CALYX - Pascal Ringstahl - E-Book

CALYX E-Book

Pascal Ringstahl

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Beschreibung

[ˈkeiliks] Calyx ist die Geschichte von einer ungleichen Freundschaft: Der gut aussehende, ehrgeizige Armin, der gerade mit einem Notendurchschnitt von 1,0 sein Abitur bestanden hat, absolviert in einem städtischen Krankenhaus seinen Zivildienst. Es wird ein großes Geheimnis um ein Zimmer gemacht, in dem der kleine Dennis liegt. Er ist mit einem unheilbaren und tödlichen Virus infiziert. Übertragbar ist der Virus durch Blut und Körperflüssigkeiten. Durch seine Isolation von der Außenwelt und der unbarmherzigen Kontrolle von Doktor Pneuma hat er sich zu einem kleinen Monster entwickelt. Jedoch lässt sich Armin davon nicht abhalten und mit Geduld gewinnt er das Vertrauen des kleinen Jungen. Seine Freundin Ruth ist davon nicht begeistert. Sie versucht Armin davon abzuhalten, da sie eine Infizierung befürchtet. Doch auch sie erliegt irgendwann dem Charm und der Boshaftigkeit des kleinen Dennis und es beginnt eine enge Freundschaft, die bis zum Schluss viele Abenteuer außerhalb des vermeintlich sicheren Krankenhauses überstehen muss. Ein Roman über Freundschaft und Respekt mit viel Humor, Dramatik, Spannung und Abenteuer. Nichts ist im Leben planbar; es kommt immer anders, als man denkt!

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 213

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Pascal Ringstahl

CALYX

© 2017 Pascal Ringstahl

Verlag und Druck: tredition GmbH, Grindelallee 188, 20144 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7439-0277-0

Hardcover:

978-3-7439-0278-7

e-Book:

978-3-7439-0279-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

2017 zu Köln, Pascal Ringstahl

In Erinnerung an Heike † 15.11.2016

... es gab noch so vieles zu tun, so vieles was Du machen wolltest, denn es war ja noch Zeit, aber die Zeit war nicht ausreichend. Wir hätten so gerne noch mehr mit Dir gelacht, geweint, gefeiert, gereist, geträumt, getrunken, gegessen, geshoppt, getanzt, geraucht und bis zur Unendlichkeit gelebt. Wir danken Dir alle für Deine Zeit die Du mit uns verbracht hast und einfach dafür, dass Du so bist wie Du warst und so warst, wie Du bist. Wir werden Dich nie vergessen und jeden Tag auf ein von Deinem Humor inspiriertes Zeichen warten…

CALYX

1

Der dumpfe klingende Schulgong des Gymnasiums ertönte. Es war für die meisten Schüler eine Erlösung und der Beginn des schönsten Abschnittes eines Tages: Der Freizeit. Es war Frühling und die Sonne schien und wischte die dunklen und arbeitsreichen Tage des Winters hinfort. Die 18 und 19-Jährigen Schüler der Jahrgangsstufe 13 stürmten aus dem Klassenzimmer heraus. Sie lachten und freuten sich, endlich den Tag genießen zu können, fernab von allen Schulsorgen. Zwei nicht so strebsame Schüler unterhielten sich lautstark als sie aus dem Klassenzimmer gingen.

» Ich habe eine 4-. Ich kann das absolut nicht fassen. Eine 4-! Yes! «

» Da hast du aber echt Schwein gehabt. Damit schaffst du ja doch noch dein Abitur. «

Er nickte zustimmend mit dem Kopf und beide klatschten sich mit den Händen ab, dass der Tag und die Zukunft für die nächste Zeit gesichert erschienen. Die Klasse war verlassen, und es wurde ruhig auf dem Flur. Doch es waren nicht alle zufrieden mit ihren Noten. Armin war es gewohnt nur glatte „Einser“ mit nach Hause zu bringen. Desto Größer war seine Wut und Unverständnis, dass er diesmal, keine bekommen hatte. Der Lehrer stand hinter seinem Pult, stütze sich mit seinen Händen darauf ab und schaute Armin von unten nach oben an, der mit verschränkten Armen und Rucksack auf den Schultern vor dem Lehrer stand. Der Lehrer schaute von Armin weg auf sein blaues Klassenbuch, was auf dem Lehrerpult neben seiner Aktentasche lag.

» Nein. Ich gebe Dir auf keinen Fall eine 1+. Deine Klausur ist zwar sehr gut, aber spitze nun auch wieder nicht. «

Armin verzog grimmig sein Gesicht. Er versuchte immer höflich zu bleiben, das hatte er gelernt, denn damit konnte er die beste Überzeugungskraft liefern.

» Ich bin mit der Note aber nicht im Geringsten zufrieden. Ich brauche diese 1+, ansonsten bekomme ich doch auf meinem Abiturzeugnis nie einen Durchschnitt von 1,0 « erwiderte er und schaute den Lehrer mit seinen dunkelgrünen Augen freundlich, aber bestimmend an. Der Lehrer kannte das Spiel. Dafür hatte er schon zu viele verschiedene Schüler in seiner 30jährigen Laufbahn kennengelernt. Am liebsten waren ihm irgendwann die Schüler, die gerade noch mit Ach und Krach eine vier minus bekamen und es immer gerade so schafften. Oder das Mittelfeld, was sich nicht beschwerte. Aber die, die richtig gut, die schon mehr als Streber waren, die wollten immer alles. Immer, da gab es keine Ausnahme. Alles was ihren Erwartungen nicht entsprach, war wie eine Niederlage. Ein Missverstehen der eigenen Persönlichkeit, der Intelligenz. Er drehte sich genervt um, und wischt die Tafel ab um sich abzulenken und ruhig zu bleiben. Denn solche Schüler konnten ihn wirklich auf die Palme bringen.

» Durchschnitt von 1,0? Wer braucht so etwas. Warum bist Du nur so ehrgeizig Armin? Was willst Du denn werden, wofür du diesen Superdurchschnitt brauchst. Arzt? « sagte er und schaute über seine Schulter zu Armin hin, während er weiter ruhig die Tafel wischte. Insgeheim überlegte er sich, um das Gespräch zu beenden, einfach sich umzudrehen und ihm eine glatte 1 zu geben. Aber irgendwie wollte er es nicht. Armin war der Klassenbeste, in manchen Dingen war er sogar besser als der Lehrer selbst. Von seinem Fachwissen, seinen Vorbereitungen. Aber das machte den Lehrer auch innerlich wütend. Ihm fiel ein, wie Armin ihn mal belehrt hatte, da er etwas Falsches über Amöben erzählt hatte. Nein, er würde seine Note nicht korrigieren. Was wollte er denn machen? Er, der Lehrer, saß einfach am längeren Hebel. Er lächelte ohne dass Armin das sehen konnte.

» Nein, Richter. Der Beste, den es gibt « sagte Armin. Er überlegte. Hatte er das gerade in der richtigen Tonlage gesagt oder klang es doch etwas verachtend? Warum sollte er Arzt werden? Richter, Gerechtigkeit, Gerechtigkeit bei der Vergabe von Schulnoten, dass wäre das was er machen wollte. Er hatte Wochenlang für dies Arbeit gelernt und nachgeforscht und so viel Mühe hineingesteckt und verstand es als Ungerechtigkeit, dass der Lehrer dies nicht anerkennen wollte. Der Lehrer hörte auf die Tafel zu wischen, legte den Schwamm in das Fach unter der Tafel, schüttelte mit dem Kopf und drehte sich um.

» Schön. Dafür brauchst Du aber bestimmt keine 1+ im Fach Biologie. So und jetzt gehst Du bitte. Morgen können wir weiterreden, wenn Du es bis dahin nicht schon längst vergessen hast. Ich habe jetzt keine Zeit mehr, tut mir leid. «

Der Lehrer drehte sich ohne Armins Antwort abzuwarten um, nahm den Schwamm wieder aus dem Fach unter der Tafel, schaute ihn an, und bewegte sich damit zum Waschbecken um den Lappen auszuwischen. Dabei lächelte er wieder ohne das Armin es sehen konnte. Armin reagierte energisch und schaute dem Lehrer nach, obwohl der ihm den Rücken zudrehte.

» Aber ich möchte jetzt mit Ihnen... «

Das versteckte Lächeln des Lehrers verschwand. Er drehte sich gereizt um und unterbrach Armin.

» Morgen reden wir weiter « sagte er bestimmend und drehte sich wieder zum Waschbecken um.

Armin nahm sich sein Klausurheft vom Pult und ging wortlos an dem Lehrer vorbei. Der schaut ihm kopfschüttelnd nach und sagt noch: » Nimm es leicht, Armin. Du bist der Einzige, der eine Eins hat. Reicht das denn nicht? «

Armin sagt nichts, ging zur Tür hinaus. Als er auf dem Flur angekommen war, sagte er leise zu sich selbst: » Nein, noch nicht ganz. « Armin atmete tief durch, schob den Gedanken erst mal beiseite, denn sonst würde er sich den ganzen Tag damit verderben. Er ging den langen Flur weiter bis zum Ende und schaute über die Brüstung nach unten in die riesige Aula der Schule. Er war im obersten, zweiten Stock. Unten in der Aula konnte er auf die Schüler blicken, die für ihn ziellos hin und her liefen. Seine Augen wanderten von einem Schüler suchend zum nächsten. Dann hatte er Ruth ausgemacht. Da unten, in einer Gruppe von Schülerinnen, stand sie: Blonde naturgewellte Haare die bis auf ihren schmalen Rücken fielen, eine Nickelbrille, rotes Kapuzenshirt, zerrissene Jeans, Sneakers, Lederrucksack auf einer Schulter tragend. Er musste innerlich lächeln, als er sie sah. Sie war begehrenswert, schlank und sehr groß, musste sich aber immer anziehen, als wollte sie die Schönheit unter ihrer Bekleidung als Verkleidung verstecken. Er spurtete zu den Treppen, die runter in die Aula führten. Als er die erste Stufe betreten wollte, kamen ihm zwei Schulkameraden entgegen.

» Hey Armin, hast du die 1+ noch bekommen « fragte einer der beiden und blieb auf der vorletzten Stufe stehen.

» Na war doch klar « erwiderte Armin kurz und knapp.

» Wow, dann bist du ja der Beste im Kurs « sagte der andere Schüler und verzog hämisch die Oberlippe.

» Ja. Ich habe ja auch hart genug dafür gearbeitet « sagte er und unterbrach das Gespräch, indem er um die beiden herumging und die Treppen hinunterlief.

Ruth unterhielt sich mit ihren Schulkameradinnen über den neusten Tratsch der Schule. Es ging das Gerücht umher, dass einer der Sportlehrer ein minderjähriges Mädchen angefasst hätte. Sie mussten alle lachen, da das angeblich angefasste Mädchen nicht gerade hübsch war und der Sportlehrer auf jeden Fall etwas Besseres hätte haben können. Eins der Mädchen fasste sich dabei spöttisch selbst an.

» Also mich hätte er sofort haben können und wir sind alle über 18! «

Sie leckte gierig mit ihrer Zunge zwischen ihren zu einem » V « geformten Fingern. Ruth lachte. Das Mädchen nahm die Zunge zwischen ihren Fingern weg und zeigte hinter Ruth.

» Hey Ruth, dahinten kommt dein Lover. «

Ruth dreht sich erfreut und erwartungsvoll um, verzog ihren Schmollmund und fragt entgeistert: » Wo? « Denn sie sah ihn nicht, da ein Pfeiler der Treppenkonstruktion Armin verbarg.

» Na da auf der Treppe. Bist du blind oder was? «

Jetzt hatte Ruth ihn auch gesehen. Ihr Herz ging auf. Was war sie in diesen Jungen verliebt. Seit Jahren schon. Sie würde alles für ihn tun. Er mit seinen grünen Augen, seinen sehr hellen blonden Haaren und der blassen Haut. Alles war verpackt in einen sehr sportlichen muskulösen Körper.

» Ja, da kommt er. Ach, er sieht ja wieder deprimiert aus. «

An Armins Gesicht konnte sie sofort erkennen, dass er sich über etwas aufgeregt hatte. Er fluchte oder brüllte nie. Er verzog einfach nur das Gesicht. Ruth dreht sich wieder zu dem Mädchen um, schaute es an und sagte energisch: » Wenn jetzt nur eine dumme Bemerkung kommt. « Das Mädchen schaute Ruth schelmisch an: » Werf' dich endlich mal an ihn ran. Du Trulle! « Ruth löste sich von der Gruppe und ging in Richtung Treppe um Armin zu Empfangen. Sie bereitete innerlich schon ein paar tröstende Worte vor. Es konnte nur um irgendwelche Noten gehen, sonst hatte Armin ja nie Probleme. Armin kam die letzten Stufen der Treppe herunter und schon stand er vor der fröhlich lächelnden Ruth. Sie wollte ihn gerade in den Arm nehmen und drücken, und am liebsten hätte sie ihm einen dicken Kuss auf die schmalen Lippen seines markant sportlichen Gesichts gedrückt, aber Armin machte dazu keine Aufforderung und sie traute sich mal wieder nicht. » Oh man, bist du aber niedergeschlagen. Was ist denn schon wieder passiert? Biologie « fragte sie und sah schon an seiner Gesichtsbewegung, dass sie genau ins Schwarze getroffen hatte.

» Ja. Es ist aber auch schlimm. Ich habe wieder nur eine 1- bekommen. «

Ruth musste leicht lachen.

» Nur eine 1- ??? Meine Güte, ich freue mich schon über eine 5+, gerade in Biologie. Hallo? Da kann dir doch eine 1- Recht sein. «

Armin schaute sie entgeistert an. Wie konnte sie sich mit ihm vergleichen? Eine Fünf? Er hatte noch nie eine Fünf. Seine schlechteste Note überhaupt war im Kunstunterricht eine 2 für eine Elefantenlampe, die nicht leuchtete. Aber er wollte jetzt auch nicht mit ihr darüber diskutieren. Sie war die Person, die immer zu ihm hielt und die wollte er jetzt nicht verärgern.

» Ach, hören wir besser auf, über dieses Thema zu sprechen. «

» Hast recht. Aber ich muss dir noch einmal sagen, dass du viel zu ehrgeizig bist. Du vergisst dadurch alles andere. «

Armin überlegte. » Was zum Beispiel? «

» Uns...deinen Zivildienst « erwiderte Ruth.

Armin traf es wie ein Blitzschlag. Er hatte es wirklich vergessen. Also den Zivildienst. Das » Uns « hatte er schön überhört. Wahrgenommen ja, aber heute war kein guter Tag um darüber nachzudenken.

» Daran habe ich nicht mehr gedacht. Ja, ich wollte mich doch für eine Stelle im Krankenhaus hier in unserer Stadt bewerben. «

» Ja und zum Glück bin ich da und habe an alles gedacht. Hier im Krankenhaus ist noch eine Stelle frei. Wie wär’s, wenn du jetzt direkt einmal da vorbeifährst? «

Ruth kannte Armins Stundenplan auswendig. Wenn er eine Freistunde oder früher Schluss hatte, dann machte sie Blau oder schrieb sich selbst eine Entschuldigung. Alles nur, um in seiner Nähe zu sein. Armin überlegte.

» Aber ich habe meine ganzen Unterlagen nicht dabei. «

Ruth winkte ab. Sie kannte das Spiel. Wenn er nicht perfekt vorbereitet war, dann würde er das nicht machen. Aber wenn sie erwähnte, dass jemand anderes ihm zuvorkommen könnte, dann würde er vielleicht anbeißen.

» Das ist egal. Du fährst am besten jetzt vorbei. Nicht das dir einer die Stelle wegschnappt. «

Armin begann zu überlegen und abzuwägen.

» Aber ich sollte jetzt eigentlich nach Hause fahren. «

» Ach was. Deine Eltern sind sowieso nicht zu Hause, hast du mir gestern erst erzählt. Also kommst du nach deinem Besuch im Krankenhaus bei mir vorbei und ich habe dir was Tolles gekocht. Na? «

Ruth hoffte, dass er dazu nicht » Nein « sagen konnte.

» Keine schlechte Idee. Ja, ist gut. Fragen kostet ja nichts. «

» Abgemacht? «

» Ja, abgemacht. Dann fahre ich jetzt. «

Armin klopft Ruth noch einmal auf den Rücken, hauchte ihr ein » Bis gleich « ins Ohr und ging direkt zum Ausgang der Schule. Ruth war vollkommen verwirrt, wie schnell er verschwand und schaute ihm enttäuscht, da er sie noch nicht einmal zum Abschied in den Arm genommen hatte, hinterher. Sie konnte durch die großen Fenster der Aula sehen, wie er über den Pausenhof zu den Fahrradständern ging. » Huch, da haut der doch direkt ab « sagte sie mürrisch zu sich selbst und verzog ihren Schmollmund. Dann zuckte sie mit den Schultern und ging wieder zu ihren Schulfreundinnen zurück.

2

Armin öffnete das Schloss an seinem Fahrrad, ein modernes sportliches Mountainbike, zog es aus dem Fahrradständer und setzte sich auf den Sattel. Als er losfahren wollte, kam eine Gruppe von Mädchen auf ihn zu. Sie waren alle der komplette Gegensatz zu Ruth. Aufreizend, Minirock, sehr stark geschminkt und wirkten immer so, als wollten sie gleich hinter der Schule anschaffen gehen. Armin hatte keine Lust sich zu unterhalten, denn er hatte ein Ziel. Doch die Mädchen blockierten ihm den Weg. Die am stärksten Geschminkte von allen, legte ihre manikürten Hände auf Armins Lenker. » Na, hast du schon frei « sagte sie und schmatzte dabei auf ihrem Kaugummi herum. Armin lächelte sie an und kramte in seiner Jeansjacke nach seinen Kopfhörern. » Hat einer von euch gestern Abend noch die Tennisübertragung gesehen « fragte er und wusste, dass garantiert niemand es gesehen hatte. » Nein, für so etwas bleibe ich nicht die ganze Nacht auf. Wozu auch? Es gibt viel coolere Sachen « sagte sie und klimperte dabei verführerisch mit ihren Augenwimpern. » Das Spiel war sensationell, da hast du wirklich etwas verpasst. Wie läuft es überhaupt mit der Vorbereitung für dein Abitur « fragte Armin. »

Danke gut und bei dir « erwiderte sie und wusste, dass sie mit einer der schlausten Mädchen auf dieser Schule war. Auch wenn ihre Kleidung und Auftreten etwas ganz Anderes vermuten ließ. » Ja, auch gut. Ich glaube schon, dass ich meinen Durchschnitt von 1,0 bekomme. Und du, was bekommst du in etwa für einen Durchschnitt « fragte Armin überheblich.

» Na ja, so 1,5 in etwa, aber mal zu etwas Anderem, was machst du heute Abend, wir haben da einen Club ausgemacht... «

» Ach, mir fällt ein, dass ich absolut keine Zeit habe. Tschüss « sagte Armin, unterbrach das Mädchen und fuhr los. Während er freihändig vom Schulhof fuhr, zog er sich die Kopfhörer an. Armin fuhr mit seinem Fahrrad sehr schnell und rasant auf dem kürzesten Weg zum Krankenhaus. Er schnitt sehr viele Fußgänger in der Fußgängerzone, ein Mann verlor seine Einkaufstasche wegen ihm aus der Hand und der ganze Inhalt rollte und schepperte über den Asphalt. Aber das ignorierte Armin völlig. Durch die Musik und das Adrenalin was sich in ihm aufbaute, vergaß er seine Umwelt. Er fühlte sich auf seinem Mountainbike in dem Moment unbesiegbar. Er fuhr bei Rot über die Ampel, Autos bremsten wegen ihm und es war für ihn so, als würde ab jetzt alles gelingen. Er erreichte das Krankenhaus. Stellte sein Mountainbike vor dem Krankenhaus ab, ging die Stufen hoch zum Eingang. Vor dem Krankenhaus standen viele Besucher und Patienten, die die Sonne am Himmel genossen und einen Kaffee tranken oder rauchten. Armin ging an ihnen vorbei. Die Schiebetüren öffneten sich und er betrat das Foyer. Er schaute nach der Rezeption und zog sich die Kopfhörer aus den Ohren und verstaute sie in seiner Jeansjacke. Die Rezeptionistin des Krankenhauses hasste ihren Arbeitsalltag. Für ihre Zukunft hatte sie sich mehr versprochen. Jetzt war sie seit 30 Jahren in diesem Krankenhaus, immer hinter der Glasscheibe: am Tag, in der Nacht, im Wechseldienst und dass alles nur, um Fragen zu beantworten. Sie schaute von ihrem Kreuzworträtsel hoch, als jemand räuspernd vor der Scheibe stand. Armin schaute sie freundlich und fragend an.

» Ich komme für eine Zivildienststelle, die ich gerne besetzen möchte. «

» Aha. Wer möchte das nicht « antwortete sie ironisch. » Irgendwelche Vorkenntnisse? « Bei der Frage tippte sie mit ihrem Kugelschreiber auf ihr Kreuzworträtsel. Armin verstand. Sie hatte keine große Lust ihm zu helfen. » Nein, habe ich nicht. Ich ... « Sie rollte schon mit ihren Augen, schaute auf ihr Kreuzworträtsel. » Wie auch immer. Raum 053 « sagte sie kurz und fügte in ihr Kreuzworträtsel laut aussprechend das Wort » Depp « auf die Frage » Ein anderes Wort für Narr « ein. Armin schaute sich hilflos um.

» Wo befindet sich der Raum denn? «

» Direkt dort vorne « deutete die Rezeptionistin an und zeigte mit dem Kugelschreiber wedelnd den Flur entlang, ohne auch nur einmal von ihrem Kreuzworträtsel aufzuschauen. Armin blieb höflich. » Gut, danke « sagte er und ging den Flur entlang durch eine weitere geöffnete Glastür. Der moderne Flur war wie in jedem Krankenhaus sehr kalt und steril gehalten. Es waren kaum Patienten auf den in blau und weiß gehaltenen Fluren. Armin ging durch eine weitere Glastür und erreichte endlich ein Zimmer, auf dessen Türe die 053 stand. Er rückte noch einmal seine Jacke gerade und richtete seinen Rucksack auf der Schulter, klopfte an die Türe. Niemand sagte » Herein « oder sonstiges. Er öffnete die Türe ohne nochmals zu klopfen und schaute durch den Türspalt hinein. Dort saß eine Frau tippend an einem Schreibtisch, schaute ihn verwundert an. » Für eine Zivildienststelle « fragte Armin knapp, denn er wollte die Frau nicht stören.

» Nein, Raum 093. «

» Wo ist der? «

» Direkt da hinten « deutete sie mit ihrem Finger an und wirkte auf Armin schon leicht genervt. Armin zog die Türe wieder zu und ging zu Raum 093. Als er dort nachfragte wurde er mit einem unfreundlichen Gesichtsausdruck der Sachbearbeiterin wieder zu Raum 053 geschickt. Als Armin vor der Türe stand, wollte er klopfen, machte es jedoch nicht. Er atmete tief durch, drehte sich um und ging wieder zur Rezeption und der immer noch gelangweilt das Kreuzworträtsel lösenden Rezeptionistin. Die wippte mit dem Kugelschreiber zwischen ihren zwei Fingern hin und her, schaute nicht zu ihm auf. » Schon wieder da « knurrte sie durch die Glasscheibe. Sie schaute auf ihr Kreuzworträtsel und füllte ein weiteres Feld aus. » Volltrottel « flüsterte sie leise zu sich selbst, aber immer noch so laut das Armin sie verstand.

» Zimmer 053 war wohl nicht richtig. Ich wurde weggeschickt « sagte er.

» Da hat die Kollegin wohl etwas falsch verstanden. Zimmer 053 ist absolut korrekt! «

» Danke « zischte Armin leise, drehte sich um und ging direkt wieder zu Zimmer 053. Diesmal blieb er nicht vor der Türe stehen, klopfte flüchtig an, machte die Türe auf ohne dass eine Aufforderung zum Hereinkommen zu hören war, ging direkt zu dem inzwischen leeren Schreibtisch und setzte sich davor auf einen Stuhl. Eine Frau kam aus einem Nebenzimmer, ging an Armin vorbei, und setzte sich mit einem fragenden und schon vorab genervten Gesichtsausdruck ihm gegenüber an den Schreibtisch.

» Man hat mir an der Rezeption mitgeteilt, dass ich hier richtig für eine Zivildienststelle bin. «

Die Sachbearbeiterin nahm sich einen Bleistift und spielte etwas damit herum. Sie wägte kurz ab, ob sie Armin wieder einen Raum weiterschicken sollte, lies es dann aber sein. Genervt und etwas hastig begann sie das Gespräch.

» Ja, da sind Sie hier doch richtig. Verzeihung, da habe ich wohl vor ein paar Minuten Ihre Frage nicht richtig verstanden. Nun ja, was wollen Sie denn hier bei uns machen? «

» Als Pfleger meinen Zivildienst ableisten. Natürlich nur, wenn das möglich ist. «

» Ja, da haben Sie Glück, wir haben noch einen Platz frei. Wie ist denn das Ergebnis ihrer Musterung? «

Die Sachbearbeiterin holte aus ihrer Schublade einen Aschenbecher, stellte ihn auf den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. Armin schaute sie verwirrt an. Er wollte etwas sagen, und sie darauf hinweisen, das Rauchen in Krankenhäusern verboten ist, biss sich dann leicht auf die Zunge. Er wollte nicht, ohne dass er den Zivildienstplatz sicher hatte, einen Streit beginnen.

» Tauglichkeitsgrad 2. «

» Tja, dann brauche ich eigentlich nur noch ihren Namen, Adresse und dann können wir einen Termin ausmachen, wann Sie den Vertrag unterzeichnen können, den ich nachher aufsetze. Ach, da fällt mir noch ein, welche Religionszugehörigkeit haben Sie? «

» Ist das von Bedeutung? Katholisch. «

Die Sachbearbeiterin zog genüsslich an ihrer Zigarette und pustete den Qualm direkt in Armins Richtung. Der wedelte den Qualm leicht weg.

» Gut. Dann steht nichts mehr im Weg. Wann können Sie denn noch einmal vorbeikommen? Passt es direkt morgen? «

» Ja, ist gut. «

» So, dann brauche ich noch Ihren Namen und Adresse. Haben Sie ihre Papiere dabei? «

» Nein, leider nicht, aber ich bringe sie direkt morgen mit. «

» Ja, ist gut. Name? «

Nach gefühlten 10 Zigaretten und gerade einmal 20 Minuten Befragung konnte Armin endlich den Raum verlassen und ging wieder, leicht hustend, den Flur entlang Richtung Ausgang. Ihm kam ein etwas stämmiger, rothaariger Junge mit einem Bart entgegen: der Zivildienstleistende Tobias. Armin wollte an Tobias vorbeigehen, doch Tobias stellt sich ihm in den Weg, schaute ihn freundlich an und fragte:

» Bist du für eine Zivi-Stelle hier? «

» Ja, warum? Wie kommst Du darauf? «

» Ach, nur so. Bist ja aus dem Zimmer 053 herausgekommen und die Frau da bearbeitet nur solche Anfragen. Und, hast du die Stelle bekommen? «

» Ja, doch. Bist Du auch Zivildienstleistender? «

» Ja, schon ein halbes Jahr. Es macht unglaublichen Spaß, aber das wirst du ja selber sehen, wenn du anfängst. Wann denn überhaupt? «

» Wenn ich mein Abitur gemacht habe. Dauert noch ca. 2 Monate. «

Tobias wollte Armin noch etwas sagen, doch Armin berührte ihn kurz und Kumpelhaft, obwohl er ihn nicht kannte, an der Schulter und sagte: » Gut, bis dann. Man sieht sich. Tschüss. « Armin ging an Tobias schnell vorbei, lächelt zufrieden, dass er so gut und schnell aus der für ihn unnützen Situation herausgekommen war. Er ging an der immer noch Kreuzworträtsel lösenden Rezeptionistin vorbei, durch die gläserne Eingangstüre und dann zu seinem angeketteten Mountainbike. Gerade, als er seinen Kopfhörer aus der Tasche holte, hupte ein Auto und er hörte laut jemanden » Hey « schreien. Armin dreht sich um, denn die Stimme kam ihm bekannt vor. Er schaute etwas verblüfft, lächelte dann aber und ging zu einem weißen, sehr altem, aber sehr gut gepflegtem, VW Golf Cabrio, welches in 10 Metern Entfernung mit vier Insassen parkte. Am Steuer saß Jonni. Armin stellte sich auf die Fahrerseite zu Jonni und beide begrüßten sich freudig mit einem Handschlag.

.» Hallo Jonni, na, wo fahrt ihr denn hin? « Die drei Mitfahrer winkten Armin freudig zu, unterhielten sich untereinander weiter und achteten nicht weiter auf das Gespräch zwischen Jonni und Armin. Jonni war Armins bester Freund. Er war der James Dean der Neuzeit. Er hatte auch seine Haare zurückgekämmt, trug immer Jeans, war schlank, groß, muskulös und hätte als Dean`s Double arbeiten können.

» In die nächste Spielothek. Wird mal wieder Zeit, dass ich eine Partie Billard spiele. «

» Hat dir das am Samstag nicht gereicht, als ich dich abgezogen habe « fragte Armin mit einem hämischen Lächeln.

» Nein, eigentlich nicht und wenn du im Moment nichts Anderes vorhast, dann kannst du ja mitfahren. Liegt ja nur an dir, wie lange es dauert. « Jonni winkte lässig in Armins Richtung, dass er in den Wagen einsteigen sollte. Armin überlegte nur kurz, nickt dann zustimmend. Jonni drehte sich zu seinem Beifahrer um, klopfte ihm auf den Rücken und sagte » Rutsch mal nach hinten. « Jonni schaute Armin wieder an: » O.K. steig ein. «

Armin ging auf die andere Seite des Cabrios, machte die Türe auf, stieg ein und Jonni fuhr mit leicht durchdrehenden Rädern zügig los.

» Eigentlich wollte ich ja zu Ruth, denn sie hat für mich gekocht, aber ich werde dich gleich dermaßen abziehen, dass ich doch nicht zu spät komme. «

Jonni lächelte leicht über Armins Aussage, schaute zu ihm herüber und dann konzentrierte sich sein Blick wieder auf die Straße.

» Apropos Ruth, es geht da so ein Gerücht um, dass du jetzt doch fest mit ihr zusammen bist. Stimmt das? «

Armin lachte laut auf. » Meine Güte, ich wüsste einmal gerne, wer immer solche Gerüchte in die Welt setzt. «

» Also stimmt es nicht? «

Armin sagte dazu nichts. Er schaute auf die schnell vorbeiziehende Häuserfront als Jonni mit einem hohen Tempo durch die Straßen fuhr. Der Himmel zog sich langsam mit dichten Wolken zu und Armin genoss die aufwirbelnde Luft im Cabrio und richtete seine Nase nach oben, atmete die Luft tief ein. » Ich hoffe doch, dass es nicht anfängt zu regnen « sagte Armin.

» Stimmt es denn nun oder stimmt es nicht? Erzähl' doch mal. «