Bully Bond und die flotte Lotte - Nadja Roth - E-Book

Bully Bond und die flotte Lotte E-Book

Nadja Roth

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Spürnase wider Willen: Bulldogge Bully ermittelt in seinem ersten Fall Als Bully Bond von einem auf den anderen Tag sein Herrchen durch einen tragischen Treppensturz verliert, ist nichts mehr wie es war. Immerhin nimmt sich die freundliche Lotte der englischen Bulldogge an. Schließlich geschah der Unfall in ihrem Haus. Und Bully ist sich sicher: Sein Herrchen ist nicht zufällig übers Treppengeländer gestürzt. Bully nimmt die Spur auf und vermutet den Mörder direkt in Lottes Umfeld. Doch Menschen sind schwer zu durchblicken für ein müdes Hundehirn und für kurze dicke Hundebeine ist so eine Ermittlung nicht leicht zu stemmen. Zum Glück bekommt er bald Unterstützung und gemeinsam mit der hochnäsigen Siamkatze Frau Yoko und Papagei Chris kommt Bully Bond der Lösung immer näher…

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Bully Bond und die flotte Lotte

Die Autorin

Nadja Roth, 1972 in Nordrhein-Westfalen geboren, begleitet die Liebe zu Büchern schon seit ihrer Kindheit. Bereits als junges Mädchen dachte sie sich gerne spannende Abenteuer aus, die sie ihren jüngeren Geschwistern vor dem Einschlafen erzählte. Die gelernte Hörgeräteakustikerin arbeitete einige Jahre in ihrem Beruf, bis ihre beiden Töchter zur Welt kamen und ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellten. Im Jahr 2013 nahm die Idee, Bücher zu schreiben, immer mehr Formen an. Einmal begonnen, existieren mittlerweile mehrere Krimis aus ihrer Feder und es ist kein Ende in Sicht.

Das Buch

Als Bully Bond von einem auf den anderen Tag sein Herrchen durch einen tragischen Treppensturz verliert, ist nichts mehr wie es war. Immerhin nimmt sich die freundliche Lotte der englischen Bulldogge an. Schließlich geschah der Unfall in ihrem Haus. Und Bully ist sich sicher: Sein Herrchen ist nicht zufällig übers Treppengeländer gestürzt. Bully nimmt die Spur auf und vermutet den Mörder direkt in Lottes Umfeld. Doch Menschen sind schwer zu durchblicken für ein müdes Hundehirn und für kurze dicke Hundebeine ist so eine Ermittlung nicht leicht zu stemmen. Zum Glück bekommt er bald Unterstützung und gemeinsam mit der hochnäsigen Siamkatze Frau Yoko und Papagei Chris kommt Bully Bond der Lösung immer näher…

Von Nadja Roth sind bei Midnight erschienen:Mörderisches SchweigenBully Bond und die flotte Lotte

Nadja Roth

Bully Bond und die flotte Lotte

Ein Hundekrimi

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinOktober 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95819-251-5

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Mopsball

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Für Faris und Furby

Kapitel 1

Leichtfüßig folge ich meinem Zweibeiner, nicht ohne alle zwei Meter mein Bein zu heben, damit alle anderen Hunde wissen, dass ich, Bully Bond, persönlich hier entlanggegangen bin.

Dabei achte ich auf die Ausführung jedes meiner Schritte. Zugegeben, es braucht ein hohes Maß an Konzentration, als englische Bulldogge mit dieser Körpermasse eine gewisse Anmut an den Tag zu legen, aber ich übe.

Königspudeldame Victoria hatte mir unlängst zu verstehen gegeben, dass ich zu plump und grobschlächtig für sie sei. Seitdem arbeite ich konsequent an mir. Wäre doch gelacht, wenn ich es nicht schaffen würde, sie von der Vielzahl meiner Qualitäten zu überzeugen.

Kraft und Muskeln kann jeder, denke ich mir und hoffe, dass ich durch stetes Verbessern meiner Anmut schon bald bei ihr landen werde.

Jetzt allerdings spüre ich, wie mir nach der kurzen Strecke vom Auto bis hierher vor Anstrengung die Luft ausgeht und meine Grazie ebenfalls das Weite sucht.

Da mein Kopf schon hängt, nutze ich die Position, um das letzte Stück wenigstens ein paar aktuelle Informationen aus den Hinterlassenschaften meiner Artgenossen zu lesen. Die meisten Vierbeiner aus Speyer sind mir bekannt. Nicht jeder persönlich, doch durch unsere Art der Kommunikation weiß ich in der Regel, wer sich in meinem Revier bewegt.

So rieche ich jetzt zum Beispiel, dass diesen Weg vor kurzer Zeit zwei Windhunde benutzten, die Skinny-Twins. Ich mag sie nicht, schlüpfrig winden sie sich wortgewandt, ohne je eine genaue Aussage zu treffen. Ihrem verwässerten Geruch nach zwei Idioten. Charakterlos. Ich mag es direkt und kann mit ihren Hinterlassenschaften wenig bis gar nichts anfangen. Inhaltlos und nichtssagend.

Dann ist da noch eine andere Spur. Ich wittere ihn schon, seit ich aus dem Auto gestiegen bin, habe aber gehofft, sie würden in die andere Richtung laufen. Carlos.

»Hey, Bully, Bully, hier!«, höre ich eine unangenehm hohe Stimme.

Ausgerechnet Carlos´ Herrchen hat den ganzen Tag nichts anderes zu tun als mit seinem ewig quasselnden Hund durch Speyers Straßen zu laufen. Nicht zum ersten Mal frage ich mich verärgert, warum es immer die kleinen Nervigen sein müssen, die einem ständig über den Weg laufen.

In der Regel freue ich mich über persönliche Begegnungen, doch die regelmäßigen Botschaften, die wir uns auf den Bürgersteigen, Graslandschaften und Vorgärten der Menschen hinterlassen, stellen ein enges Nachrichtennetzwerk dar, von dem die Menschen nicht einmal ansatzweise eine Ahnung haben. Das ist nicht zu unterschätzen.

»Bist du taub? Bully, hallo!«

Ich verstärke den Druck meiner Schnauze auf den Boden und versuche das unangenehme Geplärre zu ignorieren.

»Ah, sieh mal, Bully«, sagt mein Zweibeiner zu mir. »Das ist doch der Carlos, den wir nicht mögen. Zum Glück habe ich gleich den Termin und keine Zeit für Small Talk.«

Ich schiele hoch zu Timo, meinem Herrchen, und kann ihm nur zustimmen.

Es ist nicht so, dass ich eingebildet oder arrogant wäre, aber ich habe es in dieser Stadt mittlerweile zu einem gewissen Ansehen gebracht.

Mit so kleinen Wadenbeißern unterhalte ich mich nur, wenn es nicht anders geht, denn ich kann es mir leisten, wählerisch zu sein, schließlich ranken sich um meine Person Mythen und Geschichten, die ich gerne am Leben halte.

»Hey, Bully, sieh mal, was ich kann«, ruft Carlos jetzt aufgeregt.

Ich wage einen unauffälligen Blick und sehe, wie dieses winzige Etwas sich auf die Vorderpfoten stemmt und die Hinterläufe in die Luft streckt.

»Ich mache Pipi«, freut er sich lauthals.

Angewidert hebe ich ebenfalls mein Bein und warne so jeden, der als Nächstes hier vorbeikommt, vor Carlos und seinen lächerlichen Tricks.

Carlos, der zappeligste und nervtötendste Pinscher, den Speyer derzeit zu bieten hat, besitzt zudem ein unterentwickeltes Riechorgan. Er bemerkt mich in der Regel erst, wenn ich direkt hinter ihm stehe und ihn mit einem Biss in meinem Maul verschwinden lassen könnte.

Ich hingegen bin in der Lage, jeden Geruch zu lesen und zu verfolgen, auch wenn die Spur mehrere Tage alt ist, wodurch ich einen gewissen Ruf unter den Speyrer Hunden genieße.

Da ich Carlos immer noch erfolgreich ignoriere, ändert er seine Taktik und ruft: »Hey, Bully, du schwankendes Walross, wohin geht´s?«

Und es funktioniert.

Walross? Betont gelassen bleibe ich stehen und drehe mich betont langsam nach der halben Portion um.

Normalerweise hätte ich Carlos weiter ignoriert, doch er hat mich an einer empfindlichen Stelle erwischt. »Walross? Stimmt was nicht mit deinen Augen, du Knirps?«

Der Pinscher hüpft aufgeregt neben seinem Herrchen, das gerade eine Zigarette raucht, herum.

»Endlich, ich dachte schon, du wirst senil. Und ein Walross erkenne ich, egal wie weit entfernt.«

Pinscher sind nur dann mutig, wenn sie sich auf der anderen Straßenseite in Sicherheit befinden, weshalb ich ihn daran erinnere, denn er vergisst das dauernd.

»Pass auf, was du sagst, Zwerg«, knurre ich. »Wir sehen uns morgen auf der Hundewiese. Dann wiederholst du das Walross einfach noch mal, während du mir als Nachspeise dienst. Für den hohlen Zahn reicht es allemal.«

Zufrieden beobachte ich die Reaktion des Pinschers, der sich zitternd hinter dem Bein seines Herrchens versteckt.

Seine Stimme ist eine Oktave höher, als er versucht, seine Worte ungeschehen zu machen. Diese Artgenossen haben einen sehr kleinen Kopf, in den nichts hineingeht. Sie können nichts dafür.

»Hey, Bully alter Freund. Ich weiß, du hast Humor. Wir verstehen uns, war nicht so gemeint. Vergiss, was ich gesagt habe …«

Das alberne Betteln um Gnade folgt mir auf den letzten Schritten, bis zu dem Haus, in dem mein Herrchen einen Termin hat.

Ich darf nicht immer mit, weshalb ich mich freue, dabei zu sein.

Wenn ich Glück habe, sehe ich heute Lotte, die nach Maiglöckchen duftet und manchmal etwas Leckeres für mich bereithält, wenn sie weiß, dass ich komme.

Einzig die fiese Hauskatze muss ich überleben, aber ansonsten kann ich tun, was ich am liebsten tue: fressen, schlafen, schnuppern.

Obwohl mein Frühstück heute recht üppig ausgefallen ist, verspüre ich ein leichtes Hungergefühl. Hunger kann ich nicht ausstehen. Ich fühle mich dann schwach und kann mich schon nach kurzer Zeit kaum auf den Beinen halten. Mich befällt Schwindel, und … ach, lassen wir das.

Als Englische Bulldogge gehöre ich zu jenen Hunden, die keine natürlichen Feinde besitzen. Eigentlich. Ich werde gefürchtet und respektiert, von meinen Artgenossen genauso wie von den hier lebenden Katzen. Zum Glück kann keiner in mich hineinsehen, denn in meinem Innern sieht es anders aus, da bin ich ängstlich und sensibel.

Der stadtbekannte Straßenkater Sam und Frau Yoko, die arrogante Siamkatze von Lotte, der ich mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich begegnen werde, ahnen möglicherweise, dass ich in Wahrheit keine Gefahr darstelle. Sie lassen keine Gelegenheit aus, mich zu provozieren, und das, obwohl ich mir große Mühe gebe, meinem Ruf als gefährlichster Hund der Stadt gerecht zu werden.

Ich nehme mir fest vor, mir diesmal von dieser hinterhältigen Katze nichts gefallen zu lassen, denn in Sachen Heimtücke macht ihr niemand etwas vor. Und sind wir doch mal ehrlich: Es ist ein ungleicher Kampf. Mein gedrungener, kräftiger Körper steht auf kurzen krummen Beinen. Normalerweise ist es kein Nachteil, solange ich nicht schnell und beweglich sein muss, denn das ist gar nicht so einfach, wenn ich eine Katze jage.

Als wir das Grundstück betreten, steht das das Tor einladend offen, und ich recke schnuppernd meine Nase in die Höhe. Augenblicklich strömen die unterschiedlichsten Gerüche auf mich ein.

Mein geliebter Zweibeiner biegt zielstrebig links um die Ecke in den Hof ab.

Er sieht sich nach mir um, aber ich bin nie weit entfernt. Er bleibt stehen, beugt sich mir herunter und fragt: »Bully, möchtest du draußen auf mich warten?«

Ja, das will ich unbedingt, denn just in dem Moment steigt ein neuer verheißungsvoller Geruch in meine Nase, nämlich der einer Hundedame, von der ich lange nichts mehr gesehen und gerochen habe.

Ich bringe mein gesamtes Hinterteil zum Wackeln. Mein Mensch versteht mich, schließlich sind wir ein eingespieltes Team, weshalb ich sogar bekannte Strecken ohne Leine laufen darf.

»Schön, aber bleib in der Nähe, hörst du? Ich lasse die Tür angelehnt, dann kannst du reinkommen, wann du willst.«

»Wuff«, erwidere ich zufrieden.

Wir trennen uns, und während ich begierig in den Informationen der Hündin schwelge, verschwindet mein Herrchen im Innern des Hauses.

Ich lasse mir Zeit, hebe mein Bein, um Mitteilungen zu hinterlassen, und lese fleißig weiter, was sich in letzter Zeit zugetragen hat. Doch plötzlich dringt ein Schrei zu mir aus dem Haus und reißt mich aus meiner Beschäftigung. Timo! Alarmiert spitze ich die Ohren und renne los. Es folgt ein dumpfer Knall, und ich renne noch schneller. Irgendetwas stört mich daran. Es hört sich eigenartig falsch an. Beinahe wäre ich vor Eile aus der Kurve geflogen, denn meine kurzen Beine biegen nach links ab, und mein Bauch kommt mit der plötzlichen Richtungsänderung nicht hinterher. Doch ich schaffe es und komme nach kurzem Straucheln wieder in die Spur. Immer der Nase nach, dem Geruch meines Menschen folgend.

Da ich selten renne, erreiche ich vollkommen außer Atem nur wenige Schritte später die Tür, die hineinführt. Ich stoße sie mit der Schnauze auf, und sofort wittere ich einen Geruch, der so alt ist, so fest verankert in meinen Instinkten, und der nicht in dieses Haus gehört: Blut.

Mein Puls beschleunigt sich, und tief in meinem Innern macht sich eine urtümliche Erregung breit, die neu und vertraut zugleich scheint.

Ich renne weiter. Meine Krallen schleifen auf den Fliesen. Die nächste Ecke umschiffe ich und versuche, nicht die halbe Einrichtung mitzunehmen.

Während mein Körper durch den Schwung ein gewisses Eigenleben bekommt, schlittere ich hilflos über den Boden und versuche abzubremsen, indem ich mich querlege. In Zeitlupe rutsche ich auf den leblos daliegenden Körper Timos zu.

Etwas Furchtbares ist geschehen.

Seit Jahrhunderten wird das Aufspüren von Fährten und das Jagen in unseren Trieben verfestigt und weitergezüchtet. Meine Vorfahren haben Wildschweine gestellt und erlegt, als die Menschen keine Flinten besaßen und auf uns Bulldoggen angewiesen waren. Mein Stammbaum besteht aus unerschrockenen Vorfahren, die weder zimperlich noch empfindsam gegen Schmerz waren.

Ich habe allerdings jetzt ein Problem, denn meine Erregung, verursacht durch den Blutgeruch, muss ich mit aller Kraft niederkämpfen. So vorsichtig wie möglich bewege ich mich auf mein Herrchen zu.

Die Augen stehen weit offen, während sein Blick starr auf die Decke gerichtet ist. Als ich ihn sanft mit meiner nassen Hundeschnauze anstupse, reagiert er nicht. Die farbige Pfütze um seinen Kopf herum wird größer. Die Menschen glauben bis heute, wir Hunde können nur Schwarz und Weiß erkennen, bemitleiden uns sogar deshalb, doch das ist ein Irrtum. Ich kann Gelb, Grün, Türkis, Blau und Violett unterscheiden. Nur Rot kann ich nicht erkennen. Dafür erkenne ich sofort, wenn es sich um Blut handelt.

Timo rührt sich nicht. Ich gebe nicht auf und setze eins obendrauf, denn das ist Bestandteil eines alten Spiels zwischen uns, und puste ihm etwas Luft ins Ohr. Das bringt ihn normalerweise immer zum Lachen. Heute ist dem nicht so, heute ist nichts normal.

Ich setze all meine Sinne ein und spüre das Blut in seinem Innern nur noch schwach zirkulieren. Mit jedem Schlag seines Herzens läuft das Leben aus ihm heraus, und die Blutlache um den Kopf wird größer.

Mein Mensch verlässt seinen Körper, und ich bekomme es mit der Angst zu tun. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen, und die Trauer und der Schmerz, der sich in mir breitmachen, drohen mich hinwegzuspülen, weshalb ich versuche, mich zusammenzureißen.

Es gelingt mir nicht. Ich bin verwirrt. Der Blutgeruch schärft meine Sinne, und zugleich werde ich an das erinnert, was aus mir geworden ist: ein verwöhnter Stadthund, der ängstlich zitternd neben seinem Menschen sitzt und keine Ahnung hat, wie er ohne ihn weiter- oder gar überleben soll, denn wenn mein Herrchen nicht mehr funktioniert, wer gibt mir dann Fressen und versorgt mich?

Die wiederkehrende Erkenntnis über meine eigene Unfähigkeit trifft mich hart, immerhin stellt sie für mein weiteres Leben eine Katastrophe dar.

Jedoch darf ich in diesem traurigen Moment nicht an mich denken, sondern will bei Timo sein, meinem geliebten Freund.

Niedergeschlagen lasse ich mich neben dem Sterbenden nieder und lege behutsam meinen Kopf auf dessen Brust. Ich spüre den Herzschlag kaum noch, und dann – bleibt er ganz aus.

Um mich herum herrscht tödliche Stille, doch in mir sieht es anders aus. Ein Sturm der Gefühle tobt in meinem Kopf, und alles in mir schreit: Das darf nicht sein, nicht jetzt, niemals!

Angst, Trauer und Schmerz übermannen mich wellenartig. Heulend lasse ich die Welt an meinem Schicksal teilhaben, dass ich meinen Menschen verloren habe, der mein Leben, meine Existenz und meine Sicherheit gewesen ist.

Ich weine und weine und befürchte schon, dass ich nie mehr aufhören kann, als meine Trauer plötzlich unterbrochen wird.

»Hola, amigo, warum dieser Lärm?«

Ich blicke mich suchend um, kann aber niemanden ausmachen.

»Hier oben«, krächzt die Stimme.

Als ich den Kopf hebe, sehe ich einen bunten Vogel auf dem Treppengeländer sitzen. Er trägt ein grünes Gefieder, und in der Mitte seines Kopfes leuchtet ein gelber Scheitel. So ein Tier habe ich nie zuvor gesehen.

»Warum ruht sich dieser idiota auf unserem Fußboden aus?«, fragt der Vogel.

»So habe ich ihn gefunden.«

»Schläft er?« Nervös schlägt das Tier mit seinen Flügeln.

Ich schnaube. »Quatsch. Dafür haben die Menschen andere Plätze. Mein Herrchen ist tot.«

»Tot! Por dios! Caramba, ich hole Hilfe«, ruft das Federvieh und fliegt davon.

Was für ein eigenartiges Tier, denke ich und lege den Kopf erneut auf die Brust meines Menschen. Der wohlbekannte Geruch nach Leder und Rauch haftet ihm noch an, doch er wird bereits eine Nuance schwächer und von etwas anderem überdeckt.

Ich versuche, meine Gedanken zu sortieren. Etwas Schreckliches ist in diesem Haus geschehen, etwas, was alles andere als alltäglich ist.

Was habe ich nur für ein Pech, denke ich. Tief in meinem Innern regt sich etwas, das mich stört. Es fühlt sich an wie ein spitzer Splitter, der in meiner weichen Pfote steckt. Ich muss ihn ziehen, sonst wird er mich nicht in Ruhe lassen. Und zack, da ist er, der alles entscheidende Gedanke: Warum ist mein Herrchen gestürzt, und warum ist hier niemand sonst?

Ich hebe meine Nase in die Luft, doch durch den Blutgeruch bin ich nicht nur abgelenkt, sondern alle anderen Gerüche werden überdeckt. Mein Herrchen wollte sich mit Lotte treffen, aber sie ist nirgends zu sehen, und auch sonst herrscht in dem Haus eine lauernde Ruhe. Verdächtig.

Doch zunächst einmal will ich weiter Wache halten und den Körper meines geliebten Menschen beschützen, auch wenn ich es zu seinen Lebzeiten gehörig vergeigt habe, so will ich es jetzt besser machen.

Ich lege mich so dicht wie möglich an ihn und versuche, dem kälter werdenden Körper Wärme zu spenden. Mein Leben ist komplett aus den Fugen geraten, und ich ahne, dass nach diesem Tag nichts mehr so sein wird wie zuvor.

Kapitel 2

Charlotte Sandmann starrt auf einen von drei Bildschirmen und flucht leise vor sich hin. »Warum klappt das nicht, verflixt.« Es wurmt sie, dass sie so untalentiert ist, was das Zurechtschneiden und Vertonen der Filme angeht, die sie für YouTube produziert und die immer aufwendiger werden. Als Bloggerin und Produkttesterin hat sie es zu einem gewissen Bekanntheitsgrad geschafft und ist längst auch auf Twitter, Facebook und Instagram zu finden, wo ihr Millionen Abonnenten folgen. »Wendy, wo steckst du, wenn ich dich einmal brauche?«, schimpft sie vor sich hin.

»Ich bin doch da«, erklingt es leicht verschnupft hinter ihr.

Charlotte, die von allen Lotte genannt wird, dreht sich erleichtert zu Wendelin um, der soeben mit einer Tüte Chips in der Hand den Raum betritt.

»Bin ich froh, dass du auftauchst. Lass uns eben den Schnitt von unserem letzten Videodreh fertig bekommen. Meinst du, wir schaffen das rechtzeitig bis morgen?«

»Ich weiß überhaupt nicht, warum du dich immer so aufregst, ist doch alles gechillt.« Wie ein nasser Sack lässt er sich auf den Stuhl fallen und greift in seine Chipstüte.

Lotte kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn bei Wendy ist immer alles gechillt. Allerdings nur, solange er seine geliebten Paprikachips hat.

»Sollte irgendwann der Tag kommen, an dem du mal nicht gechillt bist, weiß ich, dass es dann ums nackte Überleben geht. Getreu dem Motto: Falls ihr mich jemals rennen seht, tut es mir nach, denn dann gibt es einen wichtigen Grund.«

»Genau, du hast es erkannt, und nun lass mich meine Arbeit machen, soll ja fertig werden«, sagt er und greift erneut in die fettige Tüte.

Lotte schüttelt sich, während sie ihn dabei beobachtet, wie er die mittlerweile ölig glänzende Tastatur bearbeitet. Bisher hat sich niemand getraut, Wendy die Chips am Arbeitsplatz wegzunehmen, obwohl er schon vor einem Jahr zu ihrer Wohngemeinschaft gestoßen ist und seitdem alle mit seinem Verhalten in den Wahnsinn treibt. Stattdessen ist Lotte dazu übergegangen, die Tastatur zu ersetzen, wenn nötig.

Ein Blick auf die Uhr lässt sie zusammenfahren: »Sag mal, wollte Tara nicht um diese Uhrzeit hier sein und ein paar coole neue Outfits mitbringen?«

»Tara, keine Ahnung.«

Tara, Lottes Stylistin, hat ein Händchen für ausgefallene Kleidung, die sie oft aus Secondhand-Läden oder auf Trödelmärkten entdeckt. Lotte selbst hat leider zu wenig Zeit, um in Ruhe nach ausgefallenen Stücken zu stöbern, aber ihren extravaganten und ausgefallenen Kleidungsstil will sie trotzdem beibehalten.

Ein Blick auf Wendelin reicht, um zu wissen, dass er sich längst in seinem nerdigen Computerhimmel befindet und nicht mehr ansprechbar ist.

Siedend heiß fällt ihr der Termin mit dem Architekten Timo Frei ein. Sie sieht auf ihr Handy und schüttelt verwundert den Kopf. Normalerweise kann man sich darauf verlassen, dass er sich meldet, sollte sie nicht pünktlich oder er verhindert sein. Außerdem weiß er, wo er sie antreffen kann, wenn sie nicht im Haus ist, denn der Arbeitsplatz mit den Computern und Drehort für ihre YouTube-Videos befindet sich in der umgebauten Garage des Hauses, ist bequem über den Hof zu erreichen und dient zugleich Wendy als Unterkunft. Der Architekt hat die Räumlichkeiten zweckmäßig und modern umgestaltet.

Um sicherzugehen, dass sie nichts übersehen hat, wirft sie erneut einen Blick auf ihr Handy, doch es findet sich weder ein Anruf noch eine SMS. Merkwürdig.

Gerne hätte sie mit ihm abschließend die Details für das Geländer der Galerie im ersten Stock des Haupthauses besprochen, denn es besteht seit Monaten aus einem Holzprovisorium. Außerdem sollten die andauernden Renovierungsarbeiten endlich abgeschlossen werden. Aber auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an. Sie seufzt und überlegt, den frei gewordenen Termin für einen Einkauf im Tierfutterhaus zu nutzen.

Schnell entschlossen tippt sie eine Nachricht an Tara ins Handy, um ihr zu mitzuteilen, dass sie jetzt erst mal unterwegs ist, auch Timo Frei schickt sie eine kurze Nachricht, ob er den Termin vergessen hat.

Sie denkt an ihren kleinen Zoo, denn mittlerweile besitzt Lotte einige Tiere, Tendenz steigend. Ihre menschlichen Mitbewohner, Wendy, Greta und Max, nehmen ihre Tierliebe mit Humor. Allerdings bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, da Lotte das Anwesen, bestehend aus dem Haupthaus und der großen umgebauten Garage, gehört. An ihre Mitbewohner hat sie einzelne Zimmer vermietet, darunter auch die Garage, wobei Wendy die Miete durch seine exzellente Arbeit begleicht.

Lotte tritt aus der Garage in den Hof und schließt einen Moment die Augen, um die ersten warmen Sonnenstrahlen im April zu genießen.

Plötzlich dringt lautes Bellen aus dem Innern des gegenüberliegenden Hauses zu ihr. Sie stutzt, denn der einzige Hund, der es an Frau Yoko vorbei ins Haus schaffen kann, ist Bully, Timo Freis Hund. Ist er doch da, aber ohne ihr Bescheid zu geben? Verwirrt folgt sie dem Lärm, tritt ein und erschreckt sich fast zu Tode, als ihr Chris, die gelbe Gelscheitelamazone aus der Halle, aufgeregt entgegenflattert.

»Mayday, Mayday«, krächzte der Papagei.

Ihr Puls erhöht sich. In Vorahnung darauf, dass etwas Schlimmes geschehen ist, blickt sie geradeaus und versucht zu verstehen, was der Anblick, der sich ihr bietet, bedeutet. Ihre Schritte werden langsamer, bis sie schließlich stehen bleibt, die Hand vor dem Mund, der zu einem Schrei aufgerissen ist.

In der Mitte der geräumigen Halle, nur wenige Schritte von ihr entfernt, liegt ein regloser Körper.

Der einzelne Schrei, der in ihr aufsteigt, verhallt an den hohen Wänden. Tausend Gedanken strömen auf sie ein, doch einer übernimmt die Vorherrschaft: Vielleicht lebt die Person noch?

»Oh, mein Gott!«, stößt sie keuchend aus, als sie den Architekten Timo Frei, ihren Termin, erkennt.

Eine Blutlache hat sich um seinen Kopf gebildet, und seine Augen starren an die Decke. Um ihn herum liegen abgebrochene Holzstücke auf dem Boden verteilt. Das Geländer. Sie sieht nach oben in die Galerie des ersten Stocks. Das Loch erinnert an das aufgerissene Maul eines Monsters und zeugt von dem Unglück, das gerade geschehen ist.

Ich muss den Puls prüfen. Als sie sich zu Frei hinunterbeugt, erklingt zeitgleich ein tiefes Knurren.

Erschrocken weicht sie zurück.

Sie kennt den Hund. »Aber natürlich, Bully«, flüstert sie, mehr zu sich selbst. Ausgesprochen finster blickt er drein, und sie versteht die Warnung.

Beschwichtigend hebt sie die Hände und versucht einen ruhigen Ton anzuschlagen, was gar nicht so einfach ist. »Ruhig, ich will deinem Herrchen nur helfen. Ich tue ihm nichts, versprochen.« Hoffentlich erinnerte sich das Tier an die Wurst, die sie ihm bei fast jedem Besuch hinter Freis Rücken gibt. Ganz leicht wackelt jetzt das Hinterteil des Tieres. Dadurch ermutigt, bringt sie den letzten Meter hinter sich.

»Du bist ein guter Hund, nachher gibt´s ne Wurst, ja?«

Sie beugt sich herunter und tastet vorsichtig am Hals des Architekten nach dem Puls.

Als hätte er verstanden, dass von ihr keine Gefahr ausgeht, macht Bully neben seinem Herrchen Platz und legt den Kopf auf die Vorderpfoten. Traurig sieht er sie an, nicht ohne jede ihrer Bewegungen genauestens zu verfolgen.

Sie legt ihre Finger auf den Hals von Timo Frei, doch sie kann nichts mehr spüren. Panik steigt in ihr auf. »Leute, hört mich jemand?«, ruft sie in die Stille hinein.

»Ist niemand da? Greta, Max?« Ihre Stimme wird von den Wänden reflektiert und hallt ungehört zu ihr zurück. Keiner ihrer Mitbewohner reagiert auf ihr Rufen. Im ersten Stock bleiben die Türen geschlossen. Wendy kann sie nicht hören, da er zu weit weg ist, und die anderen soll doch der Teufel holen.

Während sie überlegt, was zu tun ist, spürt sie den Blick des Hundes auf sich. In seinem vorgeschobenen Unterkiefer stehen spitze Reißzähne in gefährlichen Zacken schräg aus seinem Maul. Bullys Erscheinungsbild lässt keinen Zweifel aufkommen, zu was er im Notfall fähig ist. Nichtsdestotrotz muss sie Hilfe holen.

Langsam richtet sie sich auf und zieht ihr Handy aus der Hosentasche. Nachdem sie den Notruf abgesetzt hat, beschließt sie, mit dem Hund Totenwache zu halten.

Lotte hat sich bisher immer vorgestellt, dass es einem wie eine Ewigkeit erscheint, wenn man bei einem Notfall auf Polizei und Krankenwagen warten muss. Wie vermutet, erscheint ihr das Warten endlos, obwohl gerade mal zehn Minuten vergangen sein können, seit sie Timo Frei entdeckt hat.

Immerhin lässt der Hund weiterhin ihre Nähe zu und hat sie weder gebissen noch in einzelne Stücke zerlegt.

»Qué putada!«, schimpft Chris, die Gelbscheitelamazone, vor sich hin. Und Lotte nutzt die Zeit, um sich mit ihren verschütteten Spanischkenntnissen abzulenken.

»Qué putada. So ein Mist heißt das, wenn ich mich recht entsinne.«

»Qué cabrón! Hijo de puta!«

»Hurensohn? Chris, muss das jetzt sein?«

»Caramba!«, singt er unbeeindruckt weiter, als ein Räuspern und ein Klopfen von der Hintertür bis zu ihnen dringt. »Frau Sandmann?«

Abrupt fährt sie auf und ruft: »Ja, ich bin hier, die Tür ist offen.«

Ein junger Mann betritt kurz darauf die Halle und kommt mit langen Schritten auf sie zu. »Sie haben angerufen?«

»Ja, ich, ich habe ihn so gefunden. Vor etwa einer halben Stunde.«

Als er sie erreicht, beugt er sich sofort über das Opfer. »Okay, einen Augenblick bitte.« Er untersucht ihn zunächst gewissenhaft, während er Lotte fragt, wann genau sie ihn gefunden hat und was vorgefallen ist. Nachdem er seine ersten Untersuchungen abgeschlossen hat, erhebt er sich.

»Kriminalhauptkommissar Niko Steinbach«, stellt er sich vor und greift nach ihrer Hand. »Am besten warten Sie mit Ihrem Hund draußen, und ich komme gleich nach«, schlägt Steinbach mit einem Blick auf Bully vor.

»Das ist nicht mein …« Bis zum Ende kommt sie nicht, da in dem Moment ein untersetzter Mann mit Arzttasche eintrifft.

Er nickt ihnen zu und beugt sich über Architekt Frei. Das scheint dem Hund nun doch zu viel. Er fletscht bedrohlich die Zähne und stößt ein gefährliches Knurren aus.

»Warten Sie«, warnt Lotte den Mann.

Beide Männer sehen fragend zu Lotte, und der Arzt wird blass um die Nase, als sie fortfährt.

»Der Hund bewacht sein Herrchen, und ich kann für nichts garantieren. Mir hat der Hund bisher nichts getan, und ich kann versuchen, ihn mithilfe von etwas Wurst wegzulocken. Warten Sie kurz.«

So schnell sie kann, holt sie aus der Küche ein paar Scheiben Aufschnitt und hält, als sie zurückkehrt, eine davon Bully vor die Nase. »Na komm, mein Guter. Für dein Herrchen wird jetzt gesorgt.«

Bully legt den Kopf schief, während der Rest seines Körpers zu wackeln beginnt.

Das erste Stück verschwindet so schnell in seinem Maul, dass sie sich ein Grinsen verkneifen muss.

»Komm.«

Lotte erhebt sich, und Bully folgt ihr artig.

In der Küche gibt sie ihm die restliche Wurst, öffnet einen Schrank und füllt den Rest Katzenfutter in die Schale. Das wird Frau Yoko nicht gefallen, doch der Hund braucht jetzt Ablenkung. Lotte stellte die Schüssel auf den Boden und beobachtet schmunzelnd, wie sich Bully darauf stürzt.

»Darf ich?«, fragt der Kriminalkommissar. Er steht im Türrahmen und beobachtet sie. Wie viele Männer reagiert auch er auf ihr Äußeres, als er sie ansieht. Die Mischung aus dunkler Haut und blonder Afromähne fällt auf, egal wo sie ist. In alltäglichen Situationen stört es sie, so angestarrt zu werden, doch in der Blogger- und YouTuber-Branche hat sie durch ihr exotisches Aussehen ein Alleinstellungsmerkmal.

»Natürlich.« Sie lehnt sich an die Anrichte und fährt sich mit der Hand über die Stirn. »Ich kann es noch gar nicht begreifen. Der Unfall geht mir sehr nahe. Ich meine, wann hat man schon einen Toten im Flur?« Sie lacht unsicher.

»Ja, wann?«, der Kommissar sieht sie fragend an.

»Das meinte ich ernst«, erwidert sie und dreht ihm den Rücken zu. »Tut mir leid, aber ich brauche noch kurz.«

»Sicher. Wenn Sie so weit sind, nehmen wir Fingerabdrücke und Haarproben. Im Grunde von jedem, der in diesem Haushalt wohnt.«

Sie reißt erstaunt die Augen auf. »Warum das denn?«

Er hebt die Schultern. »Das ist nur zur Sicherheit, falls der Mann mit Absicht gestoßen wurde. Deshalb möchte ich auf Nummer sicher gehen. Das ist schon alles und hat zum derzeitigen Zeitpunkt nichts zu bedeuten. Zusätzlich müssten Sie mir ein paar Fragen beantworten.«

»Okay. Und ihm konnte nicht mehr geholfen werden?«

»Leider nein. Der Arzt sprach von möglichen inneren Verletzungen, er stellt gerade den Totenschein aus. Die genaue Todesursache ist noch unklar«, erwidert er betrübt.

Sie nimmt zwei Gläser aus dem Schrank. »Auch eins?«

Er nickt, und sie füllt sie unter dem Wasserhahn auf. Dann reicht sie ihm sein Glas.

Lotte spült den bitteren Geschmack, der sich seit geraumer Zeit in ihrem Mund befindet, mit Wasser hinunter. Sie zittert, und ihre Beine sind aus Gummi, weshalb sie sich an der Anrichte festhält. Der Tod von Timo Frei und der damit verbundene Schock sitzen tief.

Der Kommissar mustert sie aufmerksam. »Bitte verzeihen Sie, falls ich zu weit gehe, aber sind Sie nicht die Flotte Lotte, die den Blog betreibt?« Dann nimmt er einen großen Schluck aus seinem Glas.

»Ja, die bin ich.«

Sein Gesicht hellt sich auf. »Ihre Tipps sind super, vor allem, wenn es um Nachhaltigkeit bei Produkten geht, informiere ich mich gerne bei Ihnen. Man kann sich immer absolut sicher sein, dass die entsprechenden Firmen für Nachhaltigkeit und Fairness stehen. Nichts mit Kindersklaven in Indien und so. Sie nehmen einem sozusagen auf sehr unterhaltsame Weise eine Menge Arbeit ab, und ich habe ein gutes Gewissen, wenn ich Ihren Empfehlungen folge.« Er zwinkert.

»Vielen Dank, dass Sie das sagen. Mir ist sehr wichtig, dass wir etwas gegen die ungerechte Verteilung von Wohlstand auf der Welt tun. Das können wir schon im Kleinen, indem wir darauf achten, wer faire Arbeitsbedingungen schafft und die Leute ordentlich bezahlt. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie an vielen kleinen Schrauben drehen und damit wirklich etwas bewirken können.« Sie stockt. »Aber, Sie wollen sich mit mir sicher nicht über meine Arbeit unterhalten, oder?«

»Nein, natürlich nicht, wäre aber bei einem Kaffee mal ganz nett.« Er besinnt sich und lacht verlegen. »So, aber zurück zum Thema. Wie stehen Sie zu dem Toten, und warum hat er sich hier aufgehalten?« Er zückt ein Notizbuch und einen Stift.

»Ich sage Ihnen alles, was ich weiß, doch ich fürchte, das ist nicht viel. Timo Frei arbeitet für das Architekturbüro Wald, das ich für Renovierungsarbeiten beauftragt habe.« Als sie an Ricardo Wald denkt, wird ihr schlecht. Seit Wochen bedrängt er sie, das Haus an ihn zu verkaufen, aber sie weigert sich beharrlich. Am liebsten würde sie ein anderes Büro mit den Renovierungsarbeiten betrauen, aber Timo Frei ist kompetent und freundlich, um seinetwillen belässt sie alles, wie es ist.

»Das Haus habe ich vor vier Jahren von meiner Tante geerbt, und es war zu dem Zeitpunkt schon recht baufällig. Wir versuchen vieles selbst zu machen, aber alles geht nicht. Timo Frei und ich hatten heute einen Termin, den ich verschwitzt habe. Dabei sollte es ausgerechnet um das provisorische Geländer der Galerie gehen. Ich war drüben, in der Garage, und habe gearbeitet. Durch Bullys lautes Bellen bin ich darauf aufmerksam geworden, dass da etwas nicht stimmt. Und dann habe ich ihn gefunden …« Sie schluckt schwer. »Hätte er gerettet werden können, wenn ich früher da gewesen wäre?«

Er legt den Kopf leicht zur Seite. »Das kann ich Ihnen nicht sagen, nach der Obduktion werden wir mehr wissen. Achten Sie bitte darauf, dass der Hund hierbleibt oder besser woanders untergebracht wird, bis wir alle Spuren gesichert haben. Haben Sie eine Kammer oder ein Zimmer, in das Sie ihn vorübergehend einsperren können?«

»Ich passe auf, versprochen«, sagt sie schnell. Nach der Geschichte will sie ihn nicht allein lassen, zumal er sich, seit sie in der Küche sind, ruhig verhält.

Steinbach kratzt sich am Kopf. »Gut. Bis unsere Untersuchungen vor Ort abgeschlossen sind, wird es eine Weile dauern. Die Kollegen von der Spurensicherung treffen gerade ein«, sagt er mit einem Blick aus dem Küchenfenster.

In diesem Moment wird schwungvoll die Tür aufgerissen, und ihre beste Freundin Greta stürmt aufgelöst in die Küche.

Schnell schließt Lotte die Tür, damit Bully nicht entwischt, doch der liegt friedlich da und schnarcht leise vor sich hin.

»Großer Gott. Ist das Timo Frei, der in der Halle liegt? Warum werde ich behandelt wie eine Schwerverbrecherin und muss mich ausweisen und sagen, was ich hier mache? Wieso ist er durch das Geländer gebrochen, hast du ihn gefunden? Das ist alles gar nicht nice …«

Lotte nimmt ihre Freundin kurz in die Arme, und sie fühlt, dass auch Greta zittert und sie die Tragödie sehr mitnimmt.

»Greta, wo hast du gesteckt? Ich habe gerufen, nachdem ich ihn gefunden habe.«

»Oh, mein Gott, das ist ja schrecklich, du Arme. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es tut mir so leid, du warst allein … ich glaube, ich stehe unter Schock.«

»Entschuldigen Sie, Kriminalkommissar Steinbach mein Name, darf ich fragen, wer Sie sind?«, schaltet sich der Beamte ein.

»Ich bin Greta Mühlberg und wohne hier.« Sie schnieft und greift Halt suchend nach Lottes Hand.

»Wenn dem so ist, dann brauchen wir von Ihnen die Daten, Fingerabdrücke und so weiter.«

»Fingerabdrücke? Ausweisen musste ich mich eben schon.« Greta sieht ihn erstaunt an. »Warum das alles? Ermitteln Sie?«

Mitfühlend sieht der Kommissar sie an. »Im Moment werden routinemäßig alle Daten aufgenommen und die Spuren gesichert. Auch wenn noch nicht klar ist, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, sind die Spuren am Anfang am frischesten. Sollte er ohne Fremdeinwirken verunglückt sein, brauchen wir dafür sämtliche Daten, um den Hergang des Unglückes zu beweisen.«

Greta lässt Lottes Hand los und setzt sich mit blassem Gesicht auf einen der Barhocker. Sie stützt ihren Kopf in die Hände, als würde er mehrere Tonnen wiegen.

»Warum sollte jemand unseren Timo Frei mit Absicht stoßen? Das macht keinen Sinn«, sagt Gerta.

»Ich sehe das genauso«, fügt Lotte hinzu. Es fühlt sich eigenartig an, dass das Haus voller Fremder ist, die nach Spuren suchen und alles auf den Kopf stellen. Obwohl sie nichts zu verbergen hat, fühlt sie sich schuldig.

Der Kommissar meldet sich wieder zu Wort: »Wer wohnt noch in der Villa? Sie beide und …?«

»Wir sind insgesamt vier. Ich kann die anderen benachrichtigen«, bietet Lotte an.

»Ja, das wäre gut.« Während er sich Notizen macht, sieht er nicht auf. »Sollte sich herausstellen, dass es sich nicht um einen Unfall mit Todesfolge, sondern zum Beispiel um Totschlag handelt, brauchen wir von jedem eine Aussage und die Daten.«

Er wiederholt sich, denkt Lotte, aber vielleicht muss er so genau und ausführlich sein. Laut sagt sie: »Natürlich. Ich schreibe Max schnell eine Nachricht.«

Während ihre Finger flink über das Handy gleiten, spürt sie Steinbachs intensiven Blick auf sich. »Sie sagten, Sie hatten einen Termin mit Herrn Frei? Wie lange kennen Sie ihn schon, Frau Sandmann?«

»Nachdem Tante Ernestine vor knapp vier Jahren gestorben ist und mir das Haus vermacht hat, bin ich hiergeblieben, obwohl ich erst vorhatte, mir eine Wohnung zu suchen. Aber ich hänge an dem Haus, weshalb ich mich dagegen entschied, trotz vieler Widrigkeiten. Es ist ein alter großer Kasten und kostet schon Geld, wenn er nur rumsteht. Das Architekturbüro Wald habe ich kurz nach dem Tod meiner Tante mit diversen Umbau- und Renovierungsarbeiten betraut. Timo Frei wurde mir zugeteilt, und seitdem kenne ich ihn, oder besser wir alle. Wobei kennen übertrieben ist.«

»Gut, Frau Sandmann …«

Plötzlich trifft sie eine Erkenntnis: »Womöglich wäre das nicht passiert, wenn ich pünktlich zu unserem Termin da gewesen wäre. Oh, mein Gott, dann würde er jetzt noch leben.« Sie zittert mittlerweile so stark, dass sie das Glas vorsichtshalber in der Spüle abstellt. Dieser Tag ist der reinste Albtraum, denkt sie verzweifelt.

»Ach, Lotte, es bringt nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen«, schaltet sich Greta ein. »Obwohl es mir genauso geht. Ich war die ganze Zeit in meinem Zimmer, habe über Kopfhörer Musik gehört und bin eingenickt. Ich habe nichts von dem bemerkt, was sich im Haus abgespielt hat. Wenn ich mir vorstelle, dass er direkt vor meiner Zimmertür in den Tod gestürzt ist … Ich fühle mich deshalb grauenhaft. Ich brauche jetzt dringend Schokolade.« Sie steht auf und geht zu einem der Hängeschränke über der Anrichte, entnimmt eine Tafel Vollmilch-Nuss, reißt sie auf und beißt hinein, als würde es sich um ein Stück Brot handeln. Was das Ganze etwas unansehnlich macht, ist, dass die Schokolade immer in ihrer festen Zahnspange hängen bleibt. Als Kind hatte sie bereits eine Spange, und vor etwa einem halben Jahr ist der Albtraum eines jeden Kieferorthopäden aufgetreten, und die Zähne haben sich wieder in ihre ursprüngliche Fehlstellung zurückgebildet. Greta trägt es mit Fassung und behauptet, dass sie dadurch mit ihren fünfundzwanzig Jahren als Achtzehnjährige durchgeht und so ihren Studentenausweis wieder benutzen kann.

Der Kommissar beobachtet Greta, sagt aber nichts.

Lotte hingegen kennt die Vorliebe der Freundin, Schokolade so zu essen, insbesondere, wenn sie gestresst ist oder Trost braucht, aber eigentlich ist das gewissermaßen immer der Fall.

Plötzlich verzieht Greta das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

»Was ist das für ein Gestank?« Sie lässt die Tafel Schokolade sinken und sieht sich suchend um. Dann muss sie laut niesen.

»Was meinst du, ich rieche nichts.« Doch noch bevor Lotte den Satz zu Ende spricht, steigt ihr ebenfalls ein übler Geruch in die Nase, und auch der Kommissar reagiert.

»Das gibt es doch nicht.« Greta stößt einen spitzen Schrei aus und zeigt mit dem Finger auf den schlafenden Bully. »Was macht Timo Freis Hund hier?« Sie niest erneut und sieht Lotte vorwurfsvoll an.

»Bully? Er hat Frei heute begleitet, und ich musste ihn weglocken, damit die Polizei ihre Arbeit machen kann. Außerdem hatte er großen Hunger, und … ich hatte Mitleid mit ihm.«

»Abgesehen davon, dass er gerade den gemeinsten Pups gelassen hat, den ich jemals gerochen habe, weißt du doch, dass ich eine Hundehaarallergie habe. Am besten sperren wir ihn in die Abstellkammer, bis der Tierschutz ihn abholt oder sonst wer.«

»Auf keinen Fall, vergiss es.« Schützend stellt Lotte sich vor den Hund, der jetzt zufrieden schmatzend einen weiteren Pups von sich gibt und von dem Trubel um seine Person keinerlei Notiz nimmt.

»Bully, musst du mir so in den Rücken fallen?« Lotte beißt sich auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. »Der Hund bleibt hier. Egal, ob er stinkt.«

Greta und sie starren sich an, und zwischen ihnen findet ein lautloses Kräftemessen statt.

Schließlich zuckt Greta mit den Schultern und sagt: »Du hast gewonnen. Ich kann dir nichts abschlagen und werde es überleben.«