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Ein Kopfgeld, das jede Gefahr wert ist. Eine Jagd, die sie bis an die Grenzen ihrer Kräfte treibt. Tauchen Sie ein in einen Western voller Spannung, Verrat und unbändiger Wildnis – „Im Reich des Wendigo“ wird Sie nicht loslassen.
Klappentext: Die Brüder Jeb und Nate Bannister reiten nach Zebulon, um einen Mann zur Strecke zu bringen, auf dessen Kopf ein Vermögen ausgesetzt ist. Doch in der heruntergekommenen Stadt lauern nicht nur Gesetzlose, sondern auch Javier de la Cruz und seine brutalen Handlanger. Gezwungen, um ihr Überleben zu kämpfen, verbünden sich Jeb und Nate mit der klugen Liz Tipton, einer Pokerspielerin mit geheimnisvoller Vergangenheit. Gejagt von Townwölfen, Apachen und einer mysteriösen Bestie, die angeblich die Berge heimsucht, geraten die drei in einen Strudel aus Gefahr und Intrigen. Wer wird in diesem tödlichen Katz-und-Maus-Spiel triumphieren – und was verbirgt sich wirklich im Schatten der Berge?
„Im Reich des Wendigo“ bietet authentische Western-Atmosphäre, packende Action und eine spannende Mischung aus klassischem Abenteuer und rätselhaftem Wendigo-Mythos. Patrick J. Grieser überzeugt mit fundiertem Wissen und einem mitreißenden Stil – ein Roman, der Abenteuer und Spannung garantiert.
Lassen Sie sich diesen atemberaubenden Western nicht entgehen! Bestellen Sie noch heute „Im Reich des Wendigo“ und erleben Sie ein Abenteuer, das Sie nicht mehr loslassen wird.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Patrick J. Grieser
Im Reich des Wendigo
Ein Western
EK-2 Militär
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Heiko, Jill & Moni
Von EK-2 Publishing
Im Reich des Wendigo
von Patrick J. Grieser
Der Mann strömt jene Art von Gefährlichkeit aus, wie sie nur von einem Revolverschwinger ausgeht, der auf der Lohnliste eines wohlhabenden Rinderbarons steht. Die rechte Hand immer in unmittelbarer Nähe des Colts, den er tief und auf herausfordernde Weise an der Hüfte trägt. Es ist ein Automatismus, der aus seiner Körperhaltung nicht mehr wegzudenken ist. Sieht man seine harten Gesichtszüge, so fragt man sich unweigerlich, ob er überhaupt zu einer Gefühlsregung fähig ist. Vermutlich nicht.
Er wirkt asketisch, ist nicht besonders kräftig oder groß, und doch machen die Leute lieber einen großen Bogen um ihn. Denn man sieht ihm an, dass er bereits getötet hat. Und wieder töten wird. Ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Das ist so sicher wie das Amen in der Missionskapelle. Ein Menschenleben ist für diesen Mann nicht viel wert. Und er nimmt es mit jedem Kerl hier in dieser Stadt auf. Egal, ob seine Widersacher über sechs Fuß groß sind oder zweihundert Pfund wiegen. Denn Blei ist schneller als ein Faustschlag. Er bewegt sich mit der Anmut eines Raubtiers, während sein Blick wie eine körperliche Berührung die nähere Umgebung abtastet. Immer auf der Suche nach Gefahr.
Die dunklen Augen funkeln. Sein Haar ist kurz geschoren. Vermutlich deshalb, weil es, gemessen an seinem Lebensalter, so unnatürlich aussieht. Es ist weiß – so wie der Schnee auf dem Rücken des Pike’s Peak jeden daran erinnert, dass der Winter des Lebens auch irgendwann einmal zu ihm kommen wird. Doch dieser Mann geht noch lange nicht seinem Lebensende entgegen. Dafür sind seine Bewegungen viel zu geschmeidig, sein Blick zu klar und aufmerksam. Viele Männer seiner Zunft erreichen kein biblisches Alter, sie ziehen früher oder später den Kürzeren, denn es gibt irgendwo da draußen jemanden, der besser ist und schneller ziehen kann. Doch dieser Mann hat viele Duelle überlebt. Es ist das Hemd, das er trägt und ihn so einzigartig macht. Gefertigt aus Leder und mit seltsamen Symbolen bemalt, die eindeutig indianischer Herkunft sind, lässt ihn dieses Gewand aus der Menge hervorstechen. Für ihn ist es aber mehr als nur ein Lederhemd. Es soll ihn nicht nur vor den Bleikugeln seiner Feinde schützen, sondern es liegt ein Zauber über diesem Gewand. Der Revolverschwinger ist jedenfalls fest davon überzeugt, dass das zutrifft.
Und auch wenn er glaubt, dass er unbesiegbar sei, so will er dennoch nicht alt und pflegebedürftig werden wie ein Tattergreis, der gefüttert werden muss und sich des Nachts in die Hosen macht. Er will lieber aufrecht im Sattel sterben, mit einem Tingeltangelmädchen zwischen den Lenden, das ihm noch einmal den Abend versüßt, ehe sich für ihn das Tor zur Hölle öffnet. Denn da wird er zweifelsohne irgendwann einmal landen.
Mit der linken Hand fährt er sich für einen kurzen Moment über die Wangen. Er hat sich heute Morgen rasiert, doch da ist noch immer dieser blaue Schimmer, der nie ganz verschwindet, egal, wie oft er mit der Klinge über die Haut gleitet.
Der Mann macht vor dem örtlichen Saloon Halt. Die Stadt ist, ähnlich wie ihr großer Bruder Cripple Creek, aus einem Camp entstanden. Eine Ansammlung von Adobe-Bauten, Zelten, Hütten und mehreren Steinhäusern, deren Dächer mit Holzschindeln gedeckt sind. Die ehemalige Mission besitzt sogar einen Glockenturm. Es ist ein Ort, den das Goldland hervorgebracht hat, denn hier draußen gibt es zahlreiche Claims. Einige werfen sogar fünfzig Dollar pro Tag ab. Ein Paradies für Goldgräber, Glücksjäger, Abenteurer, Huren und Verblendete … Sie alle hat das Gold hierher gebracht. Etwas, das die Rothäute nie verstehen werden. Das Gold hat einen Ort ohne Moral und Achtung geschaffen. Ein Gebilde, das keiner Form oder Funktion folgt und nur existiert, um die Gier und niederen Triebe seiner Einwohner zu befriedigen.
Er ist jetzt seit drei Tagen in dieser Stadt. Zusammen mit seinem Bruder. Zebulon ist wahrhaftig ein abscheuliches und böses Untier von einer Stadt. Weiter westlich liegt Cripple Creek und im Norden Denver. In dieser Gegend, im Schatten des mächtigen Pike’s Peek, beginnt das Gold- und Silberfundgebiet.
Zebulon Montgomery Pike, seines Zeichens US-amerikanischer Offizier und Entdecker, hat einst eine fast einjährige Expedition zur Erkundung des Westens geführt. Ihm zu Ehren hat man den Berg, in der Front Range der Rocky Mountains mit seinen mehr als vierzehntausend Fuß, Pike’s Peek benannt. Und der Legende nach ist auch Zebulon nach jenem legendenumrankten Pike benannt worden, dessen kartografische Handschrift der ganze Westen trägt. Zebulon – eine Stadt, gierig und gefräßig. Vielleicht in vielen Jahren ebenso groß wie Cripple Creek – ein Pestloch, das sich langsam, aber sicher ausbreitet, wo die Starken und Rücksichtslosen das Sagen haben und die Schwachen sang- und klanglos untergehen.
Seine rechte Hand streift über den Kolben des Colts. Eine Marotte, die er sich nicht mehr abgewöhnen kann. Der Griff aus Walnussholz fühlt sich seltsam vertraut an. Er nickt kurz und zufrieden, dann geht er die Stufen hoch, die zum Saloon Red Lion führen.
Ein sogenannter Überweisungsmann, der missratene Sohn einer aristokratischen Familie, hat die Gunst der Stunde genutzt und mit den regelmäßigen Überweisungen aus Großbritannien ein komplett neues Gebäude aus dem Boden gestampft. Das Red Lion ist der wichtigste Sammelpunkt in der ganzen Stadt. Irgendwann einmal soll neben dem Saloon eine Tanzhalle und eine Spielhalle entstehen. Die Pläne dafür existieren schon. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Zimmerleute, Maurer und Hilfsarbeiter mit beladenen Wagen voller Steine, Bretter und Bauholz kommen.
Der Revolverschwinger öffnet die Pendeltür aus Holz, der man ansieht, dass sie erst vor Kurzem frisch gestrichen wurde. Alles im Red Lion ist neu. Der Überweisungsmann hat mit seinen Investitionen ganze Arbeit geleistet.
Ins Auge stechen sofort die Bar und die Flagge einer englischen Universitätsregatta. Der Überweisungsmann selbst steht hinter der Theke, ein Kerl mit dem Gesicht eines Frettchens. Sein Name ist Caleb. Den Nachnamen hat der Revolverschwinger vergessen. Für ihn sind Namen unwichtig. Von Bedeutung sind nur die Gesichter. Der Bursche zählt noch keine dreißig Sommer, doch sein Gesicht ist stark vorgealtert, was er wohl seinen exzessiven Trinkgewohnheiten zu verdanken hat. Auch heute, es ist erst Nachmittag, hat er bereits fleißig dem Schnaps zugesprochen. Eines muss man diesem Kerl mit seinen blaublütigen Wurzeln lassen: Seine Trinkfestigkeit ist beachtlich, und er verliert nie die Selbstbeherrschung – ganz gleich, wie voll er auch ist.
Der Revolverschwinger hat dem blaublütigen Überweisungsmann drei Nächte lang beim Trinken zugesehen. Weder Tequila noch Whiskey haben ihn zu Fall gebracht. Es ist wirklich bemerkenswert, was diese Burschen aus der Alten Welt alles vertragen können.
Und doch ist es nicht allein seine Trinkfestigkeit, die den Barkeeper gegenüber anderen herausstechen lässt. Er ist nämlich nicht nur ein zechfreudiger Ex-Student aus Cambridge, sondern hat sich auch hier draußen im Nirgendwo eine Existenz aufgebaut. Das Geld, das aus der Alten Welt kommt, hat er sinnvoll investiert, denn der Saloon platzt jede Nacht fast aus allen Nähten. Geld kommt zu Geld. So ist es schon immer gewesen. Auch bei Caleb, der mit seinen regelmäßigen Geldüberweisungen in die Prärie verbannt worden ist.
Der Revolverschwinger nickt Caleb kurz zu. Der Barkeeper weiß sofort, dass es gleich Ärger geben wird. Er hat es schon die ganze Zeit gewusst. Jedes Mal, wenn der Mann mit dem bunt bemalten Lederhemd in den vergangenen Tagen den Saloon betreten hat. Das unwillkürliche Zusammenziehen des Magens. Die Hand, die näher an die doppelläufige Schrotflinte unter der Theke rückt.
Der Blick des Revolverschwingers gleitet über die Anwesenden. Seine Augen tasten das Halbdunkel des Saloons förmlich ab. Es sind nur eine Handvoll Männer anwesend. Die Glocke bei den Minen hat noch nicht den Feierabend eingeläutet. Es wird noch dauern, bis die Goldgräber und Minenarbeiter in die Stadt kommen.
Aber da ist dieser Mann, den er am Thekenende lehnen sieht, mit einem halb vollen Glas in der Hand. Ihn hat der Revolverschwinger gesucht. Und als könne der Gesuchte den Blick des Neuankömmlings spüren, dreht er sich um und schaut in seine Richtung. Im Zwielicht sieht man das rötliche Haar, das ihm den Spitznamen Rusty verliehen hat, kurz aufblitzen. Es ist schwer, sein Alter einzuschätzen. Auffällig sind die Krähenfüße, die tiefe Furchen entlang der Augenwinkel ziehen. Die Blutgefäße unter der Haut sind an Nase und Wangen erweitert, ein rötlich schimmerndes Netzwerk, das von zu viel billigem Fusel oder intensiver Sonneneinstrahlung herrührt. Er trägt einen Serge-Anzug, der hier draußen im Nirgendwo genauso sonderbar wirkt wie das indianische Lederhemd des Revolverschwingers. Auch dieser Mann strömt eine gewisse Gefährlichkeit aus.
»Ist es nun soweit?«, will er von dem Revolverschwinger wissen, der langsam auf die Theke zusteuert. Die Stimme des Mannes ist glasklar, frei von jeglicher affektiv gefärbter Schwingung.
Caleb schüttet sich einen großzügigen Schuss Schnaps in sein Glas ein. Diesmal wird es Ärger geben. Ein Fluch aus der Heimat kommt über seine Lippen. Die Townwölfe, die diesen Laden beschützen und denen er regelmäßig einen großzügigen Anteil seines Umsatzes zahlt, werden erst in etwa einer Stunde aufschlagen, wenn die Glocken in den Minen erklingen.
Als der Revolverschwinger nicht antwortet, prostet der Mann ihm zu und sagt schließlich: »Schenk dir einen Drink ein, denn bald wird einer von uns beiden tot sein!«
»Meine Herren, ist es wirklich notwendig …?«, beginnt Caleb mit seinem eigentümlichen britischen Akzent zu sprechen, doch Rusty hebt die Hand in die Höhe und Caleb schweigt unverzüglich. Man sieht, wie sein Adamsapfel auf und ab hüpft. Caleb fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Er ist ohne die Townwölfe überfordert. Vielleicht hat Caleb doch in das falsche Business investiert? Er stürzt den Schnaps in einem Zug hinunter und schenkt sich einen weiteren ein.
Der Revolverschwinger gibt dem Barkeeper ein knappes Zeichen. Dieser starrt ihn einen Moment lang mit seinen kleinen dunklen Augen an, die den Mann einmal mehr an die Augen eines Frettchens erinnern, dann holt er eine der Whiskeyflaschen aus dem Regal und schenkt ihm ein. Wortlos schiebt er das Glas in seine Richtung. Sein Blick spricht jedoch Bände: Man möge doch bitte das Inventar der Bar verschonen. Alles hier drin ist neu.
Rusty lässt sich ebenfalls einen Schluck einschenken. Mit der Hand fährt er über sein rötlich schimmerndes Haar. Dann prostet er dem Revolvermann zu: »Einer von uns wird heute ins Gras beißen. In meiner Heimat pflegt man zu sagen, dass man seinem Schöpfer nicht nüchtern gegenübertreten soll!« Er wartet darauf, dass der Revolverschwinger sein Glas leert. Erst als dieser es an die Lippen setzt, tut es ihm Rusty gleich und trinkt den Inhalt in einem einzigen Zug aus. Für einen kurzen Moment verzieht er das Gesicht, denn das Feuerwasser brennt im wahrsten Sinne des Wortes in der Kehle.
»Bereit, dem Herrn gegenüberzutreten?«, will Rusty von dem Fremden wissen. Er fährt sich mit der Hand über den Mund. Der Revolverschwinger nickt kurz.
»Wenn der Hund draußen bellt, schießen wir!«
Die Worte des Rotschopfes irritieren den Gegner. Er hat weder einen Hund gesehen noch gehört. Doch dann bellt tatsächlich ein Vierbeiner, als hätte dieser nur darauf gewartet, dass Rusty ein Zeichen gibt. Sie ziehen gleichzeitig. Es knallt zweimal kurz hintereinander, Pulverdampf steigt nach oben. Dann starrt Rusty sein Gegenüber verwundert an.
Der Revolverschwinger hat ihn erwischt. Er bemerkt, wie sich ein Blutfleck auf seinem Karohemd ausbreitet. Eine Mischung aus Verwunderung und Ärger zeichnet sich im Gesicht mit den Krähenfüßen ab. »Du hast mich getroffen …« Es ist mehr eine Frage als eine Feststellung. Niemals hat er geglaubt, dass jemand schneller als er den Colt ziehen könnte. Er versucht, den Fremden zu fixieren, denn sein Gesichtsfeld fängt langsam an zu verschwimmen. »Und ich …? Ich habe dich verfehlt? Wie kann das sein?«, ächzt Rusty und hat Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Unter ihm beginnt sich der Boden mit den ausgelegten Sägespänen rot zu verfärben.
Der Revolverschwinger klopft sich mit der Hand gegen die Brust. »Es ist das Hemd!«, erwidert er, als wäre das Erklärung genug, warum sein Gegenüber ihn verfehlt hat. »Ein Geschenk von einem großartigen Mann namens Wovoka!«
Es ist unklar, ob Rusty die Worte noch hört, denn sein Blick wird glasig. Ganz langsam lässt er die Hände sinken, dann kippt er vornüber ins Sägemehl, wo er regungslos liegen bleibt.
Es ist still im Red Lion. Man könnte im wahrsten Sinne des Wortes eine Nadel fallen hören. Dann fängt jemand zu klatschen an, ganz hinten, wo keine Karbidlampe steht.
Langsam dreht sich der Revolverschwinger um. Er muss die Augen zusammenkneifen, um zu sehen, wer da im Dunkeln sitzt. Dann sieht er die lange weiße Mähne, die selbst in der Nacht wie ein Leuchtfeuer heraussticht. Jeb. Er hätte wissen müssen, dass sein Bruder schon vor ihm hier gewesen ist.
»Dieses Hemd wird dich nicht vor allen Kugeln retten, Bruderherz!«, sagt Jeb. Der Revolverschwinger gibt Caleb ein Zeichen, dass er ihm das Glas mit Whiskey auffüllen soll. Dieser Bitte kommt der Überweisungsmann natürlich sofort nach. Nur einmal blickt er über den Rand der Theke, um sich zu vergewissern, dass das Duell vorbei ist und der Mann namens Rusty nicht mehr aufstehen wird. Der junge Mann aus England ist ein wenig blass um die Nase, sodass die erweiterten Blutgefäße unter der Haut besonders stark hervortreten.
Während der Revolverschwinger auf den hinteren Tisch zusteuert, sieht er, wie ein Junge auf die Pendeltür zusteuert und eine Spur zu hastig den Saloon verlässt. Vermutlich informiert er die Townwölfe, die wahrscheinlich gerade noch ausnüchtern, von dem, was sich hier zu solch unorthodoxer Stunde abgespielt hat.
Jeb hebt sein Glas in die Höhe und prostet seinem Bruder zu. »Nate, Nate, Nate … Ich muss neidlos anerkennen, dass du der beste Revolverschwinger jenseits des 98. Längengrads bist!« Mit dem 98. Längengrad meint er jene imaginäre Grenze, wo der gutsituierte Osten aufhört und die Prärie beginnt. Eine riesige Fläche Land, die von einer gesetzlosen Leere dominiert wird.
»Ich will morgen früh diese verfluchte Pesthöhle hinter mir lassen!« Es sind die ersten Worte, die der Mann namens Nate von sich gibt. Sein Bruder verzieht das Gesicht – ob des billigen Whiskeys oder der Worte seines Bruders wegen ist nicht offensichtlich.
Jetzt, wo die beiden Männer an einem Tisch sitzen, ist jedenfalls klar, dass sie Brüder sind. Es ist nicht nur die ungewöhnlich weiße Haarpracht, die sie verrät, es sind auch ihre Gesichtszüge. Fast hat man den Eindruck, man habe ihre Gesichter aus einer Form gegossen. Es ist sofort klar, dass sie Zwillinge sind. Doch so sehr sie sich auch ähneln – und das, obwohl der eine das Haar ganz kurz geschoren trägt und der andere es offen und lang, fast wie eine Dame aus dem ältesten Gewerbe der Welt – sind sie vom Charakter her vollkommen unterschiedlich. Die Bannisters waren schon immer wie Tag und Nacht. Während Nathaniel Bannister wie ein Stein wirkt, dem man keinerlei Gefühlsregung entlocken kann, hat sein Bruder Jebediah etwas Gütiges und Warmes. Er lacht ständig. Mal laut, wenn jemand einen verruchten Witz erzählt, mal leise und verschmitzt, wenn er eine Lady seiner Wahl ins Bett bekommen möchte. O ja, Jeb ist ein wahrer Frauenheld. Er hat eine Art an sich, die schwer zu beschreiben ist, aber die Beine jeder Frau wie von Geisterhand öffnet. Er ist ein Gentleman und weiß, wie man mit Messer und Gabel isst. Das hat er in Boston gelernt. Von dort verbreiten sich Sitten und Regeln besonders schnell, denn dort verkehren nur die feinen Kreise. Die Frauen lauschen gerne seinen Geschichten. Jeb ist ein Sieger, ein ewig strahlender Gewinner, den man einfach gerne haben muss. Doch wenn man ihn näher kennenlernt, begreift man schnell, dass er im Grunde genommen nur durchschnittlich ist. Er ist weder klug noch dumm, keiner der Guten und keiner der Bösen und nicht groß, aber auch nicht klein. Er ist ein Mann, der in keine Schablone passt und stets versucht, mit seinem charmanten Benehmen mehr als nur durchschnittlich zu sein.
Nate hingegen ist da völlig anders. Wortkarg und nie sonderlich an Konversationen interessiert. Niemand hat ihn jemals lachen sehen, nicht einmal sein Bruder. Und irdische Laster interessieren ihn auch nicht, auch wenn er manchmal dem Alkohol zuspricht. Der einzige Kerl, der Nate versteht, ist sein eigener Bruder. Doch auch für ihn ist Nate manchmal ein Buch mit sieben Siegeln. O ja, es gibt Dinge, die er nicht nachvollziehen kann. Jeb hat zum Beispiel nie verstanden, warum es seinen Bruder zu den Rothäuten gezogen hat. Fünf Jahre lang hat er unter ihnen gelebt. Über diese Zeit spricht Nate nur selten. Aber das ist okay für Jeb Bannister.
Es dauert nicht lange und zwei der Townwölfe kommen mit dem Jungen im Schlepptau in den Saloon. Sie werfen einen Blick auf den Toten, dann wenden sie sich an Caleb, der auf die beiden Brüder deutet.
»Scheint, als bekommen wir Gesellschaft«, meint Jeb und schiebt seinen Stuhl ein wenig zurück. Es sieht aus, als würde er es sich gemütlich machen, während er sich zurücklehnt, doch in Wahrheit verschafft er sich nur mehr Freiraum, falls er seinen Colt ziehen muss. »War ja klar, dass nicht der Sheriff vorbeischaut!«
Die beiden Townwölfe sind zwei prachtvolle Vertreter ihrer Gattung. Deutlich über sechs Fuß groß, mit breiten Schultern und zotteligen Bärten. Einer von ihnen ist so dunkel wie ein Comanche, doch er ist alles andere als ein kleinwüchsiger Indigener. Es sind die Männer von Javier de la Cruz. Und der hat hier in Zebulon das Sagen.
»Gentlemen?«, fragt Jeb und zeigt dabei sein bestes Lächeln. Er hat strahlendweiße Zähne, die seiner Haarfarbe in nichts nachstehen. Solche Zähne sind ungewöhnlich, gerade in einer Zeit, wo jeder zweite Mann dem Kautabak verfallen ist. Jeb wäre mit Sicherheit der Stolz des Pennsylvania College of Dental Surgery gewesen.
Einer der Townwölfe mustert Nate, der nichts sagt, sondern nur mit eisiger Miene den Blick des Mannes erwidert.
»Könnt ihr mir erklären, was das soll?«, fragt der mit der dunklen Hautfarbe. Seine Stimme ist dunkel und rauchig, wie ein Reibeisen aus der örtlichen Schmiede. Er nickt mit dem Kopf in Richtung des leblosen Mannes inmitten der Sägespäne.
»Nun, Gentlemen …«, antwortet Jeb und räuspert sich. »Das ist Rusty.«
Der Townwolf steckt beide Daumen in den Hosenbund und wartet, dass Jeb fortfährt.
»Wir sind im Auftrag unseres Bosses John Hamilton hier«, erklärt Jeb und fischt ein Papier aus der Brusttasche seiner Jacke hervor. Es handelt sich um einen Steckbrief, auf dem deutlich das Konterfei von Rusty zu sehen ist. Rusty heißt in Wahrheit Howard Lane Junior. Und auf seinen Kopf sind stolze zehntausend Dollar ausgesetzt. Trotz der Deflation und der ›free silver debate‹ ist das viel Geld.
Die Augen des Townwolfs wandern in einem fort vom Gesicht, das auf dem Steckbrief abgebildet ist, zu dem des Toten vor dem Tresen, als wolle er sichergehen, dass es sich wirklich um Howard Lane Junior handelt.
»Was hat er getan?«, meldet sich jetzt der andere zwielichtige Bursche zu Wort.
»’ne Menge!«, antwortet Jeb. Und da ist wieder dieses charmante Lächeln, auch wenn das Thema alles andere als lustig ist.
»Narrenkraut hat er unseren Pferden gegeben.« Es ist die erste Äußerung, die Nate zu der Diskussion beisteuert. Dabei ist keinerlei Gefühlsregung in seiner Stimme zu hören, die zu seinen harten Gesichtszügen passt.
Die Townwölfe warten, ob Nate noch etwas sagt, doch der Revolverschwinger zieht es vor, zu schweigen.
»Unser Boss betreibt eine Pferdezucht in Texas und dieses Schwein da auf dem Boden hat den Pferden Narrenkraut ins Fressen gemischt«, wiederholt Jeb.
»Und was soll mir das jetzt sagen? Sehe ich aus wie ein gottverdammter Pferdezüchter?«, fragt der Größere der beiden, derjenige, der so dunkelhäutig wie ein Comanche ist.
»Du bist kein Frontiersman«, meint Nate verächtlich – es ist seine erste emotionale Regung an diesem Tag.
»Narrenkraut ist eine Pflanze, die bei den Tieren Halluzinationen und Krämpfe auslöst. Schaum tritt dann aus Mund und Nüstern. Hast du eine Ahnung, wie viele Tiere wir erschießen mussten, Townwolf? Der Schaden ist für unseren Boss nicht zu ersetzen«, erklärt Jeb.
Ein letzter Blick auf den Steckbrief folgt, dann händigen die Townwölfe ihn wieder an Jeb aus.
»Besonders gesprächig scheinst du nicht zu sein, was?«, fragt einer von ihnen in Richtung Nate. Als dieser nicht reagiert, sondern ihm nur einen herausfordernden Blick zuwirft, klopft ihm dessen Gefährte auf die Schulter. »Wir haben einen Job zu erledigen«, sagt dieser zu ihm. Ein letzter lauernder Blick auf den sitzenden Mann mit dem bleistiftkurzen weißen Haar. Dann marschieren die Townwölfe in Richtung Theke. Gemeinsam hieven sie den Toten an Händen und Füßen in die Höhe.
»Wir sollten dieses Pestloch so schnell wie möglich verlassen«, meint Jeb, der den Männern so lange hinterher starrt, bis sie durch die Schwingtüren verschwunden sind. »Rusty wird nie wieder einem Pferd auch nur ein Haar krümmen. Hamilton wartet sicher schon auf unsere Rückkehr.«
»In ein paar Stunden geht die Sonne unter«, gibt Nate zu bedenken. »Bis wir unsere Sachen gepackt haben, dämmert es bereits.« So viele Worte auf einmal aus dem Mund seines Bruders, das ist ungewöhnlich.
»Du meinst also, wir sollten die Nacht noch in dieser Spelunke verbringen?«
Nate ist unschlüssig und zuckt mit den Schultern.
In diesem Moment tritt Caleb hinter der Theke vor, in seinen Händen eine Flasche Schnaps. Er lächelt den Männern am Tisch verunsichert zu. Dann scheint er neuen Mut zu fassen und gesellt sich zu ihnen. Er stellt die Flasche vor ihnen auf den Tisch. Es ist das selbstgebrannte Zeug, das sie irgendwo im Hinterhof brennen. Jeb kennt nichts, das so schrecklich brennt wie dieser billige Fusel. Aber Schnaps hebt nun einmal das Gemüt und kann einen die unangenehmen Dinge vergessen lassen.
»Wieso habe ich das Gefühl, dass du etwas von uns willst?«, fragt Jeb den Wirt, während er die Flasche in die Hand nimmt.
»Ähm, ja … es geht um mein Geschäft«, sagt Caleb und räuspert sich verlegen. Sein Adamsapfel fängt wieder an, auf und ab zu hüpfen.
Nate wirft Jeb einen vielsagenden Blick zu, während dieser die Schnapsflasche entkorkt und sich und seinem Bruder einen großzügigen Schluck einschenkt.
»Ihr seht wie Männer aus, denen es nach einem neuen Job trachtet, stimmt’s?« Caleb blickt über die Schultern zu jener Stelle, an der Rusty seinen letzten Atemzug gemacht hat. Als er den finsteren Blick von Nate sieht, beeilt er sich zu sagen: »Ich zahle gutes Geld, meine Herren!«
Nate setzt das Schnapsglas an seine Lippen und leert es in einem Zug. Er verzieht nicht einmal das Gesicht, als bestünde seine Kehle aus einem blanken Kupferrohr. Mit der Handfläche fährt er sich über den Mund und wartet darauf, bis sich die angenehme Wärme in seinem Bauch ausbreitet.
»Junge, wir sind an keinem Job interessiert. Wir wollen nur noch nach Hause, Richtung Texas.«
»Es ist so …«, beginnt Caleb von Neuem, als hätte er Nates Worte gar nicht gehört, »… ich habe viel Geld in diesen Saloon gesteckt.«
Jeb will etwas sagen, doch der junge Wirt hebt beide Hände in die Höhe. »Jetzt, wo man in den Bergen neue Goldadern entdeckt hat, kommen die Leute in Scharen nach Zebulon. Das Geschäft läuft sehr gut.«
»Vermutlich zu gut«, meint Nate düster.
»Javier de la Cruz regiert hier mit harter Hand. Ihm gehört sozusagen die Stadt. Bis jetzt habe ich nur ein Viertel meiner Einnahmen an ihn abgeben müssen. Doch jetzt, wo neue Claim-Gemeinschaften wie Pilze aus dem Boden sprießen, wird dieser Mann gierig.«
Jeb greift erneut zur Flasche und schenkt sich ein. O ja, er kennt Leute wie Javier de la Cruz, die an Orten wie diesem das Zepter schwingen, nur zu gut. Ihm gehört ein Großteil dieser Stadt und er wird sich früher oder später alles hier draußen einverleiben. Inklusive Calebs Saloon, den er mit dem Geld seiner aristokratischen Sippe aufgebaut hat. Überall in diesem Land passiert dasselbe. Männer mit zweifelhaftem Hintergrund reißen die Macht an sich. Es ist das Geld, das den Charakter verdirbt und einen Dinge tun lässt, die man früher nie getan hätte. Keine Macht der Welt kann etwas daran ändern. Selbst die Männer Gottes haben ihre Schwächen. Jeb hat es oft genug gesehen.
»Das ist nicht unser Kampf!«, meint Jeb, bevor er sein Glas leert. Im Gegensatz zu Nate schneidet er dabei eine Grimasse. Großer Gott, wie dieser Fusel brennt! Ein Wunder, dass ich nicht blind von dem Zeug werde.
»Ich habe viel Geld …«
»Und selbst wenn wir diesen Teufel aus der Stadt vertreiben«, sagt Jeb langsam. »Früher oder später wird ein neuer Teufel kommen und das Gesetz erneut an sich reißen. Es ist ein Kreislauf, der niemals enden wird.«
»Das hier ist aber mein Saloon«, sagt Caleb. »Er ist meine Zukunft!«
»Er wird wohl eher eines Tages dein Grab sein«, widerspricht Jeb. »Tu dir selbst einen Gefallen, pack deine Siebensachen und verschwinde! Und nimm dein ganzes Erspartes mit. De La Cruz wird kommen. Früher oder später. Und er wird dir eine Kugel in den Kopf jagen. Möglicherweise wird er dich vor allen Gästen als gemeinen Pferdedieb bezeichnen. Vielleicht aber auch nicht. Als oberster Statthalter von Zebulon braucht er schließlich keinen Grund, um dich unter die Erde zu bringen. Du weißt doch, wie das hier draußen läuft.«
Calebs Lippen fangen an zu zittern. Er ist ein kluger Mann und weiß, dass es genau so ablaufen wird, wenn Javier de la Cruz seinen Laden übernehmen würde. De la Cruz ist gierig. Er kann nicht genug bekommen. Das Gold in den Bergen hat ihn reich gemacht. Ihm gehört die halbe Stadt. Er wird alle Schlüsselstellungen des freien Handels besetzen. Alles wird früher oder später zu einem einzigen großen Geschäft zusammenlaufen. Wer in Zebulon keinen Ärger will, der muss sich mit de la Cruz gut stellen und, so wie Caleb, Schutzgebühren zahlen. Doch irgendwann reichen diese Anteile nicht mehr aus. De la Cruz wird sich diese Stadt komplett einverleiben. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, denn Siedler und Kleinrancher kommen nach Zebulon und Cripple Creek. Mit dem vielen Gold kann Javier de la Cruz ihnen Kredite geben. Irgendwann wird er den ganzen Zulieferhandel übernehmen. Der Sheriff ist ihm gefügig. In nicht allzu ferner Zukunft wird er auch ein Bezirksgericht hier etablieren. Vermutlich will er Zebulon zu einem Ort machen, der seinem großen Bruder Cripple Creek in nichts nachsteht. Doch bis dahin wird noch ein wenig Zeit ins Land ziehen. Und de la Cruz wird sich zuallererst den Saloon schnappen. Ja, Caleb kann einem leidtun. Aber so ist das nun mal mit den Überweisungsmännern in diesem Land. Ihnen droht immer ein unrühmliches Ende.
Jeb legt eine Dollarnote auf den Tisch, dann erhebt er sich zeitgleich mit seinem Bruder.
»Danke für den Selbstgebrannten. Leb wohl!«
Caleb starrt den beiden Männern gedankenversunken hinterher. Ein anderer Revolverschwinger muss dem Wirt und Überweisungsmann aus der Misere helfen. Wenn dazu überhaupt jemand fähig ist!
Als sie ins Freie treten, werden sie Zeuge von der Willkür, die in der Stadt herrscht. Ein Mann am gegenüberliegenden Straßenrand wird schlimm verprügelt. Es sind die Townwölfe, die Jeb und Nate gerade noch im Saloon gesehen haben. Für einen Moment bleibt Jeb stehen und beobachtet das blutige Schauspiel. Es ärgert ihn, was hier in dieser Hölle passiert, doch es ist nicht sein Kampf. Niemand hilft dem armen Kerl auf der gegenüberliegenden Seite. Jeder denkt nur an sich.
»Komm!«, fordert er Nate auf. Zusammen machen sie sich auf den Weg zu dem einzigen Hotel in diesem Loch.
In diesem Moment kommt die Postkutsche in den Ort gefahren. Sie wird hier haltmachen und erst am nächsten Morgen weiterfahren, denn der Himmel ist wolkenverhangen und heute Nacht wird kein einziger Stern am Firmament zu sehen sein. Es ist gefährlich, sich in der Dunkelheit auf den Weg zu machen. Ein Mitarbeiter kommt aus dem Post Office geeilt. In seinen Händen hält er eine Taschenuhr. Zufrieden nickt er, als die sechsspännige Stagecoach in die Stadt donnert. Eine dicke Staubschicht wird hinter der Concord-Kutsche aufgewirbelt. Einer der Fahrer lässt die Peitsche sprechen, sodass die Pferde auf dem letzten Stück des Weges noch einmal beschleunigen. Die Postkutsche kommt immer auf diese Weise in die Stadt gefahren. Die Fahrer wollen zeigen, wie gut sie ihr Gefährt beherrschen und was sie aus den Tieren herausholen können. Sie wollen Eindruck schinden. Jeb weiß, dass sie außerhalb der Stadt das Gespann ganz ruhig dahin traben lassen.
Die Kutsche donnert an den beiden Brüdern vorbei und macht vor dem U. S. Post Office halt. Während die ersten Passagiere aussteigen, macht sich einer der Fahrer daran, das Gepäck zu entladen. Erst danach bringt er die Briefpost, die Zeitungen und die Steckbriefe ins Post-Office.
Jeb bleibt erneut stehen, weil er eine rassige Schönheit aus der Stagecoach steigen sieht. Es ist eine Lady ganz nach seinem Geschmack. Ein Prachtweib vor dem Herrn. Er hat schon viele schöne Frauen gesehen. Saloonmädchen, Huren, Sängerinnen … aber die sind gegen die unbekannte Schöne nur dritte oder vierte Wahl. Ja, diese hier hat Format. Obwohl sie mit der Stagecoach gereist ist, trägt sie einen geteilten Rehlederrock für den Ausritt. Die Flanellbluse spannt sich adrett über ihren Brüsten. Ihre schwarzen Haare hat sie hochgesteckt. Die grünen Augen erinnern an eine Raubkatze. Donnerwetter! Sie ist atemberaubend und bestimmt nicht leicht zu erobern. Das ist eine selbstbewusste Frau, die ganz genau weiß, was sie will, geistert es durch seine Gedanken.
Ihr Blick wandert über die Menge, die sich vor der Postkutsche versammelt hat. Für einen kurzen Augenblick treffen sich ihre Blicke. Das Funkeln in ihren Augen ist von magischer Natur. Jeb nickt ihr zu und tippt mit dem Zeigefinger an die Krempe seines Hutes. Doch die Unbekannte erwidert den Gruß nicht und wendet sich ab, um ihre Ledertasche entgegenzunehmen, die ihr der Fahrer gerade reicht.
»Willst du hier Wurzeln schlagen?«, erkundigt sich Nate. Er weiß genau, warum sein Bruder stehengeblieben ist. Jeb ist ein Bewunderer schöner Dinge. Manche bestaunen einen Sonnenuntergang in den Antelope Hills, andere haben wiederum eine Schwäche für das weibliche Geschlecht.
»Das ist mit Abstand die schönste Lady, die ich je gesehen habe, Bruder«, meint Jeb und seine Stimme klingt dabei seltsam abwesend. Nate schweigt und steckt die Daumen in seinen Hosenbund.
Was sie wohl in diesem Kaff zu suchen hat?, fragt sich Jeb, nachdem die Schönheit in der Menge verschwunden ist.
Stillschweigend gehen die Brüder weiter. Die Parzelle neben dem Saloon ist abgesteckt. Dort soll eine Tanzbar mit Spielcasino gebaut werden. Eine Amüsiermeile soll entstehen. Das Red Lion ist erst der Anfang. Jeb kann es vor seinem inneren Auge sehen: Diese Stadt wird mit den Claims wachsen. Schon bald werden weitere zwielichtige Gestalten nach Zebulon kommen: betrügerische Spieler, käufliche Frauen, die ihren Freiern das Geld aus der Tasche ziehen, Banditen, Betrunkene, Rauschgiftsüchtige …
Sie erreichen das Hotel, welches das größte Bauwerk in ganz Zebulon ist: drei Stockwerke hoch, komplett aus Holz erbaut und mit einem Balkon, von dem aus man die gesamte Hauptstraße sehen kann. Ebenso wie der Saloon ist es erst vor Kurzem erbaut worden. Der Besitzer ist, wie könnte es auch anders sein, Javier de la Cruz. Der ursprüngliche Inhaber hat die Stadt kurz nach Fertigstellung des Gebäudes verlassen, so sagt man jedenfalls. Ein guter Onkel sei ganz plötzlich erkrankt, sodass die Anlage für einen Spottpreis an de la Cruz verkauft wurde.
Ein Mann steht auf dem Balkon im dritten Stock, lehnt lässig am Geländer und raucht eine Zigarre. Als er die beiden Brüder näher kommen sieht, verschwindet er im Zimmer.
»Wir packen unsere Sachen und reisen noch heute ab«, entscheidet Jeb. »Ich habe ein ungutes Gefühl, hier auch nur eine einzige weitere Nacht in diesem Kaff zu verbringen.«
Nate erwidert nichts darauf. Da ist dieses Prickeln in seinem Nacken – ein Zeichen, dass Gefahr droht. Als Revolverschwinger hat er gelernt, sich auf die Signale, die ihm sein Körper sendet, zu achten. Das hat ihm mehr als einmal das Leben in der Prärie gerettet.
Kaum haben sie die Holzveranda des Hotels erreicht, kommt Javier de la Cruz in Begleitung von drei seiner Handlanger aus der Tür geschritten. Bei den Männern handelt es sich eindeutig um Vaqueros mexikanischer Abstammung. Sie sehen gefährlich aus, was nicht nur an den Patronengurten, die sie über Kreuz auf der Brust tragen, liegt. Sie wirken wie Raubtiere, die Gefallen am Töten gefunden haben und ihre Beute nicht nur aus reinem Selbsterhaltungstrieb erlegen.
Doch die drei Townwölfe verblassen im Vergleich zu Javier de la Cruz. Er ist ein merkwürdiger Vogel und das Wort merkwürdig ist hier wörtlich zu nehmen: de la Cruz ist würdig, dass man ihn sich einprägt. Obwohl Jeb und Nate ihn nur vom Hörensagen kennen, wissen sie sofort, dass es sich um den Boss dieses Pestlochs handelt.
Im Vergleich zu seinen Männern ist er klein. Sein Haar ist pechschwarz, aber von solch unnatürlichem Glanz, als habe er es sich wie ein Tingeltangelmädchen färben lassen. Die schwarze Farbe passt irgendwie nicht zu seinen stahlblauen Augen, denn eigentlich würde man bei solchen eine blonde Haarpracht erwarten. Vermutlich sind auch die Brauen gefärbt. Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich meinen, dieser Mann sei mexikanischer Abstammung, aber irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Vielleicht ist er ja nur eine kranke Gestalt, die vorgibt, ein Greaser zu sein.
Er trägt einen Oberlippenbart, dessen Enden er in mühevoller Kleinarbeit zusammen gezwirbelt hat, sodass sie nach oben abstehen. Javier ist ein hartgesichtiger Bursche. Sein Blick versucht in die Seele eines jeden Mannes einzudringen. Man spürt den zweifelhaften Instinkt, der ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist: ein widerwärtiger Kerl, der seine Macht missbraucht, um die armen Seelen dieses Ortes auszunehmen.
Um den Hals trägt er ein schweres, goldenes Kreuz an einer Kette. Edelsteine sind in die Oberfläche des Edelmetalls eingearbeitet. Das Schmuckstück muss ein halbes Vermögen gekostet haben. Auf seinem Rücken baumelt lässig ein Sombrero. Ja, der Bursche gibt sich wirklich Mühe, als Mexikaner aufzutreten.
De la Cruz spuckt einen Strahl Kautabak vor seine Füße. Er trägt Cowboystiefel mit ausgeschnittenen Schäften und zahllosen Stickereien. Es sind keine billigen Stiefel, sondern welche, die von gut situierten Männern auf Festlichkeiten getragen werden. Und dann ist da noch der Colt an seiner Seite, den er auf jene herausfordernde Weise, wie es bei den Revolverschwingern üblich ist, trägt.
»Man hat mir erzählt, was im Saloon passiert ist, Señor Bannister! Si, si, Amigo …«, sagt Javier de la Cruz mit dem Akzent eines Greasers. Doch das ist nicht der typische Dialekt der mexikanischen Grenzgänger. Es klingt eher so, als würde de la Cruz absichtlich versuchen, den Akzent nachzuahmen. Es ist die Stimme eines Texaners, der versucht, den charakteristischen Südstaaten-Twist, der in seinen Worten hörbar ist, zu unterdrücken.
Was stimmt mit diesem Typ nicht?, fragt sich Jeb.
»Sie haben einen meiner Männer getötet«, richtet de la Cruz das Wort an Nate Bannister. Der Revolverschwinger schweigt.
»Nun, ich nehme an, Sie sind Mister de la Cruz!«, entgegnet Jeb und schenkt dem Mann sein bestes Lächeln. Sein Gegenüber erwidert dieses und entblößt dabei seine Zahnreihen, deren Zähne auffallend klein sind. Die Stummel erinnern an Kinderzähne, wären sie nicht vom Kautabak derart gelb verfärbt.
»Wir kommen von der Starlight Ranch, drüben in den Antilopenhügeln. Unser Boss ist der ehrenwerte John Hamilton, seines Zeichens einer der besten Pferdezüchter, die dieses Land je hervorgebracht hat.«
»Si, si. Ich kenne die Colinas del Antilope sehr gut …«, entgegnet de la Cruz mit einer unüberhörbaren Ungeduld in der Stimme. Seine Hand streicht über das goldene Kreuz auf seiner Brust.
»Ihr Mann hat unsere Pferderemuda mit Narrenkraut vergiftet, und zwei unserer Pferdeburschen die Kehle durchgeschnitten. Wir sind im Auftrag von John Hamilton hier. Mein Bruder und ich haben unserem Boss versprochen, uns erst dann wieder auf der Ranch blicken zu lassen, wenn der Gesuchte unter der Erde liegt.«
De la Cruz überlegt einen Moment. Die Enden seines gezwirbelten Bartes zittern leicht.
Dieser Mann lässt sich Zeit und überdenkt die ganze Sache gründlich. Das macht ihn gefährlich, denn er handelt nicht spontan … dieser selbstgefällige Bursche, der, aus welchen Gründen auch immer, vorgibt, ein Greaser zu sein.
Nach einer Weile zieht er an der Schnur seines gewaltigen Sombreros und setzt diesen auf.
»Lo siento, Señor Bannister, aber das geht nicht. Dies hier ist meine Stadt. Mi ciudad!« Seine spanischen Worte klingen irgendwie krampfhaft, gewollt, aber nicht gekonnt.
»Sie müssen aber doch auch meinen Boss verstehen! Howard Lane Jr. war ein gesuchter Mann. Ich habe einen Steckbrief.«
»Ich kämpfe hier mit meinen treu ergebenen Amigos«, Javier de la Cruz deutet mit der rechten Hand auf die wilden Vaqueros hinter ihm, »um Recht und Ordnung in meiner Stadt. Dafür brauche ich Männer, die sich nicht scheuen, die schmutzige Arbeit für mich zu erledigen. Verstehen Sie das, Señor?«
De la Cruz blickt abwechselnd zu Jeb und Nate Bannister. Letzterer schweigt immer noch, hat sich bislang nicht einmal an dem Gespräch beteiligt. Er ist bereit einzugreifen, wenn die Situation eskaliert.
»Ich frage niemals nach der Vergangenheit meiner Männer. Niemals. Nuanca, nuanca!« Ein gefährlicher Unterton liegt jetzt in seiner Stimme. Er erinnert an das drohende Grollen eines Löwen, der bereit ist, sich auf seinen Gegner zu stürzen, wenn dieser auch nur einen Schritt weiter in seine Richtung macht. »Jeder, der für mich reitet, genießt meinen Schutz.«
»Ich verstehe, Mister de la Cruz!«
»Señor de la Cruz! Es heißt Señor de la Cruz! So viel Zeit muss sein!«
»In Ordnung, Señor de la Cruz. Es tut mir leid, wenn …«
»Entschuldigen Sie sich nicht für so eine Kleinigkeit, Señor Bannister. Wissen Sie, wenn ich damit anfange, meine Männer nicht mehr in Schutz zu nehmen, dann behalte ich irgendwann nicht mehr ihre Treue.«
»Das leuchtet uns ein!« Jeb wirft seinem Bruder einen Blick zu. »Nicht wahr, Nate?«
Nate Bannister schweigt.
»Ihr Boss und Sie beide schulden mir also etwas!«, sagt Javier de la Cruz, um das unangenehme Schweigen zu unterbrechen. »Ihr beide werdet eine Zeit lang für mich reiten! Sagen wir … sechs Monate? Si, si …?«
»Ein halbes Jahr?«, fragt Jeb ungläubig nach. Langsam aber sicher beginnt er zu begreifen, in welche Richtung dieses Gespräch läuft.
Wäre er doch nur klüger gewesen! Dann hätte er alles schon viel früher durchschauen können. Ihre Sachen hätten gepackt im Saloon gestanden und sie wären nach Rustys vorzeitigem Ableben sofort losgeritten. De la Cruz‘ Männer hätten sie dann nicht mehr einholen können.
Doch Jeb ist nie der große Denker gewesen. Er ist eher durchschnittlich, und diese Mittelmäßigkeit frisst ihn manchmal auf! Und sie macht ihn wütend.
Er spürt, wie die Hitze in ihm hochsteigt. Jeb Bannister muss sich jetzt zusammenreißen! Sein Bruder und er haben ein besonders Talent im Umgang mit Colts, doch sie werden dieses Duell nicht gewinnen. Es ist ein Leichtes, den Kerlen vor ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen, doch sie werden dabei auch ins Gras beißen. Und Javier de la Cruz weiß das und fühlt sich deshalb sicher. Er lächelt erneut. Mit seinen kleinen Zähnen, die aussehen, als habe er sie einem Kind gestohlen.
»Sie beide haben in Zebulon viele Vorteile, wenn sie für mich arbeiten. Das Essen im Hotel geht zum Beispiel auf mich, die Drinks sind kostenlos und Sie können sich jeden Tag eine Zigarre aus dem General Store holen. Und wenn erst einmal die Tanzhalle und das Casino errichtet sind, dürfen Sie auch jeden Abend mit einer Puta Ihrer Wahl ins Bett steigen. Si, si … ?«
»Das Angebot ist wirklich sehr großzügig, aber …«, beginnt Jeb, doch sein Bruder fährt ihm unsanft ins Wort: »Das Angebot ist Scheiße!«
Javier de la Cruz wirft dem Mann einen ungläubigen Blick zu. Nate erwidert diesen, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Er wirkt wie eine Wachsfigur aus einem der Kuriositätenkabinette, die in den größeren Städten an der Küste derzeit wie Pilze aus dem Boden sprießen.
»Wie soll ich das bitte verstehen, Señor?«, fragt de la Cruz. Er umschließt dabei mit der Hand das goldene Kreuz um seinen Hals. »Niemand spricht so mit mir, eh? Und niemand, der klar im Kopf ist, lehnt so ein Angebot ab!« Er wendet sich zu den drei Handlangern, die schützend hinter ihm stehen. »Oder sehe ich das falsch, Amigos?«
»Nein, Boss!«, antwortet der Mann zu seiner Rechten. »Ich denke, wir sollten den beiden eine Lektion erteilen!«
»Du meinst die Schule des Lebens, eh?«, will Javier de la Cruz wissen. Dann lächelt er wieder und zeigt dabei seine auffallend kleinen Zähne. Er greift in die Tasche, holt eine Stange Kautabak hervor, bricht ein großzügiges Stück ab und steckt es sich in die Backentasche als sei es ein Stück Schokolade. Für einen Augenblick schließt er die Augen, um den würzigen Geschmack zu genießen.
»Nun denn, Hombres, so funktioniert das nicht. Ich akzeptiere kein Non. Si, si …?«
»Mister de la Cruz …«, beginnt Jeb Bannister von Neuem.
»Señor de la Cruz!«, zischt sein Gegenüber wie eine Sandviper.
»Si, si …« Jeb hebt beschwichtigend die Hände. »Wir sind doch zwei bodenständige Typen aus Texas. Wir keinen Ärger. Haben einfach nur einen Job für unseren Boss erledigt.«
»Und nun erledigt ihr beiden einen Job für mich. So einfach ist das!« Javier de la Cruz deutet mit dem Finger auf den Kerl zu seiner Rechten. »Mein Companero Arturo war so nett und hat euer Hab und Gut an einen anderen Ort gebracht. Nur um sicherzugehen, dass ihr keine Dummheiten macht und voreilig abhaut. Ein Mann ohne Waffen, Geld und Proviant hält es in der Wildnis nicht lange aus. Si, si …?«
Die drei Männer hinter de la Cruz lachen.
Ja, er genießt diese Demütigungen, dieser selbstgefällige Kerl. Er ist ein King in dieser Stadt und geht auf Nummer sicher. Keine Frage, ohne ihre Sachen sitzen Jeb und Nate hier fest. Sicherlich hat er auch ihre Pferde im Corral in Gewahrsam genommen.
»Euren Pferden geht es gut!«, sagt de la Cruz, so, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Macht euch um sie keine Sorgen! Eure Reittiere werden abgerieben, massiert und durchgestriegelt. Mein Knecht schaut auch nach ihren Hufen. Und wenn ihr beiden anständig seid, bekommen sie auch etwas Hafer, Heu und Kleie, eh?«
Er gibt den drei Vaqueros ein Handzeichen. »Vamanos! Wir hauen ab!«
Jeb und Nate blicken den Männern nach, wie sie zu dem angrenzenden Corral gehen und darin verschwinden. Kurze Zeit später reiten sie hoch zu Ross an den Brüdern vorbei. Javier de la Cruz wirkt fast wie ein Edelmann, der auf einem prachtvollen Pferd daher geritten kommt. Es handelt sich um ein erstklassig geschultes Rinderpferd, das sehen die Gebrüder Bannister sofort. So wie es sich bewegt und auf die Befehle von de la Cruz hört, ist jede Art von Lassoarbeit mit ihm leicht. Ein solches Pferd kostet bestimmt dreihundert Dollar. Und der silberbeschlagene Sattel ist mindestens genauso viel wert.
»Amigos, kommt doch heute Abend in unseren Saloon. Ich stehe zu meinem Wort: Die Drinks sind für die Männer meiner Stadt frei. Tequila löst die Zunge, sagt man in meiner Heimat!« Nach dem letzten Satz bekreuzigt sich Javier. »Es gibt viel zu tun und jetzt ist nicht die Zeit sich auszuruhen! Ah, Amigos, die Worte reimen sich sogar. An mir ist ein Poeta verloren gegangen, eh?«
Er spuckt erneut einen zähflüssigen Strahl Kautabak auf den Boden – diesmal direkt vor Nates Stiefel. Er verfehlt die Spitzen der Cowboystiefel nur um wenige Inches.
Jeb hält die Luft an. Er kennt seinen Bruder, weiß, wie schnell dieser ziehen kann. Es sind Männer schon wegen geringfügigeren Ereignissen gestorben. Doch Nate bleibt cool.
Und er schweigt. So wie immer …
Sie sitzt an dem hinteren der beiden Spieltische im Red Lion. Es gibt nur diese zwei Tische, an denen Poker gespielt wird. Die Tischmiete beträgt ein Viertel des Gewinns, der an einem Abend erspielt wird. Selbstverständlich hat sie sämtliche Getränke frei, wenn sie am Tisch die Karten auslegt. Niemand weiß, was mit den Spieltischen passieren wird, wenn eines Tages nebenan das Casino eröffnet wird. Vermutlich werden sie verschwinden, denn die zukünftige Spielhölle gehört Javier de la Cruz, der sie mit dem Gold aus den Minen erbauen lässt. Immer mehr Menschen kommen nach Zebulon. Und wenn der Dollar richtig rollt, wird an den Tischen ohne Limit gespielt.
Caleb steht mit seinem Gehilfen hinter der Bar und bedient die grölende Meute, die sich mit Einbruch der Nacht hier zusammengefunden hat. Hinter der Theke steht eine Goldwaage, an der Caleb und sein Mitarbeiter die Goldstücke abwiegen. Die Goldgräber zahlen hier stets mit Gold anstatt Dollars. Der Gehilfe von Caleb – sein Name ist Jeremy Daniels – hat auffallend lange Fingernägel. Die braucht er auch, denn beim Aufwiegen bleibt nicht nur der tägliche Dreck, sondern auch begehrter Goldstaub haften. Ob das allerdings im Sinn des Überweisungsmannes ist, erscheint fraglich. Jedenfalls sagt er nichts (oder er scheffelt das glitzernde Pulver in die eigenen Taschen).
Ein Mädchen mit ausladenden Hüften bahnt sich mit einem Tablett einen Weg durch die Menge. Mehr als eine Hand fasst dabei an ihren Po, doch sie scheint sich nicht daran zu stören. Vor dem Pokertisch macht sie halt und stellt der Lady, die eine Patience nach der anderen auslegt, ein Glas mit Whiskey auf den Tisch. Das ist ungewöhnlich, denn die vergorene Getreidemaische ist eigentlich ein Männergetränk.
Noch hat sich niemand an den Pokertisch getraut. Bislang hat sich kein Kerl genug Mut angetrunken, um dort sein Glück zu versuchen.
Die Frau am Tisch heißt Elizabeth Tipton und ist professionelle Spielerin. Eine Glücksjägerin, der man das Kartenspiel in die Wiege gelegt hat. Ihr Spitzname ist Silver Liz, denn an ihrer rechten Hand trägt sie an jedem Finger einen Silberring. Jeder von ihnen stammt von ihrer Mutter, und sie haben ihr beim Spiel stets Glück gebracht. Liz trägt sie allerdings nur, wenn sie Poker spielt. Am Ende einer Schicht wandern sie zurück in die kleine Schatulle im Hotelzimmer.
Liz ist eine äußerst attraktive Frau, aber die Männer halten dennoch Abstand zu ihr. In ihrer Gegenwart fällt kein anzüglicher Spruch, und wenn sie durch die Menge läuft, wird sie nicht von ungepflegten Männerhänden begrapscht. Es ist fast so, als würde die junge Dame eine unsichtbare Aura umgeben, die das gemeine Volk auf Abstand hält. Jeder Mann hier im Saloon ist gierig auf diese Vollblutfrau mit den schwarzen Haaren und grünen Augen, aber jeder weiß, dass sie unerreichbar ist. Von Liz geht etwas aus, das viele als eine Mischung aus Gelassenheit, kühler Ruhe und Arroganz beschreiben. Und diese Frau ist gefährlich. Sie trägt einen kleinen Colt, einen Derringer, in ihrem Hosenanzug. Außerdem stecken in ihren Stiefeln zwei Wurfmesser, die sehr gut ausbalanciert sind. Und sie weiß natürlich, wie man mit Schießeisen und Messer umgeht, denn sie übt jeden Nachmittag damit, um nicht einzurosten. Die ganzen Nächte muss sie fast bewegungslos am Pokertisch verbringen, deshalb ist es wichtig, dass sie zumindest am Tag ihre Reflexe trainiert. Sie ist eine gute Schützin, vielleicht nicht die beste, aber ihre Auge-Hand-Koordination funktioniert tadellos.
Für die Arbeit hat Liz Tipton ihre Kleider gewechselt. Sie trägt gerade die typische Arbeitskleidung eines Berufsspielers: Ein schwarzer Anzug mit weiß gefaltetem Hemd und Brokatweste sowie Seidenkrawatte mit passender Brillantnadel. Obwohl eigentlich nur Männer ein solches Outfit tragen, betont es ihre Weiblichkeit außerordentlich. Ihr üppiger Busen spannt unter dem Hemd, was natürlich niemandem der anwesenden Kerle im Saloon entgeht. Ihr Körper würde Liz in einem Freudenhaus ein wahres Vermögen einbringen, doch ein solches Leben lehnt sie von Grund auf ab. Silver Liz ist eine selbstbewusste Frau, die niemals Kapital aus ihrem Körper schlagen würde. Nein, sie ist eine Abenteurerin, und ihr Kapital ist das Glücksspiel.
Während sie an ihrem Whiskey nippt, fragt sie sich, warum sie ausgerechnet dieses Kaff ausgesucht hat, um zu spielen. Sie hatte eine gute Zeit in Cripple Creek gehabt und ihre Geldgürtel sind prall gefüllt mit Dollars. Vielleicht ist es die Wanderlust, die sie immer wieder aufs Neue herumtreiben lässt. Sie hält es nicht lange an einem Ort aus, egal wie paradiesisch die Umstände auch immer dort sein mögen. Nach ein, zwei Wochen wird sie ruhelos und muss weiterziehen. Außerdem will sie den ganzen Kontinent bereisen. Zebulon ist nur eine weitere Station. Hier wird sie es keine Woche aushalten – unabhängig davon, ob sie sich im Goldland befindet oder nicht.
Die Musiker auf der kleinen Bühne wollen gerade ein neues Lied anstimmen, als ein Mann mit einem großen Sombrero die Bar betritt. Ihm folgen drei Männer mit finsteren Blicken und ungepflegten Schnurbärten.
Augenblicklich verstummen sämtliche Gespräche. Eine Sekunde zuvor herrscht noch tosender Lärm, und dann ist alles so leise, dass man eine Nadel hätte fallen hören können.
Der Mann trägt ein auffallend großes Kreuz um den Hals. Sein Haar ist ölig und glänzt pechschwarz. Die blauen Augen passen nicht zu seiner dunklen Erscheinung. Er ist kein Mexikaner, das sieht Liz sofort, denn sie hat eine schnelle Auffassungsgabe, die sie auch beim Pokerspiel braucht.
Der Kerl mit dem Sombrero sieht Liz am Pokertisch sitzen und beobachtet, wie sie die Patience auslegt. Ein Lächeln schleicht sich in seine Gesichtszüge, sodass die Spitzen des Schnurrbarts steil nach oben abstehen. Er schreitet zum Pokertisch, während die Gäste um ihn herum Platz machen. Niemand will dem Boss von Zebulon im Weg stehen. Einer der Musiker hat dem Publikum den Rücken zugedreht und nicht mitbekommen, was sich im Eingangsbereich des Red Lion abspielt. In seinen Händen hält er eine altertümliche Geige, deren Saiten er kurz zuvor gestimmt hat. Der Musiker beginnt vergnügt ein paar Takte zu spielen. Als er sich umdreht und sieht, wer da durch die Menge schreitet, endet der letzte Akkord in einem schrillen Schauerspiel. Hastig lässt er die Arme sinken.
»Hola peciosa!«, murmelt der Mann mit dem Sombrero und baut sich vor dem Pokertisch auf, als sei er das eindrucksvollste Geschöpf, das diese Welt jemals zu sehen bekommen hat. »Mein Name ist Javier de la Cruz.«
»Ich weiß, wer Sie sind, Mister de la Cruz!«, sagt Liz, ohne den Blick von den Karten abzuwenden. Ihre Finger wandern über den Tisch, die Karten werden entsprechend dem Ein-Personen-Spiel ab- und wieder umgelegt, bis sie in der vorgegebenen Reihenfolge aufeinander liegen.
»Señor de la Cruz!«, korrigiert sie der Boss von Zebulon mit barscher Stimme. Doch dann schlägt er sofort wieder versöhnlichere Töne an, als er den bemerkenswerten Busen der Frau sieht, der sich unter ihrem weiß gefalteten Hemd abzeichnet. »Sie haben diesen Tisch bei meinem Amigo Caleb gemietet? Nuestro hombre de Inglaterra?«
»Ja, das habe ich!« Jetzt endlich schaut sie hoch zu dem Mann, der vor dem Tisch steht.
»Sie sind doch keine dieser kleinen Spieler, die nichts riskieren? Dies hier ist der beste Pokertisch in der ganzen Stadt!«, erklärt ihr Javier de la Cruz. Er schaut über die Schulter und seine Handlanger nicken zustimmend.
»Es gibt nur zwei Pokertische in diesem Loch!«
De la Cruz deutet mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Sagte ich doch! Der beste Pokertisch in dieser Stadt!« Er fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Da er den ganzen Tag Kautabak in den Backen hatten, sieht diese aus wie ein schmieriger, öliger Lappen. »Ab jetzt kostet dieser Tisch hundert Dollar pro Nacht! Comprendido?«
»Ich bin eine ehrliche Spielerin, Señor de la Cruz!«, sagt Liz.
De la Cruz reibt sich vergnügt die Hände. »Sie werden das schon schaffen! Auch ohne ihre Kartentricks. Und heute Abend werden Freunde von mir kommen. Es sind wohlhabende hombres, die ihre Rinder nach Kansas zu den Verladestationen bringen. Die besitzen viel, viel Geld. Mucho dinero. Sie können an diesem Tisch ohne Limit spielen. Wenn Ihnen das Geld ausgeht, dann werde ich Ihnen etwas leihen!« Beim letzten Satz zwinkert er mit dem rechten Auge. »Es gibt da übrigens auch andere Möglichkeiten, wie man seine Schulden bei mir abarbeiten kann!«
»Diesen Tag werden Sie aber nicht erleben, Señor de la Cruz!«
»Ich habe in meinem Dasein schon ganz andere Dinge erlebt, Señora!«
In diesem Moment betreten drei Herren die Bar. An ihrer Kleidung sieht man sofort, dass es sich um die besagten Rindertreiber handelt.
»Ah, meine Amigos sind schon da!«, sagt de la Cruz vergnügt. »Wie sagt man so schön? Wenn man vom Teufel spricht? Si, si …?«
Er zwinkert Liz ein weiteres Mal zu und verharrt dann zwei, drei Sekunden lang mit seinem schäbigen Blick an ihrer Oberweite. »Ich habe so wunderschöne Zwillinge noch nie gesehen, Señora!« Dann wendet er sich ab und spricht mit den drei Neuankömmlingen. Kurze Zeit später setzen diese sich an den Pokertisch von Liz. Javier de la Cruz sollte recht behalten. Es würde an diesem Abend ohne Limit gespielt werden …
Jeb Bannister sieht als Erstes die schöne Frau am Pokertisch. Sie sticht aus der Menge wie ein Leuchtfeuer heraus. Im Anzug eines Berufsspielers sieht sie anders aus als bei ihrer Ankunft. Nicht länger als eine Dame von Welt, sondern mehr wie eine schwarze Raubkatze. Jeb hat viele Frauen in seinem Leben kennengelernt, aber so eine Lady …
Das ist eine, mit der man eine Familie gründen und alt werden kann.
Sein Herzschlag beschleunigt sich. Wenn das so weitergeht, wird er sich noch in sie verlieben. Und das, obwohl sie noch kein einziges Wort mit ihm gesprochen hat. Er muss aufpassen! Seine Zukunft liegt schließlich auf der Starlight Ranch in den Antilopenhügeln.
»Wie wäre es mit einer Partie Poker?«, wendet sich Jeb an seinen Bruder. Der schüttelt jedoch den Kopf. Ein Blick zum Spieltisch genügt und Nate weiß ganz genau, warum Jeb unbedingt dorthin möchte. Erneutes Kopfschütteln von Nate.
»Spielverderber!«, sagt Jeb und bahnt sich einen Weg zur Theke, wo Caleb eifrig damit beschäftigt ist, Goldprisen aufzuwiegen. Jeb braucht jetzt erst einmal einen Drink. Und das nicht nur wegen des Prachtweibes am Pokertisch. Er und sein Bruder stecken in Schwierigkeiten, da Javier de la Cruz möchte, dass sie eine Schuld begleichen. Die Gebrüder müssen folglich so schnell wie möglich aus diesem Pestloch verschwinden. Und zwar unauffällig. Kein einfaches Unterfangen, denn als sie vorhin durch die Stadt gelaufen sind, haben die Townwölfe sie bereits beobachtet. Man erkennt sie zwar nicht sofort, denn die Kerle stellen es äußerst geschickt an, aber Jeb und Nate sind Vollblutprofis und wissen ganz genau, wann man ihnen auf der Fährte ist.
Aber zunächst einmal müssen sie an Geld und Proviant gelangen, wenn sie hier verschwinden wollen. Der Weg zurück zu den Antilopenhügeln ist weit und beschwerlich. Mit einem knurrenden Magen und staubiger Kehle würden sie nicht weit kommen, denn außerhalb der Stadt fängt sofort das Niemandsland an.
Jeb bezahlt beim Überweisungsmann die Getränke. Dieser wirft den beiden Brüdern einen vielsagenden Blick zu, doch als er sieht, mit welch frostigem Blick ihn Nate anstarrt, wendet er sich rasch ab und murmelt etwas, das im allgemeinen Kneipenlärm untergeht.
Die Gebrüder Bannister suchen sich eine Ecke, in der sie sich einigermaßen in Ruhe unterhalten können. Sie sehen einen ihrer Schatten, der ihnen unauffällig an einen der Stehtische in unmittelbarer Umgebung gefolgt war. Es ist ein Halbblut. Vermutlich ist seine Mutter einer Horde umherstreifender Apachen zum Opfer gefallen. Der Typ trägt einen schäbigen Poncho, der sich an den Schultern und Ärmeln bereits aufzulösen beginnt. Vielleicht war er ja früher einmal ein Zureiter auf einer Farm gewesen, eher er sich den Diensten von Javier de la Cruz verschrieben hat. Jeb bemerkt die Lassonarben an der Hand, als das Halbblut das Bierglas an seinen Lippen ansetzt. Er prostet dem Kerl zu, doch der ignoriert ihn.
Das Bier im Red Lion schmeckt beschissen. Jeb ist enttäuscht, denn er hat gehört, dass das Ale aus der Alten Welt fantastisch schmecken soll. Doch Caleb braut dieses fade Zeug bestimmt nicht selbst, nein, wahrscheinlich kommt es aus einer der lokalen Brauereien in Cripple Creek.
Bierbrauer müsste man sein!, denkt Jeb wehmütig. Ein Beruf, der sämtliche Krisen übersteht. Egal, wie schlecht es den Menschen geht, es dürstet sie immerfort nach Alkohol.
»Wie machen wir es? So wie damals in Santa Fe?«, will Jeb von seinem Bruder wissen.
»Weiß nicht …«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Nicht wirklich.«
»Na gut, dann machen wir es also so! Ich knöpfe mir das Halbblut vor!«, meint Jeb.
»Wann?«
»Wenn Sie in den Morgenstunden die Fenster öffnen, um durchzulüften.«
»In Ordnung.«
Sie haben sich für ihre Flucht aus Zebulon einen Plan zurechtgelegt. Dafür müssen Sie natürlich für eine gewisse Ablenkung sorgen. Im Morgengrauen würde Calebs Handlanger damit beginnen, die Stühle auf die Tische zu stellen, um anschließend den Saloon durchzukehren und neue Sägespäne auszulegen. Dabei werden alle Fenster geöffnet, um den Mief aus Zigarrenrauch, Schweiß, Erbrochenem und anderen Körperausdünstungen zu vertreiben. Einen besseren Zeitpunkt würde es für ihre Flucht nicht geben, denn zu dieser Uhrzeit ist jeder Kerl, der noch aufrecht auf den Beinen steht, hundemüde und sehnt sich nach nichts anderem mehr als einem warmen Bett. Ein unaufmerksamer Moment und sie könnten sich ihres Bewachers entledigen. Danach würden sie auf das Dach des General-Stores klettern, um die Holzschindeln abzudecken. Sie würden nicht mehr als zehn, vielleicht auch fünfzehn Minuten benötigen, um sich mit genügend Proviant und Ausrüstung einzudecken. Danach zu den Corrals und weg … weit weg von diesem trostlosen Ort.
Jeb blickt zum Tisch der Gambler-Queen. Ja, das ist sie in der Tat, denkt er, als er die Geldscheinhaufen vor ihr sieht. Man spielt hier nicht mit Chips, sondern setzt Bargeld ein. Und das in Massen.
Die Lady macht einen äußerst selbstbewussten Eindruck. Ihr Haar glänzt wie das Gefieder eines Raben. Dazu diese wunderschönen Augen, die für einen kurzen Moment am Tisch der Brüder hängenbleiben. Jeb spürt, wie sein Herz für drei oder vier Schläge aussetzt, ehe es sich daran erinnert, dass es eine lebenswichtige Funktion einnimmt. Daraufhin beginnt es wie wild zu hämmern, als müsse es die wenigen Aussetzer nachholen.
Die Spielerin gewinnt die Partie, denn ein triumphierendes Lächeln schleicht sich in ihre Gesichtszüge, als sie ihre Karten den Männern am Tisch offenbart.
»Gentlemen, es war mir wirklich ein Vergnügen!«, sagt sie mit einer Stimme, die jedem Mann mit gewissen Bedürfnissen unter die Haut geht. Sie hat die drei Typen am Tisch gerade rasiert, wie man so schön sagt.
Der eine Spieler scheint sich aber nicht damit abfinden zu wollen, dass er gerade an diese Frau eine hohe Summe Geld verloren hat.
Jeb spürt, dass Ärger in der Luft liegt.
Der Mann ist breit gebaut, mit einem vierschrötigen Gesicht. Auf seinem Nacken leuchtet ein dicker Sonnenbrand. Die Haut an dieser Stelle hat bereits begonnen, sich in Streifen zu schälen. Vermutlich ist er ein Rinderboss, der es sich nicht nehmen lässt, mit seiner Mannschaft quer durch den Kontinent zu reisen, um seine wertvolle Fracht zu den großen Verladebahnhöfen in Dodge City zu bringen. Ein normaler Zureiter hätte auf legalem Weg niemals um so viel Geld spielen können. Aber als Großgrundbesitzer ist er sicher wohlhabend.
Jeb hat gehört, dass man dreizehn Dollar für jedes Rind bekommt. Bei einer Herde von durchschnittlich dreitausend Rindern sicherlich ein sehr lukratives Geschäft.
»So viel Glück gibt es doch gar nicht …«, sagt er und seine Stimme ist deutlich über das Lärmen der Männer und Frauen hinweg zu hören. »He, Schwester, stimmt vielleicht etwas nicht mit den Spielkarten?«
»Ich bin eine ehrenwerte Spielerfrau!«, erwidert die Dame am Tisch kühl.
Der Kerl schüttelt den Kopf und lässt nicht locker. Sicher ist auch der Alkohol mit daran schuld, dass Sinne etwas vernebelt sind, denn er hat während der gesamten Partie viel zu tief ins Glas geschaut. »Ich will die Karten sehen!«, fordert er und hält der Frau die offene Hand hin, die in diesem Augenblick wie die Pranke eines Löwen wirkt. »Vielleicht kannst du ja im Lampenschein erkennen, welche Motive auf der anderen Seite der Karten sind?«
Sein Gefährte klopft dem aufgebrachten Mann auf die Schulter. »Ja genau, prüf die Karten, Doug! Die Schlampe hat bestimmt ihrem Glück ein klein wenig nachgeholfen! Schau dir nur mal ihre Silberringe an der Hand an! Sie hat bestimmt mit dem Klunker an der Hand die Karten irgendwie markiert!«
»Ja, so wird es sein!«
Die ersten Anzeichen drohender Gewalt liegen in der Luft. Jeb ist ein Gentleman und will die Situation retten, dieser Lady zur Seite zu stehen.