Briefwechsel mit seinen Verlegern und Redakteuren. Erster Band - Karl May - E-Book

Briefwechsel mit seinen Verlegern und Redakteuren. Erster Band E-Book

Karl May

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Beschreibung

Karl May hat, wie in der damaligen Literatur üblich, einen großen Teil seiner Werke zunächst als Fortsetzungsromane in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Das für ihn wichtigste Publikationsorgan war der im Regensburger Pustet-Verlag erscheinende 'Deutsche Hausschatz'. Ein großer Teil der Korrespondenz zu dieser Geschäftsbeziehung hat sich erhalten. Sie verlief problematisch, da May wegen seiner umfangreichen Tätigkeit für andere Verlage immer wieder mit Manuskriptlieferungen in Rückstand geriet und mit seinem Spätwerk in Widerspruch zur streng katholischen Linie des 'Hausschatz' stand. Die überlieferten Briefe, Postkarten und anderen Materialien zu diesem Themenkomplex werden dokumentiert. Es ergeben sich spannende Einblicke in das Leben des Autors, aber auch zur Literatur- und Mediengeschichte generell. Detaillierte Erläuterungen zu den in der Korrespondenz angesprochenen Personen und Ereignissen ermöglichen das Verständnis der Texte. Im zweiten Teil des Bandes wird Mays Briefwechsel mit dem Journalisten Johannes Dederle wiedergegeben, der May wohlwollend gegenüberstand und sich seit der Jahrhundertwende angesichts der Auseinandersetzungen um sein Leben und Werk immer wieder für ihn engagierte. May nutzte den Kontakt, um in der Öffentlichkeit das Bild von sich zu verbreiten, an dem ihm im Alter gelegen war. Mit einem ausführlichen Vorwort von Prof. Dr. Helmut Schmiedt.

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Seitenzahl: 640

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Im Gedenken anProf. Dr. Hartmut Vollmer(1957 – 2025)

KARL MAY’S

GESAMMELTE WERKE

UND BRIEFE

BAND 97

KARL MAY

BRIEFWECHSEL MIT

SEINEN VERLEGERN

UND REDAKTEUREN

ERSTER BAND

Briefe von und an Friedrich Pustet, KarlPustet, Venanz Müller, Heinrich Keiter,Otto Denk und Johannes Dederle

Herausgegeben von Hans-Dieter Steinmetz,

Florian Schleburg

und Helmut Schmiedt

Herausgeber der Gesammelten Werke:

Bernhard Schmid

© 2025 Karl-May-Verlag, Bamberg

ISBN 978-3-7802-1597-0

KARL-MAY-VERLAGBAMBERG • RADEBEUL

INHALT

Einleitung

Briefe aus dem Umfeld des Pustet-Verlags

Anhang – Dokumente zur Korrespondenz mit dem Pustet-Verlag

Briefe von und an Johannes Dederle

Anhang – Dokumente zur Korrespondenz mit Johannes Dederle

Literarische Texte Karl Mays im Pustet-Verlag

Literarische Texte Karl Mays in den von Dederle redigierten Zeitungen

Kurzbiografien

Literatur

Bildnachweis

Danksagung

Einleitung

I.

Die Existenz der Literaturgeschichte verdankt sich in erster Linie dem Umstand, dass es immer wieder Menschen gibt, die überdurchschnittlich gut mit Sprache umgehen können, ungewöhnliche Einfälle entwickeln und die Ergebnisse dieser Fähigkeiten schriftlich fixieren und veröffentlichen. Wer sich von der Macht der Fantasie, intellektuellen Höhenflügen und dergleichen nicht blenden lässt, weiß allerdings, dass noch ein anderer Faktor bei der konkreten Ausprägung dieser großen kulturellen Tradition zum Tragen kommt: die persönlichen, d. h. die privaten wie geschäftlichen Beziehungen zwischen den in die literaturgeschichtlichen Abläufe involvierten Personen, denn diese Kontakte wirken sich aus bei dem, was an Literatur zustande kommt, und darin, wie es überliefert wird. Hätten nicht die Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller in den 1790er-Jahren zu einer intensiven freundschaftlichen Zusammenarbeit gefunden, gäbe es das nicht, was wir Weimarer Klassik nennen, und die Historie der deutschen Dichtung sähe anders aus. Rund ein Jahrhundert später, zur Zeit Karl Mays, gilt dasselbe – in erheblich kleinerem Maße – für das Miteinander der naturalistischen Autoren Arno Holz und Johannes Schlaf, deren Freundschaft allerdings bald zerbrach und in einen öffentlich ausgetragenen Streit mündete.

Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch die Personen, die für die Verbreitung des Geschriebenen sorgen, also Verleger, Herausgeber, Redakteure, diejenigen, die für die äußere Gestaltung und die Bewerbung von Publikationen zuständig sind, Buchhändler, die sie verkaufen, und nicht zuletzt Rezensenten und Kritiker. Bei diesem Personenkreis ist etwa, um noch einmal auf die Weimarer Klassik zurückzukommen, an den Verleger Johann Friedrich Cotta zu denken, der mit großem Erfolg die Elite der damaligen Literaten unter Vertrag nahm. Ein Beispiel von ganz anderer Art und aus anderer Zeit: Mitte der 1990er-Jahre erhielt eine britische Lehrerin namens Joanne K. Rowling für ihren literarischen Erstling Absagen von einer ganzen Reihe von Verlagen, bis die findigen Verantwortlichen eines weiteren Unternehmens sich dann doch entschlossen, Harry Potter und der Stein der Weisen in ihr Programm aufzunehmen, und damit dem spektakulärsten literarischen Ereignis um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert den Weg ebneten. Wer sich mit der deutschen Literaturgeschichte der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt, darf einen gewissen Hans Werner Richter nicht ignorieren, der sich zwar weniger mit eigenen literarischen Werken profilierte, aber als Organisator der sogenannten ‚Gruppe 47‘ einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die Literaturszene jener Jahrzehnte ausübte. Wer sich mit der dauerhaften Erfolgsgeschichte Karl Mays beschäftigt, darf seinen frühen posthumen Verleger Euchar Albrecht Schmid nicht ignorieren.

Wenn man mit Blick auf dieses Thema die literarische Karriere verfolgt, die May innerhalb seiner Lebenszeit beschieden war, wird man drei Stationen erkennen, an denen er entscheidende Schritte vollzog. Jede lässt sich mit bestimmten Namen verbinden. Bei dem Dresdner Verleger und Kolportagebuchhändler Heinrich Gotthold Münchmeyer erlernte May in den Jahren 1875 – 1877 als Autor und Redakteur – kaum, dass er die Zeit als krimineller Vagabund und langjähriger Insasse von Strafanstalten (1864 – 1874) hinter sich gebracht hatte – von der Pike auf das Geschäft des Schriftstellers. Bald danach legte er mit seinen Erzählungen für den Regensburger Verlag Friedrich Pustet, insbesondere den in der Wochenzeitschrift Deutscher Hausschatz erscheinenden, die Grundlage für seine spätere Berühmtheit. Anfang der 90er-Jahre begann, angeregt durch den Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld, in Buchform die Serie der Gesammelten Reiseromane bzw., wie sie später hieß, Gesammelten Reiseerzählungen zu erscheinen, mit der bzw. mit deren Erweiterung Karl May in die Unsterblichkeit einging.

Die Beziehung zu keinem dieser Männer blieb ungetrübt. Von Münchmeyer trennte May sich im Streit, und als er später doch wieder für ihn arbeitete und fünf umfangreiche Romane schrieb, wurde diese Tätigkeit Jahre danach zum Gegenstand heftiger publizistischer und juristischer Auseinandersetzungen. Für den Pustet-Verlag schrieb May bis ins 20. Jahrhundert hinein, aber zwischendurch gab es aufgrund von Querelen eine jahrelange Unterbrechung, und auch das Ende der Kooperation verlief nicht angenehm. Ebenso geriet das Verhältnis zu Fehsenfeld, mit dessen Familie May und seine Ehefrauen zeitweise in freundschaftlicher persönlicher Verbindung standen, immer mal wieder in Turbulenzen. Karl May, seine Verleger, seine Redakteure – das ist ein in vieler Hinsicht spannendes, abwechslungs- und aufschlussreiches Thema. Nähere Einsichten darüber vermittelt in erster Linie die Korrespondenz zwischen den Beteiligten.

Mays Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld ist 2007/08 als Band 91 und 92 der Ausgabe Karl May’s Gesammelte Werke und Briefe veröffentlicht worden. 2013 folgte als Band 94 der Briefwechsel mit Joseph Kürschner, einem äußerst umtriebigen Akteur im publizistischen Feld, mit dem May über Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichen Zusammenhängen zu tun hatte. In beide Editionen wurde auch die Korrespondenz mit anderen Personen aufgenommen, sofern sie zum Verständnis des jeweiligen Themenkomplexes etwas beiträgt; deshalb kommt etwa im Fehsenfeld-Briefwechsel Mays zweite Frau Klara zu Wort und im Kürschner-Briefwechsel Wilhelm Spemann, der zeitweise mit Kürschner kooperierte und als Herausgeber der Knaben-Zeitschrift Der Gute Kamerad May ein weiteres wichtiges Publikationsforum bot. Analog dazu wird auch im vorliegenden Band verfahren.

Unsere Dokumentation kreist im ersten, erheblich größeren Teil um Mays Tätigkeit in der mittleren der eben genannten Stationen, um sein Verhältnis zum Verlag Friedrich Pustet, während es im zweiten um die Kontakte zu dem Journalisten Johannes Dederle geht. Die Medien, für die Mays Korrespondenzpartner stehen, sind in erster Linie Zeitschriften und Zeitungen.

Diese Publikationsformen besaßen für die Literatur der damaligen Zeit eine immense Bedeutung: Unzählige Romane des 19. Jahrhunderts wurden darin erstveröffentlicht, bevor sie – im günstigen Fall – in Buchform erschienen; das gilt für die Unterhaltungsliteratur ebenso wie für die sogenannte hohe Literatur, also beispielsweise für E. Marlitt wie für Theodor Fontane. Auch Karl May publizierte zunächst ganz überwiegend in Zeitschriften. Die allgemeine Praxis hielt sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein: Lange war es üblich, dass Tageszeitungen umfangreiche Romane in Fortsetzungen, also in vielen kleinen Portionen, veröffentlichten und damit auf eine besondere Form von Kundenbindungsprogramm setzten, denn vielen Lesern erschien es reizvoll, über Monate hinweg den in solchen Werken vermittelten Inhalt zu verfolgen und also das jeweilige Blatt kontinuierlich zu erwerben. Unter literaturanalytischen Aspekten ist die Frage von Belang, ob bzw. inwiefern die Erscheinungsweise in Fortsetzungen die Struktur der betreffenden Texte beeinflusste.

Dass das, was in diesen Erzählungen ausgebreitet wurde, der politischen und kulturellen Grundtendenz des jeweiligen Publikationsorgans entsprechen musste, liegt auf der Hand: Eine der Monarchie zugeneigte Zeitschrift beispielsweise hätte sicherlich keinen Roman mit ‚linker‘ Stoßrichtung veröffentlicht. Eine besondere Akzentuierung erfuhr diese Verbindung von Literatur und Politik in den 1870er-Jahren, zur Zeit des Kulturkampfs, bei dem es bekanntlich um die Auseinandersetzung des Staates mit dem Katholizismus bzw. mit der Rolle der katholischen Kirche ging. Der Konflikt erreichte die Bevölkerung unter anderem in Form von Zeitungen und Zeitschriften, die ihr Geschäft unter den Vorzeichen der großen politischen Auseinandersetzung betrieben und unmissverständlich dieser oder jener Seite zuneigten, ein Umstand, der auch noch nachwirkte, als der Kulturkampf im engeren Sinne längst abgeschlossen war. Man muss diese Zusammenhänge kennen, wenn man Hintergründe etlicher der im vorliegenden Band auftauchenden Streitereien verstehen will, insbesondere derjenigen um Mays letzten Hausschatz-Roman Der’Mir von Dschinnistan, der in der späteren Buchfassung den Titel Ardistan und Dschinnistan erhielt.

Überhaupt verdeutlicht die Geschichte des Deutschen Hausschatzes geradezu überdeutlich das eben Gesagte. Der Verlag, in dem er erschien, war 1826 von Friedrich Pustet (1789 – 1882) gegründet worden; 1860 ging er an dessen Söhne Friedrich (1831 – 1902), Clemens (1833 – 1898) und Karl (1839 – 1910) über; ab 1882 unterstützte der gleichnamige Sohn Friedrichs (1867 – 1947) die Firmenleitung und übernahm sie 1912 allein. Die Einführungsausgabe des Hausschatzes erschien 1873, also mitten im Kulturkampf. Das Vorwort hebt die „Wichtigkeit der belletristischen Literatur“ auf „dem reichen Gebiete menschlichen Wissens und Könnens“ hervor, beklagt, dass sich unendlich viele, weit verbreitete Publikationen, zumal Periodika, in „Wissenschaft und Kunst“ weit entfernen von der „erhabenen Aufgabe, Zeuge von Gott und für Gott in der Welt zu sein“, und setzt das Ziel, „das Unwesen einer gottentfremdeten und sittenverderbenden Literatur möglichst zu stauen, deren reichlichst ausgestreuten Giftstoff nach Thunlichkeit zu paralysiren, der Wahrheit und Tugend, wie dem Sinne für wahrhaft Schönes und Edles eine Gasse mehr zu bahnen“. Im Hinblick auf die publizistischen Gegner ist die Rede von „feindlichen Elemente[n]“, die „systematisch, raffinirt, ja diabolisch“ zu Werke gehen.1

Konkreter wird der unter der Überschrift ‚Was wir wollen‘ stehende kurze Einleitungstext des ersten Jahrgangs (Oktober 1874 bis Oktober 1875; dieser Erscheinungsrhythmus wurde beibehalten): Es gehe darum, mit der „Gründung eines illustrirten Central-Organs für wahrhaft sittliche Unterhaltung und volksthümliche Belehrung“ im katholischen Sinne zu sorgen und damit den „Organen unserer Gegner“ eine hochwertige Alternative entgegenzustellen. Das Projekt sei sogar Papst Pius IX. persönlich vorgelegt worden, und der habe es mit „eigenhändig niedergeschriebenen Segensworten gut geheißen“, die faksimiliert wiedergegeben werden.2

Der 1. Jahrgang enthält gemäß dem skizzierten Konzept rund dreißig Gedichte, etliche als ‚Romane und Novellen‘ firmierende Erzähltexte, ferner ‚Lebensbeschreibungen‘, ‚Beschreibende und geschichtliche Aufsätze‘, ‚Naturwissenschaftliches und Medizinisches‘ sowie ein paar kleinere Rubriken, darunter ‚Räthsel und Schachaufgaben‘. Die Zeitschrift, die zunächst wöchentlich unter dem Titel Deutscher Hausschatz in Wort und Bild erschien, existierte unter später leicht veränderten Namen bis 1957; bis 1947 blieb der Verlag Friedrich Pustet ihre Heimat. Kommentatoren weisen darauf hin, dass man ihre Entstehung wohl in erster Linie als Reaktion auf die bereits 1853 gegründete, unter dem Herausgeber Ernst Keil (1816 – 1878) von liberalem Geist erfüllte Gartenlaube ansehen müsse. Der Hausschatz erwies sich durchaus als zeitweise kommerziell erfolgreich, erreichte aber niemals auch nur annähernd die Verkaufszahlen der Gartenlaube in ihrer besten Zeit. Eine hübsche Pointe jüngeren Datums liegt darin, dass die zwischen 1976 und 1982 von der Karl-May-Gesellschaft erarbeitete Wiedergabe sämtlicher im Hausschatz veröffentlichten Texte Karl Mays als ‚Reprint der Karl-May-Gesellschaft und der Buchhandlung Pustet, Regensburg‘ erschien; das weiter bestehende Traditionsunternehmen kehrte also noch einmal zu seinem einstigen Erfolgsautor zurück. Mittlerweile sind diese Reprints im Internet verfügbar, ebenso die kompletten Hausschatz-Jahrgänge von 1873 bis 1917.3

„Gott segne alle, die die Wahrheit lieben, erleuchte ihren Sinn und ihr Herz und segne jene, die für seine Sache streiten.“(Geleitwort von Papst Pius IX., 23. 4. 1874, abgedruckt im Deutschen Hausschatz, 1. Jg., Nr. 1, S. [1])

Karl May, von Haus aus Protestant, wusste natürlich um die religiöse Bindung des Hausschatzes und war, als sich dort Veröffentlichungsmöglichkeiten ergaben, bereit, ihr Rechnung zu tragen – ein nachvollziehbares Verhalten, denn der junge Autor war aus finanziellen Gründen darauf angewiesen, seine Erzählungen an möglichst vielen Stellen unterzubringen. Um dieses Ziel zu erreichen, veränderte er gelegentlich teils geringfügig, teils einschneidend den Inhalt von schon einmal gedruckten Arbeiten, ebenso die Namen von Figuren und den Titel, mitunter auch den zuvor von einem Pseudonym getarnten Verfassernamen, und bot dann das Produkt einem anderen Verlag als etwas neu Geschriebenes an.

So geschah es auch mit dem Hausschatz. Dort erschienen erst einmal mehrere kürzere Erzählungen, die May vorher schon in anderer Form und an anderer Stelle veröffentlicht hatte, und insbesondere eine der frühesten zeigt, wie er sich auf die Bedürfnisse dieses Periodikums einzustellen wusste. Im Juli 1878 war in der Zeitschrift Frohe Stunden die Erzählung Die Rache des Ehri zu lesen, verfasst von ‚Emma Pollmer‘; anderthalb Jahre später druckte der Hausschatz unter Mays Namen deren deutlich veränderte und erweiterte Version Der Ehri. Die laut den Untertiteln im südöstlichen Polynesien bzw. auf den Gesellschaftsinseln angesiedelte Abenteuergeschichte behandelt jeweils heimtückische Verbrechen im Zusammenhang mit einer Eheschließung, und dabei stehen Einheimische und christliche Missionare einander feindlich gegenüber. In der Erstfassung sind, vereinfacht gesagt, die Missionare ‚die Bösen‘ und die Anhänger der örtlichen Religion ‚die Guten‘. Diese Konstellation war für den Hausschatz nicht tragbar, und so drehte May für seine dortige Fassung die Geschichte gewissermaßen um, vertauschte die Rollen der Figuren und befreite damit die zuvor heftig kritisierte christliche Missionstätigkeit aus ihrem Zwielicht. Dass das gesamte Opus verdächtig intensiv an eine ältere Erzählung von Friedrich Gerstäcker (1816 – 1872) denken lässt, Das Mädchen von Eimeo, steht noch auf einem anderen Blatt.

Karl May hält im Rückblick seiner Autobiografie Mein Leben und Streben fest, die „konfessionelle Zugehörigkeit“ des Hausschatzes sei ihm zwar bewusst, aber „höchst gleichgültig“ gewesen. „Der Grund, warum ich dieser hochanständigen Firma treugeblieben bin, war kein konfessioneller, sondern ein rein geschäftlicher.“ Anschließend skizziert er die uneingeschränkt positiven Merkmale der Zusammenarbeit mit Pustets Verlag sowie die für ihn günstigen finanziellen Konditionen und zieht ein Fazit: „Solchen Verlegern bleibt man treu, auch ohne nach ihrem Glauben und ihrer Konfession zu fragen.“4 Die Argumentation erscheint in sich schlüssig, unterschlägt aber, dass eine derart reibungslose Kooperation nur vorstellbar ist, wenn das vom Schriftsteller Gelieferte und das vom Verlag Erwartete miteinander harmonieren. May war da, wie gesagt, zunächst recht flexibel, aber die im Folgenden wiedergegebene Korrespondenz zeigt, dass es insbesondere in den späteren Jahren zu größeren Auseinandersetzungen kam.

Die überlieferten Dokumente erlauben es nicht, eine exakte Rekonstruktion der ersten Kontakte zwischen Karl May und dem Deutschen Hausschatz vorzunehmen; nach einem auf den 4. 12. 1909 datierten Schreiben Otto Denks, des letzten für May zuständigen Hausschatz-Redakteurs, hat sich May im Jahr 1878 an die Redaktion der Zeitschrift gewandt und die Veröffentlichung seiner Erzählung Three carde monte angeboten. Im 5. Jahrgang der Zeitschrift (1878/79) erschien diese sowie eine weitere, Unter Würgern; beide basieren auf Texten, die zuvor ebenfalls in den Frohen Stunden veröffentlicht worden waren, und indem die erstgenannte im ‚Wilden Westen‘ und die zweite auf einem orientalischen Schauplatz spielt, wird hier vorweggenommen, welche Handlungsräume später in den Mittelpunkt der abenteuerlichen Fantasiewelten Mays rücken werden. Der Redakteur Venanz Müller scheint sogleich erkannt zu haben, welches Potenzial in den Arbeiten des neuen Autors steckte: Am 16. 8. 1879 fragt er bei May an – und damit beginnt die überlieferte und im Folgenden dokumentierte Korrespondenz –, ob er „recht bald auf einen neuen Beitrag von Ihnen rechnen“ dürfe, hakt drei Wochen später nach, als die Antwort ausbleibt, und schon im Oktober bittet er May, er möge ihm künftig „alle [seine] Geistesprodukte nach deren Vollendung sofort senden“. May werde gewiss die „streng moralische[] Tendenz“ des Hausschatzes stets bedenken, sei aber frei in der „Auswahl des zu behandelnden Stoffes“. Seine Honorarforderung wird „gern“ akzeptiert.

Damit ist die Basis einer Jahrzehnte währenden Zusammenarbeit geschaffen, die sich für die Beteiligten als eine ‚Win-win-Situation‘ darstellt. Der aufstrebende Schriftsteller May hat einen zuverlässigen und seriösen Publikationsort gefunden, der Pustet-Verlag einen Autor, der ihm kontinuierlich attraktive, vom Publikum nachweislich goutierte Arbeiten liefert. Im 6. Jahrgang des Hausschatzes (1879/80) erscheinen gleich sechs Erzählungen Mays, im 7. zunächst eine weitere und dann unter dem geheimnisvollen Titel „Giölgeda padiśhanün“ der Beginn jenes langen Romans, der später von Fehsenfeld in sechs Bänden publiziert wird und noch heute unter den Titeln Durch die Wüste, Durchs wilde Kurdistan, Von Bagdad nach Stambul, In den Schluchten des Balkan, Durch das Land der Skipetaren und Der Schut die Reihe Karl May’s Gesammelte Werke eröffnet, durch die die Mehrzahl der Millionen von May-Lesern diesen Autor kennengelernt hat.

May veröffentlicht im Hausschatz bis 1898 und dann noch einmal zwischen 1907 und 1909. Von der längeren Pause abgesehen, enthalten lediglich die Jahrgänge 1883/84 und 1886/87 keinen May-Text und unterbrechen damit die Fortführung des eben genannten Romans. Die Zeit der kurzen Erzählungen ist mit dem Beginn von „Giölgeda padiśhanün“ vorbei; fortan konzentriert sich May auf längere Arbeiten, die allesamt später ebenfalls in der Fehsenfeld-Edition auftauchen. Allerdings enthält der 23. Jahrgang (1896/97) einen sich autobiografisch gerierenden kürzeren Text, Freuden und Leiden eines Vielgelesenen, sowie Mays Gedicht Ave Maria samt zwei Vertonungen; eine weitere bringt der 24. Jahrgang. Nach der längeren Unterbrechung schließt Der’Mir von Dschinnistan mit der letzten Folge im September 1909 die Reihe von Mays Veröffentlichungen für den Hausschatz endgültig ab. Seine primären Ansprechpartner in all diesen Jahren sind die Redakteure Venanz Müller (1874 – 1888), Heinrich Keiter (1888 – 1898) und Otto Denk (1898 – 1911).

Wie sehr May bei Pustet geschätzt wurde, ergibt sich auch daraus, dass er ab 1890 noch für eine weitere Publikation des Verlags tätig wurde: für dessen Marienkalender, ein Genre, in dem sich die katholische Grundorientierung des Unternehmens einmal mehr besonders gründlich niederschlug. May schrieb bis 1898 acht Erzählungen für den Regensburger Marien-Kalender, Geschichten abenteuerlichen Inhalts, in denen aber die religiöse Komponente, die auch in den Reiseerzählungen erkennbar ist, außerordentlich markant hervortritt. Ein weiteres Indiz für die Wertschätzung Mays bildet der Vorschlag Friedrich (II) Pustets im November 1884, Mays im Hausschatz erschienene Werke in einer Buchausgabe noch einmal zu veröffentlichen; allerdings wurde dieses Projekt nicht bzw. erst Jahre später von Fehsenfeld realisiert, also in einem anderen Verlag.

II.

Wie bei vielen Briefwechseln ähnlicher Art ist auch im vorliegenden Fall die Korrespondenz, die dokumentiert werden soll, bei Weitem nicht vollständig erhalten. Im Pustet-Briefwechsel klafft zwischen 1879 und 1884 eine große Lücke; aus den Jahren 1891 und 1893 ist nur je ein Schreiben überliefert, aus dem Jahr 1892 wiederum gar keins. Besonders unerfreulich wirkt es, dass nur wenige der Briefe, die May an den Verlag gerichtet hat, noch greifbar sind. Ausnahmen bilden in erster Linie diejenigen, die er zur Veröffentlichung in der Zeitschrift dorthin schickte, die also schon damals gedruckt wurden, sowie – und dies macht die Defizite zu einem gewissen Teil wett – ein mehr als hundert Manuskriptseiten umfassender Brief vom Januar 1909, in dem May in großer Ausführlichkeit auf Vorhaltungen des Verlegers antwortet; dieses Dokument zählt zu den umfangreichsten autobiografischen Zeugnissen aus der Feder seines Autors, auch wenn es unmittelbar nur das spezielle Thema seiner Beziehungen zu dieser einen Zeitschrift betrifft.

Man kann das erhaltene Pustet-Material in drei Phasen einteilen. Die erste umfasst die Jahre vom Beginn der Kooperation bis 1897, also die Zeit, in der May, mit einigen Unterbrechungen, immer wieder für den Hausschatz geschrieben hat. In der zweiten Phase, 1900 – 1905, ist der direkte Kontakt zwischen ihm und dem Verlag zum Erliegen gekommen. May arbeitet zu dieser Zeit nicht mehr für Pustet, und die Briefe, die wir wiedergeben können, stehen unter dem Eindruck der öffentlichen Auseinandersetzungen um ihn: Der aktuelle Hausschatz-Redakteur Otto Denk korrespondiert mit einigen der vehementesten May-Kritiker, und May äußert sich gegenüber Dritten mit seiner Sicht der Dinge. Die letzte Phase schließlich setzt 1907 ein: Es kommt zu einer Wiederannäherung zwischen dem Verlag und seinem einstigen Erfolgsautor und zur Veröffentlichung eines neuen Romans, aber der sorgt dann auf verschiedenen Ebenen bald für neue Konflikte.

Die Schreiben der ersten Jahre kann man zunächst einmal als Geschäftspost in konventionellem Sinne ansehen. Es geht um Termine und Umfang der Manuskriptsendungen, um Reaktionen der Leserschaft, um den Wechsel vom Redakteur Müller zum Redakteur Keiter, um die Bitte an May, ein Foto von sich zur Veröffentlichung zu senden, um seine Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen und seine Klage über fremde Autoren, die ihre minderwertigen Erzeugnisse unter seinem gut eingeführten Namen verkaufen, und um Honorarabrechnungen. Allerdings kommt es kurz vor dem Ende dieser Phase zu einem Eklat: Im Jahr 1895 streicht Keiter vor der Veröffentlichung eigenmächtig 444 Manuskriptseiten aus Mays Erzählung Krüger-Bei. Es handelt sich um ein mit ‚In der Heimath‘ überschriebenes Kapitel, dessen Inhalt den exotischen Schauplatz verlässt, in der deutschen Heimat des Ich-Helden spielt und eine zarte Liebesgeschichte andeutet. Keiter sah diesen langen Exkurs aus dem Alltag der May’schen Abenteuer wahrscheinlich als ganz und gar unpassend an und reagierte entsprechend drastisch. May brach daraufhin seine Tätigkeit für den Verlag erst einmal ab. Es bedurfte eines erheblichen persönlichen Einsatzes der Verleger sowie der Versicherung, Keiter werde „sich für die Folge jedes literarischen Eingriffs in Ihre Manuskripte enthalten“ (26. 1. 1897), ihn zu einer Änderung dieser Haltung zu bewegen. Trotz seiner Entrüstung über die Kürzung hat May das fehlende Kapitel später nicht in die Buchausgabe des Romans aufgenommen.5

Ein charakteristisches, geradezu leitmotivartig auftretendes Merkmal dieser Jahre – das sich später während der Veröffentlichung des ’Mir fortsetzen wird und sich auch in Mays Kontakten zu anderen Verlagen bemerkbar macht – ist die Klage über zugesagte, aber ausbleibende bzw. erheblich verzögerte Manuskriptlieferungen seitens des Autors; manchmal wird sie ergänzt durch den Vorwurf, May habe nicht nur keinen Text geschickt, sondern auf entsprechende Nachfragen gar nicht reagiert. Das Interesse des Verlags an den Werken des unzuverlässigen Mitarbeiters erlischt deshalb zwar nicht, aber es liegt auf der Hand, dass solche Verzögerungen gerade für Redakteure eines Periodikums heikel sind. May steht seinerseits vor dem Problem, dass er den wahren Grund für seine zeitweilige Passivität in Sachen Hausschatz nicht mitteilen kann: Er ist zu sehr anderweitig beschäftigt. Vor allem fallen die fünf voluminösen, unter Pseudonym geschriebenen Romane für den Münchmeyer-Verlag ins Gewicht, die später als sittlich höchst bedenklich attackiert werden und deren Erarbeitung in den 1880er-Jahren wesentlich dafür verantwortlich ist, dass es zu langen Unterbrechungen in der Fertigstellung des großen Orientromans kommt.

Ein gewisses Verständnis für die Versäumnisse des ‚Herrn Doktor‘, zu dem May im Verlauf des Briefwechsels avanciert, mag aus der Überzeugung des Verlags resultieren, er schreibe seine Erzählungen tatsächlich auf der Basis realiter durchgeführter Reisen in jene fernen Weltteile, in denen sie angesiedelt sind. Hier bereitet sich das vor, was man später Old-Shatterhand-Legende nennen wird: die Ineinssetzung des Ich-Erzählers bzw. Ich-Helden mit dem empirischen Autor Karl May, die dieser dann in den 90er-Jahren mit großer Zielstrebigkeit betreibt, bevor er sie nach 1900 – nicht ganz konsequent und mit gelegentlichen Rückfällen, wie unsere Dokumente zeigen – zu einem Missverständnis der Leserschaft erklären wird. So berichtet die Redaktion im September 1885 von einem – frei erfundenen – Aufenthalt Mays in Ägypten und nennt ihn einen „‚Weltläufer‘“; zwar setzt sie den Begriff in Anführungszeichen, aber das signalisiert wohl eher eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Vokabel als einen ernsten Zweifel an der damit bezeichneten Sache. Am 26. 4. 1890 äußert Friedrich (II) Pustet, indem er May anspricht, der Leser wolle im Hinblick auf eine bestimmte Erzählung gern erfahren, „was aus Ihnen und Ihrem Begleiter geworden ist“: eine wie selbstverständlich daherkommende Identifikation Karl Mays mit seiner Ich-Figur. Noch in seinen 1939 geschriebenen Erinnerungen hält Friedrich (III) Pustet an einem kausalen Zusammenhang zwischen Mays angeblichen Weltreisen und seiner Unzuverlässigkeit bei der Manuskriptlieferung fest: „Karl May war viel unterwegs und hiedurch die Manuskriptsendung aus fremden Ländern sehr erschwert.“

Neben dem, was in der Korrespondenz verhandelt wird, ist auch interessant, was nicht zur Sprache kommt. May ist von großen Teilen der Literaturgeschichtsschreibung bekanntlich als ‚Jugendschriftsteller‘ rubriziert worden, als jemand, der primär oder gar fast ausschließlich ein junges Publikum anspricht, und diese Einstufung entspricht vielen Erfahrungen mit der Rezeption, die tatsächlich stattgefunden hat. In den Äußerungen der für den Hausschatz Verantwortlichen spielt dieses Thema jedoch keine Rolle. Das Selbstverständnis der Zeitschrift zielt ja nun keineswegs primär auf eine jugendliche Leserschaft, und niemals taucht ein Zweifel daran auf, dass Mays Erzählungen dem Konzept bestens entsprechen. Zwar spricht Friedrich (II) Pustet einmal von „einer sehr getheilten Anschauung der Hausschatzleser über diese Art romantischen Lesestoffes“ (17. 11. 1888), aber das ist ein doch etwas anders gelagerter Aspekt als die Frage nach dem Alter der Zielgruppe, und er scheint den Verleger auch nicht übermäßig beschäftigt zu haben; andernfalls hätte er nicht weiter an May als Autor festgehalten.

Im Jahr 1898 endet zunächst einmal dessen Tätigkeit für den Hausschatz. Die Gründe dafür lassen sich nicht mit letzter Sicherheit erschließen, zumal beide Seiten später beanspruchen, ihrerseits die Initiative zu diesem Schritt ergriffen zu haben. May beruft sich wiederholt auf einen „Waschzettel“ des Verlags, der ihm die weitere Zusammenarbeit unmöglich gemacht habe; es ist jedoch nicht zu erkennen, warum ihn dieser Text mit derart einschneidenden Folgen verärgert haben könnte. Karl Pustet gibt in einer öffentlichen Erklärung vom 29. 4. 1901 demgegenüber an, der Verlag habe nach der Inspektion der von May in den 80er-Jahren für Münchmeyer geschriebenen „Hintertreppen-Romane der allerbedenklichsten Sorte“ den Kontakt zu seinem Autor abgebrochen.

Für rund ein Jahrzehnt herrscht also, salopp formuliert, Funkstille zwischen Karl May und dem Regensburger Verlag. Der dort verantwortliche Hausschatz-Redakteur ist nunmehr Otto Denk, ein Mann, der sich aus eigenem Antrieb mit May beschäftigt, ihm gegenüber sehr kritisch eingestellt ist, Recherchen durchführt und mit Mays publizistischen Gegnern Hermann Cardauns und Ansgar Pöllmann korrespondiert; ebenso treten diese in Kontakt zueinander. Ganz und gar im Fokus steht das Skandalon der „Hintertreppen-Romane“: Denk hält sie für pornografisch und stößt sich darüber hinaus an weiteren inhaltlichen Elementen, wie der Darstellung von Mönchen und Nonnen als Schurken. Er sieht darin einen unentschuldbaren Angriff auf den Katholizismus; damit stehen diese Texte in hässlichstem Widerspruch zu dem, was May seinerzeit parallel für den Hausschatz geschrieben hat. May formuliert gegenüber den dem Publikum vorliegenden Münchmeyer-Romanen keineswegs ein entgegengesetztes Urteil, insistiert aber in privaten Briefen wie in öffentlichen Erklärungen darauf, für diese schändlichen Texte sei er nicht verantwortlich; vielmehr handle es sich um hinter seinem Rücken vorgenommene „Bearbeitungen vollständig sittenreiner Originalarbeiten von mir“ (15. 4. 1901).

Man mag sich darüber wundern, dass es unter diesen Umständen dann doch wieder zu einer Arbeit Mays für das Regensburger Blatt kommt. Otto Denk schreibt May einen Brief (18. 4. 1907), der zwar an der Beobachtung festhält, dass es in den Münchmeyer-Romanen „von abscheulichsten Unsittlichkeiten wimmelt“, die Kritik aber verbindlich und in Form von Fragen formuliert. May geht auf diesen Ton ein, beantwortet die Fragen, so gut es ihm nach Lage der Dinge möglich ist, und ergänzt seine Antwort sogar um persönliche Komplimente an Denk. Am 13. 9. 1907 kommt es in München zu einer Begegnung zwischen den beiden, und bereits im November 1907 beginnt der Hausschatz mit dem Abdruck des ’Mir von Dschinnistan.

Über die Hintergründe der Versöhnung lässt sich spekulieren. Im Hause Pustet dürften die Erfolge nicht vergessen sein, die man dem einstigen Mitarbeiter zu verdanken hat, und nach Otto Denks späterem Bericht (14. 1. 1910) verfängt dort schließlich Mays Darstellung, er sei an den ‚pornografischen‘ Eigenheiten der Münchmeyer-Romane völlig unschuldig. May wiederum muss zur Kenntnis nehmen, dass der Verkauf seiner Bücher in der Fehsenfeld-Ausgabe immer mehr zurückgeht. Die seit der Jahrhundertwende veröffentlichten Bände finden längst nicht mehr denselben Anklang wie die früheren, und die Konflikte um ihn schaden seiner Popularität ebenfalls. Da mag es hilfreich erscheinen, eine über viele Jahre bewährte Publikationsmöglichkeit wieder zu nutzen und auf die Regensburger Offerte einzugehen.

Aber lange währt die gute Stimmung nicht. Am 5. 10. 1907 weist Denk angesichts des bisher vorliegenden Roman-manuskripts den Autor diskret darauf hin, dass das Publikum „eine spannende, abwechslungsreiche Handlung“ erwarte. Im März 1908 kommt es zu Misshelligkeiten in Bezug auf die Kommunikationswege zwischen Regensburg und Radebeul. Im Mai 1908 beklagt Denk einen „Abfall von Abonnenten“, weil der neue Roman „sie nicht befriedigt und sie sich eine Reiseerzählung konkreten Inhalts erwartet haben“ – will sagen: eine Abenteuergeschichte mit wildbewegten Ereignissen, wie May sie früher geschrieben hat. Tatsächlich hat der Autor längst andere Pfade betreten: Sein Spätwerk wahrt zwar äußerlich die Form der Reiseerzählung, doch nunmehr geht es um philosophische Fragen der bisherigen und der für die Zukunft wünschbaren Menschheitsentwicklung, und statt der handfesten ‚action‘ dominieren symbolisch aufgeladene Handlungskonstellationen und langwierige Reflexionen über Gott und die Welt. Hans Wollschläger, einer der besten Kenner von Mays Spätwerk, spricht davon, die Reise des Helden durch den weiten Raum sei zu lesen als eine durch die historische Entwicklung im weitesten Sinne: „Evolution als Raumdurchmessung, ein Entwicklungsroman, in dem Ontogenese und Phylogenese zugleich die Handlung konstituieren.“6

Ein solcher Text muss den Verantwortlichen des Verlags, wenn sie an die weiterhin gültige Ausrichtung des Hausschatzes denken, sowohl langweilig als auch anti-katholisch erscheinen. May sieht dies in seinen Reaktionen auf die entsprechenden Vorwürfe ganz anders, und da auch noch weitere Probleme hinzukommen – etwa die erneut beklagten Verzögerungen in der Manuskriptlieferung, die von May bestritten werden, und die von Denk vorgenommenen stilistischen Eingriffe in den Text, über die May sich bitter beschwert –, ist der Streit unvermeidlich. Karl Pustet teilt May mit, die Leserreaktionen auf den Roman seien vernichtend, der Hausschatz sei „ruinirt“ (8. 1. 1909); Denk nennt den Roman später „Quark“ und „Gesudel“ (14. 1. 1910). Der Grad der Entrüstung, die May erfüllt, zeigt sich beispielhaft in den extremen Formulierungen, die binnen weniger Zeilen in seinem langen Brief vom Januar 1909 aufeinanderprallen: Er habe mit dem ’Mir eine „Symphonie auf den Völkerfrieden“ geschrieben, und Denks Umgang damit sei „eine Schweinerei“. Der Roman wird schließlich mit einem abrupten Finale beendet, sein letzter Satz lautet: „Das Weitere liest man später.“ Unsere Dokumentation zeigt, dass danach die Korrespondenz zwischen Otto Denk und Ansgar Pöllmann wieder auflebt, und am Horizont taucht kurz sogar Rudolf Lebius (1868 – 1946) auf, Mays erbittertster publizistischer Gegenspieler.

Wie ist nun, wenn man so etwas wie eine Gesamtbilanz ziehen will, das Verhalten der Hauptbeteiligten dieses Briefwechsels einzuschätzen? Im Fall der Verlagsleiter und Redakteure des Hauses Pustet fällt der Befund nicht gar so schwer: Sie verfolgen die Interessen ihres Unternehmens, die kommerziellen wie die ideellen, und in dem Maße, in dem May ihnen in diesem Sinne zuarbeitet, verläuft die Kooperation unproblematisch. Sofern aber von seiner Seite aus Störungen eintreten, kommt es zu Auseinandersetzungen. Diese Störungen können ‚technischer‘ Art sein – fehlende Pünktlichkeit in den Manuskriptlieferungen –, aber auch die literarische Ebene betreffen, wenn May etwa in seine Abenteuererzählungen Handlungsteile einfügt, die in der Sicht der Redaktion fehl am Platze sind, oder wenn er, bei seinem letzten Roman, langweilig schreibt und den vorgegebenen Pfad der katholischen Tugend verlässt. Im Fall Otto Denks kommt hinzu, dass er May von vornherein mit grundsätzlicher Abneigung begegnet und diese nur vor-übergehend, zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, aufzugeben scheint. Im Übrigen ist bei der Lektüre zu bedenken, dass die Verfasser keineswegs immer dem Ideal vollkommener Aufrichtigkeit huldigen. Zu den Klagen über den extremen Verlust an Lesern, der während der Veröffentlichung des ’Mir eingetreten sei, will Otto Denks spätere Information an Pöllmann (23. 2. 1910) nicht recht passen, der Hausschatz habe „durch den Wiedereintritt K. Mays in die Reihen unserer Mitarbeiter einen ganz außerordentlichen Zuwachs an Abonnenten erfahren, die sich ebenso rasch wieder verloren, als wir unsere Beziehung zu May lösten. Das ist die Wahrheit!“ Entweder ist diese Mitteilung falsch, oder die Behauptung Karl Pustets gegenüber May, die Veröffentlichung des ’Mir treibe den Hausschatz direkt in den Ruin, stellt eine Lüge dar.

Karl May profitiert in vieler Hinsicht vom Hausschatz, aber einige Besonderheiten seiner literarischen Laufbahn bringen es mit sich, dass er den Herren Pustet und ihren Redakteuren immer mal wieder etwas erklären muss, das sich schwer erklären lässt: die nahezu regelmäßigen Verzögerungen in seinen Manuskriptlieferungen, den merkwürdigen Umstand, dass er von den unsittlichen Entstellungen seiner Münchmeyer-Romane in ihrer veröffentlichten Form nichts bemerkt haben will – obwohl er Mitte der 90er-Jahre das publizierte Waldröschen, den bekanntesten der Reihe, in der Hand gehabt haben muss, da er aus ihm ein langes Kapitel für Old Surehand. 2. Band übernahm –, und nicht zuletzt den Grad und die Ausprägung seiner religiösen Haltung, die angeblich immer bestens den Hausschatz-Idealen entspricht, obwohl zumindest die ’Mir-Handlung etwas ganz anderes besagt.

Mays Umgang mit diesen Problemen lässt sich besonders eindrucksvoll anhand des langen Briefs an Karl Pustet vom Januar 1909 beobachten, denn darin zeigt sich inhaltlich und stilistisch die ganze Breite seiner Argumentationsversuche. Der erste Satz macht unmissverständlich klar, dass May die zur Diskussion stehenden Angelegenheiten völlig anders beurteilt als der Adressat: „Sie irren Sich!“ Noch in demselben Absatz aber schafft er auf der persönlichen Ebene eine Basis dafür, dass der Angesprochene sich den folgenden Darlegungen mit freundlicher Bereitschaft nähern kann: „Ich habe Sie heut genau so lieb wie ehedem und immer.“

Unter diesen Vorzeichen zieht May anschließend alle Register, die ihm zur Verfügung stehen. Ein demonstrativ ausgestelltes Selbstbewusstsein verbindet sich mit der ausgiebigen Herausarbeitung des gewaltigen Unrechts, das man ihm nach seinem Verständnis angetan hat, und dabei kommt es zu scharfen Urteilen: Otto Denk ist nicht weniger als „mein Feind“. An einigen Stellen argumentiert May so exakt und detailliert wie möglich, etwa mit Angaben zur Zahl der Hausschatz-Leser, während er an anderen weitgespannte und oft spekulativ anmutende Aussagen zu den Motiven, Plänen und Verfahrensweisen seiner Gegner formuliert. Manchmal bewegt er sich am Rande des Absurden, z. B. mit der Behauptung, der ’Mir sei ursprünglich nur auf ein Kapitel berechnet gewesen, „eine kurze, liebe, sehr oft humoristische Reiseerzählung mit einem recht herzigen Ausgang“, und habe sich erst auf Verlangen Denks zu einem großen Roman entwickelt. Mit dem von Karl Pustet schon vor längerer Zeit (10. 7. 1908) vorgetragenen und weiterhin gültigen Tadel, der ’Mir stehe gedanklich nicht im „vollständigen Einklang mit den Vorschriften unserer katholischen Kirche“, betreibt May ein merkwürdiges Spiel. Ins Grundsätzliche reichende, den Text erläuternde Darlegungen, dass es sich anders verhalte, gibt es nicht – sie wären wohl auch kaum plausibel zu vermitteln –, stattdessen aber Widerspruch in Form von Bemerkungen pauschaler Art oder im Hinblick auf Details: Am 15. 7. 1908 teilt May Denk mit, er sei „Katholik in meinem ganzen Innern“, und im Brief vom Januar 1909 beruft sich der Verfasser auf das Urteil katholischer Experten, die angeblich die katholische Fundierung einer bestimmten Textstelle bestätigt haben. May will an der gedanklichen Ausrichtung des ’Mir ersichtlich nichts ändern, mag sich aber auch nicht zur Widerborstigkeit des Romans gegenüber den Idealen des Publikationsorts bekennen, und so kommt eine Reaktion zustande, der ein gehöriges Maß an Opportunismus beigemischt ist.

Man findet viel Pathos in Mays Worten, manchmal aber auch Ironie und Hohn, und es liegt auf der Hand, dass der versierte Erzähler sich immer wieder traditioneller literarischer Verfahren bedient, um seinen Gedanken Nachdruck zu verleihen. Dazu gehört beispielsweise das altehrwürdige rhetorische Mittel der Epipher: an jener Stelle, da May in mehreren Sätzen aufzählt, mit wie vielen Glaubensgemeinschaften er sich in seinen Werken schon beschäftigt haben will, und jeden einzelnen Satz mit derselben Formulierung beendet, „undkeinMenschhatEtwasdagegengehabt“ – unterstrichen und mit Ausrufezeichen versehen. Hier ist kein Briefschreiber am Werk, der den Adressaten mit sachlicher Darstellung zu überzeugen versucht; hier will ein Schriftsteller mit Formulierungskünsten triumphieren, in denen er sich seit Jahrzehnten geübt hat.

Alles in allem: Der lange Brief vom Januar 1909 erzählt eine konfliktreiche Geschichte von guten Menschen und von Schurken, von Intriganten und Genasführten, von Tätern und Opfern, von finsteren Plänen und ihrer Durchkreuzung. Man darf sagen, dass er der biografischen May-Forschung gute Dienste leistet, aber auch die Zahl der literarischen Werke des Schriftstellers Karl May vergrößert.

III.

Der zweite in diesem Band dokumentierte Briefwechsel beschränkt sich auf die letzten Lebensjahre Karl Mays. Auch er hat sich nicht vollständig erhalten, ist erheblich kürzer und von ganz anderer Art als der erste, und die Verhältnisse erscheinen in diesem Fall relativ unkompliziert. Es geht um die Korrespondenz mit Johannes Dederle (1850 – 1913), einem Journalisten, der mit einer Reihe von Redakteursposten an verschiedenen Orten einen gewissen publizistischen Einfluss hatte, in seiner Karriere aber von manchem Misserfolg juristischer und finanzieller Art schwer getroffen wurde. Dederle war May überaus wohlgesinnt, stand über Jahre hinweg in Briefwechsel mit dem von ihm verehrten Autor und setzte sich öffentlichkeitswirksam wiederholt für ihn ein; May betrachtete ihn als Helfer in der Auseinandersetzung mit seinen publizistischen Gegnern und als Unterstützer der Wendung, die seine Literatur seit der Jahrhundertwende nahm.

Immer wieder hat Dederle in seinem Verantwortungsbereich etwas zugunsten von May publiziert. Die Liste reicht von kleinen redaktionellen Notizen über wohlwollende Rezensionen bis zum Abdruck längerer literarischer Texte des Briefpartners. In erster Linie ist da zu nennen Am Tode, eine im Orient spielende Erzählung mit offenem Ende, deren Erstveröffentlichung vom 15. 2. bis 30. 4. 1902 im Koblenzer Rhein- und Mosel-Boten erfolgte, einer Tageszeitung; kurz danach bildete Am Tode das zweite Kapitel und die erste Hälfte des dritten im dritten Band von Im Reiche des silbernen Löwen. Der Bote war in seiner Grundausrichtung nicht weniger katholisch als der Hausschatz, allerdings weit weniger erfolgreich. Später hat Dederle dann noch, im dritten Jahrgang der Mülheimer Volkszeitung (1908), die Erzählung Abdahn Effendi komplett veröffentlicht, doch hierbei handelte es sich nicht um eine Premiere, sondern um den Nachdruck aus einer österreichischen Publikation. Mehrere kürzere Texte Mays kommen hinzu.

Wie im Fall Pustet, so fehlen auch in diesem Dokumente zur Aufnahme der Kontakte. Die erste erhaltene Karte, datiert am 22. 4. 1899 in Kairo, also zu Beginn der langen Orientreise Mays in den Jahren 1899/1900, setzt schon eine Bekanntschaft von Schreiber und Adressat voraus. Die Dortmunder Zeitung Tremonia, bei der Dederle zu dieser Zeit als Redakteur arbeitet, hat vorher Mays Namen nur beiläufig erwähnt, gibt nun aber (3. 5. 1899) den Inhalt seiner Karte in allen wesentlichen Elementen wieder: den Doktortitel, mit dem May zu Unrecht unterschrieben hat, ebenso wie die Absicht des „kühnen Reisenden“, unter anderem den Sudan und Mekka zu besuchen und dann auch „Hadschi Halef“ zu treffen. Dass diese Romanfigur als „[d]er kleine Flunkerer“ bezeichnet wird und von seiner „Nilpferdpeitsche“ die Rede ist – beides taucht in Mays Schreiben nicht auf –, belegt die Vertrautheit der Redaktion mit Mays Erzählungen. Insgesamt wird hier schon sichtbar, dass Dederle ganz und gar Mays bisheriger Selbstdarstellung vertraut, seine Erzählungen beruhten auf realiter durchgeführten Reisen, die darin auftauchenden Figuren gebe es wirklich und er selbst sei mit dem Ich-Helden identisch. Dass May in dieser Zeit auch seinem Verleger Fehsenfeld einen Brief aus Kairo schickt und ihn von seiner neben ihm sitzenden Romanfigur Ben Nil unterschreiben lässt, deutet an, wie viel Wert er noch auf die zumindest partielle Aufrechterhaltung der Old-Shatterhand-Legende legt, hier in der Variante der Kara-Ben-Nemsi-Legende.

Anschließend beglückt May den Dortmunder Redakteur mit ganzen Stößen von Postkarten aus dem Orient. Ende September 1899 veröffentlicht die Tremonia unter dem Verfassernamen ‚Richard Plöhn‘ eine dreiteilige Artikelserie ‚Karl May und seine Gegner‘. Bei Plöhn (1853–1901) handelt es sich um einen Radebeuler Freund Mays, der ihn während des zweiten Teils seiner Orientreise begleiten wird, gemeinsam mit der eigenen Ehefrau Klara und Emma, derjenigen Mays. Tatsächlich stammen die Artikel von May selbst, der damit auf die Angriffe der Frankfurter Zeitung antwortet, mit denen ihm erstmals so etwas wie eine Fundamentalkritik an der Qualität und Aufrichtigkeit seiner ‚Reiseerzählungen‘ entgegenschlägt.

Die gute Beziehung bleibt erhalten, als Dederle zu Beginn des Jahres 1900 die Tremonia nach einem Zerwürfnis mit deren Verleger verlässt und die Chefredaktion des Rhein- und Mosel-Boten übernimmt, und sie wird auch nicht ernsthaft erschüttert durch ein mehrmonatiges Schweigen Mays, über das Dederle im Oktober 1900 klagt. Im März 1901 druckt der Bote einen langen Brief Mays zur Affäre um die Münchmeyer-Romane. Im Januar 1902 kommt es in Koblenz zu einer persönlichen Begegnung, wobei May von seiner Ehefrau Emma begleitet wird und die mitreisende Klara, deren Ehemann Richard Plöhn inzwischen verstorben ist, als seine Schwester ausgibt. Anschließend erscheint im Boten, wie schon vermerkt, Mays Erzählung Am Tode. May erfüllt damit spät, aber immerhin doch noch ein Versprechen, das er Dederle erstmals am 23. 10. 1899 gegeben hat. Es handelt sich auch insofern um einen erstaunlichen Text, als er mit der Frage Halefs beginnt: „Sihdi, wie denkst Du über das Sterben?“, und mit der zweimal auftauchenden Titelformulierung endet – in der Literaturgeschichte dürfte es wenige Werke mit ähnlich letaler Intensität an denEckstellen geben.

Eine längere Unterbrechung des Kontakts entsteht dann allerdings doch, nachdem der Bote zu Silvester 1902 noch einmal ein Gedicht Mays gedruckt hat; über den Hintergrund lassen sich nur Vermutungen anstellen. Aber auch diese Störung des Verhältnisses ist nicht von Dauer. Im Jahr 1906 geht es weiter mit der Korrespondenz, wobei Klara – inzwischen Mays Ehefrau – die Initiative übernimmt, zweifellos in Abstimmung mit ihrem Mann. Rasch bewegt sich die Kommunikation wieder in den alten Bahnen, wie der vertrauliche Ton der Briefe zeigt und eben auch die Veröffentlichung von Mays Abdahn Effendi 1908 in der Mülheimer Volkszeitung, für die Dederle jetzt tätig ist. Die letzten Zeugnisse der Korrespondenz, die wir vorlegen können, stammen aus dem Jahr 1910.

Dederle erweist sich durchgängig als treuer Anhänger des berühmten Radebeuler Autors. Vielleicht darf man ihn sogar als einen Fan bezeichnen, denn er glaubt bzw. akzeptiert so ziemlich alles, was May ihm sagt, stellt niemals ernsthaft Rückfragen und schwärmt gegenüber Richard Plöhn von einem „edlen selbstlosen Charakter“ und von Mays „schöne(m) Zug, andere zu beglücken“ (8. 11. 1899). In seinem journalistischen Umgang mit dem verehrten Autor erweist er sich als äußerst willfährig: Er übernimmt nicht nur uneingeschränkt Mays Darlegungen etwa zu seiner Orientreise und zur heiklen Causa Münchmeyer, sondern lässt ihm zur Veröffentlichung geplante Texte aus seiner Hand vorab zukommen und gestattet May bzw. fordert ihn sogar auf (2. 8. 1906, 19. 1. 1907), darin nach Belieben Korrekturen vorzunehmen, was dieser dann auch tut. Das Thema Katholizismus spielt bei all dem eine weitaus geringere Rolle als in der späten Pustet-Korrespondenz.

Auch private Themen bringt Dederle zur Sprache, insbesondere im zweiten Teil der Dokumente. Er bittet May um Hilfe sowohl beim geplanten Verkauf einiger Bilder (21. 10. 1906) als auch bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle (3. 4. 1907) und deutet mögliche kriminelle Umtriebe im Zusammenhang mit dem Tod seiner Frau an (9. 1. 1907). Zu dieser Seite der Beziehungen passen bestens die ungewöhnliche Anrede „Meine Lieben“ an die Mays (28. 9. 1908) und die Einbeziehung von Dederles Tochter in die Korrespondenz (1. 12. 1908).

Man kann nicht sagen, dass Mays ihr Privatleben umgekehrt mit ähnlicher Offenheit behandeln. Ein ebenso kurioses wie aufschlussreiches Indiz dafür bildet der Umgang mit Klara. Zunächst erfährt Dederle von ihr als Gemahlin des „Ihnen bekannten Herrn Plöhn“ auf einer Postkarte von der Orientreise, ohne Nennung ihres Vornamens (23. 11. 1899). Bei der persönlichen Begegnung im Januar 1902 lernt er Klara dann als Mays Schwester kennen; unser Material lässt nicht erkennen, ob er bei dieser Gelegenheit darüber aufgeklärt wird, dass sie mit der Gattin des inzwischen verstorbenen Richard Plöhn identisch ist. Ein paar Jahre später wendet sich Klara als jetzige Ehefrau Karl Mays an Dederle, wird aber von ihm – was sehr verständlich ist – zunächst nicht als solche erkannt. Man kann nur vermuten, was Dederle sich denken mag, als ihm schließlich doch die Identität der Schwester von 1902 mit der Gattin von 1906 bewusst wird.

Karl May fördert die Zuneigung Dederles durch Komplimente, durch Postsendungen insbesondere von der Orientreise, deren Zahl und Tendenz dem Empfänger schmeicheln müssen, und durch die Ermöglichung exklusiver Veröffentlichungen. Darüber hinaus nutzt er die Aufgeschlossenheit des Journalisten weidlich aus. Er kann mit seiner Hilfe die eigene Deutung der aktuellen publizistischen Kontroversen darlegen und die Leserschaft mit der Praxis seiner neuen literarischen Ambitionen konfrontieren. Aus heutiger, distanzierter Sicht werden dabei allerdings auch Bestandteile seines Selbstverständnisses und seiner Selbstinszenierung sichtbar, die eher befremdlich anmuten.

In erster Linie ist auch hier wieder an die Orientreise zu denken. In einem langen, über mehrere Karten verteilten Schreiben vom 12. 10. 1899 spricht May hinsichtlich der ersten großen Kritik an seinen Reiseerzählungen mit übertrieben gewaltiger Empörung „von der allgemeinen Hetze gegen mich“ und sogar von „auf mich geschossenen Bomben“. Zu seiner Rechtfertigung argumentiert er mit den vor einem Vierteljahrhundert an entlegener Stelle erschienenen und längst nicht mehr greifbaren Geographischen Predigten. Was die Gegenwart betrifft, so berichtet er mit vielen Ausschmückungen von einem riesigen Goldfeld, das er soeben auf seiner Reise entdeckt haben will. Als viele Monate später der Streit um die Münchmeyer-Romane ausbricht, an deren ‚Unsittlichkeiten‘ May völlig unschuldig zu sein behauptet, will er in einem von Dederle veröffentlichten Brief (25. 3. 1901) deren einwandfreien Charakter mit der Feststellung belegen, er habe diese Werke ohne Bedenken „mit einer Erwähnung in meinen Reisewerken“ gewürdigt und „ganze Bände meiner ‚Reiseerzählungen‘ aus dem damals Geschriebenen“ zusammengestellt – de facto hat er die Münchmeyer-Romane aus guten Gründen an keiner Stelle der Reiseerzählungen erwähnt, und lediglich ein einziges Kapitel in Old Surehand. 2. Band gibt, ohne entsprechenden Verweis, einen Text daraus wieder. Später erfindet May, als es opportun erscheint, eine Reise, die gar nicht stattgefunden hat (8. 8. 1906). Im Jahr 1909 erhält nicht Dederle, aber sein Nachfolger als Redakteur der Tremonia einen Brief, in dem May mitteilt, er habe von seiner Amerikareise – die ja tatsächlich stattgefunden hat – „Winnetous Testament und seinen ganzen Nachlaß“ mitgebracht (2. 1. 1909). Man kann das alles vielleicht so zusammenfassen: Das Bild des späten Karl May als eines beharrlich um die Verbesserung des Weltzustandes kämpfenden und den ‚Edelmenschen‘ propagierenden Schriftstellers erhält im Hinblick auf solche Ausführungen zumindest einige Kratzer.

Aber das stellt im Hinblick auf den Wert der im Folgenden vorgelegten Korrespondenz keinen Makel dar. Die Beziehungen zwischen Autoren und ihren Geschäftspartnern, von deren literaturhistorischer Bedeutung eingangs die Rede war, haben nun einmal viele verschiedene Seiten und wirken auf spätere Betrachter oft kompliziert, lehrreich und wohl auch unterhaltsam. Hier wird einiges davon sichtbar.

Köln, im Februar 2025

Helmut Schmiedt

Zur Edition

Der vorliegende Band versammelt alle greifbaren Briefe und Karten, die Karl und Klara May mit den Inhabern und Angestellten des Pustet-Verlags bzw. dem Redakteur Johannes Dederle wechselten, ergänzt durch ausgewählte private und veröffentlichte Schriftstücke, die mit diesen Korrespondenzen verschränkt sind oder aus ihr hervorgehen. Die Vorlagen stammen, soweit nicht anders vermerkt, aus dem Archiv der Verlegerfamilie Schmid bzw. des Karl-May-Verlags (Bamberg). Ausgewertet wurden außerdem das Archiv des Pustet-Verlags, aufbewahrt in der Bischöflichen Zentralbibliotek Regensburg, der Nachlass Ansgar Pöllmanns (Beuron) und das stetig wachsende Materialcorpus für die geplante Fortführung der Karl-May-Chronik (Sudhoff & Steinmetz 2005 f.).

Alle historischen Dokumente sind zeichengenau wiedergegeben. Dabei finden folgende Abkürzungen und Darstellungskonventionen Verwendung:

hs.

handschriftlich

ms.

maschinenschriftlich

[ ]

Vordruck

/

Absatzwechsel in der Vorlage

\  /

Einfügung durch den Textverfasser

〈  〉

Streichung durch den Textverfasser

{  }

Textverlust durch Lochung oder Beschädigung des Papiers

Die Herausgeber haben sich bemüht, alle in der Korrespondenz, sei es auch nur beiläufig, erwähnten Personen und Publikationen ebenso wie die berührten publizistischen und juristischen Vorgänge zu identifizieren und im Anmerkungsapparat wenigstens knapp zu erläutern. Die wichtigsten Beteiligten werden am Ende des Bandes in zehn Kurzbiografien vorgestellt. Für Fußnoten und Biogramme konnten zahlreiche bislang unbekannte oder unveröffentlichte Informationen ermittelt werden.

1 Vorwort. In: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild für das Jahr 1873 zur Unterhaltung und Belehrung, S. [7] f.

2 Was wir wollen. In: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild, 1. Jg., Nr. 1, S. [1]; vgl. Abb.

3www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz

4 Karl May: Mein Leben und Streben. Selbstbiographie. BandI. Freiburg i. Br. [1910], S. 195 f.; Karl May’s Gesammelte Werke, Bd. 34, „Ich“ (2014), S. 218.

5 Heute enthalten in Karl May’s Gesammelte Werke, Bd. 79, Old Shatterhand in der Heimat, S. 21ff.

6 Wollschläger 2006, S. 969.

Briefe

aus dem Umfeld des Pustet-Verlags

Deutscher Hausschatz, Titelseite des 5. Jahrgangs (1878/79), in dem Karl May mit Three carde monte und Unter Würgern vertreten war

1879

VENANZ MÜLLER1 AN KARL MAY • 16. August 1879

Postkarte, hs.2

[Regensburg] (16. Aug. 1879)3

Sehr geehrter Herr!

Ich bin mit der Vorbereitung des 1. Heftes des neuen (VI.) Jahrgangs des „Hausschatzes“ beschäftigt und möchte daher gern wissen, ob ich auch recht bald auf einen neuen Beitrag von Ihnen rechnen darf.4 Um eine freundliche Antwort bittend,5 bin ich mit größter Hochachtung / Ihr ergebenster

Venanz Müller,

Redacteur des „D. Hausschatzes“/ in Regensburg […].

VENANZ MÜLLER AN KARL MAY • 8. September 1879

Postkarte, hs.6

Regensburg, 9. September 1879.7

Sehr geehrter Herr!

Da der neue (VI.) Jahrgang des „Hausschatz“ bereits in Angriff genommen ist, ersuche ich Sie um gefällige8 Rückäußerung, ob ich für das 1. Heft (№ 1 – 3 inclus.) noch auf einen Beitrag von Ihnen mit Gewißheit rechnen darf. Unser Postmandat wird Ihnen vor circa 3 Wochen richtig zugekommen sein.

Mit aller Hochachtung / ergebenst

Venanz Müller

VENANZ MÜLLER AN KARL MAY • 14. Oktober 1879

Brief, hs.9

Regensburg, 14. Okt. 1879.

Sehr geehrter Herr!

Ich wünsche Ihnen von Herzen Glück zur Beseitigung Ihres Preß-Martyriums!10 Ich habe keinen Augenblick anders gedacht, als daß irgend ein plötzliches Hinderniß Ihr Schweigen verursachte – ich dachte an Krankheit, und bin wirklich froh, daß dies nicht der Fall gewesen ist.

Ihre Honorarstipulirung11 von 100 M. für „Girl Robber“ und 150 M. für „Der Boer van het Roer“ acceptire ich gern. Sie erhalten also anbei noch fünfzig Mark außer den bereits vorgeschossenen 200 M. Somit ist unsere Rechnung glatt und geordnet.

Ich bitte Sie freundlichst, mir alle Ihre Geistesprodukte nach deren Vollendung sofort senden zu wollen, und ich glaube, daß Sie stets nur Passendes wählen werden, da Sie ja wissen, welch’ streng moralischer Tendenz der „Hausschatz“ huldigt.

Die Auswahl des zu behandelnden Stoffes überlasse ich Ihrem Belieben.

Mit herzlichem Gruß in vollkommener Hochachtung / ergebenst

Venanz Müller

Venanz Müller an Karl May, 14. 10. 1879

1884

VENANZ MÜLLER AN KARL MAY • 5. Juli 1884

Postkarte, hs.12

Regensburg, 5. Juli 1884.

Sehr geehrter Herr!

Ich bin gespanntester Erwartung!

Hochachtungsvoll

Venanz Müller

FRIEDRICH (II) PUSTET13 AN KARL MAY • 13. November 1884

Brief, hs.14

Regensburg. 13. November 1884.

Herrn Dr. Carl May, Redacteur

Wohlgeboren Dresden.

Geehrter Herr!

Ich wäre geneigt von Ihren sämmtlichen bis jetzt im „Hausschatz“ erschienenen Reiseerlebnissen eine

Buch-Ausgabe

zu veranstalten und offerire Ihnen für die erste Auflage in

zweitausend Exemplaren

EintausendMark Honorar sofort baar.

Ihrer gefälligen Rückäußerung mit Vergnügen entgegensehend15 / zeichne / Hochachtungsvoll

Friedrich Pustet.16

Friedrich Pustet an Karl May, 13. 11. 1884

1885

KARL MAY AN REDAKTION UND VERLAG DES ‚DEUTSCHEN HAUSSCHATZES‘ • 19. September 1885

Leserbrief, Druck17

Auf mehrere Anfragen. Herr Dr. Karl May schrieb uns am 19. September 1885: „Der „letzte Ritt“ wird schon darum Ihre Leser höchlichst interessiren, weil diese Begebenheit unter den jetzt aufständischen Balkan-Völkerschaften spielt.18 Bin ich damit zu Ende, dann folgt sofort die versprochene Arbeit über den Mahdi.“19

Unser beliebter „Weltläufer“ befand sich nämlich im Sommer 1884 in Aegypten.20

1886

VENANZ MÜLLER AN KARL MAY • 9. Juni 1886

Brief, hs.21

Regensburg, 9. Juni 1886.

Sehr geehrter Herr!

Gewiß werden Sie zugeben, daß Verleger und Redacteur des „Hausschatzes“ Ihnen so entgegenkommend waren, wie dies schwerlich anderswo noch der Fall sein dürfte; aber gleichwohl haben Sie nicht Wort gehalten und seit Monaten kein Lebenszeichen von sich gegeben. Das Interesse unserer Zeitschrift ist empfindlichst geschädigt; die Leser verlangen ungestüm den Schluß des „letzten Rittes“;22 sie wollen Auskunft haben, warum der Schluß nicht erscheint; sie beschuldigen uns des Schwindels. Wir können nicht länger schweigen und müssen eine öffentliche Erklärung abgeben. In Ihrem und in unserem Interesse ersuche ich Sie dringendst, diese öffentliche Erklärung vermeiden zu wollen – dadurch, daß Sie recht bald den Schluß einsenden, auf den wir ein Recht haben. Sie können ja die Sache so kurz machen, als Sie nur wollen; und wenn es nur wenige Blätter wären! A{be}r eilen Sie zum Schluß! Nur darauf kommt es an. Ich möchte ja so gerne die freundlichen Beziehungen aufrecht halten, und es widerstrebt mir von ganzer Seele, Ihnen Vorwürfe zu machen, da ich selbst früher Schriftsteller war23 und also nachsichtiger gestimmt bin, als Andere, die den Kampf um’s Dasein nicht kennen.

Von den vielen Zuschriften, die eingelaufen sind, lege ich nur eine einzige bei und wiederhole mein Ersuchten [sic] um umgehende Nachricht.

Hochachtungsvoll / ergeben

Venanz Müller

1888

FRIEDRICH PUSTET AN KARL MAY • 23. April 1888

Brief, hs.24

Regensburg. 23. April 1888.

Herrn Dr. Carl May, Redacteur

Dresden, Schnorrstraße 31.

Geehrter Herr!

Im Besitze Ihres Werthen vom 21. d. ist mein Guthaben von 692 Mark auf Ihre Anerkennung hin, Ihrem Conto belastet.

Ich acceptire also die beiden Erzählungen:

„Der Scout“ und

„El Sendador“25

unter der Festsetzung des Honorarbetrages von Ein Mark pro Manuscriptseite und werde je nach Einlauf von Manuscript den dafür entfallende{n} Honorarbetrag per Postanweisung übersenden; damit Sie also rechtzeitig in Besitz gelangen, ist es mir lieber wenn die Manuscriptsendunge{n} schon donnerstags erhalten kann, da von der kostspieligen Zahlungsweise auf telegraphischen Wege für die Folge vollständig Umgang genommen haben möchte.

Von dem Honorarbetrage der eingesanden Manuscriptsendungen werde den Betrag von 50 Mark also in Abzug bringen und Ihrem Conto gutschreiben.

Unsere Sache wäre demnach zu beiderseitiger Zufriedenheit geordnet und sehe mit Vergnügen den betreffenden Einsendungen entgegen.

Hochachtungsvoll

Friedrich Pustet.26

HEINRICH KEITER27 AN KARL MAY • 29. Mai 1888

Brief, hs.28

Münster i/W. 29. Mai 1888

Sehr geehrter Herr,

Mit Bezug auf umstehende Mittheilung bitte ich ganz ergebenst auch der neuen Redaction29 Ihr Wohlwollen gütigst zuzuwenden. Ich bin überzeugt, daß sich auch zwischen uns ein dauerndes und freundliches Verhältniß anbahnen wird. Es wäre mir sehr angenehm, wenn Sie mir gütigst mittheilen wollten, ob Sie vielleicht einen neuen Roman unter der Feder haben.30

Mit vorzüglicher Hochachtung

Heinrich Keiter.

HEINRICH KEITER • Mai 1888

Rundschreiben, Druck31

Münster i/W. im Mai 1888.

Ew. Hochwohlgeboren

wollen mir gütigst die ergebene Mittheilung gestatten, daß ich mit Beginn des nächsten Jahrgangs die Redaction der viel gelesenen katholischen illustrirten Zeitschrift

Deutscher Hausschatz in Wort und Bild

– Verlag von Friedrich Pustet in Regensburg – übernehmen, und zu diesem Zweck nach Regensburg übersiedeln werde.

Wenn die Zeitschrift schon seit ihrem vierzehnjährigen Bestehen sich einer großen Beliebtheit erfreut und in bestem Ansehen steht, so soll es der Verlagsbuchhandlung und mein unausgesetztes Bestreben sein, ihr den guten Ruf nicht allein zu erhalten und zu befestigen, sondern sie auch zu einem Unterhaltungsorgan ersten Ranges zu gestalten und ihr in dem rühmlichen Wettkampf katholischer Zeitschriften eine der hervorragendsten Stellen zu sichern.

Das Ziel zu erreichen ist nur möglich durch die eifrige Mitarbeit unserer katholischen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, deren Gesammtheit schon jetzt eine achtunggebietende Stellung in der Literatur der Gegenwart einnimmt.

Ich wende mich deshalb an Ew. Hochwohlgeboren mit der ergebenen Bitte, uns in unseren Bestrebungen zu unterstützen und uns mit den Erzeugnissen Ihrer schriftstellerischen Thätigkeit zu beehren.

Der deutsche Hausschatz wird der Pflege einer gediegenen Unterhaltungslectüre, vorab der novellistischen, sein Hauptaugenmerk zuwenden, und durch belehrende Aufsätze aus allen Gebieten des Wissens und der Kunst sowie durch eine reichhaltige allwöchentliche Welt-Rundschau seinen Lesern eine reiche Quelle unterhaltender Belehrung eröffnen.

Willkommen ist uns ein jeder Beitrag, sofern sein Inhalt nur für weitere Kreise interessant und die Form eine anziehende ist. Rein fachwissenschaftliche Arbeiten, zu deren Verständniß besondere technische Vorkenntnisse nöthig sind, bleiben somit ausgeschlossen.

Sehr zu wünschen ist es, daß jeder Beitrag – von Romanen und Novellen abgesehen – in sich abgeschlossen sei, so daß er über den entsprechenden Raum einer Nummer nicht hinausgeht; doch kann diese Beschränkung selbstredend zu einer zwingenden nicht gemacht werden.

Ew. Hochwohlgeboren würden Redaction und Verleger zu lebhaftestem Dank verpflichten, wenn Sie mir Ihre Geneigtheit zur Mitarbeit recht bald kundgeben oder mir schon jetzt Beiträge für den zu Anfang Oktober ds. J. beginnenden neuen Jahrgang zugehen lassen wollten.

Die Honorirung wird in gewiß befriedigender Weise nach Schluß eines jeden Quartals oder auf Wunsch nach Annahme bezw. Abdruck des Manuscriptes erfolgen.

Etwaige Sendungen belieben Sie bis zu Anfang August an meine Adresse in Münster i/W., später nach Regensburg zu richten.

Indem ich der sicheren Hoffnung Ausdruck gebe, daß Sie mich recht bald mit einer zusagenden Antwort erfreuen werden, verbleibe ich / mit vorzüglicher Hochachtung

Heinrich Keiter, / Redacteur.

FRIEDRICH PUSTET AN KARL MAY • 17. November 1888

Brief, hs.32

[Regensburg, den] 17.ten November 1888.

Geehrter Herr!

Bis incl. Seite 1980 ist das Manuscript zu Ihrer Reiseerzählung „El Sendador“ nun in meinen Händen. Da nun seit 3 Wochen keine Fortsetzung mehr erfolgte, sehe ich mich veranlaßt, mich um dieselbe bei Ihnen zu erkundigen und bitte um Ihre gefällige Auskunft.

Dem ganzen Gange der Erzählung nach muß sie noch ziemlich umfangreich werden, da viele Knoten noch zu lösen sind und die ganze Anlage eine breite Basis hat. Mit dem Umfange, den ich zuletzt vorgeschlagen[,] kommen Sie unmöglich durch und bleibt mir nichts anderes übrig, als dessen Erweiterung zuzugestehen. – Freilich darf dieselbe nicht gnadenlos sein, sonst ermüdet der Leser selbst an interessanten Schilderungen und die Redaktion müßte Bedenken tragen, den Sendador im Hausschatz erscheinen zu lassen.

Nehmen Sie hierauf bei Herstellung der Fortsetzung Rücksicht.

Es ist nicht unmöglich, daß ich mich bei der sehr getheilten Anschauung der Hausschatzleser über diese Art romantischen Lesestoffes entschließen muß, den Sendador als eine Art Hausschatzsupplement erscheinen zu lassen, dessen Abnahme jedem Abonnenten freigestellt ist. Doch kann ich mich erst entschließen, wenn das Manuscript völlig fertig in meinen Händen sich befindet.

Mit dem Drucke des „Scout“ wird demnächst im Hausschatz begonnen.

Hochachtungsvoll33

VENANZ MÜLLER AN FRIEDRICH PUSTET • 26. November 1888

Brief, hs.34

Regensburg, 26. November 1888.

Hochgeehrter Herr!

Mit Befriedigung konstatire ich, daß Ihr Brief vom 25. Nov. d. Js. den gütlichen Ausgleich verbürgt.35

Damit nun diese Angelegenheit meinerseits mit derselben Discretion abgeschlossen werde, mit welcher ich sie von Anfang an behandelt habe, wird sich am Mittwoch den 28. November d. Js., Vormittags 10 Uhr, der Kassadiener der Herren „Wiener und Boscowitz“36 in Ihrem Kassazimmer einfinden und Ihnen gegen Empfangnahme der Abfindungssumme von 12,000 Mark die von mir eigenhändig geschriebene und unterzeichnete \genau formulirte/ Quittung über die genannte Summe behändigen.

Hochachtungsvoll

Venanz Müller

1889

FRIEDRICH PUSTET AN KARL MAY • 17. März 1889

Brief, hs.37

[Regensburg, den] 17. Maerz 1889.

Herrn Dr. Carl May in Kötzschenbroda-Dresden.

Verehrter Herr!

Ihre gefälligen Mittheilungen vom 14. d. M. nehmen den unangenehmen Zustand eines unfeinen Gedankens an Ihre Person von mir, welchen Ihre plötzliche Unterbrechung der Arbeit, sowie die Nichtbeantwortung meiner schriftlichen und telegrafischen Mahnungen erzeugen mußten.

Nun will ich mich gerne entschließen Ihnen die Abnahme weiterer 1000 (tausend) Seiten Manuscript unter seitherigen Bedingungen zuzusagen, wobei ich mir jedoch die Art der Verwendung vorbehalte.

Es ist wohl möglich, daß die Bedenken, eine so große Erzählung in den „Hausschatz“ aufzunehmen, nicht überwunden werden können und in diesem Falle müßte ich für die Veröffentlichung des „El Sendador[“] die Buchform wählen. Freilich wäre es auch dann meine Absicht die Erzählung den „Hausschatz[“]-Abonnenten durch einen Extra-Preiß aufs billigste zugänglich zu machen.

Ich hoffe und wünsche, Sie möchten die Ausführung des „Sendador“ nun nicht mehr unterbrechen und empfehle mich Ihnen / Hochachtungsvoll

Friedrich Pustet.38

Vom „Hausschatz“ welche Ihre Beiträge enthalten[,] sind nur noch Jahrgang VII. VIII & XIV vorhanden, die früheren V. VI. 〈VI〉IX. XI. sind vergriffen.39

FRIEDRICH PUSTET AN KARL MAY • 29. August 1889

Brief, hs.40

[Regensburg, den] 29. August 1889.

Herrn Dr. Carl May, Redacteur

Koetzschenbroda.

Geehrter Herr!

Auf mein Telegramm vom 2 d. und meinen Brief vom 13 d. bin noch immer ohne Bescheid.

In Bezug auf Verwendung Ihres Romanes „El Sendador“ hätten Ihnen Anträge zu stellen, die für Sie von großem Interesse sein würden. Vor allem muß aber die Arbeit complet und abgeschlossen sein und sehe ich der Restlieferung des Manuscriptes mit Verlangen entgegen.

Werbezettel mit Notizen Karl Mays

Ihrer umgehenden Antwort entgegensehend, verbleibe / Hochachtungsvoll

Friedrich Pustet.41

HEINRICH KEITER AN KARL MAY • 13. November 1889

Brief, hs.42

Regensburg 13/XI. 1889.

Sehr geehrter Herr,

Verzeihen Sie gütigst, wenn ich mich mit einer dringenden Bitte an Sie wende. Von Ihrem Roman fehlen uns immer noch etwa 40 Seiten, die sie uns schon vor Monaten zu liefern versprachen. Sie werden einsehen, sehr geehrter Herr, daß mir als Redacteur des „Deutschen Hausschatzes“ Alles daran liegen muß, den so spannenden Roman vollständig zu haben, damit ich nicht in Verlegenheit gerathe. Es kann Ihnen ja doch unmöglich schwer werden, die paar Seiten zu schreiben, oder Sie müßten durch Unwohlsein verhindert werden. Ich bitte recht herzlich und dringend, mir doch wenigstens Nachricht zukommen zu lassen, bis wann ich auf die Zusendung des fehlenden Theiles rechnen darf.

Mit vorzüglicher Hochachtung / Ihr ergebener

Heinrich Keiter

HEINRICH KEITER AN KARL MAY • 11. Dezember 1889

Brief, hs.43

Regensburg 11/XII. 1889.

Sehr geehrter Herr,

Ihrem Wunsche gemäß sende ich Ihnen anbei die letzten hundert Seiten des „Sendador“ und bitte ganz ergebenst, mir nun recht bald den Schluß des Romans zukommen zu lassen. Sehr würden Sie mich zu Dank verpflichten, wenn Sie die Freundlichkeit haben wollten, der Sendung Ihre Photographie beizulegen.44

Mit den besten Grüßen von Herrn Pustet verbleibe ich

mit vorzüglicher Hochachtung / Ihr ganz ergebener

Heinrich Keiter.

HEINRICH KEITER AN KARL MAY • 18. Dezember 1889

Brief, hs.45

Regensburg 18/XII. 1889.

Euer Hochwohlgeboren,

Sehr geehrter Herr,

Besten Dank für Uebersendung des Restmanuscripts. Leider kann Herr Pustet Ihnen vorläufig den beabsichtigten Antrag nicht machen, da unerwartet eingelaufene Arbeiten seine Druckerei stark in Anspruch nehmen. Also bis später.

Wie steht es mit einem neuen Roman für Mitte 1891? Können wir darauf hoffen? Der Photographie sehen wir gern entgegen.

Mit hochachtungsvollem Gruß

Ihr H. Keiter.

HEINRICH KEITER AN KARL MAY • 31. Dezember 1889

Brief, hs.46

Regensburg 31/XII. 1889.

Sehr geehrter Herr,

Mit Bezug auf Ihre gütige Zuschrift bitte {ic}h ganz ergebenst, mir oder Herrn Pustet das Manuscript umgehend einzusenden.