Captain Future 5: Die sieben Weltraumsteine - Edmond Hamilton - E-Book

Captain Future 5: Die sieben Weltraumsteine E-Book

Edmond Hamilton

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Beschreibung

Ein grausiger Mord bringt Captain Future auf die Spur eines finsteren Komplotts: Der brillante, aber skrupellose Wissenschaftler Ul Quorn macht Jagd auf die geheimnisvollen Raumjuwelen − mächtige Artefakte der uralten untergegangenen Marsdynastie! Wird es Captain Future gelingen zu verhindern, dass Quorn mit ihrer Hilfe uneingeschränkte Macht über das System erlangt und die neun Welten grausam unterjocht? Der Roman Captain Future and the Seven Space Stones ist im Winter 1941 in dem Pulpmagazin Captain Future − Wizard of Science erschienen. Er wird hier, erstmals auf Deutsch, mit sämtlichen Illustrationen und allen zur Serie gehörigen Materialien der Originalausgabe vorgelegt. Die vorliegende Neuausgabe hat es sich zum Ziel gesetzt, Edmond Hamilton als Klassiker der Science Fiction ernst zu nehmen. Alle Texte werden vollständig und mit größtmöglicher Werktreue ins Deutsche übertragen.

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Impressum

Edmond Hamilton

CAPTAIN FUTURE 5 – Die sieben Weltraumsteine

Vorlage für die Übersetzungen war der Erstdruck

»Captain Future and the Seven Space Stones«

in CAPTAIN FUTURE MAGAZINE (Winter 1941).

Den Anhang übersetzte Andreas Stöcker

© 2016 by Erbengemeinschaft Edmond Hamilton

Mit freundlicher Genehmigung der Thomas Schlück GmbH, Garbsen

© dieser Ausgabe 2016 by Golkonda Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Illustrationen: H. W. Wesso

Lektorat: André Taggeselle

Redaktion: Hannes Riffel

Korrektorat: Ralf Neukirchen

Gestaltung: s.BENeš [www.benswerk.wordpress.com]

E-Book-Erstellung: Hardy Kettlitz

Golkonda Verlag

Charlottenstraße 36 | 12683 Berlin

[email protected] | www.golkonda-verlag.de

ISBN: 978-3-942396-61-6 (Buchausgabe)

ISBN: 978-3-942396-62-3 (E-Book)

Inhalt

Titel

Impressum

Inhalt

Vorbemerkung

DIE SIEBEN WELTRAUMSTEINE

1. Kapitel: Marsianisches Geheimnis

2. Kapitel: Newtons Urlaub findet ein jähes Ende

3. Kapitel: Der dritte Weltraumstein

4. Kapitel: Mentale Botschaft

5. Kapitel: Heimflug zum Mond

6. Kapitel: Bedrohung in den venusischen Sümpfen

7. Kapitel: Der interplanetare Zirkus

8. Kapitel: Todeskäfig

9. Kapitel: Eine Herausforderung für die Futuremen

10. Kapitel: Söhne zweier Monde

11. Kapitel: Auf dem Marsmond

12. Kapitel: Befehle für Grag

13. Kapitel: Begräbnis im All

14. Kapitel: Im Meteoroidenschwarm

15. Kapitel: Der Weltraumeremit

16. Kapitel: Der Vergnügungsplanet

17. Kapitel: Die letzten Weltraumsteine

18. Kapitel: Das Subuniversum

19. Kapitel: Der Riese von den Sternen

20. Kapitel: Ein neues Universum

ANHANG

Under Observation

The Future of Captain Future

The Worlds of Tomorrow: Mars, die blutrote Kugel

The Futuremen: Nr. 4 – Marshal Ezra Gurney

Weitere Bücher bei Golkonda

Phantastik im Golkonda Verlag

Vorbemerkung

Wie schon bei den beiden Bänden mit denVERSCHOLLENEN ABENTEUERN VON CAPTAIN FUTURE, Die Rückkehr von Captain Future und Der Tod von Captain Future, sowie bei Der Sternenkaiser, Erde in Gefahr, Die Herausforderung und Der Triumph hat es sich der vorliegende fünfte Band der Neuausgabe der Romane um Curtis Newton zum Ziel gesetzt, Edmond Hamilton als Klassiker der Science Fiction ernst zu nehmen. Alle Texte werden vollständig und mit größtmöglicher Werktreue ins Deutsche übertragen. Im Original auftretende Holprigkeiten und Widersprüche, die nicht selten den Entstehungsbedingungen der Texte geschuldet sind, werden übernommen. Allerdings bemüht sich die Übersetzung auch, die Eleganz, das gezielt eingesetzte Pathos und die unterschwellige Ironie der Sprache zu erhalten. Edmond Hamilton war einer der Begründer dessen, was wir heute als »Space Opera«, als große Weltraumoper kennen. Er hat diese Form der abenteuerlichen SF nicht nur mit begründet, er hat sie auch zu einem ersten Höhepunkt geführt. Dem möchten wir in jeglicher Hinsicht gerecht werden.

Die Redaktion

DIE SIEBEN WELTRAUMSTEINE

1. Kapitel:Marsianisches Geheimnis

Starr vor Erstaunen betrachtete Kenneth Lester das blaue, facettierte Juwel. »Was ich hier in den Händen halte, ist das verloren geglaubte Geheimnis von Thuro Thuun – ein jahrtausendealtes Mysterium – ein Teil des Schlüssels, mit dem das Rätsel gelöst werden kann!«, keuchte der junge Archäologe.

Das Juwel sah aus wie ein dräuendes Auge, das ihn mit eisigem Blick durchbohrte. Die Facetten, denen selbst unzählige Jahrhunderte nichts hatten anhaben können, reflektierten das weiße Licht der Uranitbirnen in Lesters Arbeitszimmer.

In dem Studierzimmer in einem der obersten Stockwerke des berühmten New Yorker Instituts für Interplanetare Wissenschaften befanden sich die Reliquien, die der junge Archäologe von seinen Reisen in weit entfernte Welten mitgebracht hatte. Antike jovianische Büsten aus schwarzem Stein starrten auf ihn herab. Fremdartige Metallbüsten aus dem Neptunozean musterten ihn aus schattigen Winkeln. Ein bizarres uranisches Götzenbild aus dunklem Höhlenholz ragte hoch über ihm auf, die mit Schwimmhäuten versehenen Hände drohend erhoben.

Aber Lester sah nichts außer dem kalten blauen Edelstein in seiner Hand. Weder hörte er das Summen des Röntgenapparats auf seinem Schreibtisch – das einzige Geräusch, das die mitternächtliche Stille durchbrach –, noch bemerkte er, wie die Tür zu seinem Arbeitszimmer leise geöffnet wurde.

»Ein Teil des Mysteriums von Thuro Thuun ist in diesen Stein eingeschlossen!«, flüsterte er atemlos. »Das Geheimnis, das seinem Entdecker unbegrenzte Macht verleiht …« Ein ängstlicher Ausdruck huschte über sein wissbegieriges Gesicht, und in seiner Stimme schwang Besorgnis mit. »Wenn jemand mit bösen Absichten alle Teile des Mysteriums in seine Gewalt brächte, wäre das ein Albtraum!«

Unschlüssig und tief besorgt verharrte er im Lichtschein der Uranitbirnen. Dann ging er mit plötzlicher Entschlossenheit zu seinem Schreibtisch, auf dem eine Televisoranlage stand.

»Es gibt nur einen Mann im Sonnensystem, dem man eine derartige Entdeckung anvertrauen kann«, brummte er.

Der viereckige Monitor begann hell zu glühen, und nach kurzer Zeit wurde darauf das Bild eines jungen Mannes sichtbar, der in einem aufwendig hergerichteten Dienstzimmer stand.

»Guten Abend, Professor Lester!«, begrüßte ihn das Bildnis. »Ich habe gehört, dass Sie bereits seit Wochen vom Jupiter zurück sind. Wie kommt es, dass man Sie noch gar nicht zu Gesicht bekommen hat?«

»Ich habe mich dem Studium einiger Reliquien gewidmet, die ich aus der Höhle der Ahnen auf dem Jupiter mitgebracht habe«, erklärte Kenneth Lester schnell. »Bonnel, ich möchte, dass Sie mir dabei helfen, mit jemandem Kontakt aufzunehmen.«

North Bonnel, Sekretär des Präsidenten der Systemregierung der Neun Welten, grinste fröhlich. »Sicher. Um wen geht es?«

»Captain Future!«

»Captain Future?«, platzte Bonnel heraus. »Selbst der Präsident wendet sich nur an ihn, wenn eine akute Gefahrensituation eine solche Maßnahme erfordert! Im Übrigen weiß niemand, wo sich Captain Future zurzeit aufhält. Er macht Ferien.«

»Wer hat je davon gehört, dass die Futuremen Ferien machen?«, fragte Lester verblüfft.

Bonnel zuckte nur mit den Achseln. »So hat der Präsident es mir jedenfalls gesagt. Selbst er weiß nicht, wo Captain Future gerade ist. Aber ich nehme an, dass er die Möglichkeit hat, Kontakt mit ihm aufzunehmen, wenn es wirklich dringend ist. Ich fürchte, auf Ihren Fall trifft das nicht zu, oder?«

»Möglicherweise«, erwiderte Lester nachdenklich. »Dennoch habe ich eine Entdeckung von ungeheurer Wichtigkeit gemacht. Bitte versprechen Sie mir, dass Sie sich umgehend melden, sobald Sie die Möglichkeit haben, mit Captain Future Kontakt aufzunehmen.«

Damit schaltete Lester den Televisor ab. Noch während er das tat, erklang hinter ihm eine leise Stimme. »Sie möchten also mit Captain Future sprechen?«

Der Archäologe fuhr herum. Ein Mann hatte sich heimlich in sein Arbeitszimmer geschlichen.

»Dr. Ul Quorn!«, keuchte Lester.

Ul Quorn war ein magerer Mann mit schmalen Hand- und Fußgelenken und dem zeitlos guten Aussehen eines Venusiers. Gleichzeitig besaß er die hellrote Haut und die hohe Stirn eines Marsianers und die intelligenten schwarzen Augen und das glatte schwarze Haar eines Erdenmenschen. Interplanetare Mischlinge waren in jenen Tagen der großflächigen Besiedlung anderer Welten keineswegs eine Seltenheit. Doch die allgemeine Diskriminierung hatte allzu häufig ihren Charakter verdorben. »Was tun Sie hier?«, wollte Kenneth Lester wissen, dessen Gesichtszüge sich unwillkürlich verhärteten. »Wie können Sie es wagen, sich nach alldem, was vor zwei Jahren vorgefallen ist, hier blicken zu lassen?«

»Meinen Sie damit meine Entlassung und die Haftstrafe für illegale Forschungen, die man mir aufgebrummt hat?«, erkundigte sich der Mischling kühl. »Machen Sie mir diese unglückselige Sache immer noch zum Vorwurf?«

»Jeder anständige Wissenschaftler verabscheut Sie für die scheußlichen Experimente, die Sie an diesem Institut durchgeführt haben.«

Aber Quorn zuckte nur mit den Schultern. »Ihr Erdlinge seid wirklich verblüffend sentimental. Meine marsianischen Vorfahren, die viel tiefer in die Wissenschaften eingedrungen sind, als es irgendeinem Mensch jemals gelungen ist, hatten nicht so viele Skrupel.«

»Genau die Worte, die ich von einem Mischling erwarten würde«, erwiderte Kenneth Lester verächtlich.

Die schwarzen Untiefen von Quorns Augen begannen bedrohlich zu funkeln. Seine Stimme klang plötzlich fast barsch. »Ihr arroganten Erdlinge habt wegen meiner gemischtrassigen Herkunft schon immer auf mich herabgeschaut! Dass ich euch in wissenschaftlicher Hinsicht überlegen bin, hat euch nie interessiert.« Doch dann zuckte er mit den Achseln. Die flammende Leidenschaft, die aus seinen Augen hervorgezüngelt war, wich wieder der unterkühlten ironischen Maske, die er für gewöhnlich zur Schau trug. »Aber ich bin nicht hergekommen, um über solche Dinge zu sprechen.«

»Weshalb sind Sie dann hier?«, fuhr Lester ihn an.

»Um mir den Weltraumstein zu holen, den Sie in der Hand halten.«

Kenneth Lesters ungläubiger Blick wanderte von den weichen roten Gesichtszügen des Mischlings zu dem blauen Juwel in seiner Hand. »Den Weltraumstein?«, wiederholte er. »Sie wissen, was es damit auf sich hat?«

»Ja, mein Freund, ich weiß Bescheid«, erwiderte Quorn sanft. »Ich weiß, dass es sich um eines der sieben Raumjuwelen handelt, die das Geheimnis von Thuro Thuun in sich tragen, des mächtigsten Wissenschaftlers der uralten Marsdynastie. Ein weiteres dieser sieben Juwelen befindet sich bereits in meinem Besitz, mit Ihrem sind es dann zwei. Sobald ich die übrigen fünf aufgespürt habe, gehört Thuro Thuuns Geheimnis mir. Ich, der verhasste Mischling, werde imstande sein, die gewaltigste wissenschaftliche Macht des Systems zu kontrollieren!«

Lester musterte das zu allem entschlossene Gesicht des abtrünnigen Wissenschaftlers. Mit einer schnellen Bewegung versuchte der junge Erdling die Televisoranlage auf seinem Schreibtisch zu erreichen.

»Das hatte ich befürchtet«, seufzte Ul Quorn.

Der Mischling betätigte den Schalter eines winzigen Apparats, den er in der Hand hielt. Das Gerät sandte einen pulsierenden Lichtkegel aus, der Lester vollständig einhüllte. Der junge Erdenmensch erstarrte mitten in der Bewegung, und sein Gesicht machte eine grausige Veränderung durch. Unvermittelt fiel er zu Boden. Sein Körper zuckte. Er lebte zwar noch, aber er war nicht mehr Kenneth Lester. Irgendeine scheußliche Energie hatte sich seines Fleisches bemächtigt. Den Weltraumstein hatte er während des Sturzes fallen lassen. Quorn beeilte sich, ihn aufzuheben. In aller Ruhe wandte er den Blick von dem grässlich zuckenden Körper ab und hielt das Raumjuwel unter den Röntgenstrahl des Projektors, der auf dem Schreibtisch stand. Dabei lauschte er aufmerksam. Seine schwarzen Augen funkelten triumphierend.

»Zwei!«, flüsterte er. »Zwei Teile des Geheimnisses gehören mir! Und wenn ich erst die übrigen Juwelen habe, dann …«

Ein fernes Geräusch, das über die beleuchteten Turmspitzen New Yorks zu ihm drang, bereitete seiner Schadenfreude ein jähes Ende. Er ließ das Juwel in die Hosentasche gleiten und schlich zur Tür. Doch dann blieb er stehen, denn sein Blick war auf eine kleine venusische Statue gefallen, die ein hübsches, knieendes Mädchen darstellte.

»Allerliebst«, brummte der Mischling. Dann stahl er sich geräuschlos aus dem Büro, das zu einer grausigen Totenkammer geworden war.

Hoch über dem nördlichen Nachthimmel New Yorks schimmerten riesige Buchstaben aus lebendigem Gold:

STADT DER FREUDE

DAS VERGNÜGUNGSZENTRUM

DER NEUN PLANETEN

Die Stadt der Freude glich einem riesigen Teppich aus glitzernden bunten Lichtern. Achterbahnen wirbelten nach Luft schnappende Menschen durch schwindelerregende, atemberaubende Schleifen. Glücks- und Geschicklichkeitsspiele lockten das Publikum in Scharen herbei. Ausrufer warben lautstark mit ihrem Repertoire unvergleichlicher Vergnügungen aus weit entfernten Welten.

Marsianer, Uranier, Merkurer und Jovianer – Bewohner aller neun Welten – mischten sich unter die fröhliche Menge, die die Hauptstraße bevölkerte.

Durch das Gedränge schlenderten drei Erdlinge, die sich augenscheinlich gut amüsierten. Einer der beiden Männer war einen Meter und fünfundneunzig groß, und sein schlanker Körper steckte in einem engen grauen Overall, unter dem sich deutlich seine breiten Schultern und die durchtrainierten Muskeln abzeichneten. Über die roten Locken hatte er eine Raumfahrermütze gezogen.

Das Gesicht unter dem Haarschopf war gebräunt und gutaussehend, und in den grauen Augen funkelte jugendlicher Übermut.

»Hab mich lange nicht mehr so gut amüsiert«, schmunzelte er. »War diese ›Raketenfahrt‹ nicht der allergrößte Spaß?«

Sein Begleiter und das Mädchen starrten ihn verblüfft an.

»Diese alberne Achterbahnfahrt hat dir Spaß gemacht?«, fragte das Mädchen ungläubig. »Das hätte ich von Captain Future niemals erwartet!«

Curtis Newton, der tapfere junge Mann mit dem roten Haar, der im ganzen System als Captain Future bekannt war, grinste. »Natürlich hat mir das Spaß gemacht, Joan. Warum auch nicht?«

Joan Randall schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Du hast die entlegensten Winkel des Systems besucht. Hast Dinge gesehen, die sich die Leute hier nicht einmal vorstellen können. Und obwohl du schon mit tausendmal größerer Geschwindigkeit als eines dieser Karussells hier durchs All geflogen bist, bereitet dir eine Achterbahnfahrt so große Freude!«

»Nun ja, das hier unterscheidet sich gundlegend von dem, was ich sonst erlebe. Deshalb amüsiere ich mich auch so prächtig. Für Otho und mich ist das ein Traumurlaub – sich zur Abwechslung mal unter das gewöhnliche Volk zu mischen. Hab ich nicht recht, Otho?«

»Du sagst es, Herr«, erwiderte sein Begleiter. »Ich hatte selten so viel Spaß. Inkognito zur Erde zu reisen war eine grandiose Idee.«

Der Mann, der Otho genannt wurde, sah aus wie ein schlanker junger Erdling von mittlerer Größe, allerdings hatte er etwas Gummiartiges an sich. In seinem blassen Gesicht und den geschlitzten grünen Augen lag ein todesmutiger Ausdruck, als wollte er den Teufel selbst herausfordern. Tatsächlich handelte es sich um Otho, den Androiden und Futureman, einen von Curt Newtons Kameraden. Otho war aus künstlichem Fleisch erschaffen worden. Doch mit seiner Intelligenz, seinem Mut, seinem Humor, seiner Schnelligkeit und seinen Verkleidungskünsten konnte sich kein anderer Bewohner des Systems messen.

»Der alte Grag wäre nur zu gern dabei gewesen«, kicherte Otho und sah hinauf zum Vollmond am sternenübersäten Himmel. »Der war vielleicht sauer, dass wir ihn und Simon auf dem Mond zurückgelassen haben!«

»Du solltest dich was schämen«, sagte Joan vorwurfsvoll. »Deinen Kumpel zurückzulassen und dich dann auch noch über ihn lustig zu machen.«

»Dieser tumbe Roboter soll mein Kumpel sein?«, rief Otho. »Wenn es nach mir ginge, wäre er schon längst auf dem Schrottplatz gelandet.«

»Hört euch mal diesen Sermon an«, unterbrach Curt Newton ihr Gespräch. »Klingt interessant, findet ihr nicht auch?«

»Hier entlang, wenn Sie die Tänzerinnen von der Sonnenseite des Merkur sehen wollen!«

»Hereinspaziert, wagen Sie einen Ritt auf dem achtbeinigen saturnischen Pferd. Das ist völlig gefahrlos, verehrtes Publikum, völlig gefahrlos!«

Durch dieses Stimmengewirr drang die Stimme des Ausrufers, den Curt Newton gemeint hatte. »Besuchen Sie das Captain-Future-Museum! Erfahren Sie mehr über die Heldentaten des Zauberers der Wissenschaften und der Futuremen!«

»Warum sollten wir uns das ansehen, das ist doch alles Schwindelei!«, erklärte Joan entrüstet.

»Natürlich ist es das.« Captain Future grinste breit. »Aber lasst uns trotzdem reingehen und herausfinden, was für Heldentaten wir angeblich vollbracht haben. Sind Sie auch sicher, dass alles, was in dieser Show geboten wird, authentisch ist?«, fragte er den Ticketverkäufer mit ernster Miene.

»Mein Freund, ich versichere dir, dass wir das ganze Zeug von Captain Future höchstpersönlich bekommen haben«, beteuerte der Lügner.

Fröhlich strömten sie mit der Menschenmenge auf das Gelände. Dort stand ein riesiger Pavillon, um den herum Käfige mit verschiedenen Ausstellungsstücken und Modellen aufgestellt worden waren. Ein fetter rotgesichtiger Mann sprach mit lauter Stimme zu der andächtig lauschenden Menge.

»Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie alle haben schon von Captain Future, dem Zauberer der Wissenschaften gehört, der zusammen mit seinen sonderbaren Kameraden, den Futuremen, auf dem Mond lebt. Sie wissen, dass er unzählige finstere Verbrecher zur Strecke gebracht hat, die eine unmittelbare Gefahr für die Bewohner der neun Welten darstellten. Aber keiner von Ihnen hat Captain Future oder seine Kameraden jemals persönlich getroffen. Das haben die wenigsten. Doch Sie wissen, dass er immer zur Stelle ist, sobald dem System Gefahr droht. Jetzt endlich werden Sie alles über Captain Future und seine Kameraden erfahren.«

»Als Erstes wäre da sein Zuhause, das sich unter dem Krater Tycho auf dem Mond befindet. Dort liegt nicht nur sein Wohnsitz, sondern auch sein riesiges Labor, und sein berühmtes Raumschiff, die Komet, ist ebenfalls an diesem Ort untergebracht. Seine Kameraden und er leben allein auf dem Mond, und Sie können darauf wetten, dass niemand es wagen würde, ihren Frieden zu stören.«

»Das wissen wir doch alles schon«, beklagte sich ein Mann neben Curt. »Sagen Sie uns, wie Captain Future mit richtigem Namen heißt. Woher stammt er?«

»Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, mein Freund«, erklärte der Ausrufer hoheitsvoll und senkte die Stimme. »Liebes Publikum, Sie glauben, dass Captain Future ein Erdling ist. Aber das stimmt nicht. Tatsächlich stammt er vom Sirius!«

In der Menge wurde verblüfftes Gemurmel laut.

»Aber das ist ja ausgemachter Blödsinn!«, flüsterte Joan empört.

»Stimmt schon, aber dennoch – Phantasie hat er«, entgegnete Curt.

»Vor vielen Jahren kam dieser Mann vom Sirius in unser System und ließ sich auf dem Mond nieder. Zu jener Zeit nannte er sich zum ersten Mal Captain Future.«

Curt Newtons Lächeln verschwand, und er lauschte nicht länger den absurden Behauptungen, die der Ausrufer von sich gab. Stattdessen erinnerte er sich daran, wie es damals wirklich gewesen war, als er sich zum ersten Mal Captain Future genannt hatte.

2. Kapitel: Newtons Urlaub findet ein jähes Ende

Vor vielen Jahren war Curts Vater, Roger Newton, ein brillanter junger Wissenschaftler von der Erde, zusammen mit seiner Frau auf den Mond geflüchtet. Simon Wright, das lebende Gehirn, das jetzt einer der Futuremen war, hatte sie begleitet. Sie hatten die Flucht ergriffen, um den finsteren Plänen Victor Corvos zu entgehen, eines skrupellosen Intriganten, der Roger Newtons wissenschaftliche Geheimnisse stehlen wollte.

In ihrem neuen unterirdischen Zuhause und dem Labor, das sie unter dem Krater Tycho einrichteten, hatten der flüchtige Wissenschaftler und das Gehirn daran gearbeitet, künstliches Leben zu erschaffen. Das Resultat ihrer Forschungen waren zwei intelligente künstliche Wesen – der Metallroboter Grag und Otho, der Mann aus Gummi.

Aber Victor Corvo war ihnen auf den Mond gefolgt. Es gelang ihm, Curts Eltern zu ermorden, bevor er selbst von Otho und Grag getötet wurde.

An diesem fremdartigen Ort war Curt Newton von dem Gehirn, dem Roboter und dem Androiden großgezogen worden. Unter der Anleitung des Gehirns, damals der mächtigste Wissenschaftler im System, hatte sich Curt zu einem wissenschaftlichen Genie entwickelt, das die Fähigkeiten seines Mentors schließlich sogar übertraf. Der Roboter Grag, das stärkste Lebewesen des Systems, sorgte mit seinem Training dafür, dass Curt über immense Körperkraft verfügte. Und der Androide Otho, der flinkste und gerissenste von ihnen, lehrte Curt Geschicklichkeit und Schnelligkeit.

Als Curt schließlich zu einem Mann herangewachsen war, begann sein Werdegang als Captain Future. Ein Verbrecher, der wissenschaftliche Erkenntnisse zu kriminellen Zwecken missbrauchen wollte, hatte Curts Eltern ermordet. Curt fasste den Entschluss, die außergewöhnlichen Fähigkeiten, die er dank seiner einzigartigen Ausbildung erworben hatte, in einem unbarmherzigen Kreuzzug gegen Menschen wie diesen einzusetzen. Er widmete sein Leben der Aufgabe, im Namen des Systems gegen all jene zu kämpfen, die die Zukunft der neun Welten gefährdeten. Deshalb hatte er den Namen Captain Future angenommen.

Zusammen mit dem Gehirn, dem Roboter und dem Androiden, die seine Lehrmeister und Beschützer waren, war Captain Future schon viele Male aufgebrochen, um gegen die Kräfte des Bösen in den Kampf zu ziehen. Wann immer dem System Gefahr drohte, ließ der Präsident der obersten Systemregierung die Magnesiumleuchtfeuer am Nordpol entzünden.

Curt Newton dachte an die Kämpfe und die Gefahren, die ihn und die Futuremen schon in sämtliche Welten des Systems geführt hatten. Dann lauschte er weiter, wie der Ausrufer mit heiserer Stimme seine erfundene Geschichte beendete.

»Und was die Futuremen angeht, von denen Sie schon gehört haben – das lebende Gehirn war der Erste von ihnen. Einst hieß er Simon Wright und war ein hochangesehener Wissenschaftler von der Erde. Dem Tode nahe, entnahm man sein Gehirn aus seinem Körper und tat es in einen speziellen Serumkasten. Dort lebt es bis heute, denkt und experimentiert, obwohl es keinen Körper mehr hat.«

»Nun ja, wenigstens in diesem Punkt liegt er richtig«, sagte Curt zu Joan.

»Der zweite Futuremen war der gewaltige Metallroboter. Grag ist stärker als jedes andere Lebewesen im System, und außerdem verfügt er über Intelligenz. Er könnte jeden einzelnen von uns in Stücke reißen.«

»Zum Glück ist Grag nicht hier und hört das, sonst wäre er in nächster Zeit unausstehlich«, brummte Otho. Aber dann hellte sich seine Miene auf, als der Ausrufer weitersprach.

»Und was den dritten Futuremen angeht, den, den sie den Androiden nennen …«

»Jetzt spinnt er bestimmt eine Menge verrücktes Garn über meine unglaublichen Heldentaten zusammen«, flüsterte Otho mit aufgesetzter Gelassenheit.

»Er ist der Armseligste unter den dreien. So eine Art Gummipuppe, die die übrigen Futuremen auf ihre Reisen mitnehmen.«

Curt prustete los vor Lachen. Otho, dessen grüne Augen vor Wut funkelten, zischte wütend.

»Gummipuppe? Ich dreh ihm den Hals um!«

»Drossel deine Triebwerke«, befahl Curt, der immer noch lachte, während er den grimmigen Androiden festhielt. »Sei froh, dass Grag das nicht gehört hat.«

»Und jetzt, meine Damen und Herren, werde ich Ihnen Erinnerungsstücke von Captain Futures größten Abenteuern zeigen«, sprach der Mann weiter. »Es gibt Souvenirs von seinem Kampf gegen den Sternenkaiser auf dem Jupiter, von seiner Auseinandersetzung mit Doctor Zarro draußen auf dem Pluto, und …«

»Kommt, es ist nicht nötig, dass wir uns lauter gefälschte Andenken ansehen«, sagte Curt und nahm Joans Arm. »Am besten wir gehen sofort, solange wir noch im Stande sind, Otho von einem Mord abzuhalten.«

Der Androide war, als sie die hell erleuchtete, von Besuchern wimmelnde Hauptstraße erreichten, immer noch ziemlich aufgebracht. Um ihn zu beschwichtigen, deutete Curt auf eine Ansammlung von Metallpavillons, über denen ein grelles Diffraktionsschild schillerte.

INTERPLANETARER ZIRKUS –

NUR NOCH EINE WOCHE AUF DER ERDE

»Komm schon, Otho – vielleicht tröstet dich ja ein Zirkusbesuch«, schlug Curt vor.

Aber Otho kochte noch immer vor Zorn, als sie sich den Pavillons näherten. »Gehen wir hinein und schauen uns die Wunderwesen an«, bekräftigte Curt noch einmal.

Das Beiprogramm fand in einem genial kompakt erbauten Zuschauerraum mit Metallbänken und einer Bühne statt. Unter sanfter kryptonischer Beleuchtung wurde den Zuschauern eines der »Neun Weltwunder« vorgeführt.

»Der Chamäleonmann!«, säuselte ein menschlicher Zeremonienmeister. »Sehen Sie, wie er die Farben wechselt, meine Damen und Herren. Schauen Sie genau hin!«

Bei dem Chamäleonmann handelte es sich um einen ganz gewöhnlichen blauhäutigen und schlaksigen Saturnier. Aber sobald er vor ein grünes Viereck auf dem vielfarbigen Bühnenvorhang trat, wechselte seine Haut unvermittelt die Farbe und nahm exakt den Grünton an, der auf dem Vorhang zu sehen war. Als er zu einem roten Abschnitt des Vorhangs weitermarschierte, verfärbte sich seine Haut rot.

»Wie macht er das nur?«, fragte Joan verblüfft.

Curt indes ahnte bereits, worin das Geheimnis bestand. »Man hat ihn einer Strahlung ausgesetzt, mit deren Hilfe man die Pigmentierung der Haut blitzschnell verändern kann, so wie sich weiße Haut unter Sonneneinstrahlung braun färbt. Seine Haut wurde mit Chemikalien auf diesen Prozess vorbereitet.«

Der Chamäleonmann wurde unterdessen von einem spitzköpfigen, ausgemergelten Neptunier abgelöst, der riesige kelchförmige Ohren besaß.

»Der Lauscher kann ein Blatt hören, das in fünfzehn Kilometern Entfernung von einem Baum fällt«, prahlte der Zeremonienmeister. »Flüstern Sie Ihrem Nachbarn so leise Sie können etwas zu, und der Lauscher wird Ihnen sagen, was es war.«

Mehrere Leute im Publikum versuchten es und stellten verblüfft fest, dass der Lauscher auch noch das winzigste Geräusch auffing.

»Sein Ohren müssen durch einen chirurgischen Eingriff vergrößert und extrem sensibilisiert worden sein, Herr«, kommentierte Otho.

Curt nickte. »So muss es sein, allerdings braucht es für so eine Operation einen erstklassigen Chirurgen.«

»Und jetzt, bevor die Hauptvorstellung beginnt, präsentieren wir Ihnen unsere größte Sensation«, erklärte der Zeremonienmeister. »Sie alle haben bereits von den wissenschaftlichen Wundern der alten Marsianer gehört, dieser mächtigen Dynastie, die untergegangen ist, lange bevor die Menschen das Weltall bereisten. Nun werden Sie den Mann kennenlernen, der die unglaublichen Geheimnisse dieser uralten Magier entdeckte. Den Zauberer vom Mars!«

»Jetzt kommt der größte Schwindler von allen!«, spottete Otho.

Aber Captain Future erstarrte unwillkürlich, als ein Mann die Bühne betrat, der zwei sperrige, geheimnisvoll aussehende Instrumente in den Händen hielt. Neben der roten Haut des Marsianers besaß er das schwarze Haar eines Erdenmenschen. Seine Gesichtszüge waren sanft und gutaussehend, und seine schwarzen Augen musterten das Publikum mit kaum verhohlener Verachtung.

»Nicht zu fassen, das ist Doktor Ul Quorn!«, rief Curt.

»Ul Quorn?«, wiederholte Joan. »Wer ist das?«

»Quorn gehörte zu den brillantesten Wissenschaftlern der neun Welten«, erklärte Curt nachdenklich. »Er ist zur Hälfte Mensch, zu einem Viertel Marsianer und zu einem weiteren Viertel Venusier. Er bekleidete einen hohen Posten am Institut für Interplanetare Wissenschaften, als man herausfand, dass er abscheuliche Experimente durchführte. Diese Experimente brachten ihm eine einjährige Haftstrafe im Gefängnis auf dem Cerberusmond ein, und seitdem wird er von allen anständigen Wissenschaftlern als Ausgestoßener betrachtet. Es ist schmerzlich zu sehen, dass ein so hervorragender Wissenschaftler wie Quorn inzwischen so tief gesunken ist, dass er in einem derartigen Aufzug billige wissenschaftliche Tricksereien präsentiert. Ich nehme an, dass er nur auf diese Weise seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.«

»Seht, was er tut!«, rief Otho.

Ein Assistent brachte einen kleinen, auf der Erde beheimateten Nager auf die Bühne, ein verängstigtes Pelztierchen. Ul Quorn setzte es auf eine Metallplatte und richtete ein Instrument auf das Nagetier, woraufhin es urplötzlich durch das solide Metall hindurchfiel! Quorn reichte die Metallplatte im Publikum herum, um zu zeigen, dass sie unversehrt war.

»Bei den Kobolden der Sonne, dieser Quorn ist verdammt gut!«, fluchte Otho. »Das ist der Dematerialisierungseffekt, den schon die alten Jovianer gemeistert haben und der uns bei unserem Fall auf dem Jupiter in solche Schwierigkeiten gebracht hat.«

»Du hast recht«, kommentierte Curt stirnrunzelnd. »Die Archäologen glauben, dass die Jovianer diese Technik – wie viele andere Techniken, die Teil ihrer uralten Wissenschaft sind – von den Marsianern übernommen haben.«

»Ist es wirklich möglich, dass dieser Mann die für lange Zeit verloren geglaubte Wissenschaft der alten Marsdynastie wiederentdeckt hat?«, fragte Joan.

»Ich wünschte, ich wüsste es«, brummte Captain Future. »Schau dir das an.«

Ul Quorn, dessen attraktives Gesicht völlig ausdruckslos war, nahm ein Samenkorn und hielt es unter einen pulsierenden grünen Lichtkegel. Sofort verwandelte sich der Same in einen Setzling und dann in einen großen, wurzellosen Baum. Aus dem Publikum waren erstaunte Ausrufe zu hören.

»Das ist keine Illusion«, stellte Curt fest. »Das ist die alte marsianische ›Wachstumsbeschleunigung‹. Quorn hat offenbar wirklich eine Entdeckung gemacht!«

Otho indes ließ den Zauberer nicht aus den Augen. »Irgendetwas an Ul Quorns Gesicht ist mir auf unheimliche Weise vertraut«, sagte er. »Obwohl ich ihn noch nie gesehen habe, habe ich das Gefühl, ihm bereits einmal begegnet zu sein – und ich könnte wetten, dass es keine freundschaftliche Begegnung war.«

Joan richtete sich plötzlich auf. Curts ausgezeichnetes Gehör fing das summende Geräusch des winzigen Instruments in ihrer Tasche auf, eines Taschentelevisors, wie ihn alle Agenten der Planetenpolizei bei sich tragen. Joan neigte den Kopf, und Curt hörte eine metallische Stimme, die aus dem kleinen Televisor ertönte. »Agentin Randall? Hier spricht das Hauptquartier der Planetenpolizei. Kennen Sie Professor Kenneth Lester, den Archäologen?«

»Ja, ich bin ihm auf dem Jupiter begegnet«, erwiderte Joan flüsternd. »Er war in den Fall mit dem Sternenkaiser verwickelt.«

»Lester ist vor Kurzem in seinem Arbeitszimmer am Institut ermordet worden. Da Sie ihn persönlich kennen, können Sie uns möglicherweise bei den Ermittlungen helfen. Ich weiß, dass Sie zurzeit im Urlaub sind – werden Sie uns trotzdem helfen?«

»Aber natürlich«, erwiderte Joan hastig. »In zwanzig Minuten bin ich im Institut.«

Ihr Blick richtete sich auf Curt und Otho. Curt schaute grimmig drein. »Ich werde dich begleiten«, erklärte er mit angespannter Stimme.

»Aber du bist doch in den Ferien …«, widersprach Joan.

»Lester und ich sind Freunde, seit wir gemeinsam an diesem Fall auf dem Jupiter gearbeitet haben«, rief ihr Captain Future ins Gedächtnis. »Und ich möchte gerne dafür sorgen, dass seinem Mörder Gerechtigkeit widerfährt, wenn ich kann.«

Zwanzig Minuten später folgten Curt und Otho Joan in das sanft erleuchtete Arbeitszimmer des ermordeten Archäologen. Ein Offizier der Planetenpolizei in dunkler Uniform verwehrte den beiden Männern den Zutritt.

»Auch als Miss Randalls Begleiter dürfen Sie das Zimmer nicht betreten«, erklärte er steif. »Der Zutritt ist nur Mitarbeitern der Polizei erlaubt.«

Ohne ein Wort zog Curt einen großen, sonderbar aussehenden Ring aus seinem Gürtel. Um das glühende Sonnenjuwel in der Mitte kreisten neun Edelsteine, die die neun Planeten darstellten.

»Captain Future!«, keuchte der Offizier. »Es tut mir leid. Das habe ich nicht gewusst. Natürlich können Sie hinein …«

Drinnen entdeckte Curt Halk Anders, den Chef der Planetenpolizei mit dem Bulldoggengesicht, und außerdem Marschall Ezra Gurney, dessen Miene sich bei Curts Anblick aufhellte.

»Future!«, rief der alte Weltraumveteran. »Da bin ich aber verdammt froh, dass Sie hier sind! Ich dachte, Sie würden irgendwo außerhalb des Systems Urlaub machen.«

»Nein, Ezra. Ich mache auf der Erde Urlaub. Ich habe von dem Mord an Lester gehört und Joan hierher begleitet.«

»Captain Future interessiert sich für einen einfachen Mord?«, wunderte sich der Polizeichef.

»Lester war mein Freund«, erwiderte Curt grimmig. »Sie erinnern sich doch noch an ihn, Ezra, nicht wahr?«

Ezra nickte. »Ein vielversprechender junger Mann, und jetzt sehen Sie sich an, was ihm widerfahren ist.«

Curt Newton drehte sich um. Auf dem Boden lagen die grausig anzusehenden Überreste von Kenneth Lester. Es handelte sich um eine brodelnde Fleischmasse, deren Bestandteile versuchten, sich gegenseitig aufzufressen.

»Etwas so Grässliches habe ich noch nie zuvor gesehen«, erklärte der Polizeichef mit belegter Stimme. »Was ist ihm nur zugestoßen?«

»Ich habe keine Ahnung, wodurch das angerichtet wurde, aber ich weiß, was in diesem Augenblick mit ihm geschieht«, antwortete Curt Newton düster. »Der marsianische ›Lebenszersetzer‹ sabotiert die Zusammenarbeit der Körperzellen untereinander. Sie kooperieren nicht länger miteinander, sondern fressen sich gegenseitig auf. Wie dieser Zustand herbeigeführt wird, ist nicht bekannt. Es handelt sich dabei um eines der Mysterien der uralten marsianischen Wissenschaft.«

Noch während er sprach, wanderte sein Blick zu Otho. In den zu Schlitzen verengten Augen des Androiden spiegelte sich derselbe Verdacht wider, der auch ihn beschäftigte.

»Uralte marsianische Wissenschaft?«, zischte Otho. »Das ist ein verdammt merkwürdiger Zufall – wenn es denn einer ist.«

3. Kapitel: Der dritte Weltraumstein

Im interplanetaren Zirkus stand die Hauptvorstellung kurz bevor, und Ul Quorn, der Zauberer vom Mars, war gerade dabei, seinen letzten wissenschaftlichen Taschenspielertrick vorzuführen. Tosender Applaus brandete im Publikum auf. Dann begannen die Besucher in den Hauptpavillon zu schlendern, aus dem laute Musik ertönte.

Ul Quorn beobachtete die Zirkusbesucher von der Seitenkulisse aus. In seinen wachen schwarzen Augen lag Verachtung, als er sich zu dem Mädchen herumdrehte, das leise neben ihn getreten war.

»Gaffenden Idioten Taschenspielertricks vorzuführen!«, schimpfte er zähneknirschend. »Meine wissenschaftliche Expertise dafür zu missbrauchen, die ignoranten Massen zu unterhalten!«

»Lange wird es nicht mehr dauern, Herr«, beruhigte ihn das Mädchen mit ihrer marsianisch weichen, gedehnten Sprechweise.

Quorns Gesprächspartnerin war eine echte Marsianerin – und das verhieß echte Gefahr. Die träge, spöttische Schönheit, die in ihren vollkommenen Gesichtszügen aufblitzte, machte sie noch attraktiver, auch wenn ihr Blick Besorgnis widerspiegelte, als sie ängstlich Ul Quorns sanftes Gesicht musterte.

»Ja, N’rala, es wird wirklich nicht mehr lange dauern«, erwiderte der Mischling gedankenverloren. »Und diese seltsame Kuriositätenshow, die ich da abgeliefert habe, war die beste Strategie, um Geld zu verdienen und gleichzeitig unsere wahren Aktivitäten zu verbergen. Aber wenn ich erst im Besitz sämtlicher Weltraumsteine bin …«

In diesem Augenblick wurden seine Überlegungen von dem blauhäutigen Saturnier unterbrochen, der als Chamäleonmann bezeichnet wurde. »Sie werden in Ihrem Pavillon erwartet, Meister«, flüsterte das Wunderwesen.

Der ausgemergelte Neptunier mit den chirurgisch vergrößerten Ohren näherte sich ebenfalls. »Meister, es gibt etwas, das Sie wissen sollten.«

»Später«, antwortete Quorn ungeduldig. »Komm, N’rala.«

Die Marsianerin folgte Quorn in dessen privates Ankleidezimmer. Dort erwarteten ihn drei Marsianer. Es waren sonderbar aussehende, angespannt wirkende Gestalten mit tief liegenden Augen. Als Quorn und seine Begleiterin eintraten, sprangen sie auf.

»Ich grüße Sie, Söhne zweier Monde«, sagte Quorn förmlich.

»Seien Sie ebenfalls gegrüßt, Sohn zweier Monde«, erwiderte der Älteste von den dreien. Ul Quorn setzte sich, aber seine schwarzen Augen funkelten böse, als er sich an den Marsianer wandte, der als Erster das Wort ergriffen hatte.

»Warum kommen Sie hierher, Si Twih? Wollen Sie, dass jeder erfährt, dass ich Ihrer Organisation angehöre?«

»Doktor Quorn, der Hohe Rat der Söhne zweier Monde hat uns zu Ihnen geschickt. Der Rat möchte wissen, warum Sie noch keine Fortschritte vorzuweisen haben.«

»Ich habe Ihnen gesagt, dass es Zeit braucht.«

»Sie haben genug Zeit gehabt«, entgegnete Twih. »Vor einem Jahr versprachen Sie uns die vollkommene Umsetzung des großartigen Zieles, das sich unser Kult gesetzt hat – die Wiederherstellung des ruhmreichen marsianischen Imperiums. Welches Ziel erfordert größere Loyalität als dieses? Welcher Marsianer würde nicht alles dafür geben, zu erleben, wie unser Volk seine rechtmäßige Stellung wiedererlangt?«

»Habe ich mich dieser Aufgabe nicht mit Leib und Seele verschrieben, als ich mich den Söhnen zweier Monde anschloss?«, verlangte Quorn zu wissen.

»Gewiss. Sie haben versprochen, dass Sie bald im Stande wären, die Herrlichkeit des marsianischen Volkes wiederherzustellen. Aber stattdessen haben Sie nichts weiter getan, als mit diesem Wanderzirkus von einer Welt zur nächsten zu ziehen. Unsere Anhänger werden allmählich ungeduldig.«

Quorns glatte Gesichtszüge wurden starr. »Der einzige Weg, den verlorenen Glanz des Marsimperiums wiederherzustellen, ist die Entschlüsselung der geheimnisvollen Macht, die vor vielen Jahrhunderten von Thuro Thuun entdeckt wurde, dem größten Wissenschaftler der uralten Marsdynastie. Bevor sich dieses Mysterium nicht in meinem Besitz befindet, können wir unser Ziel nicht offen verfolgen. Die sieben Raumjuwelen, in die Thuro Thuun das Geheimnis eingeschrieben hat, sind in den vergangenen Jahrhunderten über sämtliche Welten des Systems verstreut worden. Eins dieser Juwelen befand sich auf dem Merkur. Seit letztem Monat ist es in meinem Besitz. Ein weiteres wurde jüngst vom Jupiter auf die Erde gebracht. Und es ist mir erst heute gelungen, es zu stehlen. Außerdem befindet sich ein drittes Juwel, das ich schon in der kommenden Nacht an mich bringen werde, auf der Erde. Ein viertes Raumjuwel ist auf der Venus, diesen Stein besorge ich, wenn der Zirkus dorthin weiterzieht. Insgesamt sind das vier Weltraumsteine. Aber wo sind die anderen drei? Haben unsere Anhänger sie noch nicht gefunden?«

»Wir unternehmen große Anstrengungen, um die drei Raumjuwelen aufzuspüren«, entgegnete Si Twih entschuldigend. »Wir glauben, dass sich eins davon auf dem Mars befindet.«

»Dann werden meine Wunderwesen und ich so lange beim interplanetaren Zirkus bleiben, bis wir den Mars erreichen«, erklärte Quorn. »Meine Aktivitäten erfordern eine gute Tarnung.«

Si Twih musterte ihn düster. »Ich nehme an, dass wir Ihnen vertrauen können, Doktor Quorn. Auch wenn es viele gibt, die uns davon abraten. Schließlich sind Sie nur zum Teil Marsianer.«

»Das Blut, das durch meine Adern fließt, ist vielleicht nur teilweise marsianisch, aber dieser Teil stammt von den mächtigsten Königen der uralten Marsdynastie«, erwiderte Quorn hochmütig.

»Aber Sie geben die Geheimnisse der uralten marsianischen Wissenschaft preis, um damit das gemeine Volk zu belustigen!«, widersprach einer der Fanatiker.

Quorn zuckte mit den Achseln. »Was soll ich sonst tun? Ich brauche Geld, um nach den Raumjuwelen suchen zu können. Außerdem hält das gewöhnliche Volk meine Vorführungen für nichts weiter als billige magische Taschenspielertricks.«

Si Twih erhob sich, um sich auf den Weg zu machen. Aber an der Tür zum Pavillon drehte er sich noch einmal um. »Sobald Sie den Mars erreichen, verfügen wir hoffentlich über konkrete Informationen darüber, an welchem Ort sich die restlichen Weltraumsteine befinden. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute, Sohn zweier Monde.«

Quorn verneigte sich. »Leben Sie wohl, Söhne zweier Monde.«

Als die Marsianer gegangen waren, verzog sich das attraktive Gesicht des Mischlings zu einer höhnischen Fratze.

»Was für einfältige Narren – zu glauben, dass ich mich ihrem verrückten Plan verschrieben habe, das alte Imperium wieder aufzubauen!«, sagte er spöttisch zu N’rala. Dann lachte er. »Aber diese Narren und ihre Sekte sind verdammt nützlich beim Aufspüren der sieben Weltraumsteine.«

»Sobald wir alle Weltraumsteine in unseren Besitz gebracht und das Geheimnis von Thuro Thuun gelüftet haben, wird das Mysterium uns allein gehören!«, rief N’rala ungeduldig.

Ul Quorn tätschelte ihr lachend die Schulter. »Es wird mir gehören, N’rala, nicht uns. Ich traue niemandem. Aber wenn sich das Geheimnis von Thuro Thuun erst einmal in meinem Besitz befindet, sollst du an seiner Macht teilhaben.«

Ul Quorn ging zur Tür des Pavillons. Der ausgemergelte Saturnier, den sie den Lauscher nannten, wartete draußen.

»Was hast du mir zu berichten?«, erkundigte sich der Mischling.

»Herr, du hast mir befohlen, während meines Auftritts das Publikum zu belauschen, um mögliche Spione unter den Anwesenden ausfindig zu machen.«

»Ja, ja«, bestätigte Quorn ungeduldig. »Was hast du gehört?«

»Heute Abend saßen zwei Männer und ein Mädchen im Publikum«, berichtete der Lauscher eilig. »Aus dem, was sie sagten, konnte ich schließen, dass einer von ihnen Captain Future war!«

»Captain Future?« Ul Quorn schnappte nach Luft und ballte die schlanken Hände zu Fäusten.

»Ja, Herr«, erwiderte das Wunderwesen. »Der andere war der Futureman, den sie Otho nennen, und das Mädchen war eine Geheimagentin der Planetenpolizei.«

Quorns ebenmäßige Gesichtszüge spiegelten finstere Leidenschaft wider, als er an N’rala und dem Lauscher vorbei in die Ferne sah. »Captain Future«, brummte er. »Er war also hier, ohne dass ich davon wusste. Ausgerechnet der Mann, den ich im ganzen System am meisten hasse!«

»Aber warum?«, erkundigte sich N’rala verwundert. »Ich wusste gar nicht, dass du ihm jemals begegnet bist.«

»Bin ich auch nicht, aber dennoch haben er und seine Kameraden mir Schaden zugefügt, und dafür werden sie eines Tages bezahlen«, presste Quorn zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Diese Schuld ist viele Jahre alt.«

Schweigend brütete er vor sich hin. Weder die Marsianerin noch der ängstliche, ausgemergelte Saturnier wagten es, seinen Zorn zu provozieren.

»Worüber haben sie gesprochen? Warum haben sie unsere Vorstellung besucht?«

»Ich glaube, dass die Neugier sie in die Vorstellung lockte«, erwiderte der Lauscher rasch. »Das Mädchen empfing auf ihrem Taschentelevisor eine Nachricht vom Hauptquartier der Planetenpolizei; sie wollten, dass sie ihnen bei den Ermittlungen zum Mord an Professor Lester hilft. Sie verließ den Pavillon, und Future begleitete sie. Er sagte, er wolle ihr bei den Nachforschungen helfen, um sicherzustellen, dass der Mörder seine gerechte Strafe erhält.«