Canyon der Verlorenen - Patrick J. Grieser - E-Book

Canyon der Verlorenen E-Book

Patrick J. Grieser

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Beschreibung

Mehr Action und mehr Abenteuer! Entdecken Sie jetzt die Sonderbände der historischen Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“!

Klappentext: Als Zack Tully die jungen Männer Terry Wells und Angus Horner sicher nach Bitter Ridge bringt, ahnt er nicht, dass der abgelegene Ort ein tödliches Geheimnis birgt. Banditen unter Sam Abbott haben die Stadt übernommen und mit Bürgerkriegs-Geschützen in eine Festung verwandelt. Doch Tully gibt nicht kampflos auf – mit Mut, List und einem alten Tunnelplan startet er einen verzweifelten Gegenangriff. Wird es ihm gelingen, Bitter Ridge aus den Klauen der Dollarwölfe zu befreien?

Über die Serie Das Gesetz des Westens: Freuen Sie sich regelmäßig auf die spannendsten Western-Abenteuer diesseits des Mississippi! EK-2 Publishing hat für „Das Gesetz des Westens“ die ganz großen Koryphäen des Western-Genres versammelt. Alfred Wallon, Peter Dubina, John Gray und viele weitere Autoren katapultieren sie direkt ins Geschehen und bescheren Ihnen ein unvergessliches Leseerlebnis.

Laden Sie Ihren Revolver und satteln Sie Ihren Hengst, denn es geht auf eine spannende Reise in den rauen Wilden Westen!

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Patrick J. Grieser

 

 

 

 

Canyon der Verlorenen

Ein Mann wie Zack Tully: Band 1Historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“

 

 

EK-2 Militär

 

 

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Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Haben Sie Anmerkungen oder Kritik? Lassen Sie uns gerne wissen, was Ihnen besonders gefallen hat oder wo Sie sich Verbesserungen wünschen. Welche Bücher würden Sie gerne in unserem Katalog entdecken? Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns und unsere Autoren.

 

 

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Canyon der Verlorenen

Ein Mann wie Zack Tully: Band 1

von Patrick J. Grieser

 

1.

 

Jenseits des 98. Längengrades hört die Zivilisation auf zu existieren. Es ist ein karges Land, das von einem großen Teil Wüste bedeckt wird. Hier bekommt man nur Eidechsen, hart gewachsenes Gras und Feigenkakteen zu sehen. Eine gigantische Fläche aus Lehm, Sand und Kieselsteinen erstreckt sich dort bis zum fernen Horizont. Diese Monotonie wird nur durch Schädel und Büffelknochen durchbrochen.

Die alten Bücher beschreiben dieses Land als die ›Große Amerikanische Wüste‹ – eine Bezeichnung, wie sie passender nicht sein könnte, denn es gibt wahrhaftig keinen hoffnungsloseren Ort auf diesem Kontinent. Hier fallen im Schnitt nur fünfzig Zentimeter Wasser im Jahr, was eine wirtschaftliche Nutzung nahezu unmöglich macht. Eine einzige Eisenbahnlinie überbrückt den 98. Längengrad zwischen zivilisierten Gestaden und einem Land, das von Wilden, Wüsten, Treibsand und heftigen Sandstürmen, die einem förmlich die Haut von den Knochen scheuern können, gekennzeichnet ist.

Während der Osten ein Gebiet von einunddreißig Bundesstaaten mit mehr als zweiundvierzig Millionen Menschen umfasst, herrscht hier gesetzlose Leere. Nur zwei Millionen Menschen versuchen diesem Ödland zu trotzen. Wer das Land meistern will, muss ein Überlebenskünstler sein. Hier in der Einöde weiß man nichts von Wirtschaftskrisen, dem Zusammenbruch des Bankensystems und den Skandalen der amerikanischen Regierung rund um Präsident Ulysses S. Grant. Washington ist ganz weit entfernt. Ein anderer Ort, irgendwo da draußen hinter dem Horizont, nicht greifbar für die Sattletramps, Vaqueros, Frontiermänner, Rancher und ehemaligen Unionssoldaten, die täglich um das Überleben in der Wüste kämpfen. Hier kämpft niemand darum, die Pazifikküste auch nur einen Zentimeter näher Richtung Boston zu bringen, als sie im Moment ist.

Dies ist das Land jenseits des 98. Längengrades, und es gibt keinen passenderen Ort als dieses letzte große Bollwerk gegen die überschäumende Kraft der Zivilisation, an dem diese Geschichte ihren Anfang nehmen könnte. Der Westen wirkt wie ein anderes Land. In dieser gesetzlosen Leere wird Geschichte geschrieben. So wie bei den drei Männern, die das Schicksal an jenem ereignisreichen Tag des Jahres 1876 zusammenführt.

Terry Wells winkt seinem Gefährten aufgeregt zu, als er den Creek entdeckt, der sich wie ein silbriges Band durch das Ödland zieht. Der kleine Flusslauf ist wahrhaftig ein Geschenk des Himmels, denn in ihren Trinkkanistern befindet sich nur noch ein verschwindend geringer Rest an Wasser, der auch noch mit Sandkörnern durchmischt ist.

Terry zwinkert mehrere Male mit den Augen, denn er kann es noch immer kaum glauben, dass es gerade hier, abseits der großen Wagenspur, einen kleinen Creek gibt. Sein Blick folgt dem Zickzackverlauf des Gewässers. In der Ferne erkennt er einen steilen Felshügel, der sich mit seiner schroffen Oberfläche fast im Neunzig-Grad-Winkel vom Boden erhebt und wahrscheinlich durch jahrhundertelange Erosionen entstanden ist. Der Bachlauf endet vor dem Felsen in einer ziemlich breiten Wasserstelle. Aus einem der unzähligen Spalten im Gestein plätschert ein Wasserfall in die Tiefe. Ganz sicher existiert in dem Hügel eine Art unterirdischer Quelle. Eine Wassersäule in einem Hohlraum bildet wahrscheinlich einen so starken Druck, dass ein beständiger Strahl davon ins Freie sprudelt. Der kleine See hat sich dann infolge des ständig nachfließenden Wassers gebildet, das das Lehm-Sand-Gemisch im Bodengrund irgendwann weggespült hat.

Egal, wie oft Terry die Augen auch schließt und wieder öffnet, das Bild vor ihm verändert sich nicht.

Terry ist ein junger Mann, der noch keine zwanzig Winter alt ist. Er hat strohblonde Haare, die ihm bis zu den Schultern reichen, und schon lange nicht mehr die Schere eines Barbiers gesehen haben. Im sengenden Licht der Wüstensonne wirken die Haare manchmal wie die ausgebleichten Knochen eines verendeten Longhorns. Terry ist von spindeldürrer Gestalt, so, als ob sich sein Körper noch nicht entscheiden könnte, die Schwelle zum erwachsenen Mann endgültig zu überschreiten. In seinen Händen hält Terry einen Zuckerhut-Sombrero, der sein ständiger Wegbegleiter ist. Die breite Krempe und hohe Krone bieten guten Schutz vor der Wüstensonne. Geistesabwesend zieht er sein Bandana aus der Hutkrone, das er dort zusammengeknüllt hat. Das Tuch bietet einen weiteren Schutz vor der erbarmungslosen Sonne und mit einer fahrigen Bewegung fährt er sich damit über das schweißnasse Gesicht. Beim Anblick des glitzernden Bachlaufs muss er erneut schlucken, wodurch sein mächtiger Adamsapfel auf und ab hüpft, was wiederum unfreiwillig komisch aussieht.

Eine weitere Person schließt zu dem dürren Kerl auf. Der Bursche ist älter als Terry Wells, was man an dem dunkelblonden, gelockten Haar erkennt, das schon reichlich gelichtet ist. Im Gegensatz zu dem hageren Terry scheint dieser Kerl kein Kostverächter zu sein, denn eine beachtliche Kugel zeichnet sich unter seinem Hemd ab, das besonders über diesem Abschnitt spannt. Der Mann hat zwar noch nicht ganz die Grenze zur Fettleibigkeit überschritten, aber es fehlt nicht mehr viel. Sein Gesicht ist feist und glänzt feuerrot wie eine Tomate in der Sonne. Der Kopf scheint fast halslos mit dem Rumpf zusammengewachsen zu sein.

Der Mann wischt sich gerade mit dem Hemdsärmel über das feuchte Gesicht, dann geht er in die Knie, ohne dabei auch nur eine Sekunde den kleinen See mit der Wasserstelle aus den Augen zu lassen.

»Angus! Schau doch nur«, meint Terry aufgeregt und macht ein paar Schritte auf den Bachlauf zu.

»Ich seh’ es. Habe schließlich Augen im Kopf«, erwidert Angus Horner mit einer sehr hohen Stimme, die eher zu einem Jüngling als einem ausgewachsenen Burschen mittleren Alters gepasst hätte.

»Da sind sogar Cottonwoods!« Terry deutet auf eine Reihe von Pappeln, die sich in unmittelbarer Nähe der Wasserstelle befinden. Sie sind in der Wildnis eher selten anzutreffen, aber hier, wo der Boden feucht und voller Nährstoffe ist, gedeihen sie anscheinend besonders gut. Es sind alte Bäume, die dort stehen, denn im Gegensatz zum Creek haben die Baumrinden ihren silbrigen Glanz schon lange verloren.

Eine leichte Brise kommt auf, sodass die herzförmigen Blätter der Pappeln erzittern. Es tut gut, nach so langer Zeit wieder so etwas wie Wind auf der Haut zu spüren.

»Herrgott! Ich habe doch gesagt, dass ich Augen im Kopf habe«, meckert Angus, wobei seine Fistelstimme dabei fast versagt. So ist es immer, wenn er schimpft oder laut wird. Böse Zungen haben einmal gesagt, der Kerl wäre mit solch einer Stimme besser in einem Knabenchor aufgehoben gewesen. Mit viel Übung hätte er wahrscheinlich sogar noch eine wahre Falsettstimme hervorbringen können. Doch dies ist, wie gesagt, das Land jenseits des 98. Längengrades und hier gibt es keinen Platz für so etwas Bizarres wie Männerchöre.

Ohne weiter auf seinen Gefährten zu achten, marschiert Terry auf die sprudelnde Quelle zu.

»Was ist mit den Maultieren?«, ruft ihm Angus mit seiner schrillen Stimme hinterher. Ohne sich umzudrehen, erwidert Terry: »Hol sie doch einfach her! Dann können sie sich auch an dem kühlen Nass laben.«

Angus verdreht seine kleinen Schweinsaugen nach oben, denn er hat die Tiere auf der großen Wagenspur zurückgelassen und muss nun umkehren und den ganzen Weg zurücklaufen.

Es dauert nicht lange, da steht Terry Wells auch schon vor der Wasserstelle, die breit, aber nicht sonderlich tief ist. Vergnügt zieht er seine verschwitzten Schuhe aus und watet ins Wasser. Der kleine See ist lauwarm, von der Sonne stark aufgewärmt, doch in diesem Augenblick fühlt es sich für Terry an, als würde er mit seinen schmerzenden Füßen in Eiswasser baden.

»Aaaaah!«, entfährt es ihm genüsslich und er schließt einen Moment lang vergnügt und entspannt die Augen. Er muss plötzlich an Priscilla denken, die Tochter des ehemaligen Zahlmeisters der Konföderierten-Armee. Sie war der Grund, warum Terry überhaupt die lange, entbehrungsreiche Reise nach Bitter Ridge auf sich genommen hatte. Priscilla, die Tochter des Zahlmeisters …

Er öffnet die Augen, weil er spürt, dass etwas nicht stimmt. Es ist kein Geräusch, das den Apachen verraten hat, sondern da ist einfach dieses Gefühl in Terry. Ein Prickeln an seinem Hinterkopf. Etwas hat sich irgendwie falsch angefühlt.

Ein grimmiges Gesicht schaut ihn von der anderen Seite der Wasserstelle an. Der Apache trägt Kleidung aus leichter Baumwolle und gehäkelten Pflanzenfasern, angepasst an die sengende Hitze und das harte Leben in dieser Einöde. Eine eng anliegende Hose aus Leder mündet in weiche Mokassins, die sich gut zum Reiten und Anschleichen an einen möglichen Feind eignen. Das pechschwarze Haar des Mannes glänzt ölig im Sonnenlicht. Das alles nimmt Terry innerhalb von Sekunden mit absoluter Klarheit wahr, während er die Rothaut vor sich mustert. Er hat sich Indianer immer mit Federschmuck im Haar vorgestellt. Der alte Oheim hat ihm damals erzählt, dass die Prärieindianer ihre Federn mit Zeichen und Einschnitten verzieren, doch scheinbar trifft das nicht auf Apachen zu. Terry ist noch nie einem Apachen in freier Wildbahn begegnet. Hier und da hat ein Halbblut auf dem Viehhof die Nacht verbracht, aber diese Kerle hatten überwiegend die Sitten der Weißen angenommen und das tollwütige Rauschen in ihrem Blut längst unterdrückt.

»Hier sind die verdammten Maultiere. Weißt du, das nächste Mal …«, schimpft Angus Horner mit seiner schrillen Stimme. Doch was auch immer er noch sagen will, bleibt ihm im Hals stecken, als er den Indianer erblickt. Sein Mund bewegt sich zwar noch auf und ab, doch kein Ton kommt dabei über seine Lippen.

Der Blick des Apachen scheint Terry vollkommen zu durchdringen. Er lässt sich aber von dem Fremden, der scheinbar keine Gefahr für ihn und Angus darstellt, nicht aus der Ruhe bringen. Das Aussehen des Mannes ist grimmig und, o ja, Terry weiß nicht, wie lange er noch in diese finsteren Augen starren kann, ohne ohnmächtig zu werden. Er ist noch nie einer von der mutigen Sorte gewesen und würde es auch nie sein.

Ganz langsam zieht der Apache seinen Tomahawk aus der Lederscheide, die er um seine Hüfte gegürtet hat. Terry blickt auf die gekrümmte Klinge und weiß, dass er im Falle einer Auseinandersetzung sein Leben verwirkt hat. Gegen einen solchen Krieger und sein Beil hat er nicht den Hauch einer Chance.

Aus und vorbei! Ich werde niemals um Priscillas Hand anhalten können!, schießt es ihm durch den Kopf. Er spürt die Angst, die tief in seinem Bauch erwacht und nach oben in sein Gehirn kriecht. Für einen Moment überlegt er zu fliehen, doch er würde keine fünf Schritte weit kommen, ehe sich die Klinge des Tomahawks auch schon in seine Schulterblätter bohren würde.

»Angus …?«, ruft Terry, der seinen Freund im Moment nur als dunklen Schemen am äußersten Rand seines Gesichtsfeldes sieht.

»Ich sehe ihn«, krächzt Angus und macht einen Schritt zurück, sodass er aus dem Gesichtsfeld seines Freundes noch mehr verschwindet.

»Dann hilf mir …« Es ist mehr ein Ausruf absoluter Verzweiflung als wirklich eine Aufforderung. Die beiden Männer haben nicht den Hauch einer Chance.

Wie ein Raubtier, das sich seiner Beute gewiss ist, nähert sich der Apache dem jungen Mann an der Wasserstelle. Seine Mokassins verursachen keinen Laut auf dem steinigen Boden. Die Muskeln spannen sich an und zeichnen sich unter der sonnengebräunten Haut des Fremden ab.

Terry Wells will die Augen schließen, doch die Angst lähmt ihn. Eine gewisse morbide Faszination, die sehen möchte, wie es mit ihm zu Ende geht, lähmt ihn.

Der Apache greift nach dem Burschen, um ihn näher an sich heranzuziehen. Terrys Körper verkrampft sich. Der Apache hält den Tomahawk drohend in der Hand. Wie ein Fallbeil wird es gleich herunterfahren und Terrys Kopf …

Doch da peitscht ein Schuss über die Wasseroberfläche. Wie von einer unsichtbaren Faust geschlagen wird der Apache hochgewirbelt und dreht sich in der Luft einmal um die eigene Achse. Dann klatscht er mit dem Gesicht voran ins Wasser.

Terry macht erschrocken einen Ausfallschritt nach hinten, um sich in Sicherheit zu bringen. Es handelt sich dabei vielmehr um einen Reflex, der stärker als die lähmende Angst ist. Der Körper des Apachen zuckt noch mehrere Male im Wasser, und schon stellt sich Terry vor, dass der Krieger fontänengleich in die Höhe schießt und sich von Neuem auf ihn stürzt. Doch nichts dergleichen passiert. Ein letztes Zucken fährt durch den Indianer, dann treibt der Körper der Rothaut leblos im Wasser.

Irritiert schaut sich Terry um. Er sieht zuerst Angus, der einige Yards entfernt mit offenem Mund dasteht und jemanden hinter Terry fixiert. Ganz langsam dreht sich Terry daraufhin um und sieht den Fremden, der zwischen den Stämmen der Cottonwoods steht und in ihre Richtung starrt. In den Händen hält er einen noch immer rauchenden Colt. Er nickt Terry knapp zu und lässt dann ganz langsam das Schießeisen in seinem Revolvergurt verschwinden, den er tief an seiner Hüfte hängen hat und auf geradezu herausfordernde Art und Weise trägt. Auch wenn Terry Wells bislang noch nicht viel von dieser Welt gesehen hat, so wird ihm sofort klar, dass dieser Mann sein tödliches Handwerk versteht. Er gehört mit Sicherheit der Gilde der Revolverschwinger an.

Langsam tritt der Fremde aus dem Schatten der Cottonwoods. Es sind dunkle, harte Augen, die da unter dem Stetson hervorlugen und den jungen Mann an der Wasserstelle weiterhin mustern. Sein dürres Gesicht wird von einem ergrauten Mutton-Chops-Bart mit verlängerten Koteletten dominiert. Die rechte Wange ziert eine Narbe, die vermutlich von einem Messerkampf stammt. Das Haar ist ebenso wie der Bart von allerlei grauen Farbtönen durchzogen.

»Was habt ihr euch denn dabei gedacht, hier draußen herumzustreunern?«, fragt er tadelnd. Er verschränkt die Daumen in der Gürtelschlaufe seiner Wollhose, die an den Innenseiten mit Hirschleder verstärkt ist, um an den Stellen, wo sie gegen den Sattel reibt, nicht abzuscheuern. Ins Auge sticht außerdem sofort die goldene Gürtelschnalle, welche Westmänner nur selten tragen, denn die können nur in der Arena beim Rodeoreiten gewonnen werden.

Als keiner der beiden Männer antwortet, greift der Revolverschwinger in seine Jacke, die aus einem segeltuchähnlichen Stoff angefertigt ist. Er fischt eine selbstgedrehte Zigarette heraus und zündet sie mit einem Schwefelholz an. Terry sieht vernarbte Hände, die die Arbeit mit einem Lasso auf einer Ranch gewohnt sind. Der alte Oheim hat einmal erwähnt, dass echte Kerle Handschuhe aller Art ablehnen, da sie einem Mann angeblich das richtige Gefühl für ein Lasso rauben. Genüsslich zieht der Fremde mehrere Male an seinem Glimmstängel, dann richtet er den Blick wieder auf Terry Wells. Er deutet mit dem Kinn auf den toten Indianer im Wasser.

»Tu mir einen Gefallen und zieh die Rothaut aus dem Wasser. Ich habe einen weiten Weg hinter mir und bin durstig.«

Mechanisch kommt Terry Wells der Aufforderung nach. Es fühlt sich an, als habe eine fremde Macht die Kontrolle über seinen Körper übernommen. Mit einem Ächzen zieht er den toten Apachen an Land. Angus Horner scheint erst jetzt aus seiner Schockstarre zu erwachen und nähert sich dem Revolverschwinger, der in aller Ruhe seine Zigarette weiterraucht.

»Ähm, vielen Dank, Mister …«, ruft ihm Angus zu. Der Fremde zieht eine Augenbraue in die Höhe, als er hört, mit welch hoher Stimmlage der feiste Bursche da spricht.

»Tully«, antwortet der Revolverschwinger und nimmt erneut einen tiefen Zug von seinem Glimmstängel. Genussvoll bläst er den Rauch in die Luft vor ihm. »Zack Tully.« Er tippt sich mit dem Finger an die Krempe seines Stetsons.

»Danke, Mister Tully! Ohne sie wären wir ziemlich aufgeschmissen gewesen«, meint Angus mit Blick auf den leblosen Körper des Erschossenen.

»Ihr wärt tot gewesen, Freunde«, meint Zack Tully und zertritt den kümmerlichen Rest des Glimmstängels unter seinen Stiefeln, die sicher ein Vermögen gekostet haben. Sie sind aus weichem Leder mit dekorativen Stickereien und einer weichen Schlaufe, die gemeinhin als Maultierohr bekannt ist.

Tully stemmt die Hände in die Hüfte. »Also gut, nochmal von vorne: Was treibt ihr Greenhorns hier draußen?«

Angus winkt müde ab. »Das war nicht meine Idee! Das ist alles auf seinem Mist gewachsen.« Vorwurfsvoll deutet er auf seinen Freund Terry.

»Das Gleiche können Angus und ich aber auch Euch fragen, Mister Tully«, erwidert Terry und fixiert den Revolvermann vor sich.

»Ich habe die Frage aber zuerst gestellt, Amigo!«

»Terry hat sich in die schöne Patricia Mayfair verliebt. Wir sind daher auf dem Weg nach Bitter Ridge, damit er ihr einen Heiratsantrag machen kann«, erwidert Angus, ehe sein Kumpel überhaupt das Wort ergreifen kann.

»Patricia Mayfair?« Der Spott in der Stimme des Revolverschwingers ist nicht zu überhören.

»Die Tochter des ehemaligen Zahlmeisters der Konföderierten-Armee.«

Zack Tully lässt sich auf einem der Steine nieder und nimmt den Hut ab. Er beginnt, sich damit Luft ins Gesicht zu wedeln. »Nun, das ist eine Geschichte, die ich gerne hören würde.«

»Da gibt es aber nichts zu hören«, meint Terry Wells, dem die Sache sichtlich peinlich ist. Doch er hat sich genauso schnell wieder gefasst. »Es ist so … Ich habe Patricia Mayfair letztes Jahr auf dem Sommerfest gesehen und mich sofort in sie verliebt.«

»Und weiter?«, hakt Zack Tully nach.

»Er wollte sie zum Tanz auffordern, doch er war zu schüchtern«, meint Angus grinsend. »Stimmt doch, Terry, oder?«

»Ja, das stimmt«, knirscht Terry. Dann verschränkt er die Arme vor seiner Brust und schaut Tully trotzig an. »Doch jetzt bin ich ein Mann und werde den langen Weg nach Bitter Ridge auf mich nehmen, um Patricia zu meiner Frau zu machen.«

»Das ist alles?« Diesmal ist es Unglaube, der in der Stimme des Revolverschwingers mitschwingt.

»Ja, genau. Das ist alles!«

Es ist einen Moment lang still, dann lacht Zack Tully laut schallend auf. »Bei Gott, wie kann man nur so naiv sein? Das hier ist Apachenland.« Er lacht so lange, bis ihm Tränen übers Gesicht laufen. Mit der Linken wischt er sich über die Wangen. Terry Wells starrt ihn grimmig an. Erst da begreift Tully, dass es diesem jungen Burschen wirklich ernst ist.

Diese Patricia Mayfair hat ihm den Kopf verdreht. Und er wird alles in seiner Macht Stehende tun, um sie zum Weib zu nehmen. Was muss Liebe doch so schön sein!, denkt Tully.

Es ist lange her, dass er selbst das letzte Mal in den Armen einer Frau gelegen hat. Und wenn, dann nur zur Befriedigung seiner Bedürfnisse, die ein Westmann hin und wieder hat. Aber Liebe? Richtige Liebe? Er schüttelt den Kopf.

»Du meinst es also ernst …«

Terry Wells ist sich unsicher, ob es eine Frage oder mehr eine Feststellung ist. Er nickt dennoch und wieder einmal spricht die wilde Entschlossenheit aus seinen Gesichtszügen.

»Weiß Patricia denn, dass du kommen wirst?«

»Ehrlich gesagt, kennt sie nicht einmal Terrys Namen«, platzt es aus Angus heraus. »Könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich habe gesagt, es ist eine dumme Idee …«

»Warum begleitest du ihn dann?«, unterbricht Zack sein Gegenüber.

»Weil Terry mein Freund ist.«

»Bis Bitter Ridge sind es aber noch ein paar Meilen«, erklärt Zack. »Und, wie gesagt, das hier ist Apachenland.«

»Wenn wir dem Weg für die Kutschenwagen folgen, sollten wir doch in Sicherheit sein«, entgegnet Terry im Brustton der Überzeugung.

Wieder ist dieses laute, schallende Lachen des Fremden die Antwort. Wie gerne hätte Terry ihm in diesem Augenblick den Hals umgedreht. Doch er weiß, wie sinnlos dieses Unterfangen gewesen wäre. Zack Tully hätte ihn wahrscheinlich kurzerhand mit dem Colt über den Haufen geschossen.

»Ein guter Freund meinte einmal, dass diese Routen die Lebensadern des weißen Mannes sind«, erklärt Tully. Er kann es noch immer nicht fassen, wie naiv diese beiden Burschen sind. »Am Ende eines jeden solchen Reisewegs entstehen neue Stützpunkte. Und von dort breiten wir Weiße uns aus und nehmen alles in Besitz, was wir nur können.«

Die beiden Burschen schauen ihn verständnislos an, was erneutes Kopfschütteln bei Tully auslöste. »Die Apachen werden sich das aber nicht gefallen lassen. Sie belagern diese Wege, denn dort können sie reiche Beute machen! Es ist also keineswegs sicher, diesen Strecken zu folgen.«

»Wir tragen aber nichts Wertvolles mit uns herum, Mister Tully.«

»Wären wir in einem Kiowa- oder Cheyennengebiet würden sich die Rothäute eure Skalpe holen. Aber die Apachen wissen auch so, wie man einem Mann Schmerzen zufügen kann. Unsägliche Schmerzen wohlgemerkt …« Er verstummt einen Moment lang, lässt seine Worte wirken.

Der kräftige von den beiden Männern, der auf den Namen Angus hört, scheint nicht sonderlich gewillt zu sein, den Weg nach Bitter Ridge fortzusetzen. Er hat verstanden, was Tully gesagt hat, und scheint sich der Gefahr, in die sie sich begeben, bewusst zu sein. Nur Terry nicht. Er steht immer noch mit verschränkten Armen vor Tully und zeigt damit, dass ihn nichts und niemand von seinem Vorhaben abbringen kann.

»Ich werde nach Westen reisen und um die Hand von Patricia Mayfair, der Tochter des ehemaligen Zahlmeisters, anhalten.« Während er das sagt, ist dieser entschlossene Blick in seinen Augen zu sehen. Er wird sich von Tully nicht abhalten lassen, denn die Liebe hat den jungen Kerl blind gemacht.

Dieser dumme Narr!, denkt Zack Tully, doch gleichzeitig ist da auch Bewunderung in ihm. Dieser Bursche hat ein Ziel vor Augen. Er ist von der romantischen Sorte, und solche Menschen trifft man heutzutage nur noch selten.

»Okay, ihr zwei, hört zu, ich werde euch beide begleiten«, meint Tully und setzt sich dabei wieder den Hut auf.

»Was?«, schießt es fast gleichzeitig aus den Mündern der beiden Männer. Verwirrung zeichnet sich in ihren Gesichtern ab, denn mit so einem Angebot haben sie weiß Gott nicht gerechnet.

»Ich habe im Moment ohnehin nichts Besseres vor, und jeder Weg ist so gut wie ein anderer.« Er macht einen Schritt auf Terry Wells zu und klopft ihm auf die Schulter. Sein Gegenüber zuckt sichtbar zusammen. So viel vertraute Nähe von einem Fremden ist er nicht gewohnt.

»Lass mich einfach dein Beschützer sein, Terry«, meint Zack Tully. »Ich mag deine Einstellung zum Leben. Deshalb werde ich dich sich sicher nach Bitter Ridge bringen, damit du um die Tochter des Zahlmeisters anhalten kannst.«

»Ähm, aber … wo ist der Haken an der Sache?«, fragt Terry vorsichtig nach. »Wir besitzen nichts, um sie zu bezahlen, Mister Tully.«

Zack klopft ihm noch einmal freundschaftlich auf die Schulter. »Du kannst mich Zack nennen, Kumpel.« Er geht vor dem Ufer des kleinen Sees in die Knie und beginnt, sich Wasser ins Gesicht zu schütten. Dann trinkt er einige tiefe Schlucke, indem er beide Hände zu einer Kelle formt.

»Mir geht es nicht um Geld! Ich bin ein Satteltramp, der das Abenteuer liebt. Und deine Aufgabe, dein Ziel, hat etwas unheimlich Ehrenhaftes. Das gefällt mir! Ich werde euch daher nach Bitter Ridge begleiten.« Angus sieht man die Erleichterung, dass sie eine Begleitung gefunden haben, förmlich an.

Nachdem Tully getrunken und sich erfrischt hat, erhebt er sich wieder, um sein Pferd zu holen.

»Aber jetzt müssen wir dringend weg von hier. Wo ein Apache ist, halten sich in der Regel mehrere auf, und ich bin mir sicher, dass man den Schuss noch in weiter Ferne gehört hat! Ich bin gleich wieder da.«

Ohne auf die beiden Männer zu achten, verschwindet er in den Cottonwoods.

 

2.

 

Der Mann sitzt auf seinem Pferd und rasiert sich in aller Seelenruhe. Das Rasiermesser gleitet mit einem leisen Schaben über die Bartstoppel. In der anderen Hand hält der Mann einen Spiegel, während sich der Rasiernapf mit dem heißen Wasser und dem Alkohol in einem kleinen Korb hinter dem Sattelhorn befindet. Sam Abbott will nicht vor seinen Männern angeben. Nein, so etwas hat er nicht nötig. Seine Getreuen folgen ihm blindlings, denn ihn umgibt eine Aura todbringender Männlichkeit. Dafür sprechen in erster Linie seine blutigen Taten und seine unglaublichen Fähigkeiten mit dem Revolver.

Er taucht die Rasierklinge kurz ins Wasser, ehe er sie wieder seelenruhig an seinem Hals ansetzt. Das Pferd unter ihm tänzelt einen Moment lang, doch das stört ihn nicht. Dies ist seine Art und Weise, dem Mustang zu zeigen, wie er seinen Widerstand bricht, denn das Tier muss einsehen, wie aussichtslos es ist, zu bocken. Pferde sind intelligent, und gerade bei einem solch stolzen Ross wie dem seinigen ist es wichtig, klug und bedacht zu handeln. Viele Cowboys sind erstaunlich grausam zu ihren Tieren, aber ein Pferd ist kein Werkzeug. Er wird nie verstehen, warum Männer ihre Tiere bei langen Trecks oder anstrengenden Roundups fast zu Tode reiten.

Sam Abbott ist ein sehniger Bursche, an dem es kein Gramm Fett gibt. Er ist scharfäugig, und wenn er auf seinem Pferd sitzt, dann wirkt er mit seinen stahlgrauen Augen wie ein richtiger Sattelfalke.

Zufrieden legt er die Rasierklinge in den kleinen Korb zurück. Danach benetzt er die gereizte Haut mit Alkohol und Wasser.

»Ah, es geht doch nichts über eine frische Rasur am Morgen. Nicht wahr, Juan?« Ein kleiner Mann tritt neben ihn und nimmt eifrig den Korb entgegen, den ihm Abbott reicht. Seine olivbraune Hautfarbe, das wellige, ölige Haar und die knochigen Gesichtszüge können seine indigene Herkunft nicht leugnen. Der Mann ist ein Yaqui, dessen Ahnen sich im Bundesstaat Sonora niedergelassen haben. Ihr Volk selbst bezeichnet sich als Yoeme, was in der Sprache der Bleichgesichter so viel wie Mensch bedeutet.

Sam Abbott fährt sich über das glattrasierte Gesicht und ist mit dem Resultat mehr als zufrieden. Im Gegensatz zu den Dollarwölfen, die ihm folgen, achtet er äußerst penibel auf ein gepflegtes Erscheinungsbild.

Sein Blick gleitet über die Männer, die am Flussbett stehen. Einige sind dabei, Speckpfannkuchen in gusseisernen Pfannen zu backen, andere haben eine Decke im Staub ausgebreitet und spielen darauf Karten. Es sind zwei Dutzend Männer anwesend, die allesamt gut bewaffnet sind. In ihrem Besitz befinden sich sogar zwei alte Parrott-Geschütze, wie sie im Bürgerkrieg benutzt wurden. Sam Abbott liebt diese beiden › Ladys‹, denn sie zeichnen sich durch ihre genaue Reichweite und Robustheit aus. Er kann die Haubitzen sowohl mit Kanonenkugeln als auch Explosivgeschossen beladen. Sie sind Teil seines großangelegten Planes, der ihm schon bald grenzenlosen Reichtum bescheren soll.

Ohne weiter auf seinen Diener zu achten, lenkt Abbott sein Pferd zu den Männern am Rand des Camps. Er kommt an den beiden Parrott-Geschützen vorbei und kann einmal mehr seinen tödlichen Besitz bewundern. Er hat Großes mit ihnen vor. Tod und Verderben werden sie nach Bitter Ridge bringen. Und viele seiner Männer werden im Kampf fallen. Doch das ist der Preis, den Abbott mehr als bereit ist, zu bezahlen. Sein Vater meinte immer (zumindest wenn er nüchtern war), dass dort, wo gehobelt wird, auch Späne fallen. Er war ein elendiger Säufer, der keine Zeit für seinen Sohn übrig hatte. Als Sam sechzehn Lenze alt war, wurde sein Vater auf einem Acker in der Nähe von Canon City, Colorado, erschossen, weil er einen lahmen Gaul gestohlen hatte. Was für ein Vollidiot sein Erzeuger doch gewesen ist.

Sam Abbott steuert auf eine Gruppe von Männern zu, die einer Frau beim Gitarre spielen zuhören. Die Dame hat feuerrotes Haar und scheint mit jedem Tag noch schöner und begehrenswerter zu werden. Doch keiner der Männer fasst die schöne Leslie Mackenzie an, denn sie ist für die gesamte Truppe tabu. Niemand will sich eine Kugel von Abbott einfangen, denn er zieht als ihr Anführer schneller den Colt als kein anderer im Camp. Und die Männer haben Angst vor seinen Wutausbrüchen. Abbott ist ein Mann, der stets versucht, seine Fassung zu wahren. Kontrolle ist ihm sehr wichtig. Doch manchmal bricht die Tobsucht aus ihm heraus. Und dann Gottes Gnade im Himmel für denjenigen, den seine rasende Wut trifft, die wie einer dieser Wirbelstürme ist, die über die Great Plans rasen und alles verschlingen, was sich ihnen in den Weg stellt.

Leslie Mackenzie lässt ein paar Akkorde erklingen und trällert dabei ein Lied. Sie ist keine gute Sängerin, denn ihre Stimme besitzt keine melodische Qualität, aber der liebe Gott hat sie mit anderen Dingen gesegnet, wie zum Beispiel einem üppigen Busen, der den Stoff ihres Hemdes spannt. Ihre beiden Zwillinge, so nennt sie die Liebesgeschütze, haben einen magischen Reiz auf die Männer.

»Sind die Späher schon zurück, Lance?«, will Abbott von einem seiner Männer wissen, der sich hastig erhebt und zu seinem Boss eilt. Lance Schmidt hat leuchtend blaue Augen, doch es ist nichts Freundliches oder Warmes in ihnen. Stattdessen strömen sie jene Art von Grausamkeit aus, wie sie nur Dollarwölfe besitzen, die ihre Dienste an den Meistbietenden verkaufen. Dieser Kerl ist zu schrecklichen Dingen bereit, was durch die beiden Revolver im Kreuzgurt, die er offen zur Schau trägt, noch unterstrichen wird.

»Noch nicht, Boss«, meint der Mann und starrt mit seinen eiskalten Augen hinauf zu dem Reiter.

»Glaubst du, die Rothäute werden sich nicht an den Deal halten?«

Der Angesprochene lässt seinen Blick über das Ödland gleiten, als würde er gleich einen Apachen zwischen einem der zerklüfteten Felsen erkennen.

»Unmöglich! Die werden uns nicht betrügen! Jedenfalls nicht mit der Feuerkraft, die wir hinter uns wissen.« Er spuckt einen Strahl Tabaksaft in den Wüstensand. »So dumm sind die nicht, Boss.«

»Und die Armee?«

»Wir sind sicher! Auf unser Vögelchen ist Verlass. Es ist kein Straffeldzug gegen die aufständischen Stämme geplant.«

»Ich frage mich, ob unser Vögelchen wirklich so zuverlässig ist …«, meint Sam Abbott und fährt sich erneut mit der Hand über das glatte Gesicht, das sich so wundervoll sanft anfühlt.

»Bislang hat man sich auf den Sergeant immer verlassen können. Sie werden weder mit der Infanterie noch der Kavallerie ausrücken«, erwidert Lance. Für ihn gibt es keinen Grund, sich weiterhin Sorgen zu machen.

Anders als bei Sam Abbott. Abbott ist ein Denker, will die Fäden des Schicksals kontrollieren. Nichts darf aus seiner Sicht dem gottverdammten Zufall überlassen werden. Schon eine einzige ungeplante Eventualität könnte seinen ganzen Plan zunichtemachen. Und das darf auf gar keinen Fall geschehen. Sein Vorhaben muss gelingen!

Leslie Mackenzie legt die Gitarre in den Staub und gesellt sich zu den beiden Männern. »Gibt es Ärger?«, will sie wissen und zwinkert dem Boss dabei verführerisch zu. Das macht sie immer, bevor sie mit ihm das Bett teilt und er kurz davor steht, seine geballte Manneskraft in ihren göttlichen Schoß zu entladen. Dieses Zwinkern …

Abbott spürt, wie sich seine Hose verengt, und vertreibt die lüsternen Gedanken. Diese Art von Kontrollverlust ist ihm zuwider, er braucht jetzt mehr denn je einen klaren Kopf.

»Der Boss macht sich Gedanken, weil Jim und Luke noch nicht zurückgekehrt sind«, antwortet Lance, als Sam keine Anstalten macht, etwas zu erwidern.

»Es gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Sie hätten vor einer Stunde schon wieder zurück sein sollen.«

Leslie legt ihrem Boss eine Hand auf die Chaps. »Vielleicht kann ich dich ein wenig ablenken? Wann hast du das letzte Mal eigentlich so richtig entspannen können …?«, säuselt sie und ihre grünen Augen haben in diesem Moment etwas von einer Wildkatze. Wieder dieses verführerische Augenzwinkern. »Warum kommst du nicht von deinem Pferd herunter und ich …?«

»Keine Zeit«, erwidert Sam Abbott eine Spur zu schroff. Aber letztendlich ist es ihm egal, ob er das rothaarige Luder damit kränkt oder nicht. Früher war Leslie eine stadtbekannte Dame in Chattanooga gewesen, die ihr Geld vorzugsweise auf dem Rücken liegend verdient hatte. Sie macht daraus keinen Hehl, aber dass sie bei Sam Abbott jetzt eine Sonderstellung einnimmt, erfüllt sie ein wenig mit Stolz. Sie ist der festen Überzeugung, dass der Bandit so etwas wie Liebe für sie empfindet. Wenn sie in seinen Armen liegt, verschafft er ihr jedenfalls das Gefühl, dass sie nicht nur als Mittel zur Triebbefriedigung für ihn dient.

Doch obwohl sie viele Leute in ihrem Gewerbe kennengelernt hat, fehlt ihr letzten Endes eine gehörige Portion Menschenkenntnis, denn Sam Abbott empfindet für niemanden außer sich selbst Liebe. Für ihn ist die schöne Leslie nichts anderes als ein Ventil, um gelegentlich Druck abzulassen. Dass die Wildkatze amouröse Gefühle für ihn hegt, kann er zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen, denn er manipuliert gerne. Manipulation bedeutet Kontrolle.

Leslie lässt ihr falsches Lächeln aufblitzen. Die Frau ist wütend, kann jeden Moment explodieren. Sam Abbott hat oft genug mit ihr das Bett geteilt, um sie zu durchschauen.

Leslie wendet sich von seinem Pferd ab und ergreift wieder ihre Gitarre. Sie ist schon lange nicht mehr die Hure, die sie einst war. Seit ihrer überstürzten Flucht aus Chattanooga ist sie zu einer verwegenen Glücksritterin geworden, die verdammt gut mit ihrem Colt umgehen kann. Das Schießen scheint die rothaarige Schönheit förmlich im Blut zu haben.

»Hol dein Pferd, dann machen wir einen kleinen Ausflug, Lance«, meint Sam und setzt sein Tier in Bewegung.

»Ich kann einen der Männer schicken, Boss.«

Abbott schüttelt den Kopf. »Ich behalte die Dinge gerne selbst im Auge.« Ohne weiter auf seinen Kompagnon zu achten, gibt er seinem Pferd die Sporen. Er ist der einzige im Lager, dessen verzierte Sporen abgefeilt sind, damit sie nicht die Flanken der Pferde verletzen. Er hasst die spanischen Sporen, wie sie von einem Großteil seinen Männern getragen werden, denn ein Reittier muss seiner Meinung nach gehegt und gepflegt werden, damit es seinem Besitzer treu ergeben ist.

Er fährt mit der Hand durch die wallende Mähne seines Hengstes. Wenn er doch nur mehr Zeit hätte, könnte er aus Pioneer ein hervorragendes Pferd machen, das auf dem Viehmarkt mit Sicherheit zweihundert Dollar wert wäre. Doch die Zeit ist sein erbittertster Gegner.

Innerlich brodelt Sam, weil die Späher noch nicht zurückgekommen sind, doch er lässt sich nichts anmerken und versucht den brodelnden Schmelzofen in ihm mit eiskalter Beherrschung zu löschen.

Wenn diese beiden Hurensöhne meinen Zeitplan durcheinanderbringen, werde ich sie bei lebendigem Leib häuten lassen.

Er blickt über die rechte Schulter und beobachtet, wie Lance hinter ihm versucht, zu ihm aufzuschließen.

Wenigstens ist auf Lance Schmidt Verlass …

 

***

 

In der Ferne sieht er einen Reiter, der sich ihm langsam nähert. Sam Abbott hebt die Hand vors Gesicht, damit er von der Sonne nicht geblendet wird. Die sengende Hitze lässt die Konturen des Reiters manchmal zerfließen. Abbot blickt erneut über seine Schulter. Mittlerweile hat Lance Schmidt auf seinem Pinto aufgeholt und nickt dem Boss kurz zu.

»Ja, ich sehe ihn.«

Sam Abbott besitzt die Augen eines Falken und schon nach kurzer Zeit meint er, in dem näherkommenden Reiter Jim Sander zu erkennen. Von seinem Gefährten Luke ist allerdings nirgendwo etwas zu sehen.

Wo steckt der verdammte Bastard?

Das gefällt Abbott ganz und gar nicht.

»Und?«, erkundigt sich Schmidt, weil er genau weiß, dass Sam Abbott schärfer und weiter als jeder andere von ihnen sehen kann.

»Es ist Jim!«

»Und wo zum Teufel steckt Luke?«

Abbott lässt die Frage unbeantwortet. Binnen weniger Minuten verringert der Mann die Entfernung zu ihnen. Es ist ein kleiner, schnauzbärtiger Bursche, dessen Sombrero auf dem Rücken hängt. Der übermäßige Genuss von Tequila und Tiswin hat seine Spuren im Gesicht des Mannes hinterlassen, der noch keine vierzig Sommer alt ist. Tiefe Furchen zieren sein Gesicht, das Sam an eine Steilküste im Meer erinnert, an der sich in einem fort die Wellen brechen.

»Was ist los, Jim?«, will Sam Abbott von dem Späher wissen, der schon vor Stunden mit seinem Partner im Lager hätte aufkreuzen sollen.

»Luke hatte einen Unfall …« Der Mann deutet mit der Hand auf eine Gruppe von Felsen, die in der Ferne hochragen. Erst jetzt bemerkt Sam Abbott, dass die Hand des Mannes blutverschmiert ist.

»Führe uns zu ihm«, meint Abbott nach einer kurzen Zeit eisigen Schweigens. Es gefällt ihm gar nicht, wie sich die Dinge gerade entwickeln. Für ihn ist wichtig, dass er das Ruder weiterhin in den Händen behält, denn noch liegt er mit seinem Plan in der Zeit. Doch es darf nun nichts mehr schiefgehen.

Man sieht die Erleichterung im zerfurchten Gesicht von Jim Sander. Niemand verscherzt es sich gerne mit dem Boss, und noch behält Abbott seine Contenance.

Sander dirigiert seinen Wallach in Richtung der Kalkfelsen. Früher, vor Millionen von Jahren, war die Ebene Arizonas mit Meerwasser bedeckt. Als das große Meer austrocknete, hinterließ es Gesteinsformationen aus blankem Kalk, die von Wind, Wasser und extremen Temperaturschwankungen zu jenen beeindruckenden Felsen geformt wurden, auf die sie jetzt zureiten.

Wertvolle Zeit vergeht, was Sam Abbott mit dem Knirschen seiner Zähne deutlich macht. Das tut er immer, wenn er wütend ist, es sich aber nicht äußerlich anmerken lassen will. Wenn sie nachher ins Lager zurückkehren, wird es bereits dunkel sein. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er nicht pünktlich zu dem Treffen erscheint.

Jetzt sehen sie den zweiten Späher, der offensichtlich am Bein verwundet ist. Luke Newman lehnt gegen einen der mächtigen Kalksteinfelsen, in seiner Hand einen kleinen Holzstock, dessen Spitze mit … (Sam Abbott kneift die Augen zusammen, um besser sehen zu können) … mit einem Stück Stoff versehen ist.

Luke blickt den Reitern mit glasigen Augen entgegen. Seine Hose ist zerschnitten, sodass das Bein ab Kniehöhe freigelegt ist. Der Schenkel weist eine Fleischwunde auf, die wahrscheinlich von einem Schuss herrührt.

»Was ist passiert?«, will Abbott von dem Mann wissen. Jim Sander, der zu seiner Rechten reitet, ist heilfroh, dass er dem Boss nicht berichten muss, was sich hier draußen in der Einöde abgespielt hat. Dieses Los fiel jetzt auf Luke Newman.

»Meine eigene Dummheit, Boss«, meint der Späher und verzieht das Gesicht, weil sein Bein höllisch schmerzt. »Mein Pferd ist gestrauchelt, und dabei ist mein Sechsschüsser, den ich in der Hand hielt, losgegangen.« Er deutet auf das Schießeisen, das neben ihm im Wüstensand liegt.

»Aha, ich verstehe …«, sagt Sam Abbott bedächtig und man muss kein Gedankenleser sein, um zu sehen, dass es hinter seiner Stirn fieberhaft arbeitet. Ein Gedanke jagt den anderen.

»Wozu ist der Holzstock?«, will Lance wissen und seine Augen fixieren dabei den Stock mit dem umwickelten Stoff, den Neuman nach wie vor in den Händen hält.

»Ich werde ihn mir gleich in das Einschussloch stoßen, um das verfluchte Pulver aus der Wunde zu kratzen«, krächzt Luke, und seine Stimme klingt, als sei er unsicher, ob er tatsächlich imstande ist, diese Art von Schmerz zu ertragen. »Ich habe mir diesen gottverdammten Stock geschnitzt, damit ich nicht am Wundbrand krepiere.«

»Verstehe …«

»Wenn wir im Lager sind, muss ich sofort zu einem Arzt oder Quacksalber«, sagt Luke und bereitet sich mit zusammengebissenen Zähnen und geschlossenen Augen darauf vor, den länglichen Stock mit dem Stofflappen in die Wunde stoßen.

Doch dazu kommt es nicht, denn Sam Abbott zieht in einer einzigen fließenden Bewegung seinen Colt aus dem Schulterholster und drückt aus nächster Nähe ab. Der Kopf von Luke Newman explodiert und hinterlässt eine riesige Sauerei aus Blut, Knochenstücken und Haaren auf dem Kalksteinfelsen.

Sam Abbott tätschelt beruhigend den Hals seines Mustangs, der keine Reaktion auf den lauten Knall gezeigt hatte.

Wenn ich doch nur mehr Zeit mit Pioneer verbringen könnte! Das ist ein erstklassiges Tier, es bedarf nur mehr Zeit und Aufmerksamkeit, um es nach meinen Wünschen zu formen.

»Ihr wisst, warum ich das gemacht habe?«, fragt Sam Abbott in die Runde, während der Colt wieder in seinem Schulterholster verschwindet. Es herrscht eine angespannte Ruhe, die nur vom Schnauben der Pferde und dem ruckartigen Schaben ihrer Hufe im Sand unterbrochen wird. Luke Newmans Körper zuckt immer noch kurz, hat anscheinend noch nicht realisiert, dass keine Seele mehr in ihm wohnt.

Der Kerl ist tot, weiß es nur noch nicht.

Keiner der beiden Männer sagt etwas. Sie wissen, dass ihr Boss in solchen Situationen unberechenbar sein kann.

»Dieser Kerl hat unsere Mission gefährdet«, sagt Abbott und versucht dabei, seine Stimme ruhig und gelassen klingen zu lassen. Er darf auf gar keinen Fall zeigen, wie es in ihm drin aussieht. Er atmet tief ein.

Eine ruhige Bauchatmung hilft, die Nerven zu beruhigen.

»Und am Ende wäre er sowieso elendig am Wundfieber krepiert.« Er blickt die beiden Reiter auffordernd an, erwartet, dass sie etwas sagen.

»Wieso hat er überhaupt sein Schießeisen in den Händen gehabt?«, fragt sich Lance Schmidt laut und schüttelt den Kopf.

»Das ist eine lange Geschichte«, meint Jim Sander und versucht, den Toten mit dem aufgeplatzten Schädel und das ganze Blut, das die Felswand besudelt hat, so gut es geht zu ignorieren.

Sam Abbott blickt zum Horizont. Die Sonne hat begonnen, unterzugehen. Dieser unvorhergesehene Ausritt hat viel zu viel Zeit gekostet. Sie müssen umkehren, wenn sie noch rechtzeitig zu dem Treffen im Lager kommen wollen.

Er gibt den Männern ein kurzes Zeichen zum Aufbruch. Den toten Späher lassen sie einfach zurück. Er wird kein Begräbnis erhalten, wie es einem aufrichtigen Christmenschen gebührt. Die Coyoten und Geier können sich also auf ein abendliches Festmahl freuen. Zurück werden nur Knochen bleiben, die später der Wüstensand blank scheuert.

»Erzähl mir, was du gesehen hast«, will Sam Abbott von seinem überlebenden Späher wissen.

Er traut den Rothäuten noch immer nicht, die sein Lager heute Nacht besuchen werden. Es ist daher immer gut, noch einen Trumpf in den Händen zu halten.

 

***

 

»Sie sind ein erstaunlich gesprächiger Zeitgenosse, Mister Tully«, sagt Angus Horner und schmiert sich die fettigen Finger an seiner Hose ab. Es fühlt sich gut an, endlich einmal etwas Nahrhaftes zu sich zu nehmen, um den knurrenden Magen zu füllen. Auch wenn das Mahl nur aus einem erlegten Hasen besteht. Diese Tiere kommen hier in der Wüste von Arizona sehr häufig vor, doch man muss schon ein begnadeter Meisterschütze sein, um sie zu erlegen, da die Biester eine Geschwindigkeit von über achtzehn Meilen pro Stunde erreichen. Niemand weiß, wie Zack Tully das gemacht hat, seinen Colt hat er jedenfalls nicht benutzt. Der Schuss wäre viel zu verräterisch gewesen.

»Du kannst mich Zack nennen, Kumpel«, erklärt Tully zum gefühlt hundertsten Mal. Irgendwie haben die beiden jungen Männer Schwierigkeiten, ihre Scheu vor dem Revolverschwinger abzulegen.

»In Ordnung … Zack!«

Terry Wells beteiligt sich nur selten an dem Gespräch. Sein Blick gleitet immer wieder zu dem Sternenhimmel, der seine funkelnden Schätze in voller Pracht zeigt. Keine einzige Wolke ist am Firmament zu sehen. In Gedanken ist der schlaksige, junge Mann natürlich ganz woanders, und es ist nicht einmal schwer zu erraten, in welchen Erinnerungen oder Zukunftsvisionen er gerade schwelgt. Richtig: Patricia Mayfair, die Tochter des ehemaligen Zahlmeisters der Konföderierten-Armee.

Das Lagerfeuer haben sie nach dem Essen mit Sand zugeschüttet, denn obwohl sie zwischen mehreren Steinfelsen lagern, die sie nach allen Seiten hin gut schützen, ist es für ein nächtliches Feuer zu gefährlich. Für Tully wird es vermutlich eine schlaflose Nacht werden, denn er ist sich ziemlich sicher, dass die beiden jungen Männer einschlafen, was in diesem Niemandsland, wo Apachen und andere dunkle Gestalten umherstreifen, fatal sein kann. Also wird ihm nichts anderes übrigbleiben, als selbst Wache zu halten.

»Es muss schön sein, so verliebt zu sein, junger Mann«, sagt Tully in Terrys Richtung, und für einen Moment werden seine asketisch wirkenden Gesichtszüge mit den Mutton-Chops-Koteletten ganz weich. Das Gesicht des jungen Mannes wirkt im Sternenlicht wie aus Elfenbein geschnitzt.

»Hoi, für einen Revolverschwinger bist du aber ganz schön redselig«, brummt Terry Wells, den es sichtlich stört, dass er immer wieder aus seinen Gedanken gerissen wird. »Ich dachte, deinesgleichen schweigt lieber.«

Er muss an eine Geschichte des alten Oheims denken. Der hatte ihm nämlich erzählt, dass diese Art von Männern in der Regel äußerst wortkarg seien. Ihrer Zunge würden sie nur dann freien Lauf lassen, wenn sie fluchen. Aber bislang hat sich Zack Tully in dieser Hinsicht sehr gesittet verhalten. Es kam so gut wie keine Gotteslästerung oder irgendwelche anders gearteten Obszönitäten über seine Lippen.

»Ich bin wohl mit einem losen Mundwerk gesegnet worden«, meint Tully schulterzuckend.

»Woher kommen Sie eigentlich, Mister Tully?«, will Angus von dem Mann in ihrer Mitte wissen. Diesmal verzichtet Zack darauf, den Burschen mit feisten Pausbacken zu korrigieren, ihm mit dem Vornamen anzureden.

Irgendwann muss es auch mal gut sein, denn sonst wird es anstrengend, dachte er.

Zack Tully deutet mit dem Daumen über seine linke Schulter. »Von dort!«

»Und das heißt genau?«

»Ich habe mit meinem Pferd vor Wochen den Rio Grande überquert, an einer seichten Furt an der Grenze zwischen Mexiko und Texas.«

»Du kommst aus Mexiko?« Diesmal ist es Terry Wells, der das Wort ergreift. »Ich habe gehört, da gibt es wunderschöne Frauen, deren Haar samtschwarz ist und im Mondlicht glänzt. Und mit Becken, die so wohlgeformt sind …«

Er macht eine Bewegung mit den Händen, um zu demonstrieren, wie gebärfreudig die Becken jener sagenumwobenen Damen wohl sein müssen. Doch dann hält er inne und spricht den angefangenen Satz nicht zu Ende, weil ihn offensichtlich ein schlechtes Gewissen plagt. »… nun ja, es soll dort schöne Frauen geben … aber nicht so schön wie meine Patricia.«

»Aye, es gibt dort wirklich sehr schöne Frauen, aber ich bin nicht den weiten Weg nach Mexiko gereist, um mich zu vergnügen, Junge«, erwidert Zack Tully. Er fischt einen Priem Kautabak aus der Westentasche, steckt ihn sich aber nicht in den Mund, sondern lässt ihn durch die Finger seiner vernarbten Hände gleiten.

»Sondern?«, bohrt Terry Wells nach. Es ist für ihn unvorstellbar, dass jemand einen solch langen Weg auf sich nimmt, um nicht die Liebe seines Lebens zu finden.

»Mich zog es nach Mexiko, weil ich an der Revolution gegen Maximilian teilnehmen wollte.«

»Ah, Sie sind also ein Revolutionär?«, will Angus wissen.

Tully schüttelt den Kopf. »Nein, nein, nichts dergleichen. Ich war nur auf Beute und Schätze aus, denn solche gab es zur Zeit der Revolution viele.«

»Und? Haben Sie welche gefunden, Mister … äh, Zack?«

Zack Tully lacht leise. »O ja, das habe ich. Es gab sogar eine Menge Beute … kostbare Beute. Ich hatte einen ganzen Sack voller goldener Fünfzig-Peso-Stücke. Einundvierzig Gramm Gold pro Münze.«

»Und wo ist das Gold jetzt?«, bohrt Angus nach.

Terry räuspert sich lautstark, um die Aufmerksamkeit seines Freundes zu erregen. Als dieser ihn anblickt, schüttelt Terry den Kopf. »So etwas fragt man doch nicht, Angus. Das ist unhöflich.«

Tully hat Mühe, nicht laut loszulachen und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Schon gut, Terry! Schon gut! Dein Freund gehört einfach zur neugierigen Sorte.« Er wird sich bewusst, dass er immer noch den Priem Kautabak in den Händen hält. Seine dunklen Augen fixieren den Riegel aus grob verarbeitetem Tabak.

»Nach dem vorzeitigen Ableben von Kaiser Maximilian habe ich es ordentlich bei den Greasers krachen lassen. Und ich war ein sehr großzügiger Mensch. Ich bin nicht für so viel Reichtum geschaffen. Wisst ihr, ich komme aus ärmlichen Verhältnissen, habe um alles im Leben kämpfen müssen …«

Endlich steckt er sich den Riegel in die Backentasche. Er kaut eine Weile genüsslich darauf herum und spuckt dann einen Strahl über seine Schulter in die Dunkelheit. »Mehr als zehn Jahre habe ich jenseits des Rio Grande gelebt. Jetzt war es einfach an der Zeit, wieder zurückzukehren. Und auf meiner Reise habe ich eine wichtige Entscheidung für mich treffen können …«

»Und die wäre?«, fragt Terry und kommt damit seinem Freund Angus zuvor, der offensichtlich die gleiche Frage stellen wollte.

»Nun ja, dass ich ab jetzt nur noch mein eigener Hüter sein werde …«

 

3.

 

Es sind ein halbes Dutzend Apachen, die in Sam Abbotts Lager ankommen. In ihren Gesichtern liegen keinerlei Gefühlsregungen, doch ihre Blicke, die immer wieder zu den beiden mächtigen Parrott-Geschützen wandern, verraten sie dennoch. Ihre Tuniken und Hosen sind aus gefärbten Antilopen- und Hirschfellen gefertigt, einfache Lederbänder halten das lange, schwarze Haar zurück.

Sam Abbott ist sich sicher, dass die Perlen, Armbänder und Halsketten nicht nur der Zierde dienten, sondern auch einen spirituellen Zweck erfüllen.

Der Handel zwischen Apachen und Weißen ist in Arizona oft von Konflikten geprägt, denn die Indianer sehen die Weißen als Eindringlinge in ihr Land an. Auf Raubzüge der Apachen folgen oft Vergeltungsmaßnahmen der Armee, die nicht selten ein ganzes Eskadron aussendet, um blutige Rache zu nehmen. Doch in dieser Nacht soll es zu einem wichtigen Pakt zwischen den Apachen und den Weißen kommen. Die Rothäute sind sich der Tatsache bewusst, dass der heute stattfindende Handel ihr Überleben sichern wird, denn sie sind im Winter auf Nahrung und Waffen angewiesen. Sam Abbott bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Lebensweise zu sichern und an Waren zu kommen, die sie selbst nicht herstellen können. Und er wird sehr großzügig sein, denn wenn sein tollkühner Plan gelingen soll, dürfen die Apachen auf keinen Fall in irgendeiner Weise eingreifen und die Mission damit gefährden. Das ist alles, was für ihn zählt.

Jim Sander und Lance Schmidt stehen neben ihm, die Hände auffällig nahe an den Griffen ihrer Revolver, während die Apachen sie wortlos mustern.

Im Hintergrund hat sich die halbe Mannschaft aus dem Camp versammelt. Ihre Gesichter wirken im Licht der Sterne wächsern, fast leblos. Immer wieder hustet jemand. Sie sind alle bereit, ihrem Boss sofort zur Hilfe zu eilen, falls die verdammten Rothäute irgendeine Gemeinheit planen.

»Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Lager«, meint Sam Abbott und macht eine einladende Geste in Richtung Lagerfeuer. Er weiß, dass die Apachen mit ihrem eisigen Schweigen eine Art Mutprobe zelebrieren wollen, doch für solche Spielchen hat er keine Zeit. Sollen die Apachen doch denken, er sei ein elendiger Feigling. Es ist ihm egal.

Einer der Apachen, er ist von außerordentlich großer und breiter Statur, tritt nach vorne. »Du hast alles besorgt?«, fragt er. Sein Englisch ist ausgesprochen gut, es findet sich so gut wie kein Akzent darin. Vermutlich hat er als Kind eine Missionsschule besucht und bei den Patern und Schwestern eifrig gelernt.

Sam Abbott nickt und gibt einem der Männer im Hintergrund ein Zeichen. Aus der Traube schälen sich mehrere Gestalten, die Säcke mit sich tragen und zu ihnen hinüberbringen. Wenig später kommt noch die schöne Leslie MacKenzie, die im silbrigen Glanz des Mondes und der Sterne mit ihren flammenden Haaren wie ein überirdisches Wesen wirkt. Ein Raunen geht durch die Apachen. O ja, dieses Vollblutweib ist ganz nach ihrem Geschmack. Besonders die beiden prachtvollen Zwillinge unter ihrer Bluse, die nicht zu übersehen sind. Sie trägt mehrere Springfield-Büchsen in ihren Armen. Auch die Männer, die ihr folgen, tragen Gewehre. Sie werden sorgfältig auf einen Haufen gestapelt.

Sam Abbott ignoriert die Blicke der Krieger. »Hier ist alles, was ihr gefordert habt: Fleisch, Getreide, Salz und Waffen!«

»Munition?«, will der Anführer der Apachen wissen, während sein Blick noch immer den wohlgeformten Körper von Leslie Mackenzie fixiert.

»Selbstverständlich auch Munition«, antwortet Abbott geflissentlich.

Die Säcke mit Lebensmittel werden vor den Apachen niedergelegt. Man kann damit einen ganzen Kastenwagen beladen.

Keine Ahnung, wie die roten Teufel das ganze Zeug zurück in ihr Lager schleppen wollen.

Sam Abbott beschleicht eine dunkle Vorahnung.

Zwanzig Springfield-Gewehre werden den Roten übergeben, aber die machen sich nicht einmal die Mühe, die Büchsen zu zählen.

»Wir werden einen Wagen von euch brauchen«, meint der Apache, als er sieht, wie viele Waren zusammengekommen sind. Allein die Munition ist in so vielen Paketen verstaut, dass es unmöglich ist, sie mit zwölf Kriegern aus dem Lager zu schaffen.

»Das war aber nicht Teil des Deals, compadre«, entgegnet Sam Abbott. Seine Vorahnung scheint sich in diesem Moment zu bestätigen.

Warum habe ich nicht daran gedacht, dass die Roten auch noch einen Wagen verlangen werden? Und sie werden Pferde brauchen.

Er hasst es, wenn er etwas in seiner Planung übersieht. Sam Abbott verzieht das Gesicht. Ihm kann es doch egal sein, wie dieses Heidenpack die Sachen transportiert. Das ist nicht sein Problem.

»Sorry, aber ihr habt mehr als genug von uns bekommen.

---ENDE DER LESEPROBE---