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Nach jahrelanger vordergründig glücklicher Ehe mit der attraktiven und wohlhabenden Marie-Lore verliebt sich Jurist Pierre André in Simona, eine jüngere Journalistin. Eine Scheidung ist unumgänglich. Marie-Lore bemüht sich, nach aussen hin die verständnisvolle Ehefrau zu spielen. Ih ihrem Innersten braut sich jedoch ein verhängnisvoll vernichtender Plan zusammen.
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Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Eine kurzweilige Spannung für die Westen- oder Handtasche von hans schelling
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2. AuflageDie in diesem Roman vorkommenden Personen sind alle frei erfunden. Jede Ähnlichkeit zu lebenden Personen oder Namen sind rein zufällig. Ebenso haben die realen Ortschaften und Lokalitäten mit dem fiktiven Geschehen der Geschichte nichts zu tun.
Lasst uns dankbar sein gegenüber Menschen,
die uns glücklich machen.
Sie sind die liebenswerten Gärtner,
die unsere Seele zum Blühen bringen.
Marcel Proust
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BURMESISCHE RUBINE
Als José, der Poolboy, frühmorgens seine Arbeit antrat, übersah er zuerst, was er eigentlich augenblicklich hätte sehen müssen. Er war noch müde von der Liebesnacht, von den sinnlichen Genüssen mit einer älteren, reifen Dame aus dem Hotel. Sie, die sonst auf Anstand und Manieren fixiert war, liess ihren fleischlichen Gelüsten endlich mal wieder freien Lauf, wobei die Vielfalt ihrer Liebesspiele schlussendlich auch ihm Spass bereitet hatte.
Doch dann erblickte er, als er sich dem luxuriösen Bungalow Nummer 21 näherte, im tiefblauen Wasser des privaten Schwimmbeckens einen goldenen hochhackigen Damenschuh, und beim intensiveren Hinschauen glaubte er, die dazugehörige Frauenleiche in einem schwarzen Abendkleid wahrzunehmen. Sie trieb, mit dem Gesicht gegen unten, mit ausgebreiteten Armen und Beinen an der Wasseroberfläche. Ihre blonden langen Haare umgaben den Hinterkopf fächerförmig.
Pierre André und Marie-Lore waren seit über 12 Jahren verheiratet und aus Überzeugung kinderlos. „Wir sind sehr glücklich“, hätten sie beide geantwortet, wenn man sie danach fragen würde. Pierre André war Jurist in einem Bundesamt in Bern, Marie-Lore sass in der Geschäftsleitung einer renommierten Schweizerbank in Zürich. Finanzielle Probleme kannten sie nicht. Sie konnten sich, vor allem da Marie-Lore zudem aus sehr vermögendem Hause abstammte, stets leisten, was ihnen gerade ins Auge sprang: Teuerste Kleidung und Schmuckstücke, Dinners in den exklusivsten Restaurants, Ferien an aussergewöhnlichen Destinationen. Zusammen bewohnten sie in Bern an der Junkerngasse zur Aare Seite hin eine luxuriöse Wohnung. Sie waren Mitglieder im „The White Rabbit - Health Club“, einem der elegantesten Fitnessclubs der Schweiz. Ebenso waren sie beide auf dem Golf- und Country-Club Blumisberg anzutreffen, nicht zuletzt, um sich am clubeigenen Pool zu erholen; Pierre André spielte, wenn es ihm die Arbeit erlaubte, gelegentlich auch Polo. Sie pflegten ein aktives gesellschaftliches Leben und waren überall dort anzutreffen, wo sich die sogenannte Prominenz, die Hautevolée der Schweiz, gerade aufhielt. Sie besuchten Konzerte mit weltberühmten Solisten sowie exklusivste Theaterpremieren – auch in Wien, Paris, Mailand und anderswo. An den Salzburger Festspielen sassen sie seit Jahren auf stets denselben Sitzplätzen. Modeevents gehörten vor allem zu Marie-Lores Freizeitprogramm; sie liebte die Berliner Fashion Week sowie jene von New York, ebenso war sie stets an den Private Viewings Bahia Jewels in Zürich anzutreffen. Zu ihren bevorzugten Modelabels gehörten Jil Sander, Balenciaga sowie vor allem die australische Modemarke Zimmermann. Eigentlich fehlte es ihnen an nichts. Und trotzdem schlich sich, für beide von ihnen anfänglich wohl kaum bemerkt, ein Gefühl von Traurigkeit und innerer Leere in ihren Alltag. Pierre André konnte mit der beruflichen Karriere seiner Ehefrau kaum Schritt halten. Er selbst war dort angekommen, von wo er sich nicht mehr weiter entfalten konnte – ein Jurist, ein Rechtsberater mit beschränkten Befugnissen, ohne dass zudem irgendeine Beförderung in Sicht war. Sitzungen mit Parlamentariern, gelegentlich mit dem Bundesrat. Begutachten und Bearbeiten von nur selten spannenden Dossiers, zwischendurch auch jene der Bundesanwaltschaft, gehörten zu seinem beruflichen Alltag. Gegenüber Marie-Lore fühlte er sich zusehends minderwertig, auch wenn das zwischen ihnen beiden nie zur Sprache kam. Sie war jene, die in der Gesellschaft bewundert wurde, während dem er höchstens die Rolle eines Prinzgemahls spielte. Immer wieder glaubte er zu spüren, wie Marie-Lore ihn in seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung durch ihr – wie er es wahrnahm – zumindest vordergründiges Selbstvertrauen und ihre beinahe krankhafte Leutseligkeit behinderte. Natürlich war er mit seinen 53 Jahren ein Mann voller Charme und Anziehungskraft. Er war sportlich und von muskulösem Körperbau, vordergründig meistens strahlend und in Gesprächen eloquent, was die Damenwelt faszinierte. Deshalb wurde er auch häufig mit eindeutigen Annäherungsversuchen konfrontiert. Nur – das genügte ihm nicht, um sein Ego zu befriedigen. Sein Wunsch, zu gefallen, einen guten Eindruck zu hinterlassen, war stets gross. Jedoch wusste er zu genau, dass in der Regel seine Ehefrau mit ihrer gewinnenden Ausstrahlung, ihrer Intelligenz und ihrer perfekten Figur im Mittelpunkt stand, was er meistens als absolut erfreulich zu bewerten versuchte, um auf diese Weise die für ihn oft unerträgliche Situation erträglicher zu machen. Dieses Schattendasein, diese sehr oft oberflächliche Scheinwelt länger zu akzeptieren, fiel ihm jedoch mit den Jahren immer schwerer. Wohl gelang es ihm, für die anderen den fröhlichen, seine Ehefrau bewundernden Gatten zu spielen. In Wirklichkeit aber war er es, der sie in ihrer nach aussen hin kaum merkbaren ängstlichen Unsicherheit stützte, wobei sie ihn auch dadurch wieder in seiner Weiterentwicklung behinderte. Pierre Andrés eher konservativ-einfache Familie fühlte sich durch die Heirat ihres Sohnes mit der schwerreichen Marie-Lore aufgewertet. Sie kamen so mit gesellschaftlichen Kreisen in Kontakt, die sie sonst nie kennengelernt hätten. Seine Eltern waren einfache Leute, wenn auch nach der Pensionierung des Vaters, einem ehemaligen Gemeindeangestellten, finanziell stets abgesichert. Ihr Leben war eintönig verlaufen, gut bürgerlich und rechtschaffen. Seine Mutter war eine ehrliche und in der Gemeinde gerne gesehene Frau, die über Jahrzehnte sozial tätig war und ihre beiden Söhne mit viel Liebe und Herzlichkeit aufgezogen hatte; sein Vater ein redlicher und untadeliger Schweizerbürger, der keine besonderen Stricke zerriss. Er besuchte weder Vereine noch lokalpolitische Veranstaltungen und fühlte sich am wohlsten zuhause mit seinem selbstgebauten Brieftauben- und Hühnerstall. Dass ihr Sohn nach dem Maturitätsabschluss Rechtswissenschaft hatte studieren wollen, war für sie anfänglich eher befremdend gewesen; ein handwerklicher Beruf hätte es für sie auch getan. Jedoch waren sie dann beide, Mutter und Vater, sehr stolz auf Pierre André, als er Jahre später zum Doktor der Rechte promoviert war.
Marie-Lore dagegen war sich seit frühester Jugend an Luxus und Geld gewohnt. Ihr Grossvater hatte eine bekannte Uhrenfabrik in der Nähe von Biel besessen und sich ein Riesenvermögen erarbeitet, das dann seinem einzigen Sohn, ihrem Vater, vererbt worden war. Ihre Mutter, feinfühlig und zärtlich in ihrer Wesensart, stammte ebenfalls aus reichem Hause, und hatte, nachdem sie leider bereits in jungen Jahren nach längerer Erkrankung an einem unheilbaren Krebseiden verstorben war, etliche Immobilien an allerbester Lage im Zentrum von Basel geerbt. Marie-Lore war nach dem völlig unerwarteten Tod ihres Vaters – er starb nach jahrelangen Herzbeschwerden mit knapp 62 Jahren während einer Konferenz an einem akuten Herzinfarkt – zur Alleinerbin eines bedeutenden Vermögens geworden. Finanziell war sie stets abgesichert gewesen, die Emotionalität und die Liebe einer Mutter jedoch hatte sie schon seit ihrer frühen Jugend vermissen müssen. Ihr Vater hatte immer wieder andere Beziehungen geführt, so dass Marie-Lore sich allzu oft an neuen Frauenfiguren zu orientieren hatte. Ihr unausgesprochener Wunsch nach mütterlicher Zärtlichkeit und liebevoller Fürsorge würde für sie ihr Leben lang unerfüllt bleiben. Diese ersehnte Liebe war ihr verwehrt worden, ohne dass ihr Vater dies auf irgendeine Art zur Kenntnis genommen hatte. Die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse war für ihn stets im Vordergrund gestanden. Das Gefühls – und Seelenleben seiner kleinen Tochter, ihre Sehnsucht nach Liebe, Bestätigung und Anerkennung von seiner Seite hatte sein Bewusstsein nie erreichen können. Ihre emotionale Einsamkeit war von ihm, dem selbstgefälligen Vater, völlig unbeachtet geblieben. So war Marie-Lore früh auf sich alleine gestellt gewesen, hatte allzu oft trotz ihrer Ängstlichkeit Entscheidungen treffen müssen, die sie gerne mit einer mütterlichen Vertrauten besprochen hätte. Eigentlich hätte sie sich als Kind allzu gerne von ihrem leiblichen Vater abgewendet, um ihn gegen jenen ihrer Schulfreundin auszutauschen, gegen jenen Vater, der ihnen geduldig bei den Schulaufgaben geholfen und mit ihnen immer wieder Ballspiele gemacht hatte. Verschiedentlich hätte Marie-Lore auch mit dieser Familie in die Sommerferien verreisen dürfen, Campingferien in den Bergen Nahe des Nationalparks, was jedoch der Vater in seiner arroganten Überheblichkeit nie erlaubt hatte. „Campieren … das ist nichts für unsereins! Das ist für einfache Leute!“ Stattdessen hatte sie ihn jeweils zusammen mit seiner neuesten weiblichen Eroberung auf eine für sie langweilige, luxuriöse Reise begleiten müssen. Während der Essenszeiten hatte sie kaum ein Wort sprechen dürfen und gehorsam und wohlerzogen am Tisch sitzen bleiben müssen, bis die Geliebte des Vaters begonnen hatte, diesen für jeden gut sichtbar zu liebkosen: Ein deutliches Zeichen, dass die Hotelgouvernante die kleine Marie-Lore zu Bett bringen sollte. In ihrer Einsamkeit hatte sie als Kind oft mit Tieren, zu Vögeln, Mäusen und Eichhörnchen, gesprochen; sie hatte Kühe und Pferde gestreichelt und war während Stunden auf irgendeiner Wiese gesessen. Sie hatte sich auch mit dem selbstgebauten Schneemann unterhalten, ihn mit ihrem roten Schal aus Wolle dekoriert und ihm einen Namen gegeben, was Vater meistens als krankhaftes Verhalten abgetan hatte. Wenn sie dann geglaubt hatte, Zwerge zu sehen, hatte sie dies aus Angst, als sonderbar zu gelten, niemandem mehr mitgeteilt. Da auch ihre beiden Eltern als Einzelkinder aufgewachsen waren, blieb ihre Ursprungsfamilie dadurch sehr klein. Cousinen oder Cousins hatte sie keine. Erst als Pierre André Jahre später von seinen Kinderphantasien erzählte, wagte sich Marie-Lore, ebenso darüber zu sprechen. Deshalb brachte er ihr zu Beginn ihrer Ehe oft kleine Zwerge und Elfen mit nach Hause. Nur allzu oft hatte sich Marie-Lore gefragt, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, hätte ihre Mutter nicht schon so früh sterben und sie verlassen müssen. Hätte sie Pierre André auch geheiratet? Hätten sich ihre Eltern irgendwann voneinander scheiden lassen?