Brillanter Abgang - Alexander Hoffmann - E-Book

Brillanter Abgang E-Book

Alexander Hoffmann

0,0

Beschreibung

Was tun, wenn man auf seinem Konto plötzlich 200 Millionen Euro vorfindet, die einem nicht gehören? Der insolvente Antiquitätenhändler Hans Bäumler aus Frankfurt am Main traut seinen Augen nicht, als sein Kontostand über Nacht neunstellig geworden ist. Er nutzt die Chance und taucht mit seiner neuen Freundin Tonja, einer feurigen Kroatin, und den 200 Millionen an der Adria unter. Doch dann gibt es ungeahnte Probleme, und sogar die Mafia ist hinter ihm her. Bäumler fällt von einer Überraschung in die andere. Von wegen reich und glücklich …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 238

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Alexander Hoffmann

Brillanter Abgang

Der unglaubliche Coup eines Antiquitätenhändlers

Zum Buch

Plötzlich reich Hans Bäumler, ein seriöser Antiquitätenhändler aus Frankfurt am Main, steht unverschuldet vor der Pleite. Da überweist ihm seine Hausbank aus Versehen 200 Millionen Euro. Tonja, seine neue, feurige Freundin aus Kroatien, überredet ihn, das Geld schnell von seinem Konto verschwinden zu lassen und mit ihr vorerst in ihrem kroatischen Heimatdorf bei Zagreb unterzutauchen. In einer Nacht-und-Nebelaktion verlässt Bäumler Frankfurt. Die gelernte Bankerin Tonja zieht alle Register, um die 200 Millionen nicht nachvollziehbar und gewinnbringend anzulegen. Mit neuem Namen und neuem Gesicht landet Bäumler schließlich in einer großen Villa im noblen Seebad Opatija und führt ein Leben in Saus und Braus. Aber kann er Tonja wirklich vertrauen? Welche Geschäfte tätigt sie weltweit? Und dann die ständige Angst, dass die Bank hinter ihm her ist. Eines Tages meldet sich zu allem Überfluss die Mafia und will ihr Stück vom Kuchen haben. Von wegen reich und glücklich …

Alexander Hoffmann arbeitete lange als politischer Journalist für Qualitätszeitungen wie die »Frankfurter Rundschau« und die »Süddeutsche Zeitung«. Dabei wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. Er wechselte dann als Unternehmensberater in die internationale Wirtschaft und schrieb erfolgreiche Sachbücher zu Themen wie Zeitgeschichte, Wirtschaftsgeschichte und Medizin. Zu den belletristischen Veröffentlichungen zählen ein satirischer Roman, Krimis und Glossensammlungen. Heute ist er auch als Kolumnist und mit längeren Beiträgen für Tageszeitungen und Magazine aktiv. Hoffmann lebt in Wissembourg/Frankreich und Frankfurt am Main.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

     

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Twitter: @GmeinerVerlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2021 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Christine Braun

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

Illustrationen von © Lutz Eberle und © Stephi / stock.adobe.com

ISBN 978-3-8392-6866-7

 

 

1. Kapitel

Frankfurt am Main

Wozu überhaupt aufstehen? Dieser Tag würde noch trostloser werden als der gestrige. Und alles, was er vor sich sah, senkte sich schon jetzt wie eine Grabplatte über ihn. Er vergrub den Kopf noch einmal in sein Kissen, aber dort war kein Ausweg. Hans Bäumler quälte sich vorsichtig, um Tonja nicht zu wecken, aus dem Bett. In seinen mit Nashörnern bedruckten Shorts schlurfte er in die Küche. Wie aus einer anderen Zeit kamen sie ihm vor, die grellgelben Nashörner auf bordeauxrotem Satin, sie erinnerten ihn an die Tage, als alles noch gut gewesen war. Hans stellte den Kaffeeautomaten an, stapfte ins Arbeitszimmer und ließ den Rechner hochfahren. Donnerstag, 8.02 Uhr. Hans schaute auf den leuchtend roten Kreis, den er mit einem Marker auf den Kalender an der Wand gemalt hatte – in einer Woche war Schluss, dann musste er Insolvenz anmelden.

»Spiegel online« erschien als Startseite, doch die News dieser Welt interessierten ihn nicht. Er klickte sich mechanisch zu seinem Account bei der Concom-Bank. Müde scrollte er durch die letzten Kontenbewegungen. Erst gestern waren die 197,33 Euro für die letzte Gasrechnung nicht abgebucht worden, mangels Deckung. So wie manche Abbuchung in den vergangenen Monaten.

Hans loggte sich aus reiner Gewohnheit in das zweite Konto bei der Concom ein, das er noch gemeinsam mit Friedbert Durstewitz hatte. Es erschien in Sekundenschnelle auf dem Bildschirm. Über dieses Konto war so einiges gelaufen. Früher. Nun war schon lange nichts mehr los auf diesem Account, eigentlich führte Hans das Konto nur noch aus einer Art Anhänglichkeit. Sein Blick glitt nach oben, hin zum aktuellsten Posten. Er blinzelte, rieb sich die Augen, er schaute einmal, zweimal, schüttelte den Kopf, kam sich plötzlich wie in einem Wachtraum vor. Er ging in die Küche, goss sich – seine Hände zitterten – einen Kaffee ein und kehrte wie in Trance zurück vor den Bildschirm. Was er dort sah, wirkte wie ein monströser Witz.

Vor genau fünf Minuten hatte ihm die Concom-Bank 200 Millionen gutgeschrieben. Sein Blick flatterte über die elektronischen Ziffern. Keine Frage, irgendwer hatte ihm 200 Millionen überwiesen, genau genommen waren es exakt 200.101.657,22 Euro. Die Ziffern begannen vor seinen Augen zu tanzen. Er scrollte nach unten in der Maske, sah den Absender und las ihn sich laut vor: Phoenix Ltd. Nie gehört.

Er spürte zwei zarte Hände auf seinen Schultern, Tonja war ins Arbeitszimmer gekommen. Sie trug nur sein Oberhemd von gestern, sonst nichts. Sie schien noch halb zu schlafen.

»Musst du dich schon am Morgen quälen? Was soll denn drauf sein auf dem Konto?«, flüsterte sie und küsste ihn am Hals.

»Lies mir doch bitte die Zahl hier ganz oben beim Zahlungseingang vor.«

Sie tauschten die Plätze.

Tonja kniff die grünen Augen zusammen. Lange musterte sie den Bildschirm, murmelte leise vor sich hin. Dann pfiff sie durch die Zähne: »Wahrscheinlich bist du seit heute früh eine mehr als gute Partie.« Tonja sprang auf, warf ihre füllige schwarze Mähne zurück und umarmte Hans. »Wir sind reich. REICH!«

»Aber ich kenne keine Gesellschaft namens Phoenix. Ich muss bei der Concom nachfragen. Am besten persönlich. Gleich wenn die Filiale öffnet, gehe ich rüber«, sagte Hans.

Sie zog ihn am Ohrläppchen wie ein begriffsstutziges Kind. »Bist du verrückt?«

»Zu verrückt, um es zu verstehen.«

»Versteh, was du willst. Es kann nur ein Fehler der Concom-Bank sein. Ich vermute, die haben dir eine Zahlung gutgeschrieben, die für jemand anderen gedacht war. Ein kapitaler Fehler mit einer Riesensumme. Das kommt unter Milliarden Buchungen nur alle paar Jahre mal vor. Ein Zahlendreher, eine falsch eingescannte Ziffer und schon ist es passiert. Fat finger error, ein Wurstfinger-Fehler, heißt das in der Branche.Die Zeitungen sind dann voll davon. Ach, Bäumler.« Wenn Tonja ihm das Leben erklärte, nannte sie ihn gerne mit Nachnamen.

Hans ging wieder in die Küche, ließ einen zweiten Kaffee in seine Tasse tröpfeln, seine Hände zitterten noch immer. Er war froh, ihr nicht in die Augen schauen zu müssen, und rief ihr von der Küche aus zu: »Na, da trifft es sich ja gut, dass du aus dem Bankwesen kommst.« Er schleppte sich zurück ins Arbeitszimmer, umarmte sie von hinten und flüsterte: »Nur dass 200 Millionen etwas zu viel sind für meine Fantasie. Außerdem gehört mir das Geld gar nicht.«

Tonja tippte mit einem Zeigefinger auf den Bildschirm. »Doch, doch. Immerhin steht hier schwarz auf weiß geschrieben, dass du nicht mehr pleite bist.« Sie stand auf und stemmte ihre Hände in die Hüften. »Haben wir die Bank gezwungen, uns das Geld gutzuschreiben? Nein! Wir haben uns nicht aufgedrängt. Sieh es einfach als nettes Angebot.«

Hans brauchte frische Luft und öffnete ein Fenster zur Straße hin. Aber es half nichts. Die Augusthitze war längst auf dem Weg nach oben. Ihm wurde schwindlig.

Tonja trat an ihn heran, ihr warmer Atem strich über seinen Nacken. Sie gurrte: »Lass uns die Millionen als Leihgabe betrachten, als Überbrückung in großer Not. Die kriegen es zurück, irgendwann. Wenn wir was draus gemacht haben. Wir lassen das Geld arbeiten. Selbst wenn die Concom später Zinsen haben will, erzielen wir noch ein kräftiges Plus obendrauf.«

Hans ließ sich auf der Récamiere in seinem Arbeitszimmer nieder, seiner Lieblingsruhestätte. Er war wie gelähmt, nun zitterten auch seine Knie. Er sagte matt: »Das habe ich noch nie erlebt, das geht doch alles gar nicht.«

Tonja ging in die Hocke vor ihm, das Oberhemd klaffte auf und ihre Haut duftete nach Pfirsich. »Versuchen wir es mal ganz rational. Denk an deine fünf besten Freunde.«

»Wozu?«

»Was würden die tun, wenn sie zwei Millionen auf ihrem Konto vorfänden, die ihnen nicht gehören?«

Hans überlegte. »Zurückgeben, wenn auch mit einem gewissen Bedauern.«

»Richtig. Und bei 20 Millionen?«

»Das Bedauern wäre intensiver.«

»Wieder richtig. Und bei 200 Millionen?«

»Da kämen alle fünf ins Grübeln.«

Tonja erwiderte: »Wenn sie Mumm haben, würden sie sagen: ›Jetzt oder nie.‹«

2. Kapitel

Frankfurt am Main

Hans stand vor dem Bankomaten an der Bockenheimer Landstraße, keine 100 Meter von seiner Wohnung in der Myliusstraße entfernt. Eine feine Wohnstraße im feinen Frankfurter Westend. Doch trotz der guten Adresse waren seine Dialoge mit dem Automaten zuletzt ziemlich unfruchtbar gewesen. Vorsichtig tippte Hans eine herzliche Bitte um Auszahlung von 1.000 Euro ein. Es knarzte und schabte, dann hatte das Gerät seinen Wunsch in handliche Scheine verwandelt. Sein Herz entkrampfte. Er ließ die angehaltene Luft aus den Lungen entweichen. Auf seinem Konto war tatsächlich Geld.

Tonja hatte ihn zum Geld holen geschickt. »Auf keinen Fall zur Bank«, hatte sie gesagt. »Wir sollten selbst prüfen, was Sache ist. Außerdem muss ich in Ruhe telefonieren.«

Als er zurückkehrte, telefonierte sie immer noch. Hans wunderte sich, denn dieses Handy hatte er noch nie gesehen.

Sie legte es kurz beiseite und flüsterte: »Ein Prepaid-Handy, habe ich immer dabei, für alle Fälle. Heute ist es so weit, keiner soll meine Nummer zurückverfolgen können.« Tonja hatte sich inzwischen angekleidet, sie trug Jeans und eine Bluse. Es stand ihr gut, wie alles, was sie anzog.

Sie hatten sich erst im Frühling – es war kaum vier Monate her – in einer Sachsenhäuser Apfelweinkneipe kennengelernt. Bei Hans hatte es sofort gefunkt, bei Tonja beim dritten Treffen. Kurz darauf begann sie, Höschen um Höschen bei ihm einzuziehen. Es ging rasch mit ihren wenigen Habseligkeiten. Eine wilde Zeit, zu der auch Durstewitz gehörte. Zumindest bis der sich mit den vier Millionen vom gemeinsamen Konto aus dem Staub gemacht hatte.

Hans riss sich aus den gedanklichen Abschweifungen und fixierte Tonja. Sie führte ein wohl wütendes Gespräch auf Kroatisch. Hans stand stumm in der Ecke des Arbeitszimmers, er verstand kein Wort. Eine seltsame Sprache. Tonja verfiel jäh in einen anschwellenden Singsang sirrender Vokale, dann kam ein Sturzbach ratternder Konsonanten – mršav, brzo, krk, trg. Hans kam es vor, als ob sie mit einem Maschinengewehr auf Kokosnüsse schoss.

Tonja hatte sich die Haare zu einem Zopf gebunden, die Haut über ihren hohen Wangenknochen glühte. Sie war konzentriert, wovon tiefe Querfalten über den hochgezogenen Brauen zeugten. Vor ihr auf dem Bildschirm die magischen 200 Millionen. Das Maschinengewehr schoss weiter, und Hans schweifte erneut ab.

Was sie wohl fand an ihm, diesem Verlierer? Er sah noch ziemlich gut aus mit seinen 40 Jahren, aber außer der Hülle hatte er im Moment – ein Moment, der sich hinziehen konnte – nichts zu bieten. Sie war bei ihm geblieben, als er ihr das Ausmaß der Katastrophe unterbreitet hatte. »Was hat das mit uns zu tun?«, hatte sie gemeint und dass vier Millionen Verlust sowieso derart unfassbar sei, dass sie sich lieber an ihm festhalte.

Endlich legte Tonja auf. Hans winkte mit den Banknoten, ihre Augen funkelten.

»Na also, wir sind wieder flüssig.«

»Mit wem hast du gesprochen? Das klang nach einem Streit.«

Tonja lachte. »Ach was, so reden wir immer. Das war Drago, ein ehemaliger Kommilitone. Arbeitet bei der Zagorska Banka in Zagreb. Praktischerweise genau dort, wo wir ihn brauchen.«

»Für was brauchen wir einen Banker in Zagreb?«

»Bäumler, wir können doch nicht zu deiner Concom gehen und deinen Kundenberater höflich bitten, uns 200 Millionen in einen Überseekoffer zu füllen.«

»Erstens«, wandte Hans ein, »entscheide ich, und ich habe noch nichts entschieden, zweitens ist es mein Geld.«

»Dein Geld – haha.«

»Zumindest eine Zahl, die viel zu lang ist, um nur kurz drüber nachzudenken.«

Tonja wedelte mit den Händen. »Egal wie viel, es muss runter von deinem Konto, und zwar jetzt. Ich transferiere es nach Zagreb, dann sehen wir weiter. Drago wird uns dabei helfen.«

»Können wir das nicht in Ruhe diskutieren?«

»Nein, jeden Augenblick kann die Concom ihren Irrtum bemerken und das Konto blockieren. Es geht um jede Minute.«

Hans hasste spontane Entscheidungen, in seinem Kopf brodelte es immer noch, ihm war übel. Zaghaft meinte er: »Hierbleiben können wir dann wahrscheinlich auch nicht?«

Sie schüttelte den Kopf. »Du nicht. Du musst erst mal weg aus Deutschland, dorthin, wo dich niemand findet. Aber ich fahre mit, ist das nichts?« Sie strahlte ihn an.

Hilflos breitete er die Arme aus. »Ich bin in Frankfurt geboren, ich habe hier mein Geschäft, die schöne Wohnung, meine Freunde, ich mag das alles hier.«

Tonja schnaubte: »Ein Deutscher! Immer auf Nummer sicher gehen. Schon bei der Abiturfeier planen, wo man die Rente verzehrt. Meinetwegen, dann mache es dir gemütlich in deinem Leben als Pleitier. Dein Geschäft wird sich die Bank greifen, und auch die Wohnung ist bald weg. Wann hast du denn das letzte Mal Miete gezahlt?«

Hans sackte in sich zusammen und bettete sich auf die Récamiere. Mit der Miete war er drei Monate im Rückstand, nach einer Insolvenz erwarteten ihn lange, graue Jahre. Über ihm schwebte erneut die Grabplatte. Ohnmächtige Wut auf Durstewitz kam hoch, mit dem er so lange so gut kooperiert hatte, auch dann noch, als die Geschäfte schwieriger wurden. Hans war für das Schöne zuständig gewesen und Durstewitz für die Finanzen. Der Vier-Millionen-Deal sollte ihr Befreiungsschlag werden. Doch befreit hatte sich nur Durstewitz. In Hans’ Innerem hallte plötzlich eine Melodie: »Jetzt oder nie«.

Er richtete sich auf und lockerte demonstrativ seine Armmuskeln. »Na dann, leg los! Mach, was gut für dich ist. Das wird auch gut für mich sein.«

Tonja umarmte ihn. »Ich wusste es. Du bist der, den ich meinen Helden nennen will! Und bitte her mit deinem Smartphone.«

Mit ihrem Handy rief sie erneut Drago an und machte sich Notizen. Anschließend nahm sie das Smartphone und loggte sich in das Konto von Hans ein.

Der streichelte sein Lieblingsmöbel und überließ seine Gedanken dem Leerlauf.

Nach wenigen Minuten klatschte Tonja in die Hände. »Es ist vollbracht.«

Hans flüsterte: »Will heißen, von meinem Konto verschwunden?«

»Sagen wir so, ich habe dem Geld den Befehl gegeben, über die Alpen Richtung Südosten zu fliegen. Bis morgen früh sollten wir die Luft anhalten.«

3. Kapitel

Frankfurt am Main

Früh um 9 Uhr war der Held in einem Kaufhaus an der Hauptwache gewesen. Auf Geheiß von Tonja hatte Hans auch für sich ein Prepaid-Handy gekauft. Sein schönes Smartphone hatte Tonja zertreten und der Mülltonne überantwortet. »Ab jetzt müssen wir schnell und gleichzeitig extrem vorsichtig sein«, hatte sie gesagt.

Ihr Tempo machte ihm Angst. Vor der Alten Oper hielt er kurz inne und spürte seinen beschleunigten Herzschlag, den er sofort mit dem Hitzetag kurzschloss, der angekündigt worden war. Er atmete tief ein. Es soll ja Frauen geben, die an einen bad guy gerieten. Er schien eindeutig einer bad woman verfallen zu sein.

Er ging die Bockenheimer Landstraße zurück Richtung Wohnung, musterte die Passanten und fragte sich, ob man ihm den Betrüger schon ansah. Seine heiß laufende Fantasie hielt Ausschau nach Männern in schwarzen Ledermänteln, die hinter ihm her waren.

Zuhause aktivierte Tonja seine neue SIM-Karte. Sie saß wieder vor dem Rechner, das Display seines Kontos hatte die Überweisungsaufträge vermerkt. Den 200 Millionen fehlten drei Nullen. Ein Anruf bei Drago. Sie lauschte kurz und beendete das Gespräch. Hans wagte nicht zu atmen. In ihren grünen Augen leuchtete der Triumph auf. »Es hat funktioniert. Das Geld ist bei der Zagorska Banka.«

Zögerlich fragte Hans: »Und bei der Zagorska heben wir das dann alles wieder ab?«

Sie schürzte die Lippen. »Schatz, so einfach geht das nicht, auch dort sollten sich die Millionen nur für sehr kurze Zeit aufhalten. Der Concom wird schon bald dämmern, dass ihr 200 Millionen fehlen.«

»Wozu dann das Ganze?«

Tonja nahm Hans bei der Hand und führte ihn in die Küche. Bei einem frischen Cappuccino sagte sie: »Exakt aus diesem Grund habe ich Drago aktiviert. Der sorgt in diesen Minuten dafür, dass die Millionen bei der Zagorska sofort verschwinden und in einem sicheren Hafen landen.«

»Darf der das so einfach?«

Sie antwortete fröhlich: »Drago tut gerne Dinge, die er nicht darf.«

»Das kommt doch raus, das wird ihn bei der Zagorska Banka den Kopf kosten. Macht der das alles aus reiner Freundschaft?«

Sie lächelte schief. »Drago macht nichts aus reiner Freundschaft. Er kriegt für seine Dienste fünf Millionen von uns. Erst wollte er zehn, aber ich habe ihn runtergehandelt. Auch mit fünf Millionen kann er sich leichten Herzens von der Zagorska Banka trennen.« Tonja sprang wieder auf, ihren Cappuccino hatte sie kaum angerührt. »Ich erklär dir das alles in Ruhe – später. Machen wir erst mal, dass wir wegkommen.«

Hans protestierte: »Aber ich kann Frankfurt nicht von jetzt auf gleich verlassen!«

Spott tanzte in Tonjas Augen. »Warum nicht? Willst du der Concom-Bank noch eine Nachsendeadresse vorbeibringen?«

Hans gab sich geschlagen. »Natürlich nicht. Aber irgendwie brauche ich ein gutes Gefühl bei der Sache.«

»Gefühle kriegst du von mir. Wir fahren um Mitternacht und wir fahren durch. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

4. Kapitel

Frankfurt am Main

Wie liquidiert man 40 Jahre an einem Tag, von dem kaum noch zwei Stunden übrig sind? Hans stand vor seiner Jugendstilgarderobe (Mahagoni, hochrechteckiger Spiegel, gebogter Unterbau mit vier Ablagen, auf der Frontseite Blütenstaude in feiner Reliefschnitzerei, deutsch, um 1910) und nahm Abschied. Zwei Stunden, dann wären sie unterwegs. Wohin und für wie lange? Wehmütig glitt sein Blick über das dunkel glänzende Holz. Ein schönes Stück, hätte im Verkauf einen ordentlichen Preis gebracht. Aber eigentlich war für ihn jeder Verkauf ein Verlust gewesen, er hätte am liebsten alles behalten. Nun würde die Garderobe zurückbleiben und die vielen anderen Stücke auch.

Er prüfte sich im Spiegel. Volles blondes Haupthaar, graublaue Augen, feine Gesichtszüge, mittelgroße, schlanke Gestalt. Sah so ein Dieb aus? Ein Dieb, der heute untertauchen würde wie der unselige Durste­witz? Hans wendete sich ab von seinem Spiegelbild, nahm die 20 Schritte entfernte Wohnungstür ins Visier und versuchte, Gefühle und Wahrnehmung auszuschalten. Er stieg die Treppe hinab zur Straße, wo sein bauchiger Jaguar parkte. 40 Jahre und vier Kanister Benzin mussten im Wagen Platz finden. »Alle Spuren verwischen, an keiner Tankstelle halten«, hatte ihm Tonja eingebläut.

Den Inhalt des stationären Rechners hatte er auf sein Notebook übertragen. Immerhin etwas, das ihm blieb. Den Rechner würden sie irgendwo in Kroatien entsorgen, auch das hatte Tonja verfügt, wieder wegen der Spuren. In zwei Koffer hatte sie ihm eine karge Auswahl seiner Kleidung gepackt, während er drei Taschen für die Fotoalben, Briefe und seine Tagebücher aus den Stauräumen der Wohnung zerrte. Nicht zu vergessen das Silberbesteck mit Monogramm (1943, deutsch, kriegsbedingt nur versilbert), das ihm seine Großmutter hinterlassen hatte. Mit einem Bademantelgürtel hatte er die sechsbändige Erstausgabe von »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« fluchtfertig verschnürt. 5.700 Seiten Proust – bislang war er nie über die ersten 100 Seiten hinausgekommen.

Er stopfte die Taschen und die verlorene Zeit in den Fußraum hinter den Vordersitzen. Draußen war es längst dunkel, aber die Laternen der Myliusstraße ließen die weiße Gründerzeitvilla, in der er lebte – gelebt hatte –, leuchten. Die Fassade mit ihren hohen Fenstern und den pausbäckigen Putten war erst kürzlich renoviert worden, ebenso das Belvederchen oben auf dem Dach. Er sah das Licht in seiner Wohnung. 160 Quadratmeter Beletage, fünf Zimmer. Sein Zuhause seit über zehn Jahren. Er bemerkte Tonja, die wie ein dunkler Geist durch die Räume huschte.

Zurück in der Wohnung, ergriff er die Biedermeier-Reisebar (England, um 1830, nussbaumfurnierter Korpus, abgerundeter Klappdeckel, auf der Innenseite mit Halterung für zwei Gläser, sechs original Klarglasflaschen mit Goldstaffage). Die musste unbedingt mit. Im Wohnzimmer mit den hohen Decken und dem echten Stuck, seinem Salon, wie er gerne sagte, fiel sein Blick auf den mächtigen Frankfurter Schrank (um 1730 gefertigt, soll einst bei Goethes im Treppenhaus am Großen Hirschgraben gestanden haben). Der passte in keinen Jaguar, der würde zurückbleiben wie alles andere, was sich in den vier Jahrzehnten angesammelt hatte. Warum zum Teufel war er nicht Diamantenhändler geworden?

In seine füllige Aktentasche stopfte er Ausweise und Zeugnisse. Kurz blieb sein Blick auf dem Abiturzeugnis haften. Auf den Einsern in Deutsch, Geschichte und Kunst, auf den Vierern in Mathematik und Physik. Grässliche Fächer. »Die Dokumente könnten noch nützlich sein«, hatte Tonja betont. Sie selbst hatte nur ihren kleinen Rollkoffer gepackt, so schnell, wie sie ihn vor Wochen ausgepackt hatte. Als sie wie ein fremder, betörender Schmetterling in seinem Leben gelandet war.

Hans ließ sich in der Küche auf einen Stuhl sinken, wollte die letzten Minuten ausdehnen, auskosten wie das Bukett eines alten Weins. Wer auch immer hier einzog, er würde seine Freude haben an der Designer-Küche mit ihrem Spezialkühlschrank für die teuren Italiener. Ob sich die Herren von der Concom an den Super-Toskanern, dem Sassicaia und Tignanello, gütlich tun würden?

Tonja kam in die Küche und bemerkte seinen Blick. »Schatz, das alles und noch viel mehr können wir uns neu kaufen. Jetzt musst du loslassen.«

»Ich bin ein Behalter, kein Loslasser«, murmelte Hans.

Er litt. Den alten Globus aus der Schulzeit durfte er nicht mitnehmen, auch nicht den signierten Fußball von der Meisterschaft und schon gar nicht die Märklin-Eisenbahn mit den Weichen, die man noch von Hand stellte. Gab es vielleicht in seinem Geschäft etwas Jaguar-Taugliches? Kurz dachte er an den kleinen Laden in der Altstadt, im Schatten des Kaiserdoms. Eine seit 15 Jahren gut eingeführte Adresse. Nein, das alles dort war zu groß zum Mitnehmen. Sollte sich doch die Concom seine letzten Schätze greifen.

Tonja kochte Kaffee, den sie in eine Thermoskanne abfüllte. Die kam in eine Einkaufstasche, ebenso ein paar Flaschen Mineralwasser und belegte Brötchen. Sie fasste ihn an den Schultern. »Und bitte, bitte, keinen Kontakt zu niemandem – niemand darf wissen, dass wir verschwinden und wohin. Auch deine engsten Freunde nicht. Gut, dass du mir die noch gar nicht vorgestellt hast, so gibt es wenigstens keine Verbindung.«

Hans nickte. Woher sollte sie auch wissen, dass er zwar etliche Bekannte hatte, aber keine Freunde, echte Freunde? »Und wie machst du hier Schluss?« Sie hatte ihm nur erzählt, dass sie in einer Anwaltskanzlei im Nordend arbeitete und dies weit unterhalb ihrer Qualifikation.

Sie schnippte mit den Fingern. »Ich mache es wie dein Durstewitz – ich bin einfach mal weg. Ohne Lebewohl und Auf Wiedersehen. Erst recht nicht dem Chef gegenüber. Der ist sowieso weniger an meiner Buchhaltung als am Inhalt meiner Bluse interessiert.«

»Werden die dich vermissen?«

»Will ich doch hoffen, aber so wichtig bin ich da nicht. Nach ein paar Wochen haben sie mich wahrscheinlich vergessen.«

Wieder einmal fiel Hans auf, wie wenig er über Tonja wusste. Er hatte keine Ahnung, wann und warum sie nach Deutschland gekommen war und was sie zuvor in ihrer Heimat getrieben hatte. Sie hatte immer abgeblockt, wenn er darauf zu sprechen kam.

Er stand auf, bereit zu einem letzten Rundgang. Er klapperte ein Zimmer nach dem anderen ab, hielt eine letzte Zwiesprache mit dem modernen Ensemble von Memphis, dann mit dem eleganten Treca-Bett im Schlafzimmer mitsamt diverser Erinnerungen, auch aus der Vor-Tonja-Zeit. Im Designerbad nahm er sich die Manschettenknöpfe aus Platin, an denen sein Herz hing. Er schnüffelte dem kalten Rauch im Kamin des Wohnzimmers nach, ein finaler Blick streichelte das handgewachste Parkett. Wer würde hier einziehen, was würde derjenige mit seinen Möbeln machen? Müßige Fragen. In einer letzten, heftigen Geste schnappte er sich die Gallé-Vase (»Teichrosen«, Nancy um 1904, signiert), wickelte sie in ein T-Shirt und quetschte sie zu den Dokumenten in der Aktentasche, die sich mittlerweile aufblähte wie ein Hebammenköfferchen.

»Fertig?« Tonja stand bereits in der Eingangstür, sie trug über Jeans und T-Shirt einen roten Leinenblazer.

Hans hatte für den Abgang eine feine Hose, ein graues Seidenjackett im Knitterlook und handgefertigte Schuhe gewählt. Wenn er sich schon ins Unbekannte stürzte, dann mit einem Minimum an Stil.

Es war dunkel geworden, aber immer noch drückend heiß.

Hans warf den Bund mit den Hausschlüsseln in den Briefkasten des Hausmeisters.

Tonja grinste. »Vorbildlich! Hast du dich auch brav vom Finanzamt verabschiedet?«

»Lach du nur. Was wird aus meiner Rente? Ich hab jahrelang freiwillig eingezahlt beim Staat, bringt später sicher einige Hundert Euro.«

»Pah! Fang endlich an, groß zu denken!«

»Im Moment denke ich kleiner als klein, zum Beispiel an die Miete.« Ein letztes Mal sah Hans die nachtstille Myliusstraße hinauf und hinunter, dann startete er den Jaguar. Er sagte zu Tonja: »Nur damit du es weißt – meine Vermieterin ist eine alte Dame, die von den Mieten lebt. Sie war immer fair zu mir. Die kriegt als Erste ihr Geld überwiesen, von Zagreb aus oder von wo auch immer.«

Tonja legte ihm besänftigend eine Hand aufs Knie. »Keine Sorge, es wird alles gut.«

5. Kapitel

Auf der Fahrt

Bald waren sie auf der Autobahn, der Wagen schnurrte Richtung Osten. Im Rückspiegel sah Hans die funkelnde Frankfurter Skyline hinter dem Horizont verschwinden. Er fuhr in die Schwärze hinein. Der Osten hatte schon immer etwas Bedrohliches für ihn. Das Gefühl hielt sich, als sie Nürnberg passierten, und es wurde stärker, als sie hinter Passau Österreich erreichten.

Würde er Deutschland je wiedersehen?

Wo fuhren sie überhaupt hin? Tonja hatte ihn gebeten, das Navigationsgerät wegzuwerfen, und wortkarg die grobe Richtung vorgegeben: Nürnberg, Passau, Salzburg, Villach, Karawankentunnel. Kurz vor dem Tunnel sollte er irgendwo anhalten und sie aufwecken.

Als Hans nun an der Grenze zu Slowenien kurz vor dem Karawankentunnel einen Parkplatz sah, fuhr er von der Autobahn ab. Tonja wachte von alleine auf und griff zu ihrem Handy. Während sie telefonierte, leerte Hans zwei Kanister Benzin in den Tank des Jaguars. Das betagte Stück hatte bisher nicht schlapp gemacht, sondern treu seine Dienste geleistet.

Tonja stieg aus und sagte: »Wir fahren nach Guguljak. Das ist mein Heimatdorf, 50 Kilometer südlich von Zagreb. Ich habe Tihomir, meinen Vater, angerufen, er erwartet uns.« Sie packte die Brötchen aus und servierte Kaffee aus der Thermoskanne.

Sie waren allein auf dem Parkplatz. Hans sog die Nachtkühle ein. Über ihnen ein halber Mond, den immer wieder Wolkenbüschel verdeckten.

Tonja hob ihren Kaffeebecher. »Einen Toast auf Durstewitz!«

»Wie bitte?«

Tonja biss in ein Schinkenbrötchen und meinte: »Wir haben ein Riesenglück gehabt. Ohne dieses Konto, das du mit ihm gemeinsam hast, hätte die Sache nie geklappt.«

»Ich verstehe kein Wort.«

»Es ist gar nicht so einfach, online schnell mal ein paar Hundert Millionen zu überweisen – das gibt es nur im Fernsehen. Heute arbeiten die Banken mit einem Online-Limit. Die meisten Kunden dürfen pro Tag maximal 5.000 überweisen. Firmen natürlich mehr, je nach Umsatz.«

Hans begann es zu dämmern. »Durstewitz hatte das Konto schon, als wir zusammenkamen und uns gegenseitig Vollmachten für alle Konten erteilten. Er hat darüber früher einen Teil seiner Geschäfte abgewickelt. Export/Import im großen Stil. Daneben hat er ein bisschen spekuliert, klang alles sehr kompliziert, mit Derivaten und Optionen, mit Long and Short. Das war nicht unbedingt meine Welt.«

Tonja nickte. »Und es lief offenbar lange recht gut für deinen Durstewitz, mit unglaublich hohen Umsätzen, da flipperten die Millionen nur so hin und her. Genau das konnte ich jetzt ausnutzen, ohne auf den ersten Blick aufzufallen. Wir waren ja kräftig im Plus, der Concom-Computer sah keinen Anlass, Alarm zu schlagen.«

Auch Hans nahm sich ein Brötchen. »Wenn ich mich recht erinnere, sind noch 200.000 auf dem Konto. Warum?«

Tonja machte eine generöse Geste. »Ich hätte es peinlich gefunden, alles bis auf den letzten Cent abzuräumen.«

Das gefiel Hans. »Ja, das hat Stil.«

Tonja fuhr fort: »Ich habe die knapp 200 Millionen in drei Tranchen unterteilt, jede mit einer schön unrunden Summe. So wollte es auch Drago.«

»Wofür ist der eigentlich bei der Zagorska Banka zuständig?«

»Für den Zahlungsverkehr mit dem Ausland. Es hat alles gepasst.« Sie lachte.

»Darf ich teilhaben?«

»Ich stelle mir gerade Durstewitz vor, sollte er durch irgendein Wunder davon erfahren, was sich auf seinem alten Konto getan hat. Der würde glotzen wie ein bosnischer Ochse. Was meinst du, wo er sich aufhält?«

Hans dachte kurz nach. »Keine Ahnung, hängt von seiner Kassenlage ab. Entweder logiert er in einem Fünf-Sterne-Hotel in Paris oder er schlürft Muckefuck in einem Männerwohnheim in Offenbach.«

Ach, Durstewitz, der Charmante, der Umtriebige. Fünf Jahre hatten sie zusammengearbeitet, Durstewitz hatte viele Kunden beigebracht und die Finanzen im Antiquitätengeschäft geregelt. Das Trüffelschwein hatte auch den prächtigen Nachlass auf einem Schloss in Oberhessen ausfindig gemacht. Einzigartige Renaissancemöbel, ein paar Schwergewichte aus dem Barock, dazu einige erlesene Stücke von David Roentgen und eine hübsche Sammlung Aquarelle von Picasso. Für manche dieser Objekte hatte Hans schon Interessenten gehabt, es wäre der Coup schlechthin gewesen. Die Concom-Bank hatte den Kauf des ganzen Nachlasses vorfinanziert, und nun wollte sie ihr Geld zurück. Von ihm, der so treuherzig gewesen war, Friedbert Durste­witz blind zu vertrauen. Friedbert, das klang anheimelnd, fast ein wenig doof. Aber im Gegenteil: Der Gute war alles andere als das.

Tonja drängte zum Aufbruch. Sie übernahm das Steuer, wofür Hans dankbar war, der Tag hatte ihn erschöpft. Er machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem. Tonja fuhr schnell und sicher. Er musterte sie von der Seite, ihr volles Haar, ihre schimmernden Wangen, die Schenkel, die sich unter den eng sitzenden Jeans abzeichneten. Er war süchtig nach ihr, da war nichts zu machen.