das Gleichgewicht kosten würde, wenn ich mich mit aller Macht zur Seite warf. Leider dachte ich in jenem Augenblick nicht so weit und schlug mit dem Gesicht auf den feuchten Boden des Gewölbes auf, als der Stuhl seitlich wegkippte.

Der ekelerregende Geschmack in meinem Mund ließ ein Unwetter in meinem Rachen ausbrechen und ich erlag dem unfreiwilligen Reflex meines Würgereizes, als sich der Staub einen Weg in meine Lungen suchte. Hustend und spuckend, ohne darauf zu achten, meine Haare nicht zu treffen, resignierte ich einen Moment. Wie konnte es sein, dass eine Sterbliche mich tatsächlich hier festhalten konnte?

Der Anblick meines Erbrochenen in meinen Haarsträhnen glich einem Nährboden für die Keime meines Zorns. Der Dreck des Bodens verklebte zu einer Lache aus Blut und Erdreich und der Gestank wurde zu einer fast unerträglichen Bürde. Lautstark fluchend versuchte ich, mich von der Pfütze fortzubewegen. Ich ruckelte an dem Stuhl, der sich kaum einen Fingerbreit bewegte und ergab mich schließlich dem Schicksal.

Es war so erniedrigend. Einem Trunkenbold gleich in seinem eigenen Erbrochenen zu liegen, unfähig sich aus der Situation zu befreien, entsprach nicht dem gewohnten Bild, welches mich auszumachen pflegte. Man mag mich eitel nennen, doch ich würde sagen, dass ich mir durchaus bewusst bin, dass Kleider Leute machen und eine ansprechende Hülle jedes Geschenk aufwertete. Und auch wenn den meisten der Wunsch ins Gesicht geschrieben stand, dass sie die Vorzüge meines Körpers vornehmlich ohne Kleidung bevorzugten, legte ich immer großen Wert auf angemessene Bekleidung. Soweit ich mich entsinnen mag, war dies einer der seltenen Augenblicke, in denen mich mein Spiegelbild angewidert hätte.

Ich schloss meine Augen, um nicht länger dem ekelhaften Anblick ausgesetzt zu sein, und dachte darüber nach, wie ich mich aus dieser Lage befreien könnte. In diesem Augenblick erfasste meine feine Nase eine Duftmarke, welche mir nur zu vertraut war, und es wurde mir schlagartig klar, wie diese Sterbliche mich hatte überwältigen können.

Das Blut einer Schlange. Der abartige Gestank, den der Lebenssaft dieser Reptilien verströmt, drehte mir den Magen abermals um. Woher wusste dieses Miststück, dass meinesgleichen einem Schock erlagen, wenn sie es versehentlich zu sich nahmen?

Es konnte kein Zufall sein. Freiwillig hätte ich es nicht zu mir genommen, was nur den Schluss zuließ, dass die Frau es mir verabreicht haben musste. Stellte sich mir nur die Frage, wie es ihr gelungen war und wann?

Einige Minuten lang stemmte ich all meine Kraft gegen die metallenen Fesseln. Ob es an dem Blut der Schlange lag, oder das Eisen besonders gut geschmiedet wurde, vermag ich nicht sagen. Fest stand jedoch, dass es mir nicht gelang, es zu sprengen, geschweige denn es auch nur einen Spaltbreit zu bewegen.

Ich versuchte die Wut, welche sich in meinem leeren Magen breitmachte, zu verdrängen, ebenso wie das unbändige Verlangen nach der warmen Kehle eines Sterblichen. Wer konnte schon sagen, wie lange ich mich bereits in diesem Gewölbe befand? Der fordernde Durst bezeugte jedoch, dass es einige Tage sein mussten.

Es fiel mir schwer, mich zu erinnern, wann ich das Bewusstsein verloren hatte. Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, war der monotone Gesang eines Chors. In Fetzen gerissene Bilder von in Roben gekleideten Menschen, sowie der angenehme Geruch von Boswellienharz. Dann schoss es mir wieder durch den Sinn. Ich war in einer Kirche der Verlockung des Blutes eines Geistlichen gefolgt.

Das Aufreißen der hölzernen Türe zu dem Gewölbe riss mich aus den Gedanken. Sofort erkannte ich den zielstrebigen Schritt der jungen Frau, noch bevor ich aufsah. Nahe meinem Kopf blieb sie stehen. Mein Blick wanderte von ihren Schuhen hinauf zu ihrem Gesicht, das mich verächtlich musterte. In der Hand hielt sie einen alten Eimer.

»Dachtest du wirklich, du könntest mir so leicht entkommen, Donatella?« Sie grinste siegessicher. »Ich habe mich bestens vorbereitet und weiß genau, wie ich dich bändigen kann, Blutmähne!«

Demonstrativ stellte sie den Eimer vor meinem Gesicht ab. Ohne einen Blick hinein werfen zu können, verriet mir der Geruch, den er mit sich brachte, dass der Inhalt mir nicht gefallen würde.

»Durstig?«, fragte sie mich und richtete den Stuhl, auf dem ich saß, mühevoll wieder auf.

»Ich wette, deine Kehle brennt bereits vor Verlangen nach etwas Lebenssaft, oder?« Die Schadenfreude in ihrem Gesicht weckte in mir das Verlangen, ihr die Augen herauszureißen und als Andenken an einer Halskette zu tragen.

Sie zog eine kleine Kelle aus der Tasche und füllte diese mit dem Inhalt aus dem Eimer. Für einige Augenblicke hielt sie es unter ihre eigene Nase, und dabei wuchs die Vorfreude in ihrem Gesicht ins Unermessliche. Sie wusste ganz genau, was sie mir damit antun würde, und schien es offensichtlich zu genießen.

»Koste mal!«, sagte sie schließlich und drückte mir den Löffel gegen die Lippen und nachfolgend hinein in meinen Mund. Der widerwärtige Geschmack des Gemischs spottete jeder Beschreibung.

»Das Blut eines verendeten Ebers mit einem Spritzer dem einer Schlange«, kommentierte die junge Frau ihre Tat. Noch bevor ich auch nur einen Tropfen schlucken konnte, reagierte mein unsterblicher Körper und ich erbrach mich erneut über mein Gewand.

»Wie mundet dir die Eisenhutnote im Abgang?« Mit einem Grinsen bückte sie sich zu mir herunter.

Es bedurfte all meiner Willenskraft, mich dem Brechreiz entgegenzustellen, und ich rang mir ein Lächeln ab. Man hatte mir schon Schlimmeres angetan.

»Die Flecken werde ich nie aus dem Stoff herausbekommen«, entgegnete ich, obgleich es mich wunderte, woher die junge Frau so genau wusste, welche Pflanzen einem Unsterblichen das Leben schwer machten. Ich spuckte ihr ins Gesicht. »Probier selbst!«

Sie zeigte keine Reaktion auf meine abstoßende Geste. Gelassen wischte sie sich mit dem Ärmel das Gesicht ab und legte den Kopf zur Seite.

»Beim zweiten Mal schmeckt es dir sicherlich besser!« Damit packte sie mein Kinn und presste ihre Finger in meine Wangen, sodass sich mein Mund unwillkürlich öffnete. Sie wusste also auch, dass Eisenhut eine schwächende Wirkung auf mich hatte.

Gnadenlos schüttete sie mir den gesamten Inhalt des Eimers in den Mund und auf das Gesicht. Mir blieb die Luft zum Atmen weg, als das Gebräu in meine Nase und Augen lief und ich unfreiwillig etwas davon trank. Ich konnte nur vermuten, dass meine Peinigerin wusste, was sie mir damit antat, und es dauerte auch nur wenige Momente, bis mein Körper seine natürlichen Abwehrmechanismen aktivierte.

Die unerträglichen Schmerzen, die Krämpfe in meinem Magen und Hals wurden nur von dem Verlangen nach Atemluft überdeckt, während ich mich ununterbrochen übergab und den Kopf hechelnd nach vorne fallen ließ. Es trieb mir tatsächlich Tränen in die Augen und das verschwommene Bild der Frau, wie sie den Raum verließ, war das Letzte, das ich sah, bevor das Schlangenblut mich abermals in Ohnmacht versetzte.

Kapitel 2

 

DONATELLA

 

Flüstern hinter der hölzernen Tür drang leise an mein Ohr, als ich die Augen wieder öffnete. Ohne Zweifel unterhielt sich meine Peinigerin mit jemandem auf der anderen Seite, doch konnte ich die Worte nicht verstehen.

Sie war also nicht allein. Es wäre mir auch schwer gefallen zu glauben, dass ein zierliches Mädchen es ganz ohne Hilfe gelungen wäre, eine erfahrene Bluttrinkerin wie mich zu überwältigen.

Als sich die Tür öffnete, gelang es mir nicht zu erkennen, mit wem sie gesprochen hatte. Zielstrebig kam sie auf mich zu, eine glänzende Klinge in der Hand haltend.

»Ich sehe, du bist wieder wach? Gut. Bereit für den nächsten Gang?« Die Fröhlichkeit in ihrer Stimme widerte mich an.

»Kommt nun der Moment, wo du mir die Kehle durchschneidest?«, fragte ich sie gelangweilt. Ihr Blick klebte einen Augenblick auf dem Metall des Dolches, bevor sie ihn mir ins Bein rammte.

»Nein. So leicht mache ich es dir nicht«, fuhr sie mich an und begann die Schneide von rechts nach links zu drehen. Der Schmerz durchzuckte meinen Leib und ich konnte mir einen Aufschrei nicht verkneifen. »Ist sicherlich eine neue Erfahrung für dich, mal die Seite des Leidtragenden durchleben zu müssen, oder?«, flüsterte sie in mein Ohr und zog den Dolch wieder heraus. »Wo ist sie?«

Ich biss mir auf die Lippen. Meine scharfen Augenzähne bohrten sich in mein Fleisch und ich musste die Augen schließen, um das Bewusstsein nicht zu verlieren. Die Wärme des Blutes, welches mein Bein hinab lief, verstärkte mein Verlangen nach dem Lebenssaft der Sterblichen umso mehr. Ich öffnete die Augen und fand ihr Gesicht nur wenige Zentimeter vor dem meinem wieder.

»Und das ist noch gar nichts!« Die Häme in ihren Augen glich einem Freudenfeuer. Ihr Blick wanderte zu der Wunde an meinem Oberschenkel. Sie hob die Brauen, als sie beobachtete, wie sich die Verletzung wieder zu schließen begann.

»Wie es scheint, hast du noch genug Kraft in dir, um zu heilen«, bemerkte sie spöttisch. »Ich hatte auch nichts anderes erwartet.«

Noch bevor ich ihr eine schnippische Bemerkung entgegenbringen konnte, fuhr ihr Dolch durch den Stoff meines Gewands und teilte ihn in zwei Hälften. Ich sah ihre Blicke an meinem blanken Busen herab wandern und ein süffisantes Grinsen legte sich auf ihre Lippen.

»Wenn ich geahnt hätte, dass es darauf hinausläuft, wäre ich mit einer anderen Einstellung an das Ganze herangegangen!« Ich legte meinen geübten Schmollmund auf, was sie offenbar wenig beeindruckte. Es folgte eine schallende Ohrfeige. So allmählich hatte ich wahrlich genug davon. Wenn dies ein Vorspiel werden sollte, so hatte sie eine eigenwillige Vorstellung davon.

»Bilde dir nichts ein, Blutmähne. Du magst den Männern den Kopf mit deinem Körper verdrehen können, aber das wird bei mir nicht wirken, blutrünstige Hure! Nun sag mir, was Du mit ihr gemacht hast?«

Mir platzte der Kragen, auch wenn ich in jenem Augenblick völlig unbekleidet vor der Frau saß. Ich hatte das Spielchen lange genug ertragen und es war an der Zeit, dass man mir einige Antworten gab.

»Nenn mich nicht Hure, wenn du selbst die Kleidung einer Straßendirne trägst!«, fauchte ich sie an. »Wenn du mich töten willst, so sei es. Ich weiß nicht, was ich dir angetan habe, um deinen Zorn zu verdienen. Aber du solltest zumindest den Schneid besitzen, es mir zu sagen, wofür ich büßen soll!« Ich hatte nicht erwartet, dass meine Ansage scheinbar Wirkung zeigen würde. Sie hielt kurz inne und in ihrem Gesicht konnte ich erkennen, wie ihre Gedanken sich zu sammeln versuchten.

»Schlachte mich ab wie das Monster, das du in mir siehst. Aber sag mir wenigstens deinen Namen, damit ich dir aus dem Fegefeuer in deine Alpträume folgen kann.«

Zuviel? Vermutlich.

Als sie mit der Spitze der Klinge langsam über die Haut meiner Brust fuhr, konnte ich mir nicht sicher sein, ob sie nun zustoßen würde oder nicht. Sie wirkte wie in Trance, den Blick ins Leere gerichtet, als würde sie durch mich hindurchsehen. Schließlich schien sie wieder zu sich gefunden zu haben und hielt mir den Dolch an die Kehle.

»So leicht werde ich es dir nicht machen, Donatella. Dazu ist deine Schuld zu groß, um mit einem schnellen Tod gesühnt zu werden.«

»So sei es dann. Wer zum Teufel bist du?«

»Du darfst mich Elani nennen.« Dann rammte sie mir den Dolch in das andere Bein und verließ daraufhin eilig den Raum.

 

 

Schmerzen. Was wissen die Sterblichen schon davon? Ihre Vorstellung von der Natur des Schmerzes ist nicht mehr als ein Sandkorn in der Wüste der Gelüste und den Gedanken derer, welche die Welten der Empfindungen mit Freuden erforschen. Ich trug meinen Beinamen nicht grundlos. Ganze Generationen erzitterten bei dem Klang dieses Namens, als ich noch in dem Blut jener badete, die meinen Weg kreuzten. Ob unbeabsichtigt oder mit dem Vorhaben, meinem unendlichen Leben letztlich ein Ende zu setzen. Ihr Blut rann nicht nur meine gierige Kehle hinunter. Ich suhlte mich darin. Erquickte mich an dem Gedanken, mein Gesicht und Haar in den Saft des Lebens zu tauchen, auf dass mein Erscheinen umso furchteinflößender wirkte. Doch diese Zeiten waren längst vergangen. Ein Echo dessen, was ich einst war.

Die Klinge in meinem Oberschenkel stecken zu lassen, mochte in den Augen der Menschen eine grauenhafte Methode der Folter sein, aber aus dem Blickwinkel eines Unsterblichen verkam die Pein, die es auslöste, zu einer beiläufigen Wahrnehmung. Hätte Elani dies gewusst – sie hätte mir vermutlich noch viele Liter der Schlangenblut- und EisenhutMixtur eingeflößt, um mich zu quälen.

Viel erniedrigender empfand ich die Tatsache, mit freiem Oberkörper an einen Stuhl gefesselt zu sein ohne die Aussicht auf ein erfüllendes Liebesspiel. Ich musste zu meiner eigenen Scham zugeben, dass es mich etwas erregt hatte, als sie mir die Kleidung aufschlitzte, doch es wäre närrisch gewesen zu glauben, dass es die Lust des Fleisches war, welche Elani antrieb. Dennoch war es schade. Nur zu gerne hätte ich ihre vollen Lippen gespürt und die Untiefen des Verlangens erkundet, die ihr wohlgeformter Körper versprach. Welche ungeahnten Gefilde der Wollust des weiblichen Körpers ich ihr hätte zeigen können.

Ich versuchte, die Gedanken der Leidenschaft zur Seite zu drängen, und fragte mich, was diese Frau dazu getrieben haben könnte, mich gefangen zu nehmen. Nicht dass es mich wunderte. Wer konnte schon genau sagen, wie viele Sterbliche sich meinen Tod wünschten, nachdem ich mich am Lebenssaft ihrer Geliebten gelabt hatte? Und das war dann auch das Stichwort. Es schien, als hätte ich nicht ihr direkt, sondern jemand anderem geschadet, was unweigerlich zu dieser misslichen Situation geführt hatte. In den unzähligen Dekaden meines unvergänglichen Seins waren mir mehr Kehlen zum Opfer gefallen, als ich mich erinnern konnte. Was zwangsläufig zu einer Vielzahl derer führte, die mich abgrundtief hassten. Doch nie zuvor hatte sich einer von ihnen eine solche Mühe gegeben, mich zur Strecke zu bringen.

Zugegeben, das eine Mal, als ich beinahe auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden wäre, als mich die Inquisition der Menschen in ihre Fänge bekam, war eine seltene Ausnahme gewesen. Aber hatten sie wirklich geglaubt, sie könnten mich lange genug gefangen halten? Diese Dorftrottel hatten keine Ahnung, wen sie da in ihren Kerker geworfen hatten. Ich hatte es genossen, die mir dargebotenen Kehlen der Mitgefangenen aufzureißen und ihr Blut zu trinken, bevor ich die lächerlichen Eisenstäbe des Fensters mit Leichtigkeit verbog und ins Dunkel der Nacht geflohen war. Nur zu gerne hätte ich die Gesichter der Inquisitoren gesehen, als sie am folgenden Morgen in den Kerker sahen und die blutleeren Körper der angeblichen Hexen vorgefunden hatten.

Andererseits, der Geschmack des Lebenssaftes einer dieser scheinheiligen Massenmörder hätte mich ebenfalls gereizt. Wenn ich so darüber nachsann, hätte ich die Frauen am Leben lassen sollen und mir die Vollstrecker des Hexenhammers vornehmen sollen. Wie dem auch sei. Diese Gelegenheit würde sich mir sicherlich noch bieten. Das hieß, wenn ich einen Weg finden würde, mich aus den Fesseln, die mich aufhielten, zu befreien.

 

 

Bevor Elani abermals zu mir kam, konnte ich sie wieder mit jemandem sprechen hören, welcher sich meiner Beobachtung erfolgreich entzog. Erstaunlicherweise gelang es mir nicht, die Fährte des Blutes der mir unbekannten Person aufzunehmen, was mich verwunderte.

Das Blut der Sterblichen glich einem verlockenden Parfum, dessen Duft mir zumeist schon aus weiter Entfernung in die Nase stieg und meinen Gaumen wässrig machte. Und keiner glich dem anderen. Müsste ich es in Worte fassen, würde ich es mit dem Bouquet eines Weines vergleichen, welcher lieblich, herb, aber auch süßlich sein konnte. Ich persönlich bevorzugte eine gute Balance aller Nuancen, keine Symmetrie. Und den Mythos des unvergleichlichen Geschmacks des Blutes einer Jungfrau tat ich mit einem Rümpfen meiner Nase ab. Ihr Lebenssaft unterschied sich kaum von dem eines Sünders. Lediglich die Freuden ihres unberührten Schosses bargen eine gewisse Faszination für mich.

Als Elani vor mich trat und mich musterte, konzentrierte ich mich auf den Geruch ihres Blutes.

»Du scheinst es zu genießen, dass mein Dolch in deinem Bein steckt«, stellte sie verwundert fest und zog ihn heraus. »Mir scheint, ich muss zu drastischeren Mitteln greifen, um deine Zunge zu lösen!«

»Faszinierend.«

»Was findest du faszinierend, Dämon?«

Ich sah ihr in die Augen. Mein unbedachter Kommentar schien sie aus dem Konzept gebracht zu haben.

»Dein Blut«, sagte ich. »Sein Duft erscheint mir so vertraut.«

Sie trat einen Schritt zurück und wirkte erschrocken. Ich hatte also einen Punkt entdeckt, an dem ich ansetzen konnte. »Kann es sein, dass ich seinen Geruch bereits bei einem deiner Sippschaft wahrnahm?«, hakte ich nach. Ihr Gesicht verlor für eine Sekunde die Fassung, doch fand sie ihre Contenance schnell wieder.

»Sagte ich dir nicht schon zu Anfang, dass ich hier die Fragen stelle?«

Ja, ich hatte sie an einer empfindlichen Stelle getroffen. »Welche Fragen? Bisher hast du mir noch keine gestellt. Dafür habe ich welche.« Ich beugte mich ein Stück nach vorn.

»Bruder? Schwester?«, fuhr ich fort und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Vater oder Mutter gar?« Als ich ihre Mutter erwähnte, traf ihre Faust meine Wange und mein Kopf schnellte zur Seite, dass selbst die Muskeln in meinem Nacken zu Schmerzen begannen.

»Ich bin sehr nahe dran«, flüsterte ich und ließ mir nicht anmerken, dass ihr Schlag für eine so zierliche Person außerordentlich hart war.

»Halt dein Schandmaul, Blutmähne!«, schrie sie mich an und der Zorn in ihren Augen glich zuckenden Blitzen, die mich trafen. Sie riss die Klinge hoch und stemmte sie gegen meine Kehle. »Wage es nicht, über meine Mutter oder meinen Vater zu sprechen!«

Ehe ich etwas sagen konnte, flog die Tür zu dem Gewölbe auf und jemand stürmte herein. Im Augenwinkel erkannte ich eine dunkelhäutige Frau mit verfilzten Haaren, welche zu Elani eilte und sie am Handgelenk fasste.

»Nicht, du bärtiges Huhn. Sie töten willst du, will sie es?«, zeterte sie. »Dann erfährst du nie, wo sie deine Mutter versteckt, tut sie das?«

Vermutlich entglitten mir die Gesichtszüge, als ich das Buschweib erkannte. Die breite Nase, die ungepflegten Zähne und das trübe Auge waren mir nur zu gut in Erinnerung geblieben. Außerdem stank sie noch immer wie ein verwesender Mungo.

»Ich dachte, ich hätte dich im Meer versenkt?«, sagte ich.

Die Irre sah mir ins Gesicht und spuckte mich an.

»Das Maul halten soll sie, soll sie das? Geronnene Schalentiere sollen ihren Schoss verseuchen, wenn sie das Maul nicht hält«, keifte sie, bevor sie Elani ansah. »Leg das Messer weg, tut sie das? Sie umbringen, bringt ihr nichts. Sie brauchen wirst du sie, wirst du das?«

Elanis Augen wanderten zwischen der Irren und der Klinge hin und her. Schließlich spürte ich, wie die Spitze meine Haut verließ. Die junge Frau atmete tief durch, während das Buschweib ihren Arm streichelte.

In mir keimte eine Vermutung, wem ich in die Fänge geraten war, jedoch entschloss ich mich, vorerst zu schweigen.

»Du hast recht, Tia. Sie zu töten wäre eine Wohltat für mich, aber es würde mir Mutter nicht wieder bringen«, sagte Elani leise und wandte sich von mir ab. »Komm, soll sie hier in ihrem eigenen Erbrochenen sitzen, bis ich mich ihr wieder widme. Hoffentlich haben die Ratten bereits den Geruch aufgenommen. Vielleicht lösen die scharfen Zähne der Nager ihre Zunge schneller.«

Sie ging in Richtung der Türe, dicht gefolgt von Tia.

»Bestell deinen Schwestern Grüße von mir«, rief ich ihr hinterher.

Das Buschweib fuhr herum und machte einen Satz auf mich zu, bis ihr hässliches Gesicht direkt vor meine Nase klebte.

»Gebrannt haben sie, haben sie das? Geschrien haben sie nach Tia, haben sie es nicht?«, plärrte sie mich an. »Der Liebe der Flammen mussten sie sich ergeben, mussten sie es? Ihre Geister werden dich heimsuchen, das werden sie. Ratten, Käfer, Spinnen. Dein Innerstes zerfressen werden sie, werden sie das?«

Der widerwärtige Gestank ihres Atems ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Schließlich hörte ich Elani nach ihr rufen, und die beiden verschwanden wieder in den Raum hinter der Tür.

Die Flammen der Fackeln erloschen vom Luftzug, welche die zuschnellende Tür erzeugte, und ich saß im Dunkel. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Finsternis und einmal mehr wurde mir bewusst, warum man uns auch Kinder der Nacht nannte. Die Aura meiner Umgebung erschien in einer Lumineszenz, wie sie nur Unsterbliche wahrnehmen konnten, und die unsere Welt in eine Farbenpracht tauchte, welche das menschliche Auge nie begreifen würde.

Ich versuchte, mich zu entspannen. Das Verlangen nach frischem Blut von mir fortschiebend, verlangsamte ich meinen Atem und fiel in einen tiefen meditativen Zustand, der mich schon so oft bei klarem Verstand gehalten hatte, wenn die Situation ausweglos erschien.

Geduld. Eine Tugend, die wir Unsterblichen zur Perfektion beherrschten und die wahre Macht meiner Art war, den Jahrhunderten zu trotzen.

Wann mich der Todesschlaf einholen würde, war mir nicht bewusst. Der unvermeidbare Begleiter eines jeden Bluttrinkers schlich sich an mich heran wie eine Raubkatze an ihre Beute und riss mich mit sich, unfähig, mich dem erwehren zu können. Zwar hatte ich in den unzähligen Dekaden meines Lebens gelernt, den herannahenden Sonnenaufgang zu spüren und mehr als nur bei einer Gelegenheit ignorieren zu können. Doch der Mangel an frischem Blut in meinen Adern machte es auch mir unmöglich, mich dieser ungeliebten Bürde zu beugen.

 

 

Das Rascheln im Dunkel des Gewölbes holte mich zurück in die verdrießliche Lage, an einen Stuhl gebannt und den Launen einer Sterblichen ausgesetzt zu sein. Ich spürte das Fell der Ratten an meinen Fußgelenken vorbeistreifen. Das für menschliche Ohren verborgenen Fiepen der Tiere lag mir in den Ohren und zu meiner eigenen Verwunderung musste ich zugeben, dass ich erschrak, als einer der Nager auf meinen Schoss sprang. Seine Schnurrhaare kitzelten meinen unbekleideten Oberkörper, als es der Spur des Schweineblutes folgte, welches ich erbrochen hatte.

Was hätte ich dafür geben, dem kleinen Aasfresser das Blut aus den Adern zu stehlen, um den unerträglichen Durst, der wie Unkraut in mir gedieh, zu stillen. Zugegeben – ich vermochte mich nicht mehr daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal das Blut eines Tieres zu mir genommen hatte. In meinen Augen war es der allerletzte Ausweg, mein unsterbliches Leben zu erhalten, wenn die Auswahl an sterblichen Kehlen gering war. Aber seinerzeit, wäre mir das Rattenblut einem wohlschmeckenden Odeuvre gleichgekommen.

Mir blieb keine Zeit, mich länger mit diesem Gedanken auseinanderzusetzen, da sich die Tür erneut öffnete und Elani zu mir zurückkehrte.

»Wie ich sehe, hast du neue Freunde dazu gewonnen«, spottet sie, als die Ratten aufgeschreckt in den Ritzen des alten Gemäuers verschwanden. »Ich hoffe, sie haben dir angenehme Albträume bereitet?« Ihre Überheblichkeit kam mir zu den Ohren raus. In meiner Vorstellung versanken meine Reißzähne in ihrem Hals und ich erwischte mich dabei, vom Geschmack ihres Blutes zu träumen. »Es ist an der Zeit, mir Antworten zu geben, Blutmähne!«, forderte sie und entzündete die Fackeln erneut.

Ich sah an der jungen Frau vorbei und konnte Tias Schatten im Raum hinter der Türe erkennen.

»Brauchst du noch immer Rückendeckung, wenn du zu mir kommst, Elani?«, sagte ich und sah ihr in die Augen. Sie hielt meinem Blick stand. Ein schweigendes Duell der Blicke, welches keinen Sieger hervorbrachte.

»Bemüh dich nicht, Donatella«, sagte sie nach einiger Zeit. »Deine hypnotische Wirkung ist unwirksam bei mir. Du magst vielen Menschen damit deinen Willen aufgezwungen haben, aber das wird dir bei mir nicht gelingen.«

»Wenn das so ist. Du willst also etwas von mir erfahren, n´est ce pas?« Ich sah auffällig an mir herab. »Denkst du nicht auch, dass du erst meine Blöße bedecken solltest, oder erregt es dich, mich hier so sitzen zu sehen?«

Sie gab ein abfälliges Prusten von sich.

»Ob du nun unbekleidet oder in lodernden Flammen hier bist, ist mir einerlei. Du hast keine Forderungen zu stellen, Blutmähne. Sag mir, wo du meine Mutter gefangen hältst?«

Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen. Meine Augen suchten einen Fixpunkt an der Decke, während ich mir auf die Lippe biss.

»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Erwartest du, dass ich mich an jede Kehle erinnere, die ihren Weg an meine Lippen fand?«

Ich hörte, wie sie tief einatmete und die Luft zischend aus ihren Lungen entweichen ließ.

»Du möchtest also ein Spielchen spielen? Nun gut, Donatella. Spielen wir.«

Kaum hatte sie dies ausgesprochen, zog sie den Dolch aus ihrem Gewand und rammte ihn mir zwischen die Rippen. Der unbeschreibliche Schmerz, der meinen Körper in Besitz nahm, ließ meine Muskeln unwillkürlich zucken. Sie zog die Klinge heraus und stieß ein weiteres Mal zu.

»Ich weiß, dass es dich nicht töten wird. Doch Schmerzen empfindet ihr Kreaturen dennoch.«

Jeder Atemzug glich der Inhalation einer lodernden Flamme, als ich nach Luft rang und das Metall in meiner Lunge spürte. Ich wollte etwas sagen, aber mehr als ein leises Stöhnen brachte ich nicht hervor.

»Wo hast du Salomé hingebracht?«, fragte sie mich wieder und zog den Dolch langsam aus meiner Brust. »Ich weiß, dass ihr Verschwinden mit dir zusammenhängt. Also sprich, oder ich werde dir Höllenqualen bereiten, die du noch nicht kanntest!«

Es bedurfte einige Momente, bis die Verletzung meiner Lunge verheilte und ich wieder sprechen konnte. Anstelle einer Antwort brach ich in Lachen aus.

Höllenqualen? Was bildete sich diese Sterbliche ein?

»Das Lachen wird dir noch vergehen«, fluchte Elani und holte zu einem erneuten Hieb aus.

»Ich weiß nicht, wo deine Mutter ist, Tochter der Salomé«, murmelte ich und starrte sie an. »Als ich sie das letzte Mal sah, kauerte sie wimmernd über den Körper ihres Liebhabers und ...«

Ich musste zugeben, dass es nur wenige Dinge gab, welche ich noch nicht erlebt hatte, wenn es die Folter an sich anbelangte. Insbesondere im sogenannten finsteren Mittelalter, als die Menschheit noch hinter steinernen Mauern ihrer Festungen dahinvegetierte und jedes fremde Geräusch einem zähnefletschenden Untier zusprach, waren die Methoden, einem anderen Schmerzen zuzufügen, ausgefeilter als ihre Fähigkeit, einen sinnvollen Gedanken zu fassen.

Doch als ihre Waffe in mein Auge eindrang, erlebte ich eine Agonie, welche selbst mir diabolisch erschien. Wenn ich je zuvor Tränen vergossen hatte, war dieser Augenblick sicherlich einer der wenigen.

Kapitel 3

 

DONATELLA

 

Hatte sie mich gebrochen? Eingestehen würde ich es ihr nie, doch war es ihr gelungen, mir verständlich zu machen, dass ihr jedes Mittel recht war, in Erfahrung zu bringen, was sie wissen wollte.

Dass mein Auge wieder heilen würde, stand außer Frage. Der Körper eines Unsterblichen ertrug mehr Qualen und Verletzungen als jeder Sterbliche. Aber ich musste zugeben, dass Elani ihr Handwerk verstand.

»Ich weiß nicht, wo deine Mutter ist«, brachte ich hervor. »Ich sagte dir doch, ich sah sie das letzte Mal in Afrika.«

Die Kälte in den Augen der jungen Frau stieß mir entgegen, als sie mir ins Gesicht sah. Ich vermochte keine Regung von Mitleid oder Empathie mir gegenüber zu erkennen. Nichts als kalter, tiefsitzender Hass beherrschte ihre Züge.

»Du hast mir den Vater genommen, den ich nie kennen lernen durfte«, sprach sie mit leiser Stimme. »Abgeschlachtet vor den Augen meiner Mutter, als sie mit mir schwanger war. Und wozu? Nenn mir einen Grund, der es in deinen Augen rechtfertigt, Donatella? Nur einen, und ich werde dir keine Schmerzen mehr zufügen!«

»Du ... du würdest es nicht begreifen.«

»Dann versuch es, Blutmähne, oder du verlierst auch das andere Auge.« Sie griff in die Tasche ihres Gewands und warf mir einige tönerne Bruchstücke in den Schoss. »Was war dir so wichtig daran?«

»Das Blut der ersten meiner Art. Es enthielt die letzten Tropfen und war von unschätzbarem Wert für mich.«

»Das genügt mir nicht!«, schrie sie und hob den Dolch in einer drohenden Geste.

»Dein Vater hätte nie sterben müssen, Elani. Hätte deine Mutter es seiner Zeit nicht an sich genommen, wäre alles anders gelaufen.« Im trüben Winkel meines verletzten Auges sah ich Tia herannahen. »Hätte sie es mir einfach überlassen, anstatt sich auf die Seite dieser Buschhexen zu schlagen, wärst du nicht als Halbwaise aufgewachsen.«

»Uns gehörte das Dhambi Damu, tat es das?«, krächzte Tia in mein Ohr. »Gefunden haben wir es. Ria, klebrige Finger haben es mitgenommen, du garstige Braut eines Erdferkels.«

Die Irre sah Elani mit großen Augen an und grinste hässlich. Ein weiteres Mal wünschte ich mir, ich hätte sie damals getötet.

»Ihr Hinterwäldler hattet überhaupt keine Ahnung, was ihr da in euren schmutzigen Händen hieltet. Verschwendet habt ihr es, um eure ekelhaften Leiber zu heilen!«

»Sie haben damit meiner Mutter das Leben gerettet«, mischte sich Elani ein. »Ohne das Dhambi Damu wäre sie an ihren Verletzungen gestorben.«

Mein Blick klärte sich wieder, als mein Auge vollständig ausgeheilt war, und ich sah zwischen den beiden Furien hin und her.

»Sie hatte also keinen Grund, es mitzunehmen. Sie war geheilt. Mehr noch als das. Ihr Körper wurde ebenso unsterblich wie der Deine. Ist dem nicht so, Elani?«

Die junge Frau ging ein Stück zurück. Ihr suchender Blick offenbarte mir, dass sie nicht erwartet hatte, so etwas von mir zu hören. »Als die Schwestern sie damit behandelten, wurde es zu einem Teil ihres Körpers. Es veränderte ihn. Machte ihn stärker, widerstandsfähiger. Und sie reichte diese Gabe an ihr Kind weiter, genau so, wie ich es vermutet hatte. Das ist der Grund, weshalb ich deine Mutter seiner Zeit verschonte!«

Elanis Augen wanderten zum Boden. Das Klirren des fallenden Dolches hallte durch den Raum und der kalte Gesichtsausdruck wich der Verzweiflung. Tia lief zu ihr und legte ihren Arm um die junge Frau, bevor sie gemeinsam das Gewölbe verließen. Ich konnte hören, wie die Buschhexe ihr tröstende Worte zusprach, und ich kam nicht umhin, das Gefühl eines davongetragenen Sieges zu genießen.

Der Triumph währte nicht lange, als Elani mit geröteten Augen zu mir zurückkehrte. Sie trug wieder diese Eiseskälte in den Augen wie Minuten zuvor und lehnte sich zu mir vor.

»Ich frage dich ein letztes Mal, Monster. Wo ist Salomé?«

Ich seufzte. Mag sein, dass es der überhandnehmende Durst war oder der abartige Gestank, der von mir ausging und mich schier in den Wahnsinn trieb, aber ich antwortete ihr ehrlich.

»Ich weiß nicht, wo sie ist. Das schwöre ich dir.«

»Du willst mir sagen, dein Auftauchen in Rouen ist dem Zufall entsprungen? Und das Verschwinden meiner Mutter hat nichts mit dir zu tun?«

Ich nickte, während ich ihr in die Augen sah.

»Woher sollte ich wissen, dass sie hier in Frankreich ist?«

»Du glaubst ihr doch nicht, glaubst du es?«, plapperte Tia dazwischen und drückte mir ihre hässliche Visage ins Gesicht. »Lügen, ja Lügen erzählen, das kann sie, garstige Hyäne. Tia kann es riechen, kann sie das?«

»Was du gerade riechst, ist der Gestank aus deinem Maul. Haben die Ratten ihre Notdurft darin verrichtet?«

Elani verpasste mir eine Ohrfeige.

»Hüte deine Zunge, Blutmähne! Weshalb sollte ich dir Glauben schenken?«

»Ja, sag es uns, bärtiges Huhn. Tia will wissen, warum wir dir nicht glauben werden, wollen wir das?«

Elani sah die verrückte Frau an und rollte mit den Augen.

»Bitte lass uns für einen Moment allein, Tia. Machst du das?« Ihre Stimme klang ruhig. Ich las Verwirrung im Gesicht der Buschhexe, doch schließlich nickte sie und trottete aus dem Gewölbe.

»Ich höre, Blutmähne. Wie willst du mir beweisen, dass du nichts mit dem Verschwinden Salomés zu schaffen hast?«

Ich war mir im Klaren, dass ganz egal, welche Antwort ich ihr gab, sie mir keinen Glauben schenken würde. Also entschloss ich mich, etwas zu sagen, mit dem sie nie rechnen würde.

»Ich kann es nicht. Entweder du glaubst meinen Worten, oder du folterst mich weiterhin.«

Für einige Augenblicke musterten mich ihre fragenden Blicke. Ich war auf alles gefasst, wartete nur auf den Moment, in dem sie ihre Waffe wieder gegen mich richten würde und ein kleiner Teil von mir, wollte den Schmerz sogar.

Sie sah tief in meine grünen Augen, während ihre Finger nervös mit dem Dolch spielten. Als ich über ihre Schulter hin zu der Tür sah, glaubte ich eine Bewegung zu bemerken.

»Ich weiß ...« Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn urplötzlich stürmten mehrere bewaffnete Männer in das Gewölbe. Lautstarkes Gebrüll drang an mein Ohr – fluchendes Geschrei der Buschhexe – ich sah, wie einer der Männer sie fest im Griff hatte und ihr ein Schwert an die Kehle hielt.

Dann packten sie Elani und zerrten sie von mir fort.

»Im Namen der heiligen Kirche befehlen wir Euch, mit der Ketzerei aufzuhören!«, keifte einer der Männer in einem harschen Befehlston. Zweifelsohne der Kommandant der Truppe. Das zeigte die Uniform, die sich von den anderen stark unterschied. Elani wehrte sich mit allen Kräften gegen die Eindringlinge, doch musste sie sich der Überzahl schnell geschlagen geben.

»Wer seid Ihr?«, fragte sie. Eine Antwort erhielt sie nicht, stattdessen sah sie der Anführer mit zusammengekniffen Augen an, bevor sein Blick auf mich fiel.

»Bringt die Hexe zum Schweigen«, wies er seine Männer an. Sofort knebelten sie die junge Frau.

Die lüsternen Blicke des Mannes wanderten von meinem Gesicht hinab zu meinen blanken Brüsten, und schließlich hinunter auf den Boden vor meinen Füßen, auf die Lache aus Blut und Erbrochenem.

»Welche Abscheulichkeit habt ihr Teufelshuren hier veranstaltet?«, verlangte er von mir zu wissen. »Beschwört Ihr gar den Satan persönlich?«

Der kurze Aufschrei des Mannes, der Tia festhielt, lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Buschhexe hatte ihm in die Hand gebissen und konnte sich somit befreien. Einer Furie gleich rannte sie zu Elani. Ich konnte hören, wie ihr Kiefer brach, als der Kommandant ihr mit der Faust ins Gesicht schlug und sie bewusstlos zu Boden ging. Kurz verweilte sein Blick auf der blutenden Frau zu seinen Füßen, bevor er sich zornig an seinen Untergebenen wandte.

»Bist du unfähig, eine Frau zu bändigen, Narr?«, fuhr er den Jüngling an. »Los, binde sie, damit sie nicht noch mehr Unheil stiftet!«

Der junge Gefolgsmann nickte und machte sich daran, Tia zu fesseln.

»Nun zu dir, Hexe.« Mit ruhiger Stimme wandte sich der Kommandant mir wieder zu. »Du und deine Teufelsbrut werdet euch vor dem Inquisitor verantworten und eure Ketzerei gestehen!«

Ich hob belustigt eine Augenbraue und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Findest du das etwa zum Lachen?« Seine Oberlippe bebte vor Erregung und er griff nach dem hölzernen Kruzifix, welches an einer Kette um seinen Hals baumelte. »Christus, der Herr, wird dich und deinesgleichen lehren, was wahre Gottesliebe bedeutet.« Er nickte einem der Männer zu, welcher sofort zu ihm eilte. »Fesselt das rothaarige Biest, Jaques. Soll sie dem Inquisitor ihr schändliches Grinsen erklären. Ich bin mir sicher, er hat die passenden Methoden, ihr den Spott aus dem Gesicht zu schneiden.«

Mein Blick wanderte flüchtig zu Elani. Sie versuchte noch immer, sich aus dem Griff der Männer zu befreien.

Als der junge Mann, den der Kommandant Jaques nannte, sich zu mir vorbeugte, um die eisernen Fesseln, die mich am Stuhl hielten, zu lösen, sah ich Panik in den Augen des Mädchens aufflackern.

Nie werde ich die blanke Angst in den Augen des Kerls vergessen, als er mir die letzte Fessel löste und meine markanten Augenzähne hinter meinen vollen Lippen aufblitzen sah. Als habe er den Leibhaftigen persönlich gesehen. Sein Mund öffnete sich, bevor ich seinen Kopf packte und nach hinten drehte.

Der Kommandeur griff nach seinem Schwert, doch mein Durst, welcher mittlerweile unerträglich geworden war, ließ mich seine Kehle aufreißen, noch bevor er es zur Hälfte aus der Scheide gezogen hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---