Call-a-Dom: Under Your Command - Margaux Navara - E-Book

Call-a-Dom: Under Your Command E-Book

Margaux Navara

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Beschreibung

Eine emotionale und fesselnde Liebesgeschichte, prickelnd und leidenschaftlich. Tyler will nur seinen Freunden aushelfen, damit die Doms passende Frauen finden. Doch warum wird seinem Freund diese süße Frau zugeteilt, die doch so viel besser zu Tyler passt? Dabei hat er gar keine Zeit für eine Beziehung, viel wichtiger ist seine Rache am mächtigsten Mann von Denver. Holly freut sich über ein kostenloses zweites Date mit einem Dom, doch sie bekommt so viel mehr, als sie erwartet hat. Einen Mann, der sie nicht mehr loslässt, weil er perfekt zu ihren Bedürfnissen passt. Als sie von seiner Rache mitgerissen wird und diese sogar ihre Existenz bedroht, muss sie entscheiden, ob sie für ihre Liebe und ihren gewählten Weg kämpfen will oder die Chance ihres Lebens verpasst. Call-a-Dom: Under Your Command ist ein Liebesroman mit Happy End, in sich abgeschlossen, voller Gefühle, Spannung und Leidenschaft.

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Table of Contents

Call-a-Dom: Under Your Command

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Epilog

Danksagung

 

 

 

 

 

 

 

 

Call-a-Dom

Under Your Command

 

 

Margaux Navara

 

 

 

 

 

 

© 2021 Margaux Navara

Alle Rechte vorbehalten

Margaux Navara

c/o easy-shop K. Mothes

Schloßstraße 20

06869 Coswig Anhalt

 

Prolog

 

TYLER

 

Ich schaue in die Runde, die sich in meiner neuen Wohnung eingefunden hat. Ich musste alle Stühle zusammensuchen, da die Couches nicht ausreichten. Alle fassten mit an. Dabei sah ich die Blicke, die sie sich zuwarfen. Ja, eine extreme Veränderung zu der Wohnung davor. Die war klein, eng und armselig. Das hier ist Luxus. Stylisher, zum Teil unbequemer, hart wirkender Luxus, den ich mir verdient habe, der aber noch genauso unvertraut und einschnürend sitzt wie die Anzüge, die jetzt in meinem Schrank hängen.

Okay, das war jetzt echt unfair. Der Personal Shopper, den ich dafür eingestellt hatte, hat dafür gesorgt, dass sie alle perfekt sitzen.

Ich bin es wohl eher, der noch reinwachsen muss. Wie überhaupt in meine neue Rolle als CEO. Und eben in diese Wohnung. Die war ein Schnäppchen, statt des Werts von einer Million kostete sie nur 800.000 inklusive kompletter Einrichtung, weil der Vorbesitzer dringend Geld brauchte. Ich konnte gar nicht anders, als zuschlagen. Dabei ist sie edel ausgestattet, so edel, dass ich mich kaum traue, ein Glas aus der Küche zu holen. Aber gut, für meine Kumpel brauche ich das nicht. Die trinken das Bier aus der Flasche.

Nur Dominic entschied sich für Wein, den er selbst mitgebracht hat. Er kennt mich und weiß, dass ich nur das Nötigste kaufe. Er ist auch der Einzige, der im Anzug kam. Die anderen sind leger gekleidet wie ich, Jeans oder Leder, Slacks, T-Shirts und bequeme Hemden. Immerhin handelt es sich nicht um einen Besuch im Club.

Die Clubszene von Denver bildet aber das Thema. Keine Tanzclubs, sondern definitiv die härtere Sorte. Leider gibt es davon nur noch ganz wenige.

„Mile High Dungeon bleibt definitiv geschlossen“, berichtet Amo, ein dunkelhäutiger Riese, dessen glänzende Glatze schon einschüchternd wirkt. Sogar auf mich, und ich bin immerhin 1,85 m, also nicht wirklich klein. Okay, die Muskeln, die unter seinem engen Shirt spielen, tragen ihren Teil dazu bei. So muskulös bin ich nicht, wenn auch nicht unsportlich. Amo ist um die 40 und damit etwa 13 Jahre älter als ich. Er gehört zu denen, die mich als Jungspund in die Szene einwiesen.

„Hat endlich einer von euch sich durchgerungen, einen neuen Club aufzumachen?“, fragt Timothy, ein blonder, stämmiger Mittzwanziger, dessen Hände sich stets bewegen, als würde er Knoten in ein Seil knüpfen, was zufällig seine Leidenschaft ist.

Kopfschütteln und verneinendes Grunzen ist die Antwort. Wir alle haben unsere Jobs, keiner will da raus. Ich werde ganz gewiss nicht mein Start-up aufgeben, jetzt, wo es richtig läuft. Ich habe vor sieben Monaten meinen ersten Deal gemacht. Meine erste App, ein Spiel, mit dem man nebenbei etwas über Naturwissenschaft lernt, hat sich für so viel Geld verkauft, dass ich mir diese Wohnung, Firmenräume in einem echten Gebäude statt einer blechernen Lagerhalle, meine neuen Klamotten und noch ein paar Autos leisten konnte. Und das Haus für meine Mutter mitsamt Pflegerin.

Ein paar Seufzer antworten, dann ist alles still.

Mein Moment.

Meine Hand fasst automatisch in meine Haare, nicht mehr so lang wie früher und mit einem verdammt teuren Kurzhaarschnitt, wie mein Ausstatter mir riet. Ich vermisse das Gefühl der langen Strähnen, aber das hier ist nicht nur praktischer, sondern vor allem stylish. Vance grinst, er kennt meine Angewohnheit, mir durch die Haare zu fahren. Kein Wunder, ich bin innerlich angespannt, auch wenn ich mich cool gebe.

„Ich habe einen Vorschlag. Wie ihr wisst, entwickle ich Apps. Wie wäre es mit einer App, in der wir uns als Doms anbieten? Ich dachte an eine Art Dating-App, allerdings mit BDSM als Thema. Für den Anfang nur MaleDom/FemaleSub, sollte Interesse bestehen, kann ich sie später ausweiten für Switcher, weibliche Dommes und jede andere Kombination. Jeder Teilnehmer füllt seine Liste aus, wie ihr sie aus den Clubs kennt. Die App sucht das passende Match für euch.“

Alle reden durcheinander und ich lasse sie. Die Jungs müssen loswerden, was sie sagen wollen, bis sich einzelne Stimmen finden werden.

„Verstößt du damit nicht gegen irgendwelche Gender-Regeln?“

„Die App wird erst mal nicht öffentlich gemacht, die Subs müssen sich bewerben und ich werde sie von Hand auswählen. An Doms werden nur wir zugelassen und Leute, die ihr persönlich kennt. Ob wir je für andere öffnen, bleibt offen.“

„Wo soll man sich denn treffen? Das löst nicht das Problem eines Dungeons.“

„Jedes Paar kann sich nach Belieben bei einem der Mitglieder treffen oder in einem Hotelzimmer, aber auch in einem Swinger Club wie der Scarlet Ranch oder im Sanctuary.“

Aus dem aufsteigenden Raunen ist klar, dass das Sanctuary höchstens in Notfällen angesteuert werden wird. Die Besitzerin ist die Frau, die die Szene in Denver quasi übernommen hat und in eisernen Fäusten hält. Die Scarlet Ranch ist nicht gerade der sauberste Treffpunkt, aber sie verfügt zumindest über ein paar Räume, die man mit viel gutem Willen als Dungeon bezeichnen könnte.

Keine Orte, an die ich meine Dates führen werde, aber das muss jeder für sich entscheiden. „Was meint ihr zu dem Vorschlag?“

Die Jungs diskutieren. Ich lasse sie das in Ruhe tun.

Nach einer Weile kommen sie zu einem Ergebnis: Zustimmung. Ich soll loslegen.

„Noch etwas.“ Ich mache mich auf einen Sturm der Entrüstung gefasst. „Die Subs sollen für die Dates bezahlen.“

Die Jungs enttäuschen mich nicht. Es wird sehr, sehr laut, die Temperatur im Raum steigt um einige Grad an. Ich trinke mein Corona und bleibe gelassen, immerhin habe ich gute Gründe. Erst als Ruhe eingekehrt ist, lege ich sie dar. „Wird erst einmal bekannt, dass es eine solche App gibt, wird sie von Frauen gestürmt, so wie die Clubs gestürmt wurden nach dem Erscheinen der grauen Bücher. Das ist nicht hilfreich. Keiner von uns kann jeden Abend eine Session haben.“

„Außer mir“, grinst Dave. Alle lachen, weil Dave für sein Durchhaltevermögen bekannt ist. Er macht Yoga oder Tantra oder so einen Scheiß und kann achtzigmal kommen ohne tatsächlich zu kommen. Zumindest sagen das die Gerüchte.

„Außer dir, Dave. Wir anderen haben alle Arbeit und ein Leben.“ Dave zeigt mir den Mittelfinger, ich grinse ihn an. „Übrigens kann aus den Dates ja auch mehr werden. Wer weiß, vielleicht finden die, die suchen, dann eine feste Sub. Damit jedes Date oder besser gesagt, jede Session, auch wertgeschätzt und wahrgenommen wird, vorzugsweise mit der richtigen Einstellung und dem nötigen Ernst, sollen die Subs dafür bezahlen. Es schreckt all die ab, die die App – und damit uns Doms – nur mal testen wollen. Etwas, wofür man zahlen muss, hat einen Wert. Wir haben einen Wert und sollten uns nicht kostenlos anbieten.“ Wieder kommt Murmeln auf. Ich füge schnell noch hinzu, was ich zu sagen habe. „Was ihr mit der Kohle macht, ist euer Bier. Ihr könnt es ja spenden oder im Erfolgsfall zurückgeben, oder euch davon neue Toys kaufen, das ist mir völlig egal. Ich halte es für einen guten Weg. Sollte es nicht funktionieren, können wir das Ganze von heute auf morgen stoppen, indem ich die App zurückziehe.“

Vance stellt sich hin. Und wenn Vance sich stellt, herrscht selbst unter uns nicht gerade schüchternen Männern Ruhe. Er ist über zwei Meter groß und breit wie ein Schrank. In seinen Pranken kann er eine Frau halten wie eine Puppe. Doch er behandelt sie auch wie Puppen, extrem vorsichtig und achtsam. „Ich finde den Gedanken gut, dass meine Zeit, meine Gesellschaft, einen Wert hat. Machen wir es kostenlos, werden sich Tausende Frauen einfinden, die ein übliches Date erwarten: abgeholt werden, essen gehen, ins Kino und irgendwo dazwischen oder danach ein bisschen kinky Sex. Das wollen wir nicht. Zahlen sie, wissen sie, worauf sie sich einlassen. Fordere ich dann, sie soll ohne Unterwäsche durch den Park joggen, wo ich über sie herfallen will, wird sie das entweder tun, weil sie es will, oder sie wird es lassen. Ich bin für die Bezahlung.“

Alle lachen, Jordan schmeißt sich schier weg. Als würde Vance je über eine Frau herfallen!

„Wie verhindern wir, dass wir innerhalb von Tagen zum Stadtgespräch werden?“ Zander spricht ein Problem an, das ich bereits gelöst habe.

„Alle Pics werden nur mit Maske aufgenommen. Wie viel sie verdeckt, bleibt euch überlassen. Das gibt uns auch die Sicherheit, dass wir nicht nach Aussehen gewählt werden, sondern nach den Kinks auf der Wunschliste. Die App wird die Vorschläge unterbreiten, es kommt also darauf an, möglichst genaue Angaben zu machen. Da wir nicht sehr viele sind, wird es zu Beginn nur einen Vorschlag geben. Sobald mehr mitmachen, kann ich es auf zwei oder drei ansteigen lassen. Ihr seid alle Beta-Tester, ich erwarte Rückmeldungen. Ihr dürft andere einladen, wenn ihr die Hand dafür ins Feuer legt, dass sie zuverlässig sind. Ich wünsche euch allen eine Menge kinky Dates und viel Erfolg!“

„Wie soll die App heißen?“, fragt Benjamin.

„Call-a-Dom.“

Kapitel 1

TYLER

 

Auf dem Weg in mein Büro, das sich immer noch fremd anfühlt – immerhin enthält es echte Möbel, die zueinander passen und nicht vom Sperrmüll stammen – hole ich mir einen Kaffee. Die Maschine ist noch die gleiche, riesig, nicht gerade sauber, mit tausend Aufklebern versehen. Auch die Tassensammlung ist noch die Gleiche. Angestoßen, verfärbt und mit irren Sprüchen.

Meine Leute wollten das so, also habe ich die Kaffeemaschine wie vorher auch im Zentrum des Heiligtums aufstellen lassen, direkt neben dem doppeltürigen Kühlschrank, der mit Junk Food gefüllt ist. Es kam mir sehr entgegen, weil sich alles in mir sträubte, Geld für eine neue Maschine auszugeben, solange die alte noch lief. Jetzt sieht es genauso aus wie in der Lagerhalle neben dem Busdepot, in der wir vorher programmierten.

Schade eigentlich, dass ich hier mittendrin so wenig Zeit verbringe, aber ich habe inzwischen zu viel anderes zu tun. Verwaltung, Werbung, Personalentscheidungen … tausend Dinge, die ich noch lernen muss.

Ich ignoriere Moneypenny, die seit drei Monaten meine Sekretärin ist. Ich bin noch nicht bereit für ihre Termine und Unterschriften, deshalb biege ich gleich ab in mein Büro.

Wir haben in diesem Gebäude einzelne Räume abgetrennt für verschiedene Abteilungen, dabei fiel für mich ein Büro ab mit Vorzimmer. Alles Leichtständerbauweise hier drin, aber immerhin eine Tür, die ich verschließen kann und ein Raum, der nicht von allen einsehbar ist.

Ich rolle mit den Schultern, fahre mit beiden Händen in die Haare und kontrolliere meinen Anblick schnell im Spiegel. Heute ist ein Anzugtag, weil so ein Reporter kommt, zumindest meint Moneypenny, ich solle lieber nicht in einem meiner üblichen T-Shirts hier sitzen. Ich trage eines unter dem Hemd. If you don’t understand science, try religion steht darauf und ich kann es kaum abwarten, bis ich Sakko, Krawatte und Hemd ablegen kann. Okay, ich sehe nicht zerrupft aus. Die kleinen Narben an Oberlippe und Schläfe geben mir einen verwegenen Touch, der auch von dem Anzug nicht gedämpft werden kann. Erinnerungen an Kämpfe auf der Straße.

„Sir, Jordan ist hier für Sie“, tönt ihre Stimme aus dem Hörer.

„Nennen Sie mich nicht Sir, Moneypenny!“

Die Tür geht auf und ich höre, wie sie zu Jordan sagt, er solle mir ausrichten, Miss Peterson habe ihn angekündigt. Das zumindest entlockt mir ein Grinsen.

Jordan kenne ich seit meiner Kindheit. Er war der Erste, den ich mit ins Boot holte. Er ist genauso ein Freak wie ich, was Computer angeht. Dabei funktioniert sein Hirn ganz anders als meines, was uns so gut macht. Ich bin der kühle Rechner, selbst ein Computer, wie manche meinen. Er ist der Kreative, der Anwender, der, der meinen Programmierkünsten das Kleid gibt.

„Hi Tyler. Du wolltest wissen, wie das erste Match ausging.“

„Jordan. Berichte.“

„Sie war super süß und lieb, aber nicht die Richtige. Du weißt ja, dass ich auf Bondage stehe, was ihr nicht so viel zu geben schien. Wir haben uns unterhalten, es war also ein netter Abend, aber nicht mehr. Ich habe versucht, herauszufinden, auf was sie sonst steht, aber sie hat es mir nicht gesagt. Ob sie nicht konnte oder nicht wollte, konnte ich nicht feststellen.“

Er hat in der Zeit sein Handy herausgeholt, Call-a-Dom geöffnet und zeigt mir nun ein Foto. Süß ist richtig. Neben der Maske aus schwarzer Spitze, die es für ein oder zwei Dollar in jedem Store gibt, fallen vor allem ihre haselnussbraunen Haare auf, die ihr in wilden Locken über die Schultern fallen. Sie hat eine Figur mit Rundungen an den richtigen Stellen, ist laut Angabe 1,65 m groß und 24 Jahre alt.

„Sie war sehr unterwürfig und wollte, dass ich entscheide, was sie tun soll. Ich hatte das Gefühl, sie erwartete, ich würde mit ihr einfach tun, was ich will. Aber das ist nicht das, worauf ich stehe“, fährt Jordan fort.

Es ist aber das, worauf ich stehe. Ich stelle mir vor, wie sie vor mir auf allen vieren hockt, den nackten Arsch in die Luft gestreckt und mich bittet, sie zu ficken. Hm. Warum eigentlich nicht?

Ich selbst habe Call-a-Dom noch nicht ausprobiert. Zum einen, weil mir die Zeit fehlt, zum anderen, weil meine Wünsche andere sind als die des typischen Durchschnitts-Doms. Ich mag weder Bondage noch Spanking, weder Leder noch Latex.

Doch darum geht es jetzt nicht. „Ich werde das prüfen. Das sind genau die Fehler, die ich ausmerzen muss. Die App ist noch nicht perfekt.“ Was mich enorm wurmt. Mein Ziel ist Perfektion, immer und überall.

„Alles gut, Fehler gehören doch dazu. Ich glaube nicht, dass eine App perfekt sein kann, wir Menschen sind es ja auch nicht. Aber das ist auch okay so, oder? Lass es langsam angehen, keine Dating-App findet auf Anhieb den richtigen Partner, noch dazu mit der geringen Auswahl an Teilnehmern, die sich bisher angemeldet haben. Wie läuft es mit LiT? Bist du damit zufrieden?“

Meine App LiT, die zukünftig die Grundlage für mein Einkommen und das Gedeihen der Firma bilden soll, bietet alle Infos über die Stadt. Zur Zeit nur die der Großregion von Denver, bis sie ausgereifter ist, zumindest. Nicht umsonst habe ich sie Living in Town genannt, damit sie wachsen kann und überall anwendbar ist.

Ich klicke auf die nächste Seite, die auf dem linken Bildschirm zu sehen ist. Die Ergebnisse meiner neuesten Entwicklung, das Werkzeug meiner Rache. Der Anstieg der Nutzer ist nicht nur stetig, sondern exponentiell. „Berechnet auf die Einwohnerzahl sind wir bei 5,34 %. Also noch steigerungsfähig, aber nicht schlecht.“

„Nicht schlecht? Mann, das sind …“

„Mehr als 155 K“, falle ich ihm ins Wort. Ich habe es selbst errechnet, aber die Zahl steht auch in der Statistik. „Noch längst nicht die Zahl, die ich mir vorgestellt habe.“ Dabei liegt sie etwas über dem Trend, den ich vorherberechnet habe, was mich zufriedenstellt. Einen Dollar je Monat. Eine nette Zahl, aber noch nicht das, was mir vorschwebt. Im Einzugsgebiet von Denver wohnen drei Millionen Menschen. Da geht noch was.

„Was wirst du mit der Kleinen tun?“

Jordan spricht eindeutig nicht mehr von meiner App, sondern von der Frau.

„Ich werde sie selbst besuchen und dabei ihre Angaben prüfen. Der größte Fehlerquotient ergibt sich aus der Differenz zwischen Wünschen und Realität, das betrifft alle Datingplattformen. Selbst ohne den Faktor Aussehen haben wir bisher 128 Parameter, an denen gedreht werden kann. Die AI muss lernen, das einzuschätzen.“

„Wirkt die künstliche Intelligenz auch in dieser App? Ich dachte, die hättest du nur in LiT eingebaut.“

„Das ist die Besonderheit an der App. Sie lernt. Mit jedem Vorgang. Warum sollte ich diese Fähigkeit nicht auch bei Call-a-Dom anwenden?“

Ein Summen erinnert mich an den nächsten Termin. Die Presse mal wieder.

Jordan weiß, was das Summen bedeutet. „Ich mache Platz und störe nicht weiter. Ich werde nächste Woche ein Date mit dem nächsten Match machen. Ich dachte nur, du solltest wissen, wie das erste Date ausgegangen ist.“

„Ich bitte darum, mir auch weiter Bescheid zusagen. Aber vergiss nicht, den Fragebogen zur Nutzung auszufüllen, den kann ich direkt einlesen lassen.“

Jordan winkt mir zu und öffnet die Tür für einen Journalisten. Die treten mir so langsam die Tür ein, ich schätze, es wird schlimmer, wenn LiT noch weitere Kreise zieht.

„Mr. Jenkins, danke, dass Sie mir etwas von Ihrer Zeit widmen.“

Während der Kerl seinen Sermon über meinen bisherigen Erfolg und den überraschenden Wert der Spiele-App, die meinen neuen Reichtum begründet, herunterspult, sende ich noch eine Nachricht über Call-a-Dom an die Frau, die Jordans Vorstellungen nicht entsprach. Schade, ich dachte, die App würde problemloser laufen. Umso wichtiger, dass ich die Fehler eliminiere. Ich sende die Entschuldigungsnachricht, in der kostenfrei ein neues Date angeboten wird, und sorge dafür, dass ich ihr als Match vorgeschlagen werde.

„Mr. Jenkins, Sie sollen außer LiT noch weitere Apps am Start haben.“

Ich hasse es, wenn sie einfach Behauptungen aufstellen. Ich beiße die Zähne zusammen, doch er stellt keine Frage. Also dann. „Ich habe eine Reihe von Apps entwickelt, wie Sie sicher wissen.“

„Ich meine eine Dating-App.“

„Auch auf diesen Markt werde ich sicher in Zukunft meine Fühler ausstrecken.“

„Auch wenn es dabei um Sex geht?“

Ah, da liegt also der Hase begraben. Ob ich herausfinden werde, wer von den Teilnehmern etwas verraten hat? „Haben nicht alle Dating-Apps Sex zum Ziel? Natürlich wünschen wir uns alle eine Welt, in der die Menschen nur Gutes tun und erst heiraten, ehe sie Sex haben“ – ha! Als würde das irgendwie helfen! „Aber wir alle wissen, dass es letztlich nur um Sex geht. Was stört Sie daran?“

„Och, nichts“, winkt er ab.

Blödsinn, ich kann doch sehen, was in ihm vorgeht. Ich halte die Gereiztheit, die mich packt, unter Kontrolle. Nicht jetzt. Nicht hier. Ich kann und will das Thema der App nicht in der Öffentlichkeit breittreten, deshalb sollte meine Verbindung auch geheim bleiben. Ich hasse, dass etwas herausgedrungen ist. Sollte keiner der Teilnehmer daran schuld sein, muss es ein Entwickler sein. Ein Grund, alle Angestellten unter die Lupe zu nehmen. Ich werde Moneypenny damit beauftragen.

„Ich merke, dass Sie nichts weiter zu diesem spannenden Thema sagen wollen. Darf ich etwas mehr über Ihre Vorgeschichte erfahren, Mr. Jenkins?“

Sein Gesicht erinnert mich an eine Ratte mit dem spitzen Kinn und der Art, wie er ständig versucht, durch das Rümpfen der Nase seine schlecht sitzende Brille hochzuschieben.

„Nein, das dürfen Sie nicht. Das ist privat. Genauso wie Sex privat ist, wie Sie sicherlich wissen.“

Er steht abrupt auf. „Sie haben recht. Aber wenn es um Celebrities geht, ist letztlich nichts mehr privat, wie SIE sicher wissen. Und Sie sind ja gerade dabei, in diese erlauchten Kreise einzusteigen. Sie haben mit dem Verkauf des Spiels eine Menge Geld verdient. Sie haben eine neue Wohnung in einer sehr guten Wohngegend gekauft, nicht wahr? Und Sie sind eingeladen zum Wohltätigkeitsball The Carousel Ball, eine große Ehre.“ Er betrachtet mich lauernd. „Nun ja, bis dahin ist ja noch Zeit.“

„Ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt teilnehmen will.“ Erst als ich es ausgesprochen habe, merke ich, dass ich auf ihn reingefallen bin. Er will genau solche Aussagen hören, die beweisen, dass ich nie zur Society gehören werde. Dass ich nie dazugehört habe. Der Reporter, der mir das nachweisen kann, bekommt vermutlich eine Prämie von Mr. Wayne, unserem Bürgermeister.

„Oh, ja, ich weiß. Sie sind ebenfalls eingeladen zum Denver Petroleum Club Charity-Ball.“

Wieder eine Aussage. Diesmal nicke ich nur. Das ist kein Geheimnis. Das Anliegen des Balls ist gut, ich will es unterstützen. Ob ich mich dafür allerdings unter die High Society mischen muss, steht noch nicht fest.

Der Reporter verabschiedet sich und geht und ich bleibe zurück mit dem Gefühl, das ich hasse wie die Pest: Ich habe keine Kontrolle über das, was er über mich schreiben wird.

Ich beauftrage Moneypenny damit, die Verbindungen der Abteilung CaD, wie die Entwicklung von Call-a-Dom heißt, mit Reportern zu prüfen. „Selbstverständlich Mr. Jenkins.“ Ein Namensschild steht vor ihr, wie wir es in der Schule benutzten: Der Name mit bunten Farben geschrieben, mehrfach umrandet, sodass es psychedelisch wirkt und mir Kopfschmerzen bereitet. Ich kann kaum das Wort Peterson entziffern. „Wenn Sie schon dabei sind, Moneypenny, überprüfen Sie auch den Kerl, der eben hier war. Ich weiß nicht mehr von ihm, als dass er für das Denver Daily Journal schreibt.“

Eine Nachricht von Call-a-Dom ist eingetroffen: Userin ‚Gehorsam‘ hat das Date bestätigt.

Ich werde heute Abend also eine Session haben. Vielleicht kann ich da meinen Frust abbauen, wenn sie so gehorsam ist, wie sich ihr Profil liest. Mein Schwanz zuckt. Down Boy. Sie will keinen Sex, ich darf sie maximal fingern, einer der wenigen Punkte, die sie mit ‚möchte ich ausprobieren‘ gekennzeichnet hat. Zum Glück, sonst könnte ich es gleich bei einem Onlinedate belassen. Aber Sex brauche ich auch nicht zum Abreagieren. Mir sind andere Dinge wichtiger.

Dennoch soll sie nicht so leicht davonkommen. Ein bisschen Vorbereitung hat noch nie geschadet. Mit einem Zucken im Mundwinkel schreibe ich ihr eine Nachricht: Kleid, kein Slip.

 

 

Am Nachmittag habe ich einen Termin, der nicht in Moneypennys Kalender steht.

Ich stehe abseits der Menschenmenge, die sich auf dem leeren Grundstück versammelt hat. Mein Blick hängt an der Figur auf dem kleinen Podest, das speziell für diesen Zweck gebaut wurde. Der Bürgermeister. Breitschultrig, klobig, aus dieser Entfernung nur eine schwarze Figur, und doch sieht man an dem Abstand um ihn herum, dass er es ist. Respekt haben sie vor ihm, wie es in den Zeitungen heißt, aber ich schätze, es ist eher Angst. Er hat sie alle in der Hand, inklusive der Presse, die über ihn schreibt. Wer hätte gedacht, dass ein Mann wie Wayne es so weit bringen kann? Seine dunkle Hautfarbe täuscht über seine Herkunft hinweg. Er entstammt keineswegs einer armen Familie, wie er gerne weismachen würde, sondern der Elite von Denver, sogar einer der reichsten Familien. Wie sonst wäre er zu diesem Posten gekommen? Man wählt niemanden aus den Slums. Was verständlich ist, die Menschen erwarten Bildung und Benehmen und Weitsicht und Diplomatie bei einem Politiker.

Ich löse meine Fäuste, atme tief durch und konzentriere meine Wut auf ihn, wünsche mir, er könnte sie spüren wie einen Pfeil.

Zwei Polizisten gehen an mir vorbei, einer von ihnen beäugt mich misstrauisch. Ich kann verstehen, dass sie so schauen. Ich bin mit meinen 1,85 m nur durchschnittlich groß, aber unter dem schwarzen T-Shirt zeichnen sich Muskeln ab, die von echtem Training kommen. Dazu meine aggressive Grundstimmung, die zusammengebissenen Zähne, Wut und Hass im Blick. Ich würde mich auch misstrauisch betrachten.

Keine Sorge, bin ich versucht, ihnen zuzurufen. Keine Sorge, ich werde mich nicht mit körperlicher Gewalt an ihm rächen. Ich habe andere Wege gefunden. Sie fangen gerade erst an, zu wirken. Ich finde, sie sind effektiver als Gewalt. Sie treffen ihn nämlich da, wo es ihm richtig wehtut – an seinem Geldbeutel und an seiner Ehre.

Ich blicke mich um und sehe noch so einige Gestalten hier am Rand stehen, die ihm, ähnlich wie ich, die Pest an den Hals wünschen. Menschen, die hier einmal gewohnt haben, gelebt haben, die hier Kinder geboren und großgezogen haben und deren Eltern und Großeltern schon hier lebten. Doch im Gegensatz zu mir sind sie hilflos.

Ich nicht. Ich habe mir damals geschworen, dass ich alles tun würde, um stark zu werden. Ich wollte nichts mehr als einen Weg finden, mich zu rächen. Jetzt bin ich in dieser Position. Ganz anders, als ich es mir damals vorgestellt hatte. Ich bin kein Hacker geworden und ich unterbreche nicht die Stromzufuhr, wenn er im Aufzug steckt. Ich lasse nicht die Ampeln ausfallen und sorge dafür, dass er von Hunderten von Autos überfahren wird. Ich sorge nicht für einen Kurzschluss in seinem Warnsystem, sodass ihm die Hütte über dem Kopf abbrennt. Kindische Vorstellungen, die ich als Jugendlicher hatte. Darüber bin ich längst weg.

Ich habe den modernen Weg gewählt, ihm zu schaden.

Jetzt muss ich nur noch abwarten, alles fügt sich zusammen.

Nicht alles, leider. Für manches ist es zu spät, aber auch daran ist er schuld.

Das Telefon klingelt. Ich gehe dran, ohne das Arschloch aus dem Blick zu lassen. „Hilfe, hol mich hier raus!“

Ich atme tief durch, dann unterbreche ich ihren Redefluss. „Hi Mom.“

In einem übertrieben lauten Flüstern erklärt sie mir: „Diese Wärterin lässt mich nicht raus! Ich werde gefangengehalten. Du musst Lösegeld zahlen. Du musst einfach! Hol mich raus, Ty, bitte!“

Ihre Worte zerreißen mich innerlich. Diese Abkürzung habe ich mir mit 13 Jahren verbeten, seitdem bin ich nur noch Tyler. Für alle. Außer Mom.

Ihr Flehen, dem ich nicht nachkommen kann, weil sie einfach davon wandert, sobald die Türen offen sind, geht mir zu Herzen.

Ich lache, wenn es sich auch eher verzweifelt anhört. „Mom, bleib bitte dort. Ich komme dich am Wochenende besuchen. Nur noch zwei Tage, okay? Hast du heute schon getanzt? Zu welcher Musik?“

„Ich will aber nicht tanzen. Ich will hier weg. Raus aus diesem Knast, Franky! Ich halte das hier nicht mehr aus!“

Oh, der Name ist neu. Keiner meiner Stiefväter hieß Frank. „Mom, ich bin Tyler. Warum malst du nicht noch ein Bild oder hörst Musik?“

Das Gespräch ist zu Ende, ohne Verabschiedung, ohne ein weiteres Wort.

Es gibt Momente, an denen sie sich erinnert, an denen ich mit ihr reden kann. Aber ich freue mich nicht darauf, weil sie dann weiß, was mit ihr geschieht.

Ich kann ihr nicht helfen. Niemand kann ihr mehr helfen. Niemand hat uns geholfen, als es nötig gewesen wäre.

Auch sie hat nichts getan. Mom kann tanzen, sie kann Männer umgarnen, sie kann hübsch aussehen. Mehr nicht.

Die alte Bitterkeit kommt wieder hoch. Sie konnte nichts weiter tun, sie ist einfach nicht sonderlich intelligent. War nie sonderlich intelligent, sollte ich sagen. An ihrer Demenz kann ich ihr nicht die Schuld geben, auch nicht an ihrer geringen Bildung. Ja, sie ist mit schuld an unserem Schicksal, aber ein anderer noch viel mehr. Der Mann, der gerade den Spaten in die Hand nimmt und ihn symbolisch in einen winzigen Haufen sehr losen Sand steckt.

Er ist schuld. Dass ich erst seit einem Jahr fähig bin, meine Mutter vernünftig unterzubringen. Dass ich erst aus dem Sumpf rauskommen musste, in dem wir gelandet waren. Diese Bitterkeit zerfrisst mich und ich weiß nur einen Weg, sie zu dämpfen: Ich muss den Mann dorthin schicken, wo wir waren. Ganz nach unten.

Das ist mein Ziel. Immer und mit allem, was ich tue.

Kapitel 2

HOLLY

 

Ich raufe mir die Haare. Leider bleiben meine Hände in den schon wieder wirren Locken hängen. Mist, ich will mir gar nicht vorstellen, wie das aussieht. Ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, fasse ich nach dem Haargummi und mache mir einen Pferdeschwanz.

Verdammt! Ich habe da so eine vage Idee. In Apps wird doch immer Werbung eingeblendet. Das könnte ich auch nutzen. Nur weiß ich nicht mal, wie ich da rankomme. Bisher habe ich versucht, einen der Entwickler oder die Firma, die Apps herausbringt, zu finden. Es gibt eine neue App nur für Denver, die käme dafür infrage.

Ich beiße die Zähne zusammen. Alleine die Tatsache, dass ich Zeit zum Suchen habe, sagt ja schon alles. Wenn nicht bald mehr Aufträge reinkommen, wird dieser Monat sehr schlechte Zahlen bringen. Ich habe schon Flyer in Geschäften verteilt, habe Aushänge an Schwarzen Brettern gemacht und ab und an poste ich was in den sozialen Medien, aber da habe ich kaum Freunde oder Follower, das geht genauso ins Leere wie die anderen Methoden.

Eine Nachricht!

Nein, kein Auftrag.

Anstatt dass ich beauftragt werde, geht es um einen, den ich erteilt habe. Die App Call-a-Dom meldet mir, dass ich das Anrecht habe auf einen Ersatztermin mit einem anderen Dom, da das erste Date als unzufriedenstellend eingestuft wurde. Hm. Ich habe nichts dergleichen gemeldet, das würde ich nie tun. Der Typ war supernett. Er hat mich ein bisschen gefesselt. Wir haben gelacht und uns unterhalten. Alles in allem ein netter Abend.

Okay, okay, selbst ich erkenne das Problem: Ein Date mit einem Dom, eigentlich also eine Session, sollte nicht nett sein. Noch dazu, wo ich dafür bezahlt habe. Es hätte zumindest befriedigend verlaufen müssen. Oder zufriedenstellend. Auch ohne Sex. Den ich sowieso nicht erlaubt habe, vielleicht auch ein Grund, weshalb es bei nett blieb.

Wer ist der Neue? Die Männer tragen alle Masken, wie ich auf meinem Profilbild auch. Wenn die App meint, dieser sei mein Match, dann nehme ich ihn einfach. Wann? Heute Abend wird mir vorgeschlagen. Mein Herz klopft auf einmal sehr heftig. Ich stelle mir vor, wie ich ihn nackt an der Tür empfange. Der Unbekannte steckt mir als Erstes mehrere Finger in die Pussy, um zu prüfen, ob ich schon feucht bin. Fingern habe ich erlaubt, sonst so gut wie nichts. Oh Mann, vor meinen Augen läuft ein Film ab und ich bin innerhalb von Sekunden hocherregt. So sollte ein Date sich abspielen. Es ist ja nicht so, als hätte ich keine Vorstellung davon im Kopf.

Es klingelt. Mist. Das ist Lucy. Nun bin ich doch zu spät dran.

Ich bestätige mit einem Klick das Date. Wer weiß, ob ich es mich später noch trauen würde.

Dann sprinte ich zur Tür. „Hi, komm rein, ich muss mich noch umziehen.“

„Hast du viel Arbeit?“ Lucy kommt mir hinterher und wartet in der Tür zum Schlafzimmer.

„Nein, leider nicht. Ich war beschäftigt mit der Suche nach Männern.“

„Cool! Das ist auch meine Lieblingsbeschäftigung.“

Ich höre an ihrem Ton, dass ich etwas Blödes gesagt habe. „Du weißt doch, was ich meine. Ich suche einen dieser App-Entwickler.“

„Und wenn es eine Frau ist?“

„Ich wünschte, es wäre eine. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ich weiß nur, dass viel mehr Männer in diesem Bereich arbeiten. Na, jedenfalls bin ich meinem Ziel noch keinen Schritt nähergekommen. Fällt dir noch eine Möglichkeit ein, wo ich für ganz wenig Geld Werbung machen kann?“

„Für dich oder für deinen Job?“

„Ha ha! Fürs Geschäft natürlich. Den anderen habe ich schon.“

Lucy richtet sich auf, sie ist jetzt ganz Ohr. „Echt? Erzähl!“

Oh nein. Das ist nicht ganz das Thema, das ich mit ihr besprechen mag. „Ich hatte ein Date, aber das war nicht ganz zufriedenstellend, deshalb wurde mir ein zweites angeboten.“ Warum habe ich Hemmungen? Sie weiß, was ich mit ihrem Geburtstagsgeschenk angefangen habe.

„Nicht ganz zufriedenstellend? Das ist so typisch für dich. Du kannst ruhig sagen, dass es scheiße war. Das ist dein gutes Recht.“

„War es nicht. Es war nett. Aber so sollte ein Date nicht sein. Also hat man mir ein zweites angeboten als Ersatz. Ohne Kosten.“

„Ich finde es immer noch seltsam, dass du dir einen Kerl kaufst. Sollte es nicht eher umgekehrt sein?“

Ich hebe den Kopf und halte mit dem Schuhebinden inne. „Du meinst, ich sollte mich dafür bezahlen lassen?“

Lucy grinst breit über meinen entsetzten Gesichtsausdruck. „Wenn du es so formulierst … Aber was ist besser daran, wenn du ihn bezahlst?“

„Theoretisch …“, ich ziehe sie hinter mir her und greife mir den Haustürschlüssel, „theoretisch soll das dafür sorgen, dass sich die Doms mehr Mühe geben und die Subs auf diese Art wissen, dass sie das Sagen haben.“ So stand es jedenfalls in der App.

„Und praktisch?“

Wir laufen los, erst mal langsam durch die Straßen. Ich winke Danny zu, dem Sohn meiner Nachbarin, der vor dem Haus den Ball in den Korb wirft, immer und immer wieder. Ich mag seine Hartnäckigkeit. Und ich weiß, dass er sonst kaum Spielsachen hat, weil seine Mutter sich nicht mehr leisten kann. Ich rede ganz leise weiter, damit er nichts davon mitbekommt. Kinder haben ihre Ohren überall, wie ich aus Erfahrung weiß. „Praktisch ist es so, dass wir Subs nur sagen müssen, was wir wollen, der Dom übernimmt dann den Rest.“

„Seit wann weißt du, was du willst?“

„Ich weiß, was ich will.“ Leider ist meine Aussage nicht so bestimmt, wie sie klingen sollte. „Ich habe eine ganze Menge Zeug angekreuzt.“ Ich muss ihr ja nicht verraten, dass ich fast überall nur ‚interessiert‘ oder ‚bereit, es für den Partner auszuprobieren‘ angekreuzt habe.

„Weißt du, Holly, ich denke, du solltest wirklich mehr deine Wünsche äußern. Wenn du das bei einem Mann tust, brauchst du auch nicht dafür zu bezahlen. Du musst einfach lernen, dich zu entscheiden.“

„Ich hab mich doch entschieden.“ Wir biegen ab zum Ketring Park, wo wir eine Runde um den See laufen können. „Deshalb habe ich ja heute noch ein Date.“

Lucy bleibt stehen und ich bremse ab, drehe um und laufe auf der Stelle. „Was jetzt?“

„Du hast heute ein Date und läufst mit mir? Bist du verrückt? Du solltest zu Hause sein und dich schick machen! Baden, cremen, enthaaren, schminken!“

„Ach komm. Ich habe mich gestern erst rasiert und die Haare gewaschen.“

„Holly Golightly! Wir drehen sofort um und laufen zurück. Du wirst sofort unter die Dusche steigen, deine Haare noch mal waschen, dich noch mal rasieren und dich noch mal eincremen. Und dann wartest du auf dein Date, sofern du überhaupt noch eine Minute übrig hast. Los! Komm zurück!“

Mist. Sie nennt mich nur nach der Figur aus Frühstück bei Tiffany, wenn sie es ernst meint. Meine Schwester Pat hat damit begonnen, aber bei ihr ist es mehr liebevoll gemeint.

Bei Lucy ist es ernst, denn sie will mir damit sagen, dass ich den Arsch endlich hochkriegen soll.

Also laufen wir zurück.

„Wie geht es den Nervensägen?“, fragt Lucy. Sie ist natürlich kein bisschen außer Atem, weil sie viel mehr Sport treibt als ich. Dass sie mit mir läuft, ist eher ein Akt der Gnade als eine Herausforderung für sie.

„Pat und Paddy haben einige Kurse zusammen, das ist super. Pat kommt mit ihrer Zimmergenossin noch nicht ganz klar, während Paddy schon die erste Party geschmissen hat. Und Sabrina ist ganz ins Lernen vertieft, wie immer.“ Die älteste meiner allesamt jüngeren Geschwister war schon immer sehr fleißig, während die Zwillinge alles locker nehmen.

Mit dem Gespräch über meine Geschwister schaffen wir es bis zur Haustür. Kein Wunder, da gibt es Unmengen zu erzählen.

„Ich rufe dich morgen an. Ich will alles wissen! Hast du verstanden? Alles, Holly!“ Sie bewegt die Hüften und deutet ein Pumpen an.

Ich lache heftig. „Das gehört nicht dazu. Jedenfalls nicht beim ersten Mal!“ Dass er verlangt, ich solle den Slip weglassen, schiebe ich beiseite, wenn es auch einen Schauder bei mir hervorruft.

„Wage es, darauf zu verzichten. Ich bin sicher, du kannst dich noch umentscheiden. Du hast doch nur ein Date, oder? Denk daran: Sag ihm, was du willst. Du zahlst, es ist dein gutes Recht!“

Ich bin alleine und die Spannung kocht hoch, die ich eigentlich mit dem Lauf abbauen wollte. Bei dem ersten Date war ich so aufgeregt, doch die Aufregung war für die Katz. Jordan war nett, wir haben uns gut unterhalten, aber ich habe nichts von dem gespürt, was ich mir erhofft hatte.

Beruhigend ist der Gedanke, dass ich einfach zu viel erwartet habe. Wie soll ein per App ausgesuchter Dom das tief in mir ansprechen, das ich selbst kaum benennen kann? Unmöglich. Ich werde also ein zweites nettes Date hinter mich bringen. Das geschenkte Geld ist damit aufgebraucht. Ich werde Lucy erzählen, wie glücklich es mich gemacht hat und dass ich mich endlich getraut habe, das ist der eigentliche Gewinn dabei. Meinem Weg in die BDSM-Szene von Denver steht nun nichts mehr im Weg.

Na ja, außer, dass ich nie in einen Club gehen werde. Egal. Ich bin 24, ich habe Zeit. Es wird nur keine Wischiwaschi-Dates mehr geben und erst recht keinen weichgespülten Sex, wie ich ihn bisher hatte.

Kapitel 3

TYLER

 

Ich nehme den Mustang für die Fahrt nach Littleton, einer Vorstadt im Süden, die schon längst vom Moloch Denver geschluckt wurde. Nur zwanzig Minuten Fahrt. Ich wähle den Highway, dort darf ich immerhin 45 Meilen pro Stunde fahren anstatt der 30 auf dem Santa Fe Drive. Das ist zwar nicht das, was ich mit dem Mustang Shelby gerne fahren würde, aber ich werde keine Strafe zahlen für etwas, das sich vermeiden lässt. Ich kann das Auto ausfahren, wenn ich eine der Landstraßen in die Rockies nehme, die kurvigen Strecken sind genau das Richtige dafür.

Nachdem ich bis zur letzten Minute mit den neuesten Ergebnissen meiner Apps beschäftigt war, muss ich erst einmal durchatmen. Ich will in das richtige Mindset kommen, um die Session gedanklich vorzubereiten. Die Kleine hat als Treffpunkt ihr Haus vorgeschlagen, was eher ungewöhnlich ist. Ich habe das erst kurz vor der Abfahrt festgestellt, weshalb ich mich für ein Date außer Haus gekleidet habe. Dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd, hellgraue Krawatte, auf Hochglanz polierte Schuhe. Die meisten bisherigen Dates fanden in Hotels statt.

Auch Jordan war bei ihr im Haus. Ist sie vertrauensselig oder hat sie einen Kerl, der auf sie aufpasst? Ich werde es sehen.

Erst als ich mich genauer mit ihr beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, dass sie keine Wünsche geäußert hat. Sie ist interessiert. Sie ist bereit, es auszuprobieren. Das ist ungünstig, weil es eine schlechte Grundlage für die App bietet. Eine solche Auswahl sorgt dafür, dass sie jedem Dom vorgeschlagen wird, und das ist nicht Sinn der Sache. Umso wichtiger ist es für mich, das zu prüfen. Call-a-Dom kann lernen, aber nur aus den Daten, die ihr gefüttert werden.

Gefüttert – das erinnert mich an Mom.

Ich schnaube wie ein Bulle bei einem Rodeo. Nicht, dass Mom gefüttert werden wollte oder müsste. Im Gegenteil. Wenn die Pflegerin nicht aufpasst, verschwindet die Wochenration an Süßigkeiten innerhalb von Minuten.

Ich hatte über zwanzig Nachrichten, aber noch habe ich nicht geantwortet. Ob es überhaupt Sinn macht, ist mir egal. Sie bekommt jeden Tag eine Antwort von mir, wenn auch nicht auf ihre Beschwerden. Denn nichts anderes steht in den Nachrichten. Sie hat mich eingesperrt! Ich will hier raus!! Ich bin im Gefängnis, kannst du bitte Kaution stellen!!!Diese Wärterin ist gemein zu mir!!!! Und so weiter und so fort.

Später kam noch eine Mail von der Pflegerin. Mom hat erneut einen Plattenspieler gekillt. Jetzt ist der letzte an der Reihe, ich muss also eine neue Fuhre nachbestellen. Seit ich mir das leisten kann, nimmt es kein Ende. Was würde sie tun, wenn ich mit meinen Entwicklungen kein Geld verdienen würde? Mich schaudert die Vorstellung.

Schluss. Jetzt geht es um diese Sub, Gehorsam. Blöder Name. Mal sehen, ob sie noch einen anderen auf Lager hat.

Ich halte vor einem Einfamilienhaus, das auf einem großen, eher ungepflegten Grundstück liegt. Ich kann nicht allzu viel erkennen, die Sonne ist schon untergegangen und der Mond ist hinter den Wolken nicht zu sehen. Es ist immerhin trocken, so werden meine Schuhe nicht matschig auf dem Weg zum Eingang. Leider ist das Pflaster eher holprig.

Das hier ist eine reine Wohngegend, die Häuser sind schon älter und variieren sehr in ihrem Erhaltungszustand.

Ich beiße die Zähne zusammen, weil mich auf einmal die Erinnerung überfällt. Als Kind und vor allem in meiner Jugend habe ich mich nach einer solchen Wohngegend gesehnt.

Ich kann spüren, wie die alten Gefühle wieder hochkochen. Der Groll gegen meine Mutter, weil sie es nicht geschafft hat, unseren Niedergang aufzuhalten. Später der Groll gegen mich selbst. Ich hätte schon früher meinen Arsch hochbekommen müssen und mein Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Unser Schicksal. Immerhin lebt Mom jetzt auch in einer schönen Wohnung mit allem, was ihr Herz begehrt. Sogar mit Plattenspielern und einer Sammlung von Platten, um die sie so mancher beneiden würde.

Schluss damit!

Das Haus verrät mir nichts über die Bewohnerin. Sie ist 24, also drei Jahre jünger als ich und hat keine besonderen Vorlieben. Viel mehr weiß ich nicht über sie. Nun denn, dann werde ich es mit meinen Vorlieben versuchen und sehen, wohin mich das führt. Einen Grund muss es ja geben, warum sie Jordan als Match vorgeschlagen wurde.

Auf dem Weg zur Tür fällt mir noch eine andere Möglichkeit ein. Sie will gefallen und lügt dafür. Würde mich nicht wundern. Frauen sind so. Gerade Subs neigen dazu, ihre Wünsche hintanzustellen, anstatt sie klar zu äußern.

Ich lege die Maske an, schwarzer Satin legt sich sanft auf meine Haut. Die Schlitze schränken die Sicht nur wenig ein, ich habe sie zusammen mit den Anzügen maßschneidern lassen.

Auf mein Klingeln öffnet sich die Tür.

Sie sieht genauso aus wie auf dem Profilbild. Ein zartes Gesicht unter einer schwarzen Spitzenmaske. Was mir zuerst auffällt, ist ihr Haar. Wilde Locken in der Farbe von Haselnüssen, mit nur einem zarten Anflug von Röte, wo sie das Licht reflektieren. Sofort habe ich das Bild vor meinen Augen, wie ich mit beiden Händen in diese Pracht fasse und sie dahin dirigiere, wo ich sie haben will, zu meinen Füßen, auf die Knie. Nicht schlecht!

Ihre Figur unter dem schwarzen, eng anliegenden und irgendwie glitzerndem Kleid mit einem in Falten hängenden Ausschnitt ist gut, so einige Rundungen, aber ich habe da keine Vorlieben. Mir ist das Verhalten wichtiger als die Figur. Klar, ich reagiere auf Titten und Arsch wie jeder Vollblutmann, aber noch viel heftiger auf Unterwürfigkeit und Submission. Davon zeigt sie leider nichts.

„Komm doch rein. Du bist sicher Sir T.“

Ich sage nichts und gehe an ihr vorbei durch eine Diele, die zwar voll ist mit Möbeln, trotzdem leer wirkt, weil an den tausend Hängern an der Wand keine Jacken hängen und die Regale für Schuhe nur wenige Paare enthalten. Die Wände hängen voller Bilder, Kinder in allen Altersstufen. Ich hoffe nur, dass die nicht zu Hause sind.

Sie schließt die Tür hinter mir und sofort drehe ich mich um. „Auf die Knie.“

Keine Reaktion. Na ja, schon eine Reaktion, aber nur große Augen, offener Mund, Erstarren mitten in der Bewegung.

Ich warte.

Sie löst sich aus der Starre. „Äh, ich bin Holly.“

Ich warte.

Ihre Augen huschen in alle Richtungen, als würde sie Hilfe suchen. Ob sie die finden wird? Nicht von mir.

Dann endlich reagiert sie, geht auf ein Knie, senkt das andere Bein. Schaut mich fragend an.

Ich warte noch eine Weile. Immerhin ist sie still. Wenigstens etwas. „Sind wir alleine im Haus?“

Sie nickt.

„Ich erwarte Antworten. Hörbare Antworten. Klare Antworten. Und eine respektierliche Ansprache.“

„Ja, Sir.“

Na also. „Sind das deine Kinder?“ Unmöglich, sagt mein Verstand. Sie kann zwar Kinder haben, aber diese Bilder zeigen die Entwicklungsstufen von klein zu groß.

„Nein, das sind meine Geschwister.“

Ich schaue sie an und warte.

„Nein, Sir“, kommt es endlich.

„Dann können wir das ganze Haus nutzen?“

Ich sehe ihre Irritation, die Überlegung, was sie darauf antworten soll, ihr Abwägen. Ich mag es, eine Sub auf dem Sprung zu halten.

„Na ja, nicht ganz. Die Räume meiner Geschwister nicht. Sie sind zwar nicht hier, aber …“ Ihre Stimme verliert sich. Auf mein Starren kommt irgendwann doch noch eine Antwort. „Das Wohnzimmer und mein Schlafzimmer. Das Bad, die Küche und die Diele.“ Erst nachträglich fügt sie noch „Sir“ hinzu.

„Wo geht es zum Wohnzimmer?“

„Dort entlang, Sir, die Tür steht offen.“ Sie zeigt auf eine Tür hinter mir.

Das Haus ist kühl, zu kühl für meinen Geschmack. Da wir noch längst keine heißen Sommertage hatten, an denen gekühlt werden müsste, hat sie wohl die Heizung sehr niedrig stehen. Das Wohnzimmer ist einfach eingerichtet. Es sieht eher aus wie der Gemeinschaftsraum einer Studentenverbindung, in der ich einmal auf einer Party war. Secondhand-Möbel, ein viel zu kleiner Fernseher. An der Größe des Raums ist nichts auszusetzen, auch wenn er nicht einmal so groß ist wie meine Küche. Größer als die Häuser, in denen ich und Mom und einer meiner vielen Daddys gewohnt haben, erinnere ich mich. Aber das ist irrelevant.

Ich lasse mich auf dem Sofa nieder. Da sie mir nicht gefolgt ist, rufe ich sie. Ich bin gespannt, wie sie reagiert. „Holly. Komm her.“

Kapitel 4

HOLLY

 

Ich bin verwirrt. Eben noch hockte ich am PC, um mir die Zeit bis zur Verabredung zu vertreiben, und suchte nach neuen Möglichkeiten, an die Entwickler einer App heranzukommen. Jetzt knie ich in meinem Flur und schaue dem Kerl hinterher, der ins Wohnzimmer gegangen ist. Er sieht gut aus, glattrasiert, hohe Stirn, dunkle, kurzgeschnittene Haare, schlank und groß, bestimmt über einsachtzig. Vor allem beeindruckt mich seine Kleidung, ein sehr feiner Anzug in einem dunklen Grauton, der ihm perfekt passt, weißes Hemd mit Krawatte und sogar eine Weste unter dem Sakko. So was Edles war noch nie hier im Haus. Na ja, Paddy hatte einen Anzug an bei der Zeugnisübergabe, aber niemals so einen wie dieser. Auch nicht so glänzende Schuhe, die aussehen, als seien sie gerade aus der Verpackung gekommen.

„Holly. Komm her“, ruft er mich. Wobei, rufen kann man das kaum nennen, er sagt es eher. Kein Mann, der schreit, oder? Nicht schlecht eigentlich. Ich mag keine Männer, die schreien. Aber ein ganz anderer Typ als Jordan, der letzte Woche hier war. Der trug Jeans und ein einfaches schwarzes Hemd, am Kragen offen, eine Lederjacke und Boots. Es hatte aber auch geregnet, kein Wunder, dass er nicht so feines Schuhwerk anhatte.

Die Stille ist auffallend. Okay, dann will ich mal sehen, ob wir heute mehr als nett hinbekommen.

Ich wundere mich selbst über meine Ruhe. Immerhin sollte ich gerade vor Aufregung dahinschmelzen. Noch einmal durchatmen und dann hoffen, dass ich noch in die richtige Stimmung komme.

Er sitzt auf dem Sofa, genau in der Mitte, die Arme locker an der Seite, breitbeinig, als würde er immer dort sitzen. Für einen winzigen Moment wünsche ich mir, dass es so wäre. Einen Mann im Haus zu haben wäre ein Traum, an den ich kaum zu denken wage. Ich war bis vor neun Monaten, zwei Wochen und vier Tagen damit beschäftigt, meine Geschwister großzuziehen, und bin seitdem alleine, das sollte ich eigentlich genießen und nicht gleich wieder jemanden herbeiwünschen, der die Leere füllt.

Ups. Das sind nicht die richtigen Gedanken für ein erstes Treffen mit einem Mann, den ich bezahle. Auch wenn das hier das Ersatzdate ist und ich ihm nichts geben muss.

Ich habe trotzdem die letzten fünfzig Dollar aus dem Geschenk in einen Umschlag getan und bereitgelegt, ich kann es nicht ertragen, ihn ohne etwas gehen zu lassen. Die dreihundert sind damit aufgebraucht, das ist schon okay. Immerhin waren sie dafür gedacht.

Immer noch sagt er nichts.

Okay, Holly, es ist Zeit für dein Date. Ich schiebe die drei aus meinem Kopf und konzentriere mich auf ihn. Will er, dass ich mich wieder hinknie? Ich fand das so klischeehaft, weil es in allen Büchern vorkommt, dass ich es kaum glauben konnte. Aber gut, die Klischees müssen ja auf etwas Realem beruhen. Also gehe ich wieder auf die Knie und schaue ihn groß an. Soll ich ihm was zu trinken anbieten? Das ist alles so neu für mich!

„Hast du das schon mal gemacht außer bei dem ersten Date von Call-a-Dom?“, fragt er.

„Nein, Sir. Ich bin neu in der Szene.“ So neu, dass ich noch glänze wie ein Silberdollar. So neu, dass ich mein Kleid, ein schwarzes glitzerndes Shiftkleid, das ich mir extra gekauft habe, genau einmal getragen habe. Ich hoffe, er merkt nicht, dass ich es von Walmart habe, wo es heruntergesetzt war. Ein Schnäppchen.

„Du hast kaum Vorlieben genannt in der App. Warum nicht?“

„Ich möchte Verschiedenes ausprobieren, Sir.“

„Aber deine Ausrichtung steht fest?“

„Ja, Sir.“

Deine auch, nicht wahr? Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer wie er sich irgend jemandem beugt. Ich analysiere seine Sprechweise, die nicht ganz zu dem feinen Anzug passt. Aufgewachsen in Denver schätze ich, aber nicht unbedingt auf der richtigen Seite der Eisenbahnschienen, wie man bei uns sagt.

„Ich bevorzuge reines D/s. Keine Schläge, kein Bondage. Wie stehst du zur Frage der Erziehung?“

Mir fallen tausend Dinge ein, die ich ihm dazu antworten könnte. Ich habe auch nie mit Schlägen erzogen, nur mit Worten und viel Liebe. Die beste Art von Erziehung, die ich hinbekommen habe. Ob sie die Richtige war? Keine Ahnung. Das wird sich erst noch zeigen. „Ich … äh, ich mag es, mit Liebe zu erziehen.“ Sagt man das so?

Er sieht aus, als hätte ich etwas ganz Seltsames gesagt.

Oh, wohl doch nicht passend.

Das ist mir jetzt peinlich. Ich oute mich gerade als Neuling, jemand, der keine Ahnung von BDSM hat. Was so nicht stimmt, nur halt eher theoretisch.

Er räuspert sich. „Du hast recht, Liebe kann helfen. Doch ich hoffe, du erwartest keine Liebe von mir?“

Ich höre, was er nicht sagt.

Dies ist ein Date, du Trottel, schimpfe ich mich. Ein bezahltes noch dazu, da spricht man nicht von Liebe. Man denkt nicht mal an das Wort! „Nein, Sir, natürlich nicht. Ich meinte eher … Nettigkeit.“ Shit, das ist überhaupt nicht, was ich meinte. Außerdem hört sich das ungefähr so passend an, wie ‚ich habe eine Wassermelone getragen‘. Was hat Nettigkeit mit BDSM zu tun?

„Nett sein ist nicht so meins. Aber ich kann es versuchen.“ Er grinst schief. Er hat eine Narbe am Mund, ein kleiner Strich an der Oberlippe. Und eine an der Schläfe, die seine Augenbraue teilt.

Wie heißt er noch mal? Ich habe es vergessen. Sein Grinsen lässt sein Gesicht ganz anders wirken, jünger, umgänglicher. Leider vergeht es schnell wieder. Seine Augen, blau oder grau, verengen sich.

„Was erwartest du dir von diesem Date, Holly?“

Mist. DIE Frage. Bei Jordan konnte ich sie umgehen. „Ich möchte dir zu Gefallen sein, Sir. Meine Befriedigung ziehe ich aus dem Gehorchen.“

„Ist das so?“ Sein Zweifel ist unüberhörbar. „Hol mir ein Glas Wasser.“

Ich springe auf und sprinte in die Küche. Irgendwie fühle ich mich erleichtert, für eine kleine Weile von seiner Gegenwart befreit zu sein. Was doch echt blöd ist, weil ich schließlich wollte, dass er herkommt. Ich meine, er ist ein echt heißer Typ. Mit einem winzigen Grübchen am Kinn. Also, dem Anflug von Grübchen.

Oh, ich schmelze gerade bei der Erinnerung an ein Kinngrübchen! Mann, das ist ja voll bescheuert!

Viel eher müsste ich bei dem Gedanken an seine Augen schmelzen. Irgendwo zwischen blau und grau. Ich müsste näher rankommen, um das zu entscheiden, denn die Maske wirft Schatten. Blödes Teil. Jordan hatte seine abgenommen, aber ich habe das Gefühl, als würde der da – wie heißt er noch gleich? – sie aufbehalten.

Auf dem Rückweg überlege ich, warum das so ist. Ist er bekannt? Ich kenne kaum Celebrities in Denver, bei mir wäre sein Geheimnis gut aufgehoben. Soll ich ihm das sagen?

Meine Gedanken machen eine Vollbremsung, als ich vor ihm stehe und ihm das Glas hinhalte. Er greift nämlich nicht danach. Was jetzt?

„Versuch es mal anders. Du willst mir zu Gefallen sein? Dann überlege dir, wie das gehen könnte.“

Mist. So ähnlich habe ich auch mit Paddy gesprochen. Er war oft bockig und ich konnte ihm auf diese Weise beibringen, dass er sich Gedanken darum machen soll, wie er auf andere wirkt.

Jetzt bin ich die Empfängerin und es hört sich seltsam an. Einen Hauch herablassend, was ihm als Dom vielleicht zusteht. Aber nur einen Hauch. Ich höre auch Neugierde heraus. Will er wirklich wissen, wie ich das löse?

Ich gehe zwei Schritte zurück. Beuge mich vor und halte ihm das Glas hin. Das ist so viel besser, als auf die Knie zu gehen. Mein Kleid hat nämlich einen Wasserfallausschnitt, der jetzt nach unten hängt. Ich weiß, dass er meine Brüste oberhalb des BHs und das dunkle Tal dazwischen sehen kann, denn ich sehe seine Reaktion darauf. Ein kurzes Aufleuchten in seinen Augen.

Er nimmt mir das Glas ab, trinkt einen Schluck, stellt es ab. „Zieh das Kleid hoch. Lass mich deine Pussy sehen.“

Mein Herz stolpert und mein Atem stockt. Weiter unten passiert eine Menge mehr. Kontraktionen. Feuchtigkeit. Pochen. Heißes Verlangen.

Ich richte mich auf, perplex. Als wüsste ich nicht, wie das gehen soll, muss ich erst überlegen, was meine Finger tun könnten. Doch sie wissen es von alleine, greifen seitlich nach dem Stoff, verkrampfen sich für einen Moment darum, dann lösen sie sich wieder, greifen nach unten, ziehen ein Stück. Noch eines, der Stoff bauscht sich in meiner Faust. Noch ein Stück. Ich bin atemlos, höre auf zu denken, ziehe und ziehe, das Gefühl, als wären da noch Meter um Meter an Stoff, was nicht stimmen kann. Dann Fingerspitzen auf meiner warmen Haut. Ich trage keine Strümpfe, das erschien mir zu over the top, dabei hätte es gut zu seinem Stil gepasst. Das Bedauern verfliegt genauso schnell, wie es aufgekommen ist.

Eben noch war mir ein bisschen kühl, wie immer, doch jetzt spüre ich, wie mir der Schweiß ausbricht. Mein Blick ist glasig, ich fühle mich, als wäre ich betrunken. Er schaut nur, sagt nichts. Weil der Stoff noch gar nichts enthüllt außer meinen Beinen. Also noch ein Stück, noch mehr Krabbeln, noch mehr Stoff in meiner Hand. Ich fasse jetzt richtig zu und hebe den Saum an. Woher weiß ich, dass meine Vulva zu sehen ist?

An dem Luftzug, der über die feuchte Haut streicht.

An seinem Blick, der auf einmal ganz anders ist.

An seiner Haltung, die sich anspannt.

Was mir beweist, dass ihn keineswegs kühl lässt, was er sieht. Dabei empfinde ich meine Vulva nicht unbedingt als schön. Sie ist, wie sie ist. Ich muss sie ja auch nicht ansehen. Nur anfassen. Das erinnert mich an meinen Traum. Wie ich nackt an der Tür stehe, nein, eher in der Tür stehe. Sichtbar. Ein Mann – nein, dieser Mann! – kommt heran und er berührt mich.

Ich zucke heftig zusammen und springe fast ein Stück in die Höhe, weil da etwas Kaltes an mir ist.

„Oh Gott!“ Ich kichere los, völlig überrascht. Das war kein Traum, er hat mich wirklich angefasst. Seine Finger sind nicht kalt, aber kühl. Erst langsam merke ich, dass ich vor ihm zurückgewichen bin. Meine Hände mit dem Stoff des Kleides drücken sich auf meinen Unterleib, verbergen meine Vulva, schützen sie.

Mann, wie peinlich ist das denn! Als wäre ich ein Mädchen, das noch nie berührt wurde! Ich bin doch sonst nicht so schreckhaft.

Sein Ausdruck ist undurchsichtig. Sein Blick war zu meinem Gesicht hochgesprungen, dann wieder zurück zu der Stelle, die ich so vor ihm verborgen habe. „Lass mich deine Pussy sehen“, wiederholt er ganz ruhig. Keine Drohung, doch ein klarer Befehl.

Ich muss mich zwingen, meine Hände da wegzunehmen. Es geht erst, als ich nicht mehr ihn anschaue, sondern die Wand hinter dem Sofa. Das Bild, das lange dort hing, habe ich vor ein paar Wochen abgehängt, es war zu kindlich.

Die armselige Inneneinrichtung verschwimmt vor meinem Blick, als ich wieder diese kühlen Finger auf mir spüre. Auf dem Venushügel, den ich bis auf einen kleinen Streifen Haare nackt halte. Dann tiefer. Mehrere Fingerspitzen, die sanft über meine Labien fahren. Automatisch spreize ich die Beine, um ihm Zugriff zu geben. Es ist keine absichtliche Handlung, nur eine Reaktion.

Der BH liegt zu eng an, bei jedem Atemzug spüre ich, wie er mich quetscht. Vorhin stimmte noch alles, jetzt atme ich so heftig, auch ein wenig hektisch, dass nichts mehr passt. Vielleicht sind meine Brüste geschwollen, denn auch sie fühlen sich eingequetscht vom Stoff.

Die Finger wandern nach hinten, streicheln, tasten. Bei der Bewegung nach vorne drückt sich eine Kuppe zwischen meine Labien.

---ENDE DER LESEPROBE---