Candy Kings: Bobby & Emily - Felicity D'Or - E-Book

Candy Kings: Bobby & Emily E-Book

Felicity D'Or

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Beschreibung

Nacht für Nacht liegen ihnen die Frauen zu Füßen! Die Candy Kings sind der heißeste Men-Strip Act von Las Vegas. Doch was passiert, wenn sie sich verlieben? Für die alleinerziehende Mutter Emily ist der Job als Sekretärin bei den Candy Kings ein Hauptgewinn. Nach dem Tod ihres Mannes kämpft sie darum, sich ein neues, selbstbestimmtes Leben fern von den aufdringlichen Schwiegereltern aufzubauen. Womit sie nicht gerechnet hat, ist, dass ihre Hormone umgeben von so viel männlicher Sexyness, plötzlich anfangen Tango zu tanzen. Besonders weil Bobby, der introvertierteste Stripper der Truppe, ihr kaum noch von der Seite weicht. Ist es Liebe, oder steckt etwas völlig anderes dahinter?

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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Epilog

 

 

 

 

 

 

 

 

Candy Kings:

Bobby & Emily

 

Band 2 der Reihe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright © 2020 Felicity D‘Or

Alle Rechte vorbehalten.

 

Coverdesign: Giusy Ame / Magicalcover.de

Bildquelle: Depositphoto

 

Lektorat und Korrektorat: Margaux Navara

 

Herausgeberin:

Veronika Prankl

Auenstraße 201

85354 Freising

[email protected]

 

Sämtliche Texte und das Cover dieses Buches sind urheberrechtlich geschützt. Eine Nutzung oder Weitergabe ohne Genehmigung des jeweiligen Urhebers oder Rechteinhabers ist nicht zulässig und daher strafbar.

Dieses Buch ist ein fiktives Werk. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen real existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

Prolog

 

Las Vegas, September

 

Manchmal fühlte sich Bobby wirklich alt. Was weniger an seinen dreiunddreißig Jahren lag, sondern eher an dem Kindergarten, mit dem er sich ständig beschäftigen musste. Komm zu den Candy Kings, da hast du Spaß, hatten sie gesagt. Jede Menge Frauen, hatten sie gesagt! Du siehst was von der Welt, hatten sie gesagt. Alles, was du dafür tun musst, ist tanzen. Okay, quasi nackt tanzen.

Die Realität sah leider ganz anders aus.

Es machte ihm zwar immer noch Spaß, auf der Bühne alles zu geben, und die Groupies standen nach wie vor auf ihn. Nur hatte es für Bobby seinen Reiz verloren, die ewig gleichen, jederzeit verfügbaren Tussis zu vögeln. Sie alle wollten einen Candy King, wollten einmal an seiner Zuckerstange lecken. Zu behaupten, dass er das nicht ausgenutzt und genossen hatte, wäre gelogen, aber irgendwas fehlte in letzter Zeit. Und das lag nicht nur daran, dass es ihn langweilte, nur mit dem Finger schnippen zu müssen, und schon wurden ihm alle Wünsche erfüllt. Das war lediglich ein Nebeneffekt.

So wichtig war ihm der Sex nie gewesen.

Nein, die wirklich nervigen Probleme, die Bobby mit seinem Job hatte, waren anderer Art.

„Was ist denn nun schon wieder los?“ Bobby ließ mit einem Knall die schweren Gewichte, die er gestemmt hatte, in die Halterung fallen.

Der junge Kollege, der ihn angesprochen hatte, zuckte zusammen. Was dachten sich diese Welpen nur, ihn beim Training im Fitnessraum der Candy Kings zu unterbrechen? Ständig kamen sie zu ihm gelaufen, weil er einer der altgedienten Stripper der Gruppe war. Kannst du mir diesen Move zeigen, soll ich lieber eine Blondine oder eine Brünette auf die Bühne holen? Als wäre er die verfickte Touri-Info vom Strip in Las Vegas.

Bobby konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er auch so gewesen war, als er anfing hier zu arbeiten. Das war vor acht Jahren gewesen. Tanzen, Frauen, die ihn anhimmelten und jeden Abend Party nach dem Auftritt. Außerdem finanzierte er sich dadurch seinen Lebensunterhalt. Was wollte ein Kerl mehr?

Tja, diese neuen Jungs schienen eindeutig mehr Interesse an ihren Social Media Accounts zu haben, als daran, anständig zu feiern.

„Falls du ein verficktes Trainingsfoto von mir haben willst, überlege dir verdammt gut, was du als Nächstes sagst!“ Er wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht und sandte dem Jungen einen Blick, unter dem dieser zusammenzuckte. Es war, weiß Gott, schon nervig genug, dass sie für die offiziellen Accounts zu Fotoshootings mussten. Für Kalender, Autogrammkarten und sonstige Fanartikel zu posieren war der einzige Teil des Jobs, den er nicht mochte. Bobby liebte es, zu tanzen, hasste es jedoch, vor der Kamera zu stehen. Der Vertrag, den er unterzeichnet hatte, verlangte aber nun mal Fotos für Promotion. Er erfüllte seine Pflicht, würde aber nie freiwillig sein Privatleben in den sozialen Medien breit treten, wie es einige der neueren Candy Kings taten. Auch wenn er zugeben musste, dass sie recht erfolgreich waren damit.

„Trainingsbild? Oh, nein, das ... also ...“ Der Junge sah ihn aus großen Augen an und schluckte nervös. Erst störte er Bobby beim Training, dann traute er sich nicht mal, was zu sagen? Was zur Hölle?!

„Fuck! Jetzt spuck es schon aus, oder hast du mich unterbrochen, weil du mich anstottern willst?“ War der Typ lebensmüde? Bobby wusste nicht mal, wie er hieß, weil er erst seit ein paar Wochen dabei war. Colin oder Calum oder so was. Aber er wusste, dass seine Zündschnur in letzter Zeit wirklich kurz war.

„Also, Tim sagt, Adele und Gray, sie ...“

„Fuck! Das hättest du auch gleich sagen können!“ Bobby warf das Handtuch zur Seite, unterdrückte das Bedürfnis, auf den ahnungslosen Überbringer der Botschaft einzuschlagen, und lief durch die Trainingsräume hinüber in den anderen Teil der Candy Kings-Räumlichkeiten. Dort befanden sich die Büros, von wo aus Adele Spitzberg ihre Truppe managte. „Ich bring dich um, Gray!“, schnaubte er auf dem Weg.

Als er um die Ecke bog, sah er Tim in der Tür zum Vorzimmer stehen. Tim war der ungekrönte Instagram-King der Truppe und das Vorbild der Neulinge, aber er nervte Bobby wenigstens nicht. Im Moment redete er auf eine Blondine ein, die mit verwischtem Mascara zu ihm aufsah und ihren Kopf schüttelte. Sandra, die letzte in einer Reihe von Assistentinnen, die Gray vögelte und danach fallen ließ.

Wo steckte Gray? Wenn sein ältester Kollege mit der Chefin stritt und man ihn dazu holte, dann konnte das nur eines bedeuten.

Ein kurzer Hoffnungsschimmer stieg in ihm auf. Tim mit seinem freundlichen Gemüt könnte womöglich in Ordnung bringen, was Gray schon wieder angerichtet hatte. „Du weißt doch, wie Gray ist, Sandra! Ist er es wert, dass du gleich den Job hinschmeißt?“, redete Tim auf die junge Frau ein.

„Sandra, hast du etwa ...“, erkundigte sich Bobby. Was für eine dämliche Frage! Natürlich hatte sie!

„Bobby, ich weiß, du hattest mich gewarnt, aber ... Es tut mir leid, ich kann das nicht. Ich dachte, es, er ... es tut mir leid. Ich habe gekündigt“, schniefte Sandra an ihn gerichtet.

„Nicht so sehr, wie mir, Sweetie, nicht so sehr wie mir!“ Bobby stapfte mit schweren Schritten durch das Vorzimmer, registrierte den penibel aufgeräumten und nunmehr verwaisten Schreibtisch und zuckte innerlich zusammen, als er das Gekeife aus dem Büro vernahm.

In ihm brodelte es und er blieb einen Moment stehen, um sich zu beruhigen. Es war niemandem geholfen, wenn er jetzt auch noch ausrastete. Bevor er das Büro der Chefin betreten konnte, wurde die Tür allerdings von innen aufgerissen und er sah sich dem Mann gegenüber, der sein ältester Freund bei den Candy Kings war.

„Ich habe die Schnauze gestrichen voll, Gray!“, schrie Adele mit sich überschlagender Stimme. „Das war das letzte Mal, dass ich meine Zeit damit verplempere, die Scheiße hinter dir wegzuräumen!“

Gray bremste seinen Abgang, weil Bobby ihm im Weg war, doch er brauchte einen Moment um die Miene des unbesorgten Sonnyboys wieder aufzusetzen.

Bobby hatte es dennoch gesehen. Am Gesichtsausdruck seines Kumpels hatte er abgelesen, dass es diesmal ernst war. Sehr ernst. Er sah sich um. Vom Flur erklang das Schließen einer Tür. Tim hatte Sandra also weggebracht.

Gray wollte etwas sagen, aber auch Bobby hatte genug. Er wollte nichts mehr hören. „In zwanzig Minuten bei Dave. Sei pünktlich!“ Dann drehte er sich kopfschüttelnd um und ging duschen.

Als er genau neunzehn Minuten später Dave’s Diner betrat, saß Gray schon an der Bar. Bei Dave gab es den ganzen Tag über Bier und Burger. Und zwar die besten Burger der Stadt. Hier waren sie ungestört. Die jungen Kollegen waren zu sehr damit beschäftigt, ihre Ernährungspläne einzuhalten, und würden ein derartiges Lokal nie betreten.

Vor Gray stand bereits ein halb volles Bierglas. Bobby setzte sich auf den Hocker daneben und bestellte ein IPA und einen Burger mit Bacon, Cheese und Dave’s scharfer Spezialsoße.

„Gareth würde dich killen, wenn er dich das essen sieht!“

„Sagt derjenige, der so knapp davor steht, seinen Job zu verlieren!“, antwortete Bobby. Er hielt Gray Daumen und Zeigefinger vor die Nase, zwischen die kaum ein Haar gepasst hätte.

Gray versteifte sich und trank schweigend.

„Ich verstehe es einfach nicht! Du kannst alle Tussis haben. Jeden Abend! Aber regelmäßig fickst du Adeles Assistentinnen und bringst dich damit in Teufels Küche. Legst du es darauf an, gefeuert zu werden, Mann?“

„Hey! Die machen sich an mich ran, nicht umgekehrt! Was kann ich dafür? Und ich habe noch nie eine angelogen. Dass sie glauben, in mir die große Liebe oder so einen Scheiß zu finden, daran sind sie selbst schuld! Hat Sandy ...“

„Sandra!“

„Hat Sandra behauptet, ich hätte ihr was versprochen? Das ist eine Lüge!“ Gray sah ihn herausfordernd an.

Bobby schüttelte den Kopf und trank einen Schluck, bevor er erklärte: „Es ist scheißegal, was Sandra sagt, weil sie nämlich gekündigt hat. Warum hat sie das gemacht? Weil sie nicht mehr in deiner Nähe sein möchte. So wie die letzten Assistentinnen auch, die Adele eingestellt hat.“

„Diese eine Alte, die hab ich nicht gehabt!“

„Selbst wenn wir Mrs. Bosley, die dachte, die Candy Kings wären eine Ballettgruppe, außen vor lassen, bist immer noch du schuld daran, dass Adele nun wieder jemand Neuen einstellen und einarbeiten muss. Und wir alle werden ihren Ärger zu spüren bekommen.“ Die Managerin war berüchtigt für ihr Temperament. Sie kümmerte sich um die Truppe, hatte sie sehr erfolgreich gemacht, aber sie verlangte auch Respekt und dass sich jeder an die Regeln hielt. Sie war zwar ihren altgedienten Tänzern gegenüber etwas laxer, und ließ ihnen Burger und Alkohol durchgehen, solange die Leistung stimmte. Doch weder Gray noch er hatten Narrenfreiheit bei den Candy Kings.

„Sie hat sich schon an mir ausgetobt, keine Sorge!“ Gray sah zur Seite und fuhr sich verlegen durch sein blondes Haar.

Bobby fiel beinahe die Schale mit Erdnüssen aus der Hand, aus der er sich eben bedienen wollte. „Hat sie dir etwa gekündigt?“ Hatte es Gray nun doch zu weit getrieben mit seinen Weibergeschichten? So sehr der Kerl nerven konnte – er war einer der Top-Acts und damit unersetzlich für die Candy Kings.

Sein Kumpel schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. „Nope. Sie hat mich ins Tour Team gesteckt.“

Gray hasste es, auf Tour zu gehen. Jeder in der Truppe wusste das. Logisch, es war anstrengend, täglich an einen anderen Ort zu reisen, von Hotel zu Hotel zu tingeln. Hoffentlich brachte es seinen Kollegen davon ab, Unfrieden im Team zu säen.

Erleichtert und auch ein wenig schadenfroh schmunzelte Bobby und widmete sich endlich seinem Essen. Diese Burger waren so großartig! Durch das viele Training konnte er sich ungesunde Ernährung durchaus erlauben, aber er war nun mal nicht mehr zwanzig. In letzter Zeit hatte er festgestellt, dass sich vieles schnell rächte. Was in ihrem Job gefährlich war.

„Du hast gar nichts dazu zu sagen? Unsere Gruppe wird auseinandergerissen! Erst geht Scott, jetzt muss ich auf Tour! Adele wird euch einen der kleinen Streber ins Team schicken!“

„Ich werde schon dafür sorgen, dass er zu uns passt. Und wenn du zurückkommst, kannst du ja deinen alten Platz wieder einnehmen.“

Gray sagte nichts, sah nur versonnen auf seine Flasche.

„Hat sie etwa gesagt, du kannst nicht mehr hierher zurück?“ Der Burger lag vergessen auf dem Teller.

„Was? Nein. Natürlich nicht. Mein Platz bei den Candy Kings ist sicher. Ich bin schließlich Adeles Star, nicht wahr?“ Trotz seiner Worte schwang ein Hauch von Verunsicherung mit. Gray war zu lange dabei, zu bekannt, als dass sie auf ihn verzichten konnten, oder?

Ganz so sicher war sich Bobby da nicht. Trotzdem nickte er.

Aber der Gedanke, dass es langsam Zeit wurde, ihren Platz bei den Candy Kings den Jüngeren zu überlassen, hatte sich in einer kleinen Ecke seines Hirns eingenistet.

 

 

 

Kapitel 1

 

Las Vegas, November

 

Panisch griff Emily nach ihrer Umhängetasche und hechtete aus ihrem alten Ford. Sie lief über den Parkplatz und verfluchte sich, weil sie gleich in ihrer ersten Arbeitswoche schon zu spät kam.

Es war schwer genug gewesen, einen Job zu finden, dessen Gehalt ausreichte, um über die Runden zu kommen. Ihre Freundin Kathryn, derentwegen sie nach Las Vegas gezogen war, hatte ihr zum Glück helfen können. Kathryns Nachbarin Adele war die Managerin der Candy Kings, einer Men-Strip-Gruppe, die in einem der schicken Hotels am Boulevard eine eigene Show hatte. Sie hatte händeringend eine Assistentin gesucht und Emily nur zu gerne eine Chance gegeben. Da Emily schon während des Colleges als Mädchen für alles in einem Kongresscenter gejobbt hatte, traute sie sich diesen Job zu.

Sie verdankte Kat so viel, da wollte sie sie nicht enttäuschen, sondern zeigen, dass sie das Vertrauen wert war, das Kat und Adele in sie setzten.

Es war ihr erster Härtetest als alleinerziehende Mutter. Nach dem abgebrochenen Studium hatte sie nicht mehr gearbeitet. In der großen Villa der Schwiegereltern, wo sie und Carlos eine Suite bewohnten, durfte sie nichts tun. Allein der Gedanke daran ließ Übelkeit in Emily aufsteigen. Ein goldener Käfig war das gewesen, in dem man ihr selbst die Erziehung ihres Kindes ‚abnehmen‘ wollte. Als würde sie ihre Tochter als Belastung sehen. Sogar eine Kinderfrau hatte ihre Schwiegermutter engagiert, obwohl Emily ja keiner Arbeit nachging.

Zoe war das Einzige gewesen, das sie durchhalten ließ.

Selbst nach Carlos Tod wollte seine Familie noch Einfluss auf ihr Leben nehmen. Der Anwalt hatte Emily erklärt, dass sie von der Familie nichts zu erwarten hätte, wenn sie das Sorgerecht für Zoe nicht abgab. Als ob sie das jemals auch nur in Betracht ziehen könnte! Nein, sie war fest entschlossen, sich und ihre Tochter ohne das Geld das Cardenas durchzubringen. Sie wollte nichts von deren Vermögen haben. Wenn sie diese Leute nie mehr sah, würde ihr nichts fehlen.

Hier in Las Vegas hoffte sie, diese Geister der Vergangenheit endlich loszuwerden.

Sie öffnete die schwere Tür, die zu den Büros der Candy Kings führte. Für die konservative Familie ihres verstorbenen Mannes wäre es ein Gräuel, sie an einem so ‚ordinären‘ Ort zu sehen. Der Gedanke entlockte Emily ein kurzes Lächeln.

Aber die Sache war ernst.

Sie durfte nicht versagen, wollte das unbedingt schaffen.

Der panische Blick auf ihre Uhr zeigte mehr als zwanzig Minuten Verspätung.

Mit einem Kleinkind zu frühstücken, das unbedingt Pancakes mit Ahornsirup haben wollte statt Müsli, war eine Herausforderung. In der Hektik, die durch das spontane Backen entstanden war, hatten sie Mister Bear vergessen. Was zur Folge hatte, dass sie kurz vor dem Kindergarten nochmal umkehren musste, um ihn zu holen, weil Zoe sich weigerte, ohne ihren geliebten Teddy dorthin zu gehen.

Und nun war sie beinahe eine halbe Stunde zu spät dran. An ihrem vierten Arbeitstag im neuen Job. Hektisch atmend lief Emily durch die Flure. Wahrscheinlich war ihr Gesicht schon hochrot. Die Candy Kings hatten hier eine eigene Bühne für die Show, Trainingsräumlichkeiten und Arbeitsplätze für die Verwaltung der Gruppe angemietet. Dort war auch sie beschäftigt. Sie hoffte zumindest, dort noch beschäftigt zu sein, und nicht gleich in der ersten Woche gefeuert zu werden.

Die Tür zum Büro ihrer Chefin stand offen, aber Ms Spitzberg, beziehungsweise Adele, wie sie genannt werden wollte, war nicht zu sehen. Erleichtert fuhr Emily den Computer hoch und warf ihre Jacke über die Standgarderobe. Ihre Atmung beruhigte sich langsam. Sie drückte einen Knopf am Anrufbeantworter, der zum Glück nur eine Nachricht anzeigte. Schnell kritzelte sie Nummer und Name auf einen Notizzettel.

Als Adele ein paar Minuten später den Raum betrat, war Emily bereits in die E-Mails vertieft.

„Guten Morgen, Emily!“, grüßte die Managerin und Chefin der Candy Kings sie. Dass sie es nicht dabei belassen würde, zeigte sich an dem Umstand, dass sie vor Emilys Schreibtisch stehen blieb.

„Guten Morgen, Adele. Es tut mir leid, dass ich zu spät war. Zoe hat ihren Teddy nicht gefunden und ohne ihn weigert sie sich, den Kindergarten zu betreten. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, und es tut mir furchtbar leid. Es wird nie wieder vorkommen!“ Sie musste sich überwinden, die ältere Frau anzusehen, wappnete sich innerlich für das Schlimmste.

Adele Spitzberg war eine gutaussehende Frau. Emily tat sich schwer, ihr Alter zu schätzen, aber sie könnte durchaus auf die Sechzig zugehen. Das eisgraue Haar trug sie wie Meryl Streep in ‚Der Teufel trägt Prada‘, und sie war immer noch durchtrainiert. Emily hatte einen Heidenrespekt vor der Frau. Sie hatte die Candy Kings aufgebaut und zur erfolgreichsten Men-Strip-Gruppe in Vegas gemacht.

„Emily, beruhigen Sie sich wieder! Ich reiße Ihnen nicht den Kopf ab. Rufen Sie das nächste Mal einfach kurz an, wenn es später wird.“ Charakterlich hatte Adele zum Glück nichts mit der Filmzicke gemeinsam.

Emily hätte sich ohrfeigen können, weil sie nicht selbst dran gedacht hatte, einfach Bescheid zu geben. Sie steckte noch so im Umzugsstress fest, dass ihr die naheliegendsten Dinge nicht mehr einfielen. Es wurde Zeit, dass sie ihr Leben wieder in geregeltere Bahnen brachte.

„Natürlich, Adele, vielen Dank!“, murmelte sie mit hochrotem Kopf.

„Hatten Sie schon Zeit, sich in die Terminplanung einzuarbeiten? Wir müssen vor Weihnachten noch den Tourplan für den nächsten Herbst finalisieren.“

Das war sicheres Gebiet, denn Emily hatte gestern Nachmittag alles durchgesehen. Sie atmete erleichtert auf. „Ja, es sieht gut aus.“ Sie klickte eine Datei an und berichtete: „Zwölf Locations sind bestätigt und haben die Verträge bereits unterzeichnet zurückgeschickt, sieben haben zugesagt, aber die Papiere liegen noch nicht vor. Wir haben drei Absagen, für die wir eine Lösung suchen müssen.“

„Okay. Ich hatte mit Schlimmerem gerechnet, nachdem wir wochenlang keinen Ersatz für diese Stelle hatten. Die Zeitarbeiterin von der Agentur war mehr an meinen Jungs interessiert als an der Arbeit, und Jenna ist vollauf damit beschäftigt, die PR zu machen.“ Adele seufzte, bevor sie ihr einen strengen Blick über den Rand der Brille zuwarf. „Sie lassen sich bitte nicht mit einem der Jungs ein, Emily. Das liegt auch in Ihrem Interesse, glauben Sie mir! Und vor allem, fallen Sie nicht auf Gray herein. Der versucht mit jeder hier anzubandeln und sobald er hatte, was er wollte, lässt er sie fallen.“

„Ich habe keinen Bedarf an Männergeschichten, Adele.“ Emily sagte das nicht nur so hin. Das Letzte was sie brauchte, war ein Mann. Sie war nach Las Vegas gezogen, um ihr eigenes Leben zu leben, nicht, um mit einem Kerl anzubandeln. Sie hatte für ein ganzes Leben genug Zeit damit verbracht, sich zu verbiegen und anzupassen. Da konnten diese Stripper noch so gutaussehend sein, sie käme nicht in Versuchung. Der Preis war zu hoch. Sie würde auch für ein Beerdigungsinstitut oder für ein Tierheim arbeiten, solange sie nur genug verdiente und die Arbeitszeit mit der Kita kompatibel war. Die Candy Kings interessierten sie nur, um die Schecks zu decken.

Adele nickte und ging zurück in ihr Büro. An der Tür drehte sie sich nochmal um. Sie zeigte mit ihrem Finger auf eine Wange. „Sie äh, haben da noch was, Emily.“

Verdattert strich sie an ihrer Wange entlang und entdeckte etwas Klebriges. Ein Blick auf den Finger lieferte die Erklärung. Sie leckte den Ahornsirup ab und begab sich seufzend zum Waschraum, um sich frisch zu machen. Mit einem Kleinkind gab es beinahe täglich solche Unfälle. Ein Glück, dass ihre neue Chefin so locker war. Wobei die Warnung davor, etwas mit den Tänzern anzufangen, schon sehr ernst geklungen hatte.

Emily wischte sich mit einem Papiertuch das Gesicht ab und begutachtete sich. Was sollte einer dieser Prachtkerle denn mit ihr wollen? Sie war viel zu unscheinbar. Ihre Schwiegermutter hatte immer versucht, ihr Highlights einzureden, um Schwung in ihre faden braunen Haare zu bringen. Sie hatte das abgelehnt, weil sie nicht so sein wollte, wie die Püppchen vom Country Club, die alle gleich aussahen. Sie mochte ihre braunen Haare, die sich sogar lockten, wenn sie sie an der Luft trocknen ließ. Trotzdem wäre ein Friseurbesuch mal wieder angebracht. Aber wann sollte sie das denn machen? Seufzend wischte sie unter den Augen entlang, konnte aber diese dunkle Stelle nicht so leicht wegwischen wie den Sirup. Das war keine Schminke, sondern schlicht Stress und Übermüdung. Die Mascara war noch da, wo sie hingehörte. Mehr trug sie nicht. Warum auch? Sie schaute durchschnittlich aus, daran würde auch mehr Schminke nichts ändern.

Gerade weil sie keine schönheitsfixierte Tussi sein wollte, war sie doch hier.

Die Maniküren, Gesichtsbehandlungen und endlosen Gespräche über Outfits für Charity Events, die ihr Leben die letzten Jahre bestimmten, hatten sie nie interessiert. Sie hatte diesen schrecklichen Upper-Class Lebensstil lediglich erduldet, weil sie dachte, ihrer Ehe damit eine Chance zu geben. Nicht, weil es ihr so gut gefiel, vom Friseur zum Charity-Lunch gefahren zu werden und danach Kleider für ein Benefiz-Golfturnier anzuprobieren.

Doch Carlos hatte nie gefragt, was Emily wollte. Er war, wie der Rest seiner Familie, der Meinung gewesen, sie könne sich glücklich schätzen, mit ihm einen solchen Fang gemacht zu haben. Niemand hatte verstanden, dass dieses Leben in einem luxuriösen Käfig sie langsam zerstörte.

Doch das war jetzt vorbei.

Sie wollte etwas erleben, etwas schaffen, leisten und dabei nicht darüber nachdenken, ob man schmutzig wurde, oder was die Nachbarn dazu sagen würden.

Ihr entwich ein Schnauben. Es war ihr klar, was die Nachbarn in Baltimore sagen würden, wüssten sie, dass Emily für eine Gruppe männlicher Stripper arbeitete.

Und es machte sie stolz.

 

In den nächsten Wochen wartete sehr viel Arbeit auf Emily. Da sie täglich pünktlich um fünf Uhr nachmittags am Kindergarten sein musste, blieb ihr kaum Spielraum, um mit den Kollegen zu plaudern, ohne Überstunden zu machen. Noch nicht einmal eine Show schaffte sie sich anzusehen. Sie wollte Zoe nicht alleine lassen, obwohl Kathryn angeboten hatte, auf die Vierjährige aufzupassen.

Ja, sie klammerte. Aber ihr Mädchen sollte sich in der neuen Umgebung eingewöhnen, dann könnte Emily immer noch einen Babysitter engagieren. Im Moment war ihr die Zeit mit ihrer Tochter zu wichtig. Zoe hatte ihren Vater verloren und eine riesige Villa gegen eine kleine Wohnung tauschen müssen. Das war genug Aufregung für ein Kind ihres Alters.

Mittlerweile hatten sich alle Mitarbeiter der Candy Kings, die sich derzeit in Las Vegas befanden, bei ihr vorgestellt. Immer wieder kam jemand im Büro vorbei, um etwas abzuklären, und so hatte sie in den letzten Wochen jeden mal gesehen und konnte zumindest die Namen zuordnen.

Klar waren das tolle Kerle. Jeder der Candy Kings war perfekt in Form. Ihre Körper waren ihr Kapital. Wehe Adele erwischte jemanden, der sich nicht an die Regeln hielt! Derjenige bekam sofort ein paar Extra-Trainingseinheiten und einen Termin beim Ernährungsberater verpasst.

Die Planung der nächsten Tour lief auf Hochtouren und es gab jede Menge aufzuarbeiten, was liegengeblieben war. Zudem liefen über Emilys Tisch die Kosten der beiden Garderobieren, des Ernährungscoaches und der Choreografin. Emily musste sich darum kümmern, dass Termine und Abrechnung passten.

All dies wollte organisiert werden. Es blieb ihr kaum Luft, um mal Mittagspause mit Jenna zu machen. Ihre Kollegin, die sich um Werbung und PR kümmerte, blieb oft bis spät abends. Luft nach hinten, über die Emily nicht verfügte. Also aß sie meist nur schnell ein Sandwich zwischendurch. Außerdem war das günstiger, als essen zu gehen, und momentan musste sie jeden Cent umdrehen, den sie verdiente. Die Kaution für die Wohnung, dazu Möbel und das Auto hatten ein großes Loch in ihre Ersparnisse gerissen.

Obwohl die Arbeit stressig war, machte es ihr Freude, Adeles Assistentin zu sein. Nicht zuletzt, weil die Tätigkeit sie davon abhielt, zu grübeln. Es blieb schlichtweg keine Zeit, ihre Entscheidung, mit Zoe ein neues Leben anzufangen, zu hinterfragen.

Adeles warnende Worte über die Candy Kings hatte sie zwischen Buchungen, E-Mails und Telefonaten längst vergessen.

Mittlerweile hatte die Weihnachtszeit begonnen.

Jenna dekorierte die Fensterbänke, Regale und Wände mit Zuckerstangen, künstlichen Tannenzweigen und blinkenden Lichterketten, während aus dem Radio ‚Last Christmas‘ dudelte. Anscheinend mochte Jennas Lebensgefährtin keinen Weihnachtskitsch, so dass sie sich im Büro austobte.

Emily betrachtete Weihnachten mit gemischten Gefühlen. Es war ja ein Fest der Familie. Sie war mit Zoe alleine. Ob die Kleine später verstehen würde, warum sie Carlos’ Familie verlassen hatte? Oder würde das Kind ihr vorwerfen, dass sie es ihrer Familie entzogen hatte?

Sie hatte für die kleine Wohnung ein Bäumchen gekauft und gemeinsam mit Zoe geschmückt. Die roten Kugeln aus dem Supermarkt waren aus Kunststoff, dazu hatten sie am Samstag goldene Sterne aus Glitzerpapier gebastelt. Aber besonders die kleinen Zuckerstangen hatten es dem Mädchen angetan. Adele hatte ihr eine Packung davon für Zoe geschenkt. Das Lager war zum Bersten voll mit den rot-weiß gestreiften Süßigkeiten, da die Candy Kings das ganze Jahr über mit ihren Zuckerstangen spielten.

Die Zweideutigkeit ihrer Gedanken zauberte ein Lächeln auf Emilys Gesicht.

„Hallooho! Ein neues Gesicht!“

Sie war abgeschweift. Offensichtlich hatte sie doch gegrübelt und sich ablenken lassen, wenn in der Zeit jemand den Raum betreten konnte, ohne dass sie ihn bemerkte.

Dieser Mann war es nicht gewohnt, unbemerkt zu bleiben. Das erkannte sie sofort, als sie sich der Stimme zuwandte. Er musste einer der Stripper sein. Groß, sonnengebräunt und durchtrainiert stand er zwinkernd vor ihrem Schreibtisch. „Ein Gesicht mit einem Wahnsinnslächeln!“, setzte er hinzu.

 

 

 

Kapitel 2

 

Den Mann hatte sie nie zuvor gesehen.

Emily sah in lachende blaue Augen, die ihr deutlich zu nahe kamen. Er hatte sich mit den Armen auf ihrem Schreibtisch abgestützt und beugte sich zu ihr.

Sie rollte mit ihrem Stuhl zurück und erhob sich. Einszweiundsechzig war nicht viel, aber immer noch mehr im Stehen als im Sitzen. „Emily Cardena. Hi. Und wer bist du?“ Sie hielt diesem blonden Engel ihre ausgestreckte Hand entgegen.

Seine Augen glitzerten, obwohl er kurz wegen ihrer Förmlichkeit überrascht gewirkt hatte. Das war offenbar einer, der sich für ein Geschenk an die Frauen hielt. Sein Lächeln schwächte sich allerdings nicht ab, als er mit festem Griff ihre Hand nahm.

„Ich bin Gray!“

Ach, das hätte sie sich denken können! Jeder hier hatte eine Story über Gray, den berüchtigtsten Candy King auf Lager. Ein Weiberheld und Troublemaker wie er im Buche stand.

„Hi. Wie war die Tour?“ Gray und ein paar andere Jungs waren die letzten Monate durch Kanada und den Osten der Staaten getourt. Jetzt, zwei Wochen vor Weihnachten, waren sie zurück, damit die Teams über die Feiertage allen Urlaubswünschen gerecht werden konnten. Sie hatte in dem ganzen Trubel vergessen, dass die Kollegen sich diese Woche zurückmelden sollten.

„Anstrengend war es und die Frauen dort waren nicht annähernd so interessant wie hier!“ Wieder zwinkerte er sie an.

Diesen Kerl loszuwerden, würde viel Arbeit werden. Emily rollte mit den Augen und hielt ihm ein paar Unterlagen hin. „Hier! Trag bitte ein, wie du über die Feiertage verfügbar bist, und ob du Urlaubswünsche hast. Am Vierundzwanzigsten und am Fünfundzwanzigsten gibt es keine Show, aber alle anderen Tage bis Neujahr müssen besetzt werden!“

„Wann wäre es dir denn am liebsten, Emily? An welchem Tag soll ich für dich tanzen?“

„Ich bin fürs Sekretariat zuständig, Gray, meine Abende verbringe ich nicht hier.“ Sie setzte sich wieder und fing an, zu tippen. Ohne ihn anzusehen, fügte sie hinzu: „Ich brauche deine Unterlagen bis übermorgen. Ansonsten musst du nehmen, was übrigbleibt.“

Ein ärgerliches Räuspern von Adeles Büro unterbrach sie. „Lass Emily in Frieden! Sie ist immun dir gegenüber, Gray! Und tabu! Du bist übrigens zu spät!“

„Niemand ist mir gegenüber immun, Adele!“

Wie ein bockiges Kind. Wer sich wie Emily morgens mit der Frage herumschlagen musste, warum man im Winter Socken tragen musste und dass eine tote Kröte kein passendes Mitbringsel für den Geburtstag der Erzieherin war, kannte sich mit störrischen Wesen aus. Dieser Kerl würde sie nicht um ihre Ruhe bringen, egal wie viel Charme er auch versprühen mochte. Sie war dagegen genauso unempfindlich, wie gegenüber den Kulleraugen und Schmollmündchen ihrer Tochter. Was er wollte, war viel zu offensichtlich. Sie lachte über sein verdutztes Gesicht, während er betont langsam zu Adele schlenderte und sich die Tür der Chefin hinter ihm schloss.

Doch viel zu schnell wurde sie wieder unterbrochen. Was war denn nur los? Heute sollte sie wohl nicht in Ruhe arbeiten können!

„War das eben Gray, der hier ins Büro spaziert ist?“

Gray und sein offensives Flirten berührten Emily nicht so wie Bobbys Stimme.

Robert O’Leary.

Das krasse Gegenteil zu Gray. Düster. Zurückhaltend. Seine dunkle Aura war so anders als die lockere Offenheit der meisten anderen Tänzer. Vielleicht war er gerade deshalb so erfolgreich. Weil seine weiblichen Fans diese geheimnisvolle Art mochten. Genau wie sie. Dieser Mann berührte etwas in Emily, obwohl er ihr Angst machte. Oder machte es ihr Angst, dass sie so auf ihn reagierte? Seine tiefe Stimme, die Präsenz, die ihn umgab, brachte ihr Herz jedes Mal dazu, schneller zu klopfen, sandte Hitze in Teile ihres Körpers, die sie ignorieren wollte.

Sie sah von ihrem Rechner auf, nachdem sie fertig getippt hatte. Innerlich gewappnet, diesen grauen Augen, die immer so ernst blickten, zu begegnen.

„Hi Bobby! Ja, Gray ist bei Adele“, erklärte sie bemüht sachlich, obwohl ihr Blut durch die Adern toste, wie ein Sturzbach „M... möchtest du später nochmal vorbeikommen? Heute stehen keine weiteren Termine an. Sie müsste Zeit für dich haben, sobald Gray fertig ist.“

Bobbys Anwesenheit ließ das Büro zur Besenkammer mutieren. Er war so anders als die anderen Jungs. Junge? Was dachte sie sich dabei? Bobby war so wenig ein Junge, wie ein Löwe ein Kuschelkater! Niemand, der Augen hatte, würde diesen über einsneunzig großen Kerl mit den breiten Schultern und dem dunklen Sechstagebart als Jungen bezeichnen. Dazu war er viel zu männlich. Schon als er sich vor ein paar Wochen bei ihr vorgestellt hatte, war Emily von der Präsenz, die er ausstrahlte, beeindruckt gewesen. Neben ihm waren alle anderen Candy Kings verblasst.

„Danke, aber ich warte solange“, erwiderte er und setzte sich auf einen der Besucherstühle an der Wand gegenüber von Emily.

Sie konnte seine Gegenwart nicht ausblenden. Es war, als wäre jede Zelle ihres Körpers damit beschäftigt, sich auf ihn auszurichten. Als wären ihre Sinne aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Ihre Haut kribbelte und sie würde seinen Geruch selbst in einer Menschenmenge erkennen, so sehr sprang sie darauf an. Unter dem Schreibtisch schlang sie die Beine übereinander. Ein Fehler! Die Kombination von Bobby in ihrem Büro und Druck auf ihren intimen Stellen, ließ sie beinahe aufstöhnen.

Was war nur mit ihr los? Kein Mann hatte jemals so etwas in ihr ausgelöst.

Sie zwang sich, nicht zu ihm zu schauen. Äußerlich ruhig bleiben, konzentriert wirken, war die Devise. Es wäre zu peinlich, wenn er bemerken würde, dass sie sexuell erregt war, bloß weil er auf einem Stuhl ihr gegenüber saß.

Emily gelang es nicht, Bobby zu ignorieren. Sie versuchte, die E-Mail weiterzuschreiben, an der sie vorhin gearbeitet hatte. Aber sie hatte vergessen, worum es sich handelte. Also tippte sie Reihen von Unsinn und hoffte, dass Gray sich bei Adele beeilen würde. Sie sah auf ihren Schreibtisch und versuchte, den vollkommen still da sitzenden Mann auszublenden. Doch irgendein Winkel ihres Sichtfeldes schien ihn immer wahrzunehmen. Es gab Menschen, die man nicht übersehen konnte, weil sie ständig plapperten oder zappelten. Noch nie hatte Emily jemanden kennengelernt, der so in sich ruhte und dennoch jede Unze ihrer Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Okay. Ähm, möchtest du einen Kaffee?“, erkundigte sie sich schließlich. Normalerweise bot sie nur externen Besuchern Getränke an, aber ihr war nichts Besseres eingefallen, das sie sagen konnte. Irgendetwas musste sie tun, um die Unruhe, die sie erfasst hatte, zu verjagen.

„Danke, Emily. Aber ich denke nicht, dass es deine Aufgabe ist, für Kollegen Kaffee zu kochen.“ Er verzog die Mundwinkel dabei ein kleines bisschen. Nur wer genau darauf achtete, erkannte das Lächeln. Leider tat Emily das. Es war, als entzünde sich der Funke in ihr zu einem Waldbrand. Dieses Lächeln sollte verboten sein. Es hatte etwas, das, für andere unsichtbar, in ihr ein Echo fand.

Wie paralysiert hielt sie seinen Blick fest. Sie konnte nichts dagegen tun. Ob er sah, wie sehr sie auf ihn reagierte, war nicht mehr wichtig. Sie konnte nicht unterdrücken, wie schnell ihr Puls hämmerte, dass ihr Atem flach wurde und ihr ganzer Körper glühte. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was war das nur für ein Mann? Am liebsten wäre sie aufgestanden, um ihm näher zu sein, um das Mysterium zu erforschen, herauszufinden, warum er diese Wirkung auf sie hatte.

Die Tür zu Adeles Büro wurde aufgerissen und Gray zerstörte die seltsame Verbindung, indem er seinen Freund mit einem Schulterklopfen begrüßte. „Bobby! Hey, was geht?“

Erleichtert atmete Emily aus. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. Kopfschüttelnd versteckte sie sich hinter dem Monitor ihres Rechners und versuchte, sich unter Kontrolle zu bringen. Sie war froh, dass niemand sah, wie sehr ihre Hände zitterten.

„Bobby, kann ich dir helfen?“, ertönte Adeles Stimme aus dem Büro.

„Nein, ich hatte nur gehört, dass Gray zurück ist, und da wollte ich ...“

„... deinen alten Freund begrüßen?“ Etwas in Adeles Ton ließ Emily aufhorchen. Sie klang zu süß, beinahe sarkastisch.

Gray, der schon am Gehen war, drehte sich um. Auf seinem Gesicht erschien ein Stirnrunzeln, während er zwischen den Personen im Raum hin und hersah, bis sein Blick schließlich auf Emily fiel. Er sah von ihr zu Bobby und eine ärgerliche Falte tauchte auf seiner Stirn auf. „Ja, er wollte nur seinen alten Kumpel begrüßen, nicht wahr, Bobby? Oder soll ich dich lieber Babysitter nennen?“ Er schüttelte angewidert den Kopf. „Ey, Mann, das hätte es echt nicht gebraucht!“

„Ach komm schon, Gray. Lass uns was essen gehen!“ Bobby versuchte, seinen Freund aus dem Büro zu lotsen, doch Gray schüttelte den kameradschaftlich ausgestreckten Arm einfach ab.

Was ging denn hier gerade ab? Emily verstand nichts, außer dass verdammt viele Zwischentöne in der Luft hingen.

Bevor Gray den Raum verließ, drehte er sich noch einmal zu ihr und schenkte ihr dieses Tausend-Watt-Strahlen. „Bye, Emily! Hat mich gefreut, dich kennenzulernen!“

„Bye, Gray“, erwiderte sie automatisch mit einem Lächeln.

Bobby blieb kurz stehen und sah sie an, als würde er noch etwas sagen wollen. Dann überlegte er es sich scheinbar anders und nickte ihr nur kurz zu. „Mach’s gut, Emily! Bye, Adele!“

Die Managerin sah den beiden mit einem Seufzen hinterher. „Teilen Sie Gray für die Freitagabend-Show ein, Emily.“

„Den Abend der Weihnachtsfeier?“

„Irgendjemand muss ja Dienst machen und Gray hat einiges wiedergutzumachen. Wenn ich es recht bedenke, sollte er auch am Dreiundzwanzigsten und am Sechsundzwanzigsten auftreten.“ Das maliziöse Grinsen auf Adeles Gesicht war Emily neu.

Zuerst Bobby und jetzt auch noch Adele, die Gray reizten. Was hatte er nur angestellt? Nun, was auch immer zwischen diesen Dreien lief, es ging sie nichts an.

Auch wenn das nicht Bobbys Blicke erklärte oder das, was zwischen ihr und Bobby hing. Denn irgendetwas brachte die Luft zwischen ihnen beiden zum Knistern. Pah! Knistern war ein Understatement!

Was auch immer es war, es beunruhigte sie.

„Sie kommen doch zur Weihnachtsfeier, Emily? Sie sollten sich außerdem endlich einmal die Show ansehen.“ Ein ungeduldiger Blick traf sie.

„Ich, äh, Zoe ...“, setzte sie an, ihre übliche Ausrede anzubringen.

Doch Adele unterbrach sie. „Ich verstehe, dass Ihnen Ihre Tochter wichtig ist, und werde nicht verlangen, dass Sie abends arbeiten, Emily. Aber es wäre wünschenswert, dass Sie wissen, wie unsere Show abläuft und was dort gezeigt wird. Außerdem möchte ich alle Mitarbeiter auf der Weihnachtsfeier sehen. Wir sind ein Team und solche Anlässe sind wichtig für den Zusammenhalt. Wenn Sie möchten, können Sie hier im Hotel übernachten. Es muss sich doch ein Babysitter finden für Ihre Kleine.“

Das klang weniger nach einer Einladung als nach einer Anweisung. Sie konnte nicht wirklich ablehnen. Kathryn hatte schon oft vorgeschlagen, auf Zoe aufzupassen, und wahrscheinlich wusste Adele das auch genau. Emily hatte keine Ausrede mehr, um sich vor diesem Anlass zu drücken. „Ich werde da sein, Adele.“

„Gut, überlegen Sie sich das mit dem Zimmer. Sie wissen ja, was alles für die Party bestellt wurde!“ Mit einem Zwinkern zog sich Adele in ihr Büro zurück.

Ihre Worte verfolgten Emily den Rest des Tages. Sie hatte sich selbst um alles gekümmert, gemeinsam mit dem Hotel ein großartiges Buffet bestellt, dazu einen DJ und eine Cocktailbar organisiert.

Die Feier würde in der Rooftop-Bar des Hotels stattfinden, einer wirklich tollen Location. Emily war begeistert gewesen, als sie sich den Raum angesehen hatte. Die Bar war klassisch dezent eingerichtet mit dunkelgrauen Ledersofas im Loungebereich und moderner Kunst an den Wänden. Außerdem gab es eine Terrasse mit üppigen Grünpflanzen und einer Wahnsinnsaussicht über den Strip, die Straße in Las Vegas, an der die großen Hotels mit ihren verrückten Gebäuden lagen, die die ganze Nacht über in allen Farben des Regenbogens beleuchtet wurden. Es musste nachts bezaubernd sein dort oben.

Obwohl sie sich eingeredet hatte, dass so eine Party nichts für eine alleinerziehende Mutter sei, war sie insgeheim schon traurig gewesen, die Früchte ihrer Arbeit nicht genießen zu können. Schließlich hatte sie alles bis ins letzte Detail geplant und sich viel Mühe gegeben, ein außergewöhnliches Fest zu organisieren. Dabei hatte ihr niemand etwas vorgeschrieben oder verlangt, alles so zu gestalten, wie es schon seit zwanzig Jahren gemacht wurde. Es war ihr Fest. Es trug ihre Handschrift.

Nur war sie seit Monaten nicht mehr unter Leuten gewesen, hatte alle Versuche Kathryns, sie zum Ausgehen zu bewegen, abgeblockt, weil sie bei Zoe bleiben wollte. Seufzend gestand sie sich ein, dass es nicht Zoe war, die an ihr klammerte, sondern sie, die sich hinter ihrer Tochter verschanzte.

Diese Ausrede zog nicht mehr.

Es half alles nichts. Sie musste auf dieses Fest gehen, mit Leuten sprechen, auch privat. Etwas, das sie bisher gekonnt vermieden hatte.

Nachdem sie Zoe vom Kindergarten abgeholt hatte, machten die beiden es sich im Wohnzimmer bei Hot Dogs und Saft gemütlich. Auch wenn die Möbel billig waren und die Zimmer in der Wohnung klein, so war es doch ihr ureigenes Reich. Etwas, das Emily sehr genoss. Niemand sagte ihr, welche Farben, Stoffe und Möbel sie zu kaufen hatte. An den Wänden hingen Zeichnungen von Zoe und Fotos, die sie beide zeigten, statt Kunstwerken, die allein nach ihrem Wert ausgewählt wurden. Ein ganz normales Zuhause eben.

„Erzähl mal, Liebes, was habt ihr denn heute in der Kita gemacht?“

„Wir haben Lieder geübt für die Weihnachtsfeier und Kostüme gebastelt! Ich bin ein Engel, Mommy!“

„Ja, das bist du, mein Schatz!“

Emily verspürte zugleich Freude und Angst vor dem geplanten Kindergarten-Fest. Zu gut erinnerte sie sich daran, wie bei solchen Gelegenheiten die Eltern, insbesondere die neuen, beobachtet und beurteilt wurden. Sie war in Baltimore selten gut davongekommen und hatte diese Veranstaltungen nur ihrem Kind zuliebe besucht. Das würde sie selbstverständlich auch jetzt wieder tun.

Doch die neue Kita war ganz anders als die letzte Einrichtung, die Zoe besucht hatte, sagte sie sich. Weniger snobistisch. Denn dieses Mal hatte sie das Haus ausgewählt. In Baltimore hatte Carlos‘ Mutter Zoe schon vor deren Geburt angemeldet und Emilys Einspruch nicht geduldet. Ihrem Mann zuliebe stimmte sie schließlich zu. Auch weil sie Zoe gerne unter Gleichaltrigen sah. Aber die High-Society-Krippe war ihr viel zu elitär gewesen. Immer wieder musste Emily Zoe verteidigen, wenn es im Gespräch hieß, andere Kinder seien schon weiter. Sie hasste diesen künstlichen Wettbewerb. Die anderen Mütter förderten diese Verhaltensweisen und ständig drehten sich die Gespräche um „mein Kind kann schon“ und „mein Kind weiß schon“.

Hier war das anders. Es gab keine Übungen für Fremdsprachen, dafür aber gemeinsame Sing- und Musizierrunden. Das Personal war freundlich und herzlich im Umgang mit den Kindern. Was Emily aber gerade an diesem Kindergarten überzeugt hatte, war, dass es eine Matschecke im Garten gab.

Womöglich würde sie sich sogar amüsieren, wenn sie mit Zoe die Feier besuchte. Und wer weiß, vielleicht lernte sie ja andere Mütter kennen bei dieser Gelegenheit. Menschen, die sie nicht nach dem Preis ihrer Kleidung beurteilten.

„Du wirst ein zauberhafter Engel sein, mein kleiner Engel!“ Sie verwuschelte Zoes dunkle Locken, die sie so sehr an Carlos erinnerten.

Im Endeffekt war es egal, was diese Leute von ihr hielten. Sie würde die Weihnachtsfeier in der Kita für Zoe besuchen, nicht um irgendjemand zu beeindrucken.

Das Fest der Candy Kings war eine verdiente Belohnung, für die Arbeit die sie hineingesteckt hatte. Mal wieder ausgehen, etwas unternehmen. Mit dem Rest käme sie irgendwie klar. Sie konnte dem Leben und den Menschen nicht ewig aus dem Weg gehen.

 

 

 

Kapitel 3

 

Gestresst parkte Bobby den Pick-up in der Tiefgarage, die zu seiner Wohnung gehörte. Das Gebäude war aus den Siebzigern und ursprünglich als Hotel geplant gewesen. Aber dann war irgendetwas schief gelaufen. Der Investor war pleite gegangen, oder der Standort war plötzlich nicht mehr gut genug gewesen, und man hatte für das Haus neue Nutzungsmöglichkeiten gesucht. Mit jeder Änderung sank das Gebäude im Niveau ab. Mittlerweile befand sich im Erdgeschoß eine Billardbar, während der erste Stock komplett von einem Erotikmarkt genutzt wurde. Dieser hatte auch im ansonsten leer stehenden zweiten Stockwerk noch ein paar Räume mit Filmkabinen.

Ihm war das gerade Recht gekommen. Das Loft im dritten Stock war entsprechend günstig. Es war durch einen großen Aufzug erreichbar und so massiv gebaut, dass man auch schwere Dinge lagern konnte. Hier störte er keine anderen Mieter mit seinem Hobby.

Die Filmkabinen waren bestens schallisoliert und so regte sich niemand auf, wenn er tagsüber die Säge auspackte. Die Bar öffnete erst gegen Abend. Da stand er längst wieder auf der Bühne. Bobby war wahrscheinlich der einzige Bildhauer der Welt, der sein Atelier im obersten Stockwerk eines Gebäudes hatte anstatt in einer Halle mit direktem Zugang. Aber, hey, für ihn passte es.

Schließlich war es nur eine Freizeitbeschäftigung und er arbeitete mit Holz, nicht mit Stein.

Heute würde er sich um den großen Eichenblock kümmern, den er vor zwei Wochen von einem befreundeten Schreiner erhalten hatte, weil dieser mit der unregelmäßigen Maserung nichts anfangen konnte. Er wollte sich richtig auspowern. Das brauchte er ganz dringend nach dem Desaster mit Gray.

Warum konnte Gray es nicht gut sein lassen? Was war nur mit dem Kerl los, dass er so mutwillig alles zerstörte? Bobby hatte versucht, mit ihm zu reden, als er das Büro verlassen hatte.

„Hau ab, Babysitter!“ Gray stürmte einfach weiter.

Bobby wurde sauer, packte ihn an der Schulter und riss ihn herum. „Was soll der Scheiß, Mann? Ich bin nicht dein Aufpasser, sondern dein Kumpel!“

„Nein, sag du mir, was das soll, Kumpel!“ Gray hatte jegliche Sorglosigkeit verloren. Eine Furche zog sich zwischen Augenbrauen und Nasenwurzel und den Mund hatte er zusammengekniffen. Er war wirklich tierisch angepisst.

„Hör mal, Gray. Es ist deine Sache, mit wem du ins Bett steigst. Meinetwegen vögle jeden Abend ein anderes Groupie, aber lass die Kolleginnen in Frieden.“ Das sagte er nicht nur so daher, oder weil Adele ihn gebeten hatte, dafür zu sorgen, dass Gray sich an die Regeln hielt und die neue Sekretärin in Frieden ließ. „Wir alle haben nur Ärger, wenn ständig neue Leute im Büro arbeiten! Verdammt, Gray! Glaubst du, die anderen finden es gut, dass Fehler passieren in der Planung, dass Bestellungen falsch laufen oder Termine verwechselt werden, weil gerade wieder jemand wegen dir gekündigt hat?“

Ein Glitzern trat in Grays Augen, das ihm ein flaues Gefühl im Magen verursachte. Bobbys Hand wischte er mit einer verächtlichen Geste von der Schulter. „Wie du so treffend gesagt hast, Kumpel, es ist meine Sache, wen ich ficke!“ Damit hatte sich sein bester Freund weggedreht und war davon gestampft.

---ENDE DER LESEPROBE---